Im Territorium der Anthropologie

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Mag. Igor Eberhard
Bachelorseminar Theoretische Diskurse
LV 240044
Wintersemester 2011/2012
Manuel Eitzinger
geb. 4. März 1988
Matr.-Nr. 0604591 – A 307
Gruppe 1
Manuel Eitzinger
Im Territorium der Anthropologie
Räumliche Transformationsprozesse
in der globalisierten Kultur- und Sozialanthropologie
Wien, 12. März 2012
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung_____________________________________________________3
1.1 Zur Themenwahl____________________________________________________3
1.2 Zielsetzung und Forschungsfragen______________________________________4
1.3 Forschungsdesign___________________________________________________6
2 Heranführung__________________________________________________7
2.1 Heranführung ans Thema_____________________________________________7
2.2 Begriffsannäherungen________________________________________________9
2.2.1 Deterritorialisierung______________________________________________________9
2.2.2 Territorium und Territorialität______________________________________________12
2.2.3 Isomorphismus von Raum und Kultur_______________________________________14
3 Der Deterritorialisierungsbegriff bei Deleuze und Guattari___________16
4 Der Deterritorialisierungsbegriff in den Theorien der Kultur- und Sozialanthropologie_________________________________________________18
4.1 Arjun Appadurai___________________________________________________18
4.1.1 Das Appadurai’sche Modell der globalen Flüsse_______________________________18
4.1.2 Der Deterritorialisierungsbegriff bei Appadurai________________________________21
4.1.3 Reterritorialisierung globaler Flüsse?________________________________________23
4.2 Akhil Gupta und James Ferguson______________________________________24
4.2.1 Über „Kultur“ hinaus____________________________________________________25
4.2.2 De- und Reterritorialisierung bei Gupta und Ferguson___________________________27
4.3 Weitere Autorinnen und Autoren der Kultur- und Sozialanthropologie_________27
4.3.1 Néstor García Canclini___________________________________________________28
4.3.2 Jonathan Xavier Inda und Renato Rosaldo____________________________________29
4.3.3 Michael Kearney________________________________________________________30
4.3.4 Raúl Prada_____________________________________________________________31
5 Resümee______________________________________________________32
5.1 Zur Begrifflichkeit der Deterritorialisierung______________________________32
5.2 Deterritorialisierung und der Isomorphismus_____________________________35
5.3 Die Faktoren Territorium und Person/Personen___________________________36
5.4 Abschlussbetrachtungen_____________________________________________37
6 Quellenverzeichnis_____________________________________________39
6.1 Bibliographie_____________________________________________________39
6.2 Internetquellen____________________________________________________42
6.3 Bildquellen_______________________________________________________42
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: McDonald’s-Filiale in Marrakesch (Marokko) als Beispiel globalisierter
Trends in der Speisekultur _______________________________________________8
Abbildung 2: Ethnographische Landkarte Guyanas (1973): klare Landesgrenzen, klare
ethnische Grenzen?____________________________________________________14
Abbildung 3: Rhizom von Phragmites australis______________________________17
Abbildung 4: Sikhs demonstrieren in London für ihr imagined homeland__________22
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Formen der Deterritorialisierung nach Kearney______________________31
1
Einleitung
“a global space inhabited by deterritorialized people”1
–
Wanning Sun (2006: 244)
1.1 Zur Themenwahl
Nur wenige Themenfelder schafften es in den letzten Jahren vergleichbar häufig in den Mittelpunkt des kultur- und sozialanthropologischen Interesses wie die Bereiche der Globalisierung und
Inter- bzw. Transkulturalität. Diaspora-Gesellschaften und ihre transnationalen Beziehungen wurden
erst relativ spät von unserer Wissenschaftsrichtung „entdeckt“ und dementsprechend jung und in einer dynamischen Entwicklung sich befindend sind die Theoriengebäude, auf denen in diesen Diskursen tätige Anthropologinnen und Anthropologen aufbauen können.
Meine Entscheidung, diesen Themenkomplex im Rahmen dieser Arbeit zu behandeln, steht
mit Sicherheit in Zusammenhang mit persönlichen Erfahrungen, die ich bei einem einjährigen Auslandsaufenthalt zwischen Februar 2010 und März 2011 machen konnte. Als Zivil-Ersatzdiener in
zwei Sozialeinrichtungen für Kinder in Santiago de Chile und Buenos Aires war ich persönlich mit
der Tatsache konfrontiert, einerseits soziale Beziehungen über mehrere tausend Kilometer Entfernung zu pflegen und andererseits in meiner „neuen Heimat auf Zeit“ – um es mit einer populären,
anthropologisch gesehen aber zumindest umstrittenen Metapher zu sagen – „Wurzeln zu schlagen“.
Darüber hinaus hatte ich in diesem Jahr intensive Kontakte zu Personen in ähnlicher Situation, die etwa ein Auslandssemester oder -praktikum absolvierten, und solchen, die als Migrantin
oder Migrant seit mehreren Jahren in einer der beiden Städte wohnhaft waren. So erhielt ich Ein1
„ein globaler Raum bewohnt von deterritorialisierten Menschen“ (eigene Übersetzung)
–3–
MANUEL EITZINGER
blick in verschiedene Strategien der Pflege transnationaler Kontakte ebenso wie in die Wünsche,
Vorstellungen und Probleme dieser Personen. Zudem war ich zugegebenermaßen überrascht, wie
vielen Binnenmigrantinnen und -migranten ich in diesem Jahr begegnete. Alles in allem wurde mir
in diesem Jahr erstmals wirklich bewusst, wie relativ räumliche Distanzen mittlerweile sein können
und auf welch vielfältige Art sie heute „umgangen“ werden können.
Aufgrund dieser Eindrücke belegte ich nach meiner Rückkehr nach Europa und zum Studium
der Kultur- und Sozialanthropologie im Sommersemester 2010 mehrere Kurse zu den Themen Migration und Transkulturalität. Im Verlauf eines dieser Kurse, als drei Kolleginnen und ich in einer
Gruppenarbeit das Thema Flucht im Kontext der Globalisierung bearbeiteten, beschäftigte ich mich
erstmals intensiver mit dem Begriff der „Deterritorialisierung“. Diesem widmete ich auch das
Essay, mit dem ich diesen Kurs abschloss. Die Erfahrungen aus dem Entstehungsprozess dieses
Essays wiederum brachten mich der Themenwahl für dieses Werk ein gutes Stück näher.
Da ich also glaubte, bereits mit dem Diskurs betraut zu sein, entschied ich mich, auch diese
Arbeit dem Begriff der Deterritorialisierung zu widmen und – auf Basis meiner schon erlangten Erkenntnisse und Eindrücke – eine vertiefte Begriffsanalyse und -kritik zu verfassen. Dabei soll der
Titel dieser Arbeit – Im Territorium der Anthropologie – in keiner Weise andeuten, dass die hier behandelte Thematik eine alleinige emotionale Verbindung zur Anthropologie hätten oder nur mit unserer Zustimmung von anderen Disziplinen zu behandeln seien. Gerade der Begriff der Deterritorialisierung reterritorialisierte sich, ursprünglich der Feder eines Philosophen und eines Psychologen
stammend, in verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen. Der Titel soll einzig auf das spezifische Verständnis von Raum in unserer Disziplin hinweisen, das wohl auf die intensivierten Dynamiken
Rücksicht nimmt als das anderer Fachgebiete.
1.2 Zielsetzung und Forschungsfragen
Kern dieser Arbeit ist also die Analyse des Deterritorialisierungsbegriffes. Meine Wahrnehmung während des Verfassens der bereits erwähnten Seminararbeit war, dass der Begriff oft unzureichend definiert und unreflektiert übernommen wird. Daher ist eins der hauptsächlichen Ziele dieser Arbeit, den Deterritorialisierungsbegriff bei verschiedenen – primär kultur- und sozialanthropologischen – Autorinnen und Autoren näher unter die Lupe zu nehmen und dabei herauszustreichen,
–4–
IM TERRITORIUM DER ANTHROPOLOGIE
welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede festzustellen sind. Bei diesem Vorhaben sind für mich
vor allem die Kategorien Territorium und Person bzw. Personen von Belang.
Gelegentlich wird, wie ich an späterer Stelle darstellen werde, das Konzept der Deterritorialisierung als Gegenstück zu einem „alten Raum-Ort-Kultur-Isomorphismus“ beschrieben. Hierbei ist
in dieser Arbeit das Ziel, die Erkenntnisse der bereits genannten Begriffsanalyse dafür zu nutzen,
einen Vergleich zwischen dem Konzept der Deterritorialisierung und diesen „alten“ Raumkonzepten
zu ziehen. Dieser Vergleich soll darstellen, ob das Deterritorialisierungskonzept tatsächlich als konträr zu früheren Konzepten gelten kann, oder ob es auch wesentliche Gemeinsamkeiten gibt.
Eine Forschungsfrage lautet somit, ob Reste des angesprochenen Isomorphismus auch in den
modernen Deterritorialisierungskonzepten der Kultur- und Sozialanthropologie festgestellt werden
können. Dies bedeutet, dass diese Untersuchung auch auf gedachte Bindungen zwischen Kultur,
dem Menschen als Kulturträger und Raum gerichtet ist, und dabei ist die zentrale Frage, inwiefern
eine solche Bindung als den modernen Deterritorialisierungskonzepten inhärent bezeichnet werden
kann.
Damit im Zusammenhang stehend ist die Frage, woran diese gedachten, möglichen Bindungen festgemacht werden, inwiefern sich diese äußern und in welches Verhältnis Mensch und Raum
dabei gestellt werden. Für den Fall, dass eine derartige Bindung nicht festgestellt werden kann, will
ich darstellen, woran dies erkennbar ist.
Da der Begriff der Deterritorialisierung oft im Umfeld des Transnationalismusbegriffes zu lesen ist, stellt sich für diese Arbeit auch die Frage, welche Rolle dem Nationalstaat in den Deterritorialisierungskonzepten zugesprochen wird. Eine Analyse oder Problematisierung des Transnationalismusbegriffes oder eine Gegenüberstellung mit dem Konzept des Translokalismus ist jedoch weder Teil noch Ziel dieser Arbeit. Auch der mit der Deterritorialisierung verwandte Begriff der Reterritorialisierung ist für diese Arbeit von Relevanz, soll jedoch nicht in ihrem primären Fokus stehen.
Genauso wenig Ziel dieser Arbeit ist es darzulegen, ob die Bezeichnung älterer Raumkonzepte
der Kultur- und Sozialanthropologie als Isomorphismus von Raum und Kultur gerechtfertigt ist. Ziel
der Arbeit ist lediglich zu versuchen, diesen Terminus kurz zu erläutern und die mit ihm in Zusammenhang gebrachten Eigenschaften mit den ihm gegenüber gestellten Konzepten zu vergleichen.
–5–
MANUEL EITZINGER
1.3 Forschungsdesign
Der vorliegende Text stellt primär eine Analyse wissenschaftlicher Literatur zum Forschungsthema dar. Empirisch erhobene Daten sind aufgrund die Zielsetzung dieser Arbeit nicht von Belang.
Die dieser Arbeit zugrunde liegende Literatur stellt in weiten Teilen kultur- und sozialanthropologische Fachliteratur der letzten zwanzig Jahre dar. Innerhalb dieses Bereiches wiederum wird
der Fokus auf diejenigen Texte gelegt sein, auf die in anderen Werken vermehrt Bezug genommen
wird – die also als „besonders einflussreich“ bezeichnet werden dürfen. Meine Analyse wird dabei
in erster Linie auf dieser „Primärliteratur“ beruhen und in einem geringeren Ausmaß auf Schriften
anderer Autorinnen und Autoren über diese Werke zurückgreifen.
