D Diagnostische DNA-Bild-Zytometrie im gynäkozytologischen Alltag H. Motherby, S. Falk Einleitung: Jeder von uns kennt im diagnostischen Alltag solche Fälle: 1. Rezidivierende leichte und mäßige plattenepitheliale Dysplasien (Gruppe Pap IIID): Hier ist mikroskopisch nicht zu entscheiden, ob sich die diagnostizierte Dysplasie zurückbildet oder zu einem Carcinom fortschreiten wird (Abb 1). 2. Der unklare Pap-Abstrich (Gruppe Pap III): Oft ist nicht mit Sicherheit zu erkennen, ob es sich bei bestimmten plattenepithelialen oder glandulären Zellveränderungen um reaktive (z.B. entzündliche, hormonelle, IUP- oder strahleninduzierte, usw.) oder dysplastische/neoplastische Zellveränderungen handelt (Abb 2). Abb 1: Gebärmutterhalsabstrich mit Zellen einer mäßigen Dysplasie des Plattenepithels Das Ziel der diagnostischen DNA-Bild-Zytometrie ist es 1. von den Dysplasien des Plattenepithels diejenigen zu identifizieren, welche sich mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Plattenepithelcarcinom weiterentwickeln werden und 2. die Anzahl der unklaren Pap-Abstriche zu reduzieren durch Identifizierung von reaktiven versus neoplastischen Zellveränderungen. Für die Patientin bedeuten diese Ziele 1. eine Übertherapie von Dysplasien, ohne Malignomrisiko und damit unnötige Probenexzisionen und Konisationen zu verhindern. 2. unter Umständen quälende Unsicherheiten zu vermeiden. Zytogenetische Grundlage: Die meisten Tumoren zeigen Chromosomenveränderungen, die nicht in normalen oder reaktiv veränderten Zellen vorkommen1. Die dadurch entstehenden Abweichungen des DNAGehaltes von der Norm können mit der DNA-Zytometrie gemessen werden. Der Nachweis einer DNAAneuploidie bedeutet derzeit eine Zu- oder Abnahme von mehr als 10% der Chromosomenmasse. Er gilt international als Marker für das Vorliegen einer neoplastischen Transformation der Zelle. In einigen Geweben, wie dem Plattenepithel, gilt DNA-Aneuploidie auch als Marker für (prospektive) Malignität. Präparate: Zur DNA-Bildzytometrie eignen sich bereits gefärbte Routineausstriche von Gebärmutterhals, Vulva und Vaginalschleimhautabstrichen. Nach Markierung u. a. der Lage dysplastischen Zellen im Präparat werden die Präparate entdeckelt und entfärbt. Es folgt eine quantitative (sog. stöchiometrische) Färbung der ZellkernDNA nach Feulgen und Rossenbeck. Die Farbstoffmenge im Zellkern steht dabei in einem direkten und festen Bezug zur enthaltenen DNA. Durch die Färbung wird somit eine dem DNA-Gehalt entsprechende integrierte optische Dichte des einzelnen Zellkernes erzeugt, die gemessen werden kann. Abb 2: Gebärmutterhalsabstrich mit auffälligen endozervikalen Zylinderepithelien (Pap III). Die klinische Konsequenz solcher zweifelhafter Diagnosen ist eine Unsicherheit für die Patientin und den behandelnden Arzt bezüglich des weiteren Vorgehens, d.h. ob eine Kontrolle des Befundes (über einen unsicheren Zeitraum) oder eine mit einer Operation verbundene histologische Abklärung vorgenommen werden muss. DNA-Messungen: Die Messung der integrierten optischen Dichte der Zellkerne erfolgt interaktiv am Monitor eines mit einem konventionellen Mikroskop über eine Kamera gekoppelten PC basierten Bildanalysesystems (Abb 3). Personen, die diagnostische DNA-Messungen ausführen, sollten in zytologischer Diagnostik gut ausgebildet sein, da es darauf ankommt in einer konventionellen Färbung zuvor als diagnostisch relevant erachtete dysplastische Zellen oder Tumorzellen in der 8 Aus Cyto-Info 1/ 2007, Herausgeber: Verband Deutscher Cytologisch Tätiger Assistenten e.V (Pap III D). Abb 3: DNA-Zytometer der Fa. Dr. O. Ahrens, Bargteheide Aus Cyto-Info 1/ 2007, Herausgeber: Verband Deutscher Cytologisch Tätiger Assistenten e.V Feulgenfärbung wiederzuerkennen. Innerhalb der relevanten Zellpopulation werden, sofern vorhanden, mindestens 300 Zellkerne nach Zufallskriterien gemessen. Eine Ausnahme bezüglich dieser Zellzahl bildet die gezielte Suche nach einzelnen Zellen mit einem erhöhten DNA-Gehalt > 9c. Die Messung erfolgt automatisch durch Anklicken relevanter Zellkerne mit einer Maus auf dem Monitor. Als Referenzzellen werden im selben Präparat befindliche, morphologisch unauffällige Intermediärzellen gemessen. Für die