Wie kommt der Ochse zur Krippe?

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1 Mt 2,1-12 Lk 2,1-20 Artikel Kemmler
Wie kommt der Ochse an die Krippe?
Weihnachten steht vor der Tür – ein Fest der grossen Freude, eine überbordende Zeit von weihnachtlichen Symbolen in allen Formen und Tönen. Aber
mitten in all dem Glitterrausch drin liegt auch heute noch der wahre Ursprung
hundertfach aus- und übergeschmückt in Bild, in der bildenden Kunst, im Theater, in der Musik und Literatur in jeder Form in der ohne jegliche Ekstase klare
Tatsache: Christus ist geboren, der Heiland, der Erlöser von uns Menschen.
Auch in die historischen Berichte von Lukas und Matthäus haben sich im Laufe
der Zeit, je nach Länder, Kultur, Sitte Vorstellungen über dieses Geschehen
eingeschlichen, die aus der Geburt Jesu eine wunderbar darzustellende Geschichte machen, die unsere Welt jährlich zu verzaubern mag, aber der damaligen Wirklichkeit nicht entsprechen.
Was ist mit dem Stall und Ochs und Esel?
Im Lukasevangelium, Kapitel 2,1 – 20 finden wir die nüchterne Ueberschrift:
„Die Geburt Jesu. Es begab sich aber, während sie dort waren, da vollendeten
sich die Tage, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil sie in der Herberge keinen Platz fanden.“
Was ist mit der Herberge gemeint, in dem Josef und Maria keinen Platz fanden? Die dramatische Szene in jedem Krippenspiel! Das Wort im griechischen
Urtext für die weihnachtliche Herberge heisst eigentlich ganz allgemein Wohnraum – wie in Lukas 22,11f., wo Jesus mit seinen Jüngern in einem Zimmer das
Passahmahl feierte. Im Unterwegssein bedeutet ein anderes griech. Wort dann
eher Absteigequartier. Diese Art von Herberge finden wir dann in Lk. 10,34, wo
der barmherzige Samariter den Verletzten in eine Herberge bringt.
Nach dem Weihnachtsbericht wohnten Josef und Maria bereits in Bethlehem in
einem Hause: „während sie dort waren/sich aufhielten, da vollendeten sich die
Tage, dass sie gebären sollte.“ (Lk. 2,6). Sie kamen nicht völlig erschöpft mit
dem Esel nach Bethlehem, wie viele Maler diesen mühsamen Gang darstellten.
Fast jede Bilderbibel schmückt dies als Tatsache in Empathie heischender Weise aus.
Mit der Herberge ist hier eher ein Privathaus gemeint ist, welches damals bei
einfachen Verhältnissen oft nur aus einem einzigen Zimmer bestand. Bei einem
Bauernhaus konnte man vielleicht mit einem separaten Gästeraum rechnen.
Mehr können wir aus dem Lukasevangelim nicht entnehmen. In diesem Hause
wurde es eng – weil ja vermutlich viele Bethlehemiten wegen der Steuereinschätzung „heim“ kamen. „Als nun die Zeit kam, da das Kind geboren werden
sollte“, genügte der Platz im mit andern Menschen gefüllten Zimmer für den
Vorgang der Geburt des Kindes nicht mehr. Die Vorstellung, dass Maria und
Josef am Weihnachtsabend überall vergeblich auf verschlossene Türen stiessen, trifft unser mitfühlendes Mitleid: „Wer klopfet an, o zwei gar arme Leut’ ...!“
ist aber historisch nicht belegt.
Maria und Joseph suchten sich offenbar für die Geburt eine Notlösung, eine
Notunterkunft, welche mit dem Symbol Krippe oder Futtertrog beschrieben wird
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(Luk. 2,,7). Damit ist schon deutlich, dass die Geburt Jesu ausserhalb des
menschlichen Wohnraumes stattgefunden hat.
Bei der Uebersetzung Krippe, Futtertrog, wie aus Lk 13,15 hervorgeht, handelt
es sich um einen ausgehöhlten hölzernen Trog, worin den Pferden, Rindern
und Eseln das Futter vorgesetzt wurde. Wo befand sich diese Krippe? In der
Geschichte der Auslegung hat man zwei Möglichkeiten diskutiert.
