Gründungsurkunde der Allrußländischen Obersten Macht, 26. August - 10. September 1918 (8. - 23. September) 1918 Zusammenfassung Die "Gründungsakte" der Allrußländischen Provisorischen Regierung vom 23. September 1918 gehört zu den bemerkenswertesten Zeugnissen der politischen Geschichte des Russischen Bürgerkrieges. Sie war das Ergebnis einer "Staatskonferenz" in der Stadt Ufa, die sich zum Ziel gesetzt hatte, alle antibolschewistischen Kräfte zu vereinigen und einer anerkannten Regierung zu unterstellen. Zugleich sollte die bestehende Rivalität zwischen der sozialrevolutionären Gegenregierung in Samara, die sich auf das Komitee der Mitglieder der Konstituierenden Versammlung (Komu#) stützte, und der nationalkonservativen Provisorischen Regierung Sibiriens in Omsk beendet werden. Einführung Im Sommer 1918 hatte die Tschechoslowakische Legion wichtige Städte an der Mittleren Wolga von der Roten Armee zurückerobert. In Ufa sollten die etwa 170 Delegierten ein gemeinsames politisches und militärisches Programm ausarbeiten und verabschieden. Nominell repräsentierten sie über zwanzig Regionalregierungen auf dem Territorium des ehemaligen Zarenreiches sowie die wichtigsten nichtbolschewistischen Parteien, Wirtschaftsvereinigungen, Selbstverwaltungsorgane und Kosakenverbände. Am stärksten waren jedoch die Regierungen von Samara und Omsk vertreten, deren kontroverse Standpunkte deshalb auch die Konferenz beherrschten. Wichtigstes Ergebnis der gut zweiwöchigen Verhandlungen der "Staatskonferenz" war die Bildung einer "gesamtrussischen" Regierung. Dieses Direktorium umfaßte fünf Mitglieder. Allerdings waren die Vertreter der Südregierung in Ekaterinodar bzw. der Nordregierung in Archangelsk, der Konstitutionelle Demokrat (Kadett) N. I. Astrov und der gemäßigte Volkssozialist N. V. #ajkovskij, in Abwesenheit gewählt worden und lehnten nachträglich eine Mitwirkung im Direktorium ab. Da überdies der als Stellvertreter vorgesehene populäre General M. V. Alekseev am 8. Oktober 1918 bei einem Gefecht fiel, fehlte der "Koalition" von Beginn an eine personelle Verankerung in zwei wichtigen Zentren der sehr brüchigen Front gegen Sowjetrußland. Somit bestand die Regierung unter dem Vorsitz des gemäßigten Sozialrevolutionärs N. D. Avksent’ev aus dem Konstitutionellen Demokraten V. A. Vinogradov, dem ehemaligen Sozialrevolutionär und späteren Parteigänger der Kadetten P. V. Vologodskij, dem Sozialrevolutionär V. M. Zenzinov sowie dem parteilosen General V. G. Boldyrev. Formal hatten sich also die Befürworter einer kollektiven Führung gegen die Anhänger einer Diktatur durchgesetzt. Einem wirklichen Konsens stand jedoch entgegen, daß die Sozialisten (Sozialrevolutionäre, Vertreter der Regionalduma Sibiriens, des Bundes der Städte und ländlichen Selbstverwaltungsorgane sowie einzelne Menschewiki) darauf beharrten, daß die Anfang 1918 von den Bolschewiki aufgelöste Konstituierende Versammlung (Konstituante) einzige Legitimationsbasis einer Regierung für ganz Rußland sei. Dies sollte allerdings nur gelten, wenn bis zum 1. Januar 1919 ein Quorum von 250 Mitgliedern der Konstituierenden Versammlung (d. h. etwas mehr als ein Drittel der 703 gewählten Abgeordneten) erreicht werden konnte. Doch auch im anderen Fall wäre noch der Ausweg geblieben, bis zum 1. Februar 1919 wenigstens 170 Deputierte (knapp