2 Berliner und Münchener Tierärztliche Wochenschrift 124, Heft 1/2 (2011), Seiten 2–7 Open Access Berl Münch Tierärztl Wochenschr 124, 2–7 (2011) DOI 10.2376/0005-9366-124-2 © 2011 Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG ISSN 0005-9366 Fallbericht/Case report Moorgut Kartzfehn von Kameke GmbH & Co. KG1 Institut für Geflügelkrankheiten, Fachbereich Veterinärmedizin, Freie Universität Berlin2 Wiederauftreten von Histomonose auf einer Putenelterntierfarm Korrespondenzadresse: [email protected] Reoccurrence of histomonosis in turkey breeder farm Eingegangen: 08.07.2010 Angenommen: 27.09.2010 Johannes Aka1, Rüdiger Hauck2, Petra Blankenstein1, Stefanie Balczulat2, Hafez Mohamed Hafez2 Online first: 09.12.2010 http://vetline.de/zeitschriften/bmtw/ open_access.htm Zusammenfassung Die Histomonose wird durch den protozooischen Parasiten Histomonas (H.) meleagridis verursacht und führt bei Puten zu einer schweren Erkrankung mit hoher Mortalität. In der vorliegenden Arbeit wird das wiederholte Auftreten von Histomonose in einem Putenelterntierbetrieb beschrieben. Der erste Ausbruch trat im Jahr 2005 bei 17 Wochen alten Hennen und der zweite im Jahr 2009 bei 8 Wochen alten Hennen auf. Die Ausbrüche blieben auf einzelne Ställe bzw. ein durch Bauzaun aus Drahtgitterelementen abgetrenntes Stallabteil beschränkt. Die Mortalität stieg innerhalb weniger Tage auf 26 bzw. 65 % an, sodass die Tiere der betroffenen Ställe trotz Therapieversuchen mit verschiedenen Wirkstoffen, die keinen Erfolg zeigten, getötet wurden. Die nachgewiesenen H. meleagridis gehörten in beiden Fällen dem Genotyp A an. Die Quelle des Eintrags blieb in beiden Fällen unklar. Schlüsselwörter: Schwarzkopfkrankheit, Typhlohepatitis, Genotypisierung, Tiamulin, pflanzliche Wirkstoffe Summary Histomonosis is a severe disease caused by the protozoan parasite Histomonas (H.) meleagridis, which can lead to high losses in turkeys. The present report describes the reoccurrence of histomonosis in a turkey breeder farm. The first outbreak occurred in 2005 in 17 weeks old hens, the second in 2009 in 8 weeks old hens. The disease remained restricted in one house and one compartment, respectively. Mortality rose to 26 and 65% respectively within few days in spite of therapy with various compounds. Both flocks had to be euthanized. In both cases H. meleagridis belonging to genotype A was detected. The source of infection remained unclear in both cases. Keywords: Blackhead disease, typhlohepatitis, genotyping, Tiamulin, herbal compounds U.S. Copyright Clearance Center Code Statement: 0005-9366/2011/12401-2 $ 15.00/0 Berliner und Münchener Tierärztliche Wochenschrift 124, Heft 1/2 (2011), Seiten 2–7 Einleitung Die Histomonose (infektiöse Typhlohepatitis, Schwarzkopfkrankheit) wird durch den einzelligen, trichomonadenartigen Parasit Histomonas (H.) meleagridis verursacht. Eine Infektion mit H. meleagridis führt zu einer schweren Entzündung von Blinddärmen und Leber. Infizierte Tiere sind sehr matt, lassen die Flügel hängen, zeigen gestelzten Gang und die Augen sind häufig geschlossen. Die Symptome der betroffenen Tiere sind eher unspezifisch. Als Folge des hämolytischen Ikterus und der Leberschäden werden häufig Durchfälle mit schwefelgelbem Kot beobachtet (Hirsch, 1979), dies allein erlaubt eine Verdachtsdiagnose (McDougald, 2008). Durch die schweren Kreislaufstörungen kann teilweise eine ausgeprägte Zyanose des Kopfes und der Kopfanhänge auftreten. Diese Zyanose, die der