Gesellschaftliche Mechanismen Meldung des Tages: Google hat KEINEN Esel umgefahren...1 Fächer wie Astrologie, Geomantie, Naturheilkunde, Harmonielehre, Alchemie usw. sind Jahrtausende alte Begleiter unseres kulturellen Seins, über ihr „Revival“ wird regelmäßig spekuliert, obwohl ihr Einfluss zu keinem Zeitpunkt als klein zu bezeichnen wäre. Ähnlich der Geomantie z.B. bietet die Astrologie durch die Abstraktheit und Universalität ihrer uralten Symbolik einen Zugang zu kulturübergreifenden Mustern der Geschichte, dessen Verknüpfung mit abstrakten Denk-Systemen der Quantenphysik und holistischen Weltbildern verführerisch ist.2 Solange die Astrologie ihre eigenen Prämissen nicht geklärt hat, wird sie vergeblich nach einer Verhandelbarkeit ihrer Weltbilder fragen und ihrer Rolle als Beobachter zwischen den Überzeugungs-Systemen der Weisheitslehren, Religion, Wissenschaft und Philosophie in der individuellen Beratung von Menschen nicht gerecht werden. Es sind bestimmte Menschen, die sich mit diesen Fragen auseinandersetzen und diese Menschen nehmen eine bestimmte Rolle in ihrem Umfeld ein. An dieser Rolle misst sich die Bedeutung des Wissens für das soziale Verknüpfungsnetz der Astrologie und ihre Realität in der Sprache. Die Ausbildung auch in anderen spirituellen Fächern ist in fernöstlichen Ländern noch lebendig. Die moderne westliche Astrologie hat viele ihrer Inspirationen über die Theosophie und der sich daraus entwickelten modernen Esoterik aus Indien, China, Mexiko und anderen Kulturen genommen. In Russland ist diese Synergie zwischen modernem und traditionellem Wissen auf dem Gebiet der Medizin sehr beliebt. Auch in Deutschland ist der Heilpraktiker innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte von einem Feierabendlehrgang zu einem Fast-Studium geworden. Medizin und Psychologie sind z.B. zwei Fächer, in denen dieser Wandel heute sichtbar wird, nicht wenige Ärzte und Psychologen praktizieren neben den offiziellen Techniken alternative Verfahrensweisen. Die Astrologie kann im Diskurs der Naturwissenschaften dazu beitragen, historische Bezüge zu klären und Dogmen zu hinterfragen, ohne sich den Argumentationsketten zu unterwerfen. Dazu muss sie allerdings ihre Grundlagen klären und die Ausrichtung klar auf die westlichen und rationalen Paradigmen des Wissenschaftsbetriebes legen. Mit der Renaissance wurde die Astrologie aus dem allgemeinen Lehrbetrieb verdrängt und hat sich Gruppierungen angeschlossen, die esoterisches und spirituelles Gedankengut bewahrt und erneuert haben, aber durchaus aufgrund wirtschaftlichen Interesses handelten.3 Rosenkreuzer, Freimaurer, Gnostiker und Theosophen u.a. haben das vorbereitet, was uns heute in Form des „New Age“ als „alternative-spiritueller Zeitgeist“ wieder begegnet. Die Astrologie hat von den spirituellen Weisheiten profitiert, sie muss aber ihren Weg weitergehen; der Zeitgeist bleibt nicht stehen. Die Ausweitung auf „Archetypen“, „Typologien“, „kosmische Gesetze“ wie die sentimentale Rückbesinnung auf „Charakterkunde“ und „universelles Wissen“ führt in ihrer seltsamen Mischung momentan dazu, dass sich die Astrologie von ihren Wurzeln der Erfassung von psychologischen 1 Schlagzeile in vielen Zeitungen vom 16.1.2013 Dan Rudhyar war einer der ersten, die moderne Theorien der Quantenphysik, Holokratie und ganzheitliche Weltbilder zu einem spekulativen holistisch-astrologischen Weltbild zusammenformte 3 Die Weisheitslehren ist mit ca. 10% Marktanteil auf dem Buchmarkt und im Seminarbetrieb eine ähnliche Größe wie die Wissenschaften, Philosophie oder Religion, wobei