ein Viertel) zu versammeln, um dieser umstrittenen Lösung zum Sieg zu verhelfen. Ungeachtet dieser Vereinbarung trafen sich jedoch parallel zur Staatskonferenz in Ufa etwa hundert sozialrevolutionäre Mitglieder der Konstituante in Ekaterinburg und erklärten gemeinsam mit dem Großteil der Führung des Komitees der Mitglieder der Konstituierenden Versammlung (Komu#), das sich als legitime Repräsentanz der Konstituante ausgab, daß sie alle Beschlüsse der Staatskonferenz und des Direktoriums nicht anerkennen würden. Dieser innere Bruch schwächte das sozialistische Lager gegenüber den erstarkenden Nationalkonservativen, um die sich in Omsk militärische Kräfte scharten. Dadurch gelang es der noch nicht aufgelösten Provisorischen Regierung Sibiriens, dem Direktorium den Zugriff auf beträchtliche Finanzmittel zu verwehren, die nicht zuletzt zum Aufbau einer funktionsfähigen Verwaltungsstruktur benötigt wurden. Die Gruppen des rechten Flügels aus Vertretern der Provisorischen Regierung Sibiriens, der Konstitutionellen Demokraten (Kadetten), der Kosaken und der sozialdemokratischen Gruppe "Edinstvo" hatten in Ufa die Rückbindung an die "alte" Konstituante zwar nicht verhindern können, hielten diese aber weiterhin für nicht mehr repräsentativ. Als das Direktorium wenig später vor der Roten Armee nach Omsk, in die Hauptstadt der Konservativen und der radikalen Rechten Sibiriens, ausweichen mußte, engte sich sein Handlungsspielraum noch mehr ein. Mit seinen programmatischen Leitsätzen identifizierte sich kein Lager vorbehaltlos, weil sie nicht als Kompromiß ausgehandelt worden waren und deshalb trotz des offenkundigen Bemühens um eine Ausbalancierung der Interessen und eine Mäßigung radikaler Forderungen letztlich niemanden zufrieden stellte. Die Autoren hatten schwer vereinbare Forderungen der beiden Hauptflügel nur lose aneinander gereiht. Beispielsweise sollte es einer "entpolitisierten" Armee unter der Führung von – meist antisozialistisch eingestellten Offizieren – obliegen, für "Demokratie", bürgerliche Freiheiten, Recht und Ordnung, regionale Autonomie und "national-kulturelle Selbstbestimmung" zu kämpfen. Die einen befürchteten eine Neuauflage des wenig entschlußfreudigen Kerenskij-Regimes von 1917. Andere verglichen die Staatskonferenz von Ufa mit der äußerlich prunkvolleren, im Ergebnis aber folgenlosen Moskauer Staatskonferenz vom August 1917. In der Wirtschaftspolitik standen sozialrevolutionäre Positionen neben Bekenntnissen zu einem privaten Unternehmertum und zu ausländischen Investitionen. Der Staat sollte auf das Getreidemonopol mit Fixpreisen verzichten, die Kontrolle über Industrie und Handel sowie über die Verteilung von Mangelprodukten aber beibehalten. Die Bauern erhielten das Nutzungsrecht für das von ihnen bestellte Land, wurden aber zugleich auf eine endgültige Lösung der Bodenfrage durch die Konstituierende Versammlung vertröstet. Die Passagen über die Arbeiterpolitik spiegeln einerseits unverhohlene Kritik an den ruinösen Zuständen in den Fabriken bzw. an den Folgen der revolutionären Selbstverwaltung der Betriebe durch die Beschäftigten. Andererseits ist der Versuch erkennbar, zwischen Unternehmer- und Arbeiterinteressen zu vermitteln. Das Direktorium von Ufa bildete eine kurzlebige, aber wegweisende Etappe antibolschewistischer Herrschaftsbildung im