Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 306 1etv5-2 5.4 5.4.1 Komplexe Berechnung linearer Netzwerke Transformation Der Lernende kann - das grundsätzliche Prinzip der Transformation beschreiben und deren Notwendigkeit begründen Im Abschnitt 5.3. hatten wir abschließend festgestellt, dass die Berechnung linearer Netzwerke bei sinusförmiger Erregung in der Zeitdarstellung der Spannungen und Ströme aufwendig und umständlich ist. Wirt hatten aber auch analysiert, dass sich die Rechenoperationen auf die Addition, die Multiplikation mit einem konstanten Faktor, die Differenziation und die Integration beschränken. Besonders wichtig war, dass die Ergebnisschwingung gleiche Frequenz wie die Ausgangsschwingungen hatte und Amplitude und Nullphasenwinkel der Ergebnisschwingung nur von den Amplituden und Nullphasenwinkeln der Ausgangsschwingungen bestimmt wurde. Bereitet die Berechnung in einer bestimmten Darstellungsform Schwierigkeiten, so bietet die Mathematik Transformationsmethoden an. Die Berechnung wird dann nicht im Originalbereich durchgeführt, sondern das ganze Problem in einen Bildbereich transformiert. Im Bildbereich lassen sich die Berechnungen wesentlich günstiger durchführen. Anschließend wird das im Bildbereich ermittelte Ergebnis in den Originalbereich zurück transformiert. Dabei muss gesichert sein, dass die Ergebnisse im Bildbereich den Ergebnissen des Originalbereichs entsprechen. Für die Aufgabenstellungen bei der Berechnung linearer Netzwerke ist der Ablaufplan der Transformation in Abb.5.4.01 dargestellt. Aufgabenstellung im Originalbereich x = x1 + x 2 ˆ ⋅ cos ( ωt + ϕ x =X 1 1 x1 ) ˆ ⋅ cos ( ωt + ϕ ) x2 = X 2 x2 Transformation der vorhandenen Schwingungen in den Bildbereich Durchführung der notwendigen Rechenoperationen im Bildbereich Rücktransformation aus dem Bildbereich Ergebnisschwingung im Originalbereich ˆ ⋅ cos ( ωt + ϕ ) x =X x Abb.5.4.01 Ablaufplan der Schwingungstransformation Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 307 1etv5-2 5.4.2 Grundlagen komplexer Größen Der Lernende - kann komplexe Größen in der Komponentenform, der goniometrischen und in der Exponentialform darstellen - beherrscht Addition, Subtraktion, Multiplikation, Division komplexer Größen - beherrscht die Multiplikation mit einem reellen Faktor - beherrscht die Bildung der negativen komplexen Größe Da als Bildbereich in der Transformation die komplexe Zahlenebene benutzt wird, ist es zweckmäßig, dass wir uns zunächst mit komplexen Größen, ihrer Darstellung in der Elektrotechnik und dem Rechnen mit komplexen Größen wiederholend oder parallel zur Mathematikausbildung beschäftigen. a) Darstellung komplexer Größen Komplexe Größen sind Größen, die sich nicht am Zahlenstrahl darstellen lassen, sondern zur Darstellung eine ebene Fläche benötigen. Diese Ebene wird als komplexe Ebene bezeichnet und durch zwei Koordinaten beschrieben. Die Koordinaten können durch ein kartesisches Koordinatensystem oder durch ein Polarkoordinatensystem dargestellt werden. Das kartesische Koordinatensystem ist ein rechtwinkliges Koordinatensystem mit einer Koordinatenachse in Richtung des Zahlenstrahls. Diese Koordinatenachse wird als reelle Achse bezeichnet und umfasst die Menge der reellen Zahlen. Die dazu senkrechte Koordinatenachse wird als imaginäre Achse bezeichnet und umfasst die Menge der imaginären Zahlen. Die imaginären Zahlen werden in der Elektrotechnik mit der Größe j gekennzeichnet. j = −1 j2 = −1 (5.4.01) Die komplexe Größe A ist in der Zahlenebene ein Pfeil der Länge A vom Koordinatenursprung ausgehend zu einem Punkt in der Ebene. In kartesischen Koordinaten wird die komplexe Größe A durch einen Realteil Re{A}in Richtung der reellen Achse und einen Imaginärteil Im{A}in Richtung der imaginären Achse beschrieben. Diese Darstellungsform der komplexen Größe wird als Komponentenform bezeichnet. A = Re {A} + j ⋅ Im {A} (5.4.02) Für Real- und Imaginärteil der komplexen Größe führen wir folgende Bezeichnungen ein: Re {A} = A ⊥ (gesprochen: "A hoch et") (5.4.03) Im {A} = A ⊥⊥ (gesprochen: "A hoch ip") ⊥ A = A + jA ⊥⊥ (5.4.04) (5.4.05) Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 308 1etv5-2 In Abb.5.4.01 ist die komplexe Größe A mit ihrem Komponenten gezeigt. Im A jA j ⋅ Im {A} α A Re {A} Re Abb.5.4.01 Darstellungsformen der komplexen Größe Der Betrag der komplexen Größe A ist A. Aus den Komponenten wird der Betrag nach Gl.5.4.06 berechnet. A = A ⊥2 + A ⊥⊥2 (5.4.06 Werden die Komponenten der komplexen Größe unter Verwendung des Betrages und des Winkels α bestimmt, erhalten wir die goniometrische Form. A ⊥ = A ⋅ cos α A ⊥⊥ = A ⋅ sin α A = A ⋅ cos α + jA ⋅ sin α (5.4.07) (5.4.08) Der Winkel α wird von der reellen Achse ausgehend durch einen Pfeil zur komplexen Größe gezählt. α > 0 ist ein Winkel, der im mathematische positiven Drehsinn (linksdrehend) angetragen wird. α < 0 bedeutet dann rechtsdrehend eingezeichnete Winkel. Für den Betrag des Winkels vereinbaren wir α ≤ 180o . Durch den Winkelbereich −180o ≤ α ≤ 180o können wir damit die gesamte Zahlenebene erreichen. Der Winkel α kann unter Verwendung der Winkelfunktionen sin α , cos α und tanα aus Betrag A, Realteil A ⊥ und Imaginärteil A ⊥⊥ aus Abb.5.4.01 bestimmt werden. Um das Vorzeichen des Winkels richtig zu erfassen, sollten Sie diese Berechnung aber nur unter Verwendung einer Skizze der komplexen Zahlenebene durchführen. Zur Darstellung in Polarkoordinaten wird die komplexe Größe durch ihren Betrag A und den Winkel α nach Gl.5.4.09 beschrieben. A = A ⋅e{ } (5.4.09) Nun ist α = {α} ⋅ [ α ] mit [ α ] = rad . Da der Exponent grundsätzlich dimensionslos sein jα α des im Bogenmaß angegebenen rad Winkels stehen. Die Kennzeichnung als Maßzahl wird allerdings meist weggelassen. Um den Winkel auch in Grad angeben zu können, vereinbaren wir die Darstellungsform nach Gl.(5.4.10), die wir "cis-Form" nennen. muss, kann im Exponenten nur die Maßzahl {α} = A=Aα (gesprochen: "A cis α") (5.4.10) Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 309 1etv5-2 Zwischen der Exponentialform und der goniometrischen Komponentenform vermittelt die Eulersche Beziehung e { } = cos α + jsin α jα (5.4.11) Beispiel 5.4.01 Gegeben ist der komplexer Strom I = 5A + j ⋅ 4A . Der komplexe Strom ist in der Exponentialform und in der "cis-Form" anzugeben und in der komplexen Ebene darzustellen. Numerische Rechnungen mit komplexen Größen werden mit dem Taschenrechner durchgeführt. Wie bereits in Kapitel 3 ausgeführt, sollten Sie über ein Rechengerät verfügen, das komplexe Rechnungen ermöglicht. I = I ϕi = 6.40A 38.7o I = 6.40A 38.7o ϕi = 38.7 ⇒ ϕir = ⋅ π rad = 0.215π rad = 0.675rad 180o I = 6.40A ⋅ e j⋅0.215 π o Für die Darstellung des komplexen Stromes muss ein Darstellungsmaßstab mI festgelegt werden. Dabei ist I = mI ⋅ sI (5.4.12) sI ist die Länge des Strombetrages in einer Längenmaßeinheit [ sI ] = cm . Für die Darstellung des Stromes I = 6.40A wählen wir mI = 1A / cm . Damit wird I 6.40A sI = = = 6.40cm mI 1A / cm Neben der Maßstabsangabe gibt man in der Zahlenebene die Strommaßeinheit durch eine Längenangabe an. In Abb.5.4.02 ist der komplexe Strom dargestellt. Im 1A I j4A ϕI 5A Re Abb.5.4.02 Darstellung des komplexer Stromes nach Beispiel 5.4.01 Euler, Leonhard, schweizerischer Mathematiker (1707-1783) Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 310 1etv5-2 b) Rechnen mit komplexen Größen Im Folgenden wollen wir die beiden komplexen Größen A = A ⊥ + jA ⊥⊥ = A ⋅ e jα = A α B = B⊥ + jB⊥⊥ = B ⋅ e jα = B β durch Rechenoperationen miteinander verknüpfen. Addition S = A +B Die Addition wird in der Komponentenform durchgeführt. ( S = (A ) ( ) + j( A ) ) S = A ⊥ + jA ⊥⊥ + B⊥ + jB⊥⊥ ⊥ +B ⊥ ⊥⊥ +B ⊥⊥ (5.4.13) In der Zahlenebene erfolgt die Addition durch Aneinandersetzen der komplexen Größen. Die Summengröße S beginnt am Fußpunkt des ersten Summanden und endet an der Pfeilspitze des zweiten Summanden. Komplexe Größen lassen sich dabei in der komplexen Ebene beliebig verschieben. In Abb.5.4.03 ist die Addition in der komplexen Ebene dargestellt. Im S=A+B B A B Re Abb.5.4.03 Summenbildung komplexer Größen Subtraktion D = A −B Subtraktion wird in der Komponentenform durchgeführt. ( D = (A ) ( ) + j( A ) ) D = A ⊥ + jA ⊥⊥ − B⊥ + jB⊥⊥ ⊥ − B⊥ ⊥⊥ − B⊥⊥ (5.4.14) In der komplexen Ebene wird die Subtraktion durchgeführt, in dem die zu subtrahierende Größe, der Subtrahend, mit der Pfeilspitze an den Minuenden angesetzt wird. Die Differenzgröße beginnt am Fußpunkt des Minuenden und endet am Fußpunkt des Subtrahenden. Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 311 1etv5-2 In Abb.5.4.04 ist die Differenzbildung in der komplexen Ebene dargestellt. Im B A B Re D= A - B Abb.5.4.04 Differenzbildung komplexer Größen Multiplikation mit reellem Faktor C =K⋅A Die Multiplikation mit einem reellen Faktor kann in der Komponenten- oder in Exponentialform durchgeführt werden. ( ) C = K ⋅ A ⊥ + jA ⊥⊥ = K ⋅ A ⊥ + jK ⋅ A ⊥⊥ jα C = K ⋅A ⋅e = K ⋅A α = C γ (5.4.15) C =K⋅A α = γ Die Multiplikation mit einem reellen Faktor verändert nur den Betrag der komplexen Größe. In Abb.5.4.05 ist die Multiplikation mit dem reellen Faktor in der komplexen Ebene dargestellt Im C =K⋅A A α A⊥ jA ⊥⊥ K⋅A j⋅K ⋅ A Re Abb.5.4.05 Multiplikation mit einem reellen