Das Dilemma von Wut und Schuldgefühlen aufgrund mangelnder Abgrenzungsfähigkeit Monika Riwar Pfarrerin; Supervisorin Ausbildungsleitung bcb 1 Bon Jovi: It‘s my life This ain't a song for the broken-hearted No silent prayer for the faith-departed I ain't gonna be just a face in the crowd You're gonna hear my voice When I shout it out loud 2 Dies ist kein Lied für solche mit gebrochenem Herzen/ kein stilles Gebet für die, die den Glauben verloren haben/ Ich werde nicht einfach einer von vielen (ein Gesicht in der Menge) sein/ du wirst meine Stimme hören wenn ich es laut hinausrufe It's my life It's now or never I ain't gonna live forever I just want to live while I'm alive (It's my life) My heart is like an open highway Like Frankie said, I did it my way I just wanna live while I'm alive It's my life 3 Dies ist mein Leben! Jetzt oder nie, ich werde nicht ewig leben. Ich will ganz einfach leben, solange ich atme (lebendig bin). (Dies ist mein Leben) Mein Herz ist wie ein offener Highway. Wie Frankie sagte, ich tat es auf meine Weise. Ich will ganz einfach leben, solange ich atme (lebendig bin). Dies ist mein Leben! This is for the ones Dies ist für diejenigen, die who stood their ground ihren Standpunkt vertreten (die ihren Boden stehen), For Tommy and Gina who never backed down Tomorrow's getting harder make no mistake Luck ain't even lucky Got to make your own breaks 4 für Tommy u. Gina, die nie zurückgewichen sind. Morgen wird's noch härter, täusch dich nicht Das Glück ist nicht einfach Schicksal Du musst dich selber dafür einsetzen Better stand tall when they're calling you out Don't bend, don't break, baby, don't back down. Besser du stehst aufrecht wenn sie dich herausrufen Weich nicht aus, werd‘ nicht klein, Baby, weich‘ nicht zurück. It's my life It's now or never I ain't gonna live forever I just want to live while I'm alive (It's my life) ….. Dies ist mein Leben! Jetzt oder nie, ich werde nicht ewig leben. Ich will ganz einfach leben, solange ich atme (lebendig bin). (Dies ist mein Leben) …. 5 Der Wille, sich selber zu sein It‘s my life – setzt Eigenständigkeit voraus, die sich gegen andere behaupten kann. Bedeutung von „gegen“: Bewegung/ Richtung: gegen einen anderen – Angriff Ortsbestimmung: im gegenüber von = widerstehen (stand your ground). 6 Lied beschreibt ein widerständiges Leben – einstehen für mich und meine Träume. „It‘s my life“ als Christ? 7 Bon Jovi will sein Leben leben… Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir. (Gal 2,20 nach Luther) Für die christliche Lebenshaltung unaufgebbar: Nächstenliebe, den anderen höher achten als sich selber, trachtet zuerst nach Gottes Reich … Hingabe an Christus. Als Christen leben wir sog. Abgrenzung immer in diesem für uns unaufgebbaren Kontext! Das Dilemma: Ungemütlicher Lebensraum Frau S. leidet unter dem verletzen Schweigen ihrer Mutter… 8 Ausbrennen Unrealistische Erwartungen an andere (Projektion) Isolation Depressive Stimmung Schuldgefühl Wut Man darf Menschen nicht enttäuschen (= den Nächsten lieben) Angst, Menschen zu verlieren/ Angst vor Isolation (Beziehungsorientierung) Angst, Gott nicht zu genügen (Normorientierung) 9 10 Liebe deinen Nächsten wie dich selbst… 11 Ich bin egoistisch, wenn ich eigene Bedürfnisse einbringe Egoismus!! 12 Nächstenliebe? Unfähigkeit zur Gegenteil davon? Abgrenzung Eigene Bedürfnisse wahrnehmen und einbringen – Abwertung und Abwehr als „Egoismus“. Suche nach neuen Verständnismöglichkeiten (neues Bewertungsraster) Ein Recht auf Selbstliebe? Liebe deinen Nächsten wie dich selbst Humanistische-ideologische Selbstverwirklichung: Ich habe ein Recht auf meine Wünsche und Bedürfnisse. Christozentrisch: Ich bin befreit zur Zuwendung zum Nächsten. Befreiung aus der „incurvatio in se“ 13 Ein Recht auf Selbstliebe? Gegensatz von Fleisch und Geist Fleischlich gesinnt sein ist der Tod, und geistlich gesinnt sein ist Leben und Friede. (Röm 8,6) Weh denen, die hinabziehen nach Ägypten um Hilfe und, sich verlassen auf Rosse und hoffen auf Wagen, weil ihrer viele sind, und auf Gespanne, weil sie sehr stark sind! Aber sie halten sich nicht zum Heiligen Israels und fragen nichts nach dem HERRN. Denn Ägypten ist Mensch und nicht Gott, und seine Rosse sind Fleisch und nicht Geist. (Jes 31,1.3) 14 Leben aus dem Fleisch: Eigenmächtigkeit des Menschen ängstliche Sicherung des