Die Pflanzen der Bibel im Botanischen Garten Dresden

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Die Pflanzen der Bibel im Botanischen Garten Dresden
Eine Führung am 11. April 2017 – 33 interessierte Seniorstudenten sind begeistert.
„Welche Pflanze ist als erste in der Bibel namentlich erwähnt?“ Etwas ratlos schaut
die Seniorengruppe drein. „Der Apfel?“, kommt es zaghaft aus der hinteren Reihe.
Dr. Barbara Ditsch schüttelt den Kopf und klärt die Teilnehmer an der Führung im
Botanischen Garten auf: Es ist der Feigenbaum, vor dem 33 Hörerinnen und Hörer
der Seniorenakademie Dresden gerade stehen. Die wissenschaftliche Leiterin der
gärtnerischen Forschungsstätte der TU Dresden verweist auf die Paradieserzählung
im Alten Testament. Denn nachdem Adam und
Eva die Frucht vom Baum der Erkenntnis gegessen hatten, wurden sie sich ihrer Nacktheit
bewusst. „Sie hefteten Feigenblätter zusammen
und machten sich einen Schurz.“ Das wäre an
diesem Apriltag unmöglich, der Strauch steht
kahl im kühlen Sonnenlicht. Einige Feigenkapseln halten sich fest am Geäst. Barbara
Ditsch pflückt eine kleine Frucht, knackt die
Schale und zerteilt das Fleisch bis sie die Blüten
freilegt. Die Runde schaut auf winzige, dünne,
zarte Fäden.
Für Frieden und Wohlstand steht die Feige. Die
Herkunft der Wildform dieser Bäume ist
unbekannt. Vermutet wird, dass ihre Heimat
Südwestasien am Kaspischen Meer ist. Im
Mittelmeerraum wurde die Feige kultiviert. Sie
wächst auch in Deutschland, beispielsweise im
Breisgau, im Weinbaugebiet der Pfalz, im
Dresdner Elbtal und auf Helgoland.
Schilder informieren über die erste Pflanze in
der Bibel, die gleichzeitig die erste ist beim thematischen Rundgang zu Pflanzen der
Heiligen Schrift im Botanischen Garten. Im zeitigen Frühling haben die Mitarbeiter
nur wenige Hinweise angebracht. „Bis Juni werden wir 30 Tafeln zu Pflanzen der
Bibel aufgestellt haben“, sagt Barbara Ditsch. Die Idee entstand übrigens in
Vorbereitung des Kirchentages 2014 in Dresden.
Wenige Schritte weiter stehen die Teilnehmer der Führung vor einem stattlichen
Baum. Die Atlas Zeder hat wahrscheinlich schon seit Bestehen des Botanischen
Gartens 1890 hier ihren Standort und gehört damit zu den ältesten ihrer Art in
Deutschland. Gut kann man sich vorstellen, dass die Zeder Stabilität und Stärke
symbolisiert. Das Holz ist haltbar und wohlriechend, gerade recht für den Bau von
Tempeln und Palästen, für wertvolle Möbel-Furniere und Wandgestaltungen. Dieses
Nutzholz wird in der Schrift immer im Zusammenhang mit dem Libanon genannt,
denn in Israel wächst die Zeder nicht. Recht gute Bedingungen hat das Prachtexemplar im Botanischen Garten. Barbara Ditsch bückt sich unter seinem ausladenden Geäst und hebt etwas auf: „Zedern werfen keine Zapfen ab, sondern
einzelne Samenschuppen“, zeigt sie ihren Zuhörern.
Wie bitte? Dieser kahle Strauch mit fadennudeldünnen Zweigen ist ein Christusdorn?
Mit den stacheligen Gesellen und seinen rosa
Blüten, die sich auf hiesigen Fensterbrettern
wohlfühlen, hat der kahle Busch so gar keine
Ähnlichkeit. „Die Zimmerpflanze ist ein Wolfsmilchgewächs und hat mit dem Gewöhnlichen
Christusdorn, der zu den Kreuzdorngewächsen
gehört, nichts zu tun“, sagt Barbara Ditsch.
Ursprünglich stammt der Strauch aus dem südlichen Europa, bis hin nach Asien. Die anspruchslose Pflanze gedeiht in Höhen bis zu
3000 Metern. Möglicherweise wurde Paliurus
spina-christi für die Dornenkrone von Jesus von
Nazareth verwendet. So ganz sicher ist das
aber nicht. Sie könnte auch aus der Dornigen
Pimpernelle, dem Purgier Kreuzdorn oder dem
Weißdorn gefertigt worden sein.
Viel ist von den rosa Blüten des Mandelbaums
im April im Botanischen Garten noch nicht zu
sehen. Dennoch gehört er zu den ersten im
Frühling, die eine üppige Blütenpracht entfalten. Vom Nutzen der Mandelkerne
abgesehen, verkündet der Baum eine biblische Botschaft: Aarons Stab trieb
Sprossen, brachte Blüten und reifte Mandeln in einer Nacht. Ein schönes Bild, wie
der Herr Jesus aus dem Grab aufersteht und für seine priesterlichen Aufgaben bereit
ist. (Moses)
Der Granatapfel wächst an einem sommergrünen Strauch, der blattlos die
Seniorinnen und Senioren begrüßt. Sie erfahren, dass er vor allem in West- und
Mittelasien kultiviert wird. Schon in der Antike galt er bei den alten Griechen als
Fruchtbarkeitssymbol. Im Alten Testament wird der Granatapfel mehrfach erwähnt,
auch hier steht er für Fruchtbarkeit und Leben. Er soll 613 Kerne haben, genauso viel
wie das Alte Testament Gesetze enthält. Viele Kerne, viele Nachkommen. Barbara
Ditsch sieht das Vermächtnis der roten Frucht so: „Rot ist die Farbe der Liebe, keine
Erfindung von Coca Cola oder den Jüngern des Valentinstags.“
Immergrüne Eichen schützen
in Palästina Tempel und
Paläste mit ihrer ausladenden
grünen Krone. Das harte Laub
bewahrt vorm Verwelken. Hier
im Botanischen Garten schaut
die Gruppe allerdings auf
einen nur reichlich einen Meter
hohen Busch. In unseren
Breiten hat es diese Bibelpflanze schwer, die kalte
Jahreszeit schadlos zu überstehen. „Der Schnee in diesem Winter hat Schäden an
unserer Eiche weitgehend verhindert“, sagt Barbara Ditsch.
