Neuer Bau für neues Lernen

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P R O J E K T 2 // G Y M N A S I U M
Neuer Bau für neues Lernen20
Steckbrief22
Interview25
Viel Holz und wenig Beton26
Fazit: Schule geht neue Wege29
Gymnasium
Neuer Bau für
neues Lernen
In Diedorf entsteht eine Schule, die Raum für völlig
neue Lernformen schafft. Dank integraler Planung
dürfen von Anfang an alle ein Wörtchen mitreden.
I
n Diedorf nahe Augsburg entsteht derzeit Deutschlands innovativster Schulbau. Der Neubau
des Schmuttertal-Gymnasiums ist
ein Modellprojekt zum verantwortungsvollen Umgang mit nachwachsenden Ressourcen. Ist das Gebäude
erst einmal in Betrieb, soll es sich
selbst versorgen und mehr Energie
produzieren, als es verbraucht. 900
bis 1000 Schüler finden hier künftig
gute Lernbedingungen in möglichst
schadstofffreier Umgebung vor.
Für die Konzeption wählten die
Planer einen integralen und zukunftsweisenden Planungsansatz.
Das bedeutete, dass bereits zu Beginn
der Planungsphase Experten aus jedem Bereich, vom Holzbauer bis zum
Pädagogen, zu Rate gezogen wurden.
Die Experten rückten die effiziente Nutzung der Räume ins Zentrum
der Planung. Auch wenn der Schultypus vom konventionellen Schulgebäude abweicht, sollte er doch
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mikado 10.2015
hinsichtlich der Flächenausnutzung
keineswegs schlechter aufgestellt
sein als ein konventionelles Schulgebäude. Bereits zu Planungsbeginn
versuchen die Spezialisten, alternative Lösungsansätze unter den vielfältigen Blickwinkeln nachhaltiger Kriterien zu optimieren und schließlich
auch umzusetzen. Zu den typischen
Elementen einer Schule gesellen sich
neue Typen, manch Althergebrachtes
wurde den neuen Lerngegebenheiten angepasst: Vor den Klassenräumen werden Marktplätze mit Material zum Selbststudium errichtet.
Sie ermöglichen den Kindern eigenverantwortliches Lernen in kleinen
Gruppen. In allen Klassen werden
PC-Arbeitsplätze installiert und anstatt der früher üblichen getrennten
physikalischen, chemischen und biologischen Sammlungen entsteht eine
gemeinsame, fächerübergreifende
naturwissenschaftliche Sammlung.
An so mancher Lösung wurde lange
getüftelt, bis sie sich mit den Vorgaben des Freistaats Bayerns deckten. So stand der Brandschutz immer
wieder im Fokus der Planung bei der
Raumaufteilung. Schließlich verlangt
die gesetzliche Vorgabe nach möglichst kleinen, abgetrennten Einheiten – eine Vorgabe, die das Konzept
des „Marktplatzes“ vollkommen konterkariert. Durch die Ausarbeitung
detaillierter Evakuierungskonzepte
konnte diese Klippe aber doch umschifft werden.
Der neue Gebäudekomplex entsteht in einem Landschaftsschutzgebiet. Die Gestalt des Baus musste
also besonders sorgsam angegangen
werden. Zum einen sollte sich das
Gebäudeensemble in seiner Kubatur an die weitgehend unverbaute
landschaftliche Umgebungssituation anpassen. Zum anderen mussten
die Planer auf die Lärmbelästigung
durch eine nahe gelegene Bundesstraße und einen Bahnhof reagieren.
ARCHITEKTEN HERMANN KAUFMANN ZT
Die gestalterische Lösung lag in einem mehrteiligen Gebäudekomplex
mit nicht mehr als drei Stockwerken
und flach geneigten, begrünten Satteldächern. Die Fassaden besteht aus
unbehandeltem Holz.
