Ethik im Neuen Testament - EKHN

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Examensvorbereitung NT von Simon Ahäuser
Ethik im Neuen Testament
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Ethik im Neuen Testament
Literatur:
• Udo Schnelle: Theologie des Neuen Testaments, Göttingen 2007.
• Verschiedene Autoren aus: Friedrich Horn: Paulus Handbuch, Tübingen 2013, 378-385; 433-453.
I. Ethik bei den Evangelisten
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Jesu Ethik ist jüdische Ethik. Sie ist Ausdruck einer „ethischen Sensibilität“.
◦ Sie hat ihr inhaltliches Zentrum in der prophetisch interpretierten Thora und ihren
motivierenden Rahmen in Weisheit und Eschatologie.
Beispiele für Vorurteile gegenüber der jüdischen Ethik: Nach dem Exil habe das
Judentum die Thora verabsolutiert; durch die Kasuistik werde der den ganzen Menschen
beanspruchende Wille Gottes aufgesplittert; Gehorsam gegenüber dem Gesetz sei durch
Lohnmoral motiviert; Formalismus: Das Gesetz werde getan, weil es geboten sei – keine
eigene Einsicht! Das Leben unter dem Gesetz werde als Leiden unter dem Gesetz erlebt.
Jesus zeigt sich vertraut mit den hermeneutischen Grundsätzen seiner Zeit.
Sein Schriftgebrauch ist instrumental. Die Auslegung dient vier Zwecken:
1. Bringt ein Erfüllungsbewusstsein zum Ausdruck.
2. Provoziert per Schock-Effekt neues Verhalten.
3. Dient als Argument in polemischen Debatten.
4. Ist als Wille Gottes Grundlage der Ethik.
1. Die Liebe als Zentrum der Ethik Jesu
1.1 Das Doppelgebot der Liebe
• Zentrum der Ethik Jesu ist das Doppelgebot der Liebe (Mt 22; Mk 12, Lk 10).
• Für drei Thesen gibt es jüdische Analogien:
◦ Monotheismus als erstes Gebot.
◦ Menschlichkeit als Kern der Thora.
◦ Kombination von Gottesbeziehung und Mitmenschlichkeit.
• Doch wird das urchristliche Doppelgebot dreifach ausgeweitet:
1. Ausweitung auf den Fremden: Barmherziger Samariter (Lk 10).
2. Ausweitung auf den Feind (Mt 5; Lk 6): Diese üblicherweise Königen und Mächtigen
abverlangte Nachahmung Gottes wird nun denen zugemutet, die sich als Machtlose
erleben.
3. Ausweitung auf Deklassierte (Lk 7; Mt 11; Mk 2).
1.2. Liebe im Johannesevangelium
• Zuerst steht die Frage, ob es in Joh überhaupt eine Ethik gibt?
◦ Käsemann verneint dies, Schnelle macht deutlich, dass dies sehr wohl der Fall ist.
• Es fehlen zwar wirklich konkrete materialethische Anweisungen, Aussagen zur
Individual- und Sozialethik, zum Staat, zur Ehe etc.
• Ein grundsätzlicher Zug der Gattung Evangelium ist jedoch die orientierende Funktion.
Zudem geht es um umfassende Begründungen menschlicher Existenz und grundlegende
Ausrichtungen menschlichen Handelns.
• Alles läuft auf die Liebe (avga,ph) zu. In dieser findet sich die Ethik des Johannes. Sie ist
kein Randphänomen im Evangelium, sondern das gesamte Denken ist vom Liebesgedanken
geprägt. Wer aus der Liebe heraus lebt, benötigt keine Einzelgebote.
1.2.1. Das Liebesgebot in der Abschiedsrede
• In der Abschiedsrede in Joh 13, im Weggang Jesu wird das Liebesgebot platziert:
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◦ „Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr einander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr
einander liebt. Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander
habt.“
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Es ist die zentrale Anweisung der joh. Schule (im 1. Johannesbrief findet sich die Liebe so
oft wie in keiner anderen ntl. Schrift). So wie Jesus die Seinen in seine vorbildhaften Tun bis
zur Hingabe in den Tod liebte, so sollen sie auch einander lieben.