Da das Konzept der Deterritorialisierung kein originär kultur- und sozialanthropologischer
Fachterminus ist, ist es auch notwendig, für bestimmte Erkenntnisse Fachliteratur aus anderen Wissenschaftsdisziplinen heranzuziehen. Außerdem werden Fachlexika der Kultur- und Sozialanthropologie für diese Arbeit herangezogen und vereinzelt im Internet abrufbare Texte, die meiner qualitativen Analyse standhalten.
–6–
2
Heranführung
Als Einstieg ins Thema folgt in diesem Teil der Arbeit ein kurzer Überblick darüber, wie sich
die Fragestellung in unsere wissenschaftliche Disziplin einfügt und welche Entwicklung das Fach
bis zur Beschäftigung mit derlei Fragen genommen hat. Im Anschluss werde ich Definitionen für in
dieser Arbeit essenzielle Begriffe vornehmen.
2.1 Heranführung ans Thema
Lange Zeit dominierten peasants, „Stämme“, Heiratsregeln und andere lange als „rein“ und
„stabil“ gedachte Formen den anthropologischen Diskurs, ehe die Vertreterinnen und Vertreter der
Kultur- und Sozialanthropologie schließlich erkannten, dass unter anderem die technischen Errungenschaften des „Westens“ – Fernsehen, schnellerer Personen- und Warentransport und Internet, um
nur einen Bruchteil zu nennen – das Leben auch in abgeschiedenen Regionen der Welt verändert haben. Früher galten Beeinflussungen von außen als Gefahr für die Wissenschaftsdisziplin, würden
doch dass die zentralen Zielgruppen ihrer Forschung „unter ihren eigenen Augen wegsterben“
(“these die away under our very eyes”, Bronislaw Malinowski, zit. nach Eriksen 2001: 294). Eine
andere Betrachtungsweise erkennt, dass durch diese nie stoppenden Prozesse gegenseitiger Beeinflussung laufend neue Fragen auftauchen, die per se um nichts weniger relevant für die kultur- und
sozialanthropologische Forschung sein müssen als die Fragen, denen sich die Meister dieses Faches
schon vor einem Jahrhundert oder mehr gewidmet haben.
Doch gab es auch vor der Etablierung einer Anthropologie der Globalisierung Strömungen,
die sich, wenn auch mit anderen Grundannahmen, mit Fragen beschäftigten, die in den Fragen zur
Deterritorialisierung wieder von Relevanz sind. Als Beispiele hierfür möchte ich den Diffusionismus der deutschsprachigen Völkerkunde anführen.
Ein in der Kultur- und Sozialanthropologie bekanntes Beispiel für eine durch äußere Einflüsse
veränderte Tradition ist die Monographie The Kalela Dance (1956), in welcher Clyde Mitchell beschreibt, wie Arbeitsmigrantinnen und -migranten in ihrem neuen Lebensraum eine neue „tribale“
–7–
MANUEL EITZINGER
Identität entwickelten mit neuen Traditionen, Ritualen etc. (vgl. Eriksen 2001: 247) Mitchell und andere Vertreterinnen und Vertreter der als Manchester School bekannten Strömung der britischen Sozialanthropologie beeinflussten durch ihre Erkenntnisse zu Themen wie Migrationsnetzwerken oder
Transformation ethnischer Identität den anthropologischen Blick auf solche Prozesse nachhaltig.
Diese Prozesse – man möge sie „Kreolisierung“ nennen oder „Hybridisierung“ oder „Transkulturalität“ oder sie als „melting pot“ bezeichnen – stehen im Zeitalter der Globalisierung im Fokus des Interesses der Anthropologie. Unweigerlich entstanden im Laufe der Erforschung dieser
Phänomene neue Begriffe wie zum Beispiel die im vorstehenden Satz genannten, um diese beobachteten Phänomene adäquat zu benennen, und mit den neuen Begriffen neue Theoriengebäude, um
sie analysieren zu können. Einer dieser Begriffe ist der Dreh- und Angelpunkt der hier vorliegenden
Arbeit: Deterritorialisierung. Ursprünglich fachfremd wurde er von Kultur- und Sozialanthropologinnen und -anthropologen übernommen und zum zentralen Konzept hinter einigen der heute dominierenden Theorien in der Anthropologie der Globalisierung.
Abbildung 1: McDonald’s-Filiale in Marrakesch (Marokko) als Beispiel globalisierter Trends in der Speisekultur
So wie das gesamte Themenfeld der Globalisierung sehr unterschiedliche Themenbereiche mit
umfasst, kann auch der Begriff der Deterritorialisierung in sehr verschiedenen Kontexten herangezogen werden, etwa bei anthropologischen Forschungen zu Migration und Tourismus, bei der Organisations- und Betriebsanthropologie bei international agierenden Unternehmen, in der Stadtanthropologie um kulturelle Heterogenitäten zu beschreiben etc. Zudem kann der Begriff in der interkulturellen
Hermeneutik (Imagologie) helfen, Vorstellungen vom Leben an einem Ort zu beschreiben – handelt
–8–
IM TERRITORIUM DER ANTHROPOLOGIE
es sich dabei doch um eine Art deterritorialisierter Idee, die Arjun Appadurai als ideoscape bezeichnet (vgl. Appadurai 1996: 36).
Aufgrund dieser vielseitigen Verwendbarkeit und da zudem mit Appadurai zumindest einer
der Proponenten des Begriffes in der Lehre des Faches immer häufiger Erwähnung findet, ist zu erwarten, dass Thematik und Begriff der Deterritorialisierung noch viele Jahre lang in wissenschaftlicher Literatur zu kultur- und sozialanthropologischen Fragen aufgegriffen werden wird. Es ist daher
angebracht, diesen Begriff nicht bloß unhinterfragt zu übernehmen. Viel mehr ist es unserer Wissenschaftsdisziplin dienlich, sich kritisch mit dem Begriff auseinanderzusetzen, und zu erkennen,
welch breites Spektrum an Bedeutungen ihm gegeben wird, und wie unterschiedlich diese in den
einzelnen Thesen um diesen Begriff gewichtet werden.
Es kann im Rahmen dieser Arbeit unmöglich das gesamte Spektrum an Möglichkeiten, sich
dem Begriff kritisch zu nähern, abgearbeitet werden, doch wäre es generell ratsam, insbesondere
Begriffe, die in einer wissenschaftlichen Disziplin neu und vielleicht in sind, genauer zu betrachten.
2.2 Begriffsannäherungen
In den folgenden Absätzen will ich auf einige für diese Arbeit zentrale Begriffe näher eingehen. Zu diesen Begriffen finden sich in verschiedenen Werken sich voneinander mehr oder weniger
stark unterscheidende Definitionen, die ich zuerst darstellen möchte, um anschließend die für diese
Arbeit gültigen Definitionen auszuführen.
2.2.1
Deterritorialisierung
Der in dieser Arbeit am meisten im Zentrum stehende Begriff – Deterritorialisierung im
Deutschen bzw. deterritorialization im Englischen – ist in vielen wichtigsten allgemeinen Nachschlagwerken der Kultur- und Sozialanthropologie2 noch nicht enthalten: Weder die englischspra2
Angemerkt sei, dass Wikipedia – zwar kein spezifisches Nachschlagwerk der Kultur- und Sozialanthropologie, aber ein im Alltag dominierendes, in vielerlei Hinsicht als deterritorialisiert zu bezeichnendes
Nachschlagwerk für jedermann und jederfrau – unter anderem in ihrer englischsprachigen Ausgabe
einen Eintrag zu Deterritorialization hat, dieser jedoch mit zwei Mängelhinweisen versehen ist und so-
–9–
MANUEL EITZINGER
chigen Enzyklopädien Encyclopedia of Cultural Anthropology (herausgegeben von Melvin Ember
und David Levinson; 1996), Encyclopedia of Anthropology (herausgegeben von H. James Birx;
2006), The Social Science Encyclopedia (herausgegeben von Adam Kuper und Jessica Kuper;
2009), Encyclopedia of Social and Cultural Anthropology (herausgegeben von Alan Barnard und
Jonathan Spencer; 2002), noch das von Walter Hirschberg (1999) herausgegebene deutschsprachige
Wörterbuch der Völkerkunde verzeichnet einen Eintrag zu diesem Begriff, ebenso wenig das italienischsprachige Dizionario di Antropologia: Etnologia, Antropologia culturale, Antropologia sociale von Ugo Fabietti und Francesco Remotti (1997).
Fachlexikalische Betrachtungen zum Terminus Deterritorialisierung scheinen bisher auf
Nachschlagwerke zu Subfeldern der Disziplin beschränkt zu sein. Etwa enthält das Lexikon der
Globalisierung (herausgegeben von Fernand Kreff, Eva-Maria Knoll und Andre Gingrich) einen
Eintrag zur Deterritorialisierung und auch im spanischsprachigen Diccionario de Estudios Culturales Latinoamericanos („Wörterbuch lateinamerikanischer Kulturwissenschaften“) findet sich ein Artikel zur desterritorialización.
Als Einleitung dieser Begriffsannäherung möchte ich Oxford Dictionaries zitieren, das deterritorialization folgendermaßen definiert:
“the severance of social, political, or cultural practices from their native places and populations.”3 (Oxford Dictionaries URL3)
Ich denke, dass diese Definition eher als linguistisch-semantisch zu gelten hat und die übliche
Wortbedeutung zumindest für die Kulturwissenschaften nur unzureichend wiedergibt. Deterritorialisierung beziehe sich nämlich, so das Diccionario de Estudios Culturales Latinoamericanos, nicht nur
auf die Beziehung von „Subjekten“ bei einer Wanderbewegung zu einem Territorium, sondern auch
auf die Idee von Bewegung und Wandel, hinblickend auf Symbole, materielle Güter und Vorstellungen
(vgl. Vilanova 2009: 80f). Auf jeden Fall geht hier die Bedeutung des Begriffs über das reine „Loslösen“ hinaus. In anderen Disziplinen stehe der Begriff, so der Artikel weiter, vor allem für migrationsbezogene Phänomene, und in den lateinamerikanischen Kulturwissenschaften sei das Deterritorialisierungskonzept, dass Ortswechsel und Transformation beim Verlassen oder beim Verlust von Terri-
3
mit eindeutig nicht für wissenschaftliche Zwecke verwertbar ist (vgl. Wikipedia URL5).
„die Loslösung sozialer, politischer oder kultureller Praktiken von ihren ursprünglichen Orten und Populationen“ (eigene Übersetzung)
–10–
IM TERRITORIUM DER ANTHROPOLOGIE
torium vereinige, mit denen von Globalisierung, Mondialisierung, Migration, Fragmentation Dehierarchisierung und mehr verbunden worden (vgl. Vilanova 2009: 81).
Im Lexikon der Globalisierung werden Deterritorialisierungskonzepte als „an die Neubewertung der mit Territorialität verbundenen soziokulturellen Identifikationen“ angeknüpft bezeichnet. Es
werde „[a]ngesichts globaler Austauschprozesse […] der Zusammenhang von Kultur und Gesellschaft
mit einem bestimmten Territorium problematisiert“. Die weltweite Diaspora etwa der Chinesinnen
und Chinesen wird in diesem Text als „deterritorialisierter Nationalstaat“ bezeichnet (Kreff 2011: 43).
