WARENKUNDE ESSBARE BLÜTEN 189 Bitte hier heraustrennen! Verführungskunst floraler Fantasien : 5 |2012 BÄKO-magazin 63 WARENKUNDE ESSBARE BLÜTEN B Viele Blüten sind essbar: Filigran kandiert bleiben sie nicht nur lange haltbar, sondern veredeln jedes Produkt – wie diese „Blütentorte“ der Tortenmanufaktur „Luca de Luxe“. Blüten jener Pflanzen, deren Obst genießbar ist (also etwa Apfel-, Birnen- oder Schlehenblüten) bzw. die Blüten aller essbaren Kräuter (also z. B. Pfefferminz-, Schnittlauch-, oder Thymianblüten) ebenfalls bekömmlich sind. Im Gegenzug dürfen alle Blüten sämtlicher als giftig bekannter Pflanzen auf keinen Fall zum Verzehr verwendet werden – etwa die Blumen von Oleander, Goldregen, Christ­rose, Eisenhut, Fingerhut, Herbstzeitlosen, Schierling, Maiglöckchen, Steinklee oder der Tollkirsche. Aber nicht nur auf die Sorte kommt es an, sondern auch, unter welchen Umständen die Blüten gewachsen sind. Generell gilt: Nur vollkommen natürliche Blüten sind auch für den Verzehr geeignet. Hier kommt in erster Linie die Ware der auf Blüten spezialisierten Händler infrage, teilweise werden gängige essbare frische Blumen mittlerweile auch auf Märkten vertrieben oder sind bei Gemüsehändlern auf Anfrage zu beziehen. Oder aber sie stammen aus dem Anbau im eigenen Garten. Doch auch hier muss gelten, was die Grundlage für ungetrübten Blüten­ genuss bildet: Der Einsatz von chemischen Düngemitteln und Pestiziden ist tabu. Pflanzen aus dem Blumenladen sind daher nicht für den Verzehr geeignet. Und auch bei der Verwendung von Blumen aus der freien Natur ist Vorsicht geboten. Hier sollte darauf geachtet werden, dass die wild wachsenden Pflanzen nicht zu nahe an Feldern wachsen, die konventionell bestellt werden – und somit eventuell auch durch Pflanzenschutzmittel belastet sind; aber auch nicht am Wegesrand – Schmutz und Staub wären hier ebenso abträglich wie die Verunreinigung durch Abgase. KAISERIN SISSI LIEBTE VEILCHENSORBET Blüten lassen sich auf vielfältige Weise in Backstube und Snackküche integrieren und vereinen dabei auf der einen Seite Frische Blüten bringen Würze und Farbe in Salatkreationen: Ideal sind hier etwa Kapuzinerkresse und Borretsch mit ihrem saftig-würzigen Aroma. 64 BÄKO-magazin 5 |2012 Bitte hier heraustrennen! lumen sind das Lächeln der Erde“, schrieb einst der amerikanische Philosoph Ralph Waldo Emerson. Vor allem aber zaubern sie uns Menschen ein Lächeln ins Gesicht: Sie sind Ausdruck von Frische, Freude, Leben und Liebe. Wohlgeformte Blüten sorgen aber nicht nur am Wegesrand, im Garten oder der Vase für einen erquickenden, stimmungserhellenden Anblick – sondern auch auf dem Teller. Dass viele Blüten und Kräuter essbar sind und dabei nicht nur optisch ein Genuss, sondern auch geschmacklich interessant, ist im Grunde keine neue Erkenntnis. Dennoch erlebt das Wissen um den filigranen Gaumenschmaus von Mutter Natur in den vergangenen Jahren eine regelrechte Renaissance. Dabei sind es vor allem Holunderblüten, Kapuzinerkresse und Zucchiniblüten, die mittlerweile weitläufig nicht nur im Volksmund als genießbar bekannt sind, sondern die es immer häufiger für ein kleines Intermezzo als Delikatesse auf die Speisekarten schaffen: ausgebackene Holunderblüten im Bierteig, Kapuzinerkresse-Kelche als farbiges, würziges „i-Tüpfchen“ im Salat oder etwa mit Frischkäse gefüllte Zucchiniblüten als Antipasti der besonderen Art. Weniger geläufig ist dagegen, dass man eine