Universität der Bundeswehr München Studiengang Mechanical Engineering (B. Eng.) Prof. Dr. K. Uhlmann Ergänzende Kapitel Zur Vorlesung Angewandte Physik als Manuskript gedruckt Gliederung 1. 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.1.5 1.1.6 1.1.7 1.1.8 1.1.9 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.2.6 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.3.5 MATHEMATISCHE GRUNDLAGEN Vektorrechnung Freie und gebundene Vektoren Vektoraddition Darstellung eines Vektors in einem rechtwinkligen Koordinatensystem Der Betrag eines Vektors Der Richtungskosinus eines Vektors Multiplikation eines Vektors mit einer Zahl Das Skalarprodukt zweier Vektoren Das Vektorprodukt zweier Vektoren Gemischte und mehrfache Produkte Differentialrechnung Die Geschwindigkeit Definition der Ableitung einer Funktion Ableitungen ausgewählter Funktionen Grundregeln für das Differenzieren Das Differential Anwendung der Differentiation in der Mechanik (Kinematik) Integralrechnung Das bestimmte Integral Beziehung zwischen Integral- und Differentialrechnung Das unbestimmte Integral Allgemeine Integrationsregeln Anwendung der Integration in der Mechanik (Kinematik) 3 3 3 3 4 5 5 6 6 7 9 10 10 12 12 13 13 14 16 16 17 17 18 19 2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.4.1 2.4.2 DIE NEWTON’SCHE BEWEGUNGSGLEICHUNG Die Newton’schen Axiome Die Masse Die Kraft Integration (Lösung) der Bewegungsgleichung Konstante Kraft Kraft ist nicht konstant und hängt vom Ort bzw. von Ort und Geschwindigkeit ab 22 22 22 24 25 25 26 Ergänzende Kapitel zur Vorlesung Angewandte Physik 3. 3.1 3.2 3.3 DYNAMIK STARRER KÖRPER Freiheitsgrade Dynamik der Rotation um eine feste Achse Massenträgheitsmoment, Satz von Steiner 30 30 30 33 4. 4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.1.5 4.2 4.2.1 4.2.2 35 35 35 35 37 37 38 40 40 4.2.3 4.3 4.3.1 4.3.2 ERHALTUNGSSÄTZE DER MECHANIK Energieerhaltung Arbeit Verschiebungsarbeit und potentielle Energie Leistung Beschleunigungsarbeit und kinetische Energie Erhaltungssatz der mechanischen Energie Impulserhaltung Impuls und Kraftstoß Systeme von Massepunkten: Innere Kräfte, Impulserhaltung, Massenmittelpunkt Der zentrale gerade Stoß zweier Kugeln Drehimpulserhaltung Drehimpulserhaltung bei der Zentralbewegung eines Massepunktes Drehimpulserhaltung für starre Körper 5. HERLEITUNG DER WELLENGLEICHUNG FÜR EINE KUGELKETTE 48 6. 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 6.11 6.12 EINFÜHRUNG IN DIE THERMODYNAMIK Thermodynamisches System Zustand, Zustandsgrößen, Prozessgrößen Extensive und Intensive Zustandsgrößen Temperatur und Temperaturmessung Wärmemenge und Wärmekapazität Ideales Gas Thermische Zustandsgleichung für ideale Gase Ausdehnungsarbeit Innere Energie U Energieerhaltung, Erster Hauptsatz der Wärmelehre Übersicht über Zustandsänderungen für ideale Gase Der zweite Hauptsatz der Wärmelehre 50 50 50 51 51 52 53 54 55 55 56 57 59 7. 7.1 7.2 7.3 7.3.1 7.3.2 ANWENDUNGEN DER LOGARITHMENGESETZE Exponentialausdrücke und logarithmische Ausdrücke Anwendung logarithmischer Größen - Pegel Logarithmische Darstellungen von Exponential- und Potenzfunktionen Die darzustellende Funktion ist eine Exponentialfunktion Die darzustellende Funktion ist eine Potenzfunktion 60 60 62 63 64 65 41 42 44 44 46 Herbsttrimester 2007 Seite 2 1. MATHEMATISCHE GRUNDLAGEN 1.1 Vektorrechnung Als vektorielle Größe oder Vektor bezeichnet man alle Größen, die eine Richtung besitzen. Skalare Größe oder Skalar heißt jede Größe, die keine Richtung besitzt. Beispiele: Die an einem Massepunkt angreifende Kraft ist ein Vektor, da sie eine Richtung besitzt. Die Geschwindigkeit eines Massepunktes ist ebenfalls ein Vektor. Die Temperatur eines Körpers ist ein Skalar, da mit dieser Größe keine Richtung verbunden ist. Die Masse eines Körpers ist ebenfalls ein Skalar. Wenn man von der Richtung einer vektoriellen Größe absieht, so kann man diese genauso wie eine skalare Größe durch Wahl einer entsprechenden Maßeinheit messen. Aber während die Maßzahl die skalare Größe vollständig beschreibt, beschreibt sie die vektorielle Größe nur teilweise. Die vollständige Beschreibung einer vektoriellen Größe erfolgt durch eine gerichtete Strecke und erfordert neben der Angabe des Betrages (Länge der Strecke) die Angabe der Richtung. Die Richtung der vektoriellen Größe fällt in die Richtung der Strecke und wird durch einen Pfeil symbolisiert. Vektorielle Größen werden meist durch einen Pfeil über dem Formelbuchstaben bezeichnet. r r Beispiel: Die Kräfte F1 und F2 haben beide r r den gleichen Betrag ( F1 = F2 , dargestellt durch gleiche Länge der Pfeile), aber unterschiedliche Richtungen. r F1 r F2 1.1.1 Freie und gebundene Vektoren Die an einen Massepunkt angreifende Kraft (z.B. Schwerkraft) ist ein Vektor. Wird der Massepunkt durch die Kraft verschoben, greift die Kraft in gleicher Weise an den verschobenen Massepunkt an. In bestimmten Fällen ist es jedoch zweckmäßig, sich den Vektor mit festem Angriffspunkt vorzustellen (z.B. beim Hebel, wo die Wirkung der Kraft von deren Angriffspunkt abhängt). Man gelangt so zum Begriff des gebundenen Vektors. Ein gebundener Vektor, dessen Anfangspunkt der Koordinatenursprung ist, wird Radiusvektor oder Ortsvektor genannt. 1.1.2 Vektoraddition Greifen z.B. an einem Massepunkt mehrere Kräfte an, so ergibt sich die resultierende Kraft durch Vektoraddition der beteiligten Kräfte. r r r Zur Addition der Vektoren a und b verschiebt man zunächst den Vektor b an den Endpunkt r r r r des Vektors a . Der Summenvektor c = a + b ergibt sich dann als Verbindung zwischen dem r r Ausgangspunkt des Vektors a und dem Endpunkt von Vektor b . Ergänzungen_07 Seite 3 Ergänzende Kapitel zur Vorlesung Angewandte Physik r b r b r c r a r a Muss ein Vektor von einem anderen subtrahiert werden, so addiert man den entgegen gesetzten Vektor, d.h. einen Vektor gleichen Betrages aber entgegen gesetzter Richtung: r r r r a −b = a + −b ( ) 1.1.3 Darstellung eines Vektors in einem rechtwinkligen Koordinatensystem z z r az r r r r a = a x + a y + az r a r ay r az y r ax r ax x x y r ay In einem rechtwinkligen kartesischen Koordinatensystem stellt man Vektoren als Summe der Projektionen des Vektors auf die Achsen des Koordinatensystems dar: r r r r a = a x + a y + az Üblicherweise stellt man die Projektionen außerdem als Vielfache bzw. Teile von Basisvektoren in Richtung der x-, y- und z-Achsen dar: r r a x = a x ⋅ e x usw. r r Dabei sind die Basisvektoren ex , ey , ez Einheitsvektoren, d.h. Vektoren vom Betrag 1. Ihre Länge ist gleich der jeweiligen Maßeinheit. Es gilt: r r r r r r ex ⋅ ex = ey ⋅ ey = ez ⋅ ez = 1 r r r r r r ex ⋅ ey = ex ⋅ ez = ey ⋅ ez = 0 r r An Stelle der Symbole ex , ey , ez verwendet man in der Mathematik häufig die Symbole r r r i , j , k . Die hier angewandte Schreibweise wird jedoch den Anforderungen der Physik besser gerecht, da man mit den Indizes darstellen kann, welche physikalischen Größen das jeweilige Koordinatensystem aufspannen. Seite 4 r Der ganze Vektor a lässt sich auf diese Weise schreiben als r r r v a = ax ⋅ ex + ay ⋅ ey + az ⋅ ez . Weniger Schreibaufwand erfordert die Darstellung des Vektors als Matrix (Zeilen- oder Spaltenvektor): r a = (ax ; ay ; az ) oder ⎛ ax ⎞ r ⎜ ⎟ a = ⎜ ay ⎟ ⎜a ⎟ ⎝ z⎠ Dabei finden sich unterschiedliche Schreibweisen, die Matrizen werden z. T. in eckige Klammern gesetzt oder mit senkrechten Doppelstrichen begrenzt. Beispiel: Eine Kraft des Betrages F = 10,00 N, die in der y-z-Ebene wirkt und unter einem Winkel von 30° zur x-y-Ebene angreift, hat die Komponenten 1 Fz = F ⋅ sin 30° = 10,00 N ⋅ = 5,00 N 2 1 Fy = F ⋅ cos 30° = 10,00 N ⋅ 3 = 8,66 N 2 z r Fy = F ⋅ cos 30° r F 30° r Fz = F ⋅ sin 30° y Damit kann man schreiben: r F = (0; 8,66; 5,00) N 1.1.4 Der Betrag eines Vektors Der Betrag eines Vektors, der durch seine Komponenten in den drei Achsenrichtungen eines rechtwinkligen Koordinatensystems gegeben ist, ergibt sich als r a = a = a x2 + a y2 + az2 . r Beispiel: Der Betrag der oben angeführten Kraft F = (0; 8,66; 5,00) N ist r F = F = 0 + 8,66 2 + 5,00 2 N = 0 + 75,00 + 25,00 N = 10,00 N . 1.1.5 Der Richtungskosinus eines Vektors Die Betrachtung in obigem Beispiel lässt sich umkehren. Die Frage lautet dann z.B., welchen r Winkel der Vektor a mit der x-Achse einschließt. Man erhält r r r a cos ( x, a ) = cos (ex , a ) = rx . a Beispiel: Obiges Beispiel soll so zurückgerechnet werden, d.h. wir suchen den Winkel, den r der Vektor F = (0; 8,66; 5,00) N mit der y-Achse einschließt. Der Richtungskosinus ergibt sich dann als ( ) r F 8,66 N cos y, F = ry = = 0,866 . F 10,00 N Ergänzungen_07 Seite 5 Ergänzende Kapitel zur Vorlesung Angewandte Physik Mit der Umkehrfunktion erhält man den gesuchten Winkel: r ∠ y, F = arccos 0,866 = 30,0° ( ) 1.1.6 Multiplikation eines Vektors mit einer Zahl r Bei der Multiplikation eines Vektors a mit einer Zahl n erhält man einen neuen Vektor, der r die Richtung des Vektors a hat (bzw. die entgegen gesetzte Richtung, wenn n negativ ist) und dessen Betrag um den Faktor n vergrößert ist. Es gelten die Beziehungen: (n + m ) ⋅ ar = n ⋅ ar + m ⋅ ar r r r r n ⋅ a + b = n ⋅ a + n ⋅b r r n ⋅ (m ⋅ a ) = (n ⋅ m ) ⋅ a ( ) 1.1.7 Das Skalarprodukt zweier Vektoren r r Als Skalarprodukt zweier Vektoren a und b bezeichnet man das Produkt ihrer Beträge mit dem Kosinus des von ihnen eingeschlossenen Winkels: r r r r r r a ⋅ b = a ⋅ b ⋅ cos a , b ( ) Bilden die beiden Vektoren einen spitzen Winkel, ist das Skalarprodukt positiv, bei einem stumpfen Winkel ist es negativ. Das Skalarprodukt ist gleich dem Produkt der Beträge der beiden Vektoren, wenn die Vektoren die gleiche Richtung haben, d.h. wenn der eingeschlossene Winkel gleich Null ist. Stehen die Vektoren senkrecht aufeinander, ist das Skalarprodukt gleich Null. r Das Skalarprodukt lässt sich geometrisch deuten als Produkt des Betrages von a mit dem r r Betrag der Projektion des Vektors b auf den Vektor a . Es gelten die Beziehungen: r r r r a ⋅b = b ⋅a r r r (n ⋅ ar ) ⋅ b = n ⋅ ar ⋅ b = n ⋅ ar ⋅ b r r r r r r r a ⋅ b + c = a ⋅b + a ⋅c r r (m ⋅ ar ) ⋅ n ⋅ b = (m ⋅ n ) ⋅ ar ⋅ b ( ) ( ) ( ) Das Produkt r r r r2 a ⋅ a = a 2 = a = a2 r r bezeichnet man als Skalarquadrat des Vektors a . Das Skalarquadrat des Vektors a ist gleich dem Quadrat seines Betrages. Seite 6 Mit der Formel für das Skalarprodukt r r r r r r a ⋅ b = a ⋅ b ⋅ cos a , b ( ) r r lässt sich schließlich auch der Winkel zwischen zwei Vektoren a und b bestimmen: r r r r a ⋅b cos a , b = r r a ⋅b ( ) Das Skalarprodukt in Komponentendarstellung erhält man mit r r r v a = ax ⋅ ex + ay ⋅ ey + az ⋅ ez und r r r r b = bx ⋅ ex + by ⋅ ey + bz ⋅ ez wie folgt: r r r r r r r r a ⋅ b = (ax ex + ay ey + az ez )⋅ (bx ex + by ey + bz ez ) = r r r r r r r r r r r r r r r r r r = ax ex bx ex + ax ex by ey + ax ex bz ez + ay eybx ex + ay eyby ey + ay eybz ez + az ezbx ex + az ezby ey + az ez bz ez Wegen r r r r r r ex ⋅ ey = ex ⋅ ez = ey ⋅ ez = 0 und r r r r r r ex ⋅ ex = ey ⋅ ey = ez ⋅ ez = 1 , bleiben davon nur drei Summanden übrig: r r a ⋅ b = ax bx + ayby + azbz r Beispiel: Die Kraft F = (0; 8,66; 5,00) N soll nun einen Körper längs der y-Achse um 0,5 m r verschieben. Diese Strecke kann man entsprechend als Vektor s = (0; 0,5; 0 ) m darstellen. Die dabei verrichtete Arbeit ergibt sich (wenn die Kraft längs des Weges konstant ist, was hier der Fall sein soll) als Skalarprodukt aus Kraft und Weg r r W = F ⋅ s = 8,66 N ⋅ 0,5 m = 4,33 Nm 1.1.8 Das Vektorprodukt zweier Vektoren r Als Vektorprodukt des Vektors a (erster Faktor) mit dem r Vektor b (zweiter Faktor) bezeichnet man einen dritten r Vektor c (Produkt), der auf folgende Weise gebildet wird: • Sein Betrag ist gleich dem Flächeninhalt rdes Parallelor gramms, das von den Vektoren a und b aufgespannt r r r r wird, d.h. gleich a ⋅ b ⋅ sin a , b . ( ) • r c r b r a Seine Richtung ist senkrecht zur Ebene des erwähnten Parallelogramms. r • Dabei wählt man die Richtung des Vektors c (unter den zwei Möglichkeiten) so, dass die r r r Vektoren a , b , c ein Rechtssystem bilden. (Rechte-Hand-Regel: Der Daumen der rechten Ergänzungen_07 Seite 7 Ergänzende Kapitel zur Vorlesung Angewandte Physik r r Hand zeigt in Richtung des Vektors a , der Zeigefinger in Richtung von b und der Mittelr finger in Richtung des Produktvektors c .) Bevorzugte Schreibweise (daher auch die gebräuchliche Bezeichnung „Kreuzprodukt“): r r r c = a×b Es gelten die folgenden Beziehungen: r r a×a = 0 r r r r b ×a = − a ×b r r r r r r r a +b ×d = a×d +b ×d r r (n ⋅ ar )× b = n ⋅ ar × b ( ) ( ) ( ) Berechnung des Vektorproduktes in Komponentendarstellung Vektorprodukte der Basisvektoren: r r r r r ex × ex = 0 ex × ey = ez r r r r r ey × ex = −ez ey × ey = 0 r r r r r r ez × ex = ey ez × ey = −ex Das Vektorprodukt nung: r ex r a × b = ax bx r r r ex × ez = −ey r r r ey × ez = ex r r ez × ez = 0 berechnet man am besten unter Verwendung einer Determinante 3. Ord- r ey ay r ez r r r az = (aybz − az by )ex + (az bx − ax bz ) ey + (ax by − aybx )ez by bz Beispiel: Man berechne das Drehmoment, das auftritt, wenn eine Kraft vom Betrag F wie gezeichnet an einen starren Körper (dünne Scheibe vom Radius R) angreift. Die Scheibe soll um eine feste Achse drehbar sein, die y mit der (senkrecht auf der Zeichenebene stehenden) z-Achse zusammenfällt. r F r r x 45° 15° Das Drehmoment bezüglich der z-Achse ergibt sich dann gemäß r r r Mz = r × F . r Der Ortsvektor r ist der Vektor vom Koordinatenursprung (Drehachse) zum Angriffspunkt der Kraft. In der gezeichneten r Situation ist r = R . r Zunächst lässt sich der Betrag von M z berechnen: r r r r r M z = r ⋅ F ⋅ sin r , F ( ) r r Der Winkel, den die Vektoren r und F einschließen, beträgt 150°. Der Betrag des Drehmomentes ist also M z = R ⋅ F ⋅ sin 150° = 0,5 R F . Seite 8 r r Das Drehmoment muss senkrecht auf der durch r und F aufgespannten Ebene, also senkrecht auf der Zeichnungsebene stehen. Die Forderung, dass die drei Vektoren ein Rechtssystem bilden, führt dazu, dass der Vektor des Drehmomentes die Richtung der –z-Achse hat, also in die Zeichnungsebene hinein zeigt. Die Rechnung soll mit den Vektoren in Komponentendarstellung wiederholt werden: r r = (R ⋅ cos 45°; R ⋅ sin 45°; 0 ) = (0,707 R; 0,707 R; 0 ) r F = (F ⋅ cos 15°; F ⋅ sin 15°; 0 ) = (0,966 F ; 0,259 F ; 0) Das Vektorprodukt lässt sich mit der Determinante r r r r r r ex ey ez ex ey ez r r r × F = rx ry rz = 0,707 R 0,707 R 0 = Fx Fy Fz 0,966 F 0,259 F 0 r r = (0,707 R ⋅ 0,259 F − 0,707 R ⋅ 0,966 F ) ⋅ ez = −0,5 R F ⋅ ez r r berechnen. Wie man sieht, führt die Tatsache, dass r und F keine Komponenten in zRichtung besitzen, dazu, dass die Komponenten des Drehmoments in x- und y-Richtung Null werden. Man erhält auch die oben ermittelte Richtung des Drehmoments in Richtung der negativen z-Achse. 