16 CHALLENGE OF MULTIPLE TRADITIONS - Untersuchungsgebiet der Ethnographie: Sprache, Vergangenheit o 18. Jahrhundert: 250 Sprachen in Australien o 20. Jhdt.: 30 Sprachen in Australien o Mehr als Hälfte der Menschheit kann lesen und schreiben URBAN ANTHROPOLOGY - Seit Zweitem Weltkrieg: Urbanisation Afrika: 1900 -> 5% in Städten, 1990: 50% Mehrheit der Weltbevölkerung lebt in Städten Gründe: o Bevölkerungswachstum am Land (land shortage) o Übergang von Subsistenzwirtschaft -> Cash Crops (Anbau rein für Verkauf/Export) o Neue Arbeitsformen in Städten Mehrheit der Stadtbewohnerin Nichtindustriestaaten jedoch arm Manchester School: o Max Gluckmann, Godfrey Wilson o 30er bis 60er o Studie über Urbanisation im südl. Afrika Kupferindustrie in Nordrhodesien (heute Sambia) o Kupfergürtel (Copperbeld) im Nordosten des Landes o Bedarf an Arbeitskräften (frühes 20. Jhdt) Arbeiter lebten vorerst in Baracken in Minennähe, war nicht für dauerhaftes Familienleben gedacht im Laufe der Zeit kam es jedoch dazu Proletarisierung der früheren Bauern - - Erste Studie im Kupfergürtel von Godfrey Wilson 1941-1942 o Wandel von Subsistenzbauern zu Teilnehmern der Weltwirtschaft, Spezialisierung, technisches Wissen werden wichtiger o Wertewandel: Gewand und Kleider wichtiger, Konsum, europ. Lifestyle, Geld bekommt neue Rolle Clyde Mitchell: o Relation zwischen Wandel und Kontinuität o The Kalela Dance: Bisa-Volk Tanz von Arbeitsmigranten performed Menschen in modernen Kleidern, kein Teil ihrer Tradition Jedoch: Stämmische Gruppenidentität gefördert Herkunftsort wurde wichtiger bei Interaktion mit anderen Leuten - - Mitchell: o Stamm bleibt auch nach Urbanisation wichtig, ändert sich jedoch mit der gesamten sozialen Organisation Kritik an Mitchell: o Voraussage für zukünftige Entwicklung unklar o Entwicklung vom ländlichen auf städtisches Leben kein linearer Prozess CONCEPTUALIZING COMPLEXITY - - Urbane Anthropologie wirft neue Fragen für Methodologie auf: o Untersuchung einer ganzen Stadt unmöglich Wie soll man vorgehen, um trotzdem repräsentativ zu arbeiten? o Manchester School: Fallstudie als Alternative zu klassischen Studien Case Study: Fokus auf wichtiges öffentliches Event, Interpretation und Untersuchung der Auswüchse und Manifestationen (Bsp.: Kalela Dance) o Andere Möglichkeit, eine Gesellschaft zu untersuchen: 1) Beschränkung auf begränztes Thema (z.B. US-Mittelschicht in den 80ern) 2) Beschränkung auf bestimmtes Thema und bestimmtes physisches Feld (Gender in der Vorstadt von L.A. in den 70ern) 3) Beschränkung auf bestimmte Gruppe (ethnische Minderheit) Beispiel: o Wissenschaftler Cohen und Odhiambo untersuchten Stadt Siaya Westkenia, Volk namens Luos Arbeiterregion (genutzt von kenianischen Kapitalisten) 134.000 Menschen von Siaya arbeiten anderswo (z.B. in Nairobi) Familien abhängig vom Lohn dieser Arbeiter Zeigt Verbundenheit von kleinen Communities mit großer kenianischer und gesamter Weltwirtschaft Entwicklungen: 1) Arbeitsmigration führt zu kulturellem Wandel 2) Entstehung einer Mittelklasse (neue soziale Differenzierung) 3) Eigene politische Organisationen der Luos in Nairobi 4) Integration der Luos in kenianische Gesellschaft 5) Angrenzung von „Luoland“ an Uganda brachte neue Entwicklungen -> Idi Amin (1970er) -> wirtschaftliche Degeneration in Uganda -> Export nach Kenia stieg, Leute von