Verdauungssystem

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Title: Morbus Crohn
Date: 18.05.2017 19:58
Verdauungssystem
6.1 Übersicht
Einführung
Funktion, Lokalisation und Begriffe: Die Verdauungsorgane (Organa digestoria) nehmen feste und flüssige Nahrungsbestandteile
auf, verwerten sie und geben nicht verwertbare Reststoffe kontrolliert wieder ab (= Verdauung). Sie erstrecken sich als kontinuierliches
Röhrensystem vom Kopf bis in das kleine Becken und durchziehen somit die drei großen Körperhöhlen in Thorax, Abdomen und
Becken. Das gesamte System wird auch als Verdauungsapparat bezeichnet, die in den Körperhöhlen liegenden Abschnitte als „Magen
-Darm-Trakt“. In Ergänzung zu den üblichen Lageund Richtungsbezeichnungen werden im Verdauungsapparat zusätzlich die Begriffe „
oral“ und „aboral“ verwendet, um die Längsrichtung im Röhrensystem anzugeben: „oral“= „zum Mund hin“ (Os = Mund), „aboral“= „vom
Mund weg“.
Aufbau des Verdauungsapparates und Nahrungsverwertung: Der Verdauungsapparat besteht aus einem kontinuierlichem System
hintereinander geschalteter, mehr oder weniger röhrenförmiger Organe, durch die der Nahrungsbrei von oral nach aboral transportiert
wird. Am Beginn dieses Röhrensystems (Mundhöhle bis Magen) steht die Zerkleinerung der Nahrung im Vordergrund, der mit Abstand
längste Abschnitt (Dünndarm bis Grimmdarm) dient der Resorption der Nahrungsbestandteile und des Wassers aus dem Lumen des
Systems in den Kreislauf. Der Endabschnitt (Enddarm und Analkanal) dient der temporären Speicherung und kontrollierten Abgabe
(Defäkation) des Stuhls (Kots). In diesem Röhrensystem wird:
feste Nahrung zerkleinert, mit Wasser zu einem Brei (Chymus) vermischt und durch Enzyme im Magen und Dünndarm in seine
resorbierbaren Grundbausteine zerkleinert. Über die Epithelien der Darmwand werden diese größtenteils direkt in das Blut des
Darmes aufgenommen, über die Pfortader zur Leber transportiert und dort zahlreichen Stoffwechselprozessen zugeführt. Fette
werden hingegen über die Lymphe resorbiert, umgehen damit den Pfortaderkreislauf und werden deshalb nicht primär in der
Leber verstoffwechselt.
Wasser wird zum größten Teil ebenfalls über die Darmwand resorbiert, wo es dann dem Blut und der Lymphe zugeführt wird.
Im Rahmen der Regulation des osmotischen Druckes des Blutes kontrollieren die Nieren die Ausscheidung des Wassers (s. Ha
rnorgane).
Faktoren, die den Verdauungsprozess unterstützen: Zur Fortbewegung und Durchmischung des Nahrungsbreis führen Magen und
Darmabschnitte ständig langsame schaukelnde Bewegungen durch (Peristaltik), bei der die Fortbewegung nach aboral überwiegt, so
dass der Nahrungsbrei in den Enddarm transportiert wird. Die Peristaltik wird durch ein dem Magen-Darm-Trakt eigenes
Nervensystem, das enterische Nervensystem gesteuert. Über Drüsen, die entweder End-zu-Seit an das Röhrensystem angeschlossen
sind oder direkt in der Wand des Röhrensystems lokalisiert sind, werden dem Nahrungsbrei Wasser, Salzsäure, Enzyme und
Lösungsvermittler zugeführt, die der Verdauung dienen. Im Magen-Darm-Trakt finden sich – regional gehäuft – Anteile des
lymphatischen Systems (Mandeln = Tonsillen und Lymphfollikel in der Darmwand), so dass der Verdauungsapparat eine bedeutende
Rolle im Immunsystem übernimmt.
A Einteilung und Abschnitte der Verdauungsorgane
Von oral nach aboral kann man folgende Abschnitte unterscheiden:
Am Schädel und im oberen Halsbereich:
• Mundhöhle (Cavitas oris) mit Schlundeingang (Fauces) als Übergang zum Pharynx.
Im mittleren und unteren Halsbereich und im Thorax:
• mittlere und untere Pharynxetage (= Partes oralis und laryngea pharyngis),
• Speiseröhre (Oesophagus) mit Partes cervicalis und thoracica.
Im Abdomen:
• unterster Speiseröhrenabschnitt (Pars abdominalis),
• Magen (Gaster),
• Dünndarm (Intestinum tenue) mit Zwölffingerdarm (Duodenum), Leerdarm (Jejunum), und Krummdarm (Ileum),
• Dickdarm (Intestinum crassum) mit Blinddarm (Caecum) und Wurmfortsatz (Appendix vermiformis) sowie Grimmdarm (Colon ascendens,
transversum, descendens und sigmoideum).
Im Becken:
• Dickdarm mit Enddarm (Rectum) und Analkanal (Canalis analis).
Als Drüsen sind angeschlossen:
• Kopfspeicheldrüsen (Gll. salivariae: Gll. submandibularis, sublingualis, parotis sowie kleine Speicheldrüsen der Mundhöhle),
• Bauchspeicheldrüse (Pancreas) im Abdomen,
• Leber (Hepar) mit Gallenblase (Vesica biliaris) im Abdomen.
Zahlreiche kleine Drüsen finden sich von der Speiseröhre bis zum Enddarm in der Wand der Verdauungsorgane.
B Mundhöhle (Cavitas oris), Schlundeingang (Fauces), Rachen (Pharynx), Speiseröhre (Oesophagus) und Magen (Gaster)
Die Mundhöhle mit Zähnen (Dentes), Zunge (Glossus) und Speicheldrüsen (Gll. salivariae) dient der Zerkleinerung und Befeuchtung der
Nahrung. Die drei großen paarigen Speicheldrüsen Gll. sublingualis, submandibularis und parotis, geben ihren Speichel über
Ausführungsgänge in die Mundhöhle ab.