Vielzahl gängiger Blüten verzehren kann, z. B. Schlüsselblumen, Orangen- und Zitronenblüten, Lavendel, Ringelblumen, Rosen, Kornblumen, Geranien, Gänseblümchen, Stiefmütterchen, Sonnenblumen oder auch Veilchen. Eine Faustregel, nach der sich Experimentierfreudige richten können, lautet, dass alle : ESSBARE BLÜTEN WARENKUNDE avantgardistische Kreativität mit uralten Traditionen. Denn ihre Wirkung auf Speisen und Getränke wurde bereits vor vielen Jahrhunderten geschätzt. So aromatisierten die Römer ihren Wein beispielsweise gerne mit Borretschblüten oder Rosenblättern. Ein besonderes Hoch erlebten die Blüten auch im 16. und 17. Jahrhundert, als ihre Verwendung zum guten Ton in der edlen Küche gehörte – aber auch auf dem bürgerlichen Speisezettel kamen immer wieder Blüten zum Einsatz, sei es als Löwenzahnhonig oder Holunderblütensirup. So wurden mit den Blumen den Speisen nicht nur ein spannender Farbtupfer gegeben, sondern die Speise damit teilweise regelrecht eingefärbt. Safran wird z. B. aus den Stempeln einer Krokusart gewonnen. Weil echter Safran für normales „Fußvolk“ aber kaum erschwinglich war, griff man zu Safranersatz in Form von Färberdisteln und Ringelblumen. Rosenwasser hat sich bis heute als wichtige Zutat für Süßspeisen aus der orientalischen Küche erhalten. In Asien wird der Tee mit Jasminblüten aromatisiert, die Ägypter schätzen den Aufguss getrockneter Hibiskusblüten als Tee, die Japaner verspeisen gerne die Blütenknospe der Salatchrysantheme (Shungiku). Besonders in Frankreich und England werden häufig noch kandierte Veilchen als zuckriges Naschwerk verspeist – in Wien gehört die Verkostung eines Veilchensorbets, wie es Kaiserin Sissi so liebte, zu vielen Stadtführungen obligatorisch dazu. Auch Kaiser Nero wird nachgesagt, er sei ganz verrückt nach Gletschereis gewesen, das mit Veilchenblüten aromatisiert wurde. Bitte hier heraustrennen! DIE BLÜTEN SCHMECKEN WIE SIE DUFTEN : Ganz nach Gusto kann bei einer essbaren Blüte der gesamte Kopf verspeist werden oder nur die einzelnen Blätter. Allerdings schmecken die grünen Bestandteile wie Kelch, Blütenboden oder Blütenansatz in ihrem Aroma grasiger als die Blütenblätter, die die eigentlichen Geschmacksträger der Blume darstellen. Dennoch sind auch die grünen Bestandteile durchaus essbar. Wer das ungetrübte Aroma erleben will, sollte die Blätter einzeln abzupfen und genießen. Die Blätter schmecken dabei ähnlich dem Geruch, den sie ver- breiten. Bei den Blüten von Obstpflanzen lässt sich jeweils ein Hauch des Obst­ aromas erkennen. Und so schmecken einige der Klassiker: E Gänseblümchen (Bellis perennis): Leicht nussig bis marzipanähnlich im Geschmack, als Knospe oder aufgeblühte Blume zu verwenden. In Essig eingelegt werden die Knospen zu würzigen „falschen Kapern“. E Kapuzinerkresse (Tropaeolum majus): Sehr würzig und leicht scharf im Aroma, harmonieren die roten, gelben oder orangefarbenen Blüten auch sehr sie verwendet werden, lassen sich die Blüten entweder frisch, kandiert oder getrocknet verarbeitem. In jedem Fall sollten die Blumen als hochsensibles Lebensmittel immer behutsam behandelt werden, da die zarten Blätter sehr delikat und empfindlich sind. Und zwar derart, dass selbst der Zeitpunkt des Pflückens Auswirkungen auf den Zustand der Blüte hat. Kenner sprechen vom idealen Pflück­ moment am Morgen, nachdem der Tau abgetrocknet ist: Dann entfaltet sich das Aroma der Blüte am stärksten Sinnbildliche