MS-MEdic Wissenschaftlicher Beirat der Schweizerischen Multiple Sklerose Gesellschaft Myelinschaden ist nicht Ursache der MS Multiple Sklerose (MS) bleibt ein grosses Problem in weiten Teilen der Welt, mit Millionen betroffenen Personen. Es werden zurzeit zwar verschiedene Therapien zur Milderung des Krankheitsverlaufs angewendet, jedoch ist eine effiziente und vor allen Dingen gefahrlose Therapie zur Behandlung der Ursache bisher nicht in Sicht. Während es als relativ gesichert gelten kann, dass es sich bei der MS um eine Autoimmunerkrankung handelt, ist bisher vollkommen ungeklärt, was den Beginn der Erkrankung auslöst. Seit der Entdeckung der Multiplen Sklerose vor fast 150 Jahren haben Forscher unzählige Hypothesen vorgebracht, welche die Krankheitsentstehung zu erklären versuchten – allerdings konnte bisher keine bestätigt werden. Durch die internationale Zusammenarbeit zwischen Forschern aus Zürich, Mainz, Leipzig und Berlin konnte nun eine weitere Hypothese verworfen werden. Diese Hypothese besagte, dass untergehende Oligodendrozyten die Autoimmunität in MS hervorrufen (Oligodendrozyten sind bestimmte Zellen, welche im zentralen Nervensystem die Nervenzellen mit einer Myelinscheide umgeben). Die kürzlich in der Zeitschrift Nature Neuroscience veröffentlichten Ergebnisse dieser Forschungsarbeit zeigen nun jedoch, dass dies nicht der Fall ist. Die Rolle von Oligodendrozyten in der Immunantwort muss daher in neuem Licht betrachtet werden. Idee der „Neurodegenerativen Theorie“: Wie kam es dazu? Heute ist MS als Autoimmunerkrankung angesehen, in welcher Immunzellen (Lymphozyten) sich gegen den eigenen Körper richten – bei MS im Speziellen gegen das Myelin in Gehirn und Rückenmark. Beobachtungen während des letzten Jahrzehnts hatten zur Idee geführt, dass die Ursache von MS vielleicht im zentralen Nervensystem selber und dort speziell in den Oligodendrozyten zu suchen sei. Diese Beobachtungen zeigten, dass es bei MS-Betroffenen im frühen Krankheitsstadium Vernarbungen gibt, welche zwar die charakteristischen Schäden im Myelin, nicht aber die gegen das Myelin gerichteten Immunzellen aufweisen. Dies führte zur Formulierung der besagten Hypothese, dass zu Beginn der MS ein Myelinschaden steht, der dann in einem zweiten Schritt den Autoimmunprozess auslöst. Bestätigung der Hypothese fehlgeschlagen Die beteiligten Forscher versuchten, diese Hypothese am Mausmodell zu bestätigen. In diesem Modell wurden mittels eines genetischen Tricks Defekte im Myelin erzeugt, ohne dass das Immunsystem aktiviert werden musste. „Am Anfang unserer Arbeit“, so erklärt Professor Becher von der Universität Zürich „fanden wir diese Myelinschäden, die sehr stark den Vernarbungen im frühen Krankheitsstadium von MSBetroffenen ähnelten. Allerdings konnten wir als zwei- ten Schritt nie die Entwicklung von autoreaktiven Immunzellen, welche gegen Myelin gerichtet sind, beobachten.“ Das Fehlen dieser Immunzellenbeteiligung im Folgeschritt schien also die sogenannte „Neurodegenerative Hypothese“ von MS zu widerlegen. Die Forschergruppen gaben aber noch nicht auf. „Wir haben fünf Jahre lang immer und immer wieder versucht, gleichzeitig mit dem Myelinschaden das Immunsystem auf verschiedene Art und Weise zu stimulieren, um so entweder die fehlerhafte Immunantwort oder eine Infektion zu simulieren“, sagt Professor Buch, ehemaliger Mitarbeiter der Arbeitsgruppe Becher. Trotz dieser Versuche, den Myelinschaden mit einer Immunaktivierung zu kombinieren, konnte in keinem Fall eine der MS ähnliche Autoimmunität beobachtet werden. „Wir sind also vollkommen damit gescheitert, durch die Kombination von Myelinschaden und Immunaktivierung eine MS-ähnliche Erkrankung auszulösen.“ beim neuronalen Schutz und der Regeneration zugreifen sollten. Da gibt es viel zu tun, um fokussierte und wissenschaftlich valide Strategien zu entwickeln. März 2012 / Prof. Dr. Burkhard Becher, Universität Zürich, Mitglied des Wiss. Beirats der Schweiz. MS-Gesellschaft Ausblick Auch die neusten genetischen Daten zeigen, dass alle „MS-Gene“ der Immunregulation dienen. Daher wird als Krankheitsverursacher weiterhin das Immunsystem im Vordergrund stehen. Die Datenlage, in neurodegenerativen Prozessen den Auslöser für die MS zu suchen, ist mittlerweile erdrückend schwach. Die Forscher sind sich jedoch einig, dass neurodegenerative Prozesse gerade nach längerem Krankheitsverlauf das Hauptproblem darstellen und dass therapeutische Ansätze vor allem Für weitere Informationen steht Ihnen die MS-Gesellschaft gerne zur Verfügung: MS-Infoline, 0844 674 636 Montag - Freitag, 9 - 13 Uhr [email protected] Website www.multiplesklerose.ch Bibliothek http://netbiblio.multiplesklerose.ch Schweiz. MS-Gesellschaft, Josefstrasse 129, 8031 Zürich, T 043 444 43 43, F 043 444 43 44 [email protected], www.multiplesklerose.ch, PK 80-8274-9 Centre romand SEP, rue du Simplon 3, 1006 Lausanne, T 021 614 80 80, F 021 614 80 81