Schlundeingang und Rachen: Der Verdauungstrakt führt von der Mundhöhle über den Schlundeingang in den Rachen oder Schlund. Dieser
hat drei Etagen und ist z. T. auch Atemweg. Mit seinem untersten Abschnitt – der Pars laryngea pharyngis – führt er in die Speiseröhre.
Manche Lehrbücher rechnen den Rachen in ganzer Länge dem Hals zu.
Speiseröhre und Magen: Die Speiseröhre setzt den Pharynx im Hals nach aboral fort, durchzieht den gesamten Thorax und endet nach
Durchtritt durch das Zwerchfell im Abdomen am Magen. Sie dient dem Transport von Flüssigkeiten und Nahrungsbrei in den Magen. Im Magen
wird die aufgenommene Nahrung durch aktive Magenbewegungen weiter zerkleinert und mit Salzsäure zur Denaturierung der Proteine versetzt
und enzymatisch verdaut. Der Nahrungsbrei wird nach einer gewissen Zeit über den Magenausgang (Pförtner) diskontinuierlich in kleinen
Portionen aus dem Magen in den nachfolgenden Dünndarm abgegeben.
C Dünndarm (Intestinum tenue), Dickdarm (Intestinum crassum) und Drüsen im Abdomen (Leber mit Gallenblase und
Bauchspeicheldrüse)
Dünn- und Dickdarm: Der oberste Abschnitt des Dünndarms, der Zwölffingerdarm (Duodenum) liegt wie ein großes „C“hinter und unter der
Leber. Die anschließenden Dünndarmabschnitte Leerdarm (Jejunum) und Krummdarm (Ileum), die nicht scharf voneinander getrennt werden
können, liegen in zahlreichen Schlingen dicht hinter der vorderen Bauchwand und werden vom Dickdarm wie von einem Rahmen eingefasst.
Während im gesamten Dünndarm Nährstoffe resorbiert werden, werden im Dickdarm Wasser und Elektrolyte resorbiert. Das Rectum dient der
Ausscheidung des Stuhls.
Die Leber (Hepar) liegt im rechten Oberbauch (a), sie verstoffwechselt zahlreiche Substrate, die vom Dünndarm über ein eigenes venöses (!)
Blutgefäßsystem, das Portalgefäßsystem, zur Leber geleitet werden (s. Große Gefäßstraßen). Die Leber bildet u. a. Gallensäuren, die sie über
den Gallengang in das Duodenum ableitet. Gallensäuren emulgieren die Fette im Darm und dienen dadurch der Fettverdauung. Galle wird in
der Gallenblase (Vesica biliaris), die an der Unterseite der Leber liegt, zwischengespeichert. Die Bauchspeicheldrüse (das Pancreas) (b), die
quer im Oberbauch dicht am Duodenum liegt, besteht funktionell aus zwei Drüsen:
• einer sog. exokrinen Drüse, die ein wässriges, enzymreiches Sekret („Bauchspeichel“) über einen Gang in das Duodenum abgibt. Die
Enzyme dienen der Verdauung zahlreicher Substrate;
• einer sog. endokrinen Drüse (das „Inselorgan“), das u. a. die Hormone Insulin und Glukagon zur Regulation des Blutzuckerspiegels produziert.
C Dünndarm (Intestinum tenue), Dickdarm (Intestinum crassum) und Drüsen im Abdomen (Leber mit Gallenblase und
Bauchspeicheldrüse)
Dünn- und Dickdarm: Der oberste Abschnitt des Dünndarms, der Zwölffingerdarm (Duodenum) liegt wie ein großes „C“hinter und unter der
Leber. Die anschließenden Dünndarmabschnitte Leerdarm (Jejunum) und Krummdarm (Ileum), die nicht scharf voneinander getrennt werden
können, liegen in zahlreichen Schlingen dicht hinter der vorderen Bauchwand und werden vom Dickdarm wie von einem Rahmen eingefasst.
Während im gesamten Dünndarm Nährstoffe resorbiert werden, werden im Dickdarm Wasser und Elektrolyte resorbiert. Das Rectum dient der
Ausscheidung des Stuhls.
Die Leber (Hepar) liegt im rechten Oberbauch (a), sie verstoffwechselt zahlreiche Substrate, die vom Dünndarm über ein eigenes venöses (!)
Blutgefäßsystem, das Portalgefäßsystem, zur Leber geleitet werden (s. Große Gefäßstraßen). Die Leber bildet u. a. Gallensäuren, die sie über
den Gallengang in das Duodenum ableitet. Gallensäuren emulgieren die Fette im Darm und dienen dadurch der Fettverdauung. Galle wird in
der Gallenblase (Vesica biliaris), die an der Unterseite der Leber liegt, zwischengespeichert. Die Bauchspeicheldrüse (das Pancreas) (b), die
quer im Oberbauch dicht am Duodenum liegt, besteht funktionell aus zwei Drüsen:
• einer sog. exokrinen Drüse, die ein wässriges, enzymreiches Sekret („Bauchspeichel“) über einen Gang in das Duodenum abgibt. Die
Enzyme dienen der Verdauung zahlreicher Substrate;
• einer sog. endokrinen Drüse (das „Inselorgan“), das u. a. die Hormone Insulin und Glukagon zur Regulation des Blutzuckerspiegels produziert.
D Schematisierter histologischer Aufbau des Magen-Darm-Trakts im Querschnitt
Der gesamte Magen-Darm-Trakt besteht durchgehend aus vier Schichten:
• Mukosa: Epithelschicht, Grenzschicht zum Lumen.
• Submukosa: Bindegewebsschicht unterhalb der Mukosa, enthält Blutund Lymphgefäße und vegetative Nerven.
• Muskularis: an die Submukosa anschließende Schicht glatter innerer Ringund äußerer Längsmuskelschicht.
• Adventitia oder Serosa (je nach Lage des Magen-Darm-Abschnitts): äußerste Schicht, die den Abschnitt des Magen-Darm-Traktes in die
Umgebung einbaut.