1.1.9 Gemischte und mehrfache Produkte r r Zur Berechnung des Volumens des Parallelepipeds, das durch die drei Vektoren a , b und r c aufgespannt wird, verwendet man das gemischte Produkt oder auch Spatprodukt r r r r r r r r r V = a ⋅ b × c = b ⋅ (c × a ) = c ⋅ a × b . ( ) ( ) Das doppelte Vektorprodukt r r r r r r r r r r d = a × b × c = b ⋅ (a ⋅ c ) − c ⋅ a ⋅ b ( ) ( ) liefert als Ergebnis einen Vektor. Das doppelte Vektorprodukt benötigt man z.B. bei der Betrachtung der Kreisbewegung. Die r r Radialbeschleunigung an ergibt sich aus der Winkelgeschwindigkeit ω und dem Ortsvektor r r , der die Lage des Massepunktes im Raum beschreibt, gemäß r r r r an = ω × (ω × r ) . Ergänzungen_07 Seite 9 Ergänzende Kapitel zur Vorlesung Angewandte Physik 1.2 Differentialrechnung Ausgangspunkt für die Differentialrechnung waren zwei Probleme: Die Bestimmung der Tangente an eine beliebige Kurve Die Bestimmung der Geschwindigkeit bei beliebigen Bewegungen Beide Probleme führten zur gleichen mathematischen Aufgabe und begründeten die Differentialrechnung. 1.2.1 Die Geschwindigkeit Zur Erklärung der Differentialrechnung soll zunächst die Bewegung eines Massepunktes längs einer Geraden herangezogen werden. (Modell des Massepunktes: Ein Massepunkt (Punktmasse) hat eine endlicher Masse m, jedoch, als Punkt, keine Ausdehnung.) Die Bewegung eines Massepunktes längs einer Geraden (z.B. in x-Richtung) wird durch die Ort-Zeit-Funktion x = x (t ) x( t ) 0 vollständig beschrieben. x Beispiel: Fahrplan als Ort-Zeit-Funktion in Tabellenform 1 km Ort 0 Garmisch-Partenkirchen ab 101 München Hbf an ab 108 München-Pasing an ab 163 Augsburg Hbf an ab 378 Würzburg Hbf an ICE 588 9:23 10:43 10:58 11:04 11:05 11:31 11:33 13:26 Die Geschwindigkeit ergibt sich als pro Zeiteinheit zurückgelegter Weg: vx = Δx Δt Beispiel: Für die gesamte dargestellte Strecke ergibt sich die Geschwindigkeit mit Δ x = 378 km und Δ t = 4 : 03 h = 4,05 h vGW = 378 km km = 93 4,05 h h Betrachten wir nun die Geschwindigkeiten auf den Teilabschnitten, stellen wir fest, dass diese von der eben berechneten Geschwindigkeit für die Gesamtstrecke abweichen. Für die Strecke von München-Pasing nach Augsburg erhält man z.B. 1 Natürlich bewegen sich die Züge nicht entlang einer Geraden. Man kann aber auch die krummlinige Bewegung in der Ebene oder im Raum dadurch beschreiben, dass man die Bewegung entlang der Bahnkurve zur Charakterisierung der Bewegung verwendet. An die Stelle der Funktion x(t ) , welche die Position auf der x-Achse beschreibt, tritt dann die Funktion s(t ) , mit der die Position längs der Bahnkurve als Funktion der Zeit dargestellt wird. Seite 10 vPA = 55 km km = 128 . 0,43 h h Noch deutlicher wird das Problem, wenn wir uns den Aufenthalten auf den Bahnhöfen zuwenden. Im Bahnhof steht der Zug, seine Geschwindigkeit ist dann gleich Null. Wir stellen fest, dass wir als Quotient aus Weg und Zeit immer nur die mittlere Geschwindigkeit erhalten: vx = Δx Δt Offensichtlich ist diese Formel nicht geeignet, die momentane Geschwindigkeit bei einer ungleichförmigen Bewegung, wie es die Bewegung des als Beispiel verwendeten Zuges ist, zu berechnen. Wir können uns der momentanen Geschwindigkeit annähern, indem wir die Geschwindigkeit für immer kleinere Zeitabschnitte berechnen. Im Grenzfall lässt man das Zeitintervall gegen Null gehen: Δx Δ t→0 Δ t vx = lim Auf diese Weise lässt sich die momentane Geschwindigkeit berechnen. Die Berechnung ist jedoch recht umständlich. Beispiel: Wir betrachten den freien Fall eines Körpers. Die Ort-Zeit-Funktion für diese Bewegung lautet x (t ) = 1 2 gt . 2 Wir wollen nun die momentane Geschwindigkeit zum Zeitpunkt t1 berechnen. Dazu müssen wir zunächst die Orte bestimmen, an denen sich der Körper zum Zeitpunkt t1 sowie eine kurze Zeit Δ t später befindet: x (t1 ) = 1 2 g t1 2 1 1 2 2 x (t1 + Δ t ) = g (t1 + Δ t ) = g t12 + 2 t1 Δ t + (Δ t ) 2 2 [ ] Der in der Zeit Δ t zurückgelegte Weg ist damit Δ x = x (t1 + Δ t ) − x (t1 ) = [ ] 1 2 g 2 t1 Δ t + (Δ t ) . 2 Damit wird die momentane Geschwindigkeit: vx1 = lim Δ t→ 0 Ergänzungen_07 [ ] 1 g 2 t1 Δ t + (Δ t ) 1 Δx = lim g (2 t1 + Δ t ) = g t1 = lim 2 Δt Δ t Δ t→0 Δ t→ 0 2 2 Seite 11 Ergänzende Kapitel zur Vorlesung Angewandte Physik 1.2.2 Definition der Ableitung einer Funktion Verallgemeinert man das obige Beispiel für eine stetige Funktion y = f (x ) , so kann man den Ausdruck lim Δ x→0 y (x + Δ x ) − y (x ) d y = = y′ dx Δx als Ableitung der Funktion y = f ( x ) einführen: Die Ableitung einer Funktion ist der Grenzwert, gegen den das Verhältnis aus einem gegen Null strebenden Zuwachs der Funktion und dem entsprechenden Zuwachs im Argument strebt. 1.2.3 Ableitungen ausgewählter Funktionen Für einige analytische Ausdrücke der Funktion y = f ( x ) sollen die Ableitungen angegeben werden: Funktion y = f ( x ) dy dx Funktion y = f (x ) Ableitung y′ = dy dx C 0 ex ex x 1 ax a x ln a xn n x n−1 ln x 1 x 1 x − 1 x2 log a x 1 1 log a e = x x ln a 1 xn − n sin x cos x cos x − sin x tan x 1 cos 2 x x n Seite 12 Ableitung y′ = x n+1 1 2 x 1 x n n x n −1 1.2.4 Grundregeln für das Differenzieren u , v, w seien Funktionen der Variablen x ; u′ = du dv dw , v′ = , w′ = die Ableitungen dieser dx dx dx Funktionen nach x . • Ableitung einer algebraischen Summe zweier oder mehrerer Funktionen (u + v − w)′ = u′ + v′ − w′ • Ableitung eines Produktes (u v )′ = u v′ + u′ v • Ableitung einer Funktion mit einem konstanten Faktor (c u )′ = c u′ • Ableitung eines Bruches ′ ⎛ u ⎞ v u ′ − u v′ ⎜ ⎟ = v2 ⎝v⎠ • Ableitung einer mittelbaren (zusammengesetzten) Funktion Ist y = f (u ) und u = ϕ ( x ) so gilt d y d y du = ⋅ d x du d x 1.2.5 Das Differential Es soll betrachtet werden, wie groß der Zuwachs Δ y einer Funktion y = f (x ) ist, wenn das Argument um den kleinen Betrag Δ x vergrößert wird. Beispiel: Es soll die Funktion y = x 3 betrachtet werden. Der Zuwachs der Funktion ergibt sich als Δ y = y (x + Δ x ) − y (x ) . Im konkreten Fall also: Δ y = (x + Δ x ) − x 3 = x 3 + 3 x 2 Δ x + 3 x (Δ x ) + (Δ x ) − x 3 = 3 x 2 Δ x + 3 x (Δ x ) + (Δ x ) 3 2 3 2 3 Lässt man die Glieder weg, in denen Δ x in Potenzen von 2 und mehr vorkommt, und die damit von höherer Ordnung klein sind, erhält man hier Δ y = 3 x2 Δ x . Allgemein kann man das in der Form Δ y = AΔ x +α darstellen, wobei α bei Δ x → 0 relativ zu Δ x von höherer Ordnung klein ist. Das erste Glied ist proportional zu Δ x und heißt Differential der Funktion f ( x ) . Das Differential einer Funktion ist gleich dem Produkt aus ihrer Ableitung und dem Zuwachs des Arguments Ergänzungen_07 Seite 13 Ergänzende Kapitel zur Vorlesung Angewandte Physik d y = y′ Δ x bzw. d y = y′ d x . 1.2.6 Anwendung der Differentiation in der Mechanik (Kinematik) 1.2.6.1 Geschwindigkeit Für den oben hergeleiteten Ausdruck kann man nun die Ableitung des Ortes nach der Zeit einsetzen: Δ x dx = = x& dt Δ t→ 0 Δ t vx = lim In der Physik ist es üblich, die Ableitung nach der Zeit mit einem über die Funktion gesetzten Punkt zu symbolisieren, man schreibt also für die Ableitung der Ort-Zeit-Funktion x(t ) nach der Zeit den Ausdruck x& (t ) . Die Ableitung der Ort-Zeit-Funktion nach der Zeit ergibt die Geschwindigkeit-Zeit-Funktion. Beispiel: Beim freien Fall gilt x (t ) = 1 2 g t . Die Geschwindigkeit vx (t ) lässt sich durch 2 Ableiten der Ort-Zeit Funktion leicht berechnen: vx (t ) = d ⎛1 2⎞ ⎜ gt ⎟ = gt dt ⎝ 2 ⎠ Sucht man, wie im obigen Beispiel, die Geschwindigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt t1 , muss man diesen nur noch einsetzen: vx1 = vx (t1 ) = g t1 . 1.2.6.2 Beschleunigung Unter Beschleunigung versteht man die Änderung der Geschwindigkeit pro Zeitintervall. Die für die Geschwindigkeit angestellten Überlegungen sind hier in gleicher Weise gültig, wenn die Beschleunigung im Zeitverlauf nicht konstant bleibt. Man muss also schließlich hier auch zur Berechnung der momentanen Beschleunigung die Ableitung der Geschwindigkeit-ZeitFunktion heranziehen. ax = d vx d 2 x = = &x& dt dt2 Geschwindigkeit vx (t ) = d x(t ) = x& (t ) dt Beschleunigung ax (t ) = d vx (t ) d 2 x(t ) = v&x (t ) = = &x&(t ) dt dt2 Damit gewinnt man durch Ableiten (Differentiation) der Ort-Zeit-Funktion x(t) die Geschwindigkeit-Zeit-Funktion vx (t ) und die Beschleunigung-Zeit-Funktion ax (t ) . Seite 14 Beispiel: senkrechter Wurf nach oben Die Ort-Zeit-Funktion soll die Form x (t ) = − g 2 t + v x 0 ⋅ t + x0 haben. Dabei zeigt die x2 Achse senkrecht nach oben. Der Ort des Abwurfes ist x0 , die nach oben gerichtete Anfangsgeschwindigkeit ist vx 0 . Durch Ableiten erhält man die Geschwindigkeit-Zeit-Funktion vx (t ) = x& (t ) = − gt + vx 0 und die Beschleunigung-Zeit-Funktion ax (t ) = &x&(t ) = v&x (t ) = − g . Die Beschleunigung ist wie erwartet im Zeitverlauf konstant. Grafische Darstellung der Zeitabläufe: x v ax x vx 0 x0 t1 x=− t g 2 t + v x 0 ⋅ t + x0 2 Ergänzungen_07 t1 vx = − gt + vx 0 t t −g ax = − g Seite 15 Ergänzende Kapitel zur Vorlesung Angewandte Physik 1.3 Integralrechnung 1.3.1 Das bestimmte Integral Die Integralrechnung entstand aus dem Bestreben, eine allgemeine Methode zur Bestimmung von Flächeninhalten, Volumina und Schwerpunkten zu schaffen. Der Integralbegriff Eine Kurve M N sei durch die Gleichung y = f ( x) gegeben und es sei der Flächeninhalt des „krummlinigen Trapezes“ a A B b zu bestimmen. Dazu wird die Strecke a b in n Teile a x1 , x1 x2 , x2 x3 , ... xn-1 b unterteilt und es wird die in der Abbildung dargestellte Treppenfigur konstruiert. Ihr Flächeninhalt ist gleich y B N y = f (x ) M A y0 y1 y2 y3 a x1 x2 x3 b Fn = y0 ( x1 − a ) + y1 (x2 − x1 ) + y2 ( x3 − x2 ) + ... + yn-1 (b − xn-1 ) . Mit den Abkürzungen (x1 − a ) = d x0 , ( x2 − x1 ) = d x1 usw. kann man dafür schreiben: Fn = y0 d x0 + y1 d x1 + y2 d x2 + ... + yn -1 d xn -1 Die gesuchte Fläche ist der Grenzwert dieser Summe für n → ∞ . LEIBNITZ hat für diesen Grenzwert das Symbol ∫ydx eingeführt, das später als Integral bezeichnet wurde. Die heute gebräuchliche Form des Integrals stammt von FOURIER und schließt die Angabe der Integrationsgrenzen, d.h. des Anfangs- und Endwertes von x ein: b ∫ydx a Seite 16 x 1.3.2 Beziehung zwischen Integral- und Differentialrechnung Lässt man die obere Grenze b der Integration nicht konstant, sondern betrachtet sie als variable Größe x , erhält man eine Fläche, die nun ihrerseits eine Funktion von x ist: x F ( x ) = ∫ f (ξ ) d ξ a An Stelle der Funktion f ( x ) wurde hier die Funktion f (ξ ) verwendet, um die Größen besser unterscheiden zu können. y y = f (ξ ) dF Nun soll betrachtet werden, wie groß der Zuwachs der Fläche d F ( x ) ist, wenn sich die obere Grenze der Fläche um den kleinen Betrag d x verschiebt. ξ Der Zuwachs der Fläche ist näherungsweise gleich a x x+dx der Rechteckfläche, die sich aus dem Funktionswert f ( x ) und der Größe d x des Zuwachses in x-Richtung ergibt. Das verbleibende Reststück zwischen dem Rechteck und der Kurve ist dagegen sehr klein. Damit lässt sich die Betrachtungsweise anwenden, die wir beim Differential kennen gelernt hatten. Man erhält für den Zuwachs der Fläche x d F ( x ) = d ∫ f (ξ ) d ξ = f ( x ) d x . a Die Funktion f ( x ) ist die Ableitung der Funktion F ( x ) nach x: f (x ) = d F (x ) dx Die Integration ist also die Umkehrung der Differentiation. 