die Grenzen natürlich fließend sind. 2 Zeitphänomenen entfernt und zu einem „Beweismittel“ für die vorgebliche „Ernsthaftigkeit“ spiritueller Absichten wird.4 Wo sie eigentlich kritisch sein sollte, hindert sie das „spirituelle Kategorisieren“ ihren eigenen blinden Fleck zu erkennen und vergisst, dass Horoskope nicht dazu da sind, „Bewusstsein“ zu messen, „Lebenshilfe zu geben“ oder „schwierige Themen zu erlösen“. Astrologie ist ein Analysesinstrument des Verstandes das begriffliches Denken schärft. Wer sie als Trost und Seelenspender nützt, wird ihre Begrifflichkeit beliebig auf seine persönliche Weltanschauung zu übertragen versuchen. Jede ideologisch geprägte Abänderung des systemischen Settings führt zum Verlust der Präzision ihrer Begrifflichkeit und der speziellen Bedeutung ihrer Symbole, deren aktueller, kritischer Kontext in der Kritik der seichten Lebenswelt wichtig für das Verstehen der Zusammenhänge bei Konflikten und Missständen ist. Es ist allerdings nicht leicht zu unterscheiden, was eine ideologische Interpretation und was eine Interpretation im Sinne einer modernen, kulturbereichernden Strömung ist. Die Lehren des Ostens haben dem Westen geholfen, das dunkle 20. Jahrhundert und seine spirituelle Sinnkrise zu überwinden.5 Dies war auch für die westliche Astrologie sinnstiftend. Doch andererseits hat sie durch ihren Kontakt mit fernöstlicher Mystik eine schwer zu überwindende Barriere zum Wissenschaftsbetrieb errichtet. Wenn z.B. Begriff wie Karma, Reinkarnation, Wassermannzeitalter und ähnliches unreflektiert benutzt werden6, ist eine saubere Trennung zu pseudo-religiösen Inhalt nur schwer aufrecht zu erhalten. Das „New Age“ hat der Astrologie einen neuen Sinnhorizont eröffnet, neue Kunden gebracht7 und unser Fach in Kontakt mit dem Heilungsmythen der Neuzeit verknüpft. Doch der Preis dafür ist eine 4 Siehe Fragebogen im Meridian 01/06 Hier nur ein kleiner Ausschnitt hinduistischer Meister, die in den Westen gegangen sind: Sri Aurobindo, Ramana Maharshi, Yogananda, Mata Amritananda Mayi, Srila Prabhupad (Hare Krishna), Maharishi (TM), Bhagwan, Amma, Sri Chinmoy, Sri Sri Ravishankar, Brama Kumaris, Sai Baba, Sivananda (Yoga Vidya). Gleichzeitig gewann der Buddhismus fast ebensoviele Anhänger in Europa und in den USA. Diese Entwicklung nahm ihren Anfang im deutschen Idealismus, der sich stark mit indischer Philosophie und religion auseinandersetzte, der Fischegeborene Schopenhauer erzielte seinen Durchbruch mit Fische in Neptun um 1848. 6 Die Gesellschaft für wissenschaftliche Untersuchung von Parawissenschaften hat Begriffe pseudophysikalischen Inhaltes aus einer Augabe der Zeitschrift „Esotera“ (Januar 1996) gezähltwww.gwup.org/infos/themen-nach-gebiet/56-parawissenschaften/743-Weisheitslehren-und-physik Sternenkraft, Hyperwelt; (3):Gestirnkonstellation, "Zeitqualität"; (4):energetische Kraftpunkte, Energiezentren; (5): Kausalitäts-Verletzung, Zeittunnel, Zeitschock, Zeitmaschine, Zeitreisen; (10): Kosmobiologie, Orte der Kraft, Wasser-Kraft des Lebens; (16): Bioresonanz-Therapie, Quantenphysik, elektromagnetisches Schwingungsspektrum, Biophotonen; (19): plutonische Energien; (20): Die Kollektivplaneten. Uranus - der radikale Reformer. Neptun - der grenzenauflösende Verschmelzer. Pluto - der Transformator im Dienste der kollektiven Evolution; (40): rückwärtslaufende Zeit, Reflexwellen; (41): Relativitätstheorie, zyklische Zeit, Mehr-Welten-Realität; (42): Quantenphysik, Hologramm, Allgemeine Relativitätstheorie; (43): Hilbert-Raum; (46): Raum, Zeit, Materie; (48): Vierdimensionale