Predigt-2005.01.06

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DIE SIEBEN WOHLTATEN DER EINEN GESCHICHTE
VON DEN DREI KÖNIGEN (1. L/Ev)
Das heutige Evangelium ist eine Kostbarkeit - wie ein Edelstein, ein Juwel. Hält man dieses
Schmuckstück ins Licht und wendet es wie einen geschliffenen Diamanten hin und her, dann
zeigen sich immer neue Facetten. Ich habe mir heute vorgenommen, einmal nach der Vielfalt
der Bedeutungen der einen Geschichte zu fragen. Sie werden staunen, was alles in einer
Geschichte wie dieser stecken kann! Sie mögen dann - jeder und jede für sich - überlegen: Was
spricht mich am ehesten an? Welcher Aspekt ist mir der wichtigste?
1. Vom Sternglauben zum Christusglauben
Das Evangelium spricht von „Magiern“, von Sterndeutern. Magie mag eine primitive Form
von Religiosität sein. Uralt und für viele Menschen faszinierend ist aber bis heute die
Vorstellung, unser Schicksal sei durch Sternenkonstellationen vorherbestimmt; es sei vom
Horoskop ablesbar. Christen haben von Anfang an das Evangelium von den Sterndeutern so
verstanden, dass diese zwar durchs „Sterngucken“ zu Christus finden - also durch ihre
eigene, mitgebrachte Religiosität. Aber ihre Bekehrung besteht gerade darin, dass sie sich
nun vertrauensvoll Christus zuwenden. Christus ist der neue Leitstern ihres Lebens. Damit
hätten sie sich von Astrologie und Horoskopuspokus verabschiedet. Dass sie „auf einem
anderen Weg in ihr Land zurückkehrten“, wäre dann auch Ausdruck ihrer neuen,
christusgläubigen Orientierung auf ihrem weiteren Lebensweg.
2. Vom Schöpfungsglauben zum biblischen Glauben
Auffällig ist, dass die Magier nicht nur einfach ihrem Stern folgen, sondern den Umweg über
Jerusalem machen müssen, um ans Ziel zu kommen. Dort werden die Schriftgelehrten befragt
nach dem Geburtsort des Messias. Das heißt doch wohl: Nicht der noch so aufmerksame
Blick in die Natur allein führt zu Jesus Christus. Zum Schöpfungsglauben muss das Hören
und Lesen des Wortes Gottes hinzukommen, um diesen Messias zu finden. Deshalb haben
wir uns heute morgen hier in der Kirche versammelt und nicht etwa draußen an
einem landschaftlich schönen Ort... Hier ist unser „Jerusalem“, hier erfahren wir
durch Gottes Wort, wo es langgeht, wenn man Christus aufrichtig sucht.
3. Das bewundernswerte menschliche Antlitz
Man kann die Lebenswende der weisen Sterndeuter auch darin sehen, dass sie, die bisher
immer nur nach oben, zum Himmel, aufgeschaut haben, um das Geheimnis des
Weltenlaufs zu erforschen, stattdessen gelernt haben, ihren Forscherblick auf die Erde zu
richten -, auf ein winziges und hilfloses Menschenkind. Und in diesem Kind erfahren sie
Gottes Führung, seine Nähe und Zuwendung. Bei Jesus lernen sie: Gott will uns in der
Horizontalen treffen, hier unten, auf Augenhöhe. Das heißt dann aber auch: Statt den
nächtlichen Glanz der Sternenwelt zu bestaunen, sollen sie von nun an das menschliche
Antlitz als Gottes Widerschein und Gottes schönste Gabe bewundern.
4. Im Kind Jesus Gott finden
Jede gute Geschichte hat ihre Pointe. Die Pointe dieser Geschichte besteht darin, dass die
hohen Herren in die Knie gehen, als sie ins Haus kommen und dort „das Kind und Maria,
seine Mutter“, finden. „Da fielen sie nieder und huldigten ihm.“ Der Kniefall („Proskynese“)
ist eine menschliche Demutsgeste, die Gott allein gebührt - auf die er allein Anspruch hat.
