Presse-Information Venedigs historische Architektur – auch ein Blick

Werbung
Presse-Information
Datum: 05. November 2014
Vielfalt allenthalben / Über das „Tor zum Wasser“ ins Ca’ / Vom besonderen
Reiz
der
veneto-byzantinischen
Überfangbögen
und
private
Paläste
Brücken
in
/
Fenster-umschließende
der
Frührenaissance
/
Hochrenaissance bringt Triumphbögen, doppelte Säulen und veränderte
Fensterkombinationen / Vom Bogen- und Einzelfenster zu inneren Hallen
und Nebenräumen im Barock / Üppiges Fassaden-Schmuckwerk als
venezianische Spezialität
Venedigs historische Architektur – auch ein Blick auf und
hinter die Fenster und Türen der Lagunenstadt
Venedig/Leinfelden-Echterdingen - (rp) Venedig stand nicht viel
Platz zur Verfügung, um zu bauen. Auf gerade einmal 35
Quadratkilometern drängen sich die Gebäude dicht an dicht. Kirchen,
Paläste, Kaufmannshäuser, Jahrhunderte alt. Keine andere Stadt
dieser Welt hat eine so hohe Konzentration an historisch bedeutender
Bausubstanz. Dennoch sind Besucher oft gespalten zwischen dem
Zauber einer- und dem Verfall andererseits. Venedig polarisiert.
Venedig inspiriert. Das liegt auch an der besonderen Lage. Venedig
ohne Wasser? Unvorstellbar. Die ersten Siedler ließen sich in der
Lagune nieder und lebten mit den Gezeiten. Es gab keine Wege,
keine Brücken, keine Plätze, es gab nur die Wasserstraßen. Heute
liegen an ihnen die schönsten Gebäude wie Perlen auf einer Kette
aufgeschnürt – „mit Fassaden in einer stilistischen Vielfalt für die
Ewigkeit“, schwärmte Prof. Stefano Croce Anfang November
anlässlich des 9. Internationalen Roto-Fachpressetages in Venedig.
Erst war es Byzanz, das der Lagunenstadt seinen Stempel
aufdrückte. Es folgten Gotik, Renaissance und Barock. Alle diese Stile
wurden in der venezianischen Architektur etwas abgewandelt und
dem besonderen Charakter der Stadt angepasst. Dabei verschmolzen
Seite 1/8
sie zu etwas ganz Eigenem. „An den Fassaden spiegeln sich die
unzähligen Veränderungen und verschiedenen Einflüsse wider“,
erklärte Architekt, Dozent und Autor Prof. Croce in seinem Vortrag
„Venedigs historische Architektur – auch ein Blick auf und durch die
Fenster und Tore der Stadt“. Jedoch sei das Kompositionsprinzip der
Venezianischen Paläste – die Bereitstellung der Fenster und Türen –
aufgrund des sich wiederholenden Schemas der Gesamtanlage über
Jahrhunderte hinweg gleich geblieben. Im ersten Geschoss befand
sich das Lager mit der „Schleuse“ auf der Kanalseite. Das
zweite Geschoss war das „piano nobile“ mit den Empfangsräumen
und den Arkaden der Loggia. Darüber lag die von Zierzinnen
abgeschlossene Dachbrüstung. Später wurden häufig zusätzliche
Etagen hinzugefügt.
Über das „Tor zum Wasser“ ins Ca’
Mit dem raschen Aufstieg der venezianischen Kaufleute, die durch
den Seehandel zu großem Reichtum gelangten und sich für die
byzantinische Baukunst begeisterten, der sie auf ihren Orientreisen
begegneten, öffneten sich mit ihrem gewachsenen Selbstbewusstsein
auch die Fassaden ihrer Paläste in unzähligen Fenstern und Balkonen
nach außen. Laut Prof. Croce war der Zugang zu einem Haus u. a.
davon bestimmt, ob das kanalseitige Eingangstor den Händlern mit
ihren Booten das Entladen ermöglichte. Mit der Zeit hätten sich diese
Schleusen,
oder
auch
„Tore
zum
Wasser“
genannt,
zu
repräsentativen Eingangshallen bis hin zu prächtigen Wandelhallen
entwickelt. Die Venezianer selbst nannten ihre Paläste übrigens nicht
Palazzo, sondern Casa, kurz Ca’. Dieses Understatement sollte die
Gleichberechtigung aller Adelsfamilien ausdrücken. Mit Palazzo
wurden nur so wichtige Gebäude wie der Dogen- oder Bischofspalast
bezeichnet.