Frische und handwerkliche Premiumqualität: Das appetitliche Brot „Blütenkruste“ entwickelte die Münchner Bäckerinnung 2005 anlässlich der BUGA, auch heute gehört es noch zu den Verkaufsschlagern (r.). Kapuzinerkresse trifft auf glatte Petersilie – zum Anschneiden fast zu schön ist das „CarotPlus Blütenbrot“ von Siebrecht (l.). gut mit enstprechend deftigen Speisen und Salaten. E Rose (Rosa): Im Aroma anfangs immer starkes Rosenaroma, dann kommt fruchtige Note zum Tragen, im Abgang leichte Bitterstoffe. Versüßt Desserts, Backwaren, Salate und Saucen, aromatisiert Zucker und Heißgetränke; kandiert als traditionelles Naschwerk. E Borrtesch (Borrago officinalis): Zarte blaue Blüten mit einem süßlich-frischen Aroma, leicht grasig nach frischer Gurke. Ideal für Salate, deftige Speisen, in Erfrischungsgetränken. E Sonnenblume (Helianthus annuus): Hier werden nur die Blütenblätter verwendet. Sie schmecken und riechen intensiv nach Honig – ideal für Süßspeisen, Salate. Je nachdem, welchen Zweck die Blüten erfüllen sollen und zu welchem Zeitpunkt und kann so am ehesten konserviert werden. Werden die Blüten frisch verwendet, empfiehlt es sich, sie möglichst zeitnah zu ihrer Verwendung zu ernten. Teilweise werden kleinere Blüten wie Hornveilchen oder Stiefmütterchen von den Händlern daher noch mit Erde und Wurzelballen angeboten, sodass sie – ähnlich wie Kresse – schnittfrisch verwertet werden können. Ist dies nicht möglich, lassen sich frische Blüten in einer Wasserschale in der Kühlung für mehrere Stunden frisch halten. Wichtig ist, sie anschließend schonend zu trocknen – am besten auf einem Gitter oder Tuch an der Luft. Die Verwendung von frischen Blumen ist vor allem dann angezeigt, wenn es sich um die Veredelung von Produkten mit viel Feuchtigkeit handelt, da kandierte Blüten hier Schaden nehmen würden. Die Blüten sind leckere Farbtupfer in Salaten, 5 |2012 BÄKO-magazin 65 WARENKUNDE ESSBARE BLÜTEN Gemüsepfannen, Fleisch- oder Fischgerichten und in jedem Fall eine hübsch anzusehende essbare Dekoration – darüber hinaus eine gesunde: Blüten sind reich an Vitaminen und Mineralstoffen. Frische Blütenblätter geben Kräuterbutter oder Kräuterquark eine exquisite Optik und ein neues Aroma. Auch als frische Garnitur für belegte Brötchen oder Bagels sind Blüten als Zutat eine kreative Alternative – zumal das simple Salatblatt oder Gurken- und Tomatenscheiben anspruchsvolle Verbraucher schon längst nicht mehr zu fesseln vermögen. In Eiswürfel gefroren werden frische Blüten zum Hingucker in jedem Glas Wasser – kandierte Blüten machen ein Glas Sekt zum besonderen Highlight und geben gleichzeitig ein zartes zuckriges Blütenaroma ab. ZUCKRIGE KUNSTWERKE: VEREDELTE NATUR Das Kandieren von Blüten ist eine uralte Möglichkeit, sie mithilfe von Zucker zu Die regelmäßig erscheinenden Seiten zur „Warenkunde“ sind eine Serviceleistung des BÄKO-magazins, der Mitgliederund Kundenzeitschrift der BÄKOWirtschaftsorganisation für das Bäcker- und Konditorenhandwerk. 