Als bemerkenswert betrachte ich den einleitenden Satz des Unterkapitels Defining deterritorialization in Nikos Papastergiadis’ Buch The Turbulence of Migration, in dem der Hauptfokus auf
multiple Zugehörigkeitsgefühle, nicht auf räumliche Dispersion gerichtet ist:
“The deterritorialization of culture refers to the ways in which people now feel they
belong to various communities despite the fact they do not share a common territory
with all the other members. It also refers to the way that a national or even regional
culture can no longer be conceived as reflecting a coherent and distinct identity.” 4
(Papastergiadis 2000: 15)
Da ein Ziel dieser Arbeit ist, den Begriff Deterritorialisierung bei verschiedenen Autorinnen
und Autoren zu analysieren, will ich mich hier nicht allzu sehr einschränken und den Begriff für die
weitere Analyse möglichst umfassend verstehen. Der Fokus meines Verständnisses liegt dabei – im
Sinne des Zwecks dieser Arbeit – auf Praktiken und Konzepte von kultur- und sozialanthropologischen
Interesse, worunter viel mehr als „nur“ Kultur fällt. Zu bemerken ist hierbei, dass der Begriff der Deterritorialisierung keiner Forschungsdisziplin exklusiv zuzurechnen ist, wie Papastergiadis schrieb:
“[C]oncepts like deterritorialization and hybridity do not reside exclusively in any
particular discipline, they have served as ‘bridgeing concepts’.”5 (2000: 5)
4
5
„Die Deterritorialisierung von Kultur bezieht sich auf die Weisen, auf die Menschen jetzt das Gefühl haben zu verschiedenen Gemeinschaften zu gehören, trotz der Tatsache, dass die kein gemeinsames Territorium mit all den anderen Mitgliedern teilen. Sie bezieht sich auch darauf, dass eine nationale oder gar
regionale Kultur nicht länger als eine kohärente und unterscheidbare Identität reflektierend verstanden
werden kann.“ (eigene Übersetzung)
„Konzepte wie Deterritorialisierung und Hybridität sind nicht in irgendeiner spezifischen Disziplin zuhause, sie haben als ‚Überbrückungs-Konzepte‘ gedient.“ (eigene Übersetzung)
–11–
MANUEL EITZINGER
2.2.2
Territorium und Territorialität
Während ich den Begriff Raum, englisch space, in dieser Arbeit in seiner umfassendsten Form und
Ort, englisch place, als beliebigen identifizierbaren Punkt oder Teil im Raum verstehen möchte, bedarf der Begriff Territorium, englisch territory, einer Problematisierung. Einleitend dazu zitiere ich
aus dem Beitrag zu Territorium in Walter Hirschbergs Wörterbuch der Völkerkunde:
„Bestimmte lokal abgrenzbare Bereiche der Umwelt werden von Individuen und
Gruppen als ihnen in besonderer Weise zugehörig empfunden und meist gegen Übergriffe verteidigt. Häufig haben solche Territorien Bedeutung als […] Ressource im
materiellen oder übertragenem Sinne, z. B. das eigene Haus, ein für den Erwerb von
Nahrung genutztes Stück Land, […], Orte für Zusammenkünfte und religiöse Riten.
Menschen haben die Tendenz, eine emotionale Bindung an ihr individuelles Territorium und an das ihrer […] Gruppe zu entwickeln; dabei spielen auch symbolische
Repräsentationen eine Rolle.“ (Schiefenhövel 1999: 370)
H. James Birx’ Encyclopedia of Anthropology verzeichnet einen Eintrag zum Stichwort territoriality („Territorialität“), den ich hier ebenfalls auszugsweise wiedergebe:
“Involves rights to specific locations or bounded areas and the resources and activities within them. Our assumptions about territoriality often are shaped by the contemporary nation-state [… and] private property. […] Cross-cultural and cross-historical
evidence from anthropology shows, however, that the phenomenon of territoriality is
more complex, variable, and changeable. Studies of primate social organization suggest that there are biosocial roots of territoriality. […]”6 (Heyman 2006: 2179f)
Als einzige der von mir konsultierten Fachenzyklopädien beinhaltet das Dizionario di Antropologia: Etnologia, Antropologia culturale, Antropologia sociale sowohl einen Eintrag zum Begriff
6
„Beinhaltet Rechte zu bestimmten Orten oder begrenzten Flächen und den Ressourcen und Aktivitäten
innerhalb dieser. Unsere Annahmen zur Territorialität sind oft vom zeitgenössischen Nationalstaat ge formt [… und vom] Privateigentum. […] Kulturen und Zeiten übergreifende Beweise aus der Anthropologie zeigen jedoch, dass das Phänomen der Territorialität komplexer, variabler und veränderlicher ist.
Untersuchungen zur Sozialorganisation der Primaten erwecken die Vorstellung, dass es biosoziale Wur zeln der Territorialität gibt.“ (eigene Übersetzung)
–12–
IM TERRITORIUM DER ANTHROPOLOGIE
Territorium als auch einem zum damit in Verbindung stehenden, schon genannten Begriff Territorialität (vgl. Fabietti/Remotti 1997: 750f). Zum Begriff territorio wird die Definition des „einflussreichsten Theoretikers der Soziobiologie“ (“most influential theorist of sociobiology”, Eriksen
2001: 105), Edward Osborne Wilson, in italienischer Übersetzung zitiert, und die im Original wie
folgt lautet:
„[T]erritory should be defined as an area occupied more or less exclusively by animals or groups of animals by means of repulsion through overt aggression or advertisement.“7 (Wilson 1975: 261)
Der Soziobiologie nahestehende Autorinnen und Autoren ziehen diesem Lexikoneintrag zufolge dieses Verständnis von Territorium auch für menschliche Phänomene heran. Autorinnen und
Autoren der Kultur- und Sozialanthropologie, die die Annahme ablehnen, der Ursprung von Territorium sei Instinkt und biologisch gegeben, lassen sich, so der Beitrag weiter, zwei verschiedenen Gesichtspunkten zuordnen. Der eine sei, dass Territorium ein Trägermaterial der Existenz der Menschen sei, das ihnen die zum Überleben notwendigen Ressourcen biete, der andere, dass Territorium
ein System der Repräsentation und ein kulturelles Konstrukt sei. Diese beiden Gesichtspunkte stünden dabei jedoch nicht notwendigerweise in einem Widerspruch (vgl. N. N. 1997b: 751).
Den Begriff territorialità wird definiert als „die Neigung von Gruppen von ihnen besetzte Territorien auf mehr oder weniger exklusive und konstante Weise zu bewohnen“ (“la tendenza dei gruppi a
vivere su territori occupati in maniera più o meno esclusiva e constante”, N. N. 1997a: 750). Der Rest
des Beitrags zur territorialità widmet sich wie schon der zum territorio dem Diskurs darüber, ob es
sich um ein biologisch programmiertes oder um kulturelles Phänomen handelt (vgl. N. N. 1997a: 750).
Ich denke, dass es für den Zweck dieser Arbeit dienlicher ist, nicht biologische Instinkte ins
Zentrum des Interesses zu rücken. Viel besser arbeiten lässt sich am Feld der Deterritorialisierung
wohl mit der Annahme einer „emotionalen Bindung“, die an ein individuelles Territorium gerichtet
sein kann, aber auch an das einer Gruppe, wie es Wulf Schiefenvövel formulierte (1999: 370). Dieses Verständnis ist insofern für diese Arbeit hilfreich, als beispielsweise bei Migrationsprozessen
7
„Territorium sollte als ein Bereich definiert werden, der mehr oder weniger ausschließlich von Tieren
oder Gruppen von Tieren durch Mittel der Abstoßung durch offene Aggression oder Werbung besetzt
ist.“ (eigene Übersetzung)
–13–
MANUEL EITZINGER
eine räumliche Trennung vom Gruppenterritorium vorgenommen wird und an einem anderen Ort
ein neues individuelles Territorium eingerichtet werden kann.
Zudem kohäriert die Annahme, Territorium und Territorialität seien kulturelle Phänomene,
besser mit dem Deterritorialisierungsbegriff, der, wie ich oben dargestellt habe, vor allem auf von
Menschen gemachte Phänomene bezogen wird („soziale, politische oder kulturelle Praktiken“) und
nicht auf biologische Gegebenheiten. Aus diesem Grund – und da ich zumindest manche zentrale
Ansichten der Soziobiologie nicht teile – sind die Begriffe Territorium und Territorialität in dieser
Arbeit als auf kulturelle Konstrukte bezugnehmend zu verstehen.
2.2.3
Isomorphismus von Raum und Kultur
Diese Begrifflichkeit ist an einen Text von Akhil Gupta und James Ferguson angelehnt, mit dem
ich mich im weiteren Verlauf der Arbeit noch näher beschäftigen werde. In diesem Text bezeichnen sie
ethnographische Karten, in denen Völkern und Kultur eine gewisse räumliche Verteilung zugeschrieben wird, als „vorausgesetzten Isomorphismus von Raum, Ort und Kultur“ (“assumed isomorphism of
space, place, and culture”, 1997b: 34).
Abbildung 2: Ethnographische Landkarte Guyanas
(1973): klare Landesgrenzen, klare ethnische Grenzen?
–14–
IM TERRITORIUM DER ANTHROPOLOGIE
Jonathan Xavier Inda und Renato Rosaldo verwenden isomorphism als Synonym für die „‚natürliche‘ Verbindung […] zwischen Kultur und Ort“ (“‘natural’ connection […] between culture and
place”, 2008: 14). In den bereits bei den vorstehenden Begriffsannäherungen genannten Fachenzyklopädien findet sich zum Begriff Isomorphismus kein Eintrag, der Duden beschreibt den Begriff
als einen der Chemie und Mathematik (vgl. Duden URL1). Die allgemeine Bedeutung des zugehörigen Adjektivs isomorphic ist laut Oxford Dictionaries „in Form und Beziehungen entsprechend
oder ähnlich“ (“corresponding or similar in form and relations”, Oxford Dictionaries URL4).
Andere Autorinnen und Autoren als Inda und Rosaldo, in deren Werken ich diese Begrifflichkeit wiederfinden konnte, nehmen allesamt Bezug auf die bereits zitierte Textpassage von Gupta
und Ferguson. Ich gehe daher davon aus, dass der Begriff noch nicht als in unserer Wissenschaftsdisziplin etabliert bezeichnet werden soll. Auch von Gupta und Ferguson erfolgt keine Verortung
dieses Begriffes in der Wissenschaft, auch wenn durch den Kontext, in dem der Begriff auftaucht,
klar sein dürfte, dass sie ihn für kulturessentialistische Theoriebildungen einsetzen wollten. Ähnlich
äußern sich Jelena Tošić, Gudrun Kroner und Susanne Binder, die den Begriff außerdem zeitlich in
älteren Theorieströmen verorten:
„Flüchtlinge sprengen sozusagen durch ihre Existenz das in der Kultur- und Sozialanthropologie lange Zeit vorherrschende ‚territoriale‘ Konzept von Kultur, welches
einen ‚Isomorphismus von Raum, Ort und Kultur‘ […] und somit einen Kulturessentialismus impliziert – ‚Kulturen‘ und ihre ‚TrägerInnen‘ (Gruppen und Individuen)
werden hier nämlich eindeutig bestimmten Räumen bzw. Territorien (die aber nicht
notwendigerweise Staaten sein müssen) zugeordnet. Identitäten […] erscheinen in
diesem Verständnis von Kultur als (natur)gegeben, statisch und unveränderbar. […]
Flüchtlinge erscheinen in dieser mittlerweile überholten Denkweise sozusagen als
‚nicht einordenbar‘ oder ‚fehl am Platz‘.“ (Tošić/Kroner/Binder 2009: 114)
Dieser Isomorphismusbegriff stellt somit wohl ein bewusstes „In-einen-Topf-Werfen“ von
mehreren als veraltet geltenden Theorien dar, die gewisse kulturessentialistische Merkmale teilen,
und – so vermute ich – aus Sicht der Urheber und Anwender des Begriffs, nicht der Nennung beispielhafter Autoren oder Werke bedarf. In diesem Sinn will auch ich den Begriff für sich stehen lassen und die postulierte allgemeine isomorphe Struktur von Raum und kulturellen Phänomenen für
Vergleiche heranziehen.