Faktor Multiplikation P = A ⋅B Die Multiplikation wird in der Exponentialform durchgeführt. P = A ⋅ e jα ⋅ B ⋅ e jβ = A ⋅ B ⋅ e ( j α+β ) = A ⋅B α + β Die Multiplikation ist eine Drehstreckung der komplexen Größe. Die (5.4.16) Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 312 1etv5-2 Betragsänderung erfolgt durch die Multiplikation der Beträge, die Drehung durch Addition der Winkel. In Abb.5.4.06 ist die Produktbildung in der komplexen Ebene dargestellt. Im P B α+β β α A Re Abb.5.4.06 Produktbildung komplexer Größen Division Die Division komplexer Größen wird in der Exponentialform durchgeführt. Q= A A ⋅ e jα A j( α−β ) A = = e = α −β B B ⋅ e jβ B B (5.4.17) Die Division ist ebenfalls eine Drehstreckung. Die Änderung des Betrages erfolgt durch die Division der Beträge, die Drehung durch die Subtraktion der Winkel. In Abb.5.4.07 ist die Division in der komplexen Ebene dargestellt. Im B β α Q A α −β Re Abb.5.4.07 Quotientenbildung komplexer Größen Bildung der negativen komplexen Größe Die negative komplexe Größe N wird gebildet, indem die komplexe Größe mit dem reellen Faktor -1 multipliziert wird. N = −1⋅ A = − A − j ⋅ A Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 313 1etv5-2 Nach Gl.(5.4.11) ist e± jπ = ±1800 = cos± π + jsin± π = −1 N = e jπ ⋅ A = A ⋅ e ± jπ ⋅ e jα = A ⋅ e j( ± π+α ) = A α ± 180o (5.4.18) Die Multiplikation mit -1 ist eine Drehung der komplexen Größe um ±180o . In Abb.5.1.08 ist die Bildung der negativen komplexen Größe in der komplexen Ebene dargestellt. Im A α+π -A jA α A -jA N α−π Re Abb.5.4.08 Bildung der negativen komplexen Größe 5.4.3 Komplexe Schwingungsberechnung Der Lernende kann - eine sinusförmige Schwingung in einen rotierenden Zeiger transformieren - den Anfangs- oder ruhenden Zeiger definieren - einen ruhenden Zeiger in eine sinusförmige Schwingung zurück transformieren - Addition, Subtraktion, Multiplikation mit reellem Faktor, Differenziation und Integration im Bildbereich durchführen a) Komplexe Schwingungstransformation Die zeitlich sinusförmige Funktion (Gl.5.4.19)) einer physikalischen Größe haben wir auch als Schwingung bezeichnet. ˆ ωt + ϕx ) x = Xcos( (5.4.19) Diesen Begriff wollen wir im Folgenden verwenden. Zur Erzielung von Rechenvereinfachungen werden wir diese Schwingung, wie wir bereits in 5.4.1 beschrieben haben, in den Bildbereich transformieren. Der Bildbereich ist die komplexe Ebene. Das Mittel für diese Transformation ist ein um den Koordinatenursprung in der komplexen Ebene im mathematisch positiven Sinne (Linksdrehsinn) rotierender Zeiger. Der Zeiger hat folgende Merkmale: X̂ d α 2π ω= = dt T T 1 f= T ω = 2π ⋅ f Zeigerlänge Winkelgeschwindigkeit (5.4.20) Periodendauer, Zeit für einen vollen Umlauf Umlauffrequenz (5.4.21) (5.4.22) Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 314 1etv5-2 ϕx α = ωt ωt + ϕ x X̂ X̂ Winkel des Zeigers zur Zeit t = 0 gegenüber der reellen Achse in der Zeit t zurückgelegter Winkel Gesamtwinkel zur Zeit t gegenüber der reellen Achse Rotierender Zeiger Zeiger zur Zeit t = 0 . Dieser Zeiger wird Anfangszeiger oder ruhender Zeiger genannt In Abb.5.4.09 ist der rotierende Zeiger in der komplexen Ebene dargestellt. Aus dieser Abbildung ergeben sich für den rotierenden und den Anfangszeiger in goniometrischer und Exponentialform ˆ ˆ ˆ sin(ωt + ϕ ) = X ˆ ⋅ e j( ωt +ϕx ) = Xe ˆ jωt eϕx = Xcos(ωt + ϕx ) + jX X x (5.4.23) ˆ =X ˆ ⋅ cos ϕ + jX ˆ ⋅ sin ϕ = X ˆ ⋅ e jϕ x X x x (5.4.24) Im t1 ω X̂ X̂ ωt1 t =0 ϕx Re ϕx x ωt1 X̂ 1 2 π π ωt Abb.5.4.09 Rotierender Zeiger in der komplexen Ebene Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 315 1etv5-2 Aus Gl.(5.4.23) und (5.4.24) ergibt sich der Zusammenhang zwischen rotierendem und ruhendem Zeiger ˆ ˆ jωt = X⋅e X (5.4.25) ˆ Der Vergleich der Schwingung x = Xcos( ωt + ϕx ) mit dem rotierenden Zeiger zeigt, dass die Schwingung im Realteil des rotierenden Zeigers auftritt. {} ˆ ˆ ⋅ cos ( ωt + ϕ ) =X x = Re X x (5.4.26) In Abb.5.4.09 ist die Schwingung mit in das Diagramm eingetragen, um die Augenblickswerte der Schwingung mit der Zeitfunktion des Realteils vergleichen zu können. b) Transformationsvorschrift Aus Gl.