1.3.3 Das unbestimmte Integral Auf diese Weise lässt sich die Berechnung des Integrals zurückführen auf die Bestimmung einer Funktion aus dem Ausdruck für ihr Differential: f (x ) d x = d F (x ) Die Funktion F ( x ) bezeichnet man als Stammfunktion der Funktion f ( x ) . Man kann leicht sehen, dass es zu einer Funktion f ( x ) beliebig viele Stammfunktionen F ( x ) gibt, die sich jedoch nur durch eine additive Konstante voneinander unterscheiden. Den Ausdruck F (x ) = ∫ f (x ) d x Nennt man unbestimmtes Integral. Ergänzungen_07 Seite 17 Ergänzende Kapitel zur Vorlesung Angewandte Physik Unbestimmte Integrale ausgewählter Funktionen (Die Integrationskonstante wurde jeweils weggelassen.): n ∫x dx= ∫ x n+1 n +1 (n ≠ −1) dx = ln x x ∫ sin x d x = − cos x ∫ cos x d x = sin x ∫e x dx = ex x ∫ a dx = 1.3.4 • ax ln a Allgemeine Integrationsregeln Ein konstanter Faktor lässt sich vor das Integrationszeichen ziehen ∫ a f (x ) d x = a ∫ f (x ) d x • Das Integral einer Summe (bzw. Differenz) ist gleich der Summe (bzw. Differenz) der Integrale der einzelnen Glieder ∫ (u + v − w)d x = ∫ u d x + ∫ v d x − ∫ w d x • Substitutionsmethode: Ist x = ϕ (t ) , so gilt ∫ f (x ) d x = ∫ f [ϕ (t )]⋅ • dϕ (t ) ⋅ dt dt Partielle Integration ∫ u d v = u v − ∫ v du Beispiel: Für die Substitutionsmethode, die häufiger benötigt wird, soll ein Beispiel angeführt werden. Das Integral habe die Form ∫ 2x −1 d x . Wir ersetzen (substituieren) ϕ = 2 x − 1 und bilden die Ableitung wir ersetzen: d x = ∫ ϕ Seite 18 dϕ = 2 . Damit können dx dϕ . An Stelle des ursprünglichen Integrals haben wir nun das Integral 2 dϕ zu lösen: 2 ∫ ϕ 3 2 1 dϕ 1 ϕ = ⋅ +C = ϕ2 +C 3 3 2 2 2 3 Wenn wir wieder ϕ = 2 x − 1 einsetzen, erhalten wir für das gesuchte Integral: (2 x − 1)2 2x −1 d x = 3 ∫ 3 +C 1.3.5 Anwendung der Integration in der Mechanik (Kinematik) Wie wir bereits gesehen hatten, erhalten wir aus der Ort-Zeit-Funktion x(t ) durch Ableiten nach der Zeit die Geschwindigkeit-Zeit-Funktion und die Beschleunigung-Zeit-Funktion. Umgekehrt lässt sich nun bei bekannter Beschleunigung-Zeit-Funktion durch Integration die Geschwindigkeit-Zeit-Funktion und schließlich die Ort-Zeit-Funktion bestimmen: t ∫ a (t )d t = v (t ) −v (t ) x x x 0 t0 t ∫ v (t ) d t = x (t ) − x (t ) x 0 t0 Beispiele: Bewegungsformen Bei den Bewegungsformen hat man vorgegeben, ob z.B. die Geschwindigkeit oder die Beschleunigung eine bestimmte Form annimmt. Die gesuchte Ort-Zeit-Funktion gewinnt man durch Integration unter Berücksichtigung der Anfangsbedingungen zum Zeitpunkt t0 = 0 vx (0) = vx 0 und x (0) = x0 . Man unterscheidet die folgenden Bewegungsformen: Ruhe: x vx = 0 x0 x = const = x0 t x(t ) = x0 Gleichförmige Bewegung: vx ax = 0 vx = const = vx 0 x vx 0 x(t ) = vx 0 ⋅ t + x0 x0 t t Gleichmäßig beschleunigte Bewegung: ax = const = ax 0 ax vx (t ) = ax 0 ⋅ t + vx 0 x(t ) = Ergänzungen_07 ax 0 2 t + vx 0 ⋅ t + x0 2 vx ax 0 x vx 0 t t x0 t Seite 19 Ergänzende Kapitel zur Vorlesung Angewandte Physik Ungleichmäßig beschleunigte Bewegung : ax = ax (t ) vx ax z.B. harmonische Schwingung ax (t ) = − xmω 2 cos ω t xm vxm axm vx (t ) = − xmω sin ω t x t t t x (t ) = xm cos ω t Die erste Integration der Beschleunigung hat für die gleichmäßig beschleunigte Bewegung die Form: t t t0 t0 ∫ ax (t )dt = ax 0 ∫ dt = ax 0 (t − t0 ) = vx (t ) −vx (t0 ) Man erhält also die Differenz der Geschwindigkeiten als Fläche unter der Beschleunigung-Zeit-Kurve ax (t ) : ax vx vx (t ) ax 0 vx (t0 ) vx (t ) − vx (t0 ) vx 0 t t0 t t0 t t Das Verfahren lässt sich natürlich auch auf die anderen Bewegungsformen und auch auf die Integration der Geschwindigkeit anwenden, wobei man dann den zurückgelegten Weg als Fläche unter der Geschwindigkeit-Zeit-Kurve vx (t ) erhält. Beispiel (Aufgabe): Ein Körper wird aus dem Zustand der Ruhe bei x = 0 heraus in positiver x−Richtung während der Dauer T so beschleunigt, wie es in nebenstehend skizziertem Diagramm dargestellt ist. α a0 2 3 1 2 T T t T a) Zeichnen Sie das zugehörige − 3 a 0 2 t,v−Diagramm. b) Zeichnen Sie das zugehörige t,x−Diagramm. c) Bestimmen Sie den während T zurückgelegten Weg in Abhängigkeit von a 0 und T. Lösung: Die Aufgabe lässt sich recht schnell mit Hilfe der Flächen unter den a (t ) - bzw. v (t ) -Kurven lösen. In den drei Abschnitten von ist die Beschleunigung jeweils konstant, so Seite 20 dass sich für die Geschwindigkeit-Zeit-Funktion Geraden ergeben. Den Geschwindigkeitsunterschied erhält man jeweils aus der Fläche unter der Beschleunigung-Zeit-Kurve: v ( 12 T ) − v (0 ) = a0 ⋅ 12 T v (T ) − v ( 32 T ) = − 32 a0 ⋅ 13 T = − 12 a0T Man sieht hier sofort, dass die Geschwindigkeit am Ende der Bewegung (zum Zeitpunkt T) wieder Null sein muss, da die Geschwindigkeitsabnahme während der Bremsphase gleich der Geschwindigkeitszunahme während der Beschleunigungsphase ist. In entsprechender Weise geht man vor, um zum Weg-Zeit-Diagramm zu gelangen. Da im ersten und dritten Abschnitt der Bewegung die Geschwindigkeit linear von der Zeit abhängt, ergeben sich dort im t,x-Diagramm jeweils Parabelstücke. Die zurückgelegte Strecke kann wieder über die Flächen berechnet werden, wobei hier die Dreiecks- bzw. Rechtecksflächen unter der t,v-Kurve herangezogen werden. Man beachte, dass die einzelnen Kurvenstücke im Weg-Zeit-Diagramm mit gleicher Steigung aneinander anschließen müssen. a) 1 a0 T 2 v 0 7 a0 T 2 24 b) 5 a0 T 2 24 1 a0 T 2 8 x 0 1 T 2 0 2 T 3 T t c) s = Ergänzungen_07 7 a0 T 2 24 Seite 21 Ergänzende Kapitel zur Vorlesung Angewandte Physik 2. DIE NEWTON’SCHE BEWEGUNGSGLEICHUNG 2.1 Die Newton’schen Axiome Während die Kinematik (Bewegungslehre) die Bewegung von Körpern beschreibt, ohne nach deren Ursache zu fragen, beschreibt die Dynamik die Bewegung unter dem Einfluss von Kräften. Aufgabe der Dynamik ist die Aufstellung von dynamischen Grundgesetzen (Bewegungsgleichungen) und deren Lösung. Grundlage der Dynamik sind die Newton’schen Axiome (1687): 1. Trägheitsgesetz (Galilei’sches Trägheitsgesetz): Jeder Körper verharrt im Zustand der Ruhe oder gleichförmigen, geradlinigen Bewegung, solange keine äußeren Kräfte auf ihn wirken. 2. Bewegungsgleichung: r dp r =F dt r r m⋅a = F r F: m : v v: r r p = m⋅ v : Kraft Masse Geschwindigkeit des Massepunktes Impuls v Die zeitliche Änderung des Impulsvektors p ist der einwirkenden Kraft proportional und v geschieht längs derjenigen geraden Linie, in der F wirkt. 3. Gegenwirkungsprinzip: Die von zwei Körpern aufeinander ausgeübten Wirkungen (Kräfte, Momente) sind stets gleich groß und entgegengesetzt gerichtet. Gemäß der Newton’schen Bewegungsgleichung ist die Beschleunigung, die ein Körper erfährt, proportional zur angreifenden Kraft und erfolgt in Richtung der angreifenden Kraft. Außerdem ist die Beschleunigung umgekehrt proportional zur Masse des Körpers. 2.2 Die Masse Die Masse eines Körpers ist ein Maß für seine schweren und trägen Eigenschaften. Die Trägheit eines Massepunktes äußert sich darin, dass dieser unter dem Einfluss äußerer Kräfte eine Beschleunigung erfährt, während er beim Fehlen äußerer Kräfte seinen Zustand der Ruhe oder gleichförmigen geradlinigen Bewegung beibehält. Die Masse, die in die Newton’sche Bewegungsgleichung eingeht, ist die träge Masse. Werden zwei unterschiedliche Massen durch die gleiche Kraft beschleunigt, so verhalten sich die Beschleunigungen wie die Kehrwerte der Massen. Die Masse, die in das Gravitationsgesetz eingeht, ist seine schwere Masse. Die Masse wird über ihre Schwere definiert (Kilogrammprototyp). Im Versuch wurde nachgewiesen, dass die träge Masse gleich der schweren Masse ist (Äquivalenzprinzip). Das Masseverhältnis zweier Körper kann daher durch deren Gewichtsverhältnis ausgedrückt werden (Hebelwaagen). Versuch Kugel mit Faden: Eine schwere Metallkugel ist an einem dünnen Faden aufgehängt. An der Kugel hängt ein gleichartiger Faden, an dem gezogen werden kann. Zieht man langsam, reißt der Faden oberhalb der Kugel, da sich dort die von außen angreifende Kraft und das Gewicht addieSeite 22 ren, während im unteren Faden nur die äußere Kraft wirkt. Bei ruckartigem Ziehen am unteren Faden reißt jedoch dieser zuerst. Die Kugel kann wegen ihrer Trägheit der schnellen Bewegung des Fadens nicht folgen. Atwood’sche Fallmaschine zur Erklärung der Newton’schen Bewegungsgleichung Zwei Körper 1 und 2 mit den Massen m1 und m2 = m1 hängen an einem Seil, das über eine Rolle läuft. Wird ein Körper 3 auf den Körper 1 gelegt, so bewegen sich beide abwärts. Die Bewegung soll zum Zeitpunkt t = 0 an der Stelle s = 0 mit der Geschwindigkeit v = 0 beginnen. Die Reibung und die Masse der Rolle 0 werden ebenso wie die Masse des Seiles vernachlässigt. m3 m1 m2 s Die Beschleunigung des Systems kann aus einer gemeinsamen Bewegungsgleichung aller drei Körper bestimmt werden, da diese durch das Seil miteinander verbunden sind. Außerdem erfolgt die Bewegung nur entlang des Seiles, weshalb man die Bewegung eindimensional beschreiben kann. Die Bewegungsgleichung lautet allgemein m⋅&s& = F Dabei wird mit der s-Koordinate eine positive Bewegungs- und Beschleunigungsrichtung in der Weise eingeführt, dass sich bei positiver Beschleunigung &s& der Körper 2 hebt, während sich die Körper 1 und 3 senken. Die in obiger Gleichung auftretende Masse ist die träge Masse, die zu beschleunigen ist. Als träge Masse wird die Summe der drei Einzelmassen wirksam. In F müssen alle angreifenden Kräfte berücksichtigt werden, wobei sich die inneren Kräfte zwischen den Körpern aufgrund des Gegenwirkungsprinzips in der Kräftesumme aufheben. Als äußere Kräfte bleiben die Gewichte der Massen m1 und m3 in positiver und der Masse m 2 in negativer Richtung übrig: (m1+m2 +m3 ) ⋅&s&=m1⋅g +m3⋅g −m2⋅g . Mit m1 = m2 lautet die Bewegungsgleichung (2m1+m3 ) &s&=m3⋅g . Die Beschleunigung ergibt sich als &s&= m3 ⋅g . 2m1 +m3 Zur Bestimmung der Beschleunigung misst man die Zeit, die Masse 1 benötigt, um eine definierte Strecke s1 zurückzulegen (gleichmäßig beschleunigte Bewegung): s1 = &s& 2 t1 2 t1 = 2 s1 &s& Das Experiment wurde ursprünglich durchgeführt, um die Fallbeschleunigung g mit der zur Verfügung stehenden Messtechnik relativ genau bestimmen zu können. Man muss dann die Gleichungen so umstellen, dass aus den bekannten Massen, der Stecke s1 und der Zeit t1 die Fallbeschleunigung berechnet werden kann. Ergänzungen_07 Seite 23 s Ergänzende Kapitel zur Vorlesung Angewandte Physik g= 2 s1 2 m1 + m3 ⋅ t12 m3 Im Versuch verwenden wir folgende Größen: m1 = m 2 = 250 g , m3 = 40 g , s1 = 1,00 m Die gemessene Zeit beträgt zum Beispiel t1 = 1,71s . Damit ergibt sich g = 9,23 m . Die Abweis2 chung vom inzwischen gut bekannten Tabellenwert ist mit 6 % relativ groß und darauf zurückzuführen, dass die Seilmasse, das Massenträgheitsmoment der Umlenkrolle und die Reibung vernachlässigt wurden. 2.3 Die Kraft Im Gegensatz zur Masse, die eine Basisgröße des SI ist, ist die Kraft eine abgeleitete Größe. r r Sie wird über die Grundgröße Masse definiert gemäß F = ma . Die abgeleitete SI-Einheit der Kraft ist das Newton. 1 Newton ist gleich der Kraft, die einem Körper der Masse 1 kg die Beschleunigung 1 m/s² erteilt: 1 N = 1 kg m s-2. Die Kraft ist eine vektorielle Größe. Sie ist vollständig bestimmt, wenn man ihren Absolutbetrag, ihre Richtung und ihren Angriffspunkt kennt. Greifen an einen Massepunkt mehrere Kräfte an, so ist deren Wirkung der resultierenden Kraft äquivalent, die gleich der Vektorsumme der wirkenden Kräfte ist. Als Wirkungslinie der Kraft wird die in Richtung des Vekr tors Fi liegende Gerade bezeichnet. Die Wirkung auf einen starren Körper bleibt gleich, wenn man die Kraft längs ihrer Wirkungslinie verschiebt. Kräfte treten immer paarweise auf (Gegewirkungsprinzip). In einem System von Massepunkten bzw. Körpern werden diejenigen Kräfte, die zwischen den Punkten bzw. Körpern des Systems wirken als innere Kräfte bezeichnet. Kräfte, die von Punkten bzw. Körpern ausgeübt werden, die nicht zum System gehören, heißen äußere Kräfte. Als abgeschlossenes System bezeichnen wir ein System auf das keine äußeren Kräfte ausgeübt werden. Bei der Bindung eines Massepunktes an eine bestimmte Fläche oder Kurve im Raum, wird die vom Führungsmechanismus aufzubringende Kraft als Zwangskraft bezeichnet. Die Zwangskraft steht immer senkrecht auf der Fläche oder Kurve, an die die Bewegung gebunden ist. Sie kann daher keine Arbeit leisten (Bezeichnung auch als „verlorene Kraft“). Versuch Kräfteparallelogramm: Über Umlenkrollen greift das Gewicht zweier Massen aus verschiedenen Richtungen an einer dritten, frei hängenden Masse an. Im Gleichgewicht muss die Summe der von den ersten beiden Massen ausgeübten Kraft gleich dem Gewicht der dritten Masse sein. Man sieht, dass die Kräfte vektoriell addiert werden müssen (Kräfteparallelogramm). Versuch Gegenwirkungsprinzip: Es wird die Seilkraft für die beiden Fälle gemessen, dass (über Umlenkrollen) in einem Fall an beiden Seiten des Seiles je eine gleich große Masse hängt und im anderen Fall nur an einer Seite eine Masse hängt, während das zweite Ende an einem Haken befestigt wird. Da die verbleibende Masse in beiden Fällen ruht, muss die Seilkraft in beiden Fällen vom Betrag dieselbe Größe wie das Gewicht der Masse haben. Seite 24 2.4 Integration (Lösung) der Bewegungsgleichung 2.4.1 Konstante Kraft Zur Lösung der Bewegungsgleichung muss man zunächst ermitteln, welche Kraft an den Körper angreift. Der einfache Fall besteht zunächst darin, dass diese Kraft konstant ist. Das ist z.B. bei der Bewegung eines Körpers unter dem Einfluss der Schwerkraft der Fall. Die Kraft, die den Körper beschleunigt, ist sein Gewicht r r FG = m g , r r wobei g die Fallbeschleunigung ist ( g = g = 9,81 m ⋅ s -2 ), die zum Erdmittelpunkt zeigt. Diese Kraft muss man nun in die Newton’sche Bewegungsgleichung r r F = m⋅a einsetzen: r r FG = m a r r mg=ma In der dargestellten Situation des freien Falls, bei dem die schwere Masse gleich der trägen Masse ist, erhält man, dass die Beschleunigung des Körpers gleich der Fallbeschleunigung ist. Das Ort-Zeit-Gesetz kann man nun durch einfache Integration unter Berücksichtigung der Anfangsgeschwindigkeit und des Ortes, an dem die Bewegung beginnt, gewinnen. Versuch Seilrolle: Ein Körper der Masse m1 kann reibungsfrei auf einer Ebene gleiten. Er ist im Fall a) über ein Seil und eine feste Rolle bzw. im Fall b) über ein Seil, eine feste und eine lose Rolle mit einem hängenden Körper der Masse m2 verbunden. Es soll ermittelt werden, wie groß die Beschleunigungen der beiden Körper in den beiden Fällen ist. Dabei sollen außer der Reibung auch die Massen von Seil und Rollen vernachlässigbar sein. m1 m1 a) m2 b) m2 Die zu erwartenden Beschleunigungen sollen zunächst berechnet werden. Da die Bewegung nur entlang des Seiles erfolgt, kann eine eindimensionale Darstellung verwendet werden. Ergänzungen_07 Seite 25 Ergänzende Kapitel zur Vorlesung Angewandte Physik a) m2 g = (m1 + m2 ) a Dem Gewicht des Körpers 2 als Verursacher der Bewegung steht die träge Masse beider Körper gegenüber. a=g b) m2 m1 + m2 Für den Fall b) muss man zunächst die angreifenden Kräfte betrachten: Außer dem Gewicht des Körpers 2 spielen die Seilkräfte eine Rolle. Wegen des Gegenwirkungsprinzips müssen die Seilkräfte überall im Seil gleich groß sein. 1 r FS Körper 1: FS = m1 a1 (1) Körper 2: m2 g − 2 FS = m2 a2 (2) Außerdem sieht man noch, dass die Beschleunigung des Körpers 1 doppelt so groß wie die des (3) Körpers 2 ist: a1 = 2 a2 r FS r FS Man kann nun die Bewegungsgleichung für beide Körper aufstellen. 