Charakterisierung eines neuen Gens, das zu familiärem Darmkrebs prädisponiert Aus Zwillings- und Familienstudien wissen wir, dass Darmkrebs eine starke erbliche Komponente aufweist. Heute gehen wir davon aus, dass etwa 30% aller kolorektalen Karzinome, d.h. Krebserkrankungen, die aus Zellen der Schleimhaut des Dick- und Mastdarms hervorgehen, vererbt sind. Die häufigste bekannte erbliche Darmkrebsform stellt das „erbliche kolorektale Karzinom ohne Polypose“ (HNPCC, nach dem Erstbeschreiber Henry Lynch auch als „Lynch-Syndrom“ bezeichnet) dar, das für fast jeden zwanzigsten Dickdarmkrebs verantwortlich ist. Charakteristisch für dieses Syndrom ist auch eine Neigung zur Entwicklung von Krebs in anderen Organen. Trotz ausgiebiger genetischer Untersuchungen konnte die Ursache bei etwa 40% der PatientInnen mit Lynch-Syndrom bisher noch nicht identifiziert werden. Sie werden deshalb häufig nach einer genetischen Untersuchung und Beratung unter der Sammelbezeichnung "Familiäres kolorektales Krebssyndrom Typ X" geführt. Durch den Einsatz neuer molekulargenetischer Methoden konnten wir in einer großen steirischen Familie mit familiärem Darmkrebssyndrom Typ X eine Keimbahnmutation, d.h. eine vererbte genetische Veränderung, in einem Gen identifizieren, das bisher nicht mit der Entstehung von Krebs in Verbindung stand. Dieses Gen ist für ein Eiweißmolekül verantwortlich, dass bei der Zellkommunikation eine Rolle spielt. Ziel unserer Studie ist nun der definitive Beweis, dass Keimbahnmutationen in diesem Gen tatsächlich erblichen Darmkrebs hervorrufen können. Die Identifikation von weiteren Betroffenen und die Bestimmung der Häufigkeit von Mutationen sind dabei ein ganz wesentlicher erster Schritt. Deshalb werden wir eine große Zahl von PatientInnen mit familiärem Darmkrebssyndrom Typ X, die aus Österreich, Deutschland und den USA stammen, auf das Vorhandensein von Keimbahnmutationen analysieren. Da die genaue Funktion des Eiweißmoleküls in Darmschleimhautzellen unbekannt ist, werden wir dieser im Zellversuch auf den Grund gehen. Wir werden hierbei untersuchen, wie sich Mutationen in diesem Gen, die zu einer Veränderung der Eiweißstruktur führen, auf das Verhalten von Darmkrebszellen auswirken und unter anderem beantworten, ob sie den Zellen ein schnelleres, ungehemmtes Wachstum oder ein längeres Überleben ermöglichen. Letztgenannte sind ebenfalls typische Eigenschaften von Krebszellen. Erkenntnisse unserer Studie haben direkte klinische Auswirkungen. Sie führen zu einer besseren Erkennung von RisikopatientInnen und Beratung von betroffenen Familien. Zum anderen erweitern sie unser Verständnis von der Entstehung von familiärem Darmkrebs und könnten in Zukunft auch Grundlage für zielgerichtete Therapien sein.