Auf der einen Seite dachte man sich diese Krippe in einem privaten palästinensischen Haus, wo die Tiere mit den Menschen oft unter einem Dach hausten.
Im einfachen Haus stand auch die Krippe, der Futtertrog im Wohnraum. Aber,
wenn das auf Jesu Geburtsplatz zuträfe, müssten wir dann nicht anstelle von
„Sie hatten keinen Platz ...“ eigentlich erwarten sie hatten auch sonst keinen
Platz ... als eben in der Krippe, im Stall? Wären sie in einer Gast-Stätte einquartiert gewesen, dann hätte diese wahrscheinlich einen Stall für die Reittiere
der Besucher gehabt. Und wenn Lukas mit 2,7 aufhören würde, dann wäre es
tatsächlich nahe liegend daran zu denken, dass in diesem Falle Josef und Maria sich in einem solchen Stall eingerichtet hätten.
Aber – der nächste Vers, Lk. 2,8, beginnt mit: „Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde...“. Da wird doch angedeutet: Krippe und Kind sind
nicht unmittelbar in Bethlehem, sondern in der Gegend dieser Hirten zu finden.
Und wenn sie in Lk. 2,15 sagen: „Lasset uns doch nach (griech. bis/Richtung)
Bethlehem gehen und diese Sache sehen, ...“, dann ist hier der Ort als die
weiteste Distanz angegeben. Sollte es möglich sein, dass ihnen der Ort sogar
bekannt war – ja, ihnen dieser Ort sogar gehörte?
Der Text weist auf einen Ort im Umkreis der Hirten hin, den sie ohne grosses
Suchen finden konnten: „Lasset uns hingehen ...“. Die Schafweiden lagen damals im Osten nach der Wüste hin. Wenn sie von dort aufbrachen, mussten sie
hinauf zur felsigen, von Grotten unterhöhlten Anhöhe gehen, die heute die Geburtskirche trägt. Damit befinden wir uns bei der Ueberlieferung, die am wahrscheinlichsten ist: Die Krippe befand sich in einer Höhle. Auch die Lokaltradition
verweist auf eine Höhle als Stätte der Geburt seit apostolischer Zeit. Da die
Herden im Freien waren (Luk. 2,8), konnte die leer stehende Höhle, die sonst
als Stall diente, Notunterkunft sein. Das könnte auch erklären, dass die Hirten
sofort verstanden, wo sie das Kindlein finden würden. Dass der Stall als Symbol
von Geborgenheit, Wärme und Schutz in unserer heutigen Zeit noch das Herz
berührt, das muss mit der Botschaft der Liebe Gottes zu tun haben – eines dieser wissenschaftlich nicht deutbaren Wunder!
Die bildliche Darstellung mit Ochs und Esel in der Geburtsszene wurde erst ab
Mitte des 4.Jh. eingeführt durch eine Kombination der Erwähnung der Krippe
mit der Klage Gottes in Jes 1,3: Der Ochse kennt seinen Meister und der Esel
die Krippe seines Herrn (kyrios – wie Lk 2,11!), Israel hat keine Einsicht, mein
Volk hat keinen Verstand.“
Die Krippe können wir betrachten als Ausdruck des Kontrastes zwischen dem
Thron des Welt-Herrschers, dem damaligen Kaiser Augustus und des WeltErlösers Jesus, unserem ewigen Herrn, als Zeichen seiner verborgenen und
niedrigen Geburt, der nur die Krippe hatte, „wo er sein Haupt hinlegen konnte.“
Luk. 9,58.
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Wie führt der Stern zum Stall?
Im Matthäusevangelium 2,1-12 lesen wir über: Die Weisen aus dem Morgenland. Von Kindheit an, aus Legenden und aus dem jährlichen Weihnachtskommerz kennt man die vertraute Geschichte: Drei Könige kommen zur JesusKrippe.
Wer sind sie eigentlich, diese Männer? Im Griechischen steht der Begriff magoi.
