Zur Geschichte Lateinamerikas Uebersicht: ° ° ° ° ° ° bis ca. 1500 Präkolumbianische Kulturen ab ca. 1500 Kolonialgebiet Spaniens und Portugals 1808 - 1825Unabhängigkeitskrieg Lateinamerikas seit 1825 Unabhängige Staaten Lateinamerikas seit ca. 1870 Neokolonialismus è Dollarimperialismus nach 1945 Versuche einer Emanzipation von der nordamerik. und europ. Wirtschaft °1948 Gründ der Organization of American States (OAS) Beölkerungswachstum: 1825 1900 1960 1997 23 Mio 74 Mio 212 Mio 492 Mio Lateinamerika als spanische Kolonie Seit ca. 1500 war Mittel- und Südamerika spanisches Kolonialgebiet (Brasilien gehörte Portugal). Das gesamte Gebiet war aus Verwaltungszwecken in Vizekönigreiche unterteilt: • • • • Neu-Spanien Neu-Granada La Plata Peru Spanien beherrschte und kontrollierte das Land mittels einer Beamtenschaft und der Armee. Nur wer in Spanien geboren war, hatte Zugang zu den höheren Stellen in Verwaltung und Armee. Die politischen Entscheidungen traf allesamt die spanische Krone. Die in Lateinamerika geborenen Spanier = die Kreolen waren somit klar benachteiligt, besassen aber als Grossgrundbesitzer den überwiegenden Teil des Bodens, den sie durch schwarze Sklaven und halbfreie Indianer und Mestizen bearbeiten liessen. Der Aussenhandel lag als Monopol bei Spanien, so dass dieses dessen Bedinungen diktierte und einen Grossteil des Gewinnes abschöpfte. Zusammenfassend war die wirtschaftliche Lage durch folgende Elemente charakterisiert • • • • • • • Handelsmonopol Spaniens kaum verarbeitende Industrie Rohstofflieferung (Edelmetalle u.a. Erze) und Plantagenproduktion: Kaffee, Zucker, Kakao etc.è è Tendenz zu Monokulturen Rückständige Landwirtschaft unbedeutendes Handwerk Schwacher Binnenmarkt infrastrukturelle Ausrichtung gemäss den Interessen der Besitzerländer Um 1800 stieg die Unzufriedenheit der Kreolen sehr rasch an, und zwar aus verschiedenen Gründen: • • • • Das Gedankengut der Aufklärung und der Französischen Revolution begann zu wirken; viele Kreolensöhne hatten in Europa studiert, sie verlangten politische Mitsprache und Handelsfreiheit. Das erfolgreiche Beispiel der USA zeigte Wirkung. Die in Europa beginnende Industrialisierung erhöhte die Nachfrage nach Rohstoffen und Lebensmitteln; damit gewann der Handel an Bedeutung. GB schürte die Unabhängigkeitsbewegung aus handelspolitischen Ueberlegungen und wegen Rohstoffbedarf. unterr19jhLateinamerika287 Interstaatliche Maturitätsschule für Erwachsene St.Gallen -2- Der Unabhängigkeitskrieg 1808 - 1825 Anlass: Spanien wurde 1807 von Napoleon besetzt und war damit von Lateinamerika absorbiert. Diese Situation nützten die Kreolen, und in rascher Folge erklärten sich Staaten als unabhängig: Argentinien, Kolumbien, Venezuela, Mexiko usw... Wichtigste Personen sind: ° Simon Bolivar in Kolumbien und für die gesamte Bewegung, "Befreier" Lateinamerikas ° Francisco de Miranda in Venezuela ° Augustin de Iturbide und General Santa Ana in Mexiko ° José San Martin in Argentinien, vor allem militärischer Sieger Spanien versuchte den Ablösungsprozess mit militärischer Gewalt zu verhindern, was zu einem langen und sehr grausamen Krieg führte. Als sich um 1820 eine militärische Entscheidung anbahnte, berieten