Histomonose den Namen „Schwarzkopfkrankheit“ gab, tritt nur sehr selten auf. Pathologisch-anatomisch lassen sich ein erweitertes Lumen der Blinddärme, eine Verdickung der Blinddarmschleimhaut und käsige Beläge, die pfropfenartig den Blinddarm ausfüllen, feststellen. Über den Blutkreislauf (Pfortaderblut) gelangt der Erreger in die Leber. Dort bilden sich häufig charakteristische, scharf begrenzte, gelbliche Nekroseherde, die tief in das gesunde Lebergewebe hineinreichen. Diese Herde können linsen- bis zweieurostückgroß werden und besitzen ein eingesunkenes Zentrum. Die Mortalität kann in Putenbeständen bis zu 100 % betragen, bei anderen Geflügelarten ist sie wesentlich geringer (McDougald, 2008). In den letzten drei Jahrzehnten konnte das Auftreten der Histomonose durch verbessertes Management und verfügbare therapeutische sowie prophylaktische Präparate drastisch reduziert werden. Nachdem bereits Anfang der 90er Jahre die wirksamen Arzneimittel der Wirkgruppe der Nitroimidazole in Anhang IV der Verordnung (EWG) Nr. 2377/90 (EU, 1990) einschließlich der Nitrofurane aufgenommen wurden, besteht dadurch seit 1995 arzneimittelrechtlich ein Therapienotstand bei Lebensmittel liefernden Tieren innerhalb der EU für diese Erkrankung. Zusätzlich ist gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1756/2002 (EU, 2002) am 31. März 2003 die Übergangsfrist zum Einsatz von Nifursol® als Futterzusatzstoff zur Prophylaxe der Histomoniasis abgelaufen. Seitdem besteht zusätzlich ein Prophylaxenotstand und in der Europäischen Union herrscht somit ein Therapie- und Prophylaxenotstand bei Infektionen mit H. meleagridis. Seit dieser Zeit gibt es ein vermehrtes Auftreten der Erkrankung (Hafez und Hauck, 2005). In Deutschland trat in dem Zeitraum zwischen 2004 und 2008 in mindestens 65 Geflügelbeständen, davon 35 Putenbeständen, Histomonose auf (Hauck et al., 2010a). Beispielsweise wurden auch in Frankreich in den zwei Jahren nach dem Verbot von Nifursol mindestens 128 Ausbrüche von Histomonose in Putenbeständen verzeichnet, jedoch meist mit einer Mortalität von unter 30 %. Darunter waren auch 15 Fälle in Elterntierbetrieben mit einer durchschnittlichen Mortalität von 60,2 % (Callait-Cardinal et al., 2007). Auf die Möglichkeit einer vertikalen Übertragbarkeit der Erkrankung gibt es keinerlei Hinweise. Unter Praxisbedingungen traten bis jetzt nach der Ausmerzung der erkrankten Tiere keine Fälle von Histomonose mehr bei neu eingestallten Herden auf (Hafez und Hauck, 2005). 3 In der vorliegenden Arbeit wird über das Wiederauftreten von Histomonose auf einer Putenelterntierfarm nach 4 Jahren berichtet. Material und Methoden Isolierung protozooischer Parasiten Die Isolierung erfolgte in modifiziertem Dwyers Medium bestehend aus Zellkulturmedium M 199 mit Hanks Salzen (Biochrom, Berlin, Deutschland), dem 10 % inaktiviertes Pferdeserum (Biochrom) und 2 mg/ml Reismehl zugesetzt wurden (McDougald und Galloway, 1973). Nachweis protozooischer Parasiten mittels PCR Die DNA wurde aus Organpools mittels des Qiamp DNA Mini Kits (Qiagen, Hilden, Deutschland) nach den Vorgaben des Herstellers extrahiert. Der Nachweis von für Histomonaden spezifischer DNA erfolgte mittels qPCR (Hafez et al., 2005). Alle Proben wurden ferner mittels PCR und anschließender AgarosegelElektrophorese auf DNA von Blastocystis spp. und Tetratrichomonas (T.) gallinarum nach den Angaben von Grabensteiner und Hess (2006) untersucht. Genotypisierung Die Genotypisierung der Histomonadenstämme