2 r m2 g Einsetzen von (1) und (3) in (2) liefert die Beschleunigung von Körper 2. m2 g − 4 m1 a2 = m2 a2 a2 = g m2 m2 + 4 m1 Die Beschleunigung des Körpers 1 ist gemäß (3) doppelt so groß, also a1 = g 2 m2 . m2 + 4 m1 2.4.2 Kraft ist nicht konstant und hängt vom Ort bzw. von Ort und Geschwindigkeit ab Der Fall einer ortsabhängigen Kraft tritt z.B. beim Federpendel (Feder mit angehängtem Körper der Masse m) auf. Die Kraft, mit der die Feder versucht, den angehängten Körper wieder in die Ruhelage zu ziehen, ist umso größer, je weiter die Feder gedehnt oder gestaucht wurde: r r (bzw. eindimensional FD = − D x ) FD = − D x D ist dabei eine Proportionalitätskonstante (Federkonstante). Setzt man diese Kraft in die Bewegungsgleichung ein, erhält man den Ausdruck − D x = m ax d2 x − D x = m 2 = m &x& dt Seite 26 Gleichungen dieser Art, die eine Funktion und ihre Ableitung(en) enthalten, nennt man Differentialgleichung. Im konkreten Fall ist es eine gewöhnliche, lineare, homogene Differentialgleichung zweiter Ordnung, die man in der Form &x& + D x=0 m schreiben kann. Die Lösung von Differentialgleichungen erfolgt über Lösungsansätze. Im Fall des Federpendels müssen wir für die Ort-Zeit-Funktion x (t ) nach einer Funktion suchen, deren zweite Ableitung sich von der ursprünglichen Funktion nur durch einen Faktor unterscheidet. Hierfür kommen außer der e-Funktion noch die Winkelfunktionen Sinus und Kosinus in Frage, die ebenfalls diese Bedingung erfüllen. Im Rahmen des Kurses „Angewandte Physik“ wird zur Lösung der auftretenden Differentialgleichungen jeweils ein Ansatz gewählt, der den im Experiment beobachteten Bewegungsablauf beschreibt. Im Fall des Federpendels wird also die Beobachtung herangezogen, dass sich seine Bewegung durch die Projektion einer Kreisbewegung beschreiben lässt: x (t ) = A ⋅ sin (ω t + ϕ 0 ) Dabei bedeuten A: Amplitude (maximale Auslenkung); ω : Kreisfrequenz (abgeleitet aus der Winkelgeschwindigkeit); ϕ 0 : Anfangsphase. Einsetzen dieses Lösungsansatzes in die Differentialgleichung liefert die bekannte Beziehung ω= D . m Die Größen A und ϕ 0 lassen sich so nicht bestimmen, da die Bewegungsgleichung für alle Werte dieser Größen erfüllt wird. Sie lassen sich nur mittels der Anfangswerte (Ort und Geschwindigkeit der Bewegung zu einem bestimmten Zeitpunkt) bestimmen. Lässt man außer einer ortsabhängigen Kraft noch eine Reibungskraft zu, die von der Geschwindigkeit des Körpers abhängt, erhält man eine Differentialgleichung, die zu einer gedämpften Schwingung führt. Mit einer zusätzlichen, von Ort und Geschwindigkeit unabhängigen Kraft eines Erregers erhält man die inhomogene Differentialgleichung der erzwungenen Schwingung. In allen Fällen werden die Differentialgleichungen durch Ansätze gelöst, die aus der Beobachtung der entsprechenden Bewegung im Experiment gewonnen wurden. Beispiel: Gedämpfte Schwingung eines Federpendels mit geschwindigkeitsunabhängiger Dämpfung Während in der Vorlesung „Angewandte Physik“ die gedämpfte Schwingung mit einer geschwindigkeitsabhängigen Dämpfung, wie sie bei der inneren Reibung (z.B. in einer Flüssigkeit) auftritt, behandelt wurde, soll hier die Ort-Zeit-Funktion einer Schwingung hergeleitet werden, deren Dämpfung durch äußere Reibung hervorgerufen wird. Äußere Reibung ist die Reibung zwischen festen Körpern. Dabei ist die Reibungskraft konstant, d.h. unabhängig von der Geschwindigkeit: FR = μ FN FN ist die Normalkraft, d.h. die Kraft mit der der bewegte Körper auf die Unterlage drückt. Ergänzungen_07 Seite 27 Ergänzende Kapitel zur Vorlesung Angewandte Physik Die Reibungskraft ist zwar vom Betrag her konstant, ändert aber während der Bewegung ständig ihre Richtung, da sie der Bewegung entgegengerichtet ist. Man muss also hier zwei Differentialgleichungen aufstellen, die jeweils für die Bewegung in positiver bzw. negativer x-Richtung gültig sind: Bewegung in positiver x-Richtung ( v = x& > 0 ) m &x& = − D x − μ FN m &x& + D x + μ FN = 0 Bewegung in negativer x-Richtung ( v = x& < 0 ) m &x& = − D x + μ FN m &x& + D x − μ FN = 0 Zur Lösung dieser Gleichungen wird zunächst die konstante Reibungskraft formal durch einen ebenfalls konstanten Ausdruck μ FN = D x0 ersetzt und dieser in die Differentialgleichung eingesetzt: m &x& + D (x + x0 ) = 0 Wir substituieren nun zunächst für den Fall x& > 0 den Ausdruck in der Klammer durch y = x + x0 ( &y& = &x& ): m &y& + D y = 0 und erhalten die Differentialgleichung einer harmonischen Schwingung mit der Eigenfrequenz ω0 = D m und der Ort-Zeit-Funktion y = yˆ sin (ω 0 t + ϕ 0 ) , aus der durch Rücksubstitution schließlich wird x + x0 = ( xˆ + x0 )sin (ω 0 t + ϕ 0 ) x = ( xˆ + x0 )sin (ω 0 t + ϕ 0 ) − x0 . Die Ort-Zeit-Funktion für den Fall x& < 0 erhält man entsprechend: x = ( xˆ − x0 )sin (ω 0 t + ϕ 0 ) + x0 Die Größe x0 kann man nun wieder ersetzen durch x0 = μ FN D . Die grafische Darstellung des Bewegungsablaufes erhält man durch stückweises Zusammensetzen der Bewegungen mit x& > 0 und x& < 0 aus Sinusschwingungen, wobei sich jeweils einer Viertelschwingung, die zu x = − x0 symmetrisch ist ( x& > 0 ), eine Viertel- Seite 28 schwingung, die zu x = x0 symmetrisch ist ( x& < 0 ), stetig anschließt. Auf diese Weise nimmt die Amplitude der Schwingung innerhalb einer Periode um 4 x0 = 4 μ FN D ab. Im Gegensatz zur gedämpften Schwingung mit geschwindigkeitsabhängiger Dämpfung, bei der das Verhältnis der Amplituden aufeinander folgender Schwingungen gleich ist, ist hier die Differenz der Amplituden aufeinander folgender Schwingungen gleich. Das bedeutet, dass diese Schwingung bereits nach wenigen Perioden zum Stillstand kommt. 1 0.75 0.5 0.25 x( t ) x(t ) x̂(0 ) x0 0 − x0 0.25 0.5 0.75 1 0 3.14 6.28 9.42 12.56 t t s Die grafische Darstellung zeigt den Bewegungsablauf für ω = 1s -1 , ϕ 0 = π 2 und xˆ (0) : Während einer Schwingungsdauer T = 6,28 s nimmt die Amplitude 8 um 4 x0 ab. Nach zwei Schwingungen kommt die Bewegung zum Stillstand. x0 = Ergänzungen_07 Seite 29 Ergänzende Kapitel zur Vorlesung Angewandte Physik 3. DYNAMIK STARRER KÖRPER 3.1 Freiheitsgrade Als Freiheitsgrad bezeichnet man die Anzahl der frei wählbaren, voneinander unabhängigen Parameter eines physikalischen Systems, die die räumliche Lage des Systems eindeutig festlegen: Ein Massepunkt besitzt 3 Freiheitsgrade, die Ortskoordinaten x, y, z. ϕ N Massepunkte besitzen 3 N Freiheitsgrade, sofern die Massepunkte sich voneinander unabhängig bewegen können. Im Gegensatz dazu ist die Lage der Massenelemente in einem starren Körper relativ zueinander fest. Zur Beschreibung der Lage eines starren Körpers im Raum sind 6 Koordinaten nötig; der starre Körper hat 3 Translations- und 3 Rotationsfreiheitsgrade. β λ z y x Rotation um eine feste Achse: Eine feste Achse ist durch ihre Lage im Raum (Koordinaten x, y, z eines Punktes der Achse sowie Azimutwinkel λ und Erhebungswinkel β) bestimmt. Lässt man einen Körper um eine feste Achse rotieren, bleibt ihm nur noch ein Freiheitsgrad, der Drehwinkel ϕ. 3.2 Dynamik der Rotation um eine feste Achse r F2 Nicht jede Kraft kann eine Drehbewegung in Gang bringen, vielmehr sind Angriffspunkt und Richtung entscheidend. r In nebenstehender Skizze bewirkt nur F1 eine Drehung. An die Stelle, die bei der Translationsbewegung die Kraft eingenommen hatte, tritt bei der Drehbewegung das Drehmoment als Ursache für die Änderung des Bewegungszustandes: r r r M = r ×F r r A r F1 r F3 Es drängt sich die Frage auf, ob es weitere Änderungen gegenüber einer Translationsbewegung gibt, die Auswirkungen auf die Gestalt der Bewegungsgleichung haben. Experiment: Einfluss der Position der Massen relativ zur Drehachse auf die Winkelbeschleunigung Ein an einer Achse befestigter Stab mit zwei verschiebbaren Massen wird durch zwei weitere Massen, die an um die Achse gewickelten Fäden hängen, beschleur nigt. (s. Skizze) Es wird die Zeit gemessen, die für 5 Umdrehungen ( ϕ 1 = 5 ⋅ 360° = 10 π ) aus der Ruhe benötigt wird. Dabei ist das antreibende Drehmoment stets gleich. Die beiden Massen wer- Seite 30 den zunächst am Ende des Stabes und dann beim halben Radius positioniert. Man stellt fest, dass im zweiten Fall die benötigte Zeit nur etwa halb so lang wie im ersten Fall ist: rI =2 → rII tI ≈2 t II Erklärung: Beschreibung der gleichmäßig beschleunigten Bewegung mit dem Drehwinkel ϕ (vgl. Kreisbewegung): ω& = ϕ&& = const ( ω& = ϕ&& : Winkelbeschleunigung) (ω 0 = 0) ω = ϕ& = ϕ&& ⋅ t ϕ= ϕ&& 2 (ϕ 0 = 0) t2 ϕ 1 = ϕ (t1 ) = ϕ&& 2 t12 ϕ&& = 2ϕ 1 t12 → ϕ&&II t I2 = ϕ&&I t II2 Die Winkelbeschleunigung ist im zweiten Fall also etwa vier mal so groß wie im ersten. In unserem Fall verhalten sich die Winkelbeschleunigungen etwa wie die Kehrwerte der Quadrate der Abstände der Massen von der Drehachse. Es wird deutlich, dass die Trägheit des Systems nicht (wie bei der Translationsbewegung) allein von der Masse abhängt, sondern auch vom Abstand der Masse von der Drehachse. Es wird daher das Massenträgheitsmoment JA eingeführt, das in der Bewegungsgleichung an die Stelle der trägen Masse tritt. Der Index „A“ soll dabei die Achse bezeichnen, auf die sich das Trägheitsmoment bezieht. Für die Winkelbeschleunigung erhält man daher: ϕ&& = MA JA D.h., die Bewegungsgleichung erhält die Form M A = J Aϕ&& Das Massenträgheitsmoment ist ein Maß für die Trägheit eines Körpers bei Änderung der Winkelgeschwindigkeit (Änderung der Drehzahl). An dieser Stelle ist es zweckmäßig, den Drehimpuls als neue Größe einzuführen. Allgemein ergibt sich der Drehimpuls bezüglich eines bestimmten Koordinatensystems als Vektorprodukt aus dem Ortsvektor und dem Impulsvektor: r r r L=r×p r Für einen auf einer Kreisbahn vom Radius r mit der Winkelgeschwindigkeit ω umlaufenden Massepunkt der Masse m erhält man bezüglich des Kreismittelpunktes den Drehimpuls r r r r r r L = r × m v = r × m (ω × r ) r r L =mr 2ω . Auf eine ausführliche Begründung soll hier verzichtet werden. Ergänzungen_07 Seite 31 Ergänzende Kapitel zur Vorlesung Angewandte Physik Dieser Ausdruck gilt natürlich auch für die Kreisbewegung, welche die Massepunkte eines starren Körpers bei Rotation um eine feste Achse ausführen. r& r r& r r r r r r r r r (wegen L = r& × p + r × p& = r × p& = r × F = M ) erhält man damit Mit L =M r r M =mr 2ω& . ( ) ( ) Daraus lässt sich schnell das Massenträgheitsmoment für den Massepunkt ableiten: J = mr 2 Mit diesem Trägheitsmoment kann das Ergebnis des obigen Versuches nochmals überprüft werden: Nimmt man an, dass die beiden Massen wie Massepunkte behandelt werden können, müssten sich die Winkelbeschleunigungen wie die Kehrwerte der Quadrate der Radien verhalten. Noch einfacher wird der Zusammenhang, wenn man die Zeiten für die 5 Umdrehungen nimmt. Dann müsste gelten: tI r = I . t II rII Das ist, wie wir gesehen haben, näherungsweise der Fall. Die Abweichung des Messergebnisses vom erwarteten Zusammenhang kommt daher, dass die Stäbe, auf denen die Massestücke verschoben werden, einen nennenswerten Beitrag zum Massenträgheitsmoment liefern. In diesem Abschnitt haben wir außer der Bewegungsgleichung noch gesehen, welche Gestalt der Drehimpuls für die Drehbewegung annimmt. Im Analogieschluss lassen sich außerdem weitere Beziehungen für die Drehung um eine feste Achse herleiten. Die folgende Tabelle zeigt die Gegenüberstellung der Gleichungen für die geradlinige Bewegung (Translation) und die Drehbewegung (Rotation): Translation längs des Weges s s = s(t ) ds v= = s& dt a= d2s = &s& dt2 α= d 2ϕ = ϕ&& dt2 Fs MA Fs = m&s& M A = J A ϕ&& ps = mv LA = J A ω Impulserhaltungssatz für Fs = 0 : ps = const Drehimpulserhaltungssatz für M A = 0 : LA = const W = ∫ Fs d s W = ∫ M Adϕ P = Fs v Wk = Seite 32 Rotation um eine feste Achse A ϕ = ϕ (t ) dϕ = ϕ& ω= dt m 2 v 2 P = M Aω Wk = JA 2 ω 2 3.3 Massenträgheitsmoment, Satz von Steiner Für den einzelnen Massepunkt war das Trägheitsmoment bereits ermittelt worden. Für einen starren Körper ergibt sich das Trägheitsmoment als Summe über alle Trägheitsmomente von infinitesimal kleinen Massenelemenr Δm ten Δm : r1 n J A = ∑ ri 2 ⋅ Δm i =1 JA = ∫r 2 A r r2 Δm dm ( Körper ) Einen anderen Zugang zum Begriff des Massenträgheitsmomentes erhält man durch Betrachtung der kinetischen Energie der einzelnen Massenelemente bei der Rotation des Körpers: Die kinetische Energie des i-ten Massenelements ergibt sich als Wk ,i = Δm 2 vi , 2 die gesamte kinetische Energie ergibt sich als Summe über alle Wk ,i . Bei der Summation stellt man jedoch fest, dass sich die Bahngeschwindigkeiten vi der einzelnen Massenelemente unterscheiden. Allen gemeinsam ist nur die Winkelgeschwindigkeit ω . Man muss die Bahngeschwindigkeit also durch die Winkelgeschwindigkeit und den Abstand des jeweiligen Massenelementes von der Drehachse ausdrücken: vi = ω ⋅ ri Die kinetische Energie ist damit Wk = Δm (ω ⋅ ri )2 = 1 ω 2 ∑ ri2 ⋅ Δm = J A ω 2 . ∑ 2 i 2 2 i Vor allem bei rotationssymmetrischen Körpern ist es vorteilhaft, zunächst das Trägheitsmoment bezüglich der Schwerpunktachse (Index „S“) zu berechnen. Das Trägheitsmoment bezüglich irgend einer anderen dazu parallelen Achse kann man mit dem Satz von Steiner bestimmen: JA = JS + m s2 Das Trägheitsmoment bezüglich einer beliebigen Achse ist gleich der Summe aus dem Trägheitsmoment bezüglich einer zu ihr parallelen Achse durch den Schwerpunkt und dem Produkt aus Körpermasse und Quadrat des Abstandes der beiden Achsen. Berechnung von Massenträgheitsmomenten Zur Berechnung des Massenträgheitsmomentes eines homogenen Körpers formt die oben angegebene Beziehung so um, dass man das Massenelement durch das Produkt aus Dichte und Volumenelement ersetzt: Ergänzungen_07 Seite 33 Ergänzende Kapitel zur Vorlesung Angewandte Physik JA = ∫r 2 dm = ∫ r ) ρ ⋅ d V = ρ ( ∫∫∫ ) r 2 ( Körper ( Körper ) 2 dx dy dz = ρ Körper ∫∫∫ )r ( 2 r dr dϕ dz Körper Der letzte Ausdruck ergibt sich, wenn man an Stelle der kartesischen Koordinaten x, y, z die Zylinderkoordinaten r , ϕ , z verwendet ( dx dy dz = r dr dϕ dz ). Bei rotationssymmetischen Körpern kann man die Integration über den Winkel ϕ sofort ausführen, bei zylindrischen Körpern außerdem die Integration über die Länge z. In diesem Fall hat man nur noch die Integration über den Abstand von der Drehachse auszuführen. Beispiel: Vollzylinder, Länge h R Zur Berechnung des Trägheitsmomentes zerlegt man den Vollzylinder in Röhren der Länge h, des Durchmessers r und der infinitesimalen Wanddicke dr. Das Volumen einer solchen dünnen Röhre berechnet sich einfach als Produkt aus Zylinderoberfläche und Wanddicke: dr r d V = 2π r h d r (Diese Betrachtungsweise ist gleichbedeutend damit, dass die ersten beiden Integrationen wie oben beschrieben bereits ausgeführt wurden: h 2π ∫ ∫ d ϕ d z = 2π h ) 0 0 Für das einzelne Massenelement erhält man damit d m = ρ ⋅ d V = ρ h 2πr d r Die Integration ergibt dann R J S = ρ h 2π ∫ r 3 d r = ρ h 2π 0 R4 R4 = ρ hπ 4 2 Diesen Ausdruck kann man vereinfachen, indem man die Masse des gesamten Zylinders einsetzt m = ρ hπ R 2 , womit man schließlich den in Tafelwerken angegebenen Ausdruck für das Massenträgheitsmoment eines Vollzylinders bezüglich seiner Symmetrieachse erhält: JS = Seite 34 1 m R2 2 4. ERHALTUNGSSÄTZE DER MECHANIK 4.1 Energieerhaltung 4.1.1 Arbeit v Bewegt sich ein Körper unter dem Einfluss einer Kraft F , so verrichtet diese Kraft auf dem r r Wege von r1 nach r2 eine Arbeit W am Körper : r r2 r r W12 = ∫ F d r = Wegintegral der Kraft s1 r F r r1 r r1 Für die Bewegung längs einer Bahnkurve spielt nur r r r die Kraft Fv (r ) = Fs (s ) ev in Bahnrichtung (Richtung der Bahntangente) eine Rolle, da die Komponente senkrecht dazu durch die Zwangskraft kompensiert wird: r r2 r r s2 W12 = ∫ F d r = ∫ Fs d s r r1 0 r r r dr α r Fv s2 r r2 s1 mit r ds = dr r Fs = F cosα Die aus der Schule bekannte einfachste Beziehung W = F ⋅ s erhält man nur, wenn die Kraft in Richtung des Weges wirkt ( F s ) und außerdem auf dem gesamten Weg gleich groß ist ( F = const ). Die physikalische Größe Arbeit ist eine abgeleitete Größe. Die Einheit der Arbeit ist das Joule (J). 