Der Pneumologe In Zusammenarbeit mit der Süddeutschen Gesellschaft für Pneumologie Organ der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin Elektronischer Sonderdruck für T. Nüßlein Ein Service von Springer Medizin Pneumologe 2015 · 12:426–427 · DOI 10.1007/s10405-015-0931-z © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 T. Nüßlein Frühe und sichere Diagnose der primären Ziliendyskinesie Licht am Horizont Diese PDF-Datei darf ausschließlich für nichtkommerzielle Zwecke verwendet werden und ist nicht für die Einstellung in Repositorien vorgesehen – hierzu zählen auch soziale und wissenschaftliche Netzwerke und Austauschplattformen. www.DerPneumologe.de Pädiatrische Pneumologie Pneumologe 2015 · 12:426–427 DOI 10.1007/s10405-015-0931-z Online publiziert: 9. August 2015 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 Redaktion M. Gappa, Wesel T. Nüßlein, Koblenz M. Rose, Frankfurt T. Nüßlein Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein gGmbH, Akademisches Lehrkrankenhaus der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Koblenz Frühe und sichere Diagnose der primären Ziliendyskinesie Licht am Horizont Originalpublikation Raidt J, Wallmeier J, Hjeij R et al (2014) Ciliary beat pattern and frequency in genetic variants of primary ciliary dyskinesia. Eur Respir J 44:1579–1588 Hintergrund . Die primäre Ziliendyskinesie (PCD) ist eine seltene, in der Regel autosomal rezessiv vererbte Erkrankung, bei der die gestörte Beweglichkeit der Flimmerhärchen zur Ansammlung von Schleim in oberen und unteren Atemwegen führt. Die resultierenden Infektionen mindern Lebenszeit und Lebensqualität. Zudem ist die Fertilität betroffener Männer aufgrund einer verminderten Beweglichkeit der Spermien eingeschränkt. Gut bekannt ist die häufig verzögerte Diagnosestellung. Zudem ist eine große Zahl nichtdiagnostizierter Patienten zu befürchten. Dies liegt unter anderem daran, dass die Analyse des Zilienschlagmusters per Hochfrequenz-Videomikroskopie als entscheidende Methode zur Sicherung der Diagnose nur in wenigen Einrichtungen zur Verfügung steht. Ein Fortschritt wäre mit der klinischen Nutzung molekulargenetischer Erkenntnisse für die Diagnosestellung zu erreichen. Systematische Vergleiche der beiden Methoden sind bisher rar. In der kürzlich publizierten Arbeit stellen J. Raidt und Koautoren die Ergebnisse der Hochfrequenz-Videomikroskopie eines PCD-Patientenkollektivs denen der genetischen Diagnostik gegenüber. Methoden. Die Münsteraner Arbeitsgruppe hat bei 66 Patienten mit gesicherter primärer Ziliendyskinesie respira- 426 | Der Pneumologe 5 · 2015 torisches Epithel mittels Bürstenbiopsie aus der Nase gewonnen und per Hochfrequenz-Videomikroskopie das Zilienschlagmuster analysiert. Bei den gleichen Patienten wurden Mutationsanalysen in den PCD-assoziierten Genen vorgenommen. Ziel war es, Assoziationen zwischen Schlagmuster und Genotyp zu ermitteln. Ergebnisse . In 17 Genen wurden Mutationen gefunden, darunter 19 bisher unbekannte. Die Schlagmuster korrelierten tatsächlich, wie postuliert, sehr gut mit den Genetikbefunden. Die Zilienschlag-Frequenzmessung lieferte keine zusätzlichen Informationen. Schlussfolgerung der Autoren. Raidt und Mitarbeiter der Arbeitsgruppe schließen aus ihren Ergebnissen, dass aus der Hochfrequenz-Videomikroskopie detaillierte Erkenntnisse über die Vielfalt des Schlagmusters gewonnen werden konnten und die angewandten Methoden damit eine Hilfe für die Verbesserung der Diagnose der PCD darstellen. Kommentar Das Dilemma der Diagnostik der PCD war bisher groß: Der spontane Verlauf der Erkrankung ohne gesicherte Diagnose und abgestimmte Therapie ist schwerwiegend. Mit Diagnosestellung kann zumindest der kontinuierliche Verlust an Lungenfunktion abgefangen werden. Der Stellenwert traditionell zur Diagnostik genutzter Methoden, allen voran der der elektronenmikroskopischen Zilienstrukturanalyse, ist geringer als erhofft. Daher kommt dem Beitrag von Johanna Raidt eine große Bedeutung zu. Denn darin wird die als Goldstandard eingestufte Methode der Hochfrequenz-Videomikroskopie, die nur an wenigen Stellen zur Verfügung steht, mit einer grundsätzlich flächendeckend möglichen Diagnostik, nämlich der molekulargenetischen Untersuchung aus einer Blutprobe in Beziehung gesetzt. Das positive und für Patienten wie Behandler sehr erfreuliche Ergebnis der Studie besteht darin, dass ein hohes Maß an Korrelation gefunden wurde. In anderen Worten: Mit der Hochfrequenz-Videomikroskopie lässt sich die genetische Grundlage der PCD beim einzelnen Patienten erahnen und umgekehrt aus der Kenntnis der Mutationen auf das Zilienschlagmuster schließen. Beispielsweise gingen kombinierte Defekte von äußeren und inneren Dyneinarmen mit einer vollständigen Immotilität der Zilien einher, isolierte Defekte der äußeren Dyneinarme waren mit