▴▴Ein Blick in
die Klassenhäuser
verdeutlicht das
Konzept: Sehr viel
sichtbares Holz
und Tageslicht bestimmen den
Raumeindruck
Die vier Bauteile des Gymnasiums
gruppieren sich um einen Hof. Zwei
Klassenhäuser, eine Aula, eine Dreifachsporthalle und weitläufige Außenanlagen bieten Platz für rund
900 Schüler. In den beiden Klassenhäusern finden Klassen- und
Fachräume sowie die naturwissenschaftliche Sammlung, Werk- und
Kunsträume Platz. Dabei gruppieren sich die Klassenräume um einen in der Mitte liegenden offenen
Lichthof, der viel Tageslicht ins Gebäude bringt und als „Marktplatz“
dient. Diese multifunktionale Fläche
soll es den Schülern ermöglichen,
ARCHITEKTEN HERMANN KAUFMANN ZT
Mehrere Bauteile
▸▸ Die Gebäudefassade des
Gymnasiums wird
in Sichtholz
gestaltet, was den
Pflegeaufwand minimiert
www.mikado-online.de
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P 2
STECK
BR IEF
BAUVORHABEN:
Neubau SchmuttertalGymnasium Diedorf
BAUWEISE:
Holzbauweise mit
Holzstahlbetonverbunddecken
ENERGIESTANDARD:
Plusenergiegebäude
Primärenergiebedarf von
ca. 63 kWh/ (m² a)
BAUZEIT:
September 2013 bis
September 2015
BAUKOST EN:
26 Mio. Euro
NUT ZFL ÄCHE:
BGF 26 045 m²
UMBAUT ER R AUM:
81 390 m³
BAUHERR:
Landkreis Augsburg
D-86420 Diedorf
PL ANER /ARCHIT EK T:
Architekten Hermann Kaufmann
ZT GmbH
A-6858 Schwarzach
www.hermann-kaufmann.at
STAT IK:
Merz kley Partner
ZT GmbH
A-6850 Dornbirn
mkp-ing.com
mit neuen Lernformen neue Wege
zu gehen. Klassenübergreifende Kooperationen sollen mithilfe dieses Bereichs ebenso möglich sein wie die
schnelle Unterteilung einer Klasse
in Kleingruppen. Das Konzept unterstützt das individualisierte Lernen.
Durch die teils transparent gehaltenen Wände sind eine gute Übersicht
und freie Sichtachsen gewährleistet.
Die neuen Lernformen stellen auch
neue Anforderungen an die Akustik
des Baus: Wo früher ausschließlich
Frontalunterricht bis in den hintersten Winkel gut hörbar sein musste,
ist nun auch Lernen in Kleingruppen
angesagt. Die Fachplaner reagierten
darauf unter anderem mit der Installation von schallabsorbierenden
Stellwänden. In die Entwicklung des
neuen Flächenkonzepts steckten alle
Beteiligten viel Energie: Detaillierte Befragungen von Lehrern, Schülern und Eltern und der qualifizierte
Input eines Beratungsbüros führten
schließlich zu der realisierten Lösung.
Die zwei weiteren Gebäudeteile stellen die allgemeine Infrastruktur: Das dritte Gebäude nimmt Mensa, Aula, Bibliothek und Musikräume
auf, das vierte Gebäude bietet Raum
für eine Dreifachsporthalle mit zugehörigen Räumen wie Umkleiden,
Holz in der Schule erleben
Die Gebäude sind in Holzbauweise gefertigt. Lediglich die unterkellerten Bereiche der Klassenhäuser,
Aula und Sporthalle sowie die Nebenräume der Sporthalle im Erdgeschoss werden in Stahlbetonweise
hergestellt. Die Obergeschosse und
die Dachkonstruktionen sind in Holzbauweise mit hohem gestalterischem
Anspruch konzipiert. Dachstuhl und
Deckenbalken bleiben als tragende
Konstruktion sichtbar. Der Baustoff
Holz wird so in der Schule an jeder
Ecke erlebbar.