Bürgerkrieg. Mit ihm erreichte der Einfluß der Mehrheitspartei der Sozialrevolutionäre einen letzten Höhepunkt, bevor sie im Herbst 1918 vollends von den Epizentren der Macht verdrängt wurde. Das Ziel des im Frühjahr 1918 im Moskauer Untergrund entstandenen Bundes für die Wiedergeburt Rußlands, unter der Führung der Sozialisten eine breite Einigungsbewegung aller nichtbolschewistischen Kräfte und mit dieser einen Ring von Gegenregierungen um das von den Bolschewiki gehaltene Kerngebiet Rußlands zu schaffen, traf in den Regionen nicht auf die erhoffte Unterstützung. Im Süden blieb das Echo sogar gänzlich aus. Doch auch die im Sommer 1918 noch möglich erscheinende militärische Frontlinie vom Weißen Meer im Norden über die Wolga-Ural-Region bis nach Sibirien konnte nicht geschlossen werden. Auf diese Weise blieben den Sozialrevolutionären lediglich wenige Wochen, um ihr Konzept einer "russischen revolutionären Demokratie" auf einem begrenzten Territorium an der Mittleren Wolga erproben zu können, bevor die Rote Armee das Gebiet wieder unter ihre Kontrolle brachte. Bereits zwei Tage nach Beginn der Staatskonferenz war Kazan’ wieder in die Hände der Bolschewiki gefallen. Simbirsk folgte wenig später. Die Flucht des Direktoriums ins westsibirische Omsk war bereits ein Zugeständnis an die Konservativen. Doch wäre auch ein Umzug nach Ekaterinburg prekär gewesen, weil dort der erwähnte Kongreß der Mitglieder der Konstituante und die mit den Sozialrevolutionären sympathisierende Tschechoslowakische Legion dem Kompromiß von Ufa ablehnend gegenüber standen. In Omsk bereitete ein Putsch unter Admiral A. V. Kol#ak am 18. November 1918 dem Direktorium ein Ende. Führenden Mitgliedern der sozialistischen Parteien wurde nach der Inhaftierung das Exil aufgezwungen, während die Organisationen fortan kaum weniger entschieden bekämpft wurden wie die Bolschewiki. Die Diktatur des Admirals genoß trotz Vorbehalten mehr Unterstützung seitens der alliierten Interventionsmächte als andere Gegenregierungen. Auch die Südregierung unter General A. I. Denikin sah sich schließlich zu einer formellen Anerkennung Kol#aks als Obersten Regenten gedrängt. Damit war Omsk zum Zentrum des Kampfes gegen die Bolschewiki geworden. Das Komu# war damit endgültig mit dem Versuch gescheitert, die "alte" Konstituante wiederzubeleben und eine legitime Nachfolgebehörde für die im Oktober 1917 gestürzte Provisorische Regierung zu schaffen. Das Konzept der Sozialrevolutionäre von einer genuin russischen demokratischen Alternative zu den Bolschewiki hatte sich unter den Bedingungen des eskalierenden Bürgerkriegs als illusorisch erwiesen. Zum eine zeigte sich die Partei der militärischen Entschlossenheit und dem Rigorismus sowohl der Bolschewiki auf der Linken als auch der staatsorientierten Kräfte auf der Rechten organisatorisch unterlegen. Zum anderen mangelte es ihrer Strategie eines "dritten Weges" zwischen "roter" und "weißer" Diktatur an einer kritischen Einschätzung der Gegebenheiten. Selbst in den Hochburgen an der Mittleren Wolga verweigerten ihnen die Bauern die Gefolgschaft, wenn sie für ein abstraktes Ziel wie die Wiedereinberufung der Konstituierenden Versammlung mobilisiert werden sollten oder wenn die sozialistische Regierung von Samara eine Revision der "wilden" Landaneignungen ankündigte, mit der die Anarchie in