6.2 Entwicklung und Differenzierung des Magen-Darm-Traktes
Einführung
Die Verdauungsorgane sind in Schädel, Hals und großen Körperhöhlen lokalisiert. Ihre komplexe Entwicklung beeinflusst die
Architektur der Körperhöhlen in besonderem Maße und wird deshalb hier im Zusammenhang mit Aufbau und Entwicklung der
Körperhöhlen dargestellt. Letztendlich entsteht ein kontinuierliches Rohr von der Mundhöhle (als „Eingang“) bis zum Anus (als
„Ausgang“), an das im Abdomen zwei Drüsen (Leber mit Gallenblase und Bauchspeicheldrüse) „End-zu-Seit“angeschlossen sind, die
ihre Sekrete in dieses Rohr abgeben.
A Entwicklung des Magen-Darm-Traktes: Übersicht (nach Sadler)
a Übersicht; b Längsschnitt durch einen Embryo zu Beginn der 5. Entwicklungswoche.
Das embryonale Darmrohr (= primitives Darmrohr) entsteht durch Integration des dorsalen Teils des Dottersacks in den Embryo. Es lässt sich
durch die Ausbildung von zwei sog. Darmpforten in drei Abschnitte unterteilen:
• den kranial liegenden Vorderdarm,
• den Mitteldarm als später längsten Abschnitt und
• den kaudal liegenden End- oder Hinterdarm.
Das primitive Darmrohr endet kranial und kaudal noch blind: der Vorderdarm ist an seinem kranialen Ende durch die sog. Rachenmembran (=
Bukkopharyngealmembran) verschlossen, der Hinterdarm an seinem kaudalen Ende durch die sog. Kloakenmembran. An die beiden
Membranen grenzen „von außen“zwei ektodermale Einstülpungen: kranial die Mundbucht (das Stomatodeum), kaudal die Analgrube (das Proct
odeum). Der zunächst noch sehr kurze Mitteldarm hat anfangs auf ganzer Länge eine direkte Verbindung zum Dottersack. Die beiden
„Endabschnitte“dieser Verbindungsstrecke werden an der Grenze Vorderdarm – Mitteldarm als vordere Darmpforte, an der Grenze Mitteldarm
– Hinterdarm als hintere Darmpforte bezeichnet. Im Laufe der weiteren Embryonalentwicklung hebt sich der Embryo durch Größenwachstum
von seiner Unterlage ab und krümmt sich nach ventral (sog. Abfaltung des Embryos). Gleichzeitig werden weitere Anteile des Dottersacks als
primitiver Darm (und zwar Mitteldarm) in den Embryo integriert. Der Hinterdarm hat einen Anschluss an die Allantois (= Ausstülpung des
kaudalen Dottersackabschnitts im frühembryonalen Stadium, s. b).
A Entwicklung des Magen-Darm-Traktes: Übersicht (nach Sadler)
a Übersicht; b Längsschnitt durch einen Embryo zu Beginn der 5. Entwicklungswoche.
Das embryonale Darmrohr (= primitives Darmrohr) entsteht durch Integration des dorsalen Teils des Dottersacks in den Embryo. Es lässt sich
durch die Ausbildung von zwei sog. Darmpforten in drei Abschnitte unterteilen:
• den kranial liegenden Vorderdarm,
• den Mitteldarm als später längsten Abschnitt und
• den kaudal liegenden End- oder Hinterdarm.
Das primitive Darmrohr endet kranial und kaudal noch blind: der Vorderdarm ist an seinem kranialen Ende durch die sog. Rachenmembran (=
Bukkopharyngealmembran) verschlossen, der Hinterdarm an seinem kaudalen Ende durch die sog. Kloakenmembran. An die beiden
Membranen grenzen „von außen“zwei ektodermale Einstülpungen: kranial die Mundbucht (das Stomatodeum), kaudal die Analgrube (das Proct
odeum). Der zunächst noch sehr kurze Mitteldarm hat anfangs auf ganzer Länge eine direkte Verbindung zum Dottersack. Die beiden
„Endabschnitte“dieser Verbindungsstrecke werden an der Grenze Vorderdarm – Mitteldarm als vordere Darmpforte, an der Grenze Mitteldarm
– Hinterdarm als hintere Darmpforte bezeichnet. Im Laufe der weiteren Embryonalentwicklung hebt sich der Embryo durch Größenwachstum
von seiner Unterlage ab und krümmt sich nach ventral (sog. Abfaltung des Embryos). Gleichzeitig werden weitere Anteile des Dottersacks als
primitiver Darm (und zwar Mitteldarm) in den Embryo integriert. Der Hinterdarm hat einen Anschluss an die Allantois (= Ausstülpung des
kaudalen Dottersackabschnitts im frühembryonalen Stadium, s. b).
B Entwicklung des Magen-Darm-Traktes aus den Keimblättern
Die Organe des Magen-Darm-Traktes entwickeln sich aus allen drei Keimblättern.
C Differenzierung des Magen-Darm-Traktes
Aus dem primitiven Darmrohr entstehen alle die Abschnitte des Verdauungstraktes, deren Epithel sich vom Endoderm ableitet (s. B). Die ektode
rmal ausgekleideten Teile Mundbucht und Analgrube werden erst „später“ an das primitive Darmrohr „angeschlossen“, s. E.
• Der Vorderdarm gliedert sich in einen kranialen Teil, den Schlunddarm, aus dem der Pharynx entsteht und einen kaudalen Teil, aus dem sich
Oesophagus, Magen und oberster Abschnitt des Duodenum (die Pars superior duodeni) entwickeln (s. Mesenterien und Anlage der
Verdauungsorgane im Bereich des kaudalen Vorderdarms; Magendrehung). Die Grenze zwischen diesen beiden Anteilen des Vorderdarmes
markiert die sog. Lungenknospe, aus der sich die Anlage für Lunge und Trachea ableitet (s. Entwicklung von Trachea und Lungen).
• Aus dem Mitteldarm entsteht der gesamte restliche Dünndarm sowie das Colon einschließlich der oralen des Colon transversum.
• Aus dem Hinterdarm schließlich entstehen die restlichen Anteile des Colon sowie das Rectum, das aus dem untersten Abschnitt des
Hinterdarms hervorgeht. Dieser Abschnitt ist höhlenartig erweitert und wird als Kloake bezeichnet. Aus der Kloake entsteht nicht nur das
Rectum, sondern auch ein Teil des Urogenitalsystems.
