„Der Wut ins Auge sehen.“ Das aggressive Kind und ich 2.0 OA Joachim Perlberg, Tagesklinik für KJPP Luth. Wittenberg (Träger: SALUS gGmbH Fachklinikum Bernburg) Workshop zur Regionalen Fachtagung am 30.11.2011 in Neubrandenburg OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 1 ABLAUF 1. 2. 3. 4. 5. Kurzvorstellung Tagesklinik Wittenberg Bedeutung und Wirkung der Aggression Psychodynamische Sicht auf Aggression Fallbeispiel: „CONRAD“ Aggressionsminderndes Verhalten bei uns OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 2 1. Kurzvorstellung Tagesklinik Wittenberg OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 3 1. Kurzvorstellung Tagesklinik Wittenberg OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 4 1. Kurzvorstellung Tagesklinik Wittenberg OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 5 Fernsehfilm „Wut“ (2006) OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 6 2. Bedeutung und Wirkung der Aggression Expansive Störungen sind der häufigste Aufnahmeanlass in KJPP Hyperkinetische Störung des Sozialverh., Störungen des SV, Kombinierte Störungen des SV und der Emotionen, Persönlichkeitsentwicklungsstörungen u.a. OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 7 2. Bedeutung und Wirkung der Aggression Aggressivität ist ein unmittelbar bedrohliches Phänomen für Jeden Bedroht die Therapie, die Therapeuten, die Pflegekräfte, die Mitpatienten, das Mobiliar, das Setting insgesamt … Wirkt auch gesellschaftlich so „störend“, dass Handeln unverzichtbar erscheint diplomatische, wirtschaftliche und bewaffnete Konflikte, Kriege, Genozid… OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 8 2. Bedeutung und Wirkung der Aggression Aggressivität ist stark persistierend: über 40% der Kinder behalten diese Störung bis ins Erwachsenenalter Aggressivität führt zu enormen ideellen und materiellen Einbußen Aggr. wird habituiert und perpetuiert Ursachen für destruktive Aggressivität lassen sich nicht pädagogisch beseitigen OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 9 2. Bedeutung und Wirkung der Aggression Zunehmendes gesellsch. Bewusstsein für soziale Entstehungsmechanismen von A.: Armut, schulische Belastung/Konkurrenz, familiäre Risiken, Wegbrechen von Rahmenbedingungen (Werten, Normen), individuelle und strukturelle Traumata… Bertolt Brecht: „Der reißende Fluss wird gewalttätig genannt. Aber das Flussbett, das ihn einengt, nennt keiner gewalttätig.“ OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 10 2. Bedeutung und Wirkung der Aggression Klaus Hurrelmann: 8-10 % aller Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren von mindestens einer Form schwerer Gewaltausübung in der Familie betroffen („Opfer“) Körperliche Gewalt tritt bei bis zu 15 % der Kinder + Jugendlichen auf („Täter“) Bei 10 % psychische und verbale Gewalt Altersschwerpunkt um das 15. Lebensjahr OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 11 2. Bedeutung und Wirkung der Aggression Starke Jungenwendigkeit bei der offenen (expansiven) Aggressivität: historisch, soziologisch und psychosexuell bedingt Mädchen nicht weniger aggressiv, aber eher mit dem eigenen Körper als „Kampfplatz“ (psychosomatische Störungen!) Aktuell allmähliche Annäherung beider Formen zwischen den Geschlechtern! OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 12 3. Psychodynamische Sichtweise „Jedes seelische Symptom, jede Verhaltensauffälligkeit hat eine symbolische oder direkte Bedeutung“ Symptome sind entweder Ausdruck von Reifungskrisen oder von Konflikten Aggression im pathologischen Sinne dient immer dem Ausgleich von Spannungszuständen, die als narzisstisches Leck empfunden werden OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 13 3. Psychodynamische Sichtweise In letzter Zeit deutlich zunehmende Zahl „ich-struktureller Störungen“ mehr Aggressivität durch massive Konflikthaftigkeit der Beziehungen z.B. bei Borderline-Persönlichkeitsstörungen u.a. schwere Störungen sozialer Funktionen gehen immer auf narzisstische Defizite zurück (Hintergrund: Traumata) OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 