LEIBNIZ | AUSSTELLUNGEN Fliegen Plagegeist oder Meisterwerk der Natur? Das Berliner Museum Aktuelle Ausstellungen der Leibniz-Gemeinschaft IU1DWXUNXQGHQLPPWGLH)OLHJHXQWHUGLH/XSH 46 Bedrohliches Summen erfüllt die Eingangshalle. Nur die aus dünnen Moskitonetzen genähten Wände des schmalen Korridors, der derzeit in die Sonderausstellung im Berliner Museum für Naturkunde führt, trennen die Besucher von den Insekten: Tausende Fliegen schwirren in zwei Volieren durcheinander. Ein paar Meter weiter machen sich ihre Maden über einen überfahrenen Waschbären her. In etwa drei Wochen werden mehrere Generationen der Tiere den Kadaver bis auf das Skelett zersetzt haben. Wer dieser Tage das Museum besucht, braucht starke Nerven. Zumindest im ersten Moment dürfte er sich in so ziemlich jedem Vorurteil bestätigt fühlen, das Menschen mit Fliegen verbinden. Den Insekten eilt ein miserabler Ruf voraus: Sie sind als nervtötende Plagegeister verschrien, als Schädlinge, die ganze Felder und Obstplantagen befallen, als Krankheitsüberträger, die sich vorzugsweise auf dem frisch gedeckten Frühstückstisch niederlassen, nachdem sie – so die Befürchtung – noch Minuten zuvor im Hausmüll saßen. Doch wer erst den Korridor durchquert, stellt bald fest, dass vielen dieser Vorurteile die Ba- Ozeane – Expedition in XQHUIRUVFKWHQ7LHIHQ bis 16.11.2014 Deutsches Schiffahrtsmuseum, Bremerhaven Kunstwerke im Kleinformat ³'HXWVFKH([OLEULVYRP(QGH GHVELV-DKUKXQGHUWV bis 25.1.2015 Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg Kilometer um Kilometer geht es in die Tiefe. Die Wassermassen wirken hier unten bedrohlich und geheimnisvoll. Und auch die Bewohner der Tiefsee scheinen einer anderen Welt zu ǣ ϐ beispielsweise, dessen Leuchtorgane schummriges Licht ins Dunkel werfen. Solvin Zankl hat ihm und anderen Bewohnern der Ozeane mit der Kamera nachgespürt. Er ist dabei nicht nur in die Tiefsee, sondern auch in farbenprächtige Riffe und das ewige Eis vorgedrungen. Das Schiffahrtsmuseum zeigt Zankls Aufnahmen von Manta-Rochen, Kraken und Pinguinen in einer Sonderausstellung. sis fehlt. Mit der Schau „Fliegen“ zeigt das Naturkundemuseum, dass die Insekten stattdessen eine ganze Reihe faszinierender Eigenschaften aufweisen. Dass sie für Mensch und Natur von elementarer Bedeutung sind. Ein Fünftel der Arten auf der ϐòǡ Diptera: Fliegen oder Mücken, die die Ausstellung ebenfalls beleuchtet. Sie leben in den trockensten Wüsten, den höchsten Gebirgen, den salzigsten Böden und natürlich in der Stadt. Wie stark sie sich trotz dieser Allgegenwärtigkeit unterscheiden, zeigt eine Reihe überlebens- (LQVLFKWHQ)RWRJUDÀHQDXV 6FKOHU]HLWXQJHQGHUHU XQGHU-DKUH bis 14.11.2014 Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung, Bibliothek für Ihr Zweck ist denkbar einfach: Bildungsgeschichtliche ͳͷǤ Forschung, Berlin kennzeichnen Exlibris genannte, in Bücher eingeklebte Papierbögen, wem ein Buch gehört. Sie tun das auf so aufwendige und ästhetische Weise, dass sie schon bald eine künstlerische Gattung bildeten. Albrecht Dürer, Jost Amman und Raphael Sadeler fertigten Exlibris an. Um 1776 radierte Goethe eines für seine Freundin Käthchen Schönkopf. Die Ausstellungsstücke geben nicht nur Einblick in die Vielfalt der Motive und Drucktechniken des Genres, sondern auch in die Gedankenwelt der Buchbesitzer und Künstler. Die Bundesrepublik ist jung, als die Alliierten Schulen und Jugendliche ermutigen, eigene Zeitungen herauszugeben, um so die Demokratisierung Nachkriegsdeutschlands zu fördern. Über 60 Jahre später sind die Schülerzeitungen von damals Zeitdokumente. Die darin veröffentlichten ϐ ¡ ǡ ͳͻͷͲ 1960er Jahren bewegte, wie ihr Alltag aussah, wovon sie träumten. Die Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung zeigt eine Auswahl der Bilder. 