L AGEPL AN
BAULEIT UNG:
Florian Nagler Architekten GmbH,
81245 München
www.nagler-architekten.de
Sporthalle:
Merk Timber GmbH
D-86551 Aichach
www.merk.de
mikado 10.2015
Klassenhaus 1
Klassenhaus 2
Sporthalle
Aula
ZEICHNUNGEN: ARCHITEKTEN HERMANN KAUFMANN ZT
HOL ZBAUER:
Klassenhäuser:
Kaufmann Bausysteme GmbH
A-6870 Reuthe
www.kaufmannbausysteme.at
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Geräteräumen und Technik. Auch in
der Gestaltung des Außengeländes
wurde nichts dem Zufall überlassen.
Die Anordnung der einzelnen Gebäudeteile erlaubt es, die Schulfreiflächen intensiv mit der umgebenden Landschaft zu verzahnen. Um die
Gebäude herum ist eine spannungsvolle Abfolge differenziert gestalteter Höfe, Spiel- und Wiesenfelder in
Kombination mit Bändern aus Wegen, Vegetations- und Spielelementen geplant. Ökologische Lerngärten
übertragen die innovative pädagogische Architektur des Innenraums in
den Außenraum.
Thema des Monats // Großprojekte // Gymnasium
SCHNIT T
Die Anforderungen an den Schallschutz machten es notwendig, dass
den Deckenkonstruktionen besondere
Beachtung geschenkt wurde. Speziell entwickelte und optimierte Holzstahlbetonverbunddecken sorgen für
eine optimale Schalldämmung in allen Lernsituationen. Durch ihre recht
große Speichermasse schaffen diese
Decken zusätzlich eine verbesserte
Wärmekapazität. Die Decke besteht
aus Brettschichtholzrippen mit einer darüber liegenden Ortbetonplatte. Die darauf aufgebrachte Estrichschicht wurde mit einer Dicke von
zehn Zentimetern bemessen. Auch
sie dient als Speichermasse und wird
über eine Fußbodenheizung zum Heizen und Kühlen verwendet. Die Fassaden wurden als senkrecht stehende Holzverschalungen ausgeführt.
Das garantiert Dauerhaftigkeit und
geringen Pflegeaufwand im Sinne
der Nachhaltigkeit. Der hohe Vorfertigungsgrad der primär eingesetzten Holzkonstruktion ermöglichte einen raschen Aufbau der Gebäude bei
größtmöglicher Präzision. Er stellt
einen wertvollen Beitrag zum nachhaltigen Bauen dar. Durch die Vorfertigung im Werk konnten auch die
Montagezeiten kurz gehalten werden.
Die zum Einbau fertigen Elemente
reizten die maximalen Transportgrößen maximal aus. So konnten auch
die Transportkosten optimiert werden. Mit welcher Vehemenz die maximalen Transportgrößen durchgesetzt wurden, zeigt sich am Beispiel
der Dreifachturnhalle: Obwohl die
komplette Planung für die Dachelemente der Größe 3 m x 7 m bereits
www.mikado-online.de
abgeschlossen war, wurden sämtliche Pläne unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit noch einmal umgeworfen: Ausgeführt wurden die Decken
schließlich mit 3 m × 14 m großen
Elementen.
Besonderes Augenmerk legten die
Planer auf eine gute Tageslichtversorgung. Dies dient zum einen der
Optimierung der Lernumgebung, reduziert andererseits aber auch den
Stromverbrauch der künstlichen Beleuchtung. Das Konzept ist einfach:
Tageslicht wird durch lange Lichtbänder an der Nordseite der Dachkonstruktion tief in das Gebäudeinnere gebracht. Damit es sich von dort
auch gut weiter verteilt, wurden viele Wände transparent gestaltet. Für
die Klassenräume bedeutet diese Lösung, Tageslicht nicht nur von der
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MIKADO
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Fensterseite zu erhalten, sondern einen gewissen Teil zusätzlich durch
die zum Teil in Glas ausgeführten
Innenwände zu bekommen.