14 3. Psychodynamische Sichtweise „Wendung vom Passiven ins Aktive“ (Freud) durch Aktivsein wird das Anfluten von Hilflosigkeit und Ohnmachtsgefühlen abgewehrt ► Verhinderung einer depressiven Reaktion! so ist aktiv aggressives Auftreten = Schutz vor Depression und Verzweiflung! Cave: Gehorsam, Überanpassung… OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 15 3. Psychodynamische Sichtweise Sonderformen aggressiven Verhaltens a) physiologische Krisenhaftigkeit zur Abwehr von Angst + Scham (z.B. Adoleszenz) b) Introjektion von Angreifer-Anteilen zum Erträglichmachen der Hilflosigkeit („Identifikation mit dem Aggressor“) c) Selbstzerstörung als dissoziativmasochistische Wendung von Aggression OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 16 3. Psychodynamische Sichtweise Ist Aggressivität angeboren oder reaktiv?? neuere Forschung (Kohut, Mentzos u.a.): die nicht-destruktive Aggressivität ist angeboren, dient der Exploration/ Eroberung der Umwelt; die feindselige Destruktivität ist durch exzessive Unlust bzw. Traumatisierung bedingt (nur beim Menschen!) OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 17 3. Psychodynamische Sichtweise Thomä und Kächele: „Banal erscheinende Kränkungen gewinnen erst durch unbewusste Phantasien (Übertragungen) den Charakter einer schweren Bedrohung und setzen destruktive Prozesse in Gang. Nur der Mensch besitzt die Fähigkeit, stetig zu phantasieren, und hat so den Feind ständig vor dem inneren Auge.“ Dies gilt v.a. im Falle früher Regulationsstörungen zwischen Kind und Bezugsperson narzisstische Verletzung OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 18 3. Psychodynamische Sichtweise Deshalb gilt Paul Watzlawick: „Man kann bei der Wahl seiner Eltern gar nicht vorsichtig genug sein.“ OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 19 3. Psychodynamische Sichtweise Depressionen sind bei Jungen nicht seltener als bei Mädchen, sondern eher von lärmendem Agieren überdeckt Männlichkeitsrituale in patriarchalen Kulturen („Gewalt legitimierende Männlichkeitsnormen“) „Die Symptome von Deprivation und Delinquenz stellen für die Gesellschaft eine ebenso große Bedrohung dar wie die Atombombe.“ (Donald Winnicott) OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 20 3. Psychodynamische Sichtweise von allen menschlichen Regungen ist es v.a. die Aggression, die verborgen, maskiert, umgangen und äußeren Ursachen zugeschrieben wird Der „Vaterhunger“ beim Fehlen einer männlichen Identifikationsfigur führt oft zu „hyperphallischem“ (machohaftem) Auftreten OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 21 3. Psychodynamische Sichtweise Winnicott: Aggression ist entweder - direkte oder indirekte Reaktion auf Enttäuschung bzw. Verletzung - eine der beiden Hauptquellen der Energie des Menschen (lebenserhaltend!) → THESE: aggressive und nicht aggressive Menschen haben die gleiche Energie, gehen nur verschieden mit aggressiven Regungen um OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 22 3. Psychodynamische Sichtweise All das, was Leute vor Gericht bringt, kommt auch als normale Entwicklung in der Säuglings- und Kleinkindzeit vor. Kind ist nur dann grenzüberschreitend, wenn es Vertrauen zu Vater und Mutter hat: sichere Bindung - Exploration Grenzüberschreitung - Lernerfahrungen → Bedarf an Liebe und Struktur (Rahmen) OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 23 3. Psychodynamische Sichtweise bei Verlust der stabilen Familie sucht sich das Kind den Rahmen im Verwandtenund Freundeskreis, Schule/Verein/Peergroup u.