der Landwirtschaft und die sinkende Produktivität bekämpft werden sollte. Ohne aktive bäuerliche Massenbasis besaßen die Sozialrevolutionäre aber keine Startvorteile gegenüber den vielen konkurrierenden Kräften um die Vorherrschaft im Kampf gegen die Bolschewiki. Sie mußten sich schließlich dem militärischen Übergewicht der in Sibirien formierten Regionalmacht beugen. Die Gründungsakte von Ufa spiegelt den komplexen Prozeß der politischen Machtbildung und der programmatischen Orientierung nach dem revolutionären Zerfall des Zarenreiches in einer der wichtigsten Regionen des russischen antibolschewistischen Widerstands. Da keine Einigung auf einen Minimalkatalog aktueller Aufgaben erreicht worden war, lasen die zerstrittenen Gruppen nur das aus dem Dokument heraus, was ihren eigenen Interessen entsprach. Die Auflösung der alten Parteibindungen beschleunigte sich. Die bereits im November 1917 in einen kleineren linken und in einen mehrheitlichen rechten Flügel zerbrochenen Partei der Sozialrevolutionäre stürzte in weitere Fraktionskämpfe. Wenn bereits die am 24. September 1918 von der Roten Armee aus Samara vertriebene sozialrevolutionäre Regierung den Radikalen in den eigenen Reihen als zu wenig revolutionär und den Gemäßigten als zu radikal erschienen war, so geriet erst recht das Direktorium von Ufa zwischen alle Fronten. Ein führender Sozialrevolutionär, A. A. Argunov, beschrieb die fortschreitende Radikalisierung des Bürgerkriegs vereinfachend mit den Worten, die Sozialisten hätten sich in einem Abwehrkampf gegen "zwei Bolschewismen" befunden, nämlich gegen die linke Tyrannei der Bolschewiki und gegen die rechte Militärdiktatur der "staatlichen Kräfte". Die zwischen diesen Polen angenommene Mitte hatten die Sozialrevolutionäre allerdings weder programmatisch ausfüllen noch organisatorisch stabilisieren können. Nikolaus Katzer Quellen- und Literaturhinweise Boldyrev, V., Direktorija, Kol#ak, interventy. Vospominanija, Novonikolaevsk 1925. Figes, O., Peasant Russia, Civil War. The Volga Countryside in Revolution (1917-1921), Oxford 1989. Katzer, N., Die weiße Bewegung in Rußland. Herrschaftsbildung, praktische Politik und politische Programmatik im Bürgerkrieg, Köln u.a. 1999. "Konstitucija Ufimskoj direktorii", in: Archiv russkoj revoljucii, Bd. XII, Berlin 1923, S. 189-193. Trukan, G., Antibol’ševistskie pravitel’stva Rossii, Moskau 2000. 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September) 1918 Die Staatskonferenz, bestehend aus dem Kongreß der Mitglieder der Allrußländischen Konstituierenden Versammlung und den dafür bevollmächtigten Vertretern des Komitees der Mitglieder der Allrußländischen Konstituierenden Versammlung, der Provisorischen Regierung Sibiriens, der Regionalregierung des Urals, der Kosakenheere von Orenburg, des Urals, Sibiriens, von Irkutsk, von Semire#ensk, vom Enisej und von Astrachan', den Vertretern der Regierungen Baškiriens, der Alaš [Orda] und Turkestans, der Nationalverwaltung der Turk-Tataren Innenrußlands und Sibiriens, der Provisorischen Regierung Estlands, den Vertretern des Kongresses der Städte und Zemstva Sibiriens, des Urals und des Wolgagebiets, den Vertretern politischer Parteien und Organisationen – der Partei der Sozialrevolutionäre, der Rußländischen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, der Partei der