Später hat man im Glaubensbekenntnis in aller begrifflichen Schärfe ausgedrückt, was in
dieser stummen Geste steckt: Er, Christus, ist „Gott von Gott, Licht vom Lichte“ des Vaters...
Die Geschenke demonstrieren dasselbe: Gold bekommt das Jesuskind als König; Weihrauch
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wegen seiner göttlichen Würde; und Myrrhe versteht sich als Hinweis auf seine künftige
Passion: Als Gekreuzigter ist er König und Sohn Gottes.
5. Globale Sichtweise übernehmen
Wer die Geschichte von den Magiern vernimmt, soll wahrnehmen, dass sie die Welt der
Nichtjuden, die Heidenwelt, vertreten. Unser Evangelium propagiert den globalen Anspruch
des Kommens Gottes in diese Welt; es wirbt für die Heidenmission. So werden die Magier in
der Tradition als Vertreter der damals bekannten drei Kontinente angesehen: Asien - Afrika Europa. So kommt es, dass seit dem Mittelalter ein schwarzer König an der Krippe auftaucht!
Dass alle einbezogen sein sollen, merkt man auch daran, dass die drei Krippenfiguren der
Könige in der Regel verschiedenen Altersgruppen
angehören: Ein Greis vorne dran, ein Mann mittleren Alters danach, und zuletzt ein
junger Mann. Jede Altersstufe ist berufen, ihr spezifisches Christusverhältnis zu
gewinnen.
6. Modell der Hingabe an Christus
Somit enthält diese Geschichte ein Angebot für jeden Einzelnen, sich mit den „Königen“ zu
identifizieren: Gott im Menschen Jesus näher zu kommen, Schritte zu tun auf IHN hin. Die
Heiden, die sich die Schuhsohlen ablaufen, um zu Jesus zu kommen, sind Modellfälle für
uns - Modelle der Liebe zu Jesus und der Hingabe an ihn. Die Frage ist, was wir ihm zu bieten
haben. Das Wunderbare: Er nimmt uns an, auch wenn wir mit leeren Händen vor ihm
knien. Sich selbst schenken, sich IHM überlassen, das ist das schwierigste, aber auch das
kostbarste Geschenk, mehr als Gold, Weihrauch und Myrrhe zusammengenommen.
7. Kritik an den Mächtigen
Unübersehbar hat unsere Geschichte eine politische Dimension. Herodes verkörpert den
„bösen“ Machthaber. Er fürchtet um seine politische Macht und wird gerade darin
bloßgestellt. Unsere Geschichte übt Machtkritik! Das Kind in der Krippe ist der
Friedensbringer schlechthin - und ist trotzdem von Anfang an bedroht. Die Kirche hat
dieses Evangelium bewahrt; nun muss sie es auch bewähren, indem sie allen menschen- und
gottfeindlichen Machtansprüchen widerspricht. Und sie darf natürlich auch selbst nicht
danach schielen, ihre Autorität durch machtförmiges Handeln stützen zu wollen.
Das mussten im Laufe der Jahrhunderte auch die christlich gewordenen Herrscher dieser
Welt lernen. Indem sie sich wie die Magier beugen vor dem Christuskind, respektieren sie
die Oberhoheit Gottes und bezeugen zugleich Respekt vor den Menschen, zumal vor den
kleinsten und geringsten. Indem die kirchliche Tradition aus den Weisen „Könige“ machte,
hat sie die kritische Potenz des Evangeliums zugespitzt.
Ergebnis
Wo so viel gelernt wurde, dort gibt es auch eine „Hausaufgabe“. Sie kann nicht
darin bestehen, die sieben Punkte aufzusagen, Fragen wir uns stattdessen, welcher
dieser sieben Punkte hat mich besonders berührt? Welchen möchte ich am liebsten
weitererzählen? Wie kann ich heute und im Laufe der Woche auf diesen
Lieblingspunkt zurückkommen und ihn vor mein inneres Auge rücken - sei es beim
Gehen oder beim Anstehen, sei es in den schlaflosen Augenblicken der Nacht, sei es
im persönlichen Beten. Dafür genügt der liebevolle Blick auf eine Einzelheit dieser
Glaubensgeschichte, die mich anregt und mir gut tut.
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