ä. bei deren Versagen oder Zurückweisung muss die „äußere“ Gesellschaft/Öffentlichkeit herhalten Hintergrund: realer Verlust („Deprivation“) an Zuwendung/Vertrauen als Kleinkind OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 24 3. Psychodynamische Sichtweise „Das Wesensmerkmal des deprivierten Kindes ist Hoffnungslosigkeit“ (D. Winnicott) Aggressive Grenzüberschreitungen sind demnach Ausdruck von Hoffnung des deprivierten Kindes – in Phasen von Hoffnung handelt das Kind antisozial (wie das Kleinkind die Grenzen seiner Eltern zu sprengen sucht) → THERAPIE möglich! OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 25 3. Psychodynamische Sichtweise stirbt dagegen die Hoffnung, folgen depressive Einbrüche, chronische Gefühllosigkeit, Rückzug Aggressivität ist dann ein Therapiefortschritt!!! OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 26 4. Fallbeispiel „Conrad“ Biographische Anamnese: 7. von 8 Kindern, davon bei Geburt nur noch ein Geschwisterkind zu Hause KM starke Intelligenzminderung, KV Alkoholabusus, beide gerichtl. Betreuung massive familiäre Streitigkeiten, Gewalt zw. Ehepartnern und gegenüber Kindern! „katastrophale häusliche Zustände“ (Jugendamt) OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 27 4. „Conrad“ C. nach Angaben der KM schon mit 1 ½ Jahren besonders auffällig gewesen: aktiv, impulsiv, sprachlich entwicklungsretardiert in Kita aggressives Verhalten mit Beißen, Schlagen, Gegenstände werfen u.a. Erzieherinnen lehnten seine Betreuung ab! mit 4 Jahren habe Conrad seinen Bruder angezündet, massive Verbrennungen (beide) OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 28 4. „Conrad“ KM ging mit Gardinenstange auf C. los Erste stationäre Aufnahme Klinik für KJPP Entscheidung zur Herausnahme aus der Herkunftsfamilie (Kindeswohlgefährdung) Eingliederung in Kinderdorffamilie Bis zu 5 weitere Kinder in Pflegefamilie Dort von Anfang an kaum führbar, grenzüberschreitend, impulsiv, dominant, aggr. OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 29 4. „Conrad“ Einschulung altersgerecht in Regelschule: scheitert an massiver Verweigerung und verbalen wie tätlichen Angriffen von Conrad auf seine Lernumgebung Umschulung in eine Spezialschule mit Ausgleichsklassen: sprengt dort ebenso den Rahmen, wirft mit Steinen und droht mit Ästen, schreit herum, wirft mit Stühlen, beißt Lehrerin… OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 30 4. „Conrad“ zusätzlicher pädagogischer Mitarbeiter machtlos, bringt Conrad oft nach einer Schulstunde wieder nach Hause (Pflegefamilie) nach seinen „Ausrastern“ oft depressiver Zusammenbruch: „Ich bin böse!“, „Bringt mich um!“, „Warum lebe ich überhaupt?“ Conrad wird wegen seines Verhaltens von Älteren geschlagen und abgelehnt OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 31 4. „Conrad“ - Wutbild 1 OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 32 4. „Conrad“ - Wutbild 2 OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 33 4. „Conrad“ Hauptdiagnose: Kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen (F 92.0) Nebendiagnosen: Sekundäre Enuresis nocturna ADHS (???), Störung der sensorischen Integration, Störung der Feinmotorik (schreibt und malt nicht gern) u.a. OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 34 4. „Conrad“ ambulante kinderpsychiatrische Behandlung, hohe Dosen Methylphenidat und Risperidon, gilt als „nicht therapierbar“ Ergotherapie, psychologische Erziehungsberatung, zweiter vollstationärer KJPPAufenthalt ohne nachhaltige Veränderung Pflegeeltern permanent an der Erschöpfungsgrenze, sind extrem stark bemüht OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 35 4. „Conrad“ psychodiagnostisch massive emotionale Beeinträchtigungen nachgewiesen, aber leistungsdiagnostisch liegt Conrad im oberen Normbereich! mehrfache Fallkonferenzen, Ergebnis: derzeit keinerlei Beschulung in Gruppe möglich, „eine nochmalige vollstationäre Behandlung wäre extrem Stress verstärkend für Conrad und Pflegefamilie“ OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 36 4. „Conrad“ dringender Wunsch nach tagesklinischer Behandlung bei uns (erscheint zunächst unmöglich) … Klärung der Voraussetzungen: sofortige Entlassung oder Verlegung bei Sprengung des Rahmens möglich, zunächst hoher Bedarf an Einzelbetreuung, anfangs nur stundenweise Integration des Jungen Abstimmung mit gesamtem Team, organisatorische Vorbereitung (spezif. Stundenplan) OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 37 4. „Conrad“ bei Aufnahme Therapievereinbarung mit Conrad: soll sich selbst ein „Zauberwort“ suchen, das