Volkssozialisten, der Partei der Volksfreiheit, der Allrußländischen Sozialdemokratischen Organisation "Einheit" und des Bundes für die Wiedergeburt Rußlands, hat in einmütigem Bestreben zur Rettung des Landes, zur Wiederherstellung seiner Einheit und zur Sicherung seiner Unabhängigkeit beschlossen: die gesamte Fülle der Obersten Macht auf dem gesamten Territorium des Rußländischen Staates der Allrußländischen Provisorischen Regierung, bestehend aus den fünf Personen Nikolaj Dmitrievi# Avksent’ev, Nikolaj Ivanovi# Astrov, Generalleutnant Vasilij Georgievi# Boldyrev, Petr Vasil’evi# Vologodskij und Nikolaj Vasil’evi# #ajkovskij, zu übertragen. Die Allrußländische Provisorische Regierung läßt sich bei ihrer Tätigkeit von den folgenden, durch die vorliegende Urkunde festgelegten Grundsätze leiten: Allgemeine Grundsätze 1. Die Allrußländische Provisorische Regierung ist bis zur Einberufung der Allrußländischen Konstituierenden Versammlung die einzige Trägerin der Obersten Macht auf dem gesamten Territorium des Rußländischen Staates. 2. Alle Funktionen der Obersten Macht, die angesichts der entstandenen Bedingungen zeitweise durch die Regionalregierungen ausgeübt werden, sollen an die Allrußländische Provisorische Regierung übergeben werden, sobald sie dies fordert. 3. Die Festlegung der Zuständigkeitsbereiche für die Regionalregierungen nach den Prinzipien breiter Gebietsautonomie und auf der Grundlage des unten erläuterten Aktionsprogramms der Regierung wird dem Ratschluß der Allrußländischen Provisorischen Regierung überlassen. Die Verpflichtungen der Regierung gegenüber der Allrußländischen Konstituierenden Versammlung Es wird zur unerläßlichen Verpflichtung der Allrußländischen Provisorischen Regierung gemacht: 1. Dem als staatsrechtliches Organ wirkenden Kongreß der Mitglieder der Konstituierenden Versammlung bei seiner eigenständigen Arbeit zur Sicherstellung der Anreise von Mitgliedern der Allrußländischen Konstituierenden Versammlung und zur Beschleunigung und Vorbereitung einer erneuten Tätigkeit der Konstituierenden Versammlung in der gegenwärtigen Zusammensetzung die größtmögliche Unterstützung zu gewähren. 2. Sich unablässig von den unbestreitbaren obersten Rechten der Konstituierenden Versammlung leiten zu lassen und unermüdlich darüber zu wachen, damit in der Tätigkeit aller der Provisorischen Regierung untergeordneten Organe nichts zugelassen werde, das zu einer Minderung der Rechte der Konstituierenden Versammlung oder zu einer Verzögerung bei der Wiederherstellung ihrer Arbeit führen könnte. 3. Der Konstituierenden Versammlung über ihre Tätigkeit Bericht zu erstatten, sobald die Konstituierende Versammlung ihre Arbeiten für wiederaufgenommen erklärt, und sich bedingungslos der Konstituierenden Versammlung als der einzigen Obersten Macht im Lande unterzuordnen. Anmerkung: Dazu wird ein Beschluß des Kongresses der Mitglieder der Allrußländischen Konstituierenden Versammlung vom 16. September 1918 beigefügt. Aktionsprogramm der Provisorischen Regierung Bei ihrer Tätigkeit zur Wiederherstellung der staatlichen Einheit und Unabhängigkeit Rußlands soll die Allrußländische Provisorische Regierung die folgenden unaufschiebbaren Aufgaben an die erste Stelle rücken: 1. Den Kampf für die Befreiung Rußlands von der Sowjetmacht; 2. Die Wiedervereinigung der entrissenen, abgefallenen