erfolgte mittels C-profiling Analyse des Internal transcribed spacers 1 (ITS-1) (van der Heijden et al., 2006) nach der von Hauck et al. (2010a) modifizierten Methode. Dazu wurde der ITS-1, der das Gen der 18s ribosomalen RNA (rRNA) und das Gen der 5,8s rRNA trennt, mittels PCR mit dem forward Primer HmDiff2For (5´-ggt gaa atc att gga ttt tt-3´) und dem revers Primer HmDiff2R rev (5´-ttc agc ggg ttt tcc tat-3´) amplifiziert und sequenziert. Da die resultierenden SequenzChromatogramme wegen Überlagerungen aufgrund der intragenomisch unterschiedlichen ITS-1 Regionen nicht direkt auswertbar sind, wurden mittels des Programmes CodonCode (CodonCode Corporation, Dedham, USA) die Adenoson-, Thymidin- und Guanosin-Spuren ausgeblendet. Zum Vergleich der Sequenzen wurde die verbliebene Cytidin-Spur herangezogen. Fallbeschreibung Die hier beschriebenen Ausbrüche der Krankheit betrafen Bestände einer Unternehmensgruppe. Im Unternehmen gelten für das Personal strenge Hygienevorschriften. Alle Farmen des Unternehmens können ausschließlich über eine Hygieneschleuse betreten werden. In der Schleuse ist vor Betreten der Farm Duschen und Anlegen farmeigener Bekleidung zwingend vorgeschrieben. Vor Verlassen und Wiederanlegen der privaten Kleidung besteht wieder Duschzwang. Schuhwerk, welches auf dem Farmgelände getragen wird, ist im Vorraum des Stalls gegen Schuhwerk zu wechseln, welches im Tierbereich zu tragen ist. Fall 1 Der erste Fall ereignete sich im Juni 2005 auf einer Elterntieraufzuchtfarm in Niedersachsen. Die Anlage besteht aus drei Ställen. Im linken Stall werden 1200 Hähne gehalten (Stall 1), im mittleren (Stall 2) und 4 Berliner und Münchener Tierärztliche Wochenschrift 124, Heft 1/2 (2011), Seiten 2–7 ABBILDUNG 1: Leber und Blinddarm eines mit H. meleagridis infizierten und verendeten Tiers. Die Organe weisen die für die Schwarzkopferkrankung charakteristischen Veränderungen auf. Die Leber ist von weißlichen Nekroseherden durchsetzt und die Blinddärme sind stark vergrößert mit geschwollener Wand. rechten Stall (Stall 3) je ca. 5600 Elterntierhennen. Alle Elterntiere werden als Eintagsküken in Stall 2 eingestallt. Nach 4–5 Wochen werden die Hähne in Stall 1 und die Hälfte der Hennen in Stall 3 umgestallt. Bis zur Umstallung in die Legefarm, mit etwa 29 Lebenswochen, werden die Tiere auf Hobelspänen gehalten, in der Legefarm erfolgt die Haltung auf Stroh. Im Alter von 17 Wochen wurden im betroffenen Durchgang erhöhte Verluste in Stall 3 beobachtet. Die Tiere dieses Stalles verhielten sich auffallend ruhig, die Futteraufnahme war deutlich niedriger. Hingegen stieg die Wasseraufnahme sowie die Mortalität an. Die Tiere mit klinischen Erscheinungen sowie die verendeten Tiere waren gleichmäßig über den Stall verteilt. Bei der Sektion fielen die für die Schwarzkopferkrankung charakteristischen Veränderungen auf. Die Lebern waren von weißlichen Nekroseherden durchsetzt und die Blinddärme waren stark vergrößert mit geschwollener Wand und einem weißlich-fibrinösen Inhalt (Abb. 1). Weitere Organe waren nicht betroffen. Die mikroskopische und makroskopische Untersuchung auf das Vorkommen von Kokzidien und Nematoden verlief negativ. In je einer Poolprobe aus Lebern und Blinddärmen wurde DNA von Histomonaden und von Blastocystis spp., jedoch nicht von T. gallinarum nachgewiesen. H. meleagridis und Blastocystis spp. konnten auch aus Blinddärmen und Lebern isoliert werden. Die Genotypisierung des Histomonadenstamms mittels C-profiling ordnete