Überforderung in Gruppensituation signalisiert → dann sofortige Information des Bezugstherapeuten und unmittelbare Intervention zur Sicherung des Settings nötig C. scheint hoch motiviert zu sein, freut sich auf Behandlung, Wertschätzung! OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 38 4. „Conrad“ Verlauf: anfangs extrem vorsichtige Integration, C. wirkt hoch angespannt und überbemüht, sich zu integrieren immer wieder auftretende Versuche, Mitpatienten oder Personal zu bedrängen und zu attackieren, können durch sofortige Intervention und entschiedenes Auftreten des Personals meist unterbunden werden in Pflegefamilie aber schwieriger als zuvor OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 39 4. „Conrad“ im Gespräch mit Pflegeeltern, Vormund und Jugendamt wird dennoch deutlich, dass C. deutliche Fortschritte in sozialen Fähigkeiten und bei Gruppenintegration macht, er wirke stolz auf sich stufenweise Verlängerung des Aufenthalts in der TK bis auf täglich 6 Stunden, Conrad möchte gern bis zum Nachmittag bleiben und „normal dazu gehören“ OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 40 4. „Conrad“ inhaltlich: Spieltherapie, sucht Nähe und Distanz, will dominieren, greift anfangs z.T. konkretistisch an, später symbolisch genießt zahlreiche positive, ich-stärkende und narzisstisch aufsättigende Interventionen, wirkt erstmals glücklich über sich zu Mädchen besonders liebevoll, kokettiert mit dem „Verliebtsein“ einer Mitpatientin OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 41 4. „Conrad“ nach knapp 3 Monaten Behandlungszeit neuer Focus auf seine Unterordnung: Therapeut bestimmt, was gemacht wird C. stimmt verbal zu, zeigt in Einzeltherapie entsprechende Ansätze (Tiger im Zirkus macht, was der Dompteur sagt, und wird durch Zuwendung und Lob belohnt) versucht nach Regeln zu spielen - ist aber deutlich angespannter dabei OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 42 4. „Conrad“ plötzlich massivste körperliche und verbale Aggression gegen Mitpatienten und Therapeuten, muss an drei Tagen nach einander festgehalten werden ist einer nachhaltigen Klärung der Grenzüberschreitung jetzt nicht zugänglich Entlassung aus Tagesklinik wird mit ihm besprochen und nach einer Woche umgesetzt OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 43 4. „Conrad“ vom Moment der Ankündigung, ihn zu entlassen, endet die Aggression gegen Menschen schlagartig! C. nimmt angemessen Abschied, lässt sich auf rationale Begründung für das Therapieende ein, zeigt Trauer wünscht sich ausdrücklich ambulante Weiterbehandlung bei uns OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 44 4. „Conrad“ Nach der Entlassung ca. wöchentliche Einzelgespräche mit Spieltherapie und 3 h/Woche Einzelbeschulung in TK Conrad begrüßt jedes Mal ausgiebig alle erreichbaren Mitarbeiter der TK und verabschiedet sich anschließend von ihnen Therapeutischer Kontakt ist dagegen deutlich kühler, distanzierter, aber auch ohne aggressive Grenzüberschreitungen „wenig Entwicklung spürbar“ OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 45 4. „Conrad“ Begleitende Familienarbeit (Pflegeeltern): Erarbeitung eines Verständnisses der schweren narzisstischen Störung des Jungen durch existentielle Traumatisierungen - der Wut ins Auge sehen! Verbesserung der Strukturgebung und Abgrenzung innerhalb der Pflegefamilie Eingestehen negativer Affekte gegenüber dem Kind, was eine Lösung ermöglicht OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 46 4. „Conrad“ zunehmende Wendung massivster Gewalt gegen die Pflegemutter führt zu zwei weiteren stationären Notaufnahmen schließlich erkennen Pflegeeltern an, mit der Betreuung des Jungen chronisch überfordert zu sein Suche nach anderer Unterbringungsform mit souveräneren Grenzsetzungen → Überweisung in vollstationäre Jugendhilfe OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 47 4. „Conrad“ Mittlerweile lebt Conrad 4 Jahre in intensivpädagogisch betreuter Wohnform Ca. 2x/Jahr stationäre Aufnahme in KJPP nötig, meist geplant zur „Intervalltherapie“ und nicht als Notaufnahme