und voneinander getrennten Gebiete Rußlands; 3. Die Nichtanerkennung des Vertrages von Brest-Litovsk und aller weiteren Verträge internationalen Charakters, die sowohl im Namen Rußlands als auch von einzelnen seiner Teile nach der Februarrevolution von welcher Macht auch immer geschlossen worden sind, ausgenommen die der Allrußländischen Provisorischen Regierung, und die Wiederherstellung der Wirkungsmächtigkeit der vertraglichen Beziehungen zu den Mächten der Entente; 4. Die Fortsetzung des Krieges gegen die deutsche Koalition. Im Bereich der Innenpolitik soll die Provisorische Regierung die nachfolgenden Ziele verfolgen: I. Im Militärbereich 1. Die Wiederherstellung einer starken, kampffähigen und einheitlichen Rußländischen Armee, die außerhalb des Einflusses politischer Parteien zu stellen und in Gestalt ihres Oberkommandos der Allrußländischen Provisorischen Regierung unterzuordnen ist; 2. Die vollständige Nichteinmischung der Militärbehörden in den Bereich der Zivilverwaltung, mit Ausnahme der Örtlichkeiten, die Schauplatz von Militärhandlungen sind oder durch Verordnungen der Regierung in den Kriegszustand versetzt worden sind, wenn dies eine extreme staatliche Notwendigkeit erfordert; 3. Die Herstellung fester Militärdisziplin nach den Prinzipien der Gesetzlichkeit und der Achtung der Persönlichkeit; 4. Die Nichtzulassung politischer Organisationen von Militärbediensteten und das Fernhalten der Armee von der Politik. II. Im Zivilbereich 1. Das sich befreiende Rußland nach den Prinzipien der Anerkennung breiter Autonomierechte für seine einzelnen Regionen auf der Grundlage von geographischen, wirtschaftlichen und ethnischen Merkmalen zu organisieren, mit der Absicht, den Staatsaufbau durch die unumschränkt herrschende Konstituierende Versammlung nach föderativen Prinzipien endgültig zu gestalten; 2. Die Anerkennung der Rechte nationaler Minderheiten, welche kein gesondertes Territorium einnehmen, auf kulturell-nationale Selbstbestimmung; 3. Die Wiederherstellung der demokratischen städtischen und ländlichen Selbstverwaltung in den von der Sowjetmacht befreiten Teilen Rußlands und die Festlegung von Neuwahlen in kürzester Frist; 4. Die Herstellung aller bürgerlichen Freiheiten; 5. Das Ergreifen von Maßnahmen zum wirksamen Schutz der öffentlichen Sicherheit und der staatlichen Ordnung. III. Im Bereich der Volkswirtschaft 1. Der Kampf gegen die wirtschaftliche Zerrüttung; 2. Unterstützung der Entwicklung der Produktivkräfte des Landes. Heranziehung von russischem und ausländischem Privatkapital zur Förderung der Produktion und die Ermunterung von Privatinitiative und Unternehmergeist; 3. staatliche Regulierung von Industrie und Handel; 4. Ergreifen von Maßnahmen zur Erhöhung der Arbeitsproduktivität und Kürzung des unproduktiven Verbrauchs von Nationaleinkommen; 5. Entwicklung der Arbeitsgesetzgebung auf der Grundlage eines wirksamen Arbeitsschutzes sowie die gesetzliche Regelung der Bedingungen für die Einstellung und für die Entlassung von Arbeitern; 6. Anerkennung vollständiger Koalitionsfreiheit; 7. Abkehr vom Getreidemonopol und von Festpreisen im Bereich der Lebensmittelpolitik unter Beibehaltung der normierten Verteilung derjenigen Produkte, die nicht in ausreichender Menge vorhanden sind. Verfolgung einer staatlichen Beschaffungspolitik unter