1 Joule ist gleich der Arbeit, die verrichtet wird, wenn der Angriffspunkt der Kraft 1 N in Richtung der Kraft um 1 m verschoben wird: 1 J = 1 Nm 4.1.2 Verschiebungsarbeit und potentielle Energie v Ein Körper, der unter dem Einfluss einer Kraft F steht, soll beschleunigungsfrei verschoben werden. Dazu mussv während der Bewegung das Kräftegleichgewicht durch eine zusätzlich angreifende Kraft F ′ (z.B. Muskelkraft) hergestellt werden 2: r v r r Körper unter Einfluss einer Kraft F (z.B. Gewicht: F = mg = −mgez ) r r r r r Verschieben mit F ' = −F (im Beispiel: F ' = −mg = mgez ) r r Bei Verschieben längs einer Bahn gilt entsprechend F ' = − Fv , da wieder nur die Komponente der Kraft in Bahnrichtung zu berücksichtigen ist. v Durch diese Kraft F ' wird die Verschiebungsarbeit W ' verrichtet: W ' = −W 2 Der Strich bezeichnet hier keine Ableitung ! Ergänzungen_07 Seite 35 Ergänzende Kapitel zur Vorlesung Angewandte Physik Lässt sich die Verschiebungsarbeit durch Umkehren der Bewegung zurückgewinnen, so war v sie zwischendurch „gespeichert“. Eine Kraft F , bei der das der Fall ist, heißt Potentialkraft; gespeicherte Verschiebungsarbeit ist Zuwachs an potentieller Energie: Δ Wp = W' r r2 r r r r Wp (r2 ) − Wp (r1 ) = − ∫ F d r r r1 Kräfte sind Potentialkräfte, wenn die geleistete Arbeit nur vom Anfangs- und Endpunkt der Bewegung, aber nicht vom zurückgelegten Weg abhängt. Verschiebungsarbeit gegen Kräfte, die keine Potentialkräfte sind, lässt sich nicht zurückgewinnen. Vor allem Reibungskräfte sind keine Potentialkräfte. Die potentielle Energie eines Systems ist nur bis auf eine unbestimmte Konstante definiert, da über eine Anfangsenergie Wp (0 ) nichts ausgesagt wird. Beispiele: Verschiebungsarbeit im Schwerkraftfeld (Hubarbeit) r r r FG = m g = −m g ez z r r2 z2 r r W = − ∫ FG d r = − ∫ − m g d z ' 12 r r1 z2 z1 = m g ( z 2 − z1 ) = Wp (2) − Wp (1) Potentielle Energie der Schwerkraft z1 r r1 r FG r r2 Wp (z ) = m g z Verschiebungsarbeit bei einer Feder (Spannarbeit) r r FD = − D xex r r2 r r x2 D W = − ∫ FD d r = ∫ D xd x = (x 22 − x12 ) = Wp (2) − Wp (1) r 2 r1 x1 ' 12 Potentielle Energie der Federkraft Wp ( x ) = D 2 x 2 Die potentielle Energie bezeichnet man auch als Potential. Bei gegebenem Potential erhält man die zugehörige Kraft als r ∂ Wp r F = − grad Wp (r ) = − r ∂r Flächen mit gleicher potentieller Energie nennt man Potentialflächen oder Äquipotentialflächen. Zur Verschiebung eines Massepunktes auf einer Äquipotentialfläche muss keine Arbeit verrichtet werden. Seite 36 Gleichgewichte Ein Körper befindet sich im statischen Gleichgewicht, wenn Wp ( x ) an dieser Stelle einen Extremwert oder Wendepunkt mit horizontaler Tangente hat. Je nachdem, ob Wp ein Minimum oder Maximum besitzt oder über einen gewissen Bereich konstant ist, unterscheidet man zwischen stabilem, labilem oder indifferentem Gleichgewicht. Versuch Gleichgewicht: Mit einer Rolle und einer biegsamen Leiste können die verschiedenen Arten des Gleichgewichts demonstriert werden. Führt die Verschiebung aus der Gleichgewichtslage zu einer Erhöhung der potentiellen Energie, ist das Gleichgewicht stabil usw. 4.1.3 Leistung Die Leistung P ist der Differentialquotient der Arbeit nach der Zeit P= dW . dt r r r r Setzt man d W = F d r ein, so erhält man P = F ⋅ v . 4.1.4 Beschleunigungsarbeit und kinetische Energie v Wirkt auf einen Körper die Kraft F , so wird er entsprechend der Bewegungsgleichung r r F = m⋅a beschleunigt. Die dabei verrichtete Arbeit W heißt Beschleunigungsarbeit. Berechnet man W mit Hilfe der Bewegungsgleichung, so kann man zunächst schreiben: r r r r dv d p = und F = ma = m dt dt r r d pr r r r pr r F dr = dr = v d p = d p dt m Damit erhält man für die Beschleunigungsarbeit: r r r2 r r p2 pr r 1 r2 r2 m ( W = ∫ Fd r = ∫ d p = p 2 − p1 ) = (v 22 − v12 ) = Wk (2) − Wk (1) r r m 2m 2 r1 p1 Die Größe Wk = Ergänzungen_07 m 2 p2 v = 2 2m heißt kinetische Energie. Seite 37 Ergänzende Kapitel zur Vorlesung Angewandte Physik 4.1.5 Erhaltungssatz der mechanischen Energie Bisher wurde die Verschiebungsarbeit nur unter dem Aspekt einer äußeren Kraft betrachtet, r r r die einen Massepunkt beschleunigungsfrei (quasistatisch) von r nach r + d r verschoben hat. Die Verschiebungsarbeit kann aber auch verrichtet werden, ohne dass äußere Kräfte wirken, z.B. indem ein Massepunkt dabei abgebremst wird. Experiment Fadenpendel: Im untersten Punkt der Bahn hat die Masse ihre größte Geschwindigkeit und damit ihre größte kinetische Energie. Nach Durchgang durch diesen Punkt bewegt sich die Masse auf der Kreisbahn aufwärts, wobei sie einerseits an potentieller Energie gewinnt, andererseits aber abgebremst wird (kinetische Energie verliert) und im Umkehrpunkt schließlich zum Stillstand kommt. r Der Massepunkt bewege sich unter dem Einfluss der Kraft F . Multipliziert man diese mit der r Geschwindigkeit v , erhält man die Leistung P : r r r d rr d W F ⋅v = F = =P dt dt Diese Beziehung kann man für die Integration der Newton’schen Bewegungsgleichung heranziehen. Multipliziert man die Bewegungsgleichung mit der Geschwindigkeit, ergibt sich: r r r r r r d ⎛1 r ⎞ F ⋅ v = m a ⋅ v = m v& ⋅ v = ⎜ m v 2 ⎟ dt ⎝ 2 ⎠ d P = Wk dt r r r r Ist die Kraft F nur vom Ort abhängig ( F = F (r ) ), kann man außerdem die potentielle Energie angeben: r r r r r r Wp − Wp (r0 ) = − ∫ F (r ) d r r r0 r r d Wp r = − F (r ) dr und r r r d Wp d rr d − P = − F (r ) ⋅ v = r = Wp . dr dt dt Eliminiert man nun die Leistung P aus diesen Gleichungen, erhält man schließlich den Energieerhaltungssatz der Mechanik: [ ] d Wk + Wp = 0 dt r Ist die Kraft F eine Potentialkraft, so ist die von ihr an einem Körper verrichtete Beschleunigungsarbeit gleich der Abnahme seiner potentiellen Energie. Damit kann auch der Begriff „Energie“ allgemein definiert werden: Energie ist die Fähigkeit eines Systems, Arbeit zu verrichten. Seite 38 Die Summe von potentieller und kinetischer Energie eines Körpers, der sich unter dem Einfluss einer Potentialkraft bewegt, ändert sich nicht. r r Wp (r1 ) + Wk (v1 ) = Wp (r2 ) + Wk (v 2 ) Die verallgemeinerte Schreibweise des Energiesatzes für beliebige Orte der Bewegung heißt: r WP (r ) + Wk (v ) = W0 = const Der Energiesatz ist besonders geeignet für die Lösung von Bewegungsproblemen, bei denen der Zusammenhang zwischen Ort und Geschwindigkeit eines Körpers benötigt wird. Mit dem Energieerhaltungssatz kann die Bewegungsgleichung nicht vollständig gelöst werden, da die Energie nur eine skalare Größe liefert, die gesuchte Ort-Zeit-Funktion r r (t ) jedoch ein Vektor ist. Experiment Schleifenbahn: Eine Kugel soll eine Schleifenbahn mit dem Radius r reibungsfrei durchlaufen, ohne herab zu fallen. Wie groß muss die Starthöhe z1 mindestens gewählt werden z z1 g z2 Energieerhaltungssatz: Wp (1) = Wp (2 ) + Wk (2 ) J m m ⋅ g ⋅ z1 = m ⋅ g ⋅ z 2 + v22 + S, K ω 22 2 2 m v2 1 2 m ⋅ g ⋅ z1 = m ⋅ g ⋅ z 2 + v22 + ⋅ m RK2 ⋅ 22 RK 2 2 5 m ⋅ g ⋅ z1 = m ⋅ g ⋅ z 2 + r 0 7 m v22 10 Die Kugel durchläuft die Bahn dann gerade noch ohne herab zu fallen, wenn am oberen Punkt der Schleife das Produkt aus Masse und Radialbeschleunigung gleich dem Gewicht ist: m v 22 = mg r → v2 = g r Einsetzen ergibt: und m g z1 = m g z 2 + 7 mgr 10 m g z1 = m g 2r + 7 mgr 10 z1 = 27 r = 2,7 r . 10 Ergänzungen_07 Seite 39 Ergänzende Kapitel zur Vorlesung Angewandte Physik 4.2 Impulserhaltung 4.2.1 Impuls und Kraftstoß r Wenn F als Funktion der Zeit t gegeben ist, kann man die Bewegungsgleichung r dv r r m &r& = m (m = const) = F (t ) dt auf beiden Seiten über die Zeit integrieren r r m v1 − m v0 = t1 r ∫ F (t ) d t . t0 1 424 3 Kraftstoß Das Produkt aus Masse und Geschwindigkeit bezeichnet man als Impuls: r r p = m⋅v r r Das Integral ∫ F d t ist der Kraftstoß, der die Impulsänderung Δ p verursacht. Dabei sind folgende Fälle interessant: r a) F = 0 (keine Kraft) r ⇒ p = const ⇒ pi = const r r r rdp p⋅F = p = 0 ; Integration: dt b) Fi = 0 (Komponente der Kraft ist Null) c) r r F⊥p ⇒ p = const 2 r r p⋅F = 0 Impulserhaltung r ! r r p2 rdp d d p t = p p = + C = 0 ∫ dt ∫ 2 Die Impulsänderung erfolgt senkrecht zur Bahn, es ändert sich die Richtung, aber nicht der Betrag des Impulses. Die kinetische Energie ist Erhaltungsgröße. r r r r Beispiel: Lorentzkraft FL = Q ⋅ v × B (Q - elektrische Ladung; v - Geschwinr digkeit des geladenen Teilchens; B - magnetische Flussdichte): Geladene Teilchen erfahren im Magnetfeld keine Bahnbeschleunigung. Der Impuls eines Massepunktes bleibt konstant, wenn keine Kraft angreift. Stehen angreifende Kraft und Impuls senkrecht aufeinander, ändert sich nur die Richtung des Impulses, während sein Betrag konstant bleibt. In diesem Fall ist die kinetische Energie Erhaltungsgröße. Seite 40 4.2.2 Systeme von Massepunkten: Innere Kräfte, Impulserhaltung, Massenmittelpunkt Zunächst soll ein System von nur zwei Massepunkten mit inneren und äußeren Kräften betrachtet werden: r r r i r a d pr1 F1a m1 F1 = F21 + F1 = r dt F2a ri r r r i r a d pr 2 F r 1 21 F2 = F12 + F2 = ri dt F12 r r2 m2 Die Summe der Kräfte ist dann: r r r r r r r r dp dp dp F = F21i + F12i + F1a + F2a = 1 + 2 = dt dt dt Wegen des Gegenwirkungsprinzips (3. Newton’sches Axiom) ist die Summe der inneren Kräfte gleich Null. Die Gleichung erhält die Form r r a r d pr d pk ∑k Fk = F = d t = ∑k d t Man erhält also für ein System von Massepunkten die gleiche Beziehung wie für einen einzelnen Massepunkt, wenn man die Summe der äußeren Kräfte und die Summe der Impulsänderungen berücksichtigt. Folgerungen: a) Impulserhaltung Treten in einem System von mehreren (N) Massepunkten nur innere Kräfte auf (Summe der äußeren Kräfte ist Null), dann verschwindet aufgrund des Gegenwirkungsprinzips in diesem System die Gesamtsumme aller wirkenden Kräfte. Die Addition der Bewegungsgleichungen aller Punktmassen führt daher auf die Beziehung N r ∑m a k =1 k k = 0. Das Zeitintegral über diesen Ausdruck ist der Impulserhaltungssatz: N r r r m v = ∑ k k ∑ p k = p0 = const N k =1 k =1 Die Summe der Impulse r ∑m v k k r (bzw. der Gesamtimpuls p0 ) in einem System mehre- rer Massepunkte ist konstant, wenn nur innere Kräfte wirken (abgeschlossenes System) bzw. die Summe aller äußeren Kräfte verschwindet. b) Massenmittelpunkt Für obiges Beispiel gilt: r r r d p1 d p 2 d (m1vr1 + m2 vr2 ) = F + = dt dt dt Ergänzungen_07 und Seite 41 Ergänzende Kapitel zur Vorlesung Angewandte Physik r r r d2 ( ) m r + m r = F 1 1 2 2 dt2 Mit Einführung des Massenmittelpunktes oder Schwerpunktes r N r r r m1 r1 + m2 r2 rs = = m1 + m2 ∑m r k k k =1 m N r r (bzw. m rs = ∑ mk rk ) k =1 wird daraus r d2 r r F rs = as = . m dt2 Daraus folgt der Schwerpunktsatz: Der Schwerpunkt eines beliebigen Systems von Massepunkten bewegt sich so, als sei im Schwerpunkt die Gesamtmasse m des Systems vereinigt und als griffen die äußeren Kräfte im Schwerpunkt an. Experiment Wagen mit Pendel: Setzt man das auf einem Wagen montierte Pendel in Bewegung, führt der Wagen ebenfalls eine Bewegung aus. Die Bewegung des Wagens erfolgt so, dass der Schwerpunkt am ursprünglichen Ort bleibt. 