POLITISCHER SONDERBERICHT Chilenischer Präsident und Vorsitzender der UPLA zu Gast in Deutschland Anlässlich des Staatsbesuches des chilenischen Präsidenten Sebastián Piñera besuchte Senator Jovino Novoa, Vorsitzender der Unión de Partidos Latinoamericanos (UPLA), die Hanns-Seidel-Stiftung in München. In Berlin traf die chilenische Parlamentarierdelegation der Regierungsparteien RN und UDI mit Mitgliedern der CDU/CSU-Fraktion zusammen. „Es ist einfach nicht möglich, nach Deutschland zu reisen, ohne dabei München und der HannsSeidel-Stiftung einen Besuch abzustatten“, so der chilenische Senator Jovino Novoa, Vorsitzender der Unión de Partidos Latinoamericanos (UPLA - Regionalorganisation der konservativen Parteien Lateinamerikas). Im Rahmen eines Arbeitsfrühstücks traf sich Senator Novoa mit dem Vorsitzenden der HannsSeidel-Stiftung, Dr. h.c. mult. Hans Zehetmair, dem Bundesminister a.D. Michael Glos sowie dem Leiter des Instituts für Internationale Zusammenarbeit, Christian Hegemer, zu einem Austausch rund um aktuelle Themen im deutsch-chilenischen Verhältnis. Senator Novoa betonte dabei die langjährigen und ausgezeichneten Beziehungen zwischen der UPLA und der Hanns-SeidelStiftung und hob insbesondere die tiefe Verbundenheit seines Landes mit Deutschland und Bayern hervor. Im Rahmen der Zusammenkunft äußerte sich Novoa konkret zu den Herausforderungen und Perspektiven des Landes: Chile auf den Weg in eine sichere Zukunft zu bringen sei eines der wichtigsten Ziele, die sich die neue Regierung unter Präsident Piñera gesetzt habe. Soziale Marktwirtschaft, Chancengleichheit sowie die Förderung der sozialen Integration der gesamten Gesellschaft sind die Richtlinien des Regierungsprogramms. Dank eines umfassenden Maßnahmenpakets der neuen Regierung zur Bekämpfung der Armut im Lande sollen künftig auch die einkommensschwachen Schichten der Bevölkerung an dem Aufwärtstrend teilhaben, den Chiles Wirtschaft gegenwärtig erfährt. Mit der Überwindung der absoluten Armut, einem jährlichen Wirtschaftswachstum von sechs Prozent sowie der Schaffung einer Million neuer Arbeitsplätze strebt die Regierung bis zum Jahre 2018 den Sprung Chiles von einem Schwellenzu einem entwickelten Land an. „Natürlich haben die jüngsten Ereignisse wie das Erdbeben im Februar und das Grubenunglück in der Atacamawüste gewaltige Anstrengungen in vielerlei Hinsicht von uns gefordert“, so Novoa. „Sie haben das chilenische Volk jedoch auch in ganz besonderer Weise verbunden und dabei so manche Brücke geschlagen“. Chile, so der Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung, Dr. h.c. mult. Hans Zehetmair, erfülle gegenwärtig nicht nur wirtschaftlich eine Vorbildfunktion für viele Länder Lateinamerikas, die wie Venezuela, Bolivien und Ecuador unter den Auswirkungen einer linken populistischen Regierung leiden. Umso wichtiger und bedeutender seien daher die Aktivitäten der UPLA, die die konservativen Kräfte in ganz Lateinamerika stärken und insbesondere zur Regierung Chávez in Venezuela ein dringend erforderliches Gegengewicht darstellen. Dies bekräftigte Senator Novoa ausdrücklich und betonte dabei das zunehmend dünnere Eis, auf dem sich Hugo Chávez bewege. Stromausfälle, Versorgungsengpässe sowie die anhaltende Wirtschaftskrise sorgen im Land für mehr und mehr Unzufriedenheit mit der amtierenden Regierungstruppe, was sich deutlich in den jüngsten Wahlergebnissen niedergeschlagen hat. 1 Im Rahmen des Gesprächs mit dem Hauptgeschäftsführer der Hanns-Seidel-Stiftung, Dr. Peter Witterauf, dankte Senator Novoa der Stiftung für die langjährige Arbeit in Chile und