Siaya profitierten vom schwachen Uganda -> illegaler Tausch (Handel von Benzin, Schmuggel brachte Amin zum Sturz) Typischer Entwicklungslauf im 20. Jahrhundert Größere Mobilität, soziale Unterschiede, anderes Konsumverhalten Ethnische Selbstbestimmung, Grenzen verschwimmen COLONIALISM AND LOCAL RESPONSES - Kontakt zwischen traditionellen und modernen Gesellschaften fand oft im Zuge des Kolonialismus statt „Stone Age people“ aber nicht nur „Opfer“ der Modernität - - Beispiel: o Trobriand-Insulaner Kombination von modernen Elementen (Geld) mit trad. Kultur o John-Frum-Sekte in New Hebrides (Südpazifik) Mischung von Christentum, indigenen Religionen und Konsumismus Gründe der Anpassung und Veränderung: o Worsley (1968): Nicht nur Ausdruck von Unsicherheit und Stabilitätssuche, sondern auch Adaption von alten Ritualen an neue Umstände Frustration, vom Westen vorgegebener Lifestyle Fehlende Möglichkeiten der Selbstbestimmung Vergleich mit reichen Ländern durch Medien spielt bessere Welt vor WAYS OF CONCEPTUALIZING ENCOUNTERS - Zwei Wege der Begegnung laut Sozialwissenschaften: 1) Modernisierung Walter Rostow (1965) Unilineare Entwicklung Arme Länder schließen irgendwann an reiche an Kontakt zwischen Nord & Süd gut für Süden, weil Entwicklung 2) Imperialismus Lenin & Trotzki Reiche beuten Arme aus Konflikt führt nicht zu Entwicklung, sondern zum Gegenteil, weil strukturelle Ungleichheit Entkolonialisierung führte nicht zur Emanzipation, da kapitalistisches System & Abhängigkeit bestehen bleiben - Anthropologische Ansichten decken sich nicht mit Sozialwissenschaften o Hauptfokus der Anthropologie: Lokale Variationen im Zuge der Begegnungen zwischen verschiedenen Wissenssystemen und Kulturgesellschaften o Olivia Harris (1995) stellte System von Konzepten vor: 1) Vermischung, Hybridisierung, Mestizisierung (in Südamerika) a. Neue Bedeutungen entstehen b. Kritik: i. Man muss von fixen Punkten der Kultur ausgehen, die sich dann vermischen 2) Kolonisierung a. Europäische Dominanz, Ausbeutung, Gewalt gegenüber Indianern, Christianisierung -> spanische Sprache 3) Ausborgen von diversen vorteilhaften Aspekten a. Indianer „borgen“ Wissen von Christen (Inka, Maya) 4) Wechselbeziehung zwischen beiden Weltanschauungen a. Keine Vermischung von Christentum & Maya-Religion möglich (Unterschiedliche Vorstellung von Raum und Zeit) 5) Assimilierung, Imitation, Identifikation a. Ablehnung der eigenen Vergangenheit b. Neubildung der Identität (jene, die besser erscheint) c. Indian -> mestizo (weiß, spanisch) 6) Kreativität, Innovation a. Keine Rücksichtnahme auf Herkunf (mit neuen Umständen umgehen lernen) b. Fokus auf Autonomie, Unabhängigkeit Konzepte können parallel existieren, schließen sich nicht gegenseitig aus MEDICAL SYSTEMS - - Medical anthropology als wachsende Subdisziplin Unterscheidung zwischen drei Körpern (bodies): o Scheper-Hughes & Lock: Persönlicher Sozialer Politischer Alle drei sozial konstruiert Körper selbst existiert biologisch, mit kultureller Bedeutung Verhältnis von westlicher Medizin und indigenen Medizinsystemen o Harris-Konzept 4 (siehe oben) Westliches Medizinsystem: Trennung von Körper und Seele Indisches Ayurveda: Einheit o Vermischung der Systeme: Ningerum (Neuguinea) Traditionelle Gesellschaft, westliche Medizin jedoch akzeptiert und integriert Einheimische fungieren als