66 BÄKO-magazin 5 |2012 konservieren. Hier gibt es verschiedene Verfahren, die unterschiedliche Ergebnisse erzielen. Auch muss unterschieden werden, wie viel Zucker dabei die Blüten umhüllen und ob zusätzlich Farb- und Aromastoffe zugesetzt sind. So ist z. B. bei vielen als Süßigkeit angebotenen kandierten Veilchen zwar ein echtes Veilchen die Grundlage – die meist dicke, gefärbte und aromatisierte Zuckerumhüllung allerdings lässt den eigentlichen Geschmack in den Hintergrund treten. Für Bäcker und Konditoren vor allem interessant sind dagegen kandierte Blüten, deren eigentliche Form, Farbe und Aroma nur durch den Zucker unterstrichen wird und somit weitestgehend in der Natürlichkeit erhalten bleibt. Sie werden zum extravaganten Hingucker und ausgefallenen Genuss und eignen sich besonders zum Ausdekorieren sämtlicher süßer Speisen wie Torten und Cupcakes, Löffeltörtchen oder Cakepops. Aber auch deftige Speisen wie etwa eine Käseplatte profitieren von den süßen Farbtupfern, wirken wertiger und edler. Die Blüten sind in ihrer Optik so aufwendig, dass sie bereits einzeln wirkungsvolle Akzente setzen – entweder pur oder z. B. ergänzt durch Blätter und Ranken aus Marzipan. Das Kandieren von Blüten ist eine handwerkliche Fähigkeit, die nur noch wenige beherrschen. Dabei werden sie mittels Zucker und Gummi arabicum (dem Harz aus dem Saft afrikanischer Akazienarten) mit dem Pinsel präpariert, teils sorgen Zitronensaft oder Zitronen- BUNTE BROTKRUSTE ALS ECHTER HINGUCKER Aber auch getrocknet sind Blüten ein Genuss – und eine Freude fürs Auge. Vor allem bunte Mischungen setzen hier schöne Akzente: Ob als Tee, in Quark oder Butter eingearbeitet, als zart gestreutes Topping sämtlicher Gerichte oder etwa als aufmerksamkeitsstarke Brotkruste. Allerdings bedarf es hier viel Fingerspitzen­ gefühl, um die zarten Blütenmischungen gut auf den Teiglingen zu fixieren und die Backwaren so zu backen, das das leicht entflammbare trockene Pflanzenwerk dabei nicht in Rauch und Flammen aufgeht bzw. verkohlt. Ein Aufwand, der sich lohnt: Gelingt es, die getrockneten Blüten in die Backware zu integrieren, ist damit nicht nur ein Hingucker in der Auslage sicher, sondern die Blüten garantieren auch geschmacklich eine beachtliche extravagante Note. Gleichzeitig bedienen Bäcker und Konditoren mit der Verwendung von Blüten – egal in welcher Form – den Trend nach Natürlichkeit und der Nachfrage nach handwerklicher Premiumqualität: Und zwar mit einem herausragenden Produktmerkmal, das – zumindest bislang – kaum in der Branche anzutreffen ist. Aufmerksamkeitsstark sind auch Zucker­ mischungen, die mit getrockneten Blüten aromatisiert sind. So erhält der Genuss einer Tasse Tee Gourmetcharakter, wenn dazu hauseigener Rosenblätter- oder Orangenblütenzucker gereicht wird. ar Bitte hier heraustrennen! Natürlichkeit ist Trumpf bei den Cupcakes mit Apfelblüte, Kornblume, Rose und Hornveilchen, einer Idee von „Zuckermonarchie“-Catering (r.). Spezialisiert auf die Herstellung kandierter Blüten hat sich das Team von „Obstgarten Uckermarck“ – das Bild zeigt die Mitarbeiter bei der Arbeit an der ungarischen Konditorrose. säure für den Erhalt der Farbe. Die hohe Kunst besteht darin, die Blüten parallel zu trocknen und zu kandieren – ohne dass sie dabei Schaden nehmen. Und vor allem sie so zu präparieren, dass sie – trocken und dunkel gelagert – ein bis zwei Jahre haltbar bleiben. Hier sind Bäcker und Konditoren gut beraten, auf die Produkte von spezialisierten Profis zurückzugreifen. Was dagegen auch Ungeübten eher gelingt, ist das Kandieren frischer Blüten für den sofortigen Verzehr. Die kandierten Blüten können bei Bedarf mittels Fondant, Zuckerguss oder Schokolade problemlos fixiert werden – dies sollte aber möglichst zeitnah zum Verzehr geschehen. Eine Kühlung von bis zu drei bis vier Stunden wird dabei in der Regel aber problemlos vertragen. :