Lateinamerika. Novoa betonte, dass die Hanns-Seidel-Stiftung seit über zwei Jahrzehnten eng mit Partnern zusammenarbeite, die Präsident Piñera zum Sieg verholfen haben: Viele Mitglieder des Kabinetts stammen aus Kreisen der langjährigen Partner der Stiftung in Chile. Dr. Witterauf gratulierte zum historischen Wahlergebnis Anfang 2010 und betonte, dass es gerade durch das einheitliche Auftreten der konservativen Kräfte ermöglicht worden sei, erstmals seit Chiles Rückkehr zur Demokratie die Präsidentschaftswahl zu gewinnen. Ebenso sprach er seinen Glückwunsch und seine Anerkennung zur erfolgreichen Rettung der verschütteten Bergleute in der Atacamawüste aus. Im weiteren Verlauf des Gesprächs äußerte sich Senator Novoa zu den Herausforderungen und der politischen Entwicklung Lateinamerikas. Die immer noch großen sozialen Gegensätze und die verbreitete Armut, ausufernde Korruption und Gewaltkriminalität bergen ein hohes Destabilisierungspotenzial. In einzelnen Ländern bedroht die organisierte Kriminalität direkt die Funktionsfähigkeit demokratischer Institutionen, in anderen versuchen sich demokratisch gewählte Präsidenten an der Macht zu halten und den Handlungsspielraum ihrer politischen Gegner einzuschränken. Novoa zufolge unterstützt die Förderung der demokratischen Parteien daher die Bestrebungen zur Konsolidierung der Demokratie und der Bekämpfung des Populismus. Hier leistet die HannsSeidel-Stiftung über die Zusammenarbeit mit der UPLA einen wichtigen Beitrag. In nächster Zukunft hofft Senator Novoa auf äußerst günstige Veränderungen in der Politik des gesamten lateinamerikanischen Kontinents: Während zu Beginn der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts noch ein Linksruck bei vielen Wahlen konstatiert wurde, zeichnet sich seit den jüngsten Abstimmungen nunmehr eine Trendwende ab. In Panama, Honduras, Chile und Kolumbien gewannen politische Parteien die dem Mitte-Rechts-Spektrum angehören die Präsidentschaftswahlen. Anschließend traf Senator Novoa den Vizepräsidenten des Bayerischen Landtages, Reinhold Bocklet sowie Dr. Ingo Friedrich, den stellvertretenden CSU-Parteivorsitzenden und Präsidenten des europäischen Wirtschaftssenats, zu einem Austausch rund um aktuelle Themen der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung in Chile und Lateinamerika. Parlamentariertreffen im Rahmen des Staatsbesuches von Präsident Piñera in Berlin In Berlin kam die chilenische Parlamentarierdelegation mit Mitgliedern der CDU/CSU-Fraktion zusammen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Stefan Müller, MdB und Bundesminister a.D. Michael Glos, MdB agierten als Gastgeber eines Treffens mit den Parteivorsitzenden der Regierungsparteien Carlos Larraín (Renovación Nacional - RN) und Juan Antonio Coloma (Unión Demócrata Independiente - UDI), UDI-Fraktionsleiter der Abgeordnetenkammer Patricio Melero sowie den Senatoren Jovino Novoa (UDI) und Andrés Allamand (RN). Außerdem nahmen am Treffen seitens der CSU unter anderem Dr. Georg Nüßlein, MdB, Dr. Reinhard Brandl, MdB und Stephan Mayer, MdB sowie der Leiter des Büros für Auswärtige Beziehungen der CDU, Bertil Wenger, teil. Die Parteivorsitzenden Carlos Larraín (RN) und Juan Antonio Coloma (UDI) betonten die Freundschaft zwischen der CSU und den Regierungsparteien in Chile und dankten für die langjährige Zusammenarbeit der Hanns-Seidel-Stiftung mit ihren Instituten. Die Arbeit der Stiftung im Bereich der Parlaments- und Kommunalberatung sowie der Ausbildung für junge politische Führungskräfte hat einen maßgebenden Beitrag zur Konsolidierung der Demokratie in Chile geleistet. Über zwei Jahrzehnte diente diese Kooperation auch der Führung einer konstruktiven Opposition, was zuletzt durch den Sieg bei der Präsidentschaftswahl im Januar 2010 von der chilenischen Bevölkerung anerkannt und belohnt wurde. 