Ärzte Kein Konkurrenzverhalten zwischen beiden Modellen, weil Wirkung der westlichen Medizin angenommen wurde, obwohl andere Vorstellungen dahinter PERSPECTIVE ON DEVELOPMENT - Begriff der Entwicklung schwer zu definieren (Kulturrelativismus) Modell der Berechnung nach BIP ist ethnozentrisch, reduktionistisch und evolutionistisch - - o Vernachlässigung von lokalen Eigenheiten, Symbolen, Ritualen durch Konzentration auf Profit und Geld Begriffe wie Fortschritt, Lebensqualität, Entwicklung immer lokal anzusehen Beispiel: o Weltbank und Wirtschaftsministerium von Ecuador wollten Produktion von Meerschweinchen rationalisieren -> fehlgeschlagen -> Anthropology wurde eingestellt -> fand heraus, dass Meerschweine besonderen symbolischen Stellenwert haben (wurden als weise angesehen) Sind Europäer und Amerikaner rationaler? Sahlins: Nein, Bedeutung von Rationalität immer je nach Lokalität zu betrachten IS ANTHROPOLOGY INHERENTLY CONSERVATIVE? - Versuche, Angewohnheiten bei Menschen zu ändern, erfordert deren Zustimmung Konservativismus: o KSA betreibt immer Studien vom interkulturellen und soziokulturellen Ganzen o Kulturrelativismus immer präsent (von außen aufgezwungene Änderungen destruktiv) Kulturen, Gesellschaften keine geschlossenen Systeme, immer Interaktion mit Außenwelt, Reaktionen auf globale Veränderungen sind lokal, Herausforderung an anthropologische Methodologie DECOLONIZING THE ANTHRO-MIND - - - - Früher: KSA als “Study of the other“ Heute: Immer mehr “Study of ourselves” -> Grenze zwischen “uns” und den “anderen” verschwimmt KSA wird zugänglicher für ihre früheren und heutigen „Objekte“ (Lesefähigkeit, Bildung) Verständnis des Wachstums der Anthropologie: o In Europa: Franz. & britische Expansion Komplize der Kolonisierung Anthropologie schreibt selbst Geschichte(n) Grund für viele Länder, keine Feldforscher ins Land zu lasen Edward Said (Orientalismus, 1978) o Europäische Philologen propagieren asiatisches Bild des Orients als mystisch und geheimnisvoll o Bereich von Japan bis zur Türkei o Produktion von Stereotypen (über Orient als mystisch und Westen als fortschrittlich) Tzvetan Todorov (1989) o Erzählungen von Franzosen über Primitive erzählen mehr über Frankreich als über andere Kulturen Veena Das (1994) o Keine absoluten Wahrheiten, nur Pluralität von Stimmen und Meinungen - - Eric Wolf (1982) o Völker ohne Geschichte (Zeit der großen Entdeckungen aus der Sicht der Entdeckten) Marshall Sahlins (1985) o Vergleich von polynesischer mündlichen Traditionen mit Aufzeichnungen von westlichen Beobachtern Claude Levi-Strauss (1966) o Geschichtsschreibung kein Produkt der Vergangenheit, sonder nach gegenwärtigen Wünschen der Schreiber konstruiert Dekolonisierung der Anthropologie: o Objekte beginnen, selbst Abhandlung über eigene Kultur, Geschichte etc. zu verfassen (Dezentralisierung) o Interaktionsgrad steigt Modernität & Tradition keine sich ausschließenden Begriffe o Kontrast zu Max Weber o Moderner Staat kann neben alten Kulturen & linearer Gesellschaftsstruktur existieren (Spannungen, Widerstände) o Auch moderne Menschen glauben an traditionelle religiöse Vorstellungen, Moralregeln usf. o Paradoxum: Parallel zu modernen Entwicklungen entstehen traditionalistische Bewegungen, die das Alte als das Bessere preisen und glorifizieren (Stützpfeiler in sich verändernder Welt)