In der Nachbarschaft auf einer Wiese reckt ein Maulbeerbaum seine kahlen Äste in
den Himmel. Beheimatet ist dieser Baum in Persien, seine weißen und schwarzen
Beeren schmecken süß. Die Symbolik des Maulbeerbaums ist für die Christen von
besonderer Bedeutung. Im Lukas Evangelium 17,6 heißt es: „Der Herr erwiderte:
Wenn Euer Glaube auch nur so groß wäre wie ein Senfkorn, würdet ihr zu dem
Maulbeerbaum hier sagen: Heb dich samt deinen Wurzeln aus dem Boden und
verpflanze dich im Meer! Und er würde Euch gehorchen.“ Mit anderen Worten, die
Kraft des Glaubens versetzt Bäume, selbst jene mit starken Wurzeln wie der
Maulbeerbaum.
Barbara Ditsch lotst die Teilnehmer der Führung zu einem Baum mit glatter, gräulichbrauner Rinde. Er wird von den meisten erkannt – der Walnussbaum. Wie beim
Mandelbäumchen erfüllt auch dieser zwei Aufgaben. Er ernährt seine Leute und lehrt
sie. Augustinius von Hippo (354 – 430), der theologische Schriften verfasste, deutete
die Walnuss so: In der scharf schmeckenden Hülle verbergen sich die bitteren Leiden
Jesu. Die harte Schale sei das Holz des Kreuzes, das ihm das ewige Leben ermöglicht und die verborgene Süße des Kerns symbolisiert die lebens- und liebensspendende Natur des auferstandenen Erlösers.
Am Beet mit ersten sprießenden Getreidehalmen macht Barbara Ditsch auf die
besondere Nähe der Menschen der damaligen Zeit zur Natur aufmerksam. „Sie
waren viel näher dran und viel mehr von den Launen der Umwelt abhängig“, sagt sie.
Gerste, Weizen, Zwiebeln, Linsen gehörten beispielsweise zu den wichtigsten
Lebensmitteln und fanden Erwähnungen in der Bibel.
Dieser Apriltag hat nichts
Frühlingshaftes, Hände und
Füße werden langsam kalt. Gut,
dass es jetzt ins kuschlig feuchtwarme Gewächshaus geht. Die
große Gruppe drängelt sich um
eine Papyrus-Pflanze. Einige
Stängel sind gekappt, zwei, drei
wachsen mit kräftigen grasartigen Wedeln an der Spitze
etliche Zentimeter über die
Köpfe. Die Papyrus-Staude
gehört zu den Sauergräsern.
Barbara Ditsch erklärt, wie der
Beschreibstoff des Altertums hergestellt wird: Das Mark des Pflanzenstängels wird in
Streifen geschnitten, kreuzweise übereinander gelegt und gepresst. Der Klebsaft der
stärkehaltigen Pflanze hält die Schichten zusammen.
Und der Bezug zur Entstehungszeit des Christentums? Die Mutter von Moses hat
ihren Sohn als Säugling in ein Papyruskörbchen gelegt und einem Fluss anvertraut –
aus Angst um das Leben des Kindes. Das Wasser hat das Schiff getragen. Durchaus
möglich. „Denn das Innere des Stängels ist wie ein Strohhalmbündel. Die Luft trägt
und die harte Hülle weist das Nass ab“, erklärt Barbara Ditsch.
Gleich um die Ecke der nächste Halt. Barbara Ditsch reicht geknickte Blätter zum
Riechen in die Runde. Nichts. Der typische aromatische Geruch fehlt dem Laub des
Zimtbaums. Der Duft entfaltet sich erst, wenn fingerdicke Triebe aufgeschlossen
werden. Das bekannte Duftaroma sorgte zu Zeiten von Jesus vor allem für wohlriechende Räume und Kleidung. Das Gewürz aus der Rinde des Zimtbaums wird als
Bestandteil des Heiligen Salböls verwendet.
Ganz besonders stolz ist der
Botanische Garten auf einen
eher unscheinbaren, etwa
einen halben Meter hohen
Strauch. Die Weihrauchpflanze, die im Kakteenhaus ihr
Zuhause hat, braucht das
ganze Geschick der Gärtner,
um in unserem Klima zu überleben. Die Wüstenpflanze
bevorzugt extreme Trockenheit
und steht deshalb im Botanischen Garten immer auf einer
Heizmatte. Weihrauch braucht
aber zum Treiben Wasser. „Hier kommt es auf den richtigen Zeitpunkt an“, sagt
Barbara Ditsch. Der Weihrauch, der beispielsweise zu Heiligen Messen vor allem in
der römisch-katholischen und in orthodoxen Kirchen, geschwenkt wird, entsteht
durch das Anzünden des luftgetrockneten Gummiharzes der Pflanze.
Text und Bilder:
Gudrun Buhrig
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