Im Gegensatz zu den Synoptikern begründet Jesus das Gebot selbst. Dies entspricht joh.
Logik, denn bereits die Schrift zeugt von Jesus (5), er ist auch Herr der Schrift.
1.2.2. Die Fußwaschung (Joh 13) als Ort der Liebe
• Bewusst wählt Jesus die Waschung, um den konkreten Gehalt des Liebesgedanken zu
illustrieren. Das Fußwaschen war ein niedriger Dienst eines Sklaven, eine konkrete und auch
schmutzige Handlung, keineswegs nur ein liturgischer und symbolischer Akt.
◦ Jesus zeigt hier, dass es vor allem um das Tun der Liebe geht. Auch für Johannes ist
Liebe ein Geschehen, das nicht bei sich selbst bleiben kann und sich im Tun vollendet.
◦ Es ist hier vor allem die Freiheit Jesu, die er erweist, um den niedrigsten Dienst an den
Jüngern selbst zu verrichten.
• Der überraschende Rollentausch ruft bei den Beschenkten Unverständnis, ja Bestürzung
hervor. Petrus wehrt sich energisch gegen das Tun Jesu.
◦ Hier findet eine Umkehr statt: Nicht der Mensch sorgt für die Reinheit durch sein
eigenes Verhalten, sondern die Aktion kommt von Gott selbst.
• Jesu Tun ist hier zugleich Urbild und Vorbild menschlichen Handelns.
1.2.3. Frucht bringen
• Die metaphorische Rede vom „Frucht bringen“ in der Weinstockrede ist ein weiteres
Zentrum johanneischer Ethik.
• Alles Sein, Können und Tun der Glaubenden ist nur in der Verbindung mit Jesus zu
realisieren. Nur im Glauben ist Frucht möglich.
◦ Wer als Jünger keine Frucht bringt, ist bereits aus der lebendigen Verbindung mit Jesus
herausgefallen und verfällt dem Gericht.
• Zum wahren Jüngersein gehört das Bleiben in Christus.
1.3. Liebe im Markusevangelium
• Das kreative Zentrum göttlicher Weisung ist auch hier das Doppelgebot der Gottes- und
Nächstenliebe (12). Sie erscheint als entscheidende Grundlage und Grundorientierung im
Leben der Glaubenden.
• Zum einen ist die Gottesliebe als das erste Gebot Grundlage und Ermöglichung der
Nächstenliebe, zum anderen rangiert das Doppelgebot vor allen anderen Weisungen und
beurteilt sie inhaltlich.
◦ Die Realisierung sieht Markus vor allem im gegenseitigen Dienen (9.10).
• Innerhalb der Gemeinde stehen in Kap.10 Themen wie Ehescheidung, das Verhältnis zu den
Kindern und der Reichtum im Vordergrund.
◦ Auffällig ist vor allem die besondere Erwähnung der Kinder.
• Jegliche Ethik wird vom Kreuz her bestimmt (christologische Ethik). Das Bekenntnis zum
Herrn gehört ebenfalls zur Nachfolgeethik, denn wer den Menschensohn hier verleugnet,
den wird auch der Menschensohn im Gericht nicht kennen.
2. Sozial- und Wirtschaftsethik bei Lukas: Die Frage nach Reichtum
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Zur lukanischen Gemeinde gehörten viele Angesehene und Vermögende (Apg 17.18),
daher wurde der rechte Umgang mit Geld und Besitz ein zentrales Thema der lk. Ethik.
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Lukas erwähnt das Thema deshalb an unterschiedlichsten Stellen:
◦ Standespredigt von Johannes d.T. (3) – Forderung nach Umkehr durch die „Früchte,
die der Umkehr entsprechen“. Die dreifache Frage: „Was sollen wir tun?“ wird von
Johannes mit großzügigem Geben beantwortet.
◦ Feldrede (6) – das Gebot der Nächsten- und Feindesliebe wird im Sinne einer
Wohltätigkeitsethik interpretiert. „Vielmehr liebt eure Feinde und tut Gutes und leiht, wo ihr
nichts zurück erhofft.“
◦ Jüngerrangstreit (z.B. 22) und Gastmahl (14) – Kritik an der Haltung der reichen
Christen.
