GESUNDHEIT Das Liebesvirus GEHT UM GEBÄRMUTTER 1 Ein Grossteil der sexuell aktiven Bevölkerung steckt sich mit HUMANEN PAPILLOMAVIREN an. Bei manchen verursachen sie Genitalwarzen. Selten lösen sie Krebs aus. Mit einer Impfung kann man sich vor einer Infektion schützen. 1 Eileiter 3 Muskelwand E 72 Schweizer Familie 7/2015 7 Eierstock 3 2 Gebärmutterhöhle Text Michelle Willi ntdeckt man sie, erschrickt man. nicht bei allen Infizierten Symptome: «In Und dann sind sie einem vor al­ den meisten Fällen merken die Betroffe­ lem peinlich. Genitalwarzen sind nen gar nicht, dass sie sich angesteckt nicht gerade das, was man mit Kollegen in haben», sagt Venerologe Stephan der Kaffeepause bespricht. Und selbst Lautenschlager. «Der Körper beim Arzt fällt es schwer, darüber zu spre­ schafft die Viren einfach wieder chen. Doch für Mediziner gehören sie aus.» Warum die Viren, die sich zum Alltag: «Wir sehen bei uns täglich in der obersten Hautschicht, in Patienten und Patientinnen mit Genital­ der Epidermis, einnisten, bei warzen, sogenannten Kondylomen», sagt manchen Menschen zu Gewe­ Stephan Lautenschlager, Venerologe und beveränderungen führen, wäh­ Chefarzt am dermatologischen Ambula­ rend sie bei anderen symptomlos torium des Stadtspitals Triemli in Zürich. wieder verschwinden, ist nicht klar. Schuld für die Gewebeveränderungen Man weiss, dass Raucher und Men­ im Genitalbereich sind in fast allen Fällen schen mit einer tendenziell trockenen humane Papillomaviren, kurz HPV.­ Haut oder einem geschwächten Immun­ Es gibt mehr als hundert verschiedene system eher betroffen sind. Typen, von denen rund 30 beim Ge­ ­ schlechtsverkehr übertragen werden kön­ Regelmässig zum Krebsabstrich nen. Die häufigsten sind die Typen 6 und Wer Genitalwarzen entdeckt, muss nicht 11, die zu Genitalwarzen führen, sowie die in Panik ausbrechen: «Sie sind zwar unan­ Typen 16 und 18, die Krebs verursachen genehm, aber im Grunde harmlos», sagt können. «Kondome bieten leider keinen Stephan Lautenschlager. Um zu vermei­ hundertprozentigen Schutz», sagt Michael den, dass sie zu grossen Geschwulsten Mueller, Chefarzt an der Universitäts­ heranwachsen, sollten sie behandelt wer­ klinik für Frauenheilkunde am Inselspital den. Mit Salben, Laser oder durch Bern. «Denn auch auf der Haut, etwa in Herausschneiden. der Leistengegend, können Viren anhaf­ Neben den Warzen, die beide Ge­ ten und von dort weitergegeben werden.» schlechter treffen, kann es bei Frauen Auch über Oralverkehr können die Viren auch zu bösartigen Gewebeveränderun­ verbreitet werden, so angeblich beim ame­ gen am Muttermund kommen. Um diese rikanischen Schauspieler Michael Dou­ möglichst früh zu erkennen, machen die glas, der aufgrund von HPV an Kehlkopf­ Gynäkologen regelmässig einen Krebsab­ krebs erkrankte. strich, den sogenannten PAP-Abstrich. HP-Viren sind keine Seltenheit. Rund Dabei werden Zellen vom Muttermund 75 Prozent der sexuell aktiven Bevölke­ und vom Gebärmutterhals entnommen rung kommen irgendwann mit ihnen in und auf krankhafte Veränderungen unter­ Kontakt. Allerdings verursachen sie längst sucht. Ist der Test positiv, muss man erst 7 2 4 Gebärmutterhalskrebs 5 4 Gebärmutterhals 6 Scheide 6 HP-Viren können zu bösartigen ­Gewebeveränderungen am Muttermund führen und Gebärmutterhalskrebs auslösen. Mit dem Krebsabstrich lassen sich krankhafte Veränderungen früh erkennen. 