Epistemische Logik – Einführung

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Epistemische Logik – Einführung
Dr. Uwe Scheffler
[Technische Universität Dresden]
Oktober 2010
Was ist epistemische Logik?
Epistemische Logik ist die Logik von Wissen und Glauben,
so wie klassische Logik die Logik von für alle,
und, nicht, . . . ist.
Wissen und Glauben werden als Operatoren betrachtet,
die aus Sätzen (und möglicherweise anderen
linguistischen Einheiten) Sätze bilden: Ki φ und
Bi φ drücken aus, daß ein „Agent“ i die
Aussage φ weiß beziehungsweise glaubt.
Manchmal werden Wissen und Glauben auch
als Prädikate behandelt.
Entstanden ist die epistemische Logik in der Philosophie
(Erkenntnistheorie: epistemology), wird aber
heute auch beispielsweise in der Informatik
und den Wirtschaftswissenschaften diskutiert.
Dr. Uwe Scheffler
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Wenn schon, denn schon: Platon
Theaitetos: Recht habe vielleicht der Mann, „der zur
Bestimmung des Wissens den Satz aufstellt, es
sei eine richtige Meinung, verbunden mit einer
logischen Erklärung“.
I
richtig
=
wahr;
I
meinen
I
logische Erklärung
=
glauben;
=
Begründung
Wissen ist wahrer, gerechtfertigter Glaube.
Dr. Uwe Scheffler
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Wahrer gerechtfertigter Glaube
1. Gewußtes ist wahr (Wissen ist faktiv):
Ki φ ⊃ φ
2. Gewußtes hat eine Rechtfertigung, bspw. durch ein
logisches Argument:
Ki φ ∧ Ki (φ ⊃ ψ) ⊃ Ki ψ
3. Wissen heißt auch Glauben:
Ki φ ⊃ Bi φ
Ki φ genau dann, wenn
φ ist wahr
i akzeptiert φ
i ist sicher, daß φ wahr ist
i hat adäquate Belege für φ
i hat das Recht sicher zu
φ ist wahr
sein, daß φ wahr ist
(Chisholm)
(Ayer)
Dr. Uwe Scheffler
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Gettier
Edmund L. Gettier: Is Justified True Belief Knowledge?
Analysis 23 ( 1963): 121-123.
Beobachtung 1 Man kann gerechtfertigt eine Falschheit
glauben.
Beobachtung 2 Wenn i gerechtfertigt an φ glaubt und
logisch korrekt ψ aus φ deduziert, ist i im
Glauben an ψ gerechtfertigt.
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Gettier-Beispiel 1
1. Smith und Jones bewerben sich auf ein und
denselben Job und Smith glaubt fest:
Jones bekommt den Job, und Jones hat 10 Münzen in
der Tasche.
2. Daher glaubt Smith: Der Mann, der den Job
bekommt, hat 10 Münzen in der Tasche.
3. Allerdings bekommt Smith den Job . . . und obwohl er
es nicht ahnt, hat er 10 Münzen in der Tasche.
Aber Smith, würde man sagen, weiß nicht, daß der Mann,
der den Job bekommt, 10 Münzen in der Tasche hat –
obwohl sein Glaube wahr und gerechtfertigt ist!
Dr. Uwe Scheffler
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Gettier-Beispiel 2
1. Smith hat gute Gründe zu glauben:
Jones besitzt einen Ford.
Allerdings stimmt das nicht.
2. Für einen Bekannten Brown, dessen Aufenthalt
komplett unbekannt ist, folgt nun logisch aus dem
geglaubten Satz:
2.1 Jones besitzt einen Ford oder Brown ist in Boston.
2.2 Jones besitzt einen Ford oder Brown ist in Barcelona.
2.3 Jones besitzt einen Ford oder Brown ist in Brest-Litovsk.
3. Smith akzeptiert die Schlüsse und glaubt die Sätze mit
guten Gründen. Mehr noch, zufällig ist Brown in
Barcelona und so ist dieser Glaube noch dazu wahr.
Aber Smith hat keine Ahnung, wo Brown ist, und Jones hat
keinen Ford!
Dr. Uwe Scheffler
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Was ist nun Wissen?
I
Wissen ist Wahrheit in allen relevanten epistemischen
Alternativen.
I
Wissen ist wahrer Glaube, und wenn er nicht wahr
wäre, würde man die Negation glauben.
I
Wissen ist wahre Überzeugung.
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Deskriptive versus rationale Logik
Franz von Kutschera: Grundfragen der Erkenntnistheorie
1. Wenn ` φ, dann ` Bi φ
2. Bi (φ ⊃ ψ) ∧ Bi φ ⊃ Bi ψ
3. Bi φ ⊃ ∼Bi ∼φ
4. ∀xBi φ(x) ⊃ Bi ∀xφ(x)
5. Bi φ ⊃ Bi Bi φ
6. ∼Bi φ ⊃ Bi ∼Bi φ
7. Ki φ ⊃ φ
8. Ki φ ⊃ Bi φ
..
.
Dr. Uwe Scheffler
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Ersetzungen und Einsetzungen
I
Die Einsetzung Identischer funktioniert nicht:
klassisch Wenn a = b, dann φ ≡ φ{a/b}
Da 10 × 10 = 102 , gilt: Peter absolviert
10 × 10 Übungen dann und nur dann,
wenn er 102 Übungen absolviert.
epistemisch Da 10 × 10 = 102 , gilt: Peter weiß, daß
10 × 10 = 100 dann und nur dann, wenn
er weiß, daß 102 = 100.
I
Die Ersetzung beweisbar äquivalenter scheint
manchmal zweifelhaft:
klassisch Wenn ` φ ≡ ψ, dann ` ω ≡ ω[φ/ψ]
epistemisch Man kann beweisen, daß Peter nur
glaubt, daß alle Griechen Menschen sind,
wenn er auch glaubt, daß alles auf der
Welt kein Grieche oder Mensch ist.
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Die Agenten – Gemeinsames Wissen
Wer ist i in Ki φ? Spielt es eine Rolle, ob bspw. Ki Kj Ki φ?
Fagin, Jalpern, Moses, Vardi: Reasoning About Knowledge
Die schmutzigen Kinder
I
n Kinder, k davon haben Schmutz im Gesicht.
I
Vater kommt und sagt: „Wenigstens einer von euch ist
aber schmutzig“ (Das wußten auch davon schon alle,
falls k > 1).
I
Angenommen, alle Kinder sind aufmerksam,
intelligent und wahrhaftig.
I
Der Vater fragt nun wieder und wieder: „Weiß einer
von euch, daß er ein schmutziges Gesicht hat?“
I
Die ersten k − 1 Fragen werden von allen schmutzigen
Kindern mit „Nein“, die k-te Fragen von allen
schmutzigen Kindern mit „Ja“ beantwortet!
Dr. Uwe Scheffler
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