◦ Generelle Programmatik (14) - „So kann nun keiner von euch, der nicht allen seinen
Besitztümern den Abschied gibt, mein Jünger sein.“ Die Forderung, Almosen zu geben
ist daher ein wichtiger Punkt.
◦ Reicher Jüngling (18) – Aufforderung, panta zu geben. Das „alles“ erscheint nur in der
lukanischen Version!
2.1. Die christliche Urgemeinde als Vorbild
• Den Spannungen innerhalb seiner Gemeinde stellt der Evangelist die Urgemeinde als
freiwillige Liebesgemeinschaft gegenüber. Sie verzichtete auf den Besitz zugunsten
Notleidender (Apg 2.4) und nutzte das Privateigentum gemeinschaftlich (Apg 4).
• Die einzelnen Beispiele in Apg sind jedoch nicht ohne Schwierigkeiten, denn zum einen
hatten sehr wohl noch einige Christen Besitztum, zum anderen wäre eine völlige Abgabe
allen Besitzes in der praktischen Ausführung unsinnig.
◦ Es ist daher davon auszugehen, dass Lukas Einzelfälle (wie die Geschichte von
Hananias und Saphira in Apg 5) von Besitzverkäufen verallgemeinert hat.
2.2. Evangelium an die Reichen für die Armen
• Letztendlich schrieb Lukas ein genau ein solches Evangelium. Sein Ziel ist nicht die
kompromisslose Kritik der Reichen, sondern die Realisierung einer Liebesgemeinschaft
zwischen Armen und Reichen der Gemeinde, deren Voraussetzung die Bereitschaft zu
Almosen auf Seiten der Reichen ist.
◦ Abschiedsrede des Paulus von Milet in Apg 20: „Geben ist seliger als nehmen“.
3. Ethik als Lebenshaltung in Q
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Insbesondere die ethischen Radikalismen lassen erkennen, dass sich die Jesusnachfolger
von Q in der unmittelbaren Kontinuität seines Lebens verstehen.
◦ Dies zeigt vor allem die programmatische Rede mit den Makarismen, das Gebot der
Feindesliebe, das Gebet für die Verfolger und die Goldene Regel.
Es geht insgesamt um den unbedingten Gehorsam und den ungeteilten Einsatz gegenüber
dem von Gott bzw. Jesus Geforderten.
Mit der eschatologischen Zusage der Makarismen verbindet sich so das eschatologische
Gericht: Allein dem Tun der Worte Jesu gilt die Verheißung, nur am Tun der Worte Jesu
entscheidet sich das Heil.
II. Ethik bei Paulus
1. Normen, Begründungen, Strukturen, Argumentation (Zimmermann)
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Die Grundsatzfrage lautet: Darf man überhaupt von „Ethik“ sprechen? Die uns
überlieferte Briefe sind doch eigentlich Gelegenheitsschriften und keine theoretischen
Abhandlungen über Normen und Handlungsbegründungen.
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◦ Diese These ist nicht richtig: Paulus ist kein situativer „Moralprediger“. Er argumentiert
nicht persönlich, sondern erhebt Anspruch auf allgemeine Geltung.
• Paulus normative Ethik ist daher als eine „impliziten Ethik“ zu titulieren.
• Der Mensch sei nach Röm 3/Gal 3 nicht aus Werken des Gesetzes gerechtfertigt, sondern
allein aus Glauben. Wie kann dann von einer „Ethik“ gesprochen werden?
• Bultmann: Das Heilshandeln Gottes („Indikativ“) und das geforderte menschliche Handeln
(„Imperativ“) bildeten eine paradoxe Einheit. „Der Indikativ begründet den Imperativ“.
◦ Dieser Versuch ist jedoch mehr als fragwürdig, denn hier wird die Struktur der Briefe
und Argumentation unsachgemäß vereinfacht. Eine Gliederung in „Dogmatik“ und
„Ethik“ wirkt stark künstlich (Röm, Gal) und lässt sich bei anderen Schriften (1Kor,
Phil) überhaupt nicht erkennen.
• Jenseits von Indikativ und Imperativ sind viele Modell der paulinischen Ethik entstanden:
• Backhaus: Er entwickelt einen christologischen Zugang, der den Lebensvollzug
unmittelbar aus der Christusbeziehung begründet.