eigenen Lebens. Leben aus der Freiheit in Christus Flexibilität aus dem Geist heraus Ich kann niedrig sein und kann hoch sein; mir ist alles und jedes vertraut: beides, satt sein und hungern, beides, Überfluß haben und Mangel leiden; ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht. (Phil 4,12f.) 15 Diese Verzichtsbereitschaft wächst nicht aus Unvermögen, sondern im Gegenteil aus der Freiheit! Leben aus der Freiheit in Christus „Ja und Amen“ in Christus Freiheit zur Entfaltung der von Christus geschenkten Identität und Individualität. Z.B. Essen von Götzenopferfleisch Eigene Begabung einbringen Feiern der guten Gaben Gottes 16 Freiheit, eigene Bedürftigkeit wahrzunehmen: Der Mensch als näphäsch. Hebräisch Näphäsch: „Seele“ Ursprünglich: die Kehle, der Rachen, der Schlund. Deshalb: Sitz der Begierde und der unstillbaren Bedürftigkeit. Der Der Der Ort des Atemholens Ort, wo Durst gestillt wird Ort, wo der Mensch seine ersten Bedürfnisse befriedigt bekommt 17 Näphäsch umfasst das körperliche Verlangen nach Nahrung, geschlechtlicher Befriedigung, nach Beziehung, nach Frieden, Ruhe, Sicherheit, auch nach Gott. Freiheit, eigene Bedürftigkeit wahrzunehmen Existenzrecht: Leben als „zugesprochene“ Realität. Autonomie als Solidarität: sol = der Boden auf dem gleichen Boden stehend. 18 Ich verletze, wenn ich Grenzen setze Frau S.: Verletztes Schweigen der Mutter Die Begrifflichkeit „Verletzung“ suggeriert eine gezielte boshafte Aktion. Doch: Jemandem Grenzen setzen ist kein Angriff, sondern Schutz. 19 Wut als ambivalentes Erleben Freude Trauer 20 Wut Angst Wut als stärkende Emotion Angst vor Folgen Wenn ich Grenzen setze und mich durchsetze, verletze ich andere Schutzfunktion der Wutemotion entdecken Menschen „dürfen“ enttäuscht sein: Seine Enttäuschung ist logische Konsequenz aus der Erwartung, die er an mich heranträgt Jeder hat Eigenverantwortung: Ich habe ein Recht, meine Wünsche/ Bedürfnisse zu nennen – aber ich habe kein Recht darauf, dass der andere sie erfüllen muss. Mein Nein bedeutet für den anderen die Verantwortung, sich um eine andere Lösung zu bemühen. 21 Von Jesus lernen Alle Wünsche und Erwartungen anderer Menschen zu erfüllen, ist kein biblisches Gebot: Jesus grenzte sich ab! Er lässt sich nicht von den Forderungen und Erwartungen der Menschen bestimmen. 22 Abgrenzung „ausprobieren“ und üben Unrealistisch: Zuerst Schuldgefühle wegkriegen, dann Abgrenzung lernen Emotionale Gewohnheitsstärke „Aushalthilfen“ für das Schuldgefühl Entwickeln neuer emotionaler Gewohnheiten brauchen Zeit! „Fleischtöpfe Aegyptens“ 23 Sicherheit gewinnen durch Rollenspiele Kriterien selbstsicheren Verhaltens Unterscheidung der 3 Grundtypen sozialer Situationen und entsprechender Kompetenzen Kriterien selbstsicheres Verhalten vgl. Hinsch, R./Pfingsten U.: Gruppentraining sozialer Kompetenzen (GSK); Hinsch, R./ Wittmann, S.: Soziale Kompetenz kann man lernen. 24 Bestätigungskreislauf Selbstsicheres Auftreten und Handeln 25 Der Mensch wird respektiert Das Selbstbewusstsein wird bestätigt, das Selbstwertgefühl gestärkt 3 Typen sozialer Situationen entsprechende Kompetenzen (vgl. GSK) 26 Berechtigten Anspruch (Recht) durchsetzen ICH In Beziehungen verhandeln Um Sympathie werben ICH DU ICH DU DU Aber: Wenn ich mich Jesus ganz hingeben würde… Nachgeben aus mangelnder Abgrenzungsfähigkeit Gottesliebe oder Gehorsam. Gottesbeziehung: Gesetzliches Glaubensverständnis? Gott hat kein Interesse daran, dass wir aus Furcht Gehorsam sind. Gott ist an unserem Herz interessiert, nicht an äusserem Gehorsam. 27 Lieber ein ehrliches, vielleicht „falsches“ Nein als ein geheucheltes Ja: Wir lernen. Literaturauswahl: 28 Erni, M.: Autonomie wagen. Olten 1987. Cloud H.; Townsend J.: Nein sagen ohne Schuldgefühle. Kehl 1995. Hinsch, R.; Pfingsten U.: Gruppentraining sozialer Kompetenzen (GSK). 3. üb. Aufl., Weinheim 1998. Hinsch, R.; Wittmann, S.: Soziale Kompetenz kann man lernen. Weinheim 2003. Izard, C.E.: Die Emotionen des Menschen. Einführung in die Grundlagen der Emotionspsychologie. 3. Auflage. Weinheim 1994 (ist ein komplexes Fachbuch). Schlumpf, E.; Werder, H.: Immer für andere da? Wege aus der Überverantwortlichkeit. München 2000. Stavemann, H.H.: Im Gefühlsdschungel. Emotionale Krisen verstehen und bewältigen. Weinheim 2001. Ulich, D.; Mayring Ph.: Psychologie der Emotionen. Stuttgart 1992.