den Stamm dem Genotyp A zu (Abb. 2). ABBILDUNG 2: C-Profile der H. meleagridis Stämme. A: 1. Fall, Lebern; B: 2. Fall, Pool aus Lebern und Blinddärmen; die Profile sind identisch und Genotyp A zuzuordnen. Bei den Tieren in Stall 1 und 2 traten weder klinische Erscheinungen noch Mortalität auf. Unmittelbar nach Auftreten des Verdachtes auf die Erkrankung erfolgte eine personelle Trennung der Betreuung der Ställe. Die Tiere in Stall 1 und 2 wurden von einer Person betreut, die Tiere in Stall 3 wurden von einer weiteren Person versorgt. Da der Stall 3 dem Sozialgebäude benachbart ist, betrat die beauftragte Person das Farmgelände wie gewohnt über die Hygieneschleuse. Die Person zur Betreuung der nicht betroffenen Ställe 1 und 2 betrat die Farm, nachdem sie sich zu Hause geduscht hatte und täglich frische Farmbekleidung angelegt hatte, über einen Seiteneingang der Farm, der dem Stall 1 benachbart ist. Auf diese Weise gab es keine Kreuzung der Wege der Personen. Um Morbidität und Mortalität im betroffenen Stall möglichst gering zu halten, wurde das Ergänzungsfuttermittel Spuracid (Klat Chemie, Domersleben, Deutschland) mit einer Dosierung von 2 Liter je 1000 Liter Trinkwasser verabreicht. Spuracid besitzt einen hohen Kupfergehalt, weswegen es eingesetzt wurde, um eine adstringierende Wirkung zu erzielen. Außerdem erhielten die Tiere in allen Hallen über das Futter das pflanzliche Kombinationspräparat Protophyt® (Phytosynthèse, Saint-Bonnet-de-Rochefort, Frankreich) in einer Dosierung von 2 kg/t. Protophyt ist eine Kombination aus Pflanzen (Pflanzenteilen) und ätherischen Ölen (Zimtrinde, Zimtöl, Rosmarinöl, Knoblauch und Zitronenöl). Auf die Verabreichung von Antibiotika wurde verzichtet, da anfänglich eine Schlachtung des Bestandes erwogen wurde. Keine der ergriffenen Maßnahmen zeigte eine Wirkung. Die Verluste in Stall 3 stiegen weiter an, sodass nach vier Tagen bereits ca. 1500 der betroffenen Tiere verendet waren. Die Entwicklung der Mortalität ist in Tabelle 1 dargestellt. Am fünften Tag nach der Erstdiagnose erfolgte die Tötung des Restbestandes aus Stall 3. Anschließend wurde Stall 3 intensiv gereinigt und desinfiziert. Verwendet wurden dabei das aldehydhaltige Desinfektionsmittel TAD CID (Interhygiene GmbH, Cuxhaven, Deutschland) und das kresolhaltige Desinfektionsmittel Neopredisan (Menno Chemie-Vertrieb GmbH, Norderstedt, Deutschland). Im Anschluss wurde eine neue Herde eingestallt. Während des gesamten darauf folgenden Durchgangs trat keine Infektion mit Histomonose auf. Die Tiere in den nicht betroffenen Ställen wurden bis zum Ende der Aufzucht gehalten. Fall 2 Der zweite hier beschriebene Fall ereignete sich vier Jahre später im September 2009 auf der gleichen Farm wie Fall 1 während des siebten Durchganges seit dem erstmaligen Ausbruch der Krankheit. Seitdem wurde der Stall durch einen Bauzaun aus Drahtgitterelementen quer in drei Abteile geteilt. Dies geschah aus technischen Arbeitsgründen, und um im Falle eines eventuellen, erneuten Schwarzkopfausbruches eine Chance auf Begrenzung der Infektion zu haben. Im Alter von 8 Wochen fielen zunächst geringgradige erhöhte Verluste im hinteren Drittel von Stall 2 auf. Die Tiere im hinteren Abteil waren ruhiger, wiesen aber keine weiteren klinischen Symptome auf. Zwei verendete Tiere wiesen bei der Sektion die für Histomonose typischen, pathologisch-anatomischen Veränderungen in Leber und Blinddärmen auf. Andere Organe blieben ohne besonderen Befund. Die mikroskopische und