die Staaten der Heiligen Allianz über eine militärische Unterstützung Spaniens. Das rief die USA auf den Plan: Monroe-Doktrin 1823 Um die neuen Staaten in Lateinamerika zu schützen, formulierte der damalige amerikanische Präsident James Monroe einen wichtigen aussenpolitischen Grundsatz = Doktrin: Amerika den Amerikanern ó Europa den Europäern Damit verwahrten sich die USA gegen jede Intervention europäischer Mächte in Amerika, und sie verpflichteten sich, sich nicht in europäische Angelegenheiten einzumischen >>> Isolationismus = Beschränkung auf den amerikanischen Kontinent. Mit dieser Rückendeckung konnten die lateinamerikanischen Staaten ihren Kampf siegreich beenden und ihre je nationale Organisation aufbauen. Versuche, grössere Gebiete zusammenzufassen oder gar die "Vereinigten Staaten von Lateinamerika" zu gründen, scheiterten. Brasilien löste sich zwi 1808 und 1830 friedlich von Portugal. Ergebnisse • • • das spanische Imperium ist zerfallen vielfältige Staatenbildung, ca. 20 Staaten Sozialstruktur bleibt in den wesentlichen Zügen erhalten: - Reiche, zahlenmässig kleine Oberschicht: Grossgrundbesitzer, Grosskaufleute, mit klar aristokratisch- autoritärer Grundhaltung - zahlenmässig und wirtschaftlich schwaches Bürgertum - Beamte und Militärs - grosse Unterschicht: Landarbeiter, Bauern, Arbeiter, Bedienstete; vielfältige Zusammensetzung: Indianer, Weisse, Schwarze, Mestizen, Mulatten, Zambos • • Oeffnung des Handels Wegen der Unterstützung der span. Herrschaft Bedeutungsverlust der katholischen Kirche im politischen System, weniger im privaten Bereich unterr19jhLateinamerika287 Interstaatliche Maturitätsschule für Erwachsene St.Gallen -3- Charakteristika der lateinamerikanischen Entwicklung • • • • • • • • • • Zentralistischer Staatsaufbau; Grundlage der Regierung sind Armee und Beamtentum; erst spät entstehen Parteien, deren Wirksamkeit sehr beschränkt bleibt; Anfälligkeit für autoritäre, häufig diktatorische Systeme ê ausgeprägte politische Instabilität Starke innenpolitische Stellung der Armee è Machtinstrument der Caudillos, der Diktatoren und Eliten, Armee wird meist nicht nach aussen, sondern nach innen eingesetzt è ermöglicht den sozialen Aufstieg Nicht-kreolische Bevölkerung ist nicht integriert, steht dem Staat oft eher abweisend gegenüber, lebt teilweise im Stammesverband verbreitetes Analphabetentum: zwischen 5 - 20% Riesige, infrastrukturell schlecht erschlossene und damit kaum kontrollierbare Räum System der Hacienda = autarker Verband auf lokaler Ebene; der hacendado besitzt fast unumschränkte Macht Europäische und US-Wirtschaft gewinnt kontinuierlich an Bedeutung, damit steigen auch Macht und Einfluss in der Politik: leistungsstarke Produktionsstätten und hochentwickelte Wirtschaftsbereiche hängen meist von ausländischem Kapital ab oder sind Eigentum europäischer bzw. nordamerikanischer Firmen Rückständige Landwirtschaft: Viele Kleinstbetriebe = Selbstversorger und vor allem Latifundien, die exportorientierte Agrarprodukte herstellen ab 1870 Beginn der Masseneinwanderung aus Europa; die Einwanderer ziehen zumeist in die Städte è Entstehung eines Bürgertums und einer Arbeiterschaft, was zur Bildung von Parteien und Gewerkschaften