Welt, Hyperwelt; (49): Gravitation, Quanten-Auffassung, Hyperwelt-Frequenz, paraphysikalisches Phänomen, Materialisation, Levitation, lokales Biogravitationsfeld, Schwarze Löcher, Weiße Löcher, materielle Raumzeit-Welt, "Interdimensionale" aus der Hyperwelt, subatomarer Quantenbereich; (50): Magnetometer, Tri-Feld-Meter, magnetische Felder, elektromagnetische Felder, Mikrowellenfelder, elektrostatische Feldanomalie, Infraschall, Ultraschall, spektrale Erscheinungen, anomale Feldfluktuationen; (65): energetische Präparate, Schwingungsenergie, energetische Planeten- und Edelsteinessenzen, Elektro-Smog; (66): energetische Ungleichgewichte, Planetenkonstellation, energetische Disharmonie, Element-Energie, Tierkreis- Planeten- oder Farbenergie, energetische Schwingungen, energetische Tropfen; (67): kosmische Energie, kosmische Kräfte, kosmo-zyklischer Zeitpunkt, kosmische Schwingungen, Energie aller Planeten als "Transzendentes Weiß"; (68): Energiekur. 5 7 Der große Teil des „Klientels“ besteht aus Frauen zwischen 45 und 60, während bei Astrologielehrern Männer mehr Erfolg zu haben scheinen, dies zeigt mir eine mögliche Fokussierung auf einen Kreis von Personen, die von der Astrologie eine Art Lebenshilfe in der Midlifecrisis erwarten mit Übertragungsmechanismen männlicher Autorität. Entfernung von den eigentlichen Arbeitsweisen. Der Computer hat zeitgleich die technischen Möglichkeiten geschaffen, das vernetzte Wissen der Astrologie und ihr multifunktionalen Sprach-Strukturen optimal einzusetzen8. Die durch diesen Gegensatz von Spiritualität und Wissenschaft hervorgerufene Spannung hat nicht nur in der Astrologie zu einer babylonischen Sprachverwirrung geführt. In der Psychologie sind esoterische von wissenschaftlichen Ansätzen oft kaum mehr zu unterscheiden. Astrologie ist auch die Kunst, mit Sprache allgemein, nicht nur psychologischer Begrifflichkeit umzugehen; mit Metaphern und Allegorien aus anderen Kulturkreisen und Zeiten. Sie arbeitet momentan innerhalb der „spirituellen Kreise“ vordergründig häufig auf der Ebene der therapeutischen Beratung und Lebenshilfe, dahinter aber ist sie eine Methode der Reflexion über Fragen der Erkenntnis und der Bedeutung von Begriffen innerhalb des sprachlichen Habitus von Systemen.9 Sie hat eine einmalige Topic, die Begriffszuordnung leicht macht und systemisch-therapeutische, sprachkritische, soziologische, medizinische, psychologische, u.a. Ansätze verstehen hilft und in ihrer begrifflichen Wurzel vergleichbar macht. Als Therapie taugt sie meiner Meinung nach nicht. Dazu erfüllt sie weder die Voraussetzung einer allgemeinen Methodik, noch besitzt sie die notwendige deutliche Trennung von anderen Methoden, die eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse möglich machen würde. Das Horoskop stellt immer eine Augenblicksbetrachtung dar, eine Realisierung im Hier und Jetzt, die durch ein methodisches Zurückgehen in der Zeit die Neutralität (die natürlich nie ganz möglich ist) der Betrachtung stören würde. Gesellschaftliche Handlungsweise bewegt sich immer in einem Spannungspol, etwa zwischen Fortschrittsglauben und Selbstdarstellung (Uranus) auf der einen Seite und warnender, sittenerhaltender Haltung (Saturn) auf der anderen Seite oder innerer, spiritueller Orientierung (Neptun) und äußerer Ideologie und Orientierung an Idealen (Jupiter). Jede kommunikative Handlung ist im sozialwissenschaftlichen Sinn auch eine Kritik am System und damit eine mögliche Veränderung der Prämissen – insbesondere wenn sie in der Absicht von Beratung in schwierigen Lebenslagen erfolgt. Es gibt für den