–15–
3
Der
Deterritorialisierungsbegriff
bei
Deleuze
und
Guattari
Der Deterritorialisierungsbegriff, wie wir ihn heute in der Kultur- und Sozialanthropologie
kennen, stellt eine Übernahme eines von Gilles Deleuze und Félix Guattari geprägten Terminus aus
ihren gemeinsamen Werken zu Kapitalismus und Schizophrenie dar.
Gilles Deleuze war ein an den Universitäten Lyon und Paris-Vincennes lehrender französischer Philosoph, der der poststrukturalistischen Strömung zugeordnet wird (vgl. Welchman 1999:
615), Félix Guattari war Psychiater, Psychologe und Psychotherapeut, Mitglied der École freudienne de Paris und gilt als Vertreter der vierten Generation französischer Psychoanalytiker. Ihre gemeinsamen Hauptwerke stellen eine Kritik an Simon Freuds Ideen zum Ödipuskomplex dar (vgl.
Roudinesco/Plon 2004: 383).
Durch diese Werke wurden Deleuze und Guattari auch die Pioniere des Begriffs Deterritorialisierung, den sie zuerst zur Beschreibung von Entfremdung in der Sprache verwendeten (vgl. Papastergiadis 2000: 117). Nuria Vilanova beschreibt den Terminus bei Deleuze und Guattari als Weiterentwicklung der Ideen Karl Marx’ zum Kapitalismus als Maschine des Verzehrs; der Kapitalismus werde als System ständiger Reterritorialisierung dargestellt (vgl. Vilanova 2009: 81). Mark
Seem beschreibt das Deleuze-Guattari’sche Verständnis dieses Terminus als gegen ödipalisierte,
speziell aber gegen individuelle Territorialitäten gerichtet (vgl. Seem 2004: xix):
“Anti-Oedipus seeks to discover the ‘deterritorialized’ flows of desire, the flows that
have not been reduced to the Oedipal codes and the neuroticized territorialities, the
desiring-machines that escape such codes as lines of escape leading elsewhere.”8
(Seem 2004: xix)
8
„Anti-Ödipus versucht ‚deterritorialisierte‘ Flüsse des Begehrens zu entdecken, Flüsse die nicht zu ödipalen Codes reduziert worden sind, und die neurotisierten Territorialitäten, die Wunschmaschinen, die
solchen Codes als anderswo hinführende Fluchtlinien entkommen.“ (eigene Übersetzung)
–16–
IM TERRITORIUM DER ANTHROPOLOGIE
Eine wesentliche Rolle spielt hier auch die translokale Kraft kapitalistischer Abläufe: „Während die kapitalistische Deterritorialisierung sich vom Zentrum zur Peripherie streckt, vollzieht sich
die Decodierung der Ströme an der Peripherie durch ‚Exartikulation‘ […]. [J]edes Fließen des
Stroms ist Deterritorialisierung, jede verschobene Grenze Decodierung. Der Kapitalismus schizophreniert unaufhaltsam an der Peripherie.“ (Deleuze/Guattari 1979: 298) Derartige Prozesse der Decodierung und Deterritorialisierung seien maßgebliche Eigenschaften „zivilisierter moderner Staaten“, die das, „was sie auf der einen Seite deterritorialisieren, […] auf der anderen [reterritorialisieren]. Diese Neo-Territorialitäten sind zumeist artifiziell, residual [und] archaisch […].“ (Deleuze/Guattari 1979: 332)
De- und Reterritorialisierungsprozesse haben hier eine aktive Essenz, wobei die aktive Instanz
„menschlich, beseelt, unbeseelt oder abstrakt“ (“human, animate, inanimate or abstract”) sein kann
(vgl. Fox URL2) und das Territorium ein „System jeglicher Art, konzeptionell, sprachlich, sozial
oder affektiv“ (“system of any kind, conceptional, linguistic, social, or affective”) darstellt. Die Verbindung von De- und Reterritorialisierung beschreiben Deleuze und Guattari als „Vektor“ (vgl. Patton 2010: 52).
Eine andere Metapher für translokale Nexus ist im Werk Deleuzes und Guattaris der Begriff
Rhizom. Ursprünglich in der Botanik für ein in Bodennähe wachsendes Sprossachsensystem stehend, ist Rhizom im Werk der beiden Franzosen „ein Modell polyvoker Verkettungen, […] es ist
eine Karte, die nichts reproduziert, sondern nur konstruiert“ (Pabst 2004: 244), und dies aber unaufhörlich (vgl. Deleuze/Guattari 2004: 8). Diese Karte „ist offen, sie kann in all ihren Dimensionen
verbunden, demonstriert und umgekehrt werden, sie ist ständig modifizierbar“ (Deleuze/Guattari,
zit. nach Pabst 2004: 244).
Abbildung 3: Rhizom von Phragmites australis
–17–
4
Der Deterritorialisierungsbegriff in den Theorien der
Kultur- und Sozialanthropologie
Nachdem ich im vorstehenden Kapitel die Ursprünge des behandelten Begriffes erläutert
habe, werde ich mich im nun folgenden Teil dieser Arbeit zwei zentralen Texten der Anthropologie
der Globalisierung widmen und dabei dem Begriff und Konzept der dem Deterritorialisierung mein
besonderes Interesse zukommen lassen. Bei einem dieser beiden Texte handelt es sich um Beyond
“Culture” von Akhil Gupta und James Ferguson (1997b), beim anderen um Teile aus Arjun Appadurais Modernity at Large (Kapitel Disjuncture and Difference in the Global Economy und Global
Ethnoscapes: Notes and Queries for a Transnational Anthropology, 1998: 27-47 und 48-65). Im Anschluss daran werde ich noch als Ergänzung die Thesen einiger anderer Autoren kurz darstellen.
4.1 Arjun Appadurai
Arjun Appadurais familiäre „Wurzeln“ liegen – wie auch die des in der Folge behandelten Akhil Gupta – in Indien (Mumbai). Appadurai wurde an verschiedenen Universitäten in den Vereinigten Staaten zum Anthropologen ausgebildet und hatte im Laufe seiner akademischen Laufbahn bereits Lehrstühle an den Universitäten von Chicago, Yale und Pennsylvania inne; derzeit lehrt er an
der New York University. Appadurais persönlicher, transnationaler Hintergrund ist unter anderem in
Form von Anekdoten und Beispielen in seine wissenschaftlichen Texte eingearbeitet.
4.1.1
Das Appadurai’sche Modell der globalen Flüsse
Aufgrund der zahlreichen Autorinnen und Autoren, die in ihren theoretischen Werken und
Fallstudien das Appadurai’sche Modell der global cultural flows in verschiedener Weise zitierten
oder zur Analyse heranzogen, darf dieses Konzept wohl als eines der bedeutendsten der Anthropologie der Globalisierung bezeichnet werden. Appadurai verschriftlichte seine Ansichten und Erkennt-
–18–
IM TERRITORIUM DER ANTHROPOLOGIE
nisse zur Globalisierung von Kultur zwischen 1990 und 1995 in Form mehrerer Beiträge für diverse
Sammelbände und Zeitschriften (Appadurai 1998: iv), die heute in gesammelter Form und um ein
Vorwort ergänzt in Form des Buches Modernity at Large: Cultural Dimensions of Globalization
(1998) vorliegen.
Appadurai betont, dass sich auch schon vor Jahrhunderten kulturelle Transaktionen ereigneten
– diese waren jedoch, bedingt durch die Faktoren Zeit, Distanz und limitierter Technologie, mit hohem Aufwand verbunden. Appadurai betont weiter, dass auch abseits der „westlichen“ Einflusszonen
Staatsgebilde entstanden (etwa die der Maya und Mongolen) und dass in diesen ebenso wie auch infolge der europäischen Expansion ab 1500 „ein überlappender Satz von Ökumenen […], in dem das
Ansammeln etwa von Geld, Handel, Eroberung und Migration begann, dauerhafte gesellschaftsüberschreitende Bindungen zu schaffen“ (“an overlapping set of ecumenes […], in which congeries
like money, commerce, conquest, and migration began to create durable cross-societal bonds”, Appadurai 1998: 28) aufkommen konnte. Jedoch wurde dieser Prozess schließlich, im späten 18. und
19. Jahrhundert, durch technologische Fortschritte und Transfers beschleunigt und führte zur Entstehung von Kolonialkomplexen, in deren Zentrum die europäischen Hauptstädte standen. Eine neue
Form dieses Prozesses sei durch die „technologische Explosion“ des vergangenen Jahrhunderts eingeleitet worden. Bezugnehmend auf Joshua Meyrowitz und Deleuze und Guattari schreibt Appadurai, die modernen Medien würden Gesellschaften „ohne Verständnis von Örtlichkeit“ (“with ‘no
sense of place’”, 1998: 29) schaffen, die moderne Welt rhizomisch und schizophren wirken und zu
Vorstellungen von Wurzellosigkeit und Verfremdung einladen (vgl. Appadurai 1998: 28f).
Ein wichtiger Punkt in Appadurais Verständnis globalisierender Prozesse ist die Macht der
Phantasie. Für Appadurai ist die Imagination heute ein „organisiertes Feld sozialer Praktiken“, die
Vereinigten Staaten sieht er „nicht mehr“ (“no longer”) als “Puppenspieler“ (“puppeteer”) eines
Weltsystems der Bilder, sondern als einen Knotenpunkt einer „komplexen transnationalen Konstruktion imaginärer Landschaften“ (“complex transnational construction of imaginary landscapes”,
1998: 31).
In diesem Komplex globaler Prozesse sind, so Appadurai, auch die „komplexesten und flexibelsten Theorien globaler Entwicklung […] unangemessen skurril“ (“Even the most complex and
flexible theories of global development […] are inadequately quirky”, 1998: 32f), die disjunkte
Ordnung der globalen kulturellen Ökonomie könne mit Zentrum-Peripherie-Modellen nicht mehr
verständlich gemacht werden (1998: 32). In diesem Zusammenhang plädiert Appadurai dafür, als
–19–
MANUEL EITZINGER
Rahmen zur Erforschung solch vielschichtiger Beziehungen fünf „Dimensionen globaler Kulturflüsse“ (“dimensions of global cultural flows”, 1998: 33) zu betrachten:
“[These flows] can be termed (a) ethnoscapes, (b) mediascapes, (c) technoscapes,
(d) financescapes, and (e) ideoscapes. The suffix -scape allows us to point to fluid,
irregular shapes of these landscapes, shapes that characterize international capital as
deeply as they do international clothing styles. These terms with the common suffix
-scape also indicate that these are not objectively given reasons that look the same
from every angle of vision but, rather, that they are deeply perspectival constructs,
inflected by the historical, linguistic, and political situatedness of different sorts of
actors […]”9 (Appadurai 1998: 33)
Welche Prozesse genau Appadurai mit diesen fünf Neologismen zu beschreiben versucht und
wie er sie ihnen zuordnet, ist im Detail für die Zwecke dieser Arbeit nicht von Belang. Um dies kurz
zusammenzufassen, sei bemerkt, dass Appadurai damit sich überlappende „Landschaften“ aus Identitäten, Medien, Technologien, der Finanzwelt und von Ideen und Vorstellungen versteht und damit
etwa auch Währungspolitik als für den anthropologischen Diskurs um Globalisierungsprozesse von
Bedeutung festschreibt. Die in diesen Begriffen subsumierten Transaktions- und Transformationsprozesse kennzeichnen sich durch die Schwierigkeit, sie vorherzusagen, und durch enorme Diversität und „nicht einheitlich geformte [Entwicklungs-]Wege“ (“nonisomorphic paths”, Appadurai
1998: 37), in denen Menschen – Arbeiterinnen und Arbeiter, Politikerinnen und Politiker, Kinobesucherinnen und Kinobesucher, etc. – rational handelnde Akteurinnen und Akteure ebenso sind wie
teils durch Vorgaben der Politik, der Finanzwelt, des Jobmarktes gelenkt (vgl. Appadurai 1998: 3343, 48-50).