führt. Damit entstehen tragfähigere Grundlagen für eine demokratische Entwicklung. ê Diese Städte provozieren im 20. Jh. eine eigentliche Landflucht: Urbanisierung, mit ihr hängt die Verproletarisierung der städtischen Massen zusammen. Versuche zur Modernisierung der Gesellschaft nach 1945 scheitern - am Widerstand der traditionellen Eliten - am Widerstand der ausländischen wirtschaftl. u. politischen Interessen ê - Agrarfrage bleibt ungelöst - Industrie u. Rohstoffproduktion bleiben fremdbestimmt • Grosse Bedeutung für die Entwicklung Lateinamerikas bekommt der Ost-WestGegensatz, insbesondere die Zeit des Kalten Krieges. ê Die USA unterdrücken oder verhindern in dieser Perspektive alle Reformversuche, die sozialistische Ziele erkennen lassen: Guatemala, Bolivien, Kuba, Chile, Nicaragua, El Salvador, Panama, Grenada ... ê Stützung der Diktaturen zur Aufrechterhaltung des status quo Stärkung der Armee Entstehung von Guerillabewegungen: Sendero Luminoso, Tupamaros etc. unterr19jhLateinamerika287 Interstaatliche Maturitätsschule für Erwachsene St.Gallen Kuba 1898 (110'000 qkm, ca. 11 Mio Einw.) quasi-Unabhängigkeit - Protektorat der USA - ab 1925 ° ° 1953 1956 1959 -4- USA haben ein Interventionsrecht, wenn der Präsident dies als im Interesse des kubanischen Volkes erachtet Stützpunkt Guantanamo auf ewige Zeiten Diktaturen, zuletzt Fulgencio Batista bis 1959 8 % verfügen über 70 % des Bodens US-Kapital kontrolliert 90 % der Bergbau- , 37 % der Zuckerproduktion, 36 % der besten Ländereien, fast die gesamte Energieversorgung, das Kommunkationssystem und den Tourismus Beginn der Revolution: fehlgeschlagener Anschlag auf die Moncada-Kaserne Landung der Rebellen auf Kuba: Fidel und Raul Castro, Che Guevara Uebernahme der Macht durch die Rebellen Castro: Minister- und Staatspräsident, Parteichef und OB der Armee = "lider maximo" Reformen: • Schrittweise, aber fast totale Verstaatlichung des Bodens: Kooperativen und Staatsbetriebe, private Kleinparzellen • Verstaatlichung der 36 wichtigsten US-Unternehmen (1960) ê Partielles, dann totales US-Handelsembargo è Schwere Versorgungskrise è Beginn der Zusammenarbeit mit der UdSSR è neue Abhängigkeit (50% des Handels) • Sozialisierung aller grösseren kubanischen Firmen, der Banken, Waren- und Lagerhäuser, ab 1968 der Kleinunternehmen u. des kleinbäuerl. Besitzes • Beseitigung des Eigentums an städtischen Mietshäusern • Nivellierung der Löhne • Neugestaltung des Bildungs- und Gesundheitssystems • Rasche Beseitigung des Analphabetismus • Ab 1961 Sozialistische EINPARTEIEN-DIKTATUR (Marxismus-Leninismus als Basis) 1961 1962 1964 1972 Gescheiterte Schweinebucht-Invasion Kuba-Krise Ausschluss aus der OAS = Isolierung Kubas in Lateinamerika Beitritt zum COMECON, starke Einbindung in den Ostblock, dennoch Engagement bei den "Blockfreien" Unterstützung von revolutionären Bewegungen in der Dritten Welt 1976 Neue Verfassung: Führungsrolle der KP u. Castros ab 1985 Behutsame aussenpolitische Oeffnung, was sich seit dem Zusammen1990 bruch des Ostblocks intensiviert, denn Kuba kämpft mit grossen wirtschaftlichen Problemen: Konsumgüter, Maschinen- u. Transportausrüstung ê Ankurbelung des Tourismus unterr19jhLateinamerika287 Interstaatliche Maturitätsschule für Erwachsene St.Gallen CHILE -5- (765'000 qkm, 15 Mio Einw) ab 1918 Ständige, meist aber gescheiterte Versuche, Chile politisch und wirtschaftlich zu reformieren. 