3/2014 LEIBNIZ | AUSSTELLUNGEN ǣ ȀǢǢ ǢÚǢǢǢǡ großer Portraits verschiedener Arten, die wie eine Ahnengalerie an den Wänden des Museums hängen. An Außerirdische erinnern die Fliegen darauf: bedrohliche Kiefer, riesige Facettenaugen, behaarte Körper, schillernde Farben. So vielfältig wie ihr Erscheinungsbild sind ihre Fähigkeiten. Wie kann ein so kleines Insekt mit einem so winzigen Gehirn akrobatische Flugmanöver koordinieren und dabei unzählige optische Signale verarbeiten? Das fragen sich Informatiker und beziehen die Fliege als Modellorganismus in ihre Roboterforschung ein. In der Landwirtschaft ernährt heute Fliegen- statt Fischmehl Hühner, Fische und Schweine. In der Medizin säubern Fliegenmaden Wunden. Überhaupt sind Fliegen eine Art Gesundheitspolizei: Sie entsorgen Tierkadaver und beugen so der Verbreitung von Krankheitserregern und Seuchen 3/2014 vor. Ohne die Insekten, das haben Wissenschaftler errechnet, ständen etwa die Bewohner Berlins minimal bis zu den Knien in Hundekot. Fliegen sind nicht nur Forschungsobjekte, Heiler und Nahrungsmittel. Sie lösen auch Kriminalfälle, mitunter überführen sie Mörder. Anhand der Arten, die einen Leichnam besiedeln, der Anzahl der Insekten und des Reifestadiums ihrer Eier und Maden können Kriminalisten Tatort und sogar Todeszeitpunkt bestimmen. Schon manches Alibi wurde so widerlegt. Beim Verlassen der Ausstellung klingt das Summen dank all der neuen Erkenntnisse über seine Urheber fast schon beruhigend. Die Fliege erscheint nun weniger als lästiges Biest. Eher als kleiner und surrender Freund und Helfer. SOPHIE PETER Fliegen bis 15. Januar 2015 0XVHXPIU1DWXUNXQGH Invalidenstraße 43, 10115 Berlin gIIQXQJV]HLWHQ'LELV)U8KU Sa, So und Feiertage: 10 - 18 Uhr www.naturkundemuseum-berlin.de ª0HQVFKO,&+HV9(567(+(1© neue Dauerausstellung Römisch-Germanisches Zentralmuseum, MONREPOS – Schloss der Forscher, Neuwied $UFKLWHN7LHU Fotoausstellung von Ingo Arndt bis 11.1.2015 Senckenberg Naturmuseum, Frankfurt am Main (LQH*HVFKLFKWHIUKHXWH³ Anne Frank bis 31.5.2015 Institut für Zeitgeschichte, Dokumentation Obersalzberg Die Besucher der Ausstellung werden zu Entdeckern auf der Suche nach dem eigenen Ich. Sie reisen durch die frühe Menschheitsgeschichte und erfahren dabei mehr über die Evolution des menschlichen Verhaltens. Wie, wann und warum sind unsere Verhaltensweisen entstanden? Warum sind wir manchmal aggressiv? Und warum essen wir so gern fettes Essen? Diesen Fragen gehen auch die Wissenschaftler von Schloss MONREPOS nach. Ihre Forschungsergebnisse bilden die Grundlage der neuen Dauerausstellung, mit der das Museum nach drei Jahren Sanierung und Neukonzeption wiedereröffnet hat. Dass Baukunst nicht nur von Menschenhand erschaffen wird, zeigt das Beispiel des Bajawebers. In Südostasien webt der Singvogel mithilfe langer, dünner Grashalme hängende Nester, die sogar Tropenstürmen standhalten. In deutschen Wäldern türmen sich die Bauten der Roten Waldameise trotz der winzigen Körpergröße ihrer Erschaffer zu bis zu zwei Metern Höhe auf. Zwei Jahre lang reiste der Naturfotograf Ingo Arndt rund um die Welt, um tierische Architektur zu dokumentieren. In Frankfurt werden seine ϐexponaten aus der Tierwelt präsentiert. An ihrem 13. Geburtstag, dem 12. Juni 1942, beginnt Anne Frank ihr Tagebuch. Bis heute gelten die Aufzeichnungen der òǡ ͳͻͶͷ Bergen-Belsen ermordet wird, ò als intimes Dokument der Lebens- und Gedankenwelt eines jungen Mädchens. 2014 wäre ͺͷden. Die Winterausstellung der Dokumentation Obersalzberg widmet sich ihrer Lebensgeschichte. Sie möchte so zum Nachdenken über Menschenrechte, Pluralismus und Demokratie anregen und Parallelen und Verbindungen zwischen damals und heute aufzeigen. Mehr Sonderausstellungen unserer Forschungsmuseen ÀQGHQ6LHRQOLQH www.leibnizJHPHLQVFKDIWGH LQVWLWXWHPXVHHQ IRUVFKXQJVPXVHHQ leibniz-museenDNWXHOO 47