4.2.3 Der zentrale gerade Stoß zweier Kugeln Der Impulserhaltungssatz eignet sich besonders zur Berechnung des Ablaufs von Stoßvorgängen, bei denen zwischen den stoßenden Körpern nur kurzzeitig innere Kräfte wirken. Dabei gehört der Stoß zweier Kugeln eigentlich nicht mehr unter die Überschrift „Dynamik des Massepunktes“, da die elastischen Eigenschaften starrer Körper eine wesentliche Rolle spielen. Der zentrale gerade Stoß zweier Kugeln lässt sich eindimensional behandeln, da die Bewegung nur längs der Verbindungslinie der Mittelpunkte der beiden Kugeln verläuft. Für den geraden Stoß zwischen zwei Körpern (m1 und m2 ) erhält der Impulserhaltungssatz die Gestalt m2 m1 v2 v1 m1 v1 + m 2 v 2 = m1v1′ + m 2 v 2′ Hier sind v1 und v 2 die Geschwindigkeiten vor dem Stoß und v1′ und v 2′ die Geschwindigkeiten nach dem Stoß. s m1 Der Impulssatz allein reicht aber zur Bestimmung beider v1′ m2 v2′ Endgeschwindigkeiten v1′ und v 2′ im allgemeinen nicht aus, da auch die Art der Kraftwirkung während des Stoßes eine Rolle spielt. Zwei Grenzfälle können dabei unterschieden werden: Der vollkommen elastische Stoß findet statt, wenn die gesamte kinetische Energie erhalten bleibt. Beide Massen entfernen sich nach dem Stoß wieder voneinander. Zusätzlich zum Impulserhaltungssatz gilt der Energieerhaltungssatz: m1 2 m2 2 m1 2 m2 2 v1 + v2 = v1′ + v 2′ 2 2 2 2 Man erhält so die zweite Gleichung zur Bestimmung der beiden Unbekannten. Seite 42 s Beispiel: Nimmt man in einem einfachen Beispiel an, dass die Masse 2 vor dem Stoß ruht, erhält man die Beziehungen m1v1 = m1v1′ + m2 v ′2 bzw. umgeformt m1 (v1 − v1′ ) = m2 v 2′ m1 2 m1 2 m2 2 v1 = v1′ + v 2′ 2 2 2 bzw. m1 v12 − v1′ 2 = m2 v 2′ 2 (2) Gleichung (2) kann man weiter schreiben als m1 (v1 − v1′ )(v1 + v1′ ) = m2 v 2′ 2 (3) Dividiert man Gl. (3) durch Gl. (1) ergibt sich sofort v1 + v1′ = v ′2 (4). (1) und ( ) Das Ergebnis erhält man durch Einsetzen von Gl. (4) in Gl. (1): v1′ = m1 − m2 ⋅ v1 m1 + m2 und v ′2 = 2m1 ⋅ v1 m1 + m2 Setzt man in diesen Lösungen m1 = m2 , erhält man v1′ = 0 und v 2′ = v1 . Experiment vollkommen elastischer Stoß: Zwei Massen stoßen auf einer Schiene aneinander. Die Wechselwirkung erfolgt durch Federn bzw. sich abstoßende Magnete. In beiden Fällen sind die Kräfte bei der Wechselwirkung Potentialkräfte, so dass der vollkommen elastische Stoß auftritt. Die oben hergeleiteten Beziehungen werden bestätigt. Für die Geschwindigkeit nach dem Stoß erhält man allgemein v1′ = (m1 − m2 )v1 + 2m2 v2 m1 + m2 und (m2 − m1 )v2 + 2m1v1 v 2′ = m1 + m2 Beim vollkommen unelastischen Stoß bewegen sich beide Körper mit einer gemeinsamen Endgeschwindigkeit v ′ weiter. Ein Teil der kinetischen Energie wird über Verformungsarbeit in Wärme (Verlustenergie WQ ) umgewandelt. m1v1 + m 2 v 2 =(m1 + m 2 )v ′ v′ = m1v1 + m2 v 2 m1 + m2 Energiebilanz: m1 2 m2 2 m1 + m2 2 v1 + v2 = v ′ + WQ 2 2 2 WQ = Ergänzungen_07 m1 m2 (v1 − v 2 )2 2(m1 + m2 ) Seite 43 Ergänzende Kapitel zur Vorlesung Angewandte Physik Diskussion: Für m1 = m2 und v2 = 0 erhält man schnell: WQ = m1 v12 Wk1 = 4 2 Experiment vollkommen unelastischer Stoß: Die Stoßanordnung wird so gewählt, dass die beiden stoßenden Massen aneinander kleben bleiben (Knetmasse). Für einfache Fälle lassen sich die oben hergeleiteten Beziehungen überprüfen. Weitere Experimente zum Stoß (Kugelkette, zwei Kugeln am Pendel mit und ohne dämpfenden Puffer) 4.3 Drehimpulserhaltung 4.3.1 Drehimpulserhaltung bei der Zentralbewegung eines Massepunktes Eine Zentralbewegung ist eine Bewegung unter dem Einfluss einer Zentralkraft. Die Wirkungslinie der Kraft geht dabei stets durch einen festen Punkt, der als Zentrum der Kraft bezeichnet wird. Folglich ist der Vektor der Beschleunigung stets auf das Zentrum der Kraft r r r F r gerichtet, d.h. die Beschleunigung ist eine Radialbeschleunigung a = a r = . mr v v Die Zentralbewegung findet stets in einer Ebene statt, nämlich in der von v und a r aufgespannten: r r r r r v (t + d t ) = v (t ) + d v = v + a r d t Zentralkräfte sind z.B. die Anziehungskraft zwischen Massepunkten (Gravitationskraft), die Kraft der elektrostatischen Wechselwirkung zwischen elektrischen Punktladungen (Cour r lomb-Kraft) oder auch eine Kraft der allgemeinen Form F = − D ⋅ r (z.B. Federkraft; isotroper harmonischer Oszillator). r Flächensatz dr y Der Flächensatz bezieht sich auf die Fläche, die der Ortsr r vektor (Radiusvektor) vom Zentrum der Kraft zu einem eine Zentralbewegung ausführenden Massepunkt im Zeitr dA intervall d t überstreicht. x Bei der allgemeinen Betrachtung der Bewegung unter dem Einfluss von Zentralkräften kann man nicht von einer Kreisbahn ausgehen. Zur Berechnung der Fläche muss man daher das Vektorprodukt her ranziehen. Die vom Radiusvektor überstrichene Fläche ist die Hälfte der von den Vektoren r r und d r aufgespannten Fläche: mit r 1 r r d A = (r × d r ) 2 r r dr = v dt erhält man r 1 r r d A = (r × v ) d t 2 Seite 44 r r und mit dem Impuls p = m ⋅ v schließlich r 1 r r (r × p ) d t dA= 2m An dieser Stelle verwenden wir wieder den im Abschnitt 3.2 eingeführten Drehimpuls: r r r r×p=L Damit kann man die überstrichene Fläche ausdrücken als r r L dA= dt 2m r Wenn der Drehimpuls L konstant ist, folgt daraus, dass der Radiusvektor in gleichen Zeiten gleiche Flächen überstreicht. (vgl. 2. Kepler’sches Gesetz: Der Fahrstrahl von der Sonne zum Planeten überstreicht in gleichen Zeiten gleiche Flächen.) Der Drehimpuls r r r r r L = r × p = r × mr& r r steht senkrecht auf der von r und r& aufgespannten Bahnebene. r r r& r d r Zur Berechnung des Produktes r × r = r × ist es dt r zweckmäßig, d r in Polarkoordinaten darzustellen (vgl. nebenstehende Skizze). Wie man sieht, liefert r nur die zu r senkrechte Komponente einen Beitrag zum Vektorprodukt: r r r × d r = r 2 dϕ . y dr r dϕ dϕ r dr r r ϕ x Damit erhält man für den Betrag des Drehimpulses L = m r2 ω , dϕ die Winkelgeschwindigkeit des umlaufenden Massepunktes ist. dt r Mit der oben angestellten Überlegung zur Richtung von L erhält man schließlich als Drehimpuls eines Massepunktes bei einer Bewegung im Zentralkraftfeld r r L = m r2 ω . wobei ω = Für die Kreisbewegung war diese Beziehung bereits im Abschnitt 3.2 verwendet worden. Zeitliche Änderung des Drehimpulses, Drehimpulserhaltung Die Zeitableitung des Drehimpulses ergibt: r& r & × mrr& + rr × m&rr& L = r1 23 =0 r& r r r r L = r × m&r& = r × F Ergänzungen_07 Seite 45 Ergänzende Kapitel zur Vorlesung Angewandte Physik r r r Das Produkt r × F wurde bereits im Abschnitt 3.2 eingeführt und als Drehmoment M bezeichnet: r r r M = r×F Die zeitliche Änderung des Drehimpulses ist also gleich dem angreifenden Drehmoment: r& r L=M r Der Drehimpuls L bleibt konstant (ist eine Erhaltungsgröße), wenn das Drehmoment r r r r r r M = r × F verschwindet, wenn also F = 0 oder F r ist. r r r Letzteres ist bei Zentralkräften der Fall ( F = F ). r Bei Bewegung im Zentralkraftfeld ist der Drehimpuls eine Erhaltungsgröße. Drehimpulserhaltungssatz: Ist das resultierende Moment der äußeren Kräfte in Bezug auf einen Fixpunkt oder den Schwerpunkt des Systems gleich Null, ist der Drehimpuls des Systems in Bezug auf diesen Punkt zeitunabhängig. In einem abgeschlossenen System von Massepunkten treten keine äußeren Kräfte auf. Daher ist der Gesamtdrehimpuls eines abgeschlossenen Systems in Bezug auf einen beliebigen ruhenden Punkt nicht von der Zeit abhängig. Der Drehimpulserhaltungssatz kann ebenso wie der Energieerhaltungssatz und der Impulserhaltungssatz zur Lösung der Bewegungsgleichung herangezogen werden. Die Drehimpulserhaltung lässt sich auch auf Fälle anwenden, die eigentlich gar nichts mit einer Drehbewegung zu tun haben: Eine Masse m bewegt sich geradlinig mit r konstanter Geschwindigkeit v . Dabei gilt die Drehimpulserhaltung: r r r r r L = r × p = r0 × p = const r r r L = L = r p sin α = r0 ⋅ p r p α α r r0 r r 0 4.3.2 Drehimpulserhaltung für starre Körper Wichtigste Erhaltungsgröße für die Rotation starrer Körper um eine feste Achse ist der Drehimpuls. Der Drehimpuls bleibt erhalten, wenn kein Moment einer äußeren Kraft wirkt. Das kann erreicht werden, wenn • keine äußere Kraft angreift, • die Wirkungslinie der Kraft durch die Drehachse geht oder • die Wirkungslinie der Kraft parallel zur starren Achse ist. (Letztere Bedingung gilt nur für die Rotation um eine starre Achse, die beiden anderen Forderungen gelten auch für die Rotation um freie Achsen.) Für die Rotation starrer Körper um eine feste Achse erhält der Drehimpulserhaltungssatz die Form: Seite 46 LA = J A 1ω1 + J A 2 ω 2 + ...=∑ J A i ω i = ∑ LA i = const i i bzw. auch ∑L ( Zustand 1) Ai 2) = ∑ L(AZustand i Da der Drehimpuls natürlich ein Vektor ist, ist zu beachten, dass für diese Form des Drehimpulserhaltungssatzes jeweils nur die Komponenten in Richtung der Achse „A“ zu berücksichtigen sind. Obwohl die Art der Darstellung mit einigen wesentlichen Einschränkungen zu versehen ist, ist die angegebene Form doch von großem technischen Interesse, da bei vielen Systemen tatsächlich nur die Rotation um eine feste Achse möglich ist. Experiment Kugel am Faden: Eine an einem Faden befestigte Kugel führt eine Kreisbewegung aus. Beim Verkürzen des Fadens verkleinert sich das Trägheitsmoment, folglich muss die Winkelgeschwindigkeit entsprechend größer werden. Experiment Drehschemel: Eine auf einem Drehschemel sitzende Person hält Hanteln in den Händen und wird in Drehung versetzt. Dadurch, dass die Hanteln in unterschiedlichem Abstand von der Drehachse gehalten werden, ergibt sich eine Veränderung des Trägheitsmomentes. Da sich der Drehimpuls nicht ändert, ergeben sich so unterschiedliche Winkelgeschwindigkeiten. Experiment Drehschemel mit Rad: Einer auf einem ruhenden Drehschemel sitzenden Person wird ein drehendes Rad mit horizontal liegender Achse übergeben. Wird die Achse des Rades in die vertikale Lage gebracht, dreht sich der Drehschemel entgegen der Drehrichtung des Rades. Nur die Komponente des Drehimpulses in Richtung der Achse des Drehschemels ist wirksam. Andere Betrachtungsweise: Durch Ändern der Richtung des Drehimpulses wird ein Drehmoment ausgeübt, das den Drehschemel beschleunigt. Experiment Modelleisenbahn: Auf einem drehbaren Schienenkreis fährt eine Modelleisenbahn. Zunächst befinden sich Bahn und Schienenkreis in Ruhe. Lässt man die Bahn losfahren, dreht sich der Schienenkreis in Gegenrichtung, so dass der Gesamtdrehimpuls weiterhin gleich Null ist. Es lassen sich so auch Betriebszustände mit von Null verschiedenem Gesamtdrehimpuls und die Änderung des Drehimpulses durch ein am Schienenkreis angreifendes Bremsmoment demonstrieren. Die Anordnung entspricht einer technisch oft anzutreffender Konfiguration (z.B. Motorläufer und -ständer), bei der die Beschleunigung z.B. des Motorläufers durch innere Kräfte erfolgt und bei der folglich die Drehimpulserhaltung gilt. Im praktischen Fall muss dann z.B. der Motorständer durch ein äußeres Drehmoment in Ruhe gehalten bzw. zur Ruhe gebracht werden. Ergänzungen_07 Seite 47 Ergänzende Kapitel zur Vorlesung Angewandte Physik 5. HERLEITUNG DER WELLENGLEICHUNG FÜR EINE KUGELKETTE mi −3 mi −2 mi −1 mi mi +1 mi + 2 mi +3 x ξi −3 0 ξi −2 0 ξi −1 ξi 0 0 ξi +2 ξi +1 0 0 ξ i +3 0 ξ (x ) Δx x xi −3 xi −2 xi xi −1 xi +1 xi + 2 xi +3 Es wird von einer Kugelkette ausgegangen, bei der sich die Kugeln (Masse jeweils m) nur in x-Richtung verschieben lassen. Die Kugeln haben in der Ruhelage zueinander alle den gleichen Abstand Δ x = xi +1 − xi und sind mit Federn gekoppelt, wobei die Federkonstante jeder einzelnen Feder mit d bezeichnet werden soll. Die Kette besteht aus n Federn und entsprechend (n + 1) Massen. Ihre Gesamtlänge beträgt l = n ⋅ Δ x , die Gesamtmasse ist M = m (n + 1) . Zur Darstellung der Wellenbewegung ist es nun zweckmäßig, die Auslenkung der einzelnen Massen aus ihrer Ruhelage durch eine neue Größe ξ i (t ) = ξ ( xi , t ) zu beschreiben (s. Momentbild dieser Funktion in der Skizze). Die Federkraft einer Feder erhalt man so einfach als Produkt aus der Federkonstanten d und der Differenz der Auslenkungen der beiden Enden der Feder aus der Ruhelage, d.h. FD i+ = d (ξ i+1 − ξ i ) . Die Federkraft, die an die Masse mi angreift, ergibt sich als Differenz der Federkräfte der beiden benachbarten Federn. Eine resultierende Kraft ergibt sich nur dann, wenn die Federkräfte der benachbarten Federn unterschiedlich groß sind. Die Bewegungsgleichung für die Bewegung der i-ten Masse lautet damit: Fi = m ξ&&i = d [(ξ i +1 − ξ i ) − (ξ i − ξ i−1 )] [ ] Fi = m ξ&&i = d Δ ξ i rechts − Δ ξ i links = d Δ(Δ ξ i ) = d Δ2ξ i Um zu Aussagen über die gesamte Kette zu gelangen, muss man nun deren Eigenschaften einfließen lassen: Seite 48 Zieht man die einzelne Feder um die Strecke x0 auseinander, erhält man die rücktreibende Federkraft FD = d x0 . Beim langsamen (statischen) Auseinanderziehen einer Kette aus n Federn um die gleiche x Strecke x0 wird nun jede einzelne Feder nur um die Strecke 0 auseinandergezogen, d.h. die n Strecke x0 verteilt sich auf alle n Federn. Dadurch ist nun auch die Federkraft kleiner FD n = d x0 d = x0 = D x0 , n n was man durch eine neue Federkonstante D, die die Eigenschaften der gesamten Kette beschreibt, ausdrücken kann. Der Zusammenhang zwischen der Federkonstante der einzelnen Feder und der Federkonstanten der Federkette ist demnach d = nD. Damit, und mit dem Zusammenhang zwischen der Einzelmasse m und der Gesamtmasse M der Federkette kann man nun schreiben d 2ξ i d D n (n + 1) 2 D l (l + Δ x ) 2 = Δ2ξ = Δ ξi = Δ ξi . 2 2 dt m M M (Δ x ) Im letzten Ausdruck wurde außerdem die Beziehung zwischen der Gesamtlänge l der Federkette und dem Abstand Δ x zweier benachbarter Massen in der Ruhelage eingesetzt. Zur Wellengleichung gelangt man nun, wenn man die Zahl der Massen der betrachteten Kugelkette sehr groß werden lässt, wobei der Abstand zwischen den Massen (bei gleichbleibender Gesamtlänge der Federkette) gegen Null geht. Dabei muss man nun auch übergehen von der Funktion ξ i = ξ ( xi , t ) für die einzelne Masse mi zur allgemeinen Funktion ξ = ξ ( x, t ) , die das Verhalten der gesamten Kette beschreibt. Da diese Funktion nun von zwei Variablen abhängt, muss man jeweils die partiellen Ableitungen nach der Zeit bzw. nach dem Ort verwenden. Der Grenzübergang Δ x → 0 führt so zur Wellengleichung ∂ 2ξ D l 2 ∂ 2ξ = , ∂t2 M ∂ x2 bzw. (in der üblichen Darstellung) ∂ 2ξ M ∂ 2ξ − =0. ∂ x2 D l 2 ∂ t 2 Damit haben wir die Phasengeschwindigkeit der Longitudinalwelle einer Kugelkette auf deren Eigenschaften Masse, Federkonstante und Länge zurückgeführt: 1 M = 2 c Dl2 c= Ergänzungen_07 Dl2 M Seite 49 Ergänzende Kapitel zur Vorlesung Angewandte Physik 6. EINFÜHRUNG IN DIE THERMODYNAMIK • Die Thermodynamik (Wärmelehre) beschreibt Zustände von makroskopischen Systemen, die aus einer Vielzahl von Molekülen und Atomen bestehen. • Die phänomenologische Thermodynamik beschreibt die allgemeinen Eigenschaften von makroskopischen Systemen, die sich im thermodynamischen Gleichgewicht befinden, und die Übergänge zwischen diesen Gleichgewichtszuständen durch makroskopische Größen wie z.B. Druck und Temperatur, die der Beobachtung zugänglich sind. Sie verbindet damit keinerlei Vorstellung über die innere Struktur der Körper und die Art der Bewegungen der Teilchen, aus denen sie sich zusammensetzen. Die wichtigsten Erkenntnisse der (phänomenologischen) Thermodynamik sind in 3 Hauptsätzen zusammengefasst. • Die statistische Thermodynamik (Molekularkinetik) untersucht die Wärmebewegung der großen Zahl von Mikroteilchen mit statistischen Methoden. Die Eigenschaften des makroskopischen Systems werden hierbei aus den Eigenschaften der Mikroteilchen, den Besonderheiten ihrer Bewegung und den gemittelten dynamischen Kenngrößen (Geschwindigkeit, Energie usw.) abgeleitet. 