Menschen keinen geschlossenen Lebensraum, keine definierten Muster, die zu seinem Überleben tauglich wären. Er muss sich diese immer erst in der Auseinandersetzung mit den Gegebenheiten selbst schaffen. Da sich die Handlung des „Homo Symbolikus“ in einer universellen Zeichensprache ausdrückt, ist dieser Bezug immer ein theoretischer und praktischer zugleich. Er kann produktive Erneuerung sein oder kritische Distanz - oder beides zugleich. Für die Astrologie, die die Handlungsweise des Menschen mithilfe einer „Technologie“ (Sternzeitmessung) im Voraus erkennen möchte, bedeutet dies Selbstbescheidung. Sie kann nicht versuchen, die Konstellationen in einer technokratisch-objektiven Weise statistisch zu begründen. Das würde sie zum Helfer totalitärer Bestrebungen machen, die beobachtetes Verhalten nach Regeln sanktioniert oder belohnt, die durch die Systematik der Beobachtung selbst vorgegeben sind. Sie muss eher versuchen, die Vergangenheit jeder Interpretation im gleichen Moment zu erfassen, und die Ergänzung der fehlenden Aktualität als das werten, was es ist: Eine Manipulation der Umstände, deren endgültiges Urteil im Vorhinein für den Einzelnen meist feststeht, indem er einem der zu interpretierenden Pole natürlicherweise zugeneigt ist. Der Lebensraum des Menschen beschreibt sich durch die psychologischen und 8 Der Computer hat die Astrologie ohne Zweifel revolutioniert und zu einem anderen Fach gemacht. Die Möglichkeiten des Vergleichs aus tausenden von Horoskopen und Berechnungsmöglichkeiten, das Diskutieren in Internet-Foren und der fachübergreifende Austausch war vorher nur marginal möglich. 9 Dass Astrologie eine Tendenz zu Weisheitslehren hat, heißt nicht, dass sie nicht auch außerhalb der Weisheitslehren verhandelbar wäre. Vielleicht war es auch ihre Aufgabe, die Weisheitslehren in der Zeit der monotheistischen Religionen und Naturwissenschaften zu bewahren helfen. kulturellen Symbole, wie sie durch die Zeichen der Astrologie seit Jahrtausenden repräsentiert wird. Der Venustypus wird meist in einer liebevoll, distanzierten Haltung gegenüber dem erfolgsheischenden Jupitertypus bleiben, der Mondtypus in einer abwartenden und angepassten Haltung gegenüber dem uranisch, revolutionären Typus sein. Einem aggressiven Tyrann wird Mars letztendlich immer ein unrühmliches Ende bereiten und einem dogmatischen Fanatiker Saturn die Grenzen aufzeigen. Das ist nicht weiter erstaunlich. Die Interpretation der Astrologie wirken immer schon in einem gesteckten Rahmen, der dem Moment der Aktualität knapp verpasst und in diesem Zeitverzug spekulieren muss, was sein wird. Darin liegt trotzdem eine Objektivierung. Ein signifikantes Symbol hinterlässt einen bleibenden Eindruck und hat im individuellen Horoskop seine Relevanz, indem sie ein besonderes Verhaltensmuster in einem schwierig empfundenen Kontext sichtbar werden lässt. Die eigentliche Beziehung zwischen diesem Eindruck und dem realistischen Geschehen muss aber dunkel bleiben, wenn sie nicht auf dogmatische Weise erwünschtes Verhalten reproduzieren will. Zwischen den Symbolen wirken komplexeste Strukturen des Verstehens, deren exakte Analyse hoffnungslos ist, da der Sprechende immer ein Teil des Geschehens ist. Aber: Das Gesagte in der Astrologie wird durch die Sterne zumindest protokolliert und ist durch sie insofern erfassbar, als im Vorhinein eine rekapitulierbare Prognose erstellt wurde die Bedingungen für das Zustandekommen der Aussage also kontrollierbar sind. Was wir sehen und hören ist durch unseren Fokus festgelegt – aber wir erinnern uns an diesen normalerweise