5 Muttermund Humane Papillomaviren (HPV) HP-Viren werden fast ausschliesslich beim Geschlechtsverkehr übertragen. Die beiden häufigsten Typen können Genitalwarzen verursachen, andere Gebärmutterhalskrebs auslösen (Pfeil). einmal abwarten: «Je nach Stadium der Veränderung wiederholt man den Ab­ strich nach drei oder sechs Monaten», sagt der Berner Gynäkologe Michael Mueller. «Denn leichte Zellveränderungen heilen in rund 60 Prozent von alleine ab.» Bleibt die Veränderung aber bestehen oder nimmt sie zu, muss man reagieren. Denn im schlimmsten Fall können die Zellveränderungen zu Gebärmutterhals­ krebs führen. Rund 240 Frauen erkranken in der Schweiz jährlich daran. In nahezu Schutz vor den HP-Viren Mit einer Impfung vor dem ersten ­sexuellen Kontakt kann eine Infektion mit HP-Viren verhindert werden. allen Fällen sind HP-Viren die Auslöser. Mit einer Impfung gegen die Viren Um Krebs zu verhindern, wird das betrof­ fene Gewebe herausoperiert, in der Schweiz ist dies jährlich bei ungefähr 4000 Frauen der Fall. Nebenwirkungen oder Spätfolgen sind nicht zu erwarten, die Frauen bleiben fruchtbar. «Muss aller­ dings sehr viel Gewebe entfernt werden, hat die Frau ein etwas erhöhtes Risiko für Fotos: Mauritius Images, Keystone, Henning Riediger eine Frühgeburt», sagt Gy­ näkologe Michael Mueller. Damit es gar nicht erst zu einer Infektion kommt, wurde ein Impfstoff entwickelt. Seit 2007 ist die HPV-Impfung in der Schweiz erhältlich. Es gibt zwei Präparate: Cervarix schützt vor den Papillomaviren der Typen 16 und 18, also jenen, die in rund 70 Prozent der Fälle die Ursache für Gebärmutterhalskrebs sind. Der Wirk­ stoff Gardasil schützt zudem vor den häu­ figen Typen 6 und 11, die Genitalwarzen verursachen. Das Bundesamt für Gesund­ heit (BAG) empfiehlt die Impfung allen Mädchen im Alter von 11 bis 14 Jahren. «Die Impfung macht vor allem vor dem ersten sexuellen Kontakt Sinn, bevor eine Infizierung mit den Viren wahrscheinlich ist», sagt Gynäkologe Michael Mueller. «Aber ich empfehle die Nachhol­impfung auch allen Frauen bis 26.» Die Kosten wer­ den bis zu diesem Alter im Rahmen der kantonalen Impfprogramme von den Krankenkassen übernommen. Wer sich ➳ Schweizer Familie 7/2015 73 GESUNDHEIT Kondome schützen vor Geschlechts­krankheiten. TRIPPER, SYPHILIS, HIV, CHLAMYDIEN Sexuell übertragbare Geschlechtskrankheiten nehmen zu, so das Fazit des Bundesamts für ­Gesundheit (BAG). Vor allem die Anzahl der Gonorrhö-Fälle, umgangssprachlich auch als Tripper bezeichnet, hat sich seit 2009 beinahe verdoppelt. Zudem bereitet die Therapie Sorgen: Es gibt immer mehr Erreger, die gegen gängige Antibiotika-Therapien resistent sind. Auch die Chlamydien sind auf dem Vormarsch: Seit 2009 wurde eine ­Zunahme von fast 40 Prozent verzeichnet. Allerdings wurde auch die Diagnostik verbessert, was mitverant­ wortlich für