• Burridge: Sein Leitparadigma ist die Imitatio Christi. Nach dieser sei auch die paulinische
Ethik eine Ethik der Nachahmung im Vorbild Christi
• Schnelle: Im Akt der Geistgabe in der Taufe vollzieht sich eine Transformation und
Partizipation des Glaubenden.
• Zimmermann: Diese Modell seien jedoch oft zu binnentheologisch und einseitig
ausgerichtet. Die paulinische Ethik bedürfe, so einer Analyse durch acht Kriterien:
1. Sprachliche Form: Direkter Imperativ oder indirekte Metapher?; 2. Normen; 3. Traditionsgeschichte;
4. Wertehierarchie; 5. Begründungsform; 6. Frage nach ethischen Subjekten; 7. Gelebter Ethos in
Gemeinde und Umwelt; 8. Analyse des Geltungsbereichs: Für wen gilt die Aussage überhaupt?
1.1. Normen und Argumentationsformen (Zimmermann)
• Im Hintergrund jeden Handels steht immer die „Norm“: Ein Wertebegriff, der Handeln
als richtig und gut einstuft und damit direkt oder indirekt mit einem Appell verbunden ist,
entsprechend zu handeln.
• Darüber hinaus gibt es Metaphern wie die „Gemeinde als Leib“, die mit einem einzelnen
Wort ganze ethische Konzepte abrufen. Man kann bei Paulus differenzieren zwischen:
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Allgemeine Moralinstanzen → Natur“ (Röm 1) oder „Sitte/Gewohnheit“
Kulturell geprägte Moralinstanzen → Tora
Formalethische Prinzipien → Pflicht (1Kor 1)
Materialethische Prinzipien → Liebe (1Kor 13)
Wie argumentiert Paulus? Oft deontologisch mit einer Norm wie der Tora (1Kor ) oder
einem Jesuswort (1Kor 7), aber auch teleologisch, d.h. eine Handlung wird als „gut“
bewertet, weil sie ein bestimmtes Ziel erreicht.
Paulus erörtert Probleme diskursiv, indem er um Konsens wirbt, wie etwa bei der Frage
zum Essen von Götzenopferfleisch (1Kor 8-10).
◦ Anderswo begründet er logisch-rational, irrational-paradox (Umkehrung von
Wertigkeiten in 1Kor 1) oder mit Bezug auf Emotionen (Röm 14).
Statt die ethische Argumentation des Paulus einfach „als christologisch“ oder
„pneumatologisch“ zu betrachte oder einem einfachen Zauber zu unterwerfen, gilt es einen
quellengemäßen Differenzierungsgrad zu erfassen und auch gelten zu lassen.
1.2. Zur Eigenart paulinischer Ethik (Löhr)
• In den Paulusbriefen ist nie das Ganze der paulinischen Lehre enthalten.
• Eine grundsätzliche Theologie und Ethik von Paulus findet sich am ehesten im Römerbrief.
• Die ethischen Weisungen sind meistens an Empfängergruppen gerichtet.
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◦ Der Adressat ist daher immer auch das Individuum. Doch ist der fundamentale
Gemeinschaftsbezug paulinischer Ethik nicht zu übersehen.
Eine systematische Tugendlehre findet man bei Paulus nicht.Von den vier Kardinaltugenden
fehlt bei Paulus die Tapferkeit (avndreia). Die Moral wird durch die Trias Glaube, Liebe,
Hoffnung nicht wirklich geordnet, die Liebe (avga,ph) sticht jedoch eindeutig heraus.
2. Das Verhältnis zur Tora (Meiser)
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Schon länger wird die Rolle der Tora in der Ethik des Paulus neu diskutiert.
Negativ: Nicht selten entscheide Paulus gegen die Tora (1Kor 10, Röm 13). Das
Liebesgebot Lev 19 sei Ausdruck, aber nicht Grund christlicher Ethik. Liebe erfüllt alle
Gebote des Gesetzes, so werde es überflüssig. Das Gesetz sei somit durch Christus und
den Geist abgelöst. Die Verweise auf Christus und den Apostel seien grundlegend wichtiger
als diejenigen auf das AT.