nicht lange. Wenn der Mars über den Aszendenten gegangen ist und der Geborene den Impuls für einen Neuanfang bekam, dann ist dies bemerkenswert. Es ist sogar wahrscheinlich, wenn sie der Geborene ausführlich mit diesem Planeten Mars und seinen Prinzipien beschäftigt hat. Solange sich nicht ein neues Symbol in die Aufmerksamkeit schiebt, während hundert Andere Symbole unbemerkt und ungedeutet bleiben, die das Gegenteil besagen, wird die Deutung eine Be-Deutung haben. In den Sozialwissenschaften, zu denen auch die Astrologie zu zählen wäre, wenn sie wissenschaftlich arbeiten würde, geht es um die Wechselwirkung zwischen Menschen und Gesellschaft. Beratung benötigen diejenigen, die im gesellschaftlichen Miteinander auf Konflikte stoßen. Ausgrenzungen von Unverstandenem sind ethisch problematische Angelegenheiten, die nicht allein durch „rationale Fakten“ aus der Welt geschafft werden können. Gesellschaft entsteht im lebendigen Diskurs über wechselnde Vorzeichen, in der es keine feststehenden Gesetzmäßigkeiten gibt, sondern im Gegenteil eine grundsätzlich offene Zukunft. Auch die Astrologie kann keinen Wahrheitsanspruch außerhalb dieses Diskurses für sich beanspruchen, es wäre absurd, den Menschen helfen zu wollen, indem man sie auf kausale Funktionen festlegen würde, die den offenen Austausch behindern würden. Die Sterne prägen nicht unser Schicksal. Wir benützen die Sterne um unserem Empfinden einen Ausdruck zu geben, der angesichts der unfassbaren Größe und Präzision des Kosmos Berührung, Erregung und Verbundenheit schafft. Historisch hat die Astrologie in der Beratung der Mächtigen und Reichen einen großen Einfluss auf die Entwicklung von Gesellschaft auch ohne die Akzeptanz der „herrschenden Meinung“ gehabt. Als gleichzeitig „technokratisches Wissen“ und Lebenshilfeberatung ist sie eine Vermittlerin zwischen den Mächtigen und dem Volk gewesen, dessen Weisheit und kosmologisch-psychologischer Kenntnisse sie sich bedient hat und im Ausgleich psychologische Informationen über die Herrschenden geliefert hat. Die Institutionen haben zu allen Zeiten die Astrologie deswegen abgelehnt, weil sie den Deutungsanspruch über den Kosmos und seine Mythen selbst nicht abgeben wollten, weder die Kirche oder die Politik, noch die Philosophie oder die Wissenschaft. Gerade deshalb ist es interessant, dass Astrologie die Zeit überdauert hat und Lösungsmöglichkeiten für Konflikte gefunden hat. Sie muss auf eine geheimnisvolle Weise Institution für die Bevölkerung sein sein, ohne dass ihre Kommunikationen im „offiziellen Kanon“ existieren. Falls Astrologie tatsächlich wissenschaftlich betrieben werden würde, würde es sofort auch „Gegner“ geben, die das Gegenteil zu beweisen versuchen würden, da ansonsten die komplette Geschichte umgeschrieben werden müsste. Genau in diesem Prozess liegt der Mythos des Menschseins aus der „Lücke in der Selbstbegründung“. Allerdings muss die Astrologie auch aufpassen, dass sie nicht ganz verschwindet, da 50% der Menschen inzwischen studiert sind und sich nicht mit unausgegorener Küchenpsychologie beschäftigen. Gesellschaft entsteht für Luhman in erster Linie dadurch, dass Handlungsweisen ersetzbar sind und polykontextural verwendbar. Die Struktur folgt den Ereignissen und gibt sie nicht umgekehrt vor. Sie ist eine Folge unserer Wahrnehmung der Ereignisse und der Gewohnheit der Betrachtung. Unsere Realität entsteht in jedem Augenblick neu aus dem Pool von Handlungsmöglichkeiten, von Alternativen, die durch vielfältige Erwartungsstrukturen am Leben gehalten werden. Für den Astrologen, der sich ähnlich