den Anstieg sein könnte. Bei den HIV-Infektionen spricht das BAG von einem stabilen bis leicht sinkenden Trend. Auch Syphilis scheint sich auf einem hohen Niveau später impfen lassen will, muss das selbst bezahlen. «Allerdings rate ich Frauen, die älter sind als 26 und die zahlreiche Sexual­ partner hatten, von der Impfung eher ab», sagt Venerologe Stephan Lautenschlager. «Die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich be­ reits infiziert haben, ist gross.» Und dann bringe eine Impfung – wenn überhaupt – nur noch wenig. Bisher lässt sich in der Schweiz rund die Hälfte der Mädchen impfen. Dass viele zögerten, liege unter anderem an der Angst der Eltern, sagt Gynäkologe Micha­ el Mueller: «Viele Eltern setzen die Imp­ fung mit sofortigem Geschlechtsverkehr in Verbindung», sagt er. «Diese Angst ist viel grösser als die vor der Impfung.» Aber auch der Fall eines 17-jährigen Mädchens aus dem Kanton Waadt sorgte zu stabilisieren. Dennoch sieht das BAG Bedarf an weiteren Aufklärungsund Sensibilisierungsmassnahmen. Vor allem sollen die Menschen nicht zögern, einen Arzt aufzusuchen, wenn sie das Gefühl haben, sich mit einer Geschlechtskrankheit angesteckt zu haben. Quelle: BAG, Bulletin, Mai 2014 «Meine Söhne sind geimpft. Ich will nicht, dass sie an HP-Viren erkranken.» Stephan Lautenschlager, Venerologe letzten Oktober für Schlagzeilen: Sie er­ krankte nach der HPV-Impfung an Mul­ tipler Sklerose (MS). Die chronische, un­ heilbare Krankheit greift das Nervensystem an. In Frankreich reichte eine junge Frau Klage ein, weil sie nach der Impfung an MS erkrankte. In Japan empfiehlt das Ge­ sundheitsministerium aufgrund zahlrei­ cher Meldungen von Nebenwirkungen die Impfung seit 2013 nicht mehr. Prävention auch für Buben Ein Zusammenhang zwischen der Impfung und MS konnte bisher nicht definitiv nach­ gewiesen werden. «Leider können junge Frauen an MS erkranken. Wenn nun viele Mädchen geimpft werden, kann es sein, dass ein erster Schub zufällig nach der Imp­ fung auftritt», sagt Michael Mueller. Auch der Venerologe Stephan Lautenschlager ist dieser Meinung: «Der Zusammenhang zwi­ schen MS und der HPV-Impfung lässt sich wissenschaftlich nicht belegen.» Das BAG empfiehlt die Impfung weiterhin. In der Schweiz lag der Fokus bei der HPV-Impfung bisher auf den Mädchen. Neu empfiehlt die Eidgenössische Kom­ mission für Impffragen die Impfung auch für Buben im Alter von 11 bis 14 Jahren, wie es etwa in Österreich seit 2009 der Fall ist. Zwar ist bei Männern HPV-bedingter Krebs wie etwa ein Penis- oder Analkarzi­ nom seltener als bei Frauen der Gebär­ mutterhalskrebs. Aber wenn sich die Bu­ ben impfen lassen, verbessert dies später auch den Schutz ihrer Sexualpartnerin­ nen. «Meine Söhne sind geimpft», sagt Lautenschlager. «Ich will nicht, dass sie an HP-Viren erkranken.» ● Foto: Fotolia ANZEIGE Erkältung? Eine Antwort der Natur. • Zur Steigerung der körpereigenen Abwehr • Bei Grippe und fiebrigen Erkältungen • Aus frischem Rotem Sonnenhut Erhältlich in Apotheken und Drogerien. Bitte lesen Sie die Packungsbeilage. Bioforce AG, Roggwil TG. www.echinaforce.ch