Positiv: Die genannten Belege können aber auch Indiz für die fortdauernde Gültigkeit der
moralischen Weisungen der Tora sein. te,loj in Röm 10 bedeute eben nicht „Ende“,
sondern Ziel. Einzig die Tora gäbe bei Paulus die Regel für ein Leben nach dem Willen
Gottes vor.
Nach 1Kor 9: Paulus kann seine Identität als Israelit, obwohl er sich nicht mehr als unter
dem Gesetz stehend betrachtet, nur über den Gedanken behaupten, dass das
Christusgeschehen als Offenbarungsgeschehen gilt.
◦ Dem Apostel gilt das Handeln Christi selbst als Erfüllung der Heiligen Schrift (Röm 15).
3. Die Liebe (Wolter)
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Sie ist bei Paulus die zentrale ethische Tugend für die Gestaltung des christlichen Lebens.
Nur bei Paulus ist die Liebe mit dem Glauben als Begriffspaar verbunden (1Thess 5).
◦ In 1Thess 1; 1Kor 13 erweitert Paulus dies noch um die „Hoffnung“. Kommen noch
andere Begriffe dazu, dann stehen Glauben und Liebe immer ganz bewusst zueinander.
Beide verstehen sich als „Kanon der zwei Tugenden“.
Welche ethische Handlungen und Eigenschaften hat die Liebe? Nach Röm 13 tut die Liebe
dem Nächsten nichts Böses, in 1Kor 13 findet sich eine katalogisierte Aufzählung: Die
Liebe ist langmütig und gütig, nicht eifersüchtig, rechnet das Böse nicht an usw.
◦ Die Liebe ist daher gemeinschaftsfördernd und alle Eigenschaften gelten ohne
Einschränkung auch für alle (auch für Nicht-Christen).
Das Ziel der Liebe ist es vor allem, grundsätzliche Unterschiede zu überwinden:
◦ Speisetabus, Juden und Heiden, Herr und Sklave.
Hohelied der Liebe (1Kor 12-13): Es gab Auseinandersetzungen bzgl. Geistgaben oder
Charismen. Von ihnen erwähnt Paulus die Trias: Prophetie, Zungenrede und Erkenntnis.
Paulus stellt ihnen Glaube, Hoffnung und Liebe entgegen, die Merkmale einer christlichen
Existenz sind, weil allein sie wirklich allen Christen gemeinsam sind (Liebe kann jeder).
Durch die Liebe erfüllen Heidenchristen die Tora, ohne dass sie Juden werden müssen. Sie
sind damit auf einer Ebene wie jüdische Christen, die ihr Leben an der Tora orientieren.
4. Sexualethik (Zimmermann)
4.1. Körperlichkeit und Leiblichkeit
• Die Rede vom Leib (swma) ist bei Paulus nicht nur anthropologisch, sondern immer im
Bezug auf die Gemeinde, die Christologie und Eschatologie.
◦ Mensch, Gemeinde und Kosmos werden von der Metapher des Leibes her verstanden.
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Er hält sich an jüdische Traditionen: „Der Mensch hat nicht ein swma, sondern er ist
swma.“ (Bultmann). Der Mensch hat demnach keine leiblose Existenz.
Negativ konnotiert ist dagegen der Begriff „Fleisch“ (sa,rx). Handeln „nach dem Fleisch“
bedeutet ein Verhaftet sein in der vordergründlichen, vergänglichen Welt.
Paulus meint damit aber keine generelle „Leibfeindlichkeit“, weil der Leib als „heilig“
(1Kor 7) und als „heiliges, Gott gefälliges Opfer“ (Röm 12) beschrieben wird.
Anders als Philo von Alexandrien hält Paulus hingegen an der Leiblichkeit menschlicher
Existenz auch über den Tod hinaus fest (1Kor 15). Allerdings müsse man zwischen einer
himmlischen und irdischen Leiblichkeit unterscheiden: Fleisch und Blut können das Reich
Gottes nicht erben.
