Verführungskunst floraler Fantasien

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WARENKUNDE
ESSBARE BLÜTEN
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Verführungskunst
floraler Fantasien
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5 |2012 BÄKO-magazin
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WARENKUNDE ESSBARE BLÜTEN
B
Viele Blüten sind essbar: Filigran kandiert bleiben sie nicht nur lange haltbar, sondern
veredeln jedes Produkt – wie diese „Blütentorte“ der Tortenmanufaktur „Luca de Luxe“.
Blüten jener Pflanzen, deren Obst genießbar ist (also etwa Apfel-, Birnen- oder
Schlehenblüten) bzw. die Blüten aller essbaren Kräuter (also z. B. Pfefferminz-,
Schnittlauch-, oder Thymianblüten) ebenfalls bekömmlich sind. Im Gegenzug dürfen alle Blüten sämtlicher als giftig bekannter Pflanzen auf keinen Fall zum Verzehr verwendet werden – etwa die Blumen von Oleander, Goldregen, Christ­rose,
Eisenhut, Fingerhut, Herbstzeitlosen, Schierling, Maiglöckchen, Steinklee oder der
Tollkirsche.
Aber nicht nur auf die Sorte
kommt es an, sondern auch,
unter welchen Umständen
die Blüten gewachsen sind.
Generell gilt: Nur vollkommen natürliche Blüten sind
auch für den Verzehr geeignet. Hier kommt in erster
Linie die Ware der auf Blüten
spezialisierten Händler infrage, teilweise werden gängige
essbare frische Blumen mittlerweile auch auf Märkten
vertrieben oder sind bei Gemüsehändlern
auf Anfrage zu beziehen. Oder aber sie
stammen aus dem Anbau im eigenen
Garten. Doch auch hier muss gelten, was
die Grundlage für ungetrübten Blüten­
genuss bildet: Der Einsatz von chemischen
Düngemitteln und Pestiziden ist tabu.
Pflanzen aus dem Blumenladen sind daher nicht für den Verzehr geeignet. Und
auch bei der Verwendung von Blumen aus
der freien Natur ist Vorsicht geboten. Hier
sollte darauf geachtet werden, dass die
wild wachsenden Pflanzen nicht zu nahe
an Feldern wachsen, die konventionell bestellt werden – und somit eventuell auch
durch Pflanzenschutzmittel belastet sind;
aber auch nicht am Wegesrand – Schmutz
und Staub wären hier ebenso abträglich
wie die Verunreinigung durch Abgase.
KAISERIN SISSI LIEBTE
VEILCHENSORBET
Blüten lassen sich auf vielfältige Weise in
Backstube und Snackküche integrieren
und vereinen dabei auf der einen Seite
Frische Blüten bringen Würze und Farbe in Salatkreationen: Ideal sind hier
etwa Kapuzinerkresse und Borretsch mit ihrem saftig-würzigen Aroma.
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lumen sind das Lächeln der Erde“,
schrieb einst der amerikanische
Philosoph Ralph Waldo Emerson.
Vor allem aber zaubern sie uns Menschen
ein Lächeln ins Gesicht: Sie sind Ausdruck
von Frische, Freude, Leben und Liebe.
Wohlgeformte Blüten sorgen aber nicht
nur am Wegesrand, im Garten oder der
Vase für einen erquickenden, stimmungserhellenden Anblick – sondern auch auf
dem Teller. Dass viele Blüten und Kräuter
essbar sind und dabei nicht nur optisch ein
Genuss, sondern auch geschmacklich interessant, ist im Grunde keine neue Erkenntnis. Dennoch erlebt das Wissen um den
filigranen Gaumenschmaus von Mutter
Natur in den vergangenen Jahren eine regelrechte Renaissance.