9
„[Diese Flüsse] können als (a) Ethnoscapes, (b) Mediascapes, (c) Technoscapes, (d) Financescapes und
(e) Ideoscapes bezeichnet werden. Der [englische] Suffix -scape erlaubt uns auf die fließenden, unregelmäßigen Konturen dieser Landschaften [englisch landscape] hinzudeuten, Konturen, die das internationale Kapital so tief charakterisieren wie internationale Kleidungsstile. Diese Begriffe mit dem gemeinsamen Suffix -scape lassen auch erkennen, dass diese nicht objektiv vorgegebene Begründungen sind,
die von jedem Betrachtungswinkel aus gleich aussehen, sondern viel mehr, dass sie tief perspektivische
Konstrukte sind, gebeugt durch die historische, linguistische und politische Verortung verschiedener Arten von [Akteurinnen und] Akteuren […]“ (eigene Übersetzung)
–20–
IM TERRITORIUM DER ANTHROPOLOGIE
4.1.2
Der Deterritorialisierungsbegriff bei Appadurai
In seinen Ausführungen zu seinem Konzept der global cultural flows verwendet auch Appadurai den Begriff deterritorialization:
“Deterritorialization, in general, is one of the central forces of the modern world because it brings laboring populations into the lower-class sectors and spaces of relatively wealthy societies, while sometimes creating exaggerated and intensified senses
or attachment to politics in the home state. Deterritorialization […] is now at the core
of a variety of global fundamentalisms […]. At the same time, deterritorialization
creates new markets for film companies, art impresarios, and travel agencies, which
thrive on the need of these deterritorialized population for contact with its homeland.”10 (Appadurai 1998: 37f)
Appadurais Verständnis des Phänomens Deterritorialisierung scheint somit gleichermaßen allumfassend zu sein wie sein Konzept globaler Kulturflüsse. Politik, wie auch Geschäftsleben oder Identitäten, sind mittlerweile nicht mehr auf ihren „Heimatort“ beschränkt – durch die Bewegungen der sie
betreffenden Menschen erlangt zum Beispiel Politik eine translokale Relevanz und in dessen Folge eine
translokale Form. Die dadurch transformierten Vorstellungen des „Heimatortes“ bezeichnet Appadurai
als „erfundene Heimatländer“ (“invented homelands”, 1998: 38), welche die mediascapes deterritorialisierter Gruppen darstellen und Material zur Bildung neuer ideoscapes bieten, die wiederum ethnische
Konflikte zum Ausbruch bringen können. So sei Khalistan11, ein invented homeland der in England,
Kanada und den Vereinigten Staaten lebenden Sikhs, ein Beispiel für die Interferenz deterritorialisierter
Identität mit internen Kolonialismen und dem Nationalstaat (vgl. Appadurai 1998: 38). Jedoch sei nicht
jede Form von Deterritorialisierung von globaler Reichweite (vgl. Appadurai 1998: 61).
10 „Generell ist Deterritorialisierung eine der zentralen Kräfte der modernen Welt, da sie Arbeiterpopula tionen in die Sektoren der Unterklasse und die Räume der relativ wohlhabenden Gesellschaften bringt,
während sie manchmal übertriebene und intensivierte Einsichten oder eine Beilage zur Politik des Hei matstaates schafft. Deterritorialisierung ist nun der Kern der Bandbreite globaler Fundamentalismen
[…]. Gleichzeitig schafft Deterritorialisierung neue Märkte für die Filmindustrie, Kunstimpresarios und
Reiseagenturen, die durch das Bedürfnis dieser deterritorialisierten Populationen nach Kontakt mit ihrem Heimatland gedeihen.“ (eigene Übersetzung)
11 Bezeichnung für einen vorgeschlagenen unabhängigen Staat der Sikhs im Punjab, der insbesondere in
der Diaspora der Sikhs Anhängerinnen und Anhänger finden konnte
–21–
MANUEL EITZINGER
Abbildung 4: Sikhs demonstrieren in London für ihr imagined homeland
Deterritorialisierung führt hier eine Heterogenisierung (zum Beispiel bei den Lebensräumen
und -formen einer ethnischen Gruppe in Diaspora) ebenso herbei wie eine Homogenisierung (zum
Beispiel beim Kriegsgerät). Solche Homogenisierungsprozesse sieht Appadurai als Resultat globalisierter Werbetechniken, die Vorstellungen eines erstrebenswerten anderen Seins transportieren. Diesen „gedachten Leben“ (“imagined lives” in Anlehnung an Benedict Andersons imagined communities, Appadurai 1998: 54) – die Appadurai als nötiges Fundament jeder Ethnographie versteht,
die in der Welt der Transnationalismen und Deterritorialisierung ihre Berechtigung haben will –
kann nur durch einen „bizarren staatlich gesponserten Realismus“ (“bizarre state-sponsored
realism”, Appadurai 1998: 55) wie in Nordkorea vorgebeugt werden (vgl. Appadurai 1998: 42, 5355).
Auffallend in Appadurais Ausführungen ist die mehrfache Verwendung der beiden Wörtchen
„nicht länger“ (“no longer”), so seien die Landschaften der Gruppenidentität „nicht länger eng territorialisiert, räumlich gebunden, geschichtlich unbefangen oder kulturell homogen“ (“no longer
tightly territorialized, spatially bounded, historically unselfconscious, or culturally homogeneous”,
Appadurai 1998: 48). Die Frage, ob sie dies je waren, ist wohl berechtigt, bekennt sich Appadurai
doch selbst, wie ich schon dargestellt habe, dazu, dass es zumindest schon jahrhundertelang transkulturelle Austausch- und Beeinflussungsprozesse gegeben hat. Insofern scheint die Wortwahl bei
der Beschreibung moderner Szenarien nicht sonderlich präzise. Die Intensivierung dieser Prozesse
in den letzten Jahrhunderten bzw. Jahrzehnten tut dem keinen Abbruch, bleibt doch immer die Frage
–22–
IM TERRITORIUM DER ANTHROPOLOGIE
offen, ab welchem Punkt ein Territorialbezug als „nicht mehr eng“ gelten kann. Dass von Globalisierungsprozessen beeinflusste Territorialbezüge mit der Zeit immer mehr von ihrer „Enge“ einbüßen, will ich damit aber nicht in Abrede stellen.
4.1.3
Reterritorialisierung globaler Flüsse?
Anders als sowohl Deleuze und Guattari als auch Gupta und Ferguson verwendet Appadurai
den Begriff Reterritorialisierung als Pendant zu Deterritorialisierungsprozessen in seinen zentralen
Schriften nicht. In einem von Vikki Bell (1999) geführten Interview äußert er aber doch zu seinem
Verständnis dieses zweiten Terminus, weswegen ich in diesem Abschnitt auch das Verhältis dieser
beiden Begriffe im Verständnis von Appadurai eingehen möchte.
Bell spricht Appadurai hier auf seine Darstellung der „Implosion“ von Städten wie Belfast
oder Mogadischu an und merkt an, dass Globalisierung dazu neigt, als Bewegung „raus“ verstanden
zu werden (“Globalization tends to be seen as a kind of movement ‘out’”, Bell 1999: 32). Auf die
Frage, ob Appadurai in dieser Darstellung auf das Implosionspotential der Reterritorialisierung hinweisen will (vgl. Bell 1999: 32f), antwortet dieser:
“Absolutely. In some of my early work, drawing partly unconsciously on Deleuze, I
used the ‘d’ word – deterritorialization – like other people did, and was of course instantly reminded that there's not only de- but reterritorialization, and I thought, yes,
that’s quite right. Indian, or South Asian, populations in the US reterritorialize, but
they are also involved in the politics of India, so they are reterritorializing in more
than one place. It’s really very important – refugees move, but then they can be in
camps for 20 years – that's reterritorialization! Not the best kind but …” 12 (Arjun Appadurai, zit. nach Bell 1999: 33)
12 „Absolut. In manchen meiner frühen Werke, zum Teil unbewusst auf Deleuze zurückgreifend, verwendete ich das ‚D‘-Wort – Deterritorialisierung – wie es andere Leute taten, und war natürlich sofort daran
erinnert, dass es nicht nur De- sondern auch Reterritorialisierung gibt, und ich dachte, ja, das ist ziemlich richtig. Indische, oder südasiatische, Populationen in den USA reterritorialisieren [sich], aber sie
sind auch in die Politik Indiens involviert, sie reterritorialisieren [sich] also an mehr als an einem Ort. Es
ist wirklich sehr wichtig – Flüchtlinge bewegen sich, aber sie können 20 Jahre lang in Lagern sein – das
ist Reterritorialisierung! Nicht die beste Art, aber …“ (eigene Übersetzung)
–23–
MANUEL EITZINGER
Eine von einem gegeben Ort ausgehende Deterritorialisierung muss diesem Verständnis zufolge also nicht notwendigerweise eine Reterritorialisierung zur Folge haben, die gleichermaßen an einem gegebenen Ort abläuft. Betrachtet man De- und Reterritorialisierung hier gemeinsam, lässt sich
das Geschehene nicht ein einen Vektor, in einen von A nach B zeigenden Pfeil abstrahieren. Vielmehr trägt auch die vielfältige Reterritorialisierung dazu bei, dass über mehrere Orte sich erstreckende scapes mit heterogener Struktur entstehen, die auch Auswirkungen auf den Ursprungsort
dieses Prozesses der Translokalisierung haben.
4.2 Akhil Gupta und James Ferguson
Akhil Gupta und James Ferguson sind zwei in den USA lehrende Anthropologen, die in der
Beschäftigung mit Räumen in der globalisierten Welt einen gemeinsamen Arbeitsschwerpunkt haben. Gupta ist derzeit an der UCLA beschäftigt, Ferguson in Stanford. Regionalschwerpunkte der
beiden Anthropologen sind auf Guptas Seite Indien und der südasiatische Raum, bei Ferguson das
südliche Afrika.
Guptas und Fergusons renommierter Text Beyond “Culture” erschien erstmals 1992 in der
Zeitschrift Cultural Anthropology und wurde ähnlich wie Appadurais Schriften zu seinen Thesen in
verschiedenen Sammelbänden und Readern neu abgedruckt, so auch im 1997 von ihnen herausgegebenen Sammelband Culture, Power, Place.
Im Vorwort dieses Buches schreiben die beiden Anthropologen, das Konzept Kultur sei der
Bindfaden gewesen, der im 20. Jahrhundert alle Erscheinungsformen der amerikanischen Kulturanthropologie miteinander verbunden habe. Es sei Franz Boas’ Verdienst gewesen, Kultur von biologischen Gegebenheiten zu lösen. Ähnlich zentral sei die Idee von Kulturen als separaten, markanten
Gebilden gewesen – heute jedoch sei es zunehmend schwierig mit diesen Konzepten anthropologische Forschung zu betreiben, „Ethnographie ohne das Ethnos“ (“ethnography without the ethnos”,
Gupta/Ferguson 1997a: 2) sei mittlerweile von vielen Seiten als notwendig anerkannt (vgl. Gupta/
Ferguson 1997a: 1f).
Anthropologinnen und Anthropologen haben, so Gupta und Ferguson weiter, schon lange größere Einheiten als das „Lokale“ erforscht, was zu einem verbesserten Verständnis spezieller Regio-
–24–
IM TERRITORIUM DER ANTHROPOLOGIE
nen oder „Völker“ (“peoples”) geführt habe. Bei Untersuchungen zum Verhältnis von Lokalem zu
Regionalem, Nationalem, Internationalem und Globalem sei aber oft der Fehler gemacht worden,
Lokales als gegeben vorauszusetzen, ohne zu hinterfragen, wie diese Kategorie konstruiert sei (vgl.