Umfassende Haustechnik
Das Schulgebäude sollte in der Jahresbilanz unter Berücksichtigung
sämtlicher Energieströme (also insbesondere auch der nutzerinduzierten Bedarfe) primärenergetisch ein
„Plusenergiegebäude“ darstellen.
Also musste sämtlichen energierelevanten Eigenschaften des Gebäudes
und auch der von den Nutzern verwendeten Technik besonderes Augenmerk gewidmet werden.
Zunächst war der Baukörper selbst
so zu planen, dass die aktiv zu deckenden Energiebedarfe für Heizung,
Warmwasser, Kühlung, Belüftung,
Beleuchtung und für die vom Nutzer verwendete Technik möglichst
gering ausfallen. Dazu gehörte eine
lückenlose und exzellent gedämmte
Gebäudehülle ebenso wie ein Konzept zur sommerlichen Verschattung der Fensterflächen. Erst dann
folgte die Konzeption zu Deckung
des Restbedarfs, die vorzugsweise
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mikado 10.2015
ressourcenschonend zu erbringen
sein sollte. Das Ziel des „Plusenergiegebäudes“ machte es dabei erforderlich, durch zum Beispiel aktive
Stromerzeugung eine höhere Energiemenge bereitzustellen, als es dem
Primärenergiebedarf des Gebäudes
entspricht. Eine zentrale Lüftungsanlage mit hocheffektiver Wärme- und
Feuchterückgewinnung sorgt für bedarfsgerechte Belüftung. Ausgeführt
ist die Anlage als Quelllüftung über
mechanisch gesteuerte Zuluftklappen mit optimiertem Abluftrohrnetz.
Dabei trägt das Lüftungskonzept
auch dem Umstand Rechnung, dass
die Marktplätze völlig unterschiedlich genutzt werden können und daher eine flexible Belüftung notwendig ist. Über einen unterirdischen
Tunnel ist auch die Sporthalle mit der
Haustechnik verknüpft. Die zur Kühlung notwendige Klimaanlage arbeitet mit Verdunstungskälte und hat so
einen besonders niedrigen Energieverbrauch. Die optimale Tageslichtnutzung geschieht über Oberlichter
und durch Lichthöfe in den einzelnen Gebäudeteilen. Transparente
Zwischenwände und Tageslichtsysteme leiten das Licht innerhalb des
▴▴Die Fassaden
sind als senkrecht
stehende
Holzverschalung
ausgeführt
Gebäudes weiter. Dies verringert die
Notwendigkeit elektrischer Beleuchtung und senkt den Stromverbrauch.
Das Heizkonzept sieht eine Zentralheizung mit zwei in Folge geschalteten Biomasse-Kesseln mit je
100 kW Leistung vor. Als Energieträger fungieren Pellets. Im Gebäude wurde ein 20 000-Liter-Pufferspeicher installiert. Die Wärmeübergabe
erfolgt mittels Warmwasserfußbodenheizung. Die Warmwassererzeugung erfolgt über die Heizungsanlage. Das Plusenergiekonzept rundet
eine Photovoltaikanlage ab. Um die
strengen Zielsetzungen hinsichtlich
des Energieverbrauchs zu überwachen, schließt sich an die Bauphase
ein zweijähriges Monitoring an. Da
die Schule ein Modellprojekt ist, ist
eine umfassende Dokumentation des
Gebäudes selbstverständlich. Jeder
Projektbeteiligte dokumentierte seinen Planungsprozess, die Strategien
der Entscheidungsfindung und die
Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Lösungsvarianten. Die komplette Dokumentation wird schließlich sowohl in Buchform einsehbar
als auch über das Internet abrufbar
▪
sein.
