Pressemitteilung

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Ersthelfer am Ground Zero
Wie die Rettungskräfte des Gehirns den Einsatzort finden
© EMBL/ Peri
Heidelberg, 24. Mai 2012 – Sie verhalten sich wie
Rettungskräfte, die an den Ort einer Katastrophe eilen: die
sogenannten Mikrogliazellen sind unverzüglich zur Stelle,
wenn eine Verletzung im Gehirn vorliegt. Und sie beheben
den Schaden, indem sie verletzte Zellen sowie sterbende oder
bereits tote Nervenzellen einfach “aufessen”. Wissenschaftler am
Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) in
Heidelberg, Deutschland, haben nun erstmals herausgefunden,
wie Mikroglia eine verletzte Stelle im Gehirn mithilfe einer
Kaskade molekularer Signale lokalisieren. Die Ergebnisse der
Studie, die heute in der Fachzeitschrift Developmental Cell
veröffentlicht werden, bereiten den Weg für neue medizinische
Ansätze. Dies gilt vor allem für Erkrankungen, bei denen die
Fähigkeit der Mikroglia eingeschränkt ist, diese gefährlichen
Zellen und anderes schädliches Material im Gehirn zu
identifizieren.
“Angesichts der Tatsache, dass Mikroglia einiges zur
Gesunderhaltung unseres Gehirns beitragen, wissen wir
erstaunlich wenig über sie,” so Francesca Peri, die Leiterin
der Studie. “Es ist uns nun zum ersten Mal gelungen,
den Mechanismus zu entschlüsseln, der es den Mikroglia
ermöglicht, eine Verletzung im Gehirn zu lokalisieren.
Außerdem haben wir herausgefunden, wie ein Notruf von
Nervenzelle zu Nervenzelle weitergeleitet wird.”
Im Falle einer Katastrophe werden Außenstehende zunächst
durch Rufe alarmiert und informieren dann die Rettungskräfte.
Über Funk wird die Nachricht weiter verbreitet, woraufhin
Krankenwagen und Einsatzkräfte der Polizei oder Feuerwehr,
die sich in der Nähe aufhalten, je nach Bedarf zum Unfallort
eilen. Im Gehirn, so fanden Peri und ihre Kollegen heraus,
setzen verletzte Neuronen ihren ganz eigenen Hilfeschrei
ab, indem sie ein Molekül namens Glutamat freisetzen.
Benachbarte Neuronen erkennen das Glutamat und reagieren
darauf, indem sie Kalzium aufnehmen. Da sich das Glutamat so
von der verletzten Stelle her immer weiter ausbreitet, entsteht
eine wellenartige Aufnahme von Kalzium durch die Neuronen,
wodurch ein drittes Molekül, das sogenannte ATP, freigesetzt
wird. Sobald die Welle eine Mikrogliazelle erreicht, erkennt
diese das ATP und handelt daraufhin unverzüglich: Sie bewegt
sich in die entsprechende Richtung, indem sie die Welle bis zu
ihrem Ausgangspunkt zurückverfolgt.
Den Wissenschaftlern war bereits bekannt, dass Mikroglia
ATP erkennen können. Da dieses Molekül ausserhalb der Zelle
jedoch sehr instabil ist, bestanden bisher Zweifel, ob ATP allein
als Signalsubstanz wirklich stark genug wäre, auch Mikroglia
Mikroglia (grün) auf dem Weg zur verletzten Stelle (Pfeil),
um den entstandenen Schaden zu beseitigen.
zu erreichen, die sich weiter entfernt vom Ort des Geschehens
befinden. Im Laufe der Forschungsarbeiten entdeckten Peri
und ihre Kollegen, dass bei der Signalübermittlung ein Trick
angewandt wird: eine langanhaltende glutamatgesteuerte
Kalziumwelle, die sich durch das gesamte Gehirn bewegen
kann. Dank dieser Kaskade wird das ATP-Signal nicht nur von
den verletzten Zellen ausgesendet sondern von allen Neuronen
entlangs des Wegs, solange, bis die Mikroglia erreicht werden.
Dirk Sieger und Christian Moritz aus der Forschungsgruppe
von Francesca Peri machten sich bei ihrer Arbeit den Umstand
zunutze, dass die Köpfe der Zebrafische transparent sind,
d.h. die Wissenschaftler konnten mit dem Mikroskop direkt
in das Gehirn der Fische schauen. Sie verwendeten zunächst
einen Laser, um einige Gehirnzellen gezielt zu verletzen
und beobachteten dann fluoreszenz-markierte Mikroglia,
wie sie sich auf die verletzten Zellen zubewegten. Auch
nachdem sie Zebrafische genetisch so verändert hatten, dass
der Kalziumspiegel der Neuronen unter dem Mikroskop
nachweisbar war, konnten die Wissenschaftler bestätigen, dass
die Mikroglia sich unverzüglich in Richtung Verletzung in
Gang setzten, sobald die Kalziumwelle sie erreicht hatte.
Das Wissen um die einzelnen Schritte in diesem Prozess und
wie sie sich gegenseitig beeinflussen, könnte die Entwicklung
neuer Therapien unterstützen, mit dem Ziel, die Erkennung
durch die Mikroglia zu verbessern. Diese ist bei Erkrankungen
wie z.B. Alzheimer und Parkinson nachhaltig gestört.
Quelle
Sieger, D, Moritz, C., Ziegenhals, T., Prykhozhij, S. & Peri, F. Long-range Ca2+ waves transmit brain damage signals to microglia.
Developmental Cell, published online 24 May 2012. DOI: 10.1016/j.devcel.2012.04.012.
Kontakt:
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