Dabei sind es vor allem Holunderblüten,
Kapuzinerkresse und Zucchiniblüten, die
mittlerweile weitläufig nicht nur im Volksmund als genießbar bekannt sind, sondern die es immer häufiger für ein kleines
Intermezzo als Delikatesse auf die Speisekarten schaffen: ausgebackene Holunderblüten im Bierteig, Kapuzinerkresse-Kelche als farbiges, würziges „i-Tüpfchen“ im
Salat oder etwa mit Frischkäse gefüllte
Zucchiniblüten als Antipasti der besonderen Art. Weniger geläufig ist dagegen,
dass man eine Vielzahl gängiger Blüten
verzehren kann, z. B. Schlüsselblumen,
Orangen- und Zitronenblüten, Lavendel,
Ringelblumen, Rosen, Kornblumen, Geranien, Gänseblümchen, Stiefmütterchen,
Sonnenblumen oder auch Veilchen. Eine
Faustregel, nach der sich Experimentierfreudige richten können, lautet, dass alle
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avantgardistische Kreativität mit uralten
Traditionen. Denn ihre Wirkung auf Speisen und Getränke wurde bereits vor vielen Jahrhunderten geschätzt. So aromatisierten die Römer ihren Wein beispielsweise gerne mit Borretschblüten oder
Rosenblättern. Ein besonderes Hoch erlebten die Blüten auch im 16. und
17. Jahrhundert, als ihre Verwendung
zum guten Ton in der edlen Küche gehörte – aber auch auf dem bürgerlichen Speisezettel kamen immer wieder Blüten zum
Einsatz, sei es als Löwenzahnhonig oder
Holunderblütensirup.
So wurden mit den Blumen den Speisen
nicht nur ein spannender Farbtupfer gegeben, sondern die Speise damit teilweise regelrecht eingefärbt. Safran wird z. B.
aus den Stempeln einer Krokusart gewonnen. Weil echter Safran für normales
„Fußvolk“ aber kaum erschwinglich war,
griff man zu Safranersatz in Form von Färberdisteln und Ringelblumen. Rosenwasser hat sich bis heute als wichtige Zutat für
Süßspeisen aus der orientalischen Küche
erhalten. In Asien wird der Tee mit Jasminblüten aromatisiert, die Ägypter
schätzen den Aufguss getrockneter Hibiskusblüten als Tee, die Japaner verspeisen
gerne die Blütenknospe der Salatchrysantheme (Shungiku). Besonders in Frankreich und England werden häufig noch
kandierte Veilchen als zuckriges Naschwerk verspeist – in Wien gehört die Verkostung eines Veilchensorbets, wie es Kaiserin Sissi so liebte, zu vielen Stadtführungen obligatorisch dazu. Auch Kaiser Nero
wird nachgesagt, er sei ganz verrückt
nach Gletschereis gewesen, das mit Veilchenblüten aromatisiert wurde.
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DIE BLÜTEN SCHMECKEN
WIE SIE DUFTEN
:
Ganz nach Gusto kann bei einer essbaren
Blüte der gesamte Kopf verspeist werden
oder nur die einzelnen Blätter. Allerdings
schmecken die grünen Bestandteile wie
Kelch, Blütenboden oder Blütenansatz in
ihrem Aroma grasiger als die Blütenblätter, die die eigentlichen Geschmacksträger der Blume darstellen. Dennoch sind
auch die grünen Bestandteile durchaus
essbar. Wer das ungetrübte Aroma erleben will, sollte die Blätter einzeln abzupfen und genießen. Die Blätter schmecken
dabei ähnlich dem Geruch, den sie ver-
breiten. Bei den Blüten von Obstpflanzen
lässt sich jeweils ein Hauch des Obst­
aromas erkennen. Und so schmecken einige der Klassiker:
E Gänseblümchen (Bellis perennis):
Leicht nussig bis marzipanähnlich im
Geschmack, als Knospe oder aufgeblühte Blume zu verwenden. In Essig
eingelegt werden die Knospen zu würzigen „falschen Kapern“.
E Kapuzinerkresse (Tropaeolum majus):
Sehr würzig und leicht scharf im Aroma, harmonieren die roten, gelben
oder orangefarbenen Blüten auch sehr
sie verwendet werden, lassen sich die Blüten entweder frisch, kandiert oder getrocknet verarbeitem. In jedem Fall sollten die Blumen als hochsensibles Lebensmittel immer behutsam behandelt werden, da die zarten Blätter sehr delikat und
empfindlich sind. Und zwar derart, dass
selbst der Zeitpunkt des Pflückens Auswirkungen auf den Zustand der Blüte hat.