Thema des Monats // Großprojekte // Gymnasium
Projektleiter im Gespräch
Leuchtturmprojekt in Diedorf
◂◂Michael
Kriegner ist Projektleiter bei
Kaufmann Bausysteme. Bei
der Konzeption
und Planung
des SchmuttertalGymnasiums in
Diedorf liefen viele Fäden bei
ihm zusammen
KAUFMANN BAUSYSTEME
mikado: Für die Konzeption der Schule
brachte man schon von Anfang an Experten der unterschiedlichen Gewerke
zusammen. Was bedeutet dieses Verfahren für den Holzbauer?
Michael Kriegner: Bei diesem Projekt
handelte es sich um ein höchst komplexes Bauvorhaben. Das Gebäude
wurde als Holzbau konzipiert und realisiert. Die große Aufgabe war es jedoch, nicht nur den Holzbau an sich,
sondern alle am Bau tätigen Gewerke abzustimmen. Maßgeblich für den
Holzbau waren daher nicht nur statische und architektonische Grundlagen, sondern der gesamte Innenausbau bis hin zur Sicht-Installation der
gesamten Technik. Aus diesem Grund
ist es unserer Meinung nach unbedingt notwendig und fundamental
für das gesamte Gebäude, dass von
Anfang an Experten der Planungsund Konzeptionsphase hinzugezogen werden. Der Nachteil ist, dass
der Holzbauer natürlich in der Umsetzung seiner eigenen Produktions-
angepasst werden. Natürlich bringt
eine Wiederholung eines Projektes
Synergieeffekte: nicht nur für den
Holzbau, sondern auch für alle Beteiligten. Ebenfalls sollte eine wirkliche Wiederholung eines Projektes,
natürlich mit kleinen Änderungen,
„Jeder Anschluss wurde
bis ins letzte Detail geplant.“
vorteile sehr wenig Spielraum hat.
Daher es ist unbedingt notwendig,
dass die hinzugezogenen und beteiligten Fachplaner während der integralen Planung auch wirklich praxisbezogenes Fachwissen mitbringen.
Ist der Bau variabel genug, um ihn
in ähnlicher Form auch an anderen
Standorten zu verwirklichen? Brächte das aus Ihrer Sicht Synergieeffekte?
Der Bau ist bestimmt durch seine
Achsgeometrie. Dadurch kann der
Grundriss unserer Meinung nach
sehr einfach an andere Standorte
auch dem Bauherrn finanzielle Vorteile verschaffen.
Der Schallschutz war zum einen innerhalb des Gebäudes ein Thema. Auch
der Lärm von außen soll die Schüler
nicht ablenken. Welche Schallschutzmaßnahmen kamen zum Einsatz?
Zum einen wurde der Wandaufbau
entsprechend konzipiert und ausgeführt und andererseits die Fensterflächen mit den entsprechenden Schallschutzwerten ausgeführt. Auch die
Entwurfsplanung mit dem Innenhof
ist dieser Anforderung dienlich.
www.mikado-online.de
Um die Transportkosten zu minimieren, wurden die Größen der Elemente bis zum Maximum ausgereizt. Was
bedeutet das für den Transport?
Natürlich ist ein Transport, der breiter
oder länger ist als ein Normaltransport, mit Mehrkosten verbunden.
Ebenfalls gibt es Rahmenbedingungen, die bei solchen Sondertransporten einzuhalten sind. Aber letztlich
überwiegt der Vorteil. Je größer die
Elemente sind, desto schneller ist einerseits die Montage und andererseits können zusätzliche Elementstöße reduziert werden. Auch das spart
Zeit und Geld. Der hier angewendete Grundsatz, dass „größere Elemente“ nicht nur Zeit und Geld sparen,
ist auch unsere Firmenphilosophie.
Gab es Knackpunkte bei dem Projekt?