(5.4.26) ergibt sich die Transformationsvorschrift für die komplexe Schwingungstransformation. Die Schwingung im Originalbereich wird zum rotierenden Zeiger im Bildbereich. Der rotierende Zeiger wird gebildet aus der Schwingung als Realteil und einer durch die Sinusfunktion beschriebenen Schwingung gleichen Scheitelwertes X̂ und gleicher Winkelfunktion ωt + ϕx als Imaginärteil {} ˆ Im { X } = Xˆ ⋅ sin ( ωt + ϕ ) ˆ ˆ ⋅ cos ( ωt + ϕ ) =x=X Re X x x ˆ ˆ ˆ ⋅ sin(ωt + ϕ ) = X ⋅ cos(ωt + ϕx ) + jX X x c) (5.4.27) (5.4.28) Berechnung im Bildbereich Nach der in 5.3. getroffenen Vereinbarung haben alle im linearen Netzwerk vorhandenen Schwingungen gleiche Frequenz. Die Winkeldifferenz zwischen zwei Schwingungen, die so genannte Phasenverschiebung, wird dadurch zeitunabhängig. ∆ϕ = (ωt + ϕx1 ) − (ωt + ϕ x2 ) = ϕx1 − ϕx2 (5.4.29) Nach der Transformation der Schwingungen in den Bildbereich erhält man rotierende Zeiger, die alle mit der gleichen Winkelgeschwindigkeit rotieren. Die Phasenverschiebung der Schwingung erscheint dann als Winkel zwischen den rotierenden Zeigern. Nach Gl.(5.4.25) lassen sich die rotierenden Zeiger mittels der ruhenden Zeiger darstellen ˆ ˆ j( ωt +ϕx1 ) = X ˆ e jϕx1 e jωt = X ˆ 1e jωt X 1 = X1e 1 ˆ ˆ j8 ωt +ϕx 2 ) = X ˆ e jϕx 2 e jωt = X ˆ 2 e jωt X 2 = X2 e 2 Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 316 1etv5-2 Alle rotierenden Zeiger enthalten das Zeitglied ejωt. Die speziellen Informationen der Schwingung ( X̂ und ϕx) sind im Anfangszeiger oder ruhenden Zeiger ˆ =X ˆ ⋅ e jϕ x = X ˆ ϕ X x (5.4.30) enthalten. Für die Berechnungen im Bildbereich werden daher nur die ruhenden Zeiger benutzt. Bei sinusförmigen Schwingungen besteht der Zusammenhang zwischen Scheitelwert und Effektivwert nach Gl.(5.1.14) X̂ = 2 ⋅ X . Im Weiteren werden wir nur noch ruhenden Effektivwertzeiger verwenden. Aus Gl.(5.4.30) wird mit (5.1.14) 2 ⋅ X = 2 ⋅ X ⋅ e jϕ x = 2 ⋅ X ϕ x X = X ⋅ e jϕ x = X ϕ x (5.4.31) Praktisch werden wir die Transformation der Schwingung in den Bildbereich so durchführen, dass wir Effektivwert und Nullphasenwinkel der Schwingung unmittelbar zur Bildung des ruhenden Effektivwertzeigers verwenden. x = 2 ⋅ X ⋅ cos ( ωt + ϕ x ) ⇒ X = X ϕx (5.4.32) Wie die einzelnen Rechenoperationen mit den ruhenden Effektivwertzeigern durchgeführt werden, wollen wir in 5.4.4 untersuchen. d) Rücktransformation Für die Rücktransformation wird der ruhende Ergebnis-Effektivwertzeiger X mit 2 ⋅ e jωt multipliziert und damit der rotierende Ergebniszeiger gebildet. X̂ = 2 ⋅ X ⋅ e jωt Die Ergebnisschwingung im Originalbereich erhalten wir als Realteil des rotierenden Ergebniszeigers {} ˆ = Re x = Re X { } 2 ⋅ X ⋅ e jωt = 2 ⋅ X ⋅ cos ( ωt + ϕx ) (5.4.33) Die Schwingung im Originalbereich wird durch Effektivwert X und Nullphasenwinkel ϕx bestimmt. Beide Größen sind aber bereits im ruhenden Ergebnis-Effektivwertzeiger des Bildbereiches enthalten: X = X ϕx (5.4.34) Wir können also unmittelbar mit Gl.(5.4.34) die Ergebnisschwingung im Originalbereich formulieren, indem wir X und ϕx in die Schwingungsgleichung einsetzen x = 2 ⋅ X ⋅ cos ( ωt + ϕ x ) (5.4.35) Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 317 1etv5-2 In Gleichung (5.4.35) muss ϕx im Bogenmaß eingesetzt werden. Da wir in der cis-Form ϕx in Grad erhalten gibt Gl.(5.4.36) die Ergebnisschwingung im Originalbereich an, wobei ϕx in Grad eingesetzt wird. ϕ x = 2 ⋅ X ⋅ cos ωt + x o ⋅ π 180 e) (5.4.35) Übersicht In Abb.5.4.10 ist die gesamt Schwingungstransformation zusammen gestellt. x = x1 + x2 x1 = 2 ⋅ X1 cos(ωt + ϕx1) x2 = 2 ⋅ X2 cos(ωt + ϕx2) Transformation in den Bildbereich: Addition des Imaginärteils ˆ = 2X ⋅ [cos(ωt+ϕ ) + j sin(ωt+ϕ )] X x ˆ 1 = X 2 X1 [cos(ωt+ϕx1) + j sin(ωt+ϕx1)] 2 X1 ej(ωt + ϕx1) = ˆ 2 = X 2 X2 [cos(ωt+ϕx2) + j sin(ωt+ϕx2)] 2 X2 ej(ωt + ϕx2) = X1 = X1 ejϕx1 = X1 (cosϕx1 + j sinϕx1) Bildung des ruhenden Effektivwertzeigers X2 = X2 ejϕx2 = X2 (cosϕx2 + j sinϕx2) X = X1 + X2 x = Re x= { 2 ⋅ X ⋅e jωt Rechenoperation im Bildbereich } 2X ⋅ cos(ωt + ϕx) Rücktransformation Ergebnisschwingung Abb.5.4.10 Komplexe Schwingungstransformation x Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 318 1etv5-2 5.4.4 Rechenregeln der komplexen Schwingungsberechnung Der Lernende kann - rotierende Zeiger addieren und subtrahieren, mit einem reellem Faktor multiplizieren, differenzieren und integrieren - die Rechenoperationen Addition, Subtraktion, Multiplikation mit reellem Faktor, Differenziation und Integration mit ruhenden Zeigern durchführen In 5.3.2 hatten wir festgestellt, dass bei der Berechnung linearer Netzwerke bei sinusförmiger Erregung die Rechenoperationen Addition, Subtraktion, Multiplikation mit einem konstanten Faktor, Differenziation und Integration durchgeführt werden müssen. Im Folgenden wollen wir untersuchen, wie wir diese Operationen des Originalbereich im Bildbereich mit ruhenden Effektivwertzeigern realisieren müssen. Dabei soll gleichzeitig überprüft werden, inwieweit die im Bildbereich erzielten Ergebnisses mit dem Ergebnis im Originalbereich übereinstimmen. a) Addition, Subtraktion Originalbereich: x = x1 ± x2 = 2 X1 cos(ωt + ϕx1) ± 2 X2 cos(ωt + ϕx2) Bildbereich: ˆ ˆ ˆ = X1 ± X X 2 ⋅ ( X1 ± X2 ) ⋅ e jωt 2 = X = X1 ± X2 = (X1 cosϕx1 ± X2 cosϕ2) + j (X1 sinϕx1 ± X2 sinϕx2) x = Re x= { } 2 ⋅ X ⋅ e jωt = Re { 2 ⋅ X⋅e ( j ωt +ϕx ) } 2 X1cos x = 2 ⋅ X1 cos(ωt + ϕx1 ) ± 2 ⋅ X2 cos(ωt + ϕx2 ) ± 2 X2 cos ( ωt + ϕx2 ) Die Addition oder Subtraktion wird im Bildbereich mit ruhenden Effektivwertzeigern nach Gl.