Vom besonderen Reiz der veneto-byzantinischen Paläste
Seite 2/8
Zu den am besten erhaltenen Beispielen eines Palastes für die
veneto-byzantinische Epoche des 13. Jahrhunderts gehört das Ca’
Corner (oft auch als Palazzo Loredan-Corner bezeichnet), das in den
folgenden Jahrhunderten erweitert und stark verändert wurde.
Dennoch
lässt
sich
der
besondere
Reiz
der
Paläste
der
byzantinischen Periode gut erkennen: Die vielfältigen Bögen, die auf
Säulen aus Marmor mit byzantinischen Kapitellen und Kämpfern
ruhen, in die Pflanzenornamente und Tiermotive eingemeißelt sind.
Über den Bögen sieht man oft kreisrunde Reliefs mit Fabeltieren.
Die wirtschaftliche Hochblüte Venedigs vom 13. bis zum 15.
Jahrhundert fällt mit der Architekturepoche der Gotik zusammen. Sie
beeinflusste die Bauten der Stadt am nachhaltigsten, auch weil sie
dem typisch venezianischen „filigranen“ Bautyp, der nicht zuletzt dem
instabilen Baugrund geschuldet war, entgegenkam. Gotische Paläste
folgen in ihrem Schema dem der byzantinischen. Doch sind die
spitzbogigen Arkaden der Loggien jetzt reich mit Maßwerk verziert,
und es schließt sich an sie links, rechts oder beiderseits eine von
einzelnen Fenstern durchbrochene schmale Mauerfront an. Im Laufe
der Jahre kamen immer wieder andere Bogenformen in Mode: von
arabisierenden Zackenbögen über die von Kreuzblumen bekrönten
Kiel- und Kleeblattbögen bis hin zur venezianischen Sonderform des
spätgotischen Flamboyantstils.
Fenster-umschließende Überfangbögen und private Brücken in
der Frührenaissance
Da die Venezianer große Traditionalisten waren, tat sich die
Renaissance schwer, in der Lagunenstadt Fuß zu fassen. Erst in der
zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts konnte sich die damals schon in
Zentralitalien moderne Baukunst durchsetzen. Dafür entfaltete sie sich
mit besonderem Glanz – wie das in den Jahren 1481 bis 1509
errichtete Ca’ Vendramin Calergi zeigt. An dem eleganten Gebäude,
das aktuell das Casino Municipale di Venezia beherbergt, lassen sich
auch heute noch die Kennzeichen der neuen Gestaltung von
Seite 3/8
Palastfassaden festmachen: Säulen, stark ausgeprägte Gurtgesimse
und Überfangbögen, die jeweils ein kleines Rund- und ein
Zwillingsfenster umschließen. Darüber hinaus ist das Ca’ Vendramin
Calergi landseitig zugängig. Wie Prof. Croce berichtete, begann die
Entwicklung von großen, landseitigen Portalen Mitte des 15.
Jahrhunderts. Und: „Ebenfalls einen angemessenen Zugang zum
Haus stellten private Brücken dar.“ Auch wenn sie nicht immer direkt
zum Eingang des Hauses führten, waren sie Teile von privaten
Erschließungswegen, die von ihren Eigentümern versperrt werden
konnten.
Ihre
späteren
Verstaatlichungen
dienten
dazu,
den
gestiegenen Bevölkerungszahlen und damit dem Bedarf an einer
verbesserten
Infrastruktur
mit
deutlich
kürzeren
Wegen
zu
entsprechen.
Die zweite Phase der venezianischen Renaissance, die klassische
Epoche, begann im 16. Jahrhundert. In ihrer Blütezeit wurden den
Palästen
große
Arkaden
und
Säulen
in
Kolossalordnung
vorgeblendet. Die Häuserfronten wurden schwerer, die Linien
strenger. Im Gegenzug ging die Leichtigkeit verloren. Mit Maskaronen
geschmückte
Rundbögen
und
hohe
rechteckige
Fenster
mit
Segmentgiebeln als Verdachung, kannelierte oder gedoppelte Pilaster
und
schwere
vorkragende
Balkone
bestimmten
nunmehr
die
Fassaden der venezianischen Paläste. Anstatt nur eine Schaufassade
zum Wasser wurde jede Seite gleich stark verziert. Während die
Gebäude vorher eine einheitliche Höhe hatten, überschritten die
neuen Gebäude aus massigem Gestein diese und machten
außerdem ein stabileres Fundament erforderlich.