Beteiligung von Privathandel und Kooperativen; 8. im Finanzbereich Kampf gegen die Entwertung des Papiergeldes, Wiederherstellung des Steuerapparats und Verstärkung der direkten Einkommensbesteuerung sowie der indirekten Besteuerung; 9. Im Bereich der Bodenpolitik beläßt die Provisorische Allrußländische Regierung das Land in den Händen seiner faktischen Nutzer, ohne solche Veränderungen in den bestehenden Bodenbeziehungen zuzulassen, welche eine Lösung der Bodenfrage in vollem Umfang durch die Konstituierende Versammlung behindern würden. Des weiteren ergreift sie, unter Berücksichtigung der Gewohnheiten und wirtschaftlichen Besonderheiten der einzelnen Regionen und Gebiete, Maßnahmen zur umgehenden Wiederaufnahme der Bemühungen um eine Regelung der Bodennutzung nach den Prinzipien einer maximalen Vergrößerung des kultivierbaren Landes und der Erweiterung werktätiger Bodennutzung. Ordnung für eine Änderung der Regierungszusammensetzung 1. Die Provisorische Allrußländische Regierung handelt als Kollegialorgan, indem sie die Oberste Macht nach den genannten Grundsätzen ausübt. Ihre Mitglieder sind bis zum Zusammentritt der Konstituierenden Versammlung niemandem verantwortlich und nicht absetzbar. 2. Für den Fall des Ausscheidens des einen oder anderen Mitglieds aus dem Bestand der Provisorischen Regierung werden als Stellvertreter gewählt: Andrej Aleksandrovi# Argunov, Vladimir Aleksandrovi# Vinogradov, Infanteriegeneral Michail Vasil’evi# Alekseev, Vasilij Vasil’evi# Sapožnikov und Vladimir Michajlovi# Zenzinov. 3. Im Fall des Ausscheidens irgendeines Mitglieds der Provisorischen Allrußländischen Regierung ersetzt der Stellvertreter den Ausgeschiedenen. Stellvertreter N. D. Avksent’evs ist A. A. Argunov, N. I. Astrovs V. A. Vinogradov, V. G. Boldyrevs M. V. Alekseev, P. V. Vologodskijs V. V. Sapožnikov und N. V. #ajkovskijs V. M. Zenzinov. 4. Da es für die Provisorische Allrußländische Regierung notwendig ist, umgehend in ihrer vollständigen Zusammensetzung zur Ausübung der Macht und zur Verwaltung des Staates überzugehen, sollen vor der Ankunft der derzeit abwesenden Mitglieder umgehend deren persönliche Stellvertreter in ihren Bestand eintreten. 5. Die Mitglieder der Provisorischen Allrußländischen Regierung leisten bei ihrem Eintritt das feierliche Versprechen gemäß dem hier beigefügten Text. Für den Vorsitzenden Staatskonferenz: Der stellvertretende Vorsitzende Evgenij Francevi# Rogovskij, Mitglied der Allrußländischen Konstituierenden Versammlung. Der stellvertretende Vorsitzende der Staatskonferenz, Versorgungsminister der Provisorischen Regierung Sibiriens, I. I. Serebrjannikov. Der Sekretär der Staatskonferenz und Mitglied der Konstituierenden Versammlung, Boris Moiseenko. Der Sekretär der Staatskonferenz und Mitglied der Regionalregierung des Urals, Petr Murašev. Die Mitglieder der Allrußländischen Konstituierenden Versammlung: K. Burevoj, Michail Gendel’man, Apol. Nik. Kruglikov, V. Podvickij, O. S. Minor, N. Ivanov, D. Rozenbljum, G. Teregulov, V. Pavlov, V. Pankratov, N. Zdobnov, G. Titov, S. Šendrikov, Barancev, N. Oganovskij, K. Šumakov, S. Volodin, Moisej Krol’, A. Vlasov, V. Ch. Tana#ev, S. Lotošnikov, N. Fomin, M. Vozmitel’, B. Archangel’skij, A. Šapošnikov, D. Šnyrev, A. Minin, N. Lev#enko, M. Slonin, V. Mamonov, V. L. Utgov, B. Sokolov, F. Tuchvatullin, N. Ljubimov, Iv. Vasil’ev, V. Lomšakov, M. Achmerov, D. Petrov, Vissarion