Die Grenze zwischen Vorderund Mitteldarm ist die sog. vordere Darmpforte. Sie liegt im oberen Duodenalbereich und gilt als Ursprung der
Anlagen für Leber, Gallenblase und Pancreas. Die Grenze zwischen Mittelund Hinterdarm liegt als hintere Darmpforte zwischen den oralen
und dem aboralen des Colon transversum, eine Region, die als sog. Cannon-Böhm-Feld eine Bedeutung bei der Zuordnung der vegetativen
Innervation hat. Die Mundbucht differenziert sich zur Mundhöhle, die Analgrube zum Analkanal. Beide Anlagen leiten ihre Epithelauskleidung
aus dem Ektoderm ab und lagern sich direkt an die Rachenbzw. die Kloakenmembran an. An diesen beiden Stellen schließen sich Epithelien
des Endoderms und des Ektoderms End-zu-End aneinander an. Durch die Auflösung von Rachen- wie auch Kloakenmembran gewinnt das
primitive Darmrohr schließlich Anschluss an die Außenwelt des Embryos.
6.3 Mesenterien und Anlage der Verdauungsorgane im Bereich des kaudalen
Vorderdarms; Magendrehung
Einführung
Für die Embryonalentwicklung der Verdauungsorgane sind zwei Vorgänge entscheidend:
im Bereich des kaudalen Vorderdarms (s. Magendrehung und Topografie der Organe im kaudalen Vorderdarmbereich;
Entstehung der Bursa omentalis) die Drehung des Magens;
im Bereich von Mittel- und Hinterdarm die Drehung der sog. Nabelschleife (= des schleifenförmigen fetalen Darmrohres, s. Dreh
ung der Nabelschleife und Entwicklung der Organe im Bereich von Mittel- und Hinterdarm ).
A Mesenterien des gesamten Darmrohrs im embryonalen Organismus (Überblick)
Oesophagus, Magen und Pars superior des Duodenum entwickeln sich aus dem kaudalen Teil des Vorderdarms. Wie alle Organe des
Verdauungssystems in Abdomen und Becken haben sie ein dorsales Mesenterium (= Versorgungsstraße, die von der Rückwand der
Peritonealhöhle kommend von hinten an das Organ heranzieht). Im Bereich von Magen und Pars superior duodeni gibt es zusätzlich ein
ventrales Mesenterium, das von der Vorderwand der Peritonealhöhle kommend von vorne an das Organ heranzieht. Durch dieses ventrale
Mesenterium leitet die V. umbilicalis sauerstoffreiches Blut von der Placenta zur Leber und zur V. cava inferior des Embryos. Aufgrund dieses
zusätzlichen Mesenteriums ist die Peritonealhöhle auf Höhe von Magen und Duodenum in eine linke und rechte Hälfte geteilt (s. Magendrehung
und Topografie der Organe im kaudalen Vorderdarmbereich; Entstehung der Bursa omentalis).
B Mesenterien des kaudalen Vorderdarms im embryonalen Organismus
In die Mesenterien von Duodenum und Magen (s. A) hinein entwickeln sich aus dem Epithel des Duodenum folgende Organe:
• im Meso duodenum ventrale bis nach kranial ins Meso gastrium ventrale hinein: Leber und Gallenwege;
• im Mesoduodenum ventrale die ventrale, im Mesoduodenum dorsale die dorsale Pankreasanlage.
Die Milz, ein lymphatisches Organ (kein Verdauungsorgan!), wandert ca. in der 5. Entwicklungswoche aus dem Mesenchym des Spatium
retroperitoneale, das der Peritonealhöhle dorsal anliegt, in das Mesogastrium dorsale ein. Sie liegt damit bezüglich der Mesenterien
grundsätzlich ähnlich wie die dorsale Pankreasanlage. Bei der Magendrehung (s. D) verlagern sich die Mesenterien und mit ihnen die darin
liegenden Organe (s. Magendrehung und Topografie der Organe im kaudalen Vorderdarmbereich; Entstehung der Bursa omentalis). Zur
Bezeichnung der Mesenterien im reifen Organismus s. E.
C Vereinigung von dorsaler und ventraler Pankreasanlage (nach Sadler)
Sicht von links auf das stark schematisierte Magen-Darm-Rohr des Magens und die Anlagen von Leber, Gallenwegen und Pancreas. Aus dem
Duodenalepithel sprießen die beiden Pankreasknospen aus (a), wobei sie in das ventrale bzw. dorsale Mesoduodenum einwandern (s. B). Die v
entrale Pankreasanlage entwickelt sich in enger Nachbarschaft zur Anlage des Gallengangs. Gemeinsam mit der Anlage des Gallengangs
umwandert sie das Duodenum an dessen rechter Seite und bewegt sich so auf die dorsale Pankreasanlage zu, so dass sie schließlich im
dorsalen Mesoduodenum zu liegen kommt (b) (zum Einfluss der Magendrehung auf die Wanderung der ventralen Pankreasanlage s. Magendre
hung und Topografie der Organe im kaudalen Vorderdarmbereich; Entstehung der Bursa omentalis). Beide Pankreas anlagen vereinigen sich
unter Anastomosierung ihrer Gänge (Ductus pancreaticus minor und major).
D Die Magendrehung
Ansicht von ventral. Ab der 5. Entwicklungswoche dreht sich der Magen von oben betrachtet im Uhrzeigersinn um 90° um seine Längsachse.
Gleichzeitig wächst er asymmetrisch in die Breite: seine ehemals hintere, nun linke Wand, wächst erheblich stärker als die ehemals vordere,
nun rechte Wand. Schließlich kippt der ganze Magen um eine anteroposteriore Achse im Uhrzeigersinn und liegt nun schräg im Abdomen:
seine ursprünglich hintere Wand weist als große Kurvatur nach links und unten, seine ehemals vordere Wand als kleine Kurvatur nach rechts
und oben. Die beiden Mesenterien des Magens (Mesogastrium ventrale und dorsale) nehmen an dieser Drehung, dem asymmetrischen
Wachstum und der Kippung des Magens teil: Das Mesogastrium ventrale wird nach rechts (und oben) verlagert, das Mesogastrium dorsale
unter starkem Wachstum nach links (und unten).