systematisch wie die Systemtheorie an seine Aussagen heranarbeitet, ist es augenscheinlich, dass seine Interpretationen auf Erwartungen beruhen, die er mit dem Eintreffen der Planetenkonstellationen verbindet und es ist Tatsache für ihn, dass er flexible Deutungsmethoden parat hat , um der Komplexität der Situation gerecht zu werden. Es wäre geradezu verrückt, einen Menschen auf eine einzige monokausale Wirkung eines Planeten festlegen zu wollen, deren Wirkung nur so und nicht anders eintreffen kann. Es gibt eine Art „Lebensplan“, wie auch Bergson ihn sah, einen Strom von Willensäußerungen, die für den einzelnen Menschen identitätsbildend sind. Doch dieser Plan ist nicht „niedergeschrieben“, er ergibt sich aus dem Bewältigen der Situation in immer wieder neuer Konstellation. Damasio nannte es das Kernselbst, das gewissermaßen aus der wiederholten Erzählung der eigenen Geschichte immer neu in der Situation entsteht.10 Das Horoskop sieht nur wie eine Fixierung eines Status Quo aus, in Wirklichkeit ist seine Deutung mit jedem Ansehen eine andere. Es ist eine wunderbare Täuschung, die unseren Verstand dazu zwingt, die Zeit anzuhalten und die Ewigkeit zu fokussieren. Um die komplizierten Erwartungsstrukturen an das zukünftige Leben zu ordnen, ist das Horoskop ein Versuch der Verständigung vor einem grundätzlich beliebigen Deutungshorizont, da das Thema sich immer rekursiv aus der Wechselwirkung mit der Fragestellung ergibt, wenn man in diesen Strukturen geübt ist. Die astrologische Deutung muss nicht nur der Situation des Klienten gerecht werden, sondern auch dessen Position innerhalb der gesellschaftlichen Erwartungen. Fähigkeiten, die sich im Horoskop andeuten sind bedeutungslos, wenn sie den Betreffenden im Alltag nicht weiterbringen. Es besteht eine Erwartung, dass die Aussage des Astrologen im Rahmen der gesellschaftlichen anerkannten Konventionen und Umstände bleibt. Der Astrologie kann nicht das Korsett der Lebensumstände verlassen, die unser Lebensplan vorsieht. Das ist die eigentliche Determination und sie führt zur berechtigten Frage, ob Astrologie hilft, Vorurteile zu zementieren und überkommene Weltbilder am Leben zu erhalten. Unter den Aussagen der Astrologie liegt immer eine unterschwellige Kritik am Verfahren selbst, da sie den Menschen der spontanen Willensentäußerung entzieht und ihn auf subtile Weise der Symbolik des Zeitgeistes einverleibt. Um sich dem Mythos zu nähern ist kein Verzicht auf rationale Denkmodelle notwendig, allerdings ist eine offene Haltung gegenüber „fremdartigirrationalen“ Verhaltensweisen wünschenswert. In einem Feld der Esoterikangst wird es schwierig, dies zu trennen. Der Mensch hat einerseits den berechtigten Wunsch nach Sondierung der Fakten und möglichst einfachen Erklärungen für sein Schicksal. Andererseits produzieren Systeme, die zu simple Erklärungsmuster anbieten, Beliebigkeit. 10 Antonio Damasio, Ich fühle, also bin ich Die moralische Forderung, keine Prognosen zu betreiben, ist paradox, weil es genau um diesen „soziologischen Markt der gesellschaftlichen Zukunfts-Möglichkeiten“ geht, in dem der Mensch sich durchzusetzen hat. Es ist die Methode der Astrologie selbst, die es unmöglich macht, eine endgültige Entscheidung über irgendeine ihrer Aussagen festzunageln. Universelle Theorien behandeln sich nach Luhmann vor allem selbst als Gegenstand. Indem wir Astrologen uns mit Theorien über uns selbst beschäftigten, können wir keinen wie immer gearteten Wahrheitsgehalt anbieten. Es muss dem Klienten und Berater klar sein, dass die Schlüsse aus den Deutungen vollkommen