Gupta/Ferguson 1997: 6).
4.2.1
Über „Kultur“ hinaus
“For a subject whose central rite of passage is fieldwork, whose romance has rested
on its exploration of the remote […], whose critical function is seen to lie in its juxtaposition of radically different ways of being […] with that of the anthropologist’s
own, usually Western culture, there has been surprisingly little self-consciousness
about the issue of space in anthropological theory.”13 (Gupta/Ferguson 1997b: 33)
Mit diesen Worten leiten Gupta und Ferguson den Artikel Beyond “Culture” ein. Viele Vorstellungen von Gesellschaften, Nationen und Kulturen seien von der Weltkarte und ihren Staatsgrenzen geprägt. Die Namen der verschiedenen Staaten werden wie selbstverständlich als Bezeichnung der dortigen Gesellschaft und Kultur wiederverwendet – Kontaktsituationen beruhen diesem
Verständnis zufolge auf einer Prämisse von Diskontinuität. Doch würden auch transnationale Räume das Bild einheitlicher Kulturräume transportieren, wie die Vorstellung eines „Nuerland“ oder anderer ethnographischer Landkarten (siehe hierzu auch Kapitel Isomorphismus von Raum und Kultur
ab Seite 14); andererseits wiederum besage das Kartieren von Kulturen (“mapping of cultures”)
eine innere Homogenität oder eine Multikulturalität mit einer dominanten Kultur und Subkulturen
minderer räumlicher Relevanz (vgl. Gupta/Ferguson 1997b: 33-35).
Eine weitere Problematik, die Gupta und Ferguson hier benennen, ist die des Postkolonialismus: Wie sind die hybriden Kulturformen zu werten? Sind sie „neue Kulturen“, welchen Räumen
wären sie zuzuschreiben? Als vierten Kritikpunkt zu dieser isomorphen Auffassung nennen Gupta
und Ferguson die Frage, wie sozialer Wandel und kulturelle Transformation in miteinander verbun13 „Für ein Fach, dessen zentraler Übergangsritus Feldforschung ist, dessen Romantik in der Erforschung
des weitab Gelegenen ruhte, dessen ausschlaggebende Funktion in der Gegenüberstellung grundverschiedener Daseinsformen mit der [der Anthropologin oder] des Anthropologen, gewöhnlicherweise die
westliche Kultur, gesehen wird, war überraschend wenig Selbstbewusstsein zum Thema des Raums in
der anthropologischen Theorie vorhanden.“ (eigene Übersetzung)
–25–
MANUEL EITZINGER
denen Räumen so zu verstehen seien. Dieses Modell erkläre nicht, wie aus miteinander verbundenen Räumen eine Gemeinschaft entstehen konnte und wie diese zu ihrer Identität gekommen sei
(vgl. Gupta/Ferguson 1997b: 35f).
Wie auch Appadurai betonen Gupta und Ferguson, dass Menschen „zweifellos“ immer mobiler und Identitäten weniger fixiert gewesen seien, als die typologisierenden Annäherungen der klassischen Anthropologie dies nahegelegt hätten, und dass Beschleunigung der Mobilität diese Volatilität weiterhin stützt. Identitäten würden, wenn nicht deterritorialisiert, so zumindest auf verschiedene
Weisen territorialisiert (vgl. Gupta/Ferguson 1997b: 37).
Der Beitrag widmet sich in der Folge verschiedenen Beispielen, die verdeutlichen sollen, wie
sehr territorialbezogene, essentialistische Kulturbegriffe heute zu relativieren sind. Gupta und Ferguson stimmen diesbezüglich mit Liisa Malkki überein, dass es zwei Naturalismen gebe, die in Frage zu stellen seien:
“The first is what we will call the ethnological habit of taking the association of a
culturally unitary group […] and ‘its’ territory as natural […]. A second and closely
related naturalism is what we will call the national habit of taking the association of
citizens of states and their territories as natural. […] Both the ethnological and the
national naturalisms present associations of people and place as solid, commonsensical, and agreed on, when they are in fact contested, uncertain, and in flux.” 14
(Gupta/Ferguson 1997b: 40)
Die Veränderung, zu der Gupta und Ferguson dabei aufrufen möchten, besteht darin, kulturelle Unterschiede nicht als Korrelat von Völkern mit verschiedenen Geschichten zu sehen sondern als
Produkt gemeinsam durchlaufener historischer Prozesse, das die Welt gleichermaßen differenziere,
wie sie sie verbinde (vgl. Gupta/Ferguson 1997b: 46).
14 „Der erste ist, was wir als ethnologische Angewohnheit, die Zuordnung einer kulturell einheitlichen
Gruppe […] und ‚ihres‘ Territoriums als natürlich anzunehmen, bezeichnen werden […]. Ein zweiter
und eng verbundener Naturalismus ist, was wir als nationale Angewohnheit, die Zuordnung von Staatsbürgern und ihren Territorien als natürlich anzunehmen, bezeichnen werden. […] Sowohl der ethnologische, als auch der nationale Naturalismus zeigen Zuordnungen von Menschen und einem Ort als solide,
vernünftig und abgemacht, obgleich sie tatsächlich umstritten, ungewiss und im Fluss sind.“ (eigene
Übersetzung)
–26–
IM TERRITORIUM DER ANTHROPOLOGIE
4.2.2
De- und Reterritorialisierung bei Gupta und Ferguson
Gupta und Ferguson verwenden in Beyond “Culture” an mehreren Stellen die Termini Deterritorialisierung und Reterritorialisierung, sowie von diesen Begriffen abgeleitete Wörter, gehen jedoch bis kurz vor Ende des Textes nicht näher auf sie ein. Im letzten Absatz äußern sie sich dann
auf folgende Weise:
“We have argued that deterritorialization has destabilized the fixity of ‘ourselves’ and
‘others.’ But it has not thereby created subjects who are free-floating monads […].
Instead of stopping with the notion of deterritorialization, […] we need to theorize
how space is being reterritorialized in the contemporary world.” 15 (Gupta/Ferguson
1997b: 50)
Gupta und Ferguson gestehen dem Prozess der Reterritorialisierung somit einen viel prominenteren Platz zu, als es im Werk Appadurais der Fall ist. Mehr noch sei für unser Fach gerade die
Frage nach Reterritorialisierungsprozessen verstärkt zu stellen: Genannt wird dabei die Frage nach
dem Wie. Anhand der zuvor erläuterten theoretischen Überlegungen und Beispiele darf auch für
Gupta und Ferguson davon ausgegangen werden, dass sie nicht von einer simplen linearen Reterritorialisierung von A nach B ausgehen, sondern dass die angeführte Frage nach dem Wie impliziert,
dass auch für sie der Terminus der Reterritorialisierung ein breites Spektrum an Abläufen umfasst.
4.3 Weitere Autorinnen und Autoren der Kultur- und Sozialanthropologie
Der Grund dafür, dass ich dem gesamten „Rest“ der kultur- und sozialanthropologischen Autorinnen und Autoren nur diesen Appendix widme, ist nicht, dass ich deren Werke weniger schätze
oder für weniger relevant für die in diesem Text behandelten Fragen erachte. Ich habe mich entschlossen, um diese Arbeit nicht ausufern zu lassen, mich auf Anthropologinnen und Anthropologen
15 „Wir haben vorgebracht, dass Deterritorialisierung die Beständigkeit von ‚uns selbst‘ und ‚anderen‘ destabilisiert hat. Aber sie hat dadurch nicht Subjekte erschaffen, die frei umherschwebende Monaden sind
[…]. Statt die Vorstellung von Deterritorialisierung zu stoppen, […] müssen wir theoretisieren, wie
Raum in der zeitgenössischen Welt reterritorialisiert wird.“ (eigene Übersetzung)
–27–
MANUEL EITZINGER
zu beschränken, die in ihren Arbeiten zu Fragen der Globalisierung mit dem Terminus Deterritorialisierung arbeiten.
Andere Autorinnen und Autoren benutzen in ihren Konzepten andere Vokabeln, etwa Gerd
Baumann „Verflechtungen“, innerhalb derer unter anderem ein „demotischer“ und ein „dominanter
Diskurs“ unterschieden werden müssen (vgl. Baumann 2002: 111-114). Auch auf Ulf Hannerz’
Schriften über Kosmopolitismus und Entwurzelung möchte ich hier hinweisen, zu meiner Analyse
heranziehen werde ich sie aber aus genanntem Grunde nicht. Wäre es Ziel dieser Arbeit, ließe sich
wohl ohne allzu große Mühe zeigen, dass das, was der Begriff Deterritorialisierung ausdrückt, auch
in solchen Texten der Anthropologie der Globalisierung beschrieben wird, die den Begriff gewollt
oder ungewollt vermeiden.
Andere Autorinnen und Autoren greifen auf den Ausdruck Deterritorialisierung sehr wohl zurück, scheinen die kultur- und sozialanthropologische Debatte zu diesem Thema aber zumindest bisher nicht auf die Weise beeinflusst zu haben wie Gupta, Ferguson oder Appadurai, auf die meist Bezug genommen wird. Ich werde nun noch auf den Deterritorialisierungsbegriff bei einigen ausgewählten dieser Autorinnen und Autoren eingehen und im Anschluss zum Resümee übergehen.
4.3.1
Néstor García Canclini
Néstor García Canclini, argentinischer Anthropologe und Philosoph, der bereits an Universitäten in den Vereinigten Staaten, Spanien, Argentinien und Brasilien engagiert war, wird in mehreren
spanischsprachigen Werken das Verdienst zugeschrieben, die Deterritorialisierung von Kultur in die
Wissenschaftsdebatte der Anthropologie eingeführt zu haben (vgl. z. B. Díaz de Rada 2004: 84).
In seinem Werk zu Hybriden Kulturen beschäftigt sich García Canclini mit der Wirtschaftsmigration in Lateinamerika und beschreibt dieses Phänomen anhand der beiden für ihn untrennbar
miteinander verbundenen Prozesse der Deterritorialisierung und Reterritorialisierung. Diese hätten
die binären Kategorien der Analyse Lateinamerikas eines großen Teils des 20. Jahrhunderts komplett verändert: Das Nationale sei nicht mehr als das dem Internationalen Gegenteilige identifizierbar, weswegen ein neues Konzept, er verwendet den Terminus Transnationalisierung, vonnöten sei
(vgl. Vilanova 2009: 81f).
–28–
IM TERRITORIUM DER ANTHROPOLOGIE
Ángel Díaz de Rada zufolge basiert García Canclinis Konzept der Deterritorialisierung auf
der Unterscheidung zweier Kulturbegriffe. Erstens sei Kultur als Objekt zu betrachten, als eine Gesamtheit von Personen und von ihnen hergestellter Artefakte und Bedeutungen, was dem kulturanthropologischen Verständnis von ethnos entspreche. Zweitens aber sei Kultur als begriffliches Instrument der Sozialwissenschaften zu sehen, um Dynamiken der Hybridisierung zwischen ihren
„sozialen Subjekten“ (“sujetos sociales”) zu beleuchten (vgl. Díaz de Rada 2004: 84).
