„Die Störung(en) im Mittelpunkt oder doch der Mensch?“

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26. Kongress FVS: „Der Mensch im Mittelpunkt“
„Die Störung(en) im Mittelpunkt
oder doch der Mensch?“
Therapeutisches Vorgehen bei komorbiden Störungen
Dr. Ahmad Khatib
Die salus kliniken
Castrop-Rauxel
Lindow
Hürth
Friedberg
Friedrichsdorf
Ko- bzw. Multimorbidität bei psychischen Störungen
Psychische Störungen äußern sich vielfältig:
Ca. 25% der Menschen mit psychischen
Störungen bekamen (nur) 1 Diagnose
Ca. 75% bekamen 2, 3 oder 4
Diagnosen (Jahresprävalenz)
(Konservative Einschätzung einer repräsentativen Befragung von 5800 ambulant behandelten
Patienten. Erste Ergebnisse der DEGS zur Verteilung von psychischen Störungen in Deutschland;
Wittchen und Kollegen; April 2013)
Dr. Ahmad Khatib
„Sucht kommt selten alleine“
Bei Alkoholabhängigen kommen ko- bzw.
multimorbide psychiatrische Störungen zu ca.
80% vor (Lebensprävalenz = im Laufe des Lebens mind. 1 weitere Störung)
Bei Punktprävalenz: ca. 65%.
Affektive Störungen:
Angststörungen:
Persönlichkeitsstörungen
Schizophrenien
03-98% (w>m)
12-69% (w>m)
13-45% (m>w)
2-8%
(z. T. nach Überblick von Jahresberichten mehrerer Fachkliniken)
Dr. Ahmad Khatib
P.S.: Bei Opiatabhängigen liegen die Angaben höher
Unterschiedliche Angaben, je nach Methode!
Stichprobenwahl
Instrument (z.B. BDI vs. ADS)
Zeitpunkt der Erhebung
Instruktion (retrospektiv für die letzten 2
Wochen, 2 Monate, 1 Jahr etc.)
Standardisierte Diagnostikinstrumente vs.
psychologische/psychiatrische „Erfahrung“
Selbst- vs. Fremdbeurteilung (bzw. beides
zusammen)
Es fehlt ein einheitliches empirisch fundiertes Vorgehen!
Dr. Ahmad Khatib
Suchtpatienten mit ko- bzw. multimorbiden Störungen
… sind häufiger erwerbsunfähig bzw. öfter
arbeitslos
… leiden stärker unter Kontrollverlust
… zeigen komplizierte Behandlungsabläufe
… brechen die Behandlung eher ab
… weisen schlechtere Prognosen auf
Trotz brisanter Problematik mit langer Vorgeschichte findet die
Thematik Multimorbidität in der Forschung wenig Aufmerksamkeit
Dr. Ahmad Khatib
Erklärungsmodelle
Psychosoziale Störungen führen zur Sucht
Systematische
Defizite
(psychische/
soziale)
Folgen
Deterioration
sozial
(Erweiterung
psychischer
Störungen)
Konsum
(als Selbstbehandlung)
psychisch
körperlich
Sucht
Angst
Depression
Selbstunsicherheit
Dr. Ahmad Khatib
Suchtmittelkonsum führt zu psychosozialen Störungen
Folgen
Konsum
(milieuabhängig,
genetisch
begünstigt)
sozial
psychisch
körperlich
Deterioration
Defizite
(psychische/
soziale)
(Erweiterung
psychischer
Störungen)
Sucht
Angst
Depression
Selbstunsicherheit
Dr. Ahmad Khatib
Ein dritter Faktor führt zur Ko- bzw. Multimorbidität
Traumatisierung/
somatische
Erkrankung
Folgen
Deterioration
sozial
(Erweiterung
psychischer
Störungen)
Konsum
(als Selbstbehandlung)
psychisch
körperlich
Sucht
Angst
Depression
Selbstunsicherheit
Dr. Ahmad Khatib
Häufige Betrachtung der
Suchterkrankung bei ko- bzw.
multimorbiden Störungen
Störung 1
(z.B. Depression)
Sucht
Störung 2
(z.B. Angst)
Störung 3
(z.B. PTSD)
Störung 4
(z.B. Persönlichkeitsstör.)
Eine bloße Auflistung von Störungen ist unsinnig!
Dr. Ahmad Khatib
Aus der Sicht vieler Patienten
Das Modell, die psychische Belastung als das eigentliche
Anliegen und den Suchtmittelkonsum als nebensächlich
anzusehen, wird von Patienten lange Zeit bevorzugt.
Depression
Angst
etc.
Dr. Ahmad Khatib
Suchtmittelkonsum
Aus der Sicht vieler Behandlungen
Störung 1
(z.B. Depression)
Sucht
Wird in der
Bezugsgruppe und
Einzeltherapien
behandelt
Indikativgruppe
Depressionsbewältigung
Störung 2
(z.B. Angst)
Indikativgruppe
Störung 3
(z.B. PTSD)
Indikativgruppe
Störung 4
(z.B. Persön.stö)
Angstbewältigung
Emotionale Turbulenzen
Indikativgruppe
Soz. Kompetenztraining
Psychische Bestandteile sind keine Einzelelemente,
die einfach nebeneinander bestehen!
Dr. Ahmad Khatib
Insgesamt gilt es …
Psychisch chronische Erkrankungen führen in i.d.R. zur
Entwicklung weiterer Störungen
Die Krankheitsanteile verstärken sich spiralförmig
Mit zunehmender Krankheitsdauer verliert die Frage an
Bedeutung, welche Krankheitsanteile pathogenetisch
als primär oder sekundär aufgefasst werden.
Die Gesamtproblematik schwächt ab, je länger
suchtmittelfreie Zeiten eingehalten werden
Die Suche nach „Henne oder Ei“ ist wenig sinnvoll!
Dr. Ahmad Khatib
Das Menschenbild
und die
Psychotherapie
Der Therapeut darf nicht trennen,
was der Patient vereint!
Die menschlichen Grundbedürfnisse
(nach Epstein 1990)
Lustgewinn/
Unlustvermeidung
Orientierung/
Kontrolle