Die Anforderungen an die Holzkonstruktion mit den verbundenen Ansprüchen von Architektur und Statik
waren sicherlich sehr hoch. Mit unserem Know-how und Einsatz, aber
auch mit unseren Fachfirmen und
der ausgezeichneten Zusammenarbeit mit Architekten, Bauleitung und
Fachplanern ist es uns gelungen, den
Holzbau in der hohen Qualität zu
realisieren. Ein Knackpunkt war sicherlich die Ausführung und Werkplanung, für die aufgrund der Terminsituation viel zu wenig Zeit war.
Aufgrund der Komplexität war es
erforderlich, jeden Anschluss bis ins
letzte Detail zu planen und dann mit
allen Beteiligten abzustimmen. Ein
weiterer Punkt während der Montage
der Holzkonstruktion war das Wetter, das im Sommer 2014 überwiegend schlecht war. Daher mussten wir
während der gesamten Montagezeit
sehr viel Zeit in die provisorischen
Abdeckungen investieren.
Herr Kriegner, vielen Dank für das
Gespräch!
25
MIKADO
P 2
Konstruktion
Viel Holz und wenig Beton
Dem Holzbauer geht das Herz auf, wenn er sich einige Konstruktionsdetails des Schmuttertal-Gymnasiums in Diedorf ansieht:
Möglichst viele Verbindungen wurden in Holz-Holz ausgeführt
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mikado 10.2015
Thema des Monats // Großprojekte // Gymnasium
D
◂◂Die Montage der
einzelnen
Klassenhäuser
erfolgte
abschnittsweise
amit die Vorfertigung so weit
wie möglich optimiert werden konnte, gaben die Planer
bereits in der Ausschreibungsphase
die präzise Elementeinteilung vor.
Sie orientierte sich am größtmöglichen Transportmaß und gab auch alle
wichtigen Elementstöße vor. Außerdem sollten möglichst viele Verbindungen in Holz-Holz ausgeführt werden, um die Stahlbauteile möglichst
weit zu reduzieren. Durch den Einsatz
einer neuartigen Deckenkonstruktion konnte das Ziel leichter erreicht
werden. Die für den Bau entwickelten Details werden nach ausführlicher Aufbereitung und Dokumentation künftig interessierten Planern
und ausführenden Unternehmen zur
Verfügung stehen, um sie bei weiteren Holzbauprojekten zum Einsatz
zu bringen.
Das Tragwerk der Klassenhäuser und der Aula ist ein Holzskelettbau. Er ruht auf einer Stahlbetonbodenplatte, die rundherum lückenlos
gedämmt ist. Auf einer Schwelle aus Lärche steht die aufgehende Wandkonstruktion. In den Außenwänden integrierte Stützen und
frei stehende Stützen im Rauminneren tragen die vertikalen Lasten ab.
Kombiniert mit Wandscheiben bilden sie die vertikale Tragkonstruktion über drei Stockwerke. Für die
Decken entwickelten die Planer eine
neue Holz-Beton-Verbundkonstruktion. Die vorgefertigten Deckenelemente hängten die Verarbeiter in die
Stützen ein. Sie bestehen aus BSHBalken und Querträgern und vormontierter Deckenuntersicht. Auf die
Konstruktion brachten die handwerker dann nach Rohbaufertigstellung
eine 120 mm starke Ortbetonschicht
auf. Die statisch wirksame Verbindung der beiden Elemente wird über
einen Formschluss erreicht, der Aussparungen in den Holzrippen und
kleine Nocken im Beton vorsieht.
Die vorgefertigten Dachelemente
liegen auf den Außenwänden bzw.
den Stützen auf. Die flach geneigten Satteldächer sind begrünt und
zum Teil mit Photovoltaikmodulen bestückt. Zur sonnenabgewandten Seite haben alle Dächer ein langes Lichtband. Über den Sparren
(100/360 mm) befindet sich eine
50 mm dicke Dämmplatte, darüber
zwei Lagen hochdruckfeste Mineralwolle, die jeweils 160 mm dick sind. In
der unteren Lage ist eine Holzlattung
verlegt. Der doppelten Dämmschicht
folgt eine Holzlattung zur Befestigung einer EPDM-Bahn, die ebenfalls mit Mineralwolle ausgefacht ist.