E Bezeichnung der Mesenterien im Bereich des kaudalen Vorderdarms: Vergleich embryonaler und reifer Organismus
Die beiden Mesenterien des Magens, Mesogastrium dorsale und ventrale, werden durch das rasche Wachstum von Leber und Milz im
embryonalen Organismus zusätzlich in ein ventrales und ein dorsales Mesohepaticum (Hepar = Leber) sowie ein ventrales und
dorsales Mesosplenicum (Splen = Milz) unterteilt. Im reifen Organismus werden diese Mesenterien als Netze (Omenta) oder als
Bänder (Ligamenta) bezeichnet.
Bezeichnung im
embryonalen
Organismus
Bezeichnung im reifen Organismus
Mesogastrium ventrale
mit seinen
Unterabschnitten
Mesohepaticum
dorsale („hinten
an der Leber“)
Omentum minus (= kleineres Netz); Verbindung zwischen Leber einerseits sowie kleiner
Magenkurvatur und Pars superior duodeni andererseits; unterteilbar in:
Lig. hepatogastricum (Leber – Magen) mit einer Pars flaccida und Pars tensa
Lig. hepatoduodenale (Leber – Duodenum)
Mesohepaticum
ventrale („vorne
an der Leber“)
Verbindung zwischen Leber und vorderer Rumpfwand; unterteilbar in:
Lig. falciforme hepatis
Lig. teres hepatis (enthält die obliterierte V. umbilicalis)
Mesogastrium dorsale
mit Unterabschnitten
in Höhe der
Milzanlage
Mesospleni
cum
ventrale
(„vorne an
der Milz“)
Mesospleni
cum
dorsale
(„hinten an
der Milz“)
unterteilbar in einen als Omentum majus (= größeres Netz) bezeichneten Anteil (= Verbindung
zwischen großer Magenkurvatur und Magenfundus einerseits sowie Milz, Colon transversum
und hinterer Wand der Peritonealhöhle andererseits) sowie mehrere Bänder:
Lig. gastrosplenicum (Verbindung Magen – Milz)
Lig. phrenicosplenicum
Lig. splenicorenale (= Verbindung Milz – Hinterwand der Peritonealhöhle)
• oberhalb der Milzanlage
(im embryonalen
Organismus keine
detaillierten
Bezeichnungen)
unterhalb der
Milzanlage
(im embryonalen
Organismus keine
detaillierten
Bezeichnungen)
Lig. gastrophrenicum (= Verbindung Magen – Hinterwand der Peritonealhöhle)
Omentum majus mit Lig. gastrocolicum (= Verbindung Magen – Colon transversum)
Lig. phrenicocolicum (= Verbindung Hinterwand der Peritonealhöhle mit linker Kolonflexur)
Beachte: Häufig werden auch alle aus dem Mesogastrium dorsale hervorgehenden Strukturen am reifen Organismus summarisch als
Omentum majus bezeichnet.
6.4 Magendrehung und Topografie der Organe im kaudalen Vorderdarmbereich;
Entstehung der Bursa omentalis
A Auswirkungen der Drehung von Magen und dessen Mesenterien auf die Topografie der Organe im kaudalen Vorderdarmbereich a–c
Horizontalschnitte durch das embryonale Abdomen in aufeinander folgenden Entwicklungsschritten; Sicht von oben; d räumliche Darstellung
von a, Sicht von links und oben.
Duodenum: Das Duodenum ist in die Magendrehung mit einbezogen, durch die es nach rechts und (durch die Magenkippung) etwas nach
oben verlagert wird. Bis zum Abschluss der Magendrehung hat es sich zu einem nach hinten offenen, C-förmigen Bogen entwickelt. Mit dem
Duodenum dreht sich sein ventrales Mesoduodenum nach rechts, ein Vorgang, der sich auch auf die Position der ventralen Pankreasanlage im
Mesoduodenum auswirkt: Sie wandert – unabhängig von der in Vereinigung von dorsaler und ventraler Pankreasanlage (nach Sadler)
dargestellten Wanderungsbewegung – zusätzlich durch diese „Meso“drehung ein Stück auf die dorsale Pankreasanlage zu.
Pancreas: Die vereinigten Pankreasanlagen drehen sich gleichzeitig mit dem Duodenum im Uhrzeigersinn, kommen quer im Abdomen zu
liegen und verlagern sich an die hintere Wand der Peritonealhöhle. Dort verschmelzen Peritoneum viscerale des Pancreas – ebenso wie das
Peritoneum viscerale des Duodenum – mit dem Peritoneum parietale der Peritonealhöhlenrückwand. Pancreas und Duodenum werden also
sekundär retroperitonealisiert. Beide Organe grenzen nur noch an ihrer Vorderseite an das parietale Peritoneum der Bauchhöhle.
Leber: Da die Leberanlage im Mesogastrium ventrale liegt, wird sie zusammen mit diesem Mesogastrium im Abdomen nach rechts und oben
verlagert. Dadurch kommt ihr Peritonealüberzug partiell mit dem Peritonealüberzug des Zwerchfells in Kontakt. An dieser Kontaktstelle wächst
die Leber unter Auflösung beider Peritonealblätter am Zwerchfell fest. Diese bauchfellfreie Verwachsungsstelle wird an der Leber als „Area nuda
“, am Zwerchfell als „Lebernische“bezeichnet. Die Leber bleibt intraperitoneal, rückt jedoch durch ihr starkes Wachstum auch ganz nach dorsal
und kommt so in die Nähe der rechten Niere, die deshalb auch tiefer steht als die linke.
Gallenwege: Ein Teil der Gallenwege bleibt dicht an der Leberanlage, ein anderer zieht als Gallengang im Lig. hepatoduodenale – dem
äußersten Rand des Omentum minus – zum Duodenum, in das er mündet. Die extrahepatischen Gallenwege liegen also größtenteils
intraperitoneal und gelangen erst ganz nahe am Duodenum nach Durchzug durch das Pancreas, wo sie sich mit dem Pankreasgang vereinigen
können, in eine sekundär retroperitoneale Lage.
Milz: Die Milz, deren Anlage im Mesogastrium dorsale liegt, wird mit der Magendrehung nach links verlagert. Sie bleibt innerhalb dieses Meso
gastriums intraperitoneal.