Hochrenaissance bringt Triumphbögen, doppelte Säulen und
veränderte Fensterkombinationen
Ein Zeugnis für diese Entwicklung ist der ab 1556 errichtete Palazzo
Grimani, dessen Höhe die Bauten in unmittelbarer Nachbarschaft
beinahe erdrückt. Das Erdgeschoss wird dominiert von einem
Triumphbogenschema in der Mitte, ein Trend, der gemäß Prof. Croce
Seite 4/8
speziell bei öffentlichen Palästen festzumachen ist. Der mittlere
Bogen nimmt die gesamte Höhe der Erdgeschossebene ein, die
seitlichen
Teile
dagegen
sind
deutlich
niedriger.
Übereinanderliegende Fenster deuten das Vorhandensein eines
Zwischengeschosses an. Im Mittelteil des Obergeschosses ist das
Triumphbogenmotiv zu einem bis auf den Boden reichenden
Venezianischen Fenster abgewandelt. Die niedrigen seitlichen
Rechteckfenster werden durch separate Oberlichter erhöht. Pilaster
gliedern das Erdgeschoss in der Vertikalen, im Obergeschoss
übernehmen
Säulen
diese
Aufgabe.
Erstmals
ist
an
einer
venezianischen Palastfassade ein scheinbar durchgehender Balkon
zu sehen. Der Palazzo Grimani besteht innen aus drei Teilen, die
Doppelung der Säulen lässt diesen Umstand von außen erkennen.
Zum rückwärtig gelegenen Hof, zu dem auch das Landportal führt,
öffnet sich der Palasteingang mit einem großen Rundbogen.
Vom
Bogen-
und
Einzelfenster
zu
inneren
Hallen
und
Nebenräumen im Barock
„Viele Paläste und öffentliche Gebäude verfügen in der Renaissance
mit landseitigen Portalen über repräsentative Eingänge“, so Prof.
Croce. Diese Tore zu Lande seien oft monumental und in der
Tradition eines Triumphbogens erbaut. Ebenfalls der Repräsentativität
dienten große Innenportale. Allerdings entbehrten sie eines jeglichen
praktischen Nutzens. Mit der klassischen Architektur der Renaissance
und
des
nahenden
Barocks
habe
sich
zudem
das
Wiederholungsprinzip in den Fassaden überlebt. Jetzt werde
zwischen Bogen- und Einzelfenstern unterschieden. Zugleich würden
ihre Anordnung und Ausführung Antworten auf die Räume dahinter
geben: In der Regel führten zentrale Öffnungen zu den inneren
Hallen, Einzelfenster zu den Nebenräumen.
Ein Prinzip, das auch am Ca‘ Rezzonico, einem der schönsten
Museen in Venedig, zu erkennen ist. Im Erdgeschoss des gegen
Ende des 16. Jahrhunderts im venezianischen Barock errichteten
Seite 5/8
Gebäudes befindet sich eine Eingangsvorhalle, flankiert von je zwei
Fenstern. Die sieben gleichberechtigten Fenster des zweiten und
dritten Stockwerks weisen jedes einen vorgesetzten Balkon auf. Das
vierte Stockwerk hat kleine ovale Fenster. Der Palast ist um einen
Arkadenhof mit einem Brunnen gruppiert. Im Inneren erstreckt sich ein
Ballsaal über zwei Stockwerke. Weder der Architekt noch der Bauherr
haben die Vollendung des Bauwerks erlebt. Letztlich wurde es mit
vielen Änderungen gegen Ende des Jahres 1756 von einem neuen
Architekten unter einem neuen Eigentümer fertiggestellt.
Üppiges Fassaden-Schmuckwerk als venezianische Spezialität
Gewöhnlich war die Fassade eines Palastes, so er denn nicht in
Venedig gebaut wurde, glatt und abweisend. Gurtgesimse trennten
die Stockwerke voneinander auf plastische Weise. Pilaster dienten
der vertikalen Betonung. Anders in der Lagunenstadt: „Hier kommen
viele zusätzliche Ornamente hinzu und werden zu Glanzlichtern des
Stils und zum Blickfang“, stellte Prof. Croce abschließend fest. Gut zu
sehen ist das etwa am Ca’ Vendramin Calergi. Steinteppiche,
Skulpturen, Fresken, Gesimse mit und ohne Figuren, Figurennischen,
Ziergiebel, kannelierte und gewirtelte Säulen und vieles mehr
bestimmen das Jahrhunderte alte Schmuckwerk der venezianischen
Bauten. Nicht zuletzt seinetwegen lohnt sich der genaue Blick auf die
Fassaden mit ihren Fenstern und Türen – zum Beispiel bei einer Fahrt
durch die idyllischen Kanäle. Denn Venedig liegt nicht nur auf dem
Meer, sondern ist auch ein einzigartiges Museum unter freiem
Himmel.