Grundüberzeugungen,
inwieweit das
Leben Sinn
macht, ob
Voraussehbarkeit und
Kontrollmöglichkeiten bestehen
Es lohnt sich,
sich einzusetzen
und zu
engagieren
Das Kontrollbedürfnis wird
befriedigt durch
möglichst viele
Handlungsalternativen


Erfreuliche,
lustvolle
Erfahrungen
herbeizuführen
und
schmerzhafte,
unangenehme
Erfahrungen
sinnvoll zu
vermeiden
Die Umgebung
als Quelle von
eher positiven
oder negativen
Erfahrungen
(optimistische
Lebenseinstellung)
Bindung/
Soz. Anschluss



Das
Angewiesensein auf
Mitmenschen;
das Bedürfnis
nach Nähe zu
einer
Bezugsperson.
Inwiefern die
Bezugspersone
n einen immer
erreichbaren
Zufluchtsort,
Sicherheit und
Trost bieten
Entwicklung
von
‚Urvertrauen‘
Selbstwerterhöhung


Sich selber als
gut,
kompetent,
wertvoll und
von anderen
geliebt zu
fühlen
Zur Bildung
eines guten
Selbstwertgefühls ist
eine
entsprechende
Umgebung,
die
wertschätzend
und
unterstützend
ist, wichtig
Systemebene
Rückmeldung über Inkonsistenz
Streben nach Konsistenz
Grundbedürfnisse
Lustgewinn/
Unlustvermeidung
KontrollBedürfnis
Rückmeldung über
Bedürfnisbefriedigung
Bindungsbedürfnis
Selbstwerterhöhung
Streben nach
Bedürfnisbefriedigung
Motivationale Attraktoren
Annäherungsattraktoren
Vermeidungsattraktoren
Rückmeldung
über Realisierung
Erleben und Verhalten
Bottom up
Aktivierung
motivationaler
Schemata
Klinische Schlussfolgerung
Die Störungen/Belastungen sollen weniger plakativ (als
Diagnose) im Sinne von „Depression“, „Angst“ u.ä.
angesehen werden!
Vielmehr soll geklärt werden, wie hängt die Sucht mit der
(fehlenden) Befriedigung der Grundbedürfnisse
zusammen
Die Behandlung verschiedener Störungen: ob zeitlich
parallel oder nacheinander, soll stets individuell
entschieden werden
Dabei gilt es: ohne den problematischen Konsum zu
stoppen, ist eine Überwindung weiterer psychischer
Störungen nicht möglich; ohne Verbesserung der
psychischen Verfassung ist andererseits eine Entwöhnung
kaum möglich!
Dr. Ahmad Khatib
Klinische Schlussfolgerung
Die subjektive Sicht des Patienten verständnisvoll
behandeln („Don´t argue with the patient“)
Die professionelle Sicht des Behandlungsmodells
verständlich erläutern
Therapien und Therapeuten sollen sich bemühen, die
Patienten darin zu unterstützen, ihre persönlich
relevanten Lebensziele (realistisch) zu verwirklichen
Die zentrale Frage einer Entwöhnungsbehandlung:
„Was muss der Süchtige erfahren und können, um
seine Sucht zum Stillstand zu bringen?“
Dr. Ahmad Khatib
Behandlungsmöglichkeiten
Problemklärung: Bewusstwerden eigener Motive,
Werte, Ziele, Überzeugungen, Bestrebungen,
Verarbeitungs- und Interpretationssysteme,
Konstruktionen über sich selbst und die „Realität“ etc.
Problembewältigung: Aktive Unterstützung zur
Entwicklung neuer (bzw. brachliegender) Fähigkeiten
Problemaktualisierung: Emotional korrektive
Erfahrung durch Aktivierung von Schwierigkeiten
(`Reden ist Silber, real erfahren ist Gold´)
Ressourcenaktivierung: Selbstwerterhöhende
Wahrnehmung, sich selbst als fähig erleben
24. Kongress FVS: „Was bleibt?“
Vielen Dank für
Ihre
Aufmerksamkeit
Dr. Ahmad Khatib
Dr. N. Wollmerstedt
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