Berliner und Münchener Tierärztliche Wochenschrift 124, Heft 1/2 (2011), Seiten 2–7 TABeLLe 1: Entwicklung der Mortalität nach Auftreten von Symptomen infolge einer natürlichen Infektion mit H. meleagridis von 17 Wochen alten Putenelterntierhennen Tage nach Diagnosestellung 0 1 2 3 4 (bis 08:00 Uhr morgens) 1 Mortalität 15 (0,27 %)1 43 ( 0,77 %) 297 (5,30 %) 425 (7,60 %) 657 (11,73 %) Kumulative Mortalität 15 ( 0,27 %) 58 (1,04 %) 355 (6,34 %) 780 (13,93 %) 1437 (25,66 %) Anzahl Tiere (Mortalität in % bezogen auf die Anzahl der eingestallten Tiere). makroskopische Untersuchung auf das Vorkommen von Kokzidien und Nematoden verlief negativ. Die Tiere der beiden vorderen Abteile zeigten weder klinische Erscheinungen noch Mortalität. In je einer Poolprobe aus Lebern und Blinddärmen wurde DNA von Histomonaden und von Blastocystis spp., jedoch nicht von T. gallinarum nachgewiesen. Beide Parasiten wurden auch aus den Blinddärmen und Lebern isoliert. Die Genotypisierung des Histomonadenstamms mittels C-profiling ordnete den Stamm wie beim ersten Ausbruch Genotyp A zu. Wieder wurde die Betreuung der Ställe personell getrennt. Der betroffene mittlere Stall 2 wurde durch eine Person betreut, die beiden äußeren Ställe durch eine weitere. Das betroffene hintere Abteil wurde nur über die Hintertür betreten und verlassen, nachdem auch das Farmgelände über einen hinten liegenden Eingang betreten wurde, sodass es keine Kreuzung der Wege des Personals gab. Der Betreuer dieses Stalles duschte zu Hause und legte sich täglich frische Farmbekleidung an. Direkt nach der Diagnose wurde zwischen der erkrankten hinteren Gruppe und der mittleren ein weiterer Bauzaun so in den Stall eingebracht, dass ein Korridor von ca. 6 Metern Breite zwischen diesen beiden Gruppen geschaffen werden konnte. Am Tag nach der Diagnose wurden die Hähne aus Stall 1 zu den Hennen des gesunden Stalls 3 gestellt. Die bislang gesunden Hennen aus dem vorderen und mittleren Abteil des betroffenen Stalls 2 wurden in den jetzt leeren Stall 1 gestellt. Sechs Tage nach der Umstallung betrug die Mortalität in dem betroffenen Abteil ca. 65 % (Tab. 2), die noch verbliebenen erkrankten Tiere wurden getötet. Zu diesem Zeitpunkt zeigten nahezu alle Tiere der erkrankten Gruppe deutliche, massive, klinische Erscheinungen. Jedoch gab es immer noch vereinzelte Tiere, die ein vollkommen ungestörtes Allgemeinbefinden aufwiesen. Bei diesen Einzeltieren handelte es sich fast ausschließlich um fehlsortierte Hähne. Alle Hallen der Farm wurden mit Tiamulin (Denagard® 45 % Granulat, Novartis Tiergesundheit, München, Deutschland) über das Trinkwasser behandelt. Die Dosierung lag anfänglich bei ca. 50 mg/kg KGW. Zum Zeitpunkt der Therapie sank der Trinkwasserverbrauch im betroffenen Stall vermutlich wegen des bitteren Geschmacks des Präparates deutlich ab, sodass die Dosierung am zweiten Therapietag halbiert und am siebten Tag auf ein Viertel reduziert wurde. Eine Verbesserung des Krankheitsbildes konnte im Zusammenhang mit der Behandlung nicht festgestellt werden. Neben der antibiotischen Behandlung wurde – wie im ersten Fall – durch die Gabe von Spuracid über die Tränke mit einer Dosierung von 2 Liter je 1000 Liter Trinkwasser versucht den Verlauf zu beeinflussen. Dem Futter wurde für alle Ställe als Zusatz 3 kg/t Histosan 5 (Miavit, Essen i. O., Deutschland), ein Gemisch aus Kräuterextrakten und ätherischen Ölen eingemischt. Nach der Tötung der Tiere wurde der Stall entmistet, gereinigt und mehrmals