Seite 6/8
Bildunterschriften
Ca’ Corner gehört zu den am besten erhaltenen Beispielen eines
Palastes für die veneto-byzantinische Epoche des 13. Jahrhunderts.
Es wurde in den folgenden Jahrhunderten erweitert und stark
verändert. Dennoch lässt sich der besondere Reiz der Paläste der
byzantinischen Periode gut erkennen. Dazu gehören vielfältige
Bögen, die teils auf Säulen aus Marmor mit byzantinischen Kapitellen
und Kämpfern ruhen, in die Pflanzenornamente und Tiermotive
eingemeißelt sind. Über den Bögen sieht man oft kreisrunde Reliefs
mit Fabeltieren.
Ca’_Corner.jpg
Foto: Roto / Croce
Ca’ Vendramin Calergi wurde in den Jahren 1481 bis 1509 errichtet
und beherbergt aktuell das Casino Municipale di Venezia. An dem
eleganten Gebäude aus der Frührenaissance lassen sich auch heute
noch die Kennzeichen der Gestaltung von Palastfassaden in der
Frührenaissance festmachen. Dazu zählen Säulen, stark ausgeprägte
Gurtgesimse sowie Überfangbögen, die jeweils ein kleines Rund- und
ein Zwillingsfenster umschließen.
Ca’_Vendramin_Calergi.jpg
Foto: Roto / Croce
Palazzo Grimani wurde in der Hochzeit der Renaissance errichtet. Ein
Triumphbogenschema in der Mitte dominiert das Erdgeschoss. Der
mittlere Bogen nimmt die gesamte Höhe der Erdgeschossebene ein,
die
seitlichen
Teile
dagegen
sind
deutlich
niedriger.
Übereinanderliegende Fenster deuten das Vorhandensein eines
Zwischengeschosses an. Im Mittelteil des Obergeschosses ist das
Triumphbogenmotiv zu einem bis auf den Boden reichenden
Venezianischen Fenster abgewandelt. Die niedrigen seitlichen
Rechteckfenster werden durch separate Oberlichter erhöht.
Foto: Roto / Croce
Palazzo_Grimani.jpg
Seite 7/8
Ca‘ Rezzonico zählt zu den schönsten Museen in Venedig. Im
Erdgeschoss
des
gegen
Ende
des
16.
Jahrhunderts
im
venezianischen Barock errichteten Gebäudes befindet sich eine
Eingangsvorhalle – von je zwei Fenstern flankiert. Die sieben
gleichberechtigten Fenster des zweiten und dritten Stockwerks weisen
jedes einen vorgesetzten Balkon auf. Das vierte Stockwerk hat kleine
ovale Fenster.
Ca’_Rezzonico.jpg
Foto: Roto / Croce
Prof. Stefano Croce ist mit Venedigs historischer Architektur sehr
vertraut. Nicht zuletzt, weil er am Istituto Universitario di Architettura di
Venezia studierte und dort auch seinen Abschluss mit Schwerpunkt
historische
Architektur
Rekonstruktionsaufträge
im
machte.
Es
Inland
sowie
folgten
diverse
Lehrtätigkeiten
an
renommierten Universitäten im Ausland. Anlässlich des 9. RotoFachpressetages Anfang November brachte der Autor mehrerer
Abhandlungen über Restaurierung den internationalen Journalisten
die venezianischen Paläste inklusive ihrer „Fassaden in einer
stilistischen Vielfalt für die Ewigkeit“ näher.
Foto: Roto / Croce
Stefano_Croce.jpg
Abdruck frei - Beleg erbeten
Herausgeber: Roto Frank AG • Wilhelm-Frank-Platz 1 • 70771 Leinfelden-Echterdingen •
Tel. +49 711 7598 0 • Fax +49 711 7598 253 • [email protected]
Redaktion: Linnigpublic Agentur für Öffentlichkeitsarbeit GmbH • Büro Koblenz • Fritz-vonUnruh-Straße 1 • 56077 Koblenz • Tel. +49 261 303839 0 • Fax +49 261 303839 1 •
[email protected]; Büro Hamburg • Flottbeker Drift 4 • 22607 Hamburg • Tel. +49 40
82278216 • Fax +49 40 82278217 • [email protected]
Seite 8/8
Herunterladen