(5.4.36) durchgeführt. Die Rücktransformation liefert gleiche Ergebnisse wie die Durchführung der Operation im Originalbereich. X = X1 ± X2 (5.4.36) Beispiel 5.4.02 Es ist die Summe der Ströme i1 und i2 zu bilden i1 = 2 ⋅ 5A ⋅ cos ( ωt + 41 π ) I1 = 5A ϕi1 = 45o i2 = 2 ⋅ 3A ⋅ cos ( ωt + 61 π ) I2 = 3A ϕi2 = 30o i = i1 + i2 Transformation der Ströme in den Bildbereich I 1= 5A 450 = 3.54A + j3.54 A I 2 = 3A 300 = 2.60A + j1.50A Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 319 1etv5-2 Durchführung der Rechenoperation im Bildbereich I = I 1+ I 2 I = 3.54A + j3.54A + 2.60A + j1.50A = 6.14A + j5.04A I = 7.94A 39.40 Rücktransformation in den Originalbereich ( ) i = 2 ⋅ 7.94A ⋅ cos ωt + 39.4 π = 2 ⋅ 7.94A ⋅ cos ( ωt + 0.219π ) 180o o Darstellung der Rechenoperation in der komplexen Ebene, Zeigerbild Maßstab: mI = 1A/cm Im I2 1A ϕI2 I2⊥ I I1 jI2⊥⊥ jI⊥⊥ jI1⊥⊥ ϕI ϕI1 I1⊥ I⊥ Re Abb.5.4.11 Zeigerbild zu Beispiel5.4.02 b) Multiplikation mit konstantem Faktor Originalbereich: x = A x1 = A 2 X1 cos(ωt + ϕx1) Bildbereich: ˆ ˆ X 2 ⋅ A ⋅ X1 ⋅ e jωt = A⋅X 1 = X = A ⋅ X1 = A ⋅ X1 ⋅ ( cos ϕ1 + jsin ϕ1 ) x = Re x= { } 2 ⋅ X ⋅ eωt = Re { 2 ⋅ X ⋅ e( ωt +ϕx1 ) } 2 ⋅A X1 cos(ωt+ϕx1) Die Multiplikation mit dem reellen Faktor wird im Bildbereich mit ruhenden Effektivwertzeigern nach Gl.(5.4.37) durchgeführt. Die Rücktransformation liefert gleiche Ergebnisse wie die Durchführung der Operation im Originalbereich. X = A ⋅ X1 (5.4.37) Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 320 1etv5-2 Beispiel 5.4.03 Der Widerstand R = 100Ω wird vom Strom i = 2 ⋅ 1.5A ⋅ cos ( ωt − 41 π ) durchflossen. Es ist der Spannungsabfall u über dem Widerstand zu berechnen. u=iR i = 2 ⋅ 1.5A ⋅ cos ( ωt − 41 π ) I = 1.5A ϕi = −45o Transformation des Stromes in den Bildbereich I = 1.5A −45o = 1.06A − j1.06A Berechnung der Spannung im Bildbereich U = R ⋅ I = 100Ω ⋅ 1.5A −45o = 150V −45o = 106V − j106V Rücktransformation der Spannung in den Originalbereich ( ) 45 u = 2 ⋅ 150V ⋅ cos ωt − 180 = 2 ⋅ 150V ⋅ cos ( ωt − 41 π ) o π o Darstellung der Rechenoperation im Zeigerbild Maßstäbe: mI = 0.333A/cm; mU = 20V/cm Im I⊥ U⊥ Re ϕI = ϕU jI⊥⊥ I jU⊥⊥ 20V U 1A Abb.5.4.12 Zeigerbild zu Beispiel 5.4.03 c) Differenziation Originalbereich: dx1 = d( 2 X1 cos(ωt + ϕx1)) = ω 2 X1 (-sin(ωt + ϕx1)) x= dt x = ω 2 X1 cos(ωt + ϕx1 + 21 π ) Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 321 1etv5-2 Bildbereich: j ωt +ϕ ˆ d 2 ⋅ X1 ⋅ e ( x1 ) dX j ωt +ϕ 1 X̂ = = = 2 ⋅ jω ⋅ X1 ⋅ e ( x1 ) = 2 ⋅ jω ⋅ X1 ⋅ e jωt dt dt X̂ = 2 ⋅ X ⋅ e jωt ( ) X = jω ⋅ X1 (5.4.38) j ωt +ϕ X̂ = jω ⋅ 2 ⋅ X1 ⋅ e ( x1 ) = jω ⋅ 2 ⋅ X1 ⋅ ( cos ( ωt + ϕx1 ) + j ⋅ sin ( ωt + ϕx1 ) ) X̂ = ω ⋅ 2 ⋅ X1 ⋅ ( − sin ( ωt + ϕx1 ) + j ⋅ cos ( ωt + ϕx1 ) ) {} ˆ = ω ⋅ 2 ⋅ X1 ⋅ ( − sin ( ωt + ϕx1 ) = ω ⋅ 2 ⋅ X1 ⋅ cos ( ωt + ϕx1 + 21 π ) x = Re X Die Differenziation wird im Bildbereich mit ruhenden Effektivwertzeigern nach Gl.(5.4.38) durchgeführt. Im Bildbereich wird die Differenziation zu einer Multiplikation mit jω. Die Multiplikation mit j bedeutet, wie wir in 5.4.4 behandeln werden, eine Drehung um 90o im mathematisch positivem Sinne. Die Rücktransformation liefert gleiche Ergebnisse wie die Durchführung der Operation im Originalbereich. Beispiel 5.4.04 Eine Spule mit der Induktivität L = 2mH wird vom Strom i = 2 ⋅ 10A ⋅ cos ( ωt + 61 π ) durchflossen. Der Strom hat die Frequenz f = 50Hz. Zu berechnen ist die Spannung über der Spule di u =L⋅ dt i = 2 ⋅ 10A ⋅ cos ( ωt + 61 π ) I = 10A; ϕi = 30o ; f = 50Hz ω = 314s−1 ; Transformation des Stromes in den Bildbereich I = 10A 30o = 8.66A + j5.00A Durchführung der Rechenoperation im Bild bereich Nach Gl.5.4.11 ist j π 2 j = e = 90o U = L ⋅ jω ⋅ I = L ⋅ ω ⋅ I ⋅ 90o = L ⋅ ω ⋅ I ⋅ ϕI + 90o U = 2 ⋅ 10−3 H ⋅ 314s−1 ⋅ 10A 30o + 90o = 6.28V 120o = −3.14V + j5.44V Rücktransformation in den Originalbereich ( ) u = 2 ⋅ 6.28V ⋅ cos ωt + 120 π = 2 ⋅ 6.28V ⋅ cos ( ωt + 32 π ) 180o o Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 322 1etv5-2 Darstellung der Rechenoperation im Zeigerbild mU = 1V / cm Maßstäbe: mI = 1A / cm Im jU⊥⊥ 1V 1A U jI⊥⊥ I π/2 U⊥ ϕU ϕI I⊥ Re Abb.5.4.13 Zeigerbild zu Beispiel 5.4.04 d) Integration Originalbereich x = ∫ x1 ⋅ dt = ∫ 2 ⋅ X1 ⋅ cos ( ωt + ϕx1 ) = 2 ⋅ x = 2⋅ X1 ⋅ sin ( ωt + ϕx1 ) ω X1 ⋅ cos ( ωt + ϕx1 − 21 π ) ω Bildbereich 2 ⋅ X1 j( ωt +ϕx1 ) X ˆ ˆ = ∫X ⋅e = 2 1 ⋅ e jωt X 2 ⋅ X1 ⋅ ∫ e j( ωt +ϕx1 )dt = 1 ⋅ dt = jω jω X̂ = 2 ⋅X ⋅ e jωt X X= 1 jω (5.4.39) 2 ⋅ X1 ˆ − j ˆ = ⋅ X1 = ⋅ ( sin(ωt + ϕx1 ) − jcos(ωt + ϕx1 )) X ω ω X X ˆ = 2 ⋅ 1 ⋅ sin ( ωt + ϕx1 ) = 2 ⋅ 1 ⋅ cos ( ωt + ϕx1 − 21 π ) x = Re X ω ω Die Integration wird im Bildbereich mit ruhenden Effektivwertzeigern nach Gl.