6.1 Thermodynamisches System Ein Thermodynamisches System ist ein Teil einer wärmetechnischen Anlage, das herausgelöst betrachtet wird. Das thermodynamische System kann auf unterschiedliche Weise mit seiner Umgebung in Verbindung stehen: Austausch von Arbeit, Wärme und Masse offenes System (ΔW, ΔQ, Δm) 6.2 Austausch von Arbeit und Wärme (ΔW, ΔQ) geschlossenes System Austausch von Arbeit (ΔW) adiabatisches System kein Austausch abgeschlossenes System Zustand, Zustandsgrößen, Prozessgrößen In der Mechanik wird die Lage eines Punktes im Raum durch 3 Koordinaten beschrieben. In der Thermodynamik beschreibt man den Zustand eines Systems durch Zustandsgrößen. Die wichtigsten Zustandsgrößen sind die direkt messbaren thermischen Zustandsgrößen Druck p, Volumen V und Temperatur T. Daneben gibt es die kalorischen Zustandsgrößen, zu denen z.B. die Innere Energie U gehört. Die Änderung einer Zustandsgröße (allgemein mit „Z“ bezeichnet) hängt nicht von der Art der Prozessführung ab, sondern nur von Anfangs- und Endpunkt: ΔZ = Z 2 − Z1 Bleiben die Zustandsgrößen zeitlich konstant, befindet sich das System in einem Gleichgewichtszustand. Für jeden Gleichgewichtszustand sind die Zustandsgrößen durch eine Zustandsgleichung miteinander verknüpft. Seite 50 Prozessgrößen hängen dagegen von der Art der Prozessführung ab, sind also wegabhängig. Solche Prozessgrößen sind die Wärmemenge Q und die mechanische Arbeit W. 6.3 Extensive und Intensive Zustandsgrößen Extensive Größen (Quantitätsgrößen) sind Größen, die sich beim Zusammenfügen zweier thermodynamischer Systeme addieren. Beim Vergleich gleichartiger, aber verschieden großer Systeme sind extensive Größen proportional zum Volumen V, zur Masse m oder zur Stoffmenge n. Neben den genannten Größen (Volumen, Masse, Stoffmenge) ist z.B. die innere Energie U eine extensive Größe. Die Stoffmenge ist eine Basisgröße des SI. Basiseinheit: 1 Mol (mol) 1 Mol ist die Stoffmenge eines Systems, das aus ebensoviel Einzelteilchen besteht, wie Atome in 12/1000 Kilogramm des Kohlenstoffnuklids 12C enthalten sind. In den thermodynamischen Gleichungen verwendet man oft Werte extensiver Größen, die auf die Substanzmenge bezogen sind. Die Substanzmenge kann entweder durch die Masse m oder die Stoffmenge n beschrieben werden. [z ] = [Z ] Z m spezifische Größe z= molare Größe Zm = Umrechnung: Zm = z kg [Z m ] = [Z ] . Z n mol m = zM n (M: Molmasse; [M ] = kg ) mol Z: beliebige extensive Zustandsgröße Intensive Größen (Qualitätsgrößen) sind thermodynamische Größen, die nicht von der Stoffmenge abhängen. Sie haben für jeden makroskopischen Teil eines homogenen thermodynamischen Systems den gleichen Wert. Bei Zerlegung eines thermodynamischen Systems in Teilsysteme bleiben die intensiven Größen in allen Teilsystemen erhalten. Typische intensive Größen sind der Druck p, die Temperatur T und die Dichte ρ. 6.4 Temperatur und Temperaturmessung Der Temperaturbegriff ist subjektiv („heiß“, „kalt“) geprägt. Die Temperatur ist eine physikalische Größe, die den Grad der Erwärmung eines Körpers charakterisiert. Bringt man zwei Körper zusammen, findet ein Temperaturausgleich statt. Nach hinreichend langer Zeit stellt sich so das thermodynamische Gleichgewicht ein. Im thermodynamischen Gleichgewicht haben alle Bestandteile eines Systems dieselbe Temperatur. („Nullter“ Hauptsatz der Wärmelehre) Die historisch erste Temperaturmessung erfolgte 1704 durch G. Amontons mit Hilfe eines Gasthermometers, wobei die Erkenntnis ausgenutzt wurde, dass der Druck eines (idealen) Gases proportional der Temperatur zunimmt. Die thermodynamische Temperatur ist über den Wirkungsgrad einer idealen Wärmekraftmaschine (Carnot-Prozess) definiert (Messung der Temperatur durch Messung der ausgetauschten Wärme). Ergänzungen_07 Seite 51 Ergänzende Kapitel zur Vorlesung Angewandte Physik Die Temperatur ist eine Basisgröße des SI. Basiseinheit: 1 Kelvin (K) 1 Kelvin ist der 273,16te Teil der thermodynamischen Temperatur des Tripelpunktes von Wasser. Die Kelvin-Skala hat dieselbe Teilung wie die Skala von Celsius (1742): Schmelz- und Siedepunkt von Wasser bei Normaldruck sind die Fixpunkte für 0°C und 100°C. ϑ °C 6.5 = T − 273,15 K 3 Wärmemenge und Wärmekapazität Wärme oder Wärmemenge ist eine Energie, die aufgrund eines Temperaturunterschiedes zwischen zwei Systemen übertragen wird. Diese Energieübertragung erfolgt stets in Richtung der niedrigeren Temperatur. Der Wärmeübergang ist also ein irreversibler (unumkehrbarer) Prozess. Die SI-Einheit der Wärme ist (wie für jede Energie) 1 Joule (J). Früher war die Kalorie (eigentlich: Internationale Tafelkalorie) gebräuchliche Einheit der Wärme: 1 cal = 4,1868 J Falls kein Phasenübergang (zu einem anderen Aggregatzustand oder anderem Zustand – wie z.B. von α- zu γ-Fe -) stattfindet, führt die Zufuhr von Wärme zu einem Festkörper oder einer Flüssigkeit immer zu einer Temperaturerhöhung: δ Q = C dT Die Proportionalitätskonstante ist hierbei die Wärmekapazität C, sie gibt an, welche Wärmemenge benötigt wird, um eine bestimmte Temperaturerhöhung herbeizuführen. 3 Erklärung des Tripelpunktes und des Unterschiedes der Zahlenwerte am Zustandsdiagramm von Wasser Schmelzpunkt (101,3 kPa; 0°C) 8 10 7 10 flüssig 6 10 kritischer Punkt (22,1 MPa; 374,15°C) 5 Druck / Pa 10 4 10 3 fest gasförmig 10 2 10 Tripelpunkt (612 Pa; 0,0098°C) 1 10 0 10 -1 10 Seite 52 0 100 200 Temperatur / °C 300 C Wärmekapazität [C ] = J K c = C/m spezifische Wärmekapazität [c] = J kg ⋅ K Cm = C/n molare Wärmekapazität [C m ] = J mol ⋅ K Die Wärmekapazität von Festkörpern und Flüssigkeiten ist abhängig von der Substanz und (in geringerem Maße) von der Temperatur. Die Wärmekapazität von Gasen hängt außer von der Gasart auch von • • • der Temperatur, dem Druck (nicht bei idealen Gasen) und der Prozessführung ab. Für die Praxis verwendet man zwei Wärmekapazitäten für bestimmte Prozessführungen: • • Temperaturänderung bei konstantem Volumen: isochore Wärmekapazität CV (cV, CmV) Temperaturänderung bei konstantem Druck: isobare Wärmekapazität Cp (cp, Cmp) Die Messung von Wärmekapazitäten erfolgt in Kalorimetern (Kalorimetrie). Das Grundprinzip besteht darin, dass die von einem Körper abgegebene Wärmemenge gleich der von einem anderen Körper aufgenommenen Wärmemenge ist. Dabei wird gemessen, zu welcher Temperaturveränderung die Zu- bzw. Abfuhr einer bestimmten Wärmemenge führt. 6.6 Ideales Gas Im Sinne der phänomenologischen Thermodynamik bezeichnet man als ideales Gas ein Gas, für das die im Weiteren besprochene thermische Zustandsgleichung für ideale Gase gilt: Druck und Dichte eines idealen Gases sind bei konstanter Temperatur einander proportional. Je kleiner die Dichte und je höher die Temperatur des Gases sind, umso genauer gilt die Zustandsgleichung für ideale Gase. Bei hohen Dichten und tiefen Temperaturen erzeugen das endliche Eigenvolumen der Moleküle und die Kräfte zwischen ihnen die erheblichen und technisch wichtigen Abweichungen, die das reale Gas kennzeichnen. Die in der kinetischen Gastheorie verwendete Modellvorstellung vom idealen Gas geht davon aus, dass • die Gasteilchen ständig eine ungeordnete Bewegung ausführen und sich wie elastische Kugeln stoßen, • die Teilchen im Mittel weit voneinander entfernt sind, sodass ihr Eigenvolumen und die Wechselwirkung der Moleküle untereinander vernachlässigt werden können. Die Moleküle werden also als Massepunkte behandelt, die sich wie elastische Kügelchen im Raum bewegen und den Gesetzen der klassischen Physik genügen (kinetische Theorie). Bei realen Gasen sind die Moleküle nicht mehr weit voneinander entfernt, sodass ihr Eigenvolumen und die Wechselwirkung untereinander (z.B. durch Van-der-Waals-Kräfte) nicht mehr zu vernachlässigen sind. Im Gegensatz zu den idealen Gasen, die durch eine Zustandsgleichung (die Zustandsgleichung für ideale Gase) beschrieben werden können, gibt es für reale Gase viele Zustandsgleichungen für verschiedene Druck- und Temperaturbereiche. Die einfachste Zustandsgleichung für reale Gase ist die Van-der-Waals-Gleichung. Ergänzungen_07 Seite 53 Ergänzende Kapitel zur Vorlesung Angewandte Physik 6.7 Thermische Zustandsgleichung für ideale Gase Übergänge von einem thermodynamischen Zustand zu einem anderen bezeichnet man als Zustandsänderungen. Die Zustandsänderungen werden zunächst mit den thermischen Zustandsgrößen Druck, Temperatur und Volumen beschrieben. Druck = Kraft (senkrecht zu einer Fläche) / Fläche Einheit: [ p ] = N = Pa (Pascal) m2 p= F A zulässige Einheit: 1 bar = 105 Pa In Flüssigkeiten und Gasen wirkt der Druck in alle Richtungen in gleicher Größe. (Allseitigkeit des Druckes) Geräte zur Druckmessung heißen Manometer. Zustandsänderungen: Experiment Zustandsänderungen: Bei Änderung von Druck, Volumen und Temperatur eines eingeschlossenen Gases ändern sich auch die anderen Zustandsgrößen. Wir betrachten ein thermodynamisches System, das durch das Volumen V0, den Druck p0 und die Temperatur T0 gekennzeichnet ist. Verändert man nun das Volumen (z.B. durch einen Kolben), so gilt für eine konstante Temperatur T0 das Boyle’sche Gesetz: pV = p0V0 Außerdem gilt bei konstantem Druck p0 das (erste) Gesetz von Gay-Lussac, das man für ideale Gase schreiben kann als: V = V0 T T0 bzw. V V0 = T T0 Verallgemeinert lässt sich schreiben, dass p V pV = 0 0 T T0 Der auf der rechten Seite stehende Ausdruck ist eine Konstante. Wie man leicht zeigen kann, hat der Ausdruck Arbeit pV die Dimension . T Temperatur Man drückt die Konstante aus als Produkt aus der universellen Gaskonstante und der Stoffmenge. Universelle Gaskonstante R: Arbeit, die ein Mol eines Gases bei isobarer Erwärmung um 1 Kelvin leistet. R = 8,31 J / K . mol Die universelle Gaskonstante ergibt sich als Produkt aus der Zahl der Teilchen pro Mol und der Boltzmann-Konstante: R = k NA Seite 54 Boltzmann-Konstante k: Grundlegende Konstante der Thermodynamik zur Umrechnung von absoluten Temperaturen auf Energien. (Keine fundamentale Naturkonstante, da sie nur ein Umrechnungsfaktor zwischen der willkürlich definierten Temperatureinheit K (Grad) und der Energie ist.) k = 1,38 . 10-23 J / K Avogadro-Konstante NA: Zahl der Teilchen eines idealen Gases pro Mol: NA = 6,02 . 1023 mol-1 Mit Einführung der universellen Gaskonstante erhält die oben ausgeführte Gleichung die Form pV = n RT n: Stoffmenge Dies ist die thermische Zustandsgleichung für ideale Gase (Clapeyron’sche Zustandsgleichung). Eine weitere Form der thermischen Zustandsgleichung ergibt sich durch Einführung der Gasmasse m: m = nM M: molare Masse, [M] = kg/mol M = N A mt mt: Masse eines Gasteilchens m RT M pV = 6.8 R = R ′ : individuelle Gaskonstante M Ausdehnungsarbeit Ausdehnungsarbeit ist die Verschiebungsarbeit, die ein Gas bei der Änderung des Volumens gegen eine äußere Kraft F verrichtet: W = ∫ F 'ds F ' = −F = p A und A ds = dV erhält man die Ausdehnungsarbeit F W s1 mit s2 s1 s2 p1 p2 V1 A V2 V2 W = ∫ p dV V1 Die getroffene Vorzeichenkonvention zählt eine vom System abgegebene Arbeit positiv. 6.9 Innere Energie U Die innere Energie U ist die Energie eines thermodynamischen Systems, die allein durch seinen inneren Zustand bestimmt ist. Die innere Energie U ist eine Zustandsgröße. Bei idealen Gasen hängt die Änderung der inneren Energie nur von der Temperaturänderung und der isochoren Wärmekapazität ab: Ergänzungen_07 Seite 55 Ergänzende Kapitel zur Vorlesung Angewandte Physik dU = C V dT = n C mV dT = m cV dT Diese Beziehung bezeichnet man auch als kalorische Zustandsgleichung. Die innere Energie U realer Gase ist volumen- bzw. druckabhängig. (→ Joule-ThompsonEffekt, technisch verwendet zur Gasverflüssigung). 6.10 Energieerhaltung, Erster Hauptsatz der Wärmelehre Die Erkenntnis, dass auch Wärme eine Form der Energie ist, und der allgemeine Energieerhaltungssatz auch die Wärme einschließt, wurde 1842 vom Arzt Robert Mayer formuliert. Wesentlich Beiträge zur Bestimmung des mechanischen Wärmeäquivalents leistete James Prescott Joule. Unabhängig von Mayer formulierte Hermann v. Helmholtz 1847 den allgemeinen Energieerhaltungssatz, der auch alle anderen Energieformen (elektrische, magnetische, chemische) einschloss: In einem abgeschlossenen System bleibt der Gesamtbetrag der Energie konstant. Innerhalb des Systems können die verschiedenen Energieformen ineinander umgewandelt werden. und: Es gibt kein Perpetuum mobile, d. i. eine Maschine, die ständig Arbeit verrichtet ohne entsprechende Energie aufzunehmen. Für die thermodynamischen Zustandsänderungen ergibt sich daraus die Formulierung des ersten Hauptsatzes der Thermodynamik: Die einem geschlossenen System zugeführte Wärmemenge dient zur Erhöhung der inneren Energie und zur Verrichtung mechanischer Arbeit. δ Q = dU + δ W δ Q = d U + p dV Dabei wird die Wärmemenge positiv gezählt, wenn sie dem System zugeführt wird. Die mechanische Arbeit zählt positiv, wenn sie vom System verrichtet wird (s. o.). Mit dem 1. Hauptsatz und den obigen Beziehungen für die innere Energie und die Enthalpie4 lassen sich einige wichtige Aussagen über die Wärmekapazität treffen: C m p − C mV = R Außerdem gilt noch: Cm p C mV Seite 56 =κ mit κ: Adiabatenexponent 6.11 Übersicht über Zustandsänderungen für ideale Gase Bezeichnung der Zustandsänderung konZustandsstante gleichung Zustandsgröße Ausdehnungsarbeit isochor V 0 p = const T isobar p V = const T isotherm T pV = const U H4 polytrop - W ΔU C V (T2 − T1 ) T V x −1 = const δ Q = dU δ Q = C V dT p(V2 − V1 ) C V (T2 − T1 ) δ Q = dU + δ W δ Q = dH δ Q = C p dT 0 δ Q =δW δ Q = p dV p1V1 − p2V2 x −1 C V (T2 − T1 ) δ Q = dU + δ W p1V1 − p2V2 κ −1 C V (T2 − T1 ) dU = −δ W nRT ln V2 V1 = nRT ln p V x = const Änderung der 1. Hauptsatz inneren Energie p1 p2 x p T 1− x = const für 1 < x < κ adiabatisch S 5 (δQ = 0) p V κ = const Enthalpie H: H = U + pV Für eine isobare Zustandsänderung ist die zugeführte Wärmemenge gleich der Änderung der Enthalpie. 