gründlich desinfiziert. Verwendet wurden dabei wieder das aldehydhaltige Desinfektionsmittel (TAD CID) sowie das kresolhaltige Desinfektionsmittel (Neopredisan). Die in Stall 1 befindlichen Hennen aus dem betroffenen Stall wurden vier Wochen später wieder in Stall 2 zurückgestallt und die Hähne aus Stall 3 wieder zurück in Stall 1. Im weiteren Verlauf wurde keine Wiedererkrankung festgestellt. Diskussion Seit dem Therapie- und Prophylaxenotstand bei Histomonose in der EU sind zahlreiche Fälle der Krankheit bei Puten sowohl in der Mast als auch im Elterntierbereich aufgetreten, was wegen des sehr hohen Hygienestandards in Elterntierbetrieben überrascht. In Deutschland trat in dem Zeitraum zwischen 2004 und 2008 in mindestens 65 Geflügelbeständen, davon 35 Putenbeständen, Histomonose auf (Hauck et al., 2010a). Meistens waren die Tiere zwischen 4 und 11 Wochen alt, und die Mortalität stieg innerhalb einer Woche in den betroffenen Beständen auf über 40 %. Die Infektionsquelle konnte in keinem Fall aufgeklärt werden (Jung et al., 2009; Hafez und Hauck, 2005; Popp und Hafez, 2007). Wegen der geringen Tenazität von im Kot ausgeschiedenen H. meleagridis Trophozoiten wird angenommen, dass die Übertragung des Parasiten von Bestand zu Bestand in Eiern des Blinddarmwurms Heterakis gallinarum erfolgt, in denen H. meleagridis über Jahre infektiös bleibt (Wehr, 1954; Farr, 1956). Des Weiteren können Regenwürmer als Stapelwirte dienen (Lund et al., 1966; Ruff et al., 1970). In vorherigen Fällen in Putenbeständen konnte des Öfteren ein zeitlicher Zusammenhang mit Eintrag von Erdreich in die Farmgebäude hergestellt werden bspw. durch Befahren des Stalles mit dem Schlepper nach vorherigem Fahren auf nicht befestigtem Untergrund (Lister, 2010). In den vorliegenden Fällen konnte dies jedoch ausgeschlossen werden. Bei der Untersuchung der Tiere wurden keine Heterakiden gefunden. Andererseits wäre dies auch bei einem Eintrag mit Eiern von H. gallinarum nicht zu erwarten, da die infizierten Tiere verendeten, bevor die Entwicklung des Blinddarmwurms abgeschlossen sein konnte. Weitere theoretische Möglichkeiten des Eintrags wären infizierte Wildvögel oder eine Verschleppung von Dauerstadien, die elektronenmikospkopisch beobachtet wurden (Munsch et al., 2009), durch mechanische Vektoren wie verschiedene Insektenarten (Huber et al., 2007; Hauck TABeLLe 2: Entwicklung der Mortalität vor und nach Auftreten von Symptomen infolge einer natürlichen Infektion mit Histomonas meleagridis von 8 Wochen alten Putenelterntierhennen. Tage nach Diagnosestellung 0 1 (Umstallung) 2 3 4 5 6 1 Mortalität 6/0,29 %1 34/1,63 % 20/0,96 % 54/2,59 % 184/8,81 % 456/21,84 % 598/28,64 % Kumulative Mortalität 6/0,29 % 40/1,92 % 60/2,87 % 114/5,46 % 298/14,27 % 754/36,11 % 1352/64,75 % Anzahl Tiere/Prozent der Tiere in dem betroffenen Abteil am Tag der Umstallung. 6 Berliner und Münchener Tierärztliche Wochenschrift 124, Heft 1/2 (2011), Seiten 2–7 et al., 2010a; McDougald, 2005). Beide Ausbrüche wurden von Histomonaden des Genotyps A verursacht. Da dies jedoch der am häufigsten bei Puten vorkommende Genotyp ist (Hauck et al., 2010a), lässt sich nicht zwingend auf ein Persistieren des Erregers in dem Bestand bzw. der nahen Umwelt schließen. Weitere Methoden zur Typisierung von Histomonaden stehen zur Zeit leider nicht zur Verfügung. Bei den beschriebenen Ausbrüchen blieb die Krankheit auf einen Stall, ein Stallabteil bzw. sogar auf einzelne Tiere beschränkt. Ähnliche Beobachtungen