Messung sowie die Präzision des Messsystems sind Richtlinien einzuhalten, die von der ESACP (European Society for Analytical Cellular Pathology) festgelegt worden sind 2. Abb 5: DNA-Histogramm: polyploide Zellpopulation Interpretation der Messung: Die Befundung der DNA-Histogramme zu diagnostischen Zwecken (immer in Zusammenschau mit der Morphologie und der Klinik!) erfolgt quantitativ in den Kategorien DNA-diploid (Abb 4), DNA-polyploid (Abb 5) und DNA-aneuploid (Abb 6 und 7). Der Nachweis von DNA-Aneuploidie entspricht einer neoplastischen Transformation der Zelle und einer progressiven Zell- Abb 6: DNA-Histogramm: aneuploide Zellpopulation (Stammlinien-Aneuploidie) veränderung, die bei Ausbleiben einer Entfernung der Läsion mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit > 90% 3 in einen malignen Tumor, z.B. in einen Gebärmutterhalskrebs übergehen wird. Somit entspricht der Nachweis von DNA-Aneuploidie hier einer Indikation für die operative Entfernung der Läsion. Ein polyploides DNAHistogramm spricht z. B. für das Vorliegen einer HPV (humanes Papillomvirus) Infektion. Ein diploides DNAHistogramm spricht dafür, dass derzeit keine progressiven Zellveränderungen vorliegen. Im Falle von polyploiden und diploiden Histogrammen bei zuvor als dysplastisch begutachteten Zellveränderungen ist eine regelmäßige (3 bis 6 Monate) zytologische Kontrolle zu empfehlen. Abb 4: DNA-Histogramm: diploide Zellpopulation 9 Das Ziel ist es somit, unter den vielen unklaren Zervixbefunden die obligaten und somit behandlungsbedürftigen Präkanzerosen zu identifizieren. Der Nachweis von DNA-Aneuploidie qualifiziert als obligat präkanzerös bzw. prospektiv maligne. Eine DNA-aneuploide Zellveränderung stellt somit eine Indikation zur Exzision der Läsion mit histologischer Sicherung dar. Das DNA-zytometrische Messergebnis entlastet die Patientin und den behandelnden Arzt von dem unklaren Befund und bietet ein klares Behandlungskonzept – Beruhigung und zytologische Kontrolle oder gezielte chirurgische Therapie von Präkanzerosen. Abb 7: DNA-Histogramm: aneuploide Zellpopulation (Einzelzell-Aneuploidie) Verfasser: Priv. Doz. Dr. med. H. Motherby, FIAC Priv. Doz. Dr. med. S. Falk, FRCPath, FIAC Gemeinschaftspraxis für Pathologie Ginnheimer Landstraße 94 60487 Frankfurt am Main Literatur 1. Duesberg et al. 2005 2. Haroske et al, 2001 3. Böcking und Motherby, 1999, Grote et al. 2004, Bollmann et al. 2005 4. Böcking und Motherby, 1999, Grote et al. 2004, Bollmann et al. 2005 5. Wright et al 1994 6. Hanselaar et al 2000 7. Biesterfeld, 2001 8. Grote et al, 2004, Bollmann et al. 2005 Der positive Prädiktionswert der konventionellen zytodiagnostischen Gruppen III D/III konnte durch DNAZytometrie von 35,2% auf 65,9% gesteigert werden 8. Schlussfolgerungen: Indikation für eine diagnostische DNA-Bild-Zytometrie ist die Dignitätsabklärung 1. rezidivierender leichter und mäßiger Dysplasien des Plattenepithels (Pap III D) und 2. unklarer Zellveränderungen im Gebärmutterhalsabstrich (Pap III), darunter insbesondere glanduläre Läsionen. 10 Aus Cyto-Info 1/ 2007, Herausgeber: Verband Deutscher Cytologisch Tätiger Assistenten e.V Diagnostische Evidenz: Aus zahlreichen vorliegenden Studien zum Gebärmutterhalscarcinom ergibt sich für die diagnostische DNA-Zytometrie (bei leichter und mäßiger Dysplasie Gruppe Pap III D) ein mittlerer positiver Prädiktionswert von 91% und ein mittlerer negativer Wert von 85%.4 Die meisten zervikalen intraepithelialen Neoplasien Grad I (leichte Dysplasien) sind diploid oder polyploid. Wohingegen die meisten der Grade II und III (mäßige bis schwere Dysplasien) aneuploid 5 sind. Eine „International Consensus Conference on the Fight against Cervical Cancer“ hat zwischenzeitlich den Nachweis von DNA-Aneuploidie in Dysplasien als „High Grade Lesion“ gewertet, die einer Therapie bedarf 6. Die DNA-Zytometrie ist auch eine geeignete Methode für die Identifizierung von Adenocarcinomen bzw. Vorläuferläsionen am Drüsenepithel der Endocervix 7. In dieser Studie entspricht der Nachweis von Aneuploidie bei abnormen endozervikalen Zellen einem positiven Prädiktionswert von 100% für den nachfolgenden histologischen Nachweis eines endozervikalen Adenocarcinoms.