(5.4.39) durchgeführt. Im Bildbereich wird die Integration zu einer Division durch jω. Die Division durch j bedeutet, wie wir in 5.4.4 behandeln werden, eine Drehung um -90o, also ein Zurückdrehen um 90o. Die Rücktransformation liefert gleiche Ergebnisse wie die Durchführung der Operation im Originalbereich. {} Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 323 1etv5-2 Beispiel 5.4.05 Ein Kondensator mit der Kapazität C = 0.5µF wird vom Strom i = 2 ⋅ 10A ⋅ cos ( ωt + 61 π ) durchflossen. Der Strom hat die Frequenz f = 50Hz. Zu berechnen ist die Spannung über dem Kondensator. 1 u = ⋅ ∫ i ⋅ dt i = 2 ⋅ 10A ⋅ cos ( ωt + 61 π ) I = 10A; ϕi = 30o ; C f = 50Hz ω = 314s−1 ; Transformation des Stromes in den Bildbereich I = 1mA 30o = 0.866mA + j0.500mA Durchführung der Rechenoperation im Bild bereich Nach Gl.5.4.11 ist −j = e −j π 2 = −90 o 1 1 I ⋅I = ⋅ I ⋅ −90o = ⋅ ϕI − 90o ωC ωC ωC 1mA ⋅ V U = ⋅⋅ 30o − 90o = 6.37V −60o = 3.19V − j5.52V −1 −6 314s ⋅ 0.5 ⋅ 10 As U = −j Rücktransformation in den Originalbereich ( ) 60 u = 2 ⋅ 6.37V ⋅ cos ωt − 180 = 2 ⋅ 6.37V ⋅ cos ( ωt − 31 π ) o π Darstellung der Rechenoperation im Zeigerbild Maßstäbe: mI = 0.1mA/cm mU = 1V / cm o Im 1V 0.1mA jI⊥⊥ I ϕI −π / 2 U U⊥ I⊥ ϕU jU⊥⊥ Abb.5.4.14 Zeigerbild zu Beispiel 5.4.05 Re Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 324 1etv5-2 5.5 Operatoren Der Lernende kann - den komplexen Operator definieren - den Versor definieren und wichtige Versoren angeben - Multiplikation und Division des Operators mit einem Zeiger durchführen - die Widerstands- und Leitwertoperatoren der Grundschaltelemente angeben - Reihen- und Parallelschaltungen komplexer Widerstandsoperatoren berechnen 5.5.1 Definition des Operators In den Beispielen 5.4.03 bis 5.4.05 hatten wir im Bildbereich die komplexe Spannung über einem Widerstand, einer Spule und einem Kondensator berechnet. Es ergaben sich dabei die komplexen Gleichungen U = R⋅ I U = jωL ⋅ I 1 1 ⋅ I = −j ⋅I U= ωC jωC (5.5.01) (5.5.02) (5.5.03) Da es sich in allen drei Gleichungen um den Zusammenhang zwischen der komplexen Spannung U und dem komplexen Strom I handelt, lässt sich der Zusammenhang mit der Einführung der komplexen Größe Z allgemein schreiben. U = Z⋅ I (5.5.04) Diese komplexe Größe Z wird Operator genannt. Der Operator ist eine komplexe physikalische Größe, die nur im Bildbereich existiert. Ruhende Zeiger und Operatoren werden im Bildbereich in gleicher Weise als physikalische Größen dargestellt und behandelt. Die unterschiedlichen Bezeichnungen sollen aber darauf hinweisen, dass es sich beim Zeiger um das Abbild einer Schwingung im Bildbereich handelt. Mit Operatoren wird beispielsweise das Widerstands- und Leitwertverhalten der Grundschaltelemente im Bildbereich beschrieben. Operatoren charakterisieren deshalb in der Multiplikation oder Division mit Zeigern im Bildbereich das Strom-Spannungs-Verhalten der Bauelemente und Netzwerke. Allgemein gilt für den Operator als komplexe Größe Z = Z ⊥ + jZ ⊥⊥ = Z ⋅ e jϕZ = Z ϕZ (5.5.05) Z = Z ⊥2 + Z ⊥⊥2 Z ⊥⊥ tan ϕZ = Z⊥ (5.5.06) In Abb.5.5.01 ist der Operator in der komplexen Ebene dargestellt. (5.5.07) Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 325 1etv5-2 Im Z jZ ϕZ Z Re Abb.5.5.01 Darstellung des Operators in der komplexen Ebene 5.5.2 Multiplikation, Division des Operators mit einem Zeiger Zeiger können mit Operatoren multipliziert oder durch Operatoren dividiert werden. Diese Operationen werden nach Gl.(5.4.16) und (5.4.17) durchgeführt. X ⋅ Z = X ϕ x ⋅ Z ϕZ = X ⋅ Z ϕ x + ϕZ (5.5.08) X X ϕx X = = ⋅ ϕ x − ϕZ Z Z ϕZ Z (5.5.09) Bei der Multiplikation werden die Beträge multipliziert und die Winkel addiert, bei der Division werden die Beträge geteilt und die Winkel subtrahiert. In Abb.5.5.02 sind beide Operationen dargestellt. Im Im X⋅Z X X ϕZ + ϕ x ϕx Z ϕx ϕZ X Z ϕ x − ϕZ Re Abb.5.5.02 a) Multiplikation Zeiger mit Operator 5.5.3 Z ϕZ Re b) Division Zeiger durch Operator Dreher (Versor) Ein Operator mit dem dimensionslosen Betrag 1 wird als Dreher (Versor) bezeichnet. Bei der Multiplikation eines Versors mit einem Zeiger wird dessen Betrag nicht verändert, sondern nur sein Winkel im Koordinatensystem. v = cosϕv + j sinϕv = e jϕv = ϕv v =1 (5.5.10) Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 326 1etv5-2 In Abb.5.5.03 ist der Dreher in der komplexen Ebene dargestellt. Im v jv ϕV v 1 Re Abb.5.5.03 Dreher in der komplexen Ebene Wird ein Zeiger mit einem Versor multipliziert wird er bei Beibehaltung seines Betrages um den Versorwinkel im mathematisch positivem Sinne gedreht. Wird ein Zeiger durch einen Versor dividiert, so wird er bei Beibehaltung seines Betrages um den Versorwinkel zurück gedreht. X ⋅ v = X ϕ x + ϕv (5.5.11) X = X ϕ x − ϕv v (5.5.12) In Abb.5.5.04 sind beide Operationen in der komplexen Ebene dargestellt. Im Im X⋅v X ϕ x + ϕv ϕx X v ϕx v X v ϕ x − ϕv Re ϕv Re ϕv Abb.5.5.04 a) Multiplikation Zeiger mit Versor b) Division Zeiger durch Versor Wichtige Versoren: 900 ejπ/2 j +90o - Dreher −90o e-jπ/2 -j −90o - Dreher ±180o e±jπ -1 ±180o - Dreher a = 120o e j2 π / 3 − 21 + j 21 3 +120o - Dreher a 2 = −120o e-j2π/3 = ej4π/3 − 21 − j 21 3 −120o - Dreher Tab.5.5.01 Wichtige Versoren Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 327 1etv5-2 5.5.4 Widerstands- und Leitwertoperatoren der Grundschaltelemente In 5.2 hatten wir den Wechselstromwiderstand der Grundschaltelemente durch Scheinwiderstand Z und Phasenverschiebung ϕ definiert Wechselstromwiderstand U Z= I Phasenverschiebung ϕ = ϕu - ϕi Widerstand Spule Kondensator ZR = R ZL = ω L ZC = ϕR = 0 ϕL = 21 π ϕC = − 21 π 1 ω⋅C Tab.5.5.02 Wechselstromwiderstände Wir definieren nun ausgehend von der Definition des Wechselstromwiderstandes den komplexen Widerstandsoperator U U j( ϕu −ϕi ) = ⋅e = Z ⋅ e jϕ = Z ϕ I I U Z= I ϕZ = ϕ = ϕu − ϕi Z= (5.5.13) (5.5.14) (5.5.15) und den komplexen Leitwertoperator I I = ⋅ e− j( ϕu −ϕi ) = Y ⋅ e− jϕ = Y −ϕ (5.5.16) U U Damit ergeben sich die in Tab.5.5.03 zusammengestellten komplexen Operatoren der Grundschaltelemente Y= Widerstand I U Spule I ZR Widerstandsoperator ZR = R ej0 = R 0o ZR = R U ZL ZL = ω L ejπ/2 XL = ω L ZL = jXL = XL 90o Kondensator I U ZC 1 ⋅ e − jπ / 2 ωC 1 XC = ωC ZC = Z C = − j X C = X C −90 o Leitwertoperator 1 j0 ⋅ e = G 0o R YR = G Y= 1 ZL 1 BL = XL 1 ZC 1 BC = XC YL = BL −90o YC = BC 90o YL = YC = Tab.5.5.03 Widerstands- und Leitwertoperatoren der Grundschaltelemente Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 328 1etv5-2 Der Widerstandsoperator des Ohmschen Widerstandes ist die rein reelle Größe R und wird Resistanz oder Wirkwiderstand bezeichnet. Die Widerstandsoperatoren von Spule und Kondensator sind rein imaginäre Größen und werden mit dem Formelzeichen X gekennzeichnet und Reaktanz oder Blindwiderstand genannt. Bei den Leitwertoperatoren ist der Leitwertoperator des Ohmschen Widerstandes der Wirkleitwert G, die Leitwertoperatoren von Spule und Kondensator werden als Blindleitwerte mit dem Formelzeichen B gekennzeichnet. In Abb.5.5.05 sind die Widerstands- und Leitwertoperatoren in der komplexen Ebene dargestellt. Im Im ZL = jXL YC = jBC ZR = R YR = G Re ZC = − jXC Re YL = − jBL Abb.5.5.05 Grundschaltelemente a) Widerstandsoperatoren der b) Leitwertoperatoren Der Betrag des Widerstandsoperators Z, der Wechselstromwiderstand oder Scheinwiderstand, wird als Impedanz bezeichnet. 5.5.5 Berechnung komplexer Widerstandsoperatoren Mit den komplexen Widerstandsoperatoren kann in gleicher Weise verfahren werden wie mit den Ohmschen Widerständen im Gleichstromkreis. Während allerdings im Gleichstromkreis nur Ohmsche Widerstände vorlagen, also nur reelle Werte, werden wir es jetzt im Bildbereich mit komplexen Widerständen zu tun haben. Analog zu den Gleichstrom-Widerstands-Schalungen wollen wir im Folgenden möglich Schaltungen von Widerstandsoperatoren untersuchen. a) Reihenschaltungen Widerstandsschaltungen R = R1 + R2 + ... + Rn = ∑R ν Widerstandsoperatoren Z = Z1 + Z2 + ... Zn = ∑Z ν (5.5.17) Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 329 1etv5-2 Beispiel 5.5.01 Die Widerstandsoperatoren Z1 = 3Ω + j 5Ω und Z2 = 7Ω - j 2Ω sind in Reihe geschaltet. Zu bestimmen ist der Gesamtwiderstandsoperator Z = Z1 + Z2 = 3Ω + j 5Ω + 7Ω - j 2Ω = 10Ω + j 3Ω = 10.4Ω/16.7o j5Ω 3Ω 7Ω − j2Ω j3Ω 10Ω Abb.5.5.06 Schaltungen zu Beispiel 5.5.01 b) Parallelschaltungen Leitwertschaltungen G = G1 + G2 + ... + Gn = Leitwertoperatoren Y = Y1 + Y2 + ... + Yn = ∑G ν ∑Y (5.5.18) ν Beispiel 5.5.02 Der Widerstand R = 100Ω und der Kondensator mit der Kapazität C = 66.7nF sind parallel geschaltet. Die Schaltung wird mit der Frequenz f = 15.9kHz betrieben. Zu berechnen sind Gesamtleitwertoperator und Gesamtwiderstandsoperator. XC = ZR = R 1 1 = = 150Ω 2π ⋅ f ⋅ C 2π ⋅ 15.9kHz ⋅ 66.7nF 1 = 10mS 100Ω j = j 6.67mS ZC = -j150Ω YC = 150Ω ZR = 100Ω ZC = − jXC Abb.5.5.07 Schaltung zu Beispiel 5.5.02 YR = Y = YR + YC = 10mS + j6.67mS = 12.0mS 33.7o 1 Z = = 83.2Ω −33.7o = 69.2Ω − j46.2Ω Y Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 330 1etv5-2 Liegen nur 2 Widerstände parallel, so konnten wir den Gesamtwiderstand nach folgender Gleichung berechnen: R1 ⋅ R2 R1 + R2 Z ⋅Z Z= 1 2 Z1 + Z2 R= Widerstandsschaltung: Widerstandsoperatoren (5.5.19) R1 Z1 R2 Z2 Abb. 5.5.08 Parallelschaltung von a) Zwei Widerständen b) Zwei Widerstandsoperatoren Für Beispiel 5.5.02 kann der Gesamtwiderstand mit Gl.