2 Im Rahmen der Zusammenkunft betonte Senator Novoa, dass die UPLA als regionale Organisation der Internationalen Demokratischen Union (IDU) dazu beiträgt, Lateinamerika in der internationalen Politik und Agenda besser zu verankern. In diesem Zusammenhang strebt die UPLA einen stärkeren Austausch mit europäischen Parteien des Mitte-Recht-Spektrums an. Hierbei soll der CSU eine Schlüsselrolle zukommen. Des Weiteren berichteten die chilenischen Parlamentarier über die Entwicklung der christdemokratischen Partei Chiles und des Parteienbündnisses „Concertación de Partidos por la Democracia“ sowie über die Bestrebung seitens des Präsidenten Piñera, die Verbindung zu den Christdemokraten zu stärken. Ob die bis März 2010 regierende Koalition „Concertación“ in ihrer jetzigen Form weiter existieren werde, sei noch unklar. Zwischenzeitlich gibt es erste Überlegungen einer Neugründung des Parteienbündnisses. So soll es künftig neben den vier Parteien möglichst auch alle weiteren progressiven Kräfte mit einschließen. In Kreisen der Christdemokraten (PDC) begegnet man solchen Überlegungen mit Vorsicht. Nachdem die PDC die „Concertación“ zunächst lange dominiert und angeführt hatte, wurde es in den letzten Jahren für die Partei immer schwieriger, die eigenen Positionen in diesem Parteienbündnis klar darzustellen und die Unterschiede zu den Koalitionspartnern hervorzuheben. Für ganz besonderes Unbehagen sorgte bei einigen Anhängern der Christdemokraten der Pakt mit den Kommunisten bei den jüngsten Parlamentswahlen. Präsident Piñera ist bemüht, Brücken zu den Christdemokraten zu schlagen. Das unmittelbare Ziel ist die Unterstützung der PDC im Parlament, da die Regierungskoalition in keiner Kammer über eine Mehrheit verfügt. In der Parlamentswahl im Dezember 2009 erlangte die Regierungskoalition 58 Sitze in der Unterkammer (120) und 18 im Oberhaus (38). Somit ist die Regierung auf Verhandlungen und Abkommen angewiesen, um ihre Politik umsetzen zu können. In diesem Zusammenhang ist die Haltung der Christdemokraten von besonderer Bedeutung, denn das mittelfristige Ziel ist die Schaffung einer neuen Mitte-Rechts-Koalition. Die Berufung von Jaime Ravinet (Christdemokrat – Verteidigungsminister und Minister für Wohnungsbau unter der Regierung Lagos) zum Verteidigungsminister sowie die Ernennung des ehemaligen Parteivorsitzenden der PDC, Adolfo Zaldívar (2008 von der PDC ausgeschlossen), zum Botschafter in Argentinien sind in diesem Zusammenhang zu verstehen. Dennoch sehen die chilenischen Parlamentsmitglieder der RN und UDI bisher nur in internationalen Themen eine Übereinstimmung mit den Christdemokraten: „Zur Lage der Menschenrechte in Kuba sowie zur Entwicklung in Venezuela teilen wir eine kritische Haltung“. Des Weiteren diskutierten die Teilnehmer die Bereiche der zukünftigen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Chile: “Die Energiepolitik stellt eine große Herausforderung für die weitere Entwicklung Chiles dar. Hier benötigen wir einen regen Meinungs- und Erfahrungsaustausch mit Deutschland”, so der Konsens der Gesprächspartner. HERAUSGEBER: CHRISTIAN J. HEGEMER, LEITER IBZ AUTOR: JORGE SANDROCK / CHRISTINE GRUBER REDAKTION: JORGE SANDROCK / CHRISTINE GRUBER LAZARETTSTR. 33 – 80636 MÜNCHEN – TEL.: +49 (0)89 1258-0 – FAX.:+49 (0)89 1258-359 E-MAIL: [email protected] – HOMEPAGE: WWW .HSS.DE ERSTELLT AM: 26. OKTOBER 2010 3