einer minimalen Restaktivität assoziiert und Zilien von Patienten mit DNAH11-Mutationen schlugen hyperkinetisch. Ein i-Tüpfelchen des Artikels ist der Verweis auf allgemein zugängliche Videosequenzen mit typischen Zilienschlagmustern. Fazit Derzeit sind bei weitem nicht alle mit der PCD einhergehenden Mutationen identifiziert. Deshalb darf keinesfalls das negative Ergebnis einer PCD-Mutationsanalyse dazu führen, die Erkrankung auszuschließen. Vielmehr ist bei Vorliegen der in aller Regel sehr typischen klinischen Fachnachrichten Zeichen einer PCD – chronische Sekretretention in oberen und unteren Atemwegen von Geburt an – von der Erkrankung auszugehen, bis eine Hochfrequenz-Videomikroskopie einen zuverlässigen Normalbefund erbracht hat. Anlaufstellen für diese Einschätzung nennt die Website der Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie (http://www.paediatrische-pneumologie.eu/cms/). Jedoch empfiehlt es sich bei diesen typischen klinischen Zeichen der primären Ziliendyskinesie schon jetzt, genetische Diagnostik zu veranlassen, wenn der Goldstandard Hochfrequenz-Videomikroskopie nicht niederschwellig verfügbar ist. Einige kommerzielle Labore liefern rasch solide Befunde. Denn der biallele Nachweis zweier PCD-typischer Mutationen korreliert sehr eng mit dem pathologischen Zilienschlagmuster und erhärtet damit die Diagnose primäre Ziliendyskinesie früh und sicher. Mit der weiterhin erforderlichen Hochfrequenz-Videomikroskopie zur Sicherung der Diagnose primäre Ziliendyskinesie hat es dann keine Eile. Korrespondenzadresse PD Dr. T. Nüßlein Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein gGmbH, Akademisches Lehrkrankenhaus der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Koblenzer Str. 115–155, 56073 Koblenz [email protected] Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt. T. Nüßlein gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren. Literatur 1. Nüßlein T, Brinkmann F, Ahrens P et al (2013) Diagnostik der primären ziliären Dyskinesie. Empfehlungen in Zusammenarbeit mit KartagenerSyndrom und Primäre Ciliäre Dyskinesie e. V. Monatsschr Kinderheilkd 161:406–416 Kortison wirkt über pro-entzündliche Signalwege Entzündungshemmer auf Umwegen Kortison wirkt über pro-entzündliche Signalwege Kommt es, wie bei einer Schocklunge, zu massiven Entzündungsreaktionen im Lungengewebe, helfen Kortison-Präparate dabei, die entzündlichen Prozesse zu unterdrücken. Die molekulargenetischen Mechanismen wie Glucocorticoide ihre therapeutische Wirkung entfalten wurde nun beschrieben. Die Wissenschaftler machten dabei zwei erstaunliche Entdeckungen. Zum einen wird die Kortisonwirkung über Makrophagen vermittelt und zum zweiten bedarf es zur Entfaltung der entzündungshemmenden Wirkung der Aktivierung von pro-entzündlichen Signalwegen. Um bei akuten Lungenverletzung die massiven Infiltration der Lungenbläschen mit Leukozyten zu verhindern, wird Kortison eingesetzt. Dieses sorgt dafür, dass die Barrierefunktion der Gefäßinnenwand wieder hergestellt wird und die Entzündungsreaktionen abklingt. Biologen der Universität Ulm beschreiben nun die molekulargenetischen Mechanismen der entzündungshemmende Wirkung von Kortison in „Nature Communication“. Sie konnten zeigen, dass die Wirkung des Kortisons über Makrophagen vermittelt wird, die damit eine Schlüsselrolle bei der Entzündungshemmung haben. Außerdem beschreiben die Forscher, dass Signalwege aktiviert werden, die bisher eigentlich für ihre pro-inflammatorische, also entzündungsfördernde, Wirkung bekannt waren. In einer weiteren Arbeit in „Genome Research“ untersuchten die Wissenschaftler mit Hilfe von Knock-Out-Mäusen die zelltypspezifische Wirkung des Glucocorticoid-Rezeptors (GR), an den Glucocorticoide, wie das Kortisonpräparat Dexamethason, binden. Je nach Molekülform entfaltet dieser Rezeptor unterschiedliche molekulargenetische Wirkungen. Als Monomer deaktiviert er proentzündliche Genschalter wie die Transkriptionsfaktoren AP1 und NF-κB und als Dimer bindet er an die DNA, um dort selbst Gene zu aktivieren. Damit basiert die therapeutische Wirkung des Rezeptors nicht ausschließlich auf der eigentlich entzündungshemmenden Monomerfunktion des GR , sondern auch darauf, dass die genaktivierende Wirkung des Rezeptordoppelmoleküls für die Unterdrückung entzündlicher Prozesse entscheidend ist. Literaturhinweise: Vettorazzi S, Bode C, Dejager L et al. (2015) Glucocorticoids limit acute lung inflammation in concert with inflammatory stimuli by induction of SphK1.Nat Commun. 6:7796. doi: 10.1038/ncomms8796. Lim HW, Uhlenhaut NH, Rauch A, et al. (2015) Genomic redistribution of GR monomers and dimers mediates transcriptional response to exogenous glucocorticoid in vivo. Genome Res. 25:836-844. doi: 10.1101/gr.188581.114 Quelle: Universität Ulm, www.uni-ulm.de Der Pneumologe 5 · 2015 | 427