(5.5.19) berechnet werden Z1 = R = 100Ω Z2 = − jXC = − j150Ω R ⋅ ( − jXC ) − j100Ω ⋅ 150Ω 15000Ω 2 −90o Z= = = = 83.2Ω −33.7o o R − jXC 100Ω − j150Ω 180.3Ω −56.3 c) Umwandlung Reihen- und Parallelschaltungen Bei komplexen Widerstandsschaltungen kann der Gesamtwiderstand durch eine ReihenErsatzschaltung oder durch eine Parallel-Ersatzschaltung beschrieben werden. Beide Schaltungen liefern den gleichen Gesamtwiderstandsoperator zwischen den Klemmen der Abb.5.5.09. Z1P Z1R Z2R Z2P Abb.5.5.09 a) Parallel-Ersatzschaltung b) Reihen-Ersatzschaltung Bei der Umwandlung einer Parallel- in eine Reihenschaltung wird der Gesamtwiderstandsoperator der Parallelschaltung berechnet und in der Komponentenform dargestellt. Real- und Imaginärteil der Komponentendarstellung sind die Werte von Resistanz und Reaktanz der Reihenschaltung. Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 331 1etv5-2 Beispiel 5.5.03 Gegeben sind die parallel geschalteten Widerstandsoperatoren Z1P = RP = 100Ω und Z2P = − jXC = − j150Ω . Zu bestimmen sind die Widerstandsoperatoren der Reihenschaltung. Z= R ⋅ ( − jXC ) − j100Ω ⋅ 150Ω Z1 ⋅ Z2 15000Ω2 −90o = = = Z1 + Z2 R − jXC 100Ω − j150Ω 180.3Ω −56.3o Z = 83.2Ω −33.7o = 69.2Ω − j46.2Ω Z1R = RR = 69.2Ω Z2R = − jXCR = − j46.2Ω Liegt eine Reihenschaltung vor, die in eine äquivalente Parallelschaltung umgewandelt werden soll, dann wird aus dem Gesamtwiderstandsoperator Z der Leitwertoperator Y gebildet. Real- und Imaginärteile des Leitwertoperators ergeben Wirkleitwert G und Scheinleitwert B der Parallelschaltung. Die Kehrwerte von G und B sind Resistanz R und Reaktanz X der Parallelschaltung. Beispiel 5.5.04 Es liegt die Reihenschaltung der Widerstandsoperatoren ZR = R = 69.2Ω und ZC = − jXC = − j46.2Ω vor. Zu bestimmen sind die Widerstandsoperatoren der Parallelschaltung. Z = 69.2Ω - j 46.2Ω= 83.2Ω −33.7o 1 Y = = 12.0mS 33.7o = 10mS + j6.67mS Z 1 1 1 1 Z1P = Z2P = = = 1 00 Ω = = − j150Ω Y1P 10mS Y2P j6.67mS Soll die Umwandlung allgemein ohne Zahlenwerte vorgenommen werden, so wird die Trennung des Widerstands- oder des Leitwertoperators in Real- und Imaginärteil folgendermaßen vorgenommen. Nach Abb. 5.5.10 soll die Umwandlung der Parallelschaltung in eine Reihenschaltung erfolgen. RP RR − jXCR − jXCP Abb.5.5.10 Umwandlung einer Parallel- in eine Reihenschaltung Z= RP ⋅ ( − jXCP ) RP − jXCP (5.5.20) Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung " Elektrotechnik 1" 332 1etv5-2 Gl.(5.5.20) wird in Real- und Imaginärteil getrennt, in dem der Nenner reell gemacht wird. Das erfolgt durch konjugiert komplexe Erweiterung. Der konjugiert komplexe Wert einer komplexen Größe hat den gleichen Realteil, aber einen vorzeichengewechselten Imaginärteil. Die Multiplikation einer komplexen mit ihrer konjugiert komplexen Größe ergibt einen reellen Wert. (5.5.21) (R + jX ) ⋅ (R − jX ) = R2 + X2 Gl.(5.5.20) wird also mit RP + jXCP erweitert. c) 2 RP ( − jXCP )(RP + jXCP ) RP XCP RP2 XCP Z= = −j 2 2 (RP − jXCP )(RP + jXCP ) RP2 + XCP RP + XC2 P (5.5.22) 2 RP XCP RR = 2 RP + XC2 P (5.5.24) (5.5.23) XCR RP2 XCP = 2 RP + XC2 P Gemischte Schaltungen Liegen Reihen- und Parallelschaltungen in einer Schaltung vor, erfolgt die Bestimmung des Gesamtwiderstandsoperators durch schrittweises Zusammenfassen der Widerstandsoperatoren. Beispiel 5.5.05 Es liegt die Schaltung nach 5.5.11 vor mit R = 10Ω; XL = 5Ω; XC = 10Ω. Zu ermitteln ist der Gesamtwiderstandsoperator. jXL R − jXC Abb.5.5.11 Schaltung zu Beispiel 5.5.05 Zuerst fassen wir R und jXL zu Z1 zusammen und bilden den Leitwertoperator Y1 : Z1 = R + j XL = 10Ω + j5Ω = 11.2Ω 26.6o 1 = 89.4mS −26.6o = = 80Ω - j40Ω Y1 = Z1 ZC = − j10Ω = 10Ω −90o 1 = 100mS 90o = j100mS YC = ZC Y = Y + YC = 80mS + j60mS = 100mS 36.9o Y = 80mS + j60mS = 100mS 36.9o 1 Z = 10Ω Z = = 10Ω −36.9o = 8.00Ω − j6.00Ω = Y Die Berechnung des Gesamtwiderstandes kann auch mit Gl.(5.5.19) erfolgen. Die beiden parallelen Widerstandsoperatoren sind: Z1 = R + jXL und Z2 = − jXC Z= Z1 ⋅ Z 2 (R + jXL )( − jXC ) − jRXC + XL XC = = Z1 + Z2 R + j ( XL − XC ) R + j ( XL − XC ) Z= 50Ω 2 − j100Ω2 = 10Ω −36.9o 10Ω − j5Ω