A Auswirkungen der Drehung von Magen und dessen Mesenterien auf die Topografie der Organe im kaudalen Vorderdarmbereich a–c
Horizontalschnitte durch das embryonale Abdomen in aufeinander folgenden Entwicklungsschritten; Sicht von oben; d räumliche Darstellung
von a, Sicht von links und oben.
Duodenum: Das Duodenum ist in die Magendrehung mit einbezogen, durch die es nach rechts und (durch die Magenkippung) etwas nach
oben verlagert wird. Bis zum Abschluss der Magendrehung hat es sich zu einem nach hinten offenen, C-förmigen Bogen entwickelt. Mit dem
Duodenum dreht sich sein ventrales Mesoduodenum nach rechts, ein Vorgang, der sich auch auf die Position der ventralen Pankreasanlage im
Mesoduodenum auswirkt: Sie wandert – unabhängig von der in Vereinigung von dorsaler und ventraler Pankreasanlage (nach Sadler)
dargestellten Wanderungsbewegung – zusätzlich durch diese „Meso“drehung ein Stück auf die dorsale Pankreasanlage zu.
Pancreas: Die vereinigten Pankreasanlagen drehen sich gleichzeitig mit dem Duodenum im Uhrzeigersinn, kommen quer im Abdomen zu
liegen und verlagern sich an die hintere Wand der Peritonealhöhle. Dort verschmelzen Peritoneum viscerale des Pancreas – ebenso wie das
Peritoneum viscerale des Duodenum – mit dem Peritoneum parietale der Peritonealhöhlenrückwand. Pancreas und Duodenum werden also
sekundär retroperitonealisiert. Beide Organe grenzen nur noch an ihrer Vorderseite an das parietale Peritoneum der Bauchhöhle.
Leber: Da die Leberanlage im Mesogastrium ventrale liegt, wird sie zusammen mit diesem Mesogastrium im Abdomen nach rechts und oben
verlagert. Dadurch kommt ihr Peritonealüberzug partiell mit dem Peritonealüberzug des Zwerchfells in Kontakt. An dieser Kontaktstelle wächst
die Leber unter Auflösung beider Peritonealblätter am Zwerchfell fest. Diese bauchfellfreie Verwachsungsstelle wird an der Leber als „Area nuda
“, am Zwerchfell als „Lebernische“bezeichnet. Die Leber bleibt intraperitoneal, rückt jedoch durch ihr starkes Wachstum auch ganz nach dorsal
und kommt so in die Nähe der rechten Niere, die deshalb auch tiefer steht als die linke.
Gallenwege: Ein Teil der Gallenwege bleibt dicht an der Leberanlage, ein anderer zieht als Gallengang im Lig. hepatoduodenale – dem
äußersten Rand des Omentum minus – zum Duodenum, in das er mündet. Die extrahepatischen Gallenwege liegen also größtenteils
intraperitoneal und gelangen erst ganz nahe am Duodenum nach Durchzug durch das Pancreas, wo sie sich mit dem Pankreasgang vereinigen
können, in eine sekundär retroperitoneale Lage.
Milz: Die Milz, deren Anlage im Mesogastrium dorsale liegt, wird mit der Magendrehung nach links verlagert. Sie bleibt innerhalb dieses Meso
gastriums intraperitoneal.
B Entstehung der Bursa omentalis (nach Sadler)
Magen und Mesogastrien; a–c Horizontalschnitte durch das Abdomen, Ansicht von oben; d u. e Sagittalschnitte, Ansicht von links. Der untere
Pfeil in e zeigt, wie sich das Omentum majus ausstülpt, die oberen Pfeile in c–e zeigen auf das Foramen omentale, die einzige physiologische
Öffnung der Bursa omentalis.
Durch die Drehung des Magens und der Mesogastrien wird die ehemals rechte Magenwand nach hinten verlagert, die ehemals linke nach vorn.
Dorsales und ventrales Mesogastrium liegen nun wie eine frontal eingestellte Platte – den Magen in ihrer Mitte haltend – im Abdomen. Durch
die Drehung dieser Platte verbleibt ein eingeschlossener Abschnitt der Peritonealhöhle, die Bursa omentalis (=„Netztasche“) dorsal liegen. Sie
wird begrenzt:
• nach hinten durch die Rückwand der Peritonealhöhle (vor dem nun schon retroperitonealisierten Pancreas, s. Ac),
• nach vorne durch die Rückwand des Magens und die beiden Mesogastrien,
• nach rechts durch die Leber,
• nach links durch die Milz,
• nach oben durch das Zwerchfell (Diaphragma, hier nicht zu sehen),
• nach unten durch eine Aussackung des Mesogastrium dorsale.
C Embryonalentwicklung im kaudalen Vorderdarmbereich: Zusammenfassung und Peritonealisierung
Für die Entstehung der reifen Strukturen sind bei der Embryonalentwicklung folgende Prozesse ausschlaggebend. Sie laufen zeitlich
überlappend ab und sind nur aus Gründen der Übersicht rein chronologisch dargestellt.
6.5 Drehung der Nabelschleife und Entwicklung der Organe im Bereich von
Mittel- und Hinterdarm
A Drehung und Differenzierung der Nabelschleife (nach Sadler)
a Übersicht über die Nabelschleife: Sicht auf einen Embryo von links, 5. Entwicklungswoche; b Drehrichtung der Nabelschleife: Sicht auf das
Abdomen von vorne; c–e Drehung der Nabelschleife: Sicht auf die Nabelschleife von links (in c ist der Magen noch nicht gedreht); f MagenDarm-Trakt nach Abschluss von Magendrehung und Drehung der Nabelschleife, Ansicht von vorne.
Im Bereich von Mittelund Hinterdarm (= Höhe von Dünnund Dickdarm sowie Rectum) findet hauptsächlich zwischen der 6. und 11.