1938-46 1964-70 Volksfrontregierung: SP + KP CD-Regierung unter Eduardo Frei ° bescheidene Landreform. 10 % der Landbewohner erhalten Land ° Verhältnisse bleiben sehr ungerecht: - 4.2 % besitzen 80 % des bebaubaren Landes - 2 % der Familien erhalten 46 % des Volkseinkommens, aber 60 % nur 17% - Fremdbestimmung der Industrie, Plan Freis, dies in langfristigen Verträgen zu ändern: 90 % des Exports aus Bergbau (Kupfer) - US-Konzerne 90 % - Zerrüttete Staatsfinanzen, regelmässig um 100 % Inflation 1970 Wahlsieg der Unidad Popolar (37 %; Allende: "Sozialismus in Freiheit" Reformen: • Garantie der Freiheit der Presse, der Parteien und des Erziehungswesens • 1971 Nationalisierung des gesamten Bergbaus u. der Schlüsselindustrien ê - Ausländische Firmen ziehen Techniker und Kader ab - Nachschubstopp für den Maschinenpark - Stopp sämtlicher Investitionen, US-Kreditblockade ê Interne Probleme in der Produktion und Administration è Produktionsrückgang, Erhöhung der Beschäftigtenzahl, Lohnrückgang, Inflation, Unruhen, Streiks • Sozialisierung von weiteren Industrie-Unternehmen ê Widerstand der Ober- und Mittelschicht è Investitionsboykott, Hortungsmassnahmen, Streiks, erste Putschversuche • Agrarreform: Enteignung mit einer gewissen Entschädigung von ca. 6 Mio ha: Genossenschaften mit Lernphase und dann Zuteilung Gegen den Widerstand der Besitzenden radikalisiert sich auf dem Land die Linke: Movimiento de Izquierda Revolucionaria; es kommt zu gewaltsamen Vertreibungen und Enteignung der Landbesitzer. • Auslandverschuldung um über 800 Mio $ bis 1973 gestiegen 1973 Juli Sept. • • • • • Armee + US-Konzerne unterstützt vom CIA arbeiten auf einen Putsch hin. Streik der Transportunternehmer legt das Land teilweise lahm ein erster Putsch scheitert è Streiks, Unruhen bürgerkriegsähnliche Zustände Putsch der Armee, unterstützt von CD u. Kirche - Ermordung Allendes Bildung einer Junta unter General Pinochet Auflösung des Parlaments, Verbot der Parteien Ausnahmezustand, ca. 20'000 Mann Geheimpolizei ca. 10'000 Tote, Tausende von Gefangenen und Flüchtlingen Reprivatisierung der Unternehmen (ohne Kupfer) u. von 3 Mio ha Land unterr19jhLateinamerika287 Interstaatliche Maturitätsschule für Erwachsene St.Gallen Wachstumsorientierte liberale Marktwirtschaft: hohe Investitionen von Rückkehr der Ausland-Investitionen, Exportförderung, Drosselung der Inflation 1980 Neue Verfassung in einer Volksabstimmung angenommen, Pinochet wird für 8 Jahre Präsident; es beginnt sich Opposition zu formieren • 1982 1983 Bischöfe verlangen Rückkehr zur Demokratie Aktionstage, Unruhen, Streiks 1988 16 regimekritische Parteien schliessen sich zusammen ê bei einem Plebiszit lehnen 54 % eine zweite Amtszeit Pinochets ab 1989 Neue Verfassung: CD-Mann Patricio Alwyn wird neuer Präsident Pinochet bleibt OB 1994 Präsident Eduardo Frei (CD) 1998 Pinochet gibt OB, bleibt aber Senator auf Lebenszeit; er wird in London verhaftet, da in verschiedenen Ländern Haftbefehle vorliegen. unterr19jhLateinamerika287 -6- Privaten,