wurden wiederholt gemacht (Jung et al., 2009; Hafez und Hauck, 2005; Popp und Hafez, 2007). Bei allen beschriebenen Ausbrüchen blieb die Erkrankung immer auf einen Stall beschränkt. Die Tiere in anderen Ställen zeigten keinerlei Symptome. Darüber hinaus ist es sicher auch auf die sofort erfolgte personelle Trennung der Betreuung der Ställe zurückzuführen, dass eine Ausbreitung des Erregers verhindert werden konnte. Wie bei anderen beschriebenen Fällen (Popp und Hafez, 2007) reichte aber scheinbar schon eine Trennung von Stallabteilen mittels Maschendraht, bzw. hier Bauzaun aus Drahtgitterelementen aus, um das Übergreifen der Krankheit von dem hinteren Stallabteil auf die beiden vorderen Stallabteile zu verhindern, obwohl das betroffene Abteil nur über die beiden nicht betroffenen betreten und wieder verlassen werden konnte. Gefallene Tiere wurden durch die gesunden Gruppen hindurch nach vorne getragen. Zwischen den Abteilen erfolgte kein Wechsel des Schuhwerkes und beim Verlassen des Tierbereiches in Richtung Vorraum wurden an den Schuhen haftende Einstreureste meist an der Schwelle zum Tierbereich abgestreift, sodass davon auszugehen ist, dass regelmäßig zumindest geringe Mengen Einstreu aus dem betroffenen Bereich in die gesunden Abteile übertragen wurden. Ein möglicher Grund für die ausbleibende Verschleppung des Erregers ist, dass die Anzahl der so in die anderen Abteile verschleppten Histomonaden zu gering war, um Tiere zu infizieren. Im Tierversuch waren ca. 3000 Parasiten für eine intrakloakale Infektion ausreichend (van der Heijden und Landman, 2008), und es ist möglich, dass diese Infektionsdosis nicht erreicht wurde. Ferner bedingt die geringe Tenazität der Trophozoiten, dass die Infektion schnell nach Absetzen des Kots erfolgen muss. Die Dauerstadien sowie Insekten als Vektoren für Trophozoiten spielen scheinbar unter Feldbedingungen für die Verbreitung des Parasiten innerhalb des Bestandes eine untergeordnete Rolle. Die Rolle, die die nachgewiesenen Blastozysten im Krankheitsgeschehen spielten, ist unklar. Es ist anzunehmen, dass der Nachweis einen reinen Nebenbefund darstellt, da es bisher keine Hinweise auf eine Pathogenität für Geflügel gibt (Tan, 2008). Der Parasit scheint bei Puten weit verbreitet zu sein (Shivaprasad et al., 2005). In zwei weiteren Elterntierbetrieben des Unternehmens, welche an einem anderen Standort liegen, wurden in dem Zeitraum zwischen 2005 und 2009 bei routinemäßig stattfindenden Sektionen aller verendeten Tiere des Betriebes je ein Tier mit den für Histomonose typischen Nekroseherden in der Leber und entzündeten Blinddärmen identifiziert. In deren Lebern und Blinddärmen wurde Histomanden DNA nachgewiesen. Beide Male gehörten die auslösenden Histomonaden dem Genotyp C an. Die Bestände erhielten über das Trinkwasser einsetzbare Ergänzungsfuttermittel, die Kupfersulfat und ätherische Öle enthielten. Im weiteren Verlauf kamen keine weiteren Erkrankungsfälle hinzu, es blieb bei dem jeweils einen an der Schwarzkopfkrankheit verendeten Tier in den beiden Beständen. Diese Einzelfälle traten bei Herden auf, die 32 bzw. 44 Wochen alt waren. Da hier die betroffenen Tiere wesentlich älter waren, als in den beiden Ausbrüchen mit hoher Mortalität, könnte die geringere Mortalität auf das Alter der Tiere zurückzuführen sein. Auch bei den 15 bekannten Fällen in französischen Elterntierbetrieben waren keine Tiere älter als 17 Wochen betroffen (Callait-Cardinal et al., 2007). Andererseits ist