beliebig sind, auch in dem Moment, wo sie sich auf die ungreifbaren und teilweise amoralischen Mythen der Anti-Gesellschaft beziehen und die „innere Wahrheit“ des Systems präsentieren. Die Gewissheit der potentiellen Unsittlichkeit ihrer Aussage ist im System der Astrologie eingebaut, weil sie nichts ausschließen kann, was an Bedeutung des Gesagten nicht verstehbar wäre. Der Klient muss die Schlussfolgerung aus dem Gesagten grundsätzlich allein ziehen. Es ist für ihn beruhigend, im Moment das AhaErlebnisses jemand bei sich zu haben, der ihn vermeintlich versteht, aber was er verstehen wird, ist völlig unberechenbar. Die Handlungen des Menschen stehen immer in einem Geflecht von Beziehungen und Bedeutungen, die den einzelnen Handlungsmustern zukommen. Dinge ordnen sich im Geflecht, in der Kompilation, im Ensemble, sie bilden Strukturen und Bezüge, deren scheinbaren „Erstursachen“ mit der Flut der medialen Interpretation verloren gehen. Unsere Identität entsteht aus der sprachlichen Verortung in Raum und Zeit. Wo wir sind, wer wir sind und wann wir sind erscheint in dem jeweiligen Kontext der situativen Perspektive. Für Cassirer ist die Bedeutung eines sozialen Sachverhalts sowohl abstrakter als auch konkreter Natur. (… Das Verstehen von Bedeutung setzt die Fähigkeit voraus, Wirklichkeit und Möglichkeit strikt unterscheiden zu können…]11 Neben den Fakten sind stets auch idealisierende Motive und Überzeugungsmuster von Bedeutung, deren Idealgestalt und symbolischer Charakter bewusst ist. Astrologen glauben nicht wirklich daran, dass sich Menschen in 12 Kategorien unterscheiden. Sie sind ein Erfahrungswert, dessen Wahrheitsgehalt sich aus dem historischen Gebrauch ergibt, ähnlich den Idealtypen Max Webers. Sie erlauben eine Bestimmung des Gegenstands ohne ihn zu bedeuten, sie verweisen auf eine mögliche Wirklichkeit innerhalb des gesteckten Rahmens und der Möglichkeit, sich die eigene ideale Welt zu entwerfen. Wir sind keine „Idealisten“ oder „Märtyrer“ oder „Bohemians“, „Konservative“, „Liberale“, „Grüne“, „Widder“ oder „Stiere“ sondern Menschen in der Konstruktion des eigenen Mythos und der Rekonstruktion der geistigen Herkunft. Standpunkte entstehen durch das Experimentieren mit Überzeugungen. Lebenslanges Lernen bedeutet lebenslange Umdeutung der Vorzeichen und ständige Bereitschaft, die eigenen Überzeugungen in Frage zu stellen und an die veränderbare Realität anzupassen. Eine sozialwissenschaftliche Realität kann keine Gesetze und Kausalitäten behandeln, denn diese glichen normatischen Vorgaben von Ideologien, deren Überprüfung nicht mehr möglich wäre. Zu fordern, dass sich mit jedem Übergang des Mars ein neuer Impuls einstellen müsste, wäre vermessen. Zumal dann, wenn damit die Erwartung an ein Handeln gestellt ist für einen Menschen dessen momentanes Problem Passivität ist. Die Beobachtung von Gesellschaft erfordert die Setzung eines Rahmens, innerhalb dessen die Spielregeln mit den Bedingungen wachsen können. Sozialarbeit und Beratung besteht mehr aus dem Eintauchen in die Wirklichkeit der „Mythen der Straße“ als aus einer geregelten Verordnung von Handlungsvorgaben. Wir sind nicht aktiv, weil der Mars irgendwo steht, sondern weil wir 11 Ernst Cassirer, Versuch über den Menschen, F. 1990 unsere Aktivität als eine Spezielle mithilfe des Bildes von Mars in einer bestimmten Konstellation mit der Bedeutung „aktiv“ wieder erkennen. Der konkrete Bezug wird immer erst interpretierend hergestellt, der Mars sozusagen immer wieder neu in seinem Verhältnis zum Tierkreis und zu den anderen Planeten als „mein Mars“ im