Kenner sprechen vom idealen Pflück­
moment am Morgen, nachdem der Tau
abgetrocknet ist: Dann
entfaltet sich das Aroma
der Blüte am stärksten
Sinnbildliche Frische und handwerkliche Premiumqualität: Das appetitliche Brot
„Blütenkruste“ entwickelte die Münchner Bäckerinnung 2005 anlässlich der BUGA,
auch heute gehört es noch zu den Verkaufsschlagern (r.). Kapuzinerkresse trifft auf glatte
Petersilie – zum Anschneiden fast zu schön ist das „CarotPlus Blütenbrot“ von Siebrecht (l.).
gut mit enstprechend deftigen Speisen
und Salaten.
E Rose (Rosa): Im Aroma anfangs immer
starkes Rosenaroma, dann kommt
fruchtige Note zum Tragen, im Abgang leichte Bitterstoffe. Versüßt Desserts, Backwaren, Salate und Saucen,
aromatisiert Zucker und Heißgetränke;
kandiert als traditionelles Naschwerk.
E Borrtesch (Borrago officinalis): Zarte
blaue Blüten mit einem süßlich-frischen Aroma, leicht grasig nach frischer Gurke. Ideal für Salate, deftige
Speisen, in Erfrischungsgetränken.
E Sonnenblume (Helianthus annuus):
Hier werden nur die Blütenblätter verwendet. Sie schmecken und riechen intensiv nach Honig – ideal für Süßspeisen, Salate.
Je nachdem, welchen Zweck die Blüten
erfüllen sollen und zu welchem Zeitpunkt
und kann so am ehesten konserviert werden. Werden die Blüten frisch verwendet,
empfiehlt es sich, sie möglichst zeitnah zu
ihrer Verwendung zu ernten. Teilweise
werden kleinere Blüten wie Hornveilchen
oder Stiefmütterchen von den Händlern
daher noch mit Erde und Wurzelballen
angeboten, sodass sie – ähnlich wie Kresse – schnittfrisch verwertet werden können. Ist dies nicht möglich, lassen sich frische Blüten in einer Wasserschale in der
Kühlung für mehrere Stunden frisch halten. Wichtig ist, sie anschließend schonend zu trocknen – am besten auf einem
Gitter oder Tuch an der Luft.
Die Verwendung von frischen Blumen ist
vor allem dann angezeigt, wenn es sich
um die Veredelung von Produkten mit
viel Feuchtigkeit handelt, da kandierte
Blüten hier Schaden nehmen würden. Die
Blüten sind leckere Farbtupfer in Salaten,
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Gemüsepfannen, Fleisch- oder Fischgerichten und in jedem Fall eine hübsch anzusehende essbare Dekoration – darüber
hinaus eine gesunde: Blüten sind reich an
Vitaminen und Mineralstoffen. Frische
Blütenblätter geben Kräuterbutter oder
Kräuterquark eine exquisite Optik und ein
neues Aroma. Auch als frische Garnitur für
belegte Brötchen oder Bagels sind Blüten
als Zutat eine kreative Alternative – zumal
das simple Salatblatt oder Gurken- und
Tomatenscheiben anspruchsvolle Verbraucher schon längst nicht mehr zu fesseln vermögen. In Eiswürfel gefroren werden frische Blüten zum Hingucker in jedem Glas Wasser – kandierte Blüten machen ein Glas Sekt zum besonderen Highlight und geben gleichzeitig ein zartes
zuckriges Blütenaroma ab.
ZUCKRIGE KUNSTWERKE:
VEREDELTE NATUR
Das Kandieren von Blüten ist eine uralte
Möglichkeit, sie mithilfe von Zucker zu
Die regelmäßig erscheinenden
Seiten zur „Warenkunde“ sind
eine Serviceleistung des
BÄKO-magazins, der Mitgliederund Kundenzeitschrift der BÄKOWirtschaftsorganisation für das
Bäcker- und Konditorenhandwerk.