Über einem Speichervlies liegt dann
der Aufbau des Gründachs, der aus
Drainage, Substrat und Vegetationsmatte besteht. Der Wandaufbau entspricht mit leichten Abweichungen
ARCHITEKTEN KERMANN KAUFMANN ZT
▸▸Der Blick auf
die Montage eines
Klassenhauses
verdeutlicht den
Deckenaufbau.
Noch ist die Ortbetonplatte
nicht gegossen
www.mikado-online.de
27
ARCHITEKTEN KERMANN KAUFMANN ZT
P 2
möglichst geringes Verletzungsrisiko stellte sich als wichtiges Kriterium
heraus. Am Ende entschied man sich
für eine wild verlegte sägeraue Fichte mit unterschiedlichen Brettlängen
als äußeren Abschluss des Gebäudes.
Sonderfall Sporthalle
für eine Pfettenkonstruktion mit ebenengleichen Sparren. Tageslicht wird
auf zwei Wegen in die Sporthalle gelenkt: Auf der Nordseite befindet sich
ein 24 m langes Lichtband, das mit
2,20 m Höhe reichlich Licht in die
Halle lässt. Zusätzlich befinden sich
auf der Südseite der Dachfläche Oberlichter. Für die Montage der Sporthalle stand ein kurzes Zeitfenster von
lediglich drei Wochen zur Verfügung.
Franz Hölzl, Projektleiter der ausführenden Firma Merk Timber, empfand das als durchaus sportliche Herausforderung. Drei Teams arbeiteten
gleichzeitig auf der Baustelle, um den
engen Zeitplan einhalten zu können.
Christina Vogt, Gladbeck ▪
▴▴In der Deckenuntersicht sind
die Holzrippen gut
zu erkennen
Die Sporthalle wurde führte ein anderer Holzbauer aus als der Rest des
Gebäudeensembles. Die Holzrahmenbauwände bestehen aus Konstruktionsvollholz und BrettschichtholzBindern in Fichte. Das Herz des Dachs
sind 2 Meter hohe BSH-Binder mit einer Spannweite von 28 Metern. Darauf befindet sich eine Aufständerung
FA Z I T
Schule geht neue Wege
NAGLER ARCHITEKTEN
von innen nach außen folgendem
Prinzip: Auf zwei Lagen Gipskarton
folgt ein 50 mm starkes CW-Profil
bzw. 50 mm Mineralwolle. Es folgen
Dampfbremse, OSB-Platte und die
Ständerkonstruktionsebene, die mit
Mineralwolle ausgefacht ist. Davor
befindet sich eine 16 mm Holzfaserplatte und ein Winddichtpapier. Vor
einer stehenden und einer liegenden
Lattung schließlich befindet sich der
sichtbare Teil der Fassade, auf dessen Ausführung besonderes Augenmerk von allen Seiten lag. Es galt,
die unterschiedlichen Vorstellungen
aller Beteiligten unter einen Hut zu
bringen. Natürlich war die Optik ein
besonderes Thema, aber auch ein
◂◂Um das entstehende
Gebäude vor
Nässe zu
schützen, wurde
ein Wetterschutzkonzept
entwickelt
Ganz sicher überstieg die
Planung des Schmuttertal-Gymnasiums in Diedorf den üblichen
Aufwand um ein Mehrfaches,
doch am Ende gewinnen die, für
die dieses Gebäude entstanden
ist: die jungen Menschen, die in
wenigen Jahrzehnten unser aller
Zukunft prägen werden. Es kann
nur positiv sein, wenn Schule
neue Wege geht und ihre alten
baulichen Strukturen über Bord
wirft. Dass dieses Projekt in Holz
realisiert wurde, beweist einmal
mehr die Vielseitigkeit und
Zukunftsfähigkeit des nachwachsenden Rohstoffs.
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