auffällig, dass beide Histomonaden-Stämme zum Genotyp C gehörten. Dies könnte ein Hinweis auf eine geringere Virulenz dieses Genotyps sein. Bei bislang beobachteten Ausbrüchen in Putenmastbetrieben in Deutschland waren meist Hähne betroffen und die Erkrankung blieb immer auf einen Stall beschränkt. Die Hennen aus demselben Betrieb und Tiere in anderen Ställen zeigten keinerlei Symptome. Demgegenüber sind im Elterntierbereich nahezu ausschließlich Hennen betroffen, was auch damit zusammenhängen kann, dass einer größeren Anzahl weiblicher Elterntiere nur verhältnismäßig wenige Elternhähne gegenüber stehen. Bei den beschriebenen Fällen wurde auf eine prophylaktische Gabe pflanzlicher Produkte verzichtet, da die Testung verschiedener pflanzlicher Mittel zur Prophylaxe in experimentellen Studien bis jetzt wenige überzeugende Ergebnisse erbrachte. Für das im ersten Fall nach der Diagnose eingesetzte Produkt Protophyt® konnte ein prophylaktischer Effekt im Tierversuch gezeigt (Hafez und Hauck, 2006), in einer weiteren Studie jedoch nicht bestätigt werden (van der Heijden und Landman, 2008). Für das im zweiten Versuch eingesetzte Präparat Histosan liegen keine Erkenntnisse über eine Wirkung gegen Histomonaden vor. Beim zweiten Ausbruch wurden die Tiere zusätzlich mit Tiamulin behandelt, da Burch et al. (2007) über eine erfolgreiche Behandlung der Histomonose mit Tiamulin berichten und eine Wirksamkeit von Tiamulin gegen H. meleagridis in vitro nachgewiesen wurde (Hauck et al., 2010b). Während ein therapeutischer Effekt aller angewendeten Mittel offensichtlich nicht vorhanden war, ist es möglich, dass ihre prophylaktische Gabe in nicht betroffenen Ställen dazu beigetragen hat, die Erkrankung der anderen Tiere auf dem Betrieb zu verhindern. Zusammenfassend zeigen die geschilderten Fälle, dass Histomonose durch bisher nur unzureichend beschriebene Mechanismen auch in Betriebe mit sehr hohem Hygienestandard eingeschleppt werden kann. Bei Auftreten einer hohen Mortalität reichen vermutlich normale Hygienemaßnahmen aus, um ein Umsichgreifen der Erkrankung zu vermeiden. Der Nutzen des Einsatzes verschiedener Mittel nach Ausbruch der Krankheit bleibt hingegen fraglich. Conflict of interest Es bestehen keine geschützten, finanziellen, beruflichen oder anderen persönlichen Interessen an einem Produkt, Service und/oder einer Firma, welche die in diesem Manuskript dargestellten Inhalte oder Meinungen beeinflussen könnten. Berliner und Münchener Tierärztliche Wochenschrift 124, Heft 1/2 (2011), Seiten 2–7 Literatur Burch D, Young S, Watson E (2007): Treatment of histomonosis in turkeys with tiamulin. Vet Rec 25: 864. Callait-Cardinal M, Leroux S, Venereau E, Chauve C, Le Pottier G, Zenner L (2007): Incidence of histomonosis in Turkeys in France since the bans of dimetridazole and nifursol. Vet Rec 17: 581–585. EU (1990): Verordnung (EWG) Nr. 2377/90 DES RATES vom 26. Juni 1990 zur Schaffung eines Gemeinschaftsverfahrens für die Festsetzung von Höchstmengen für Tierarzneimittelrückstände in Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs. Amtsblatt Nr. L 224 vom 18/08/1990: 0001–0008. EU (2002): Verordnung (EG) Nr. 1756/2002 des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 70/524/EWG des Rates über Zusatzstoffe in der Tierernährung hinsichtlich des Widerrufs der Zulassung eines Zusatzstoffes sowie der Verordnung (EG) Nr. 2430/1999 der Kommission. Amtsblatt Nr. L 256 vom 3.10.2002: 1–2. 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