Embryonalwoche ein 2. Drehvorgang statt, die sog. „Drehung der Nabelschleife“ (= des schleifenförmigen fetalen Darmrohrs). Dabei dreht sich
das gesamte Darmrohr um eine virtuelle Achse, die von einer großen Darmarterie – der A. mesenterica superior – und dem Dottergang (Ductus
omphaloentericus) gebildet wird (c). Von vorne betrachtet erfolgt diese Drehung gegen den Uhrzeigersinn (d u. e). Insgesamt dreht sich die
Schleife um 270°, wobei das Röhrensystem der Schleife gleichzeitig stark in die Länge wächst. Aus dem ehemals oralen (oberen) Teil der
Nabelschleife entwickeln sich Jejunum und Ileum, die sich in zahlreiche Schlingen legen ( e u. f). Der aborale (untere) Teil wird zu einem kleinen
Endabschnitt des Ileum, v. a. aber zu Dickdarm und Mastdarm, die sich rahmenförmig um die Dünndarmschlingen legen ( f). Auch Caecum und
Appendix vermiformis entwickeln sich während der Drehung (s. B), die sich aus Gründen der Übersicht in drei Abschnitte unterteilen lässt:
• Anheben des aboralen Teils der Nabelschleife (Drehung um 90°) (c),
• Verlagerung des angehobenen Abschnitts in den rechten Oberbauch oraler und aboraler Teil überkreuzen sich nun ( d);
• Senkung des aboralen Teils in den rechten Unterbauch (e)
Beachte: Der erste Abschnitt der Nabelschleifendrehung (= die ersten 90°) findet ab der 6. Entwicklungswoche außerhalb der Abdominalhöhle
(!) im Dottersack statt (c). Diese, nach außen verlagerte Drehung wird als physiologischer Nabelbruch bezeichnet, danach werden die
Darmschlingen ca. in der 10. Entwicklungswoche in das Abdomen zurück verlagert.
B Entwicklung von Caecum und Appendix vermiformis (nach Sadler)
Im aboralen Teil der Nabelschleife stülpt sich ca. in der 6. Entwicklungswoche eine Ausbuchtung der prospektiven Dickdarmwand unter
starkem Längenwachstum seitlich aus (a). Sie wächst nach lateral und v. a. nach kaudal und bildet in der 7.–8. Embryonalwoche einen
zipfeligen Fortsatz, die Appendix vermiformis (b). Durch die seitliche Ausstülpung entwickelt sich dieser Darmabschnitt zu einem blind
endenden Teil des Dickdarms (= Blinddarm, Caecum, c). Das Ileum mündet nunmehr Endzu-Seit von links direkt in den Übergang von Caecum
zu Colon ascendens. Auch die Entwicklung des Caecums findet außerhalb der Abdominalhöhle statt. Das Caecum ist der letzte Abschnitt des
Darmrohrs, der in die Bauchhöhle zurückverlagert wird.
C Retroperitonealisierung von Colon ascendens und descendens (nach Moore/Persaud)
Horizontalschnitt durch das Abdomen, Ansicht von oben.
Nach der Drehung der Nabelschleife liegen Colon ascendens und descendens rechts bzw. links im Abdomen ( a). Da sich hinter ihnen keine
Dünndarmschlingen befinden, können sie zusammen mit ihren Mesenterien mit der hinteren Peritonealwand verwachsen (b). Colon ascendens
und descendens liegen damit sekundär retroperitoneal. Das Colon transversum, das die Dünndarmschlingen vorne überkreuzt, bleibt dagegen
intraperitoneal und behält sein Mesenterium, das Mesocolon transversum. Auch Jejunum und Ileum bleiben intraperitoneal und behalten ihre
mesenteriale Verbindung zur Rückwand der Peritonealhöhle.
D Verklebung des Omentum majus (nach Moore/Persaud)
Sagittalschnitt durch das Abdomen, Ansicht von links. Das Mesogastrium dorsale (das beim reifen Organismus als Omentum majus bezeichnet
wird, vgl. Vereinigung von dorsaler und ventraler Pankreasanlage (nach Sadler)) hängt von der großen Magenkurvatur nach links und unten in
das Abdomen. Es wächst sackförmig nach unten aus, seine Blätter verwachsen teilweise miteinander, teilweise zusätzlich mit dem Colon
transversum und dem Mesocolon transversum (a). So entsteht zwischen der Magenunterseite und der Querkolonoberseite eine kleine
sackförmige Ausbuchtung (b), welche die untere Grenze der Bursa omentalis bildet (vgl. Entstehung der Bursa omentalis (nach Sadler)). Der
verklebte Teil des Omentum majus, der den Magen mit dem Colon transversum verbindet, wird als Lig. gastrocolicum bezeichnet.
E Entwicklung der Kloake (nach Sadler und Moore/Persaud)
a–d Sicht auf die embryonalen Beckeneingeweide von links; e Sicht auf den reifen Anorektalkanal von vorne.
Das untere Ende des Hinterdarms mündet beim Embryo zusammen mit dem Harntrakt in einer Erweiterung des Hinterdarms, der Kloake. Auf
den Verschluss der Kloake, die Kloakenmembran, wächst eine quer verlaufende Leiste zu, das Septum urorectale ( a u. b). Es unterteilt die
Kloake in einen vorderen und einen hinteren Abschnitt (c): den Sinus urogenitalis, aus dem sich Teile des Urogenitalsystems entwickeln, und
den Anorektalkanal (ca. in der 7. Embryonalwoche). Beide sind nach wie vor durch die Kloakenmembran verschlossen, die sich nun in eine
vordere Urogenitalund eine hintere Analmembran unterteilt. Dort, wo Septum urorectale und ehemalige Kloakenmembran aufeinander treffen,
entsteht der Damm (Perineum). Am Rand der Analmembran entstehen aus mesenchymalen Aufwerfungen die sog. Analfalten, so dass die
Membran selbst in der 9. Woche in einer Einsenkung, dem Proctodeum liegt ( d). Gegen Ende der 9. Woche reißt die Analmembran ein, das
Rectum hat jetzt Anschluss nach außen (e). Das Rectum besteht also aus zwei Abschnitten: aus dem Hinterdarm, aus dem der obere Abschnitt
des Rectum wird und aus der Kloake, aus der sich der untere Abschnitt entwickelt.
6.6 Zusammenfassung der Entwicklung im Bereich von Mittel- und Hinterdarm;
Entwicklungsstörungen
A Embryonalentwicklung im Bereich von Mittel- und Hinterdarm: Zusammenfassung und Peritonealisierung
Grundsätzlich kann man die Differenzierung von Mittel- und Hinterdarm in zwei Aspekte unterteilen: „Drehung der Schleife“und
„Peritonealbezüge und Kloakenbildung“.