4.2. Hierarchien oder reziproke Gleichwertigkeit zwischen Mann und Frau?
• Grundsätzlich teilt Paulus ein patriarchal-hierarchischen Verständnis der Mann-Frau
Beziehung, wie es z.B. durch die Metapher von Kopf und Körper zum Ausdruck kommt:
„Das Haupt der Frau aber ist der Mann“ (1Kor 11).
◦ Diese Einstellung ist aber nicht durchgehend. Er verwendet vielmehr reziproke
Formulierungen, die besonders auch in Fragen der Sexualität (1Kor 7) eine
Gleichwertigkeit der Geschlechter nahelegen, „denn wie die Frau aus dem Mann, so auch der
Mann durch die Frau; alles aber aus Gott.“
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Diese Tendenz zeigt sich besonders in der deuteropaulinischen Haustafel in Eph 5, die
zwar stereotyp die klassische Rollenzuweisung wiederholt, aber einleitend nicht nur von
einer „wechselseitigen Unterordnung“ spricht, sondern durch explizite Imperative
besonders die Ehemänner in die Pflicht der Liebe und „Aufopferung“ nimmt.
4.3. Sexualität
• Paulus bleibt in seiner Sexualethik streng am jüdischen Ethos und reichert es mit
philosophischem Gedankengut seiner Zeit an: Nur die Ehe ist der legitime Ort für die
Ausübung von Sexualität.
• Sexuelle Vergehen bzw. „normwidrige Ausübung von Sexualität“ (pornei,a) werden dabei als
Sünde gegen den Leib und sogar als Sünde gegen die Gemeinschaft angesehen.
◦ In 1Kor 5 geht es um die sexuelle Beziehung eines Gemeindeglieds mit der „Frau seines
Vaters“. Paulus Forderung nach der Verhängung des Todesfluches wirkt drastisch, aber
Sexualität wird zu der Zeit weniger individuell als vielmehr kommunitär gedacht.
◦ Dass diese Frau wohl nicht die genetische Mutter des Übeltäters war, spielte keine Rolle.
• In 1Kor 6 geht es um Prostitution. Dabei überraschen die Aussagen Paulus':
◦ Nicht die Würde der Prostituierten, nicht die Untreue gegenüber der eigenen Ehefrau,
sondern die religiöse Dimension untersagt diesen Geschlechtsakt.
◦ Der sexuelle Verkehr belastet in unmittelbarer Weise die Christusbeziehung.
• Sexualität und Religiosität können also nicht getrennt werden, genauso wenig wie Sex und
Beziehung. Geschlechtsakt nur zur Lusterfüllung gibt es nach Paulus nicht.
• Zur Ehe selbst ist Paulus eher positiv eingestellt. Er zeigt zwar persönliche Präferenzen
zur Ehelosigkeit, weil das Engagement in der Gemeinde leiden könnte und aufgrund der
nahen Endzeit eine Ehe kaum sinnvoll sei.
• Es gibt vor allem in 1Kor 7 viele positive Aspekte der Ehe, die gerne übersehen werden:
◦ Sexualität wird reziprok und nicht wie üblich hierarchisch aufgefasst.
◦ Sexualität hat einen Eigenwert und wird nicht fremden Zwecken wie der
Fortpflanzung unterworfen.
◦ Liebesentzug wird abgelehnt (nur für die kurze Zeit im Gebet, V.5).
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Auch im ältesten Paulusbrief wird die geschlechtliche Dimension der Ehe hervorgehoben: In
1Thess 4 geht es nicht um das „Dass“, sondern um das „Wie“ der sexuellen Vereinigung.
◦ Sie soll in Heiligkeit und achtsamer Weise, nicht in leidenschaftlicher Begierde wie die
Heiden“ geschehen.
◦ Sexualität dient nicht primär der eigenen Lustbefriedigung, sondern wird altruistisch an
den Sexualpartner gebunden.
Wie ist das aber mit der Ehe? Nur eine? Für Paulus wird die Ehe immer monogam
vorgestellt, jedoch zeitlich begrenzt. Sie endet mit dem Tod.
◦ Scheidung will er nicht, rechnet aber mit der Realität dieser und toleriert sie (1Kor 7).
Gleichgeschlechtliche Praktiken lehnt er moralisch ab, eine solche Beziehung hat er aber
noch gar nicht im Blick.
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