Spricht weiter dankbar und anerkennend von Pflegefamilie und Tagesklinik OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 48 5. Aggressionsminderndes Verhalten liebevolle und begrenzende ErsatzUmwelt (in Pflegefamilie, Psychotherapie, Klinik oder Heim) ist bei Delinquenz wichtiger als die analytische Therapie bzw. ist deren notwendige Voraussetzung!!! sonst werden sich aggressive Phänomene meist extrem zerstörerisch auf das therapeutische Setting auswirken (gewalttätiges „Agieren“ des Patienten beim Fehlen von tragfähiger Struktur) OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 49 5. Aggressionsminderndes Verhalten Struktur allein nützt aber noch gar nichts, wiederholt nur die deprivierende Grundsituation des Kindes Team muss intensive Ausbildung besitzen, Fortbildung und fundierte Supervision erhalten, um Aggression ertragen zu können keine Gegen-Aggression!!! stoische Ruhe, Ernstnehmen der Not, kontrollierter Umgang mit eigenen Affekten OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 50 5. Aggressionsminderndes Verhalten Strafen: nur selten profitiert ein Deprivierter von Strafen – subjektiv erlebt er neue Kränkung, „Provokation“, Ablehnung häufig dient „Strafe“ nur als blinder Ausdruck unserer eigenen Rachegefühle ständige Reflexion über den Umgang mit Grenzverletzungen und über die eigenen Gefühle nötig! OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 51 OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 52 5. Aggressionsminderndes Verhalten Michael Winterhoff: drei neu aufgetretene Probleme bei heutiger Kindererziehung: a) Partnerschaftlichkeit, b) Projektion, c) Symbiose mit dem Kind überforderte Eltern gehen mit Kindern so um, dass diese eigene Wünsche und ungelöste Konflikte der Eltern übernehmen! OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 53 5. Aggressionsminderndes Verhalten dadurch erhalten die Kinder eine Pseudomacht und irrationale Bedeutung, die sie an präformierten Grenzen scheitern lässt Reste einer antiautoritären Erziehungshaltung sind ebenso schädlich wie autoritative / totalitäre Prinzipien „Kinder müssen Kinder sein dürfen, Erwachsene müssen Erwachsene sein wollen.“ OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 54 5. Aggressionsminderndes Verhalten Notwendig: präsente, selbstsichere Erwachsene mit Reflexionsvermögen Gegenseitige Abstimmung/Kooperation Fachlich gute Ausbildung und Supervision Authentisches Interesse am Schicksal der Kinder und Jugendlichen „Inhalt und Rahmen“ = Liebe und Strenge OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 55 5. Aggressionsminderndes Verhalten Konzept: „AUTORITÄT OHNE GEWALT“ nach Haim OMER und Arist v. SCHLIPPE „Elterliche Präsenz“ in Erziehung, Beratung und Therapie als eine mögliche GRUNDLAGE für die Austragung von Lernprozessen und Konfliktlösungen OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 56 5. Aggressionsminderndes Verhalten „Autorität ohne Gewalt“ und „Autorität durch Beziehung“ = Elterliche Präsenz! „Sit in“; rechtzeitige und klare Begrenzung durch Personal überall umsetzbar zusammen mit praktischem Training von Deeskalations-Skills und einer Sicherheit vermittelnden Arbeitsumgebung hilfreich OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 57 5. Aggressionsminderndes Verhalten FAZIT: Aggressive Kinder und Jugendliche haben erklärbare Gründe für ihre Wut (Traumata) sie übertragen Aggression auf uns, so wie sie selbst es subjektiv (als Deprivation) erlebt haben - sie sind dabei voll Hoffnung! wir müssen ihrer Wut ins Auge sehen und uns ihr stellen, statt sie abzuwehren dazu müssen wir uns selbst reflektieren! OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 58 OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 59 OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 60 OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 61 OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 62 OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 63 OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 64 6. DANKE! OA J. Perlberg Der Wut ins Auge sehen 65