B Drehbewegungen des Darmrohrs und Peritonealbezüge (Zusammenfassung)
Organbewegung
führt zu folgender Organlage
Drehung des Magens mit
Mesogastrium ventrale
und dorsale
Leber und Gallenblase im rechten Oberbauch
Milz im linken Oberbauch
der größte Teil des Duodenum und das ganze
Pancreas verwachsen dorsal mit der
Peritonealhöhlenwand
Drehung der
Nabelschleife mit den
Mesenterien
daraus resultierender Peritonealbezug
intraperitoneal mit Omentum minus
und Lig. falciforme/teres hepatis
intraperitoneal
sekundär retroperitoneal
oraler Schleifenteil bildet Dünndarmabschnitte
Jejunum und Ileum mit ihren Mesenterium
Mesenterium bleibt erhalten; Jejunum
und Ileum intraperitoneal
aboraler Teil bildet Dickdarm und Mastdarm
mit ihrem Mesocolon und Mesorectum und
formen sich zu einem Rahmen
Colon transversum und sigmoideum
behalten das Mesocolon:
intraperitoneal
Colon ascendens, descendens und Rectum
verwachsen mit der dorsalen
Peritonealhöhlenwand
Colon ascendens, descendens und
das Rectum verlieren ihr Mesenterium:
sekundär retroperitoneal
C Entwicklungsstörungen des Magen-Darm-Kanals
Die hier aufgeführten und bis auf das Meckel-Divertikel z. T. sehr seltenen Fehlbildungen unterscheiden sich erheblich im
Krankheitswert: Ein völliger Verschluss oder eine sehr hochgradige Einengung des Lumens im Magen-Darm-Trakt ist unbehandelt
meist tödlich; geringgradige Verengungen können dagegen symptomlos bleiben. Die Verschlingung von Darmanteilen führt über die
resultierende Passagestörung meist auch zu einem lebensbedrohlichen Krankheitsbild.
Duodenalatresie
solides Duodenum ohne Lumen
Duodenalstenose
Einengung des Duodenallumens (evtl. durch Pancreas anulare)
Gallengangsatresi
e
angeborene oder erworbene Verklebung aller oder eines Teils der extrahepatischen Gallengänge
Pancreas anulare
Duodenalstenose (s. o.) durch ringförmiges Pancreas
Omphalozele
Dünndarm liegt am Nabel extrakorporal aufgrund ausbleibender Rückverlagerung nach Drehung der
Nabelschleife
Malrotation
fehlerhafte oder ausbleibende Drehung der Nabelschleife (s. E)
Volvulus
Verschlingung von Darmanteilen durch ausbleibende Fixation des Mesenterium: Ileusgefahr
Intestinalstenose
Verengung des Darmlumens
Intestinalatresie
völliger Verschluss des Darmlumens, unbehandelt nicht mit dem Leben vereinbar
Meckel-Divertikel
Rückbildungsstörung des Ductus omphaloentericus mit Divertikel am Ileum (s. D)
D Überreste des Ductus omphaloentericus (nach Sadler)
Der beim Embryo zunächst offene Ductus omphaloentericus verödet i. Allg. vollständig und geht als Verbindung Ileum – Rumpfwand verloren.
Gelegentlich ist die Verödung aber unvollständig, oder der nach Verödung entstandene Bindegewebsstrang bleibt erhalten und fixiert das Ileum
an der vorderen Rumpfwand. Dies kann sich unterschiedlich manifestieren:
a Die Ileumwand ist teilweise ausgestülpt, ein fibröser Strang ist erhalten. Es entsteht ein sog. Meckel-Divertikel (meist 40–60 cm oral der
Ileozäkalklappe), in dem sich Entzündungsvorgänge abspielen können (enthält oft ektopisches Magenoder Pankreasgewebe).
b In dem fibrösen Strang verbleibt eine Zyste (sog. Enterokystom). Sie kann Beschwerden verursachen und muss gegen einen Tumor
abgegrenzt werden.
c Der Ductus omphaloentericus bleibt über seine ganze Länge offen; es entsteht eine Dottergangsfistel. Im Extremfall tritt Darminhalt am
Nabel aus; Entzündungen sind die Folge. Verbleibt ein Rest des Ductus omphaloentericus als fibröser Strang zwischen Ileum und Nabel,
können sich die gut beweglichen Dünndarmschlingen um ihn wickeln und somit selbst strangulieren (Darmlähmung, sog. Ileus, der unbehandelt
oft tödlich verläuft).
E Entwicklungsstörungen des Magen-Darm-Kanals: die Malrotation (nach Sadler)
Ansicht von ventral. Die folgenden Malrotationen können symptomlos bleiben, solange sich keine Darmanteile ineinander verschlingen und zu
Störungen der Magen-Darm-Motilität führen (sog. Volvulus, s. C).
a Drehung nur um 90° statt um 270°: der Dickdarm bleibt links des Dünndarms liegen; bildet keinen Rahmen um den Dünndarm;
b Drehung im Uhrzeigersinn (von vorne gesehen), hier um 90°: der ehemals aborale Schleifenteil kommt hinter dem oralen zu liegen, das
Colon transversum hinter dem Dünndarmkonvolut.
F Fehlentwicklung des Analkanals (nach Sadler)
Sicht auf die embryonalen Beckeneingeweide von links. Bei ca. einer von 5000 Geburten kommt es nicht zur Eröffnung der Analmembran.
Infolgedessen hat das Rectum keinen physiologischen Anschluss nach außen. Die beiden häufigsten Fehlentwicklungen, sozusagen die
jeweiligen Eckpunkte einer Entwicklungsstörung, sind hier dargestellt:
a Anus imperforatus: Der Analkanal ist grundsätzlich angelegt, die Analmembran perforiert aber nicht, sondern bleibt erhalten;
b Rektoanalatresie (mit Fistelbildung): Im Rahmen der Fehlentwicklung im Bereich des Septum urorectale kann bei Ausbleiben einer
Analkanalanlage eine unphysiologische Gangverbindung (Fistel) des Rectum an den Damm oder an das Urogenitalsystem – bei Mädchen auch
an die Scheide – entstehen.
Sowohl die fehlende physiologische Verbindung des Rectum nach außen als auch die Fisteln müssen operativ korrigiert werden.
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