Gurevi#, V. Vladykin, Koz’ma Gurov, A. Devizorov, B. #ernenkov, P. Suchanov, Ach. Bajtursunov, A. Beremžanov, G. A. Alimbekov, S. Doš#anov, Ipmagomet, A. Zisman, L. Efremov, M. Lindberg, V. Alekseevskij, L. Krol’, V. Matuškin, M. F. Tuchtarov, Breškovskaja, E. Lazarev, V. Vol’skij, M. Svjatickij. Die Vertreter des Komitees der Mitglieder der Allrußländischen Konstituierenden Versammlung: M. Vedenjapin Die Vertreter der Provisorischen Regierung Sibiriens: Generalmajor Ivanov-Rinov, der geschäftsführende Innenminister S. Starynkevi#, für die Sibirische Regierung und die Sibirischen Kosaken Generalleutnant G. Katanaev, Oberst Bobrik, der Kommissar des Uralgebiets Professor Petr Maslov. Die Vertreter der Provisorischen Regionalregierung des Urals: Koš#eev, Ip. Vojtov. Die Vertreter der Heeresregierungen der Kosakenheere: Des Heeres der Uralkosaken, General M. Chorošchin. Der Vertreter des Sibirischen Kosakenheeres und Vertreter des Heeresatamans, der Kosakenoberstleutnant E. Berezlovskij. Der Stellvertreter des Semire#ensk-Kosakenheeres Il’ja Šendrikov. Der Stellvertreter des Enisej-Heeres Prokopij Šuvaev. Des Astrachan-Kosakenheeres G. Astachov. Des Irkutsk-Kosakenheeres I. Peženskij. Der Vertreter der Regierung Baškiriens: Das Mitglied der Regierung Baškiriens Iskander Bek-Muchametiarovi# Sultanov. Die Vertreter der kirgisischen Regierung "Alaš Orda": Der Vertreter der autonomen Alaš und Vorsitzende der Alas-Orda Alichan Bukejchan, Imam Alimbek. Die Vertreter der Provisorischen Regierung des autonomen Turkestans: Der Vorsitzende der Provisorischen Regierung M. #okaev, das Mitglied der Provisorischen Regierung des autonomen Turkestan A. Urazaev, das Mitglied des Provisorischen Volksrates Turkestans S. A. Muftizade. Die Vertreter der Nationalverwaltung der Turk-Tataren Innenrußlands und Sibiriens: Die Vertreter der Nationalverwaltung der muslimischen Turk-Tataren Innenrußlands und Sibiriens Džantjurin, M. G. Ischakov, Sultan-Bek Šagi-Bekovi# Mamleev. Die Vertreter der Provisorischen Regierung Estlands: B. Linde, A. L. Kaelas, Aleksej Neu. Die Vertreter des Kongresses der Städte und Zemstva Sibiriens, des Urals und des Wolgagebiets: I. Achtjamov, A. Ga#i#eladze, S. Tret’jakov, N. Mitkevi#. Die Vertreter der Zentralkomitees der politischen Parteien und Organisationen: Des Zentralkomitees der Partei der Sozialrevolutionäre Michail Gendel’man, Flor. Fedorovi#, der Delegation der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei B. Kibrik, S. M. Lepskij, des Zentralkomitees der Partei der Volkssozialisten-Trudoviki F. #embulov, S. Znamenskij, I. Suchanov. Das Mitglied des Zentralkomitees der allrußländischen sozialdemokratischen Organisation "Einheit" V. Fomin. Des Zentralkomitees der Partei der Volksfreiheit A. I. Korobov, A. P. Mel’gunov. Der Vertreter des Bundes für die Wiedergeburt Rußlands S. Znamenskij. Originalunterschriften: Provisorische Allrußländische Regierung: N. Avksent’ev V. Boldyrev V. Zenzinov V. Sapožnikov Der Geschäftsführer der Provisorischen Allrußländischen Regierung A. Kruglikov. Für die Richtigkeit: In Vertretung des Kanzleichefs Permjakov Übersetzung von N. Katzer. Quelle: http://1000dok.digitale-sammlungen.de/dok_0014_ufa.pdf Datum: 18. Mai 2017 um 17:07:55 Uhr CEST. © BSB München