Denken erschaffen. In einer Beratung kommen meist empfindliche Themen zur Sprache, die mit der Unmöglichkeit zu tun haben, den momentanen Anforderungen der Mitwelt adäquat begegnen zu können. Der Berater versucht, den Rahmen zu verstehen und mit dem Klienten ein Bild zu finden, dass die Situation ausdrücken hilft. Es ist ein Mitfließen mit den Ausgesonderten, ein Verstehen der Orte, an denen sich die Mythen nur indirekt ausdrücken, weil es keine Möglichkeit gibt, sie zu integrieren. In den „Dystopien“, wie Foucault es im Ersatz für das mystisch numinose, unbenennbare nannte, Orten, die sich dem objektiven Beobachter entziehen wie Internate, Gefängnisse, Friedhöfe, Kasernen, Bordelle, Psychiatrien, politische Hinterzimmer oder auch in geheimen Liebesbeziehungen und Berufen, die zur Schweigsamkeit verpflichten, erscheinen die abgründigen Nicht-Strukturen der Gesellschaft besonders deutlich. Jeder Mensch ist auf eine Weise ein Sonderling, ein schwarzes Schaf an einem Ort der „Nicht-Existenz“ mit einer nicht vollständig erschließbaren Erfahrung. Nichtkonformität und Selbstkritik ist die Voraussetzung, um dem extremistischen Sog dieser Räume zu begegnen und sich zu demokratischer Verfassung aufzurufen und angesichts der ständig drohenden Rechtsverletzungen und Übergriffe nicht selbst zu verrohen. Zwischen den Gefahren der gesellschaftlichen Stigmatisierung und der Selbstausgrenzung durch abweichende Meinung pendelt das Dasein in diesen Räumen des Dystopischen, über die sich nicht anders als in symbolischer Form sprechen lässt, um ihre Struktur zu erfassen. Die Aufzeichnung und Bewahrung des Mythos, der Archetypen und die Hinterfragung des „Schatten“ ist die erste Form des konstruktiven Verstehens von zerfallenden Gesellschaftsstrukturen und persönlichen Lebenskrisen. Der Mensch lebt nicht in einer geschlossenen „Umwelt“. Er ist nicht durch seine Instinkte konditioniert, sondern hat sie nach Ansichten der philosophischen Anthropologie vielmehr verloren. Der Mensch richtet sein Leben darauf aus, in einer tierischen Welt angesichts seiner Instinktarmut einen sinnvollen Platz zu finden. Sein Lebensbezug ist immer weltoffen, er erschafft seine eigenen Lebensräume selbst. Damit bezieht sich sein Umgang mit der Natur immer auch vorgreifend die Veränderungen, die er durch seine Technologien herbeiführen wird, seien dies Speerspitzen, Feuersteine, Computer oder Atomkraftwerke. Zukunft ist wesentlich das, was wir in der Auseinandersetzung mit den Problemen der jeweils neuesten technischen Mittel hervorrufen. Wir erwarten nicht, dass es morgen keine I-Phones, keine Computer und Kinofilme mehr gibt, aber wenn es stattdessen etwas anderes gibt, sind wir auch nicht überrascht. Wir erwarten auch nicht, morgen wieder im Wald zu leben und Kräuter zu pflücken, bzw. erwartet dies nur eine kleine Minderheit. Nach Luhmann bekommt die Gesellschaft Stabilität durch das Eintreffen von Erwartungen. […Soziale Systeme bestehen aus faktischen Handlungen, die sinngemäß zusammenhängen. Ein solcher Sinnzusammenhang gewinnt Dauer, Konsistenz und Konsensfähigkeit dadurch, dass das Handeln typisch erwartbar wird. Nicht im rein faktischen Vollzug und auch nicht allein in der Kausalität ihrer Bedingungs- und Wirkungszusammenhänge können Handlungen zu Systemen zusammengeschlossen werden, sondern nur durch Stabilisierung von Verhaltenserwartungen; denn die Anstöße und Wirkungen des Handelns reichen stets über Systemgrenzen hinaus, die durch Verhaltenserwartungen definiert werden….]12 12 Niklas Luhmann, Soziologische Aufklärung, Band 1, 5. Auflage, S. 42