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konservieren. Hier gibt es verschiedene
Verfahren, die unterschiedliche Ergebnisse erzielen. Auch muss unterschieden
werden, wie viel Zucker dabei die Blüten
umhüllen und ob zusätzlich Farb- und
Aromastoffe zugesetzt sind. So ist z. B.
bei vielen als Süßigkeit angebotenen kandierten Veilchen zwar ein echtes Veilchen
die Grundlage – die meist dicke, gefärbte
und aromatisierte Zuckerumhüllung allerdings lässt den eigentlichen Geschmack in
den Hintergrund treten. Für Bäcker und
Konditoren vor allem interessant sind dagegen kandierte Blüten, deren eigentliche
Form, Farbe und Aroma nur durch den
Zucker unterstrichen wird und somit weitestgehend in der Natürlichkeit erhalten
bleibt. Sie werden zum extravaganten
Hingucker und ausgefallenen Genuss und
eignen sich besonders zum Ausdekorieren
sämtlicher süßer Speisen wie Torten und
Cupcakes, Löffeltörtchen oder Cakepops.
Aber auch deftige Speisen wie etwa eine
Käseplatte profitieren von den süßen
Farbtupfern, wirken wertiger und edler.
Die Blüten sind in ihrer Optik so aufwendig, dass sie bereits einzeln wirkungsvolle
Akzente setzen – entweder pur oder z. B.
ergänzt durch Blätter und Ranken aus
Marzipan. Das Kandieren von Blüten ist
eine handwerkliche Fähigkeit, die nur
noch wenige beherrschen. Dabei werden
sie mittels Zucker und Gummi arabicum
(dem Harz aus dem Saft afrikanischer
Akazienarten) mit dem Pinsel präpariert,
teils sorgen Zitronensaft oder Zitronen-
BUNTE BROTKRUSTE ALS
ECHTER HINGUCKER
Aber auch getrocknet sind Blüten ein Genuss – und eine Freude fürs Auge. Vor allem bunte Mischungen setzen hier schöne
Akzente: Ob als Tee, in Quark oder Butter
eingearbeitet, als zart gestreutes Topping
sämtlicher Gerichte oder etwa als aufmerksamkeitsstarke Brotkruste. Allerdings bedarf es hier viel Fingerspitzen­
gefühl, um die zarten Blütenmischungen
gut auf den Teiglingen zu fixieren und die
Backwaren so zu backen, das das leicht
entflammbare trockene Pflanzenwerk
dabei nicht in Rauch und Flammen aufgeht bzw. verkohlt.
Ein Aufwand, der sich lohnt: Gelingt es,
die getrockneten Blüten in die Backware
zu integrieren, ist damit nicht nur ein Hingucker in der Auslage sicher, sondern die
Blüten garantieren auch geschmacklich
eine beachtliche extravagante Note.
Gleichzeitig bedienen Bäcker und Konditoren mit der Verwendung von Blüten –
egal in welcher Form – den Trend nach
Natürlichkeit und der Nachfrage nach
handwerklicher Premiumqualität: Und
zwar mit einem herausragenden Produktmerkmal, das – zumindest bislang –
kaum in der Branche anzutreffen ist. Aufmerksamkeitsstark sind auch Zucker­
mischungen, die mit getrockneten Blüten
aromatisiert sind. So erhält der Genuss einer Tasse Tee Gourmetcharakter, wenn
dazu hauseigener Rosenblätter- oder
Orangenblütenzucker gereicht wird. ar
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Natürlichkeit ist Trumpf bei den Cupcakes mit Apfelblüte, Kornblume, Rose und Hornveilchen, einer Idee von „Zuckermonarchie“-Catering (r.). Spezialisiert auf die Herstellung
kandierter Blüten hat sich das Team von „Obstgarten Uckermarck“ – das Bild zeigt die
Mitarbeiter bei der Arbeit an der ungarischen Konditorrose.
säure für den Erhalt der Farbe. Die hohe
Kunst besteht darin, die Blüten parallel zu
trocknen und zu kandieren – ohne dass
sie dabei Schaden nehmen. Und vor allem
sie so zu präparieren, dass sie – trocken
und dunkel gelagert – ein bis zwei Jahre
haltbar bleiben. Hier sind Bäcker und Konditoren gut beraten, auf die Produkte von
spezialisierten Profis zurückzugreifen.
Was dagegen auch Ungeübten eher gelingt, ist das Kandieren frischer Blüten für
den sofortigen Verzehr.
Die kandierten Blüten können bei Bedarf
mittels Fondant, Zuckerguss oder Schokolade problemlos fixiert werden – dies sollte aber möglichst zeitnah zum Verzehr
geschehen. Eine Kühlung von bis zu drei
bis vier Stunden wird dabei in der Regel
aber problemlos vertragen.
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