Es wird angenommen, dass sie aus Babylon, dem heutigen Irak gekommen
sind als Angehörige der persischen Priesterkaste, also Heiden, die als solche
fast die gleiche Rolle in Persien spielten wie die Leviten in Israel. Weise werden
sie mit Recht genannt, weil sie Wissenschaftler, vor allem aber Fachleute für
Astronomie und Astrologie waren, dazu auch Traumdeuter.
In der Zeit um Jesu Geburt verlor der alte Götterglaube mehr und mehr an Bedeutung. An seine Stelle trat der Glaube an die Abhängigkeit vom Schicksal
und damit von den Sternen, die nach dem Verständnis der damaligen Menschen das menschliche Schicksal verwalten und verkündigen. So wurden die
Priester des Götterkultes zunehmend durch Astrologen ersetzt, die nun für Arm
und Reich zu Ratgebern in Lebensfragen wurden. Astrologie wurde (und ist
immer noch) eine weit verbreitete Religion.
Erforschte die Astronomie die Gesetzmässigkeiten der Sternenwelt, so war es
die Astrologie, die ihre Sprache und ihre Botschaft deutete. Die Welt der populären heidnischen Religion, aus der die magoi kamen warwurde zur Begegnung
mit der Offenbarung Gottes durch die Geburt Jesu. Dass diese magoi in Mt.
2,11 Jesus fussfällig (auf dem Boden ausgestreckt) angebetet haben, bedeutet
nichts anderes als die Unterwerfung ihres Sternen- und Schicksalsglaubens
unter diesen Erlöser der Welt.
Dass es sich um drei Weise handelt und dass sie sogar Könige seien – ist eine
spätere Legende, die eingeflochten wurde in die Geburtsgeschichte anhand
alttestamentlicher Stellen wie Jes. 72,10f, wo von Königen die Rede ist, die
dreierlei verschiedene Gaben dem König von Israel bringen. Ihre Namen Kaspar, Melchior und Balthasar tauchen erst im 6.Jh. auf. „Wir haben seinen Stern
gesehen,“ sagten die Weisen. Wie ist das möglich? Die Feststellung, die von
einer Konjunktion von Jupiter und Saturn im Sternbild der Fische ausgeht, ist
auch heute weiterhin eine mögliche Erklärung. Sie geht zurück auf den berühmten Astronomen Johannes Kepler im 17. Jahrhundert, wurde dann vergessen, bis man 1925 eine babylonische Keilschrift-Tontafel entzifferte, die sich als
ein Sternenkalender der Sternwarte von Sippar (am Euphrat) entpuppte, der eine 3–5 malige Konjunktion von Jupiter und Saturn im Tierkreiszeichen der Fische im Jahre 7 v.Chr. mit genauen Daten notiert.
Was veranlasste aber diese babylonischen Sterndeuter, die ca. 1200 Kilometer
lange gefährliche Reise gerade in Richtung Jerusalems anzutreten? Für diese
Astronomen/Astrologen bedeutete Jupiter der Königsstern, Saturn wurde als
Stern der Juden bezeichnet auf der Grundlage von 4. Mose 24,17, einer Prophetie Bileams: „Ich sehe ihn, doch nicht schon jetzt, ich erschaue ihn, doch
nicht schon nah; es geht auf ein Stern aus Jakob, ein Szepter erhebt sich aus
Israel.“ Diese Prophetie war bekannt in Babylons astronomischen Kreisen, weil
wenige Jahrhunderte vorher viele Juden in die babylonische Gefangenschaft
geführt wurden. Ihre Messiaserwartung war den Astronomen bekannt. Das
Sternbild der Fische (als das letzte im Tierkreis) wurde als Zeichen der Welt3
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Endzeit gedeutet. Deshalb wurde möglicherweise die spezielle Konjunktion von
Jupiter und Saturn aus diesem Verständnis der Zeit heraus gedeutet: ein mächtiger Herrscher, ein Weltherrscher der Endzeit wurde den Juden in Palästina
geboren.
Geben wir dem Reichtum der Vorstellung, wie es wohl war, Raum, solange das
eine durchklingt: „Ich steh an deiner Krippe hier, o Jesu du mein Leben.“ Dann
wird die wunderbare musikalische Ausschmückung mein Bekenntnis.
Dieter Kemmler
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