“O sea, que la utilidad del concepto de [García] Canclini no radica en la negación de
toda forma de territorialización cultural, sino en la afirmación que la
territorialización nacional o étnica de la sociología y la antropología resulta a todas
luces insuficiente para dar cuenta de los procesos culturales de nuestra modernidad
tardía.”16 (Díaz de Rada 2004: 84)
4.3.2
Jonathan Xavier Inda und Renato Rosaldo
In einem von ihnen herausgegebenen Reader sprechen Jonathan Xavier Inda – ausgebildet in Berkeley und lehrtätig in Illinois – und Renato Rosaldo – emeritierter Professor für Anthropologie in Stanford – auf folgende Weise vom Deterritorialisierungsbegriff in der Kultur- und Sozialanthropologie:
Der Terminus werde ihnen zufolge verwendet, um sich auf die generelle Abschwächung der
Bindungen zwischen Kultur und Raum zu beziehen. Die Deterritorialisierung von Kultur bedeute
jedoch ausnahmslos ihre Wiedereinfügung in neue Raum-Zeit-Kontexte, Kulturflüsse würden dabei
somit keine ätherische Form annehmen. Derartige wieder eingefügte Elemente würden auch als reterritorialisiert bezeichnet; Kultur bleibe in jedem Fall – wenn auch womöglich in veränderter
Form – mit Raum verbunden:
“[…] while the connection between culture and specific places may be weakening, it
does not mean that culture has altogether lost its place. […] In short, it means that
16 „Das heißt, dass der Nutzen von [García] Canclinis Konzept nicht auf der Verneinung jeglicher Form
kultureller Territorialisierung beruht, sondern auf der Beteuerung, dass die nationale oder ethnische Territorialisierung der Soziologie und der Anthropologie auf jeden Fall zu kurz greift, um über die kulturellen Prozesse unserer späten Moderne zu berichten.“ (eigene Übersetzung)
–29–
MANUEL EITZINGER
culture continues to have a territorialized existence, albeit a rather unstable one.” 17
(Inda/Rosaldo 2008: 14)
Um dieses Verhältnis der Loslösung von einem Raum mit der Wiedereinfügung in einem anderen mit einem Wort zu bezeichnen, führen Inda und Rosaldo hier eine neue Form des Begriffes
ein, dessen Schrägstrich das Potential zu einem Prozess in jede der beiden Richtungen ausdrücken
soll – de/territorialization (vgl. Inda/Rosaldo 2008: 14f).
4.3.3
Michael Kearney
Michael Kearney war emeritierter Professor für Anthropologie an der University of California
in Riverside, sein Werk beschäftigte sich unter anderem mit transnationalen communities der Zapoteken und Mixteken. Kearney bezeichnete Deterritorialisierung als „langfristigen Trend“ (“longterm trend”, 2008: 79); der Umgang mit diesem beginne mit dem Übergang zu einer globalen Anthropologie zunehmend Bedeutung zu erlangen (Kearney 2008: 79). Mit Hinblick auf die ökonomische Dimension dieses Prozesses spricht Kearney von der „Deterritorialisierung von Wertigkeit“
(“deterritorialization of value”, 2008: 206).
Das im folgenden beschriebene Modell stellte Kearney auf, um Klassendynamiken im transnationalen Kontext am Beispiel von Mixteken in den Vereinigten Staaten und in Mexiko zu veranschaulichen.
Kearney geht hier davon aus, dass eine Verlagerung weg von materiellen, hin zu abstrakteren
Formen von Werten gegeben ist, die er als „Sublimierung von Werten“ (“sublimation of values”,
2008: 340) bezeichnet und die auch den Aspekt der Deterritorialisierung umfasse. Wertigkeit sublimiere so von territorialisierten Formen – etwa Grundstücke, Landwirtschaft und Schwerindustrie –
über teil-territorialisierte Formen – etwa Dienstleistungen und Bargeld – zu deterritorialisierten Formen – etwa elektronische Technologien, Information und Aktienmärkte (vgl. Kearney 2008: 340).
Kearney behauptet weiter, dass Migrantinnen und Migranten versuchen würden, sich im
transnationalen Klassengefüge neu – das heißt besser – zu positionieren, indem sie geringere Men17 „[…] auch wenn die Verbindung zwischen Kultur und spezifischen Orten nachlassen mag, bedeutet das
nicht, dass Kultur vollständig ihren Raum verloren hat. […] Kurz gefasst bedeutet es, dass Kultur nach wie
vor eine territorialisierte Existenz hat, wenngleich eine ziemlich instabile solche“ (eigene Übersetzung)
–30–
IM TERRITORIUM DER ANTHROPOLOGIE
gen an Werten an Positionen über ihnen weitergeben. Eine grundlegende Strategie dabei seien verschiedene Formen der Deterritorialisierung, deren vier Kearney unterscheiden will: eine berufsbezogene, eine ökonomische, eine politische und eine symbolische, die wiederum einer Sublimation
unterliegen (vgl. 2008: 341).
─ Sublimation →
Tabelle 1: Formen der Deterritorialisierung nach Kearney
symbolisch
Gruppenidentitäten werden zur kulturellen Identität (Ethnizität, Nationalismus, Religion), nicht mehr an Land gebunden
politisch
Hegemonie eines Nationalstaats über seine Bürger in anderen
Ländern, transnational grassroots counterparts
ökonomisch
Trend von materiellen zu immateriellen, von territorial gebundenen zu deterritorialisierten Wertformen
berufsbezogen
Rückgang der Agrarwirtschaft (depeasantation), Proletarisierung, Anstieg der informellen Wirtschaft
(vgl. Kearney 2008: 341-347)
4.3.4
Raúl Prada
Das Werk Raúl Pradas möchte ich nicht gänzlich unerwähnt lassen, auch wenn der aus der bolivianischen Hauptstadt kommende Prada in anderen Disziplinen ausgebildet wurde. Prada setzte
sich mit dem prämodernen Territorialverständnis bolivianischer Indigener auseinander und kam dabei auf die These, dass in ihrem Verständnis Territorium ein ökologischer, kollektiver Raum sei, der
gemeinschaftlich – im sogenannten Ayllu – organisiert werde. Territorium stelle so keine geographische Kategorie dar, sondern ein Gemeinschaftserlebnis und eine Form von Machthierarchie. Deterritorialisierung, ein Phänomen der Moderne, führe hier zum Verlust der territorialen, kollektiven Erinnerung und der Hierarchisierung (vgl. Vilanova 2009: 83f).
–31–
5
Resümee
“Nutuayin mapu!”18
–
Slogan der Autonomiebewegung der Mapuche
5.1 Zur Begrifflichkeit der Deterritorialisierung
Noch einmal auf die Ursprünge des Begriffes zurückkommend möchte ich festhalten, dass bereits im Konzept von Deleuze und Guattari von „Flüssen“ die Rede ist – von Flüssen, denen auch in
den Thesen Appadurais eine zentrale Funktion zugesprochen wird. Auch auf das umfassende Verständnis von Deterritorialisierung – dass „jedes Fließen“ Deterritorialisierung sei – möchte ich hier
noch einmal explizit hinweisen. Papastergiadis schrieb dem Terminus eine Art Brückenfunktion
zwischen den Disziplinen zu, womit ich insofern übereinstimme, als er vor allem ein großes Potential dazu hat.
Zwar sind naturgegeben insbesondere Kulturflüsse das zentrale Interesse einer Anthropologie,
doch kann in meinen Augen in der postmodernen Welt genauso wenig von fixen Identitäten und
Kulturarealen die Rede sein wie von klar voneinander abgegrenzten Wissenschaftsdisziplinen. Die
Modelle Appadurais, Kearneys und anderer zeigen auf, dass auch ökonomische, marktwirtschaftliche Faktoren, die Politik und vieles mehr mit zu berücksichtigen sind, um die gegenwärtigen Transformationsprozesse gebührend zu beschreiben.
Für wichtig erachte ich auch die Erkenntnis, dass zu den angesprochenen Faktoren auch eine
Reihe abstrakter Gefühle zählt – Begehren, Wertigkeit, Identifikation und Symbolik, um nur ein
paar zu nennen – die für das Verständnis des Terminus Territorialität in gleichem Ausmaß essenziell
18 „Lasst uns unsere Erde zurückerobern!“ (eigene Übersetzung)
–32–
IM TERRITORIUM DER ANTHROPOLOGIE
sind. Somit wird der Imagination eine Rolle des Antriebs zu Transformationsprozessen zugeschrieben. Hier ist außerdem auf technische Fortschritte hinzuweisen, die es ermöglichten, diese abstrakten Bedürfnisse schneller und globaler zu bewerben und zu erlangen.
Als damit in Zusammenhang stehend betrachte ich die Bedeutung der kapitalistischen Wirtschaftsform, der nicht nur in Deleuzes und Guattaris Denken eine tragende Funktion zukommt, sondern auch in den Konzepten Appadurais, Kearneys und Pradas zu erkennen ist. Ich möchte diesbezüglich auf Renato Ortiz hinweisen (den ich mich entschlossen habe, nicht näher zu beleuchten), der in
seinem Modell Globalisierung und Mondialisierung strikt trennt. Zur Globalisierung rechnet er dabei
ökonomische, marktwirtschaftliche und damit verbundene technologische Prozesse, zur Mondialisierung hingegen die Bewegungen von Kulturen, die durch Massenmedien „leicht transportabel“ seien
(vgl. Vilanova 2009: 83). Da wir von einer Anthropologie der Globalisierung sprechen und nicht von
einer Anthropologie der Mondialisierung, scheint es nur gerecht, die Einflüsse der Finanzwelt, Technik etc. nicht aus den Konzepten unseres Faches auszuschließen.
Abweichungen zwischen den verschiedenen kultur- und sozialanthropologischen Konzepten
zum Deterritorialisierungsbegriff fallen vor allem bei der Frage nach der Reterritorialisierung auf, die
in manchen Modellen gar nicht oder kaum Beachtung findet, in anderen jedoch eine noch größere Bedeutung zukommt als dem „‚D‘-Wort“. Ein zweiter merklicher Unterschied zwischen den dargestellten Betrachtungsweisen ist die Frage, ob Deterritorialisierung wie bei Kearney als Strategie oder Fahrplan zum gesellschaftlichen Aufstieg zu sehen ist, oder aber eher als Prozess, der zum Verlust kollektiver Erinnerung und Machthierarchie führt, wie im Konzept Pradas. Ich vermute, dass hier nicht holistisch zu denken ist, sondern dass bei Deterritorialisierungsprozessen fallspezifische Unterschiede zu
erwarten sind.
Zum erstgenannten Unterschied möchte ich anmerken, dass mir der Deterritorialisierungsbegriff schlecht gewählt oder umgesetzt zu sein. Ich möchte hier Ina-Maria Greverus’ Einwand zitieren, der die Gefahr schildert, die das Negieren oder Abwerten von Territorialität birgt:
„[D]ie anthropologische Debatte um den mobilen und sesshaften Menschen tendiert
dazu, nicht nur dem sich verortenden Menschen, sondern auch dem ethnographischen Dialogpartner ‚begrenzte Strategien‘ zu unterstellen. [… Ich] kann mich mit
der Idee (und dem Schlagwort) des enträumlichten Lebens nicht so recht anfreunden
–33–
MANUEL EITZINGER
[…]. Wege und Orte bedürfen des Raums. Mobilität und Verortung sind zwei sich ergänzende Seiten menschlicher Raumerfahrung.“ (Greverus 2009: 55)
Doch wird bei keinem der behandelten Autorinnen und Autoren die Deterritorialisierung als
linearer Prozess verstanden, an dessen Ende auch das Ende jeglicher Art von Territorialität steht,
wenn die Konzepte auch unterschiedliche Hauptinteressen innerhalb der Transformationsprozesse
setzen. Luis Díaz G. Viana formuliert die mögliche Begriffsverwirrung um die Deterritorialisierung
wie folgt:
“la llamada desterritorialización no es la negación de la territorialidad, sino más
bien una deslocalización aparente de los saberes—o una territorialidad múltiple de
los mismos”19 (Días G. Viana 2004: 11)
Inda und Rosaldo verdeutlichen Untrennbarkeit beider Seiten des Prozesses durch Verbinden
der Begriffe De- und Reterritorialisierung zu De/territorialisierung. Ich möchte – in Anlehnung an
die Begriffe Transnationalismus und Translokalismus, sowie bezugnehmend auf Eva Gugenbergers
Abfolge wissenschaftlicher Sichtweisen zu Kontaktsituationen „uni – pluri – inter – trans“ (vgl. Gugenberger 2011: 12-17) – vorschlagen, die Gesamtheit dieser De- und Reterritorialisierungsprozesse
als Transterritorialisierung zu bezeichnen, was der Vielschichtigkeit, Hybridisierung, den Wechselwirkungen, der multiplen Neuverortung und, wenn man so will, den kulturellen Rhizomen besser
Rechnung träge, als es durch das Beharren auf dem Deterritorialisierungsbegriff je möglich sein
wird. Dieser Begriff stünde dann mit den Termini Translokalismus (noch allgemeiner) und Transnationalismus (spezifischer) in einer Reihe.