4 Entropie S, Die Entropie ist eine Zustandsgröße, d.h. das Integral ΔS = d S = δ Qrev ist bei reversiblen ∫1 ∫1 T Zustandsänderungen (s.u.) nur von den Zuständen 1 und 2, aber nicht vom durchlaufenen Weg abhängig. Die Entropie ist daher zur Beschreibung Irreversibilität eines Vorganges geeignet. Wegen der konstanten Entropie wird die adiabatische Zustandsänderung auch als isentrope Zustandsänderung bezeichnet. 5 Ergänzungen_07 2 2 Seite 57 Ergänzende Kapitel zur Vorlesung Angewandte Physik Darstellung im V - p - Diagramm: p p isochor p2 isobar p0 p1 V V V1 V0 p 1 2i isotherm 6 dp p =− dV V polytrop dp p = −x dV V adiabatisch dp p = −κ dV V 2p 2a V2 V Grafische Darstellung der Ausdehnungsarbeit Im V-p-Diagramm ergibt sich die Ausdehnungsarbeit als Fläche unter der vom System durchlaufenen Kurve: p 2 1 Mit dieser Darstellung sieht man z.B. sofort, dass für eine isochore Zustandsänderung die Ausdehnungsarbeit Null W>0 ist. Außerdem wird deutlich, dass die mechanische Arbeit nicht nur vom Anfangs- und Endpunkt der ZustandsändeV rung abhängt, sondern auch vom gewählten Weg. Um das richtige Vorzeichen der Ausdehnungsarbeit zu erhalten, muss beachtet werden, in welcher Richtung die Kurve im V-p-Diagramm durchlaufen wird. Im gezeichneten Beispiel ist sie auf dem Weg von 1 nach 2 positiv. 6 Rechnung, z.B. für isotherme Zustandsänderung: pV = nRT ; Seite 58 p = nRT V ; dp dV = − nRT V 2 = − pV V 2 = − p V 6.12 Der zweite Hauptsatz der Wärmelehre Nach dem ersten Hauptsatz der Wärmelehre sind alle Vorgänge möglich, bei denen der Energieerhaltungssatz erfüllt ist. Dabei sind Vorgänge eingeschlossen, die aus anderen Gründen nicht vorkommen können. Der zweite Hauptsatz schränkt die möglichen Vorgänge weiter ein. Bei Prozessen innerhalb eines geschlossenen Systems gibt es zwei Typen: Vorgänge, die sich durch Umkehrung des „Weges“ rückgängig machen lassen, so dass allein durch Maßnahmen innerhalb des Systems der Ausgangszustand wieder hergestellt werden kann, ohne dass eine dauernde Zustandsänderung zurückbleibt. Diese nennt man reversible Vorgänge. Vorgänge, bei denen das nicht möglich ist, nennt man irreversible Vorgänge. Beispiele für irreversible Vorgänge sind die Wärmeleitung und der Joule’sche Versuch zur Umwandlung von mechanischer Energie in Wärme. Das Perpetuum mobile zweiter Art (PM II) Wir betrachten nun einen speziellen Prozess, der die Umkehrung eines irreversiblen Prozesses (nämlich der Umwandlung von mechanischer Energie in Wärme) darstellen würde und als Perpetuum mobile zweiter Art (PM II) bezeichnet wird: Ein PM II ist eine Einrichtung, die nichts weiter leistet, als dass sie einem Wärmebehälter eine Wärmemenge entzieht und den gleichwertigen Betrag mechanischer Arbeit abgibt. Ein PM II wäre praktisch von gleichem Nutzen wie ein Perpetuum mobile (das wir jetzt als Perpetuum mobile erster Art bezeichnen wollen). Es ermöglicht z.B. die Energiegewinnung aus dem riesigen Reservoir der Weltmeere. Ein PM II ist nach dem ersten Hauptsatz zugelassen. Da die Umkehrung irreversibler Prozesse gemäß Definition nicht möglich ist, gilt: Ein solches Perpetuum mobile zweiter Art kann es nicht geben. Die beiden vorstehenden eingerahmten Feststellungen ergeben zusammen eine Formulierung des zweiten Hauptsatzes der Wärmelehre. Beispiele für die Unmöglichkeit eines PM II sind: • Ein Körper, der sich abkühlt und dabei hochspringt; • Die isotherme Ausdehnung eines idealen Gases − Das Gas verrichtet mechanische Arbeit und entzieht einem Wärmebehälter die entsprechende Wärmemenge. Am Ende dieses Schrittes ist das Volumen vergrößert. Die Forderung, dass nichts weiter verändert wird, ist nicht erfüllt. Die Rückführung des Volumens auf den Ausgangszustand gelingt mit der Prämisse nur eines Wärmespeichers nicht. (Sie gelingt nur, wenn noch ein zweiter Wärmebehälter mit niedrigerer Temperatur eingeführt wird.) Weitere Formulierungen des 2. Hauptsatzes: Es ist unmöglich, eine periodisch arbeitende Maschine zu bauen, die nichts anderes bewirkt, als Erzeugung mechanischer Arbeit und Abkühlung eines Wärmespeichers. (Formulierung von Thomson und Planck) Wärme kann niemals spontan, d.h. ohne äußere Einwirkung, von einem kälteren zu einem wärmeren Körper übergeben. (Clausius-Prinzip) Ergänzungen_07 Seite 59 Ergänzende Kapitel zur Vorlesung Angewandte Physik 7. ANWENDUNGEN DER LOGARITHMENGESETZE 7.1 Exponentialausdrücke und logarithmische Ausdrücke Die Umformung von Exponentialausdrücken der Form a x geschieht nach den gleichen Regeln wie die Umformung von Potenzen: a ⋅a = a x y x+ y ax = a x− y ay (a ) x y =a y xy a =a x x y Hierbei können x und y beliebige Zahlenwerte annehmen. Exponentialausdrücke, in denen mehrere Hauptgrößen auftreten ( a x ; b y ; c z ; ... ), lassen sich durch Verwendung der Identität b = a loga b zu Ausdrücken mit gleicher Basis umgestalten. Beispiel: a x b y a x a y loga b = = a x+ y loga b − z loga c z log a c z c a Logarithmen: Als Logarithmus A der Zahl N zur Basis a (Schreibweise: A = log a N ) wird der Exponent der Potenz bezeichnet, in die man a erheben muss, um die Zahl N zu erhalten ( a A = N ). Jede positive Zahl besitzt bei jeder beliebigen positiven Basis (≠ 1) ihren Logarithmus. Die Logarithmen verschiedener Zahlen für ein und dieselbe Basis a bilden das System der Logarithmen zu dieser Basis. Kennt man die Logarithmen der Zahlen zu einer Basis a, so lassen sich auch die Logarithmen dieser Zahlen zu einer anderen Basis b nach der Formel log b N = log a N log a b ermitteln. Die Haupteigenschaften der Logarithmen bei ein und derselben Basis a (a ≠ 1) sind: log a 1 = 0 log a a = 1 log( N1 ⋅ N 2 ) = log N1 + log N 2 ( ) log N n = n log N ⎧− ∞ für a > 1 log a 0 = ⎨ ⎩+ ∞ für a < 1 log N1 = log N1 − log N 2 N2 log n N = 1 log N n Unter Logarithmieren einer gegebenen Größe versteht man das Aufsuchen ihres Logarithmus. Seite 60 Beispiel: 3 x2 3 y 1 log = log 3 + 2 log x + log y − log 2 − log z − 3 log u 3 2zu 3 Anwendung der Logarithmengesetze beim Rechenschieber: + log 20 2 1 2 1 3 4 5 6 3 8 4 5 10 6 8 20 log 3 10 20 30 30 60 90 = log 60 Interaktiver Rechenschieber http://www.didaktik.mathematik.uni-wuerzburg.de/history/ausstell/rechenschieber/interaktiv.html Die gebräuchlichsten Logarithmensysteme sind: • Die dekadischen oder Brigg’schen Logarithmen mit der Basis 10 Schreibweise: log10 N = lg N • Die natürlichen oder Neper’schen Logarithmen mit der Basis e = 2,71828... x ⎛ 1⎞ ( e = lim ⎜1 + ⎟ ) x⎠ x →∞ ⎝ Schreibweise: log e N = ln N • (Abkürzung von logarithmus naturalis) Die dualen Logarithmen zur Basis 2 Schreibweise: log 2 N = ld N (Abkürzung von logarithmus dualis) Umrechnung: ln N = lg N lg N ≈ lg e 0,4343 ld N = lg N lg N ≈ lg 2 0,3010 Ergänzungen_07 lg N = ln N = lg e ⋅ ln N ≈ 0,4343 ⋅ ln N ln 10 Seite 61 Ergänzende Kapitel zur Vorlesung Angewandte Physik 7.2 Anwendung logarithmischer Größen - Pegel Pegel verwendet man bei Größen, die sich um mehrere Zehnerpotenzen unterscheiden können und dort, wo es vor allem auf das Verhältnis, z.B. von Ein- und Ausgangsgrößen ankommt. Dabei erhält man den Pegel dadurch, dass man das Verhältnis der jeweiligen Größe zu einer Bezugsgröße bildet und logarithmiert. Neben den Schallpegeln werden Pegel vor allem in der Elektrotechnik verwendet: Leistungs-Pegel ⎛P⎞ PP = 10 lg ⎜⎜ ⎟⎟ dB ⎝ P0 ⎠ mit dem Bezugswert P0 = 1 mW Spannungs-Pegel ⎛U ⎞ PU = 20 lg ⎜⎜ ⎟⎟ dB ⎝U0 ⎠ mit dem Bezugswert U 0 = 775 mV Die Bezugswerte sind so gewählt, dass an einem Widerstand R = 600 Ω beide Pegel gleich sind. (Zum Vergleich: Die Schallpegel sind so angelegt, dass sie in Luft bei 20°C und gleicher Bezugsfläche alle gleich sind.) Die unterschiedlichen Vorfaktoren bei Leistungs- bzw. Spannungspegel haben ihre Ursache im Zusammenhang zwischen den beiden Größen: P =U ⋅I = U2 R → lg P = 2 lg U − lg R Zum Vergleich - Die unterschiedlichen Faktoren beim Schalldruck- bzw. Schallstärkepegel lassen sich auf gleiche Weise erklären: 2 pw,eff I= Z → lg I = 2 lg pw,eff − lg Z Rechnen mit Schallpegeln Erste Fragestellung: Wie unterscheidet sich der Schallpegel zweier Schallquellen, die am Ort der Messung die Schallstärken I1 bzw. I 2 hervorrufen ? L1 = 10 lg I1 dB I0 L2 = 10 lg I2 dB I0 ⎛ I I ⎞ I Δ L = L2 − L1 = 10 ⎜⎜ lg 2 − lg 1 ⎟⎟ dB = 10 lg 2 dB I0 ⎠ I1 ⎝ I0 Statt eines Verhältnisses der Schallstärken erhält man eine Differenz der Schallpegel. I 2 I1 1 2 10 100 1000 Seite 62 ΔL 0 dB 3 dB 10 dB 20 dB 30 dB Zweite Fragestellung: Um welchen Betrag erhöht sich der Schallpegel, wenn eine zweite Schallquelle in Betrieb genommen wird ? Dabei sollen die Schallpegel beider Quellen gegeben sein. Wirken mehrere Schallquellen zusammen, addiert sich die von ihnen am Ort der Messung hervorgerufene Schallstärke. L1, 2 = 10 lg I1, 2 I1, 2 I0 I0 L1, 2 = 10 10 1 2 I G I1 + I 2 = = 1010 + 10 10 I0 I0 L L L2 ⎛ L1 ⎞ LG = 10 lg ⎜⎜1010 + 10 10 ⎟⎟ ⎝ ⎠ Beispiel: Der Schallpegel beider Schallquellen ist gleich ( L1 = L2 ). L1 ⎛ ⎞ L ⎞ ⎛ LG = 10 lg ⎜⎜ 2 ⋅1010 ⎟⎟ dB = 10 ⎜ lg 2 + 1 ⎟ dB = 3 dB + L1 10 ⎠ ⎝ ⎝ ⎠ Beispiel: Unterschiedlich starke Schallquellen L1 = 30 dB , L2 = 40 dB 40 ⎛ 30 ⎞ LG = 10 lg ⎜⎜10 10 + 10 10 ⎟⎟ dB = 10 lg 103 + 10 4 dB = 10 lg11000 dB = 40,4 dB ⎝ ⎠ ( ) Dritte Fragestellung: Wie ändert sich der Schallpegel, wenn der Beobachter seinen Abstand von der Schallquelle (Punktquelle) verändert ? I1 = P 4π r12 L1 = 10 lg I2 = P I 0 ⋅ 4 π r12 P 4π r22 L2 = 10 lg P I 0 ⋅ 4 π r22 ⎛ ⎞ P P r12 r ⎟ Δ L = L2 − L1 = 10 ⎜⎜ lg − = lg dB 10 lg dB = 20 lg 1 dB 2 2 ⎟ 2 I 0 ⋅ 4 π r1 ⎠ r2 r2 ⎝ I 0 ⋅ 4 π r2 Beispiel: Der Abstand von der Schallquelle wird verdoppelt. Δ L = 20 lg 7.3 1 dB = −6 dB 2 Logarithmische Darstellungen von Exponential- und Potenzfunktionen Logarithmen können auch verwendet werden, um Funktionen in einer Form grafisch darzustellen, die eine sichere Auswertung ermöglicht. Dies spielt besonders dann eine Rolle, wenn man fehlerbehaftete Messwerte (die z.B. im Praktikum erhalten wurden) zur Bestimmung charakteristischer Größen heranziehen muss. Ergänzungen_07 Seite 63 Ergänzende Kapitel zur Vorlesung Angewandte Physik 7.3.1 Die darzustellende Funktion ist eine Exponentialfunktion Die darzustellende Funktion sei eine Funktion der Form y = e−a x . Im Beispiel ist diese Funktion für die Werte a = 1 und a = 3 dargestellt. Im linken Bild ist die Funktion selbst dargestellt. Die Bestimmung von a anhand dieser Darstellung fällt schwer. Bildet man jedoch den Logarithmus, erhält man Geraden mit der Steigung –a (rechtes Bild): ln y = −a x 0.99 1 0 0.8 5 −x e ( − x) 0.6 ln e ( − 3x) − 3 ⋅x e 10 ln e 0.4 15 0.2 1.769×10 −8 0 0 1 2 3 0.01 4 5 x 20 6 0 1 2 5.95 3 4 5 6 x Den gleichen Effekt erreicht man, wenn man die Funktion auf einfach logarithmischem Papier darstellt, bzw. im Computerprogramm für die y-Achse eine logarithmische Skala wählt. Die Bestimmung der Größe a erfordert allerdings einen etwas größeren Aufwand. 1 0.99 0.1 0.01 −x 1 .10 3 1 .10 4 1 .10 5 1 .10 6 1 .10 7 e − 3 ⋅x e −8 1.769×10 1 .10 8 0 0.01 1 2 3 4 5 x 6 5.95 Beispiel: Schwächung von γ-Strahlung (Praktikumsversuch) Die Zählrate (Zahl der γ-Quanten pro Zeitintervall) z ergibt sich als z = z0 ⋅ e − μ x , wobei z0 die Zählrate vor der Abschirmung, μ der Schwächungskoeffizient und x die Dicke der Schicht sind. Bei dem Versuch geht es letztlich darum, den Schwächungskoeffizienten μ zu bestimmen. Da man in dieser einfach logarithmischen Darstellung μ nicht direkt ablesen kann, geschieht das über den Umweg der Bestimmung der Halbwertsdicke ξ , d.h. der Dicke der Abschirmung, bei der die Zählrate gerade halbiert wird. Den Schwächungskoeffizienten erhält man daraus nach der einfachen Formel Seite 64 μ= ln 2 ξ , die hier nicht hergeleitet werden soll. Die grafische Darstellung zeigt die Messwerte mehrerer Praktikumsgruppen, durch die die wahrscheinlichste Gerade gelegt wurde. Versuch 4.05 Halbwertsdicke 1,25 cm Zählrate / 1/min 1000 100 10 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 Schichtdicke / cm 7.3.2 Die darzustellende Funktion ist eine Potenzfunktion Die darzustellende Funktion sei eine Potenzfunktion der Form y = xa . Auch in diesem Fall kann man den gesuchten Exponenten a aus der Darstellung der Funktion selbst nur schwer gewinnen. Logarithmieren liefert aber log y = a ⋅ log x . 2.512 3 0.4 0.5 2.5 0 2 ( 0.2) 0.2 x 0.4 log x ( 0.4) 1.5 x 0.5 log x 1 1 0.5 0.063 0 0 1×10 2 −3 Ergänzungen_07 4 6 x 8 10 10 − 1.2 1.5 3 −3 2.5 2 1.5 1 log( x) 0.5 0 0.5 1 1 Seite 65 Ergänzende Kapitel zur Vorlesung Angewandte Physik Trägt man die Logarithmen von x und y gegeneinander auf, erhält man den gesuchten Exponenten a (im Beispiel 0,2 bzw. 0,4) als Steigung der jeweiligen Geraden. In doppelt logarithmischer Darstellung ergibt sich ein ähnliches Bild: 2.512 10 1 0.2 x 0.4 x 0.1 0.063 0.01 3 1 .10 1×10 0.01 −3 0.1 x 1 10 10 Anwendung findet dieses Verfahren ebenfalls im Praktikum bei einem Versuch zur Strömung im Rohr, wo sich für den Bereich der laminaren und den der turbulenten Strömung Funktionen mit unterschiedlichen Exponenten ergeben. Seite 66