Die Rolle, die der Nationalstaat in diesen Konzepten spielt, ist primär die einer regulierenden
Instanz, die einerseits Macht über ihre Bürgerinnen und Bürger ausübt und diesen andererseits vielleicht auch in ihrem neuen Umfeld Unterstützung zukommen lässt. Eine Rolle eines als einheitlich
anzunehmenden Territoriums ist jedoch nicht gegeben, auch nicht die eines Territoriums, dessen Inneres von dessen Äußerem unterscheidbar sein muss. Der „lange Streifen entlang steiler Flanken“,
wie Gloria Anzaldúa das überzeichnete Verständnis von Staatsgrenzen pointiert beschreibt (“narrow
19 „die sogenannte Deterritorialisierung ist nicht die Negation der Territorialität, sondern viel eher eine
scheinbare Delokalisierung von Wissen – oder eine mehrfache Territorialität von eben diesem“ (eigene
Übersetzung)
–34–
IM TERRITORIUM DER ANTHROPOLOGIE
strip along steep edges”, zit. nach Gupta/Ferguson 1997b: 34), hat den Mythos der Absolutheit verloren.
5.2 Deterritorialisierung und der Isomorphismus
Von einer „natürlichen“ Verbindung zwischen Kultur und Ort oder von einer räumlich festschreibbaren Verbreitung von Kulturen oder Kulturelementen, wie sie als der isomorphen Denkweise inhärent beschrieben wird, ist in den Konzepten zur Deterritorialisierung nicht zu sprechen. Es ist
jedoch zu bemerken, dass – hier gehe ich mit Inda und Rosaldo – Kulturen nach wie vor ein territo riales Element haben, das allerdings veränderbar ist, als instabil bezeichnet werden und multipel
sein kann.
Ich denke nicht, dass die Beschleunigung der Technologie und von Transformationsprozessen
dazu geführt hat, dass Menschen generell ihre emotionale Bindung an gewisse Örtlichkeiten aufgegeben haben, auch wenn dies ich dies für einzelne Fälle nicht ausschließen will. Der für mich wesentliche Punkt ist hier, dass bei Reterritorialisierungsprozessen aber nicht bloß die zuvor deterritorialisierte Kultur wieder räumlich verortet wird, sondern dass die translozierte Kultur durch ihr neues Umfeld, durch Erfahrungen während des Prozesses und durch Imagination bereits vor der räumlichen Neuausrichtung laufend beeinflusst wird. Die de/territorialisierte Kultur wird somit nicht bloß
im räumlichen Sinn transformiert.
Da durch Reterritorialisierung einer zuvor als einheitlich angenommenen Kultur an verschiedenen Orten der Reterritorialisierung verschiedene Einflüsse auf sie einwirken, sollte sie spätestens
als transformierte Kultur interne Unterschiede aufweisen. Hinzu kommt, dass die räumliche Veränderung mehrerer Kulturen zu ihrer „geographischen Durchmischung“ führt. Eine Gleichförmigkeit
einer Kultur und eines zusammenhängenden Raumes ist nach diesem Verständnis nicht (mehr)
möglich, die durch Transformationen insbesondere der letzten Jahrzehnte entstandene Komplexität
von Identitäten angemessen zu kartographieren eine Unmöglichkeit. Ich stimme hier mit Appadurais Ansichten zur Heterogenisierung durch Deterritorialisierung und der von der individuellen Perspektive abhängigen Sicht auf die scapes und auch Guptas und Fergusons Einwand zur Kartierung
multikultureller Räume überein.
–35–
MANUEL EITZINGER
Zwar betrachte ich Kultur und Identität als Konzepte, die eines menschlichen, aktiven Anwenders bedürfen, doch gilt es hier auch kleine Unterschiede zwischen den Individuen zu berücksichtigen. Dadurch ist die Vorstellung von Kultur als Einheit, die alle Träger unvermeidbar verbindet, zumindest als unzureichend und – wie von Díaz de Rada – als Instrument der Wissenschaft zu
betrachten. Eine solche Einheit dennoch anzunehmen, ist, wie Gupta und Ferguson argumentieren,
für zeitgenössische kultur- und sozialanthropologische Analysen eine schädliche Vorannahme. In
anderen Worten ist somit für mich „eine Kultur“ mit ihrem menschlichen Träger isomorph, doch
tragen keine zwei Individuen die exakt identische kulturelle Identität in sich und – dies ist nicht weniger bedeutsam – diese kulturelle Identität ist bei keinem Individuum ein fixes, endgültiges, unveränderliches Konstrukt.
Es hat sich jedoch gezeigt, dass kulturelle Elemente nicht bloß mit ihren menschlichen Trägern transloziert werden – auch andere Medien im Appadurai’schen Sinn transportieren, wenn von
Menschen angewandt, Ideen, Werte etc. Ich gestehe somit entgegen meiner eigentlichen Vorannahme ein, dass die Annahme, Kultur sei an ihre Träger (die ich als menschlich annahm) gebunden,
sich nicht bestätigte. Zudem denke ich, dass die theoretischen Grundannahmen der Deterritorialisierungskonzepte – Veränderlichkeit, Hybriditäten, Multikulturalität, ständige Flüsse – in solchem Widerspruch zu denen der konstruktivistischen, essentialistischen Vorstellung eines Isomorphismus
von Raum und Kultur stehen, dass die Bezeichnung der beiden Konzeptionen als konträr gerechtfertigt ist. Eventuell ausschließen möchte ich hierbei die Thesen Kearneys, denen aufgrund der linearen Entwicklungsmodelle ebenfalls Essentialismus oder gar Evolutionismus vorzuwerfen ist.
5.3 Die Faktoren Territorium und Person/Personen
Das Konzept Territorium wird klassischerweise als mit Vorrechten und Emotionen der es bewohnenden Bevölkerung beschrieben, wesentlich ist dabei die Annahme einer Exklusivität und
Konstanz. Da ich davon ausgehe, dass diese Vorrechte in mehr oder weniger direktem Bezug zur
Vorstellung von Exklusivität und Konstanz der Behausung oder Bewirtschaftung stehen, diese beiden Eigenschaften jedoch durch Deterritorialisierungsprozesse untergraben werden, kann die Vorstellung von Territorium bei deterritorialisierten Personen und Gesellschaften eigentlich nur noch
als Emotion und soziokulturelles Konstrukt aufgefasst werden. Umgekehrt jedoch können Emotio-
–36–
IM TERRITORIUM DER ANTHROPOLOGIE
nen Emotionen und Ideen auch als Ursache von Deterritorialisierung gelten – in Form eines beworbenen ideoscapes, dem der Mensch mittels räumlicher Veränderung näherzukommen versucht.
In welcher Beziehung stehen somit Territorium und Person bzw. Personen? Der vorige Abschnitt soll gezeigt haben, dass dieses Verhältnis von den Individuen abhängig ist, wodurch eine allgemeingültige Beantwortung unmöglich wird. Ich möchte auf Deleuzes und Guattaris Aussage zurückkommen, jede De- und Reterritorialisierung habe eine aktive Essenz, die jedoch nicht menschlich sein muss. Auf ähnliche Weise äußert sich Appadurai, dessen Flüsse politischer oder ökonomischer Natur genauso sein können wie einer menschlichen Idee oder einem Bedürfnis folgend. Deleuze und Guattari gehen, wie ich dargestellt habe, noch einen Schritt weiter und wollen Territorium als „System jeglicher Art“ verstehen.
Eine wesentliche Erkenntnis ist auch, dass – wie Gupta und Ferguson geschrieben haben – das
„Lokale“ ebenso zu hinterfragen und relativieren ist, wie dies auch auf größere Konzepte zutrifft,
die man versuchte den lokalen Einheiten überzustülpen. Auch daraus lässt sich ableiten, dass keine
allgemeingültige Antwort möglich ist – hier, weil die Konzeption von räumlicher Zugehörigkeit,
von Lokalität und Territorialität keine natürliche ist.
Doch auch darüber hinaus lassen die Thesen der verschiedenen Theoretikerinnen und Theoretiker ein Subsumieren nicht zu. Dem Mensch kann ein aktiver Part bei Prozessen der De/territorialisierung ebenso zugesprochen werden wie ein Part, in dem er seinen Trieben und Bedürfnissen
folgt und von der Maschinerie von Werbung und Märkten gedrängt ist.
5.4 Abschlussbetrachtungen
Im Laufe des Forschungsprozesses kam ich sowohl zu erwarteten Erkenntnissen als auch zu
unerwarteten – letztere vor allem bei den kleinen Unterschieden und Widersprüchen der verschiedenen Thesen. Doch war auch mit der Erkenntnis, dass der Begriff nahezu ausschließlich am amerikanischen Doppelkontinent von Anthropologen (und hier verwende ich bewusst die männliche Form)
theoretisiert wurde, kam unerwartet. Die Erfahrung, eine Arbeit dieses Ausmaßes zu verfassen, war
eine interessante und für mich neue. Forschungsblockaden, Ehrgeiz, zweifelndes Sinnieren und Zuversicht wechselten einander in unregelmäßigen Abständen ab.
–37–
MANUEL EITZINGER
Auch wenn ich mit den vorliegenden Ergebnissen zufrieden bin, bin ich mir der Tatsache bewusst, dass ich viele Punkte offen lassen musste – zum Teil, weil ich sie inhaltlich nicht hätte adäquat bearbeiten können, zum Teil, weil sie den Rahmen der Arbeit zu sprengen gedroht hätten und
ich sie insofern als „hier nicht notwendig“ abqualifizierte. Welche möglichen Forschungsstränge damit gemeint sind, kann dem Forschungsdesign und den einleitenden Sätzen des Kapitels Weitere
Autorinnen und Autoren der Kultur- und Sozialanthropologie entnommen werden.
Auf jeden Fall blicke ich mit Spannung auf zukünftige Entwicklungen zu den Fragen dieser
Arbeit in der Kultur- und Sozialanthropologie. Ich gehe derzeit davon aus, dass sich das Interesse
an Phänomenen der Reterritorialisierung – das Wiedereinbetten in „neue Raum-Zeit-Kontexte“, wie
es Inda und Rosaldo formulieren – verstärken wird, da ich weiter davon ausgehe, dass es hier spannendere und vielfältigere Fragen zu beantworten gibt als auf der anderen Seite des Begriffspärchens.
Abschließend will ich noch anmerken, das Gefühl zu haben, durch dieses Seminar viel gelernt
zu haben und zwar auch – und das halte ich für nicht minder wichtig – über mich selbst. Allen, die
einen Teil zum Entstehen dieser Arbeit beigetragen haben, sei hiermit meine Dankbarkeit versichert.
–38–
6
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Abbildung 4: https://lh5.googleusercontent.com/-POhLe-ViWT0/TAPbzkX_goI/AAAAAAAANKs/KjVX
-rgXkv0/s640/Khalistan.JPG (Ceejo Thomas, Lizenz: CC-BY).
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