Bibelstunden 6. Woche 2004 1Kor 7,17 – 9,18 Das große Thema dieser Woche ist die „Freiheit eines Christen“. Interessanterweise ist es wohl eine Freiheit, die Rahmen braucht. Das klingt für den postmodernen Menschen paradox, aber Paulus zeigt in diesen Kapiteln auf, dass nur dieses Paradoxon die Freiheit in sich beherbergt. Aufruf zur Gelassenheit (1Kor 7,17-24) Zu den großen und ständig gestellten Lebensfragen unserer Zeit gehören wohl die Fragen: „Bin ich hier richtig? Bin ich so richtig? Tue ich das Richtige? Kann ich hier was werden?“ Es scheint hier eine große Verunsicherung zu geben. Daher wohl auch oft die beinahe panikartigen Fluchten aus verschiedensten Lebensumständen, wenn’s nicht mehr so recht läuft. Wenn’s dick kommt, stellen Menschen heute schneller denn je die Sinnfrage an das Ganze oder zumindest an das, was sie gerade beschäftigt: Diese Ehe, diese Schule, diese Arbeit, diese Familie, dieser Beruf... Wenn ein Mensch Christ wird und sich vieles ändert, dann hofft er oftmals auch, dass sich die Umstände ändern, in denen er lebt. Da kommt es dann zu den ersten Enttäuschungen, wenn die Ehe nicht gleich besser, der Chef nicht gleich netter und die Schule nicht gleich angenehmer wird, obwohl doch jetzt Jesus in meinem Leben ist. Müsste er nicht auch hier....? Ähnlich ging es den Korinthern in manchen Fragen. Besonders ging es um die Frage der Beschneidung und darum, ob Sklaven eigentlich Sklaven bleiben müssten. Dass man nicht erst Jude werden muss (Beschneidung), um Christ werden zu können, hatte das Apostelkonzil (Apg 15) ja schon geklärt. Was aber ist, wenn z.B. ein Sklave und sein Herr in der Gemeinde zu Brüdern werden? Weiter, kann ein Sklave, der Christ wird, überhaupt Sklave bleiben? Muss Christus ihn nicht auch daraus befreien? Hier hinein schreibt Paulus diese Verse. Wir Christen sollten uns also so etwas wie eine „träge Sicherung“ einbauen, die nicht bei jeder Stromschwankung rausspringt. Hier wird noch einmal deutlich, was es wirklich bedeutet, in Christus frei zu sein, so wie es Luther sagte in seinem Werk „Von der Freiheit eines Christenmenschen: Christenmensch [...] ein freier Herr über alle Ding und niemand untertan; keiner Kirche, keinem Papst, keinem Pfarrer, keinen Reliquien, keinen Wallfahrten, ... Der Glaube ist die christliche Freiheit. Gott hat die Erfüllung Seiner Gebote allein in den Glauben gestellt. Alles dient dem Glaubenden zum Guten. Gerade deswegen hat der Glaubende Verantwortung gegenüber sich selbst und gegenüber seinen Mitmenschen. Gegenüber sich selbst: Der Leib muss zum Diener der Seele gemacht werden. Denn die Seele will ihrem Herrn Jesus Christus dienen. Lässt sie jedoch den Leib tun, was er will, macht er sich zum Herrn der Seele, sodass sie ihm (dem Leib) dienen muss. So züchtigt der Glaubende seinen Leib freiwillig, um Gott zu gefallen. Gegenüber seinen Mitmenschen: Zugleich darf der Glaubende, weil er selbst das Geschenk der Errettung durch Glauben erhalten hat, seinem Nächsten dienen. Dies tut er wiederum freiwillig – und aus Liebe, weil er selbst von seinem Herrn geliebt ist. Insofern ist ein Christenmensch [...] ein dienstbarer Knecht aller Ding und jedermann untertan. Die Freiheit liegt also zum einen nicht in der äußeren Freiheit und die Knechtschaft nicht in äußerer Knechtschaft, sondern in einer Freiheit, die beides überragt. Diese Freiheit zu besitzen, ist eine wichtige Vorrausetzung, um in der „letzten Zeit“ als Christ durchhalten zu können. Paulus erinnert daran, dass diese Freiheit einen hohen Preis gefordert hat. Wir sind nicht Losgerissene, sondern Freigekaufte und der Preis war das Leben Jesu (Mt 20,28). Darum wäre es nun fatal, diese Freiheit zu missbrauchen oder zu missverstehen. Haben, als hätte man nicht“ (1Kor 7,25-8,13) Im Folgenden spricht Paulus besonders über die Frage der familiären Bindung von Christen. Er selbst ist ja ledig (1Kor 7,7), aber für viele junge Christen stellte sich die Frage: „Soll ich noch heiraten, wenn doch bald die große Bedrängnis losgeht (1Kor 7,26-28) bzw. wo doch jetzt alles darauf ankommt, das Reich Gottes auszubreiten (1Kor 7,32-33)?“ Diese Fragestellung enthielt wohl ein Brief, den die Korinther an Paulus geschrieben hatten. Er nimmt sie zum Anlass, sich grundsätzlich darüber zu äußern, wie es sich für Christen mit den Dingen und Beziehungen dieser Welt verhält (1Kor 7,29-31). 1 In Vers 31 schwingt noch einmal der Satz aus 1Kor 6,12 mit. Natürlich benötigt auch ein Christ alle äußeren Dinge zum Leben, aber er tut es anders. Man könnte sagen: Ein Christ investiert sein Leben nicht in diese Dinge. Sein Leben investiert er in das Reich Gottes. Das ist auch ein Schlüssel zum Verständnis christlicher Freiheit - eigentlich aller Freiheit überhaupt. Es gibt für den Menschen keine totale Freiheit. Er steht immer vor der Frage, wohinein er sich mit Leib und Seele investieren will, wofür er bereit ist, sich von anderen Dingen loszumachen. Wer sich von Gott losmacht, investiert sein Leben in sich selbst, oder er ist gelenkt von seinen Trieben, oder von einer guten Idee. Alles andere wird nicht völlig verschmäht, aber es muss immer dem einen nützen. Wer sein Leben an Jesus festmacht und in ihm seinen Retter erkennt, macht sich von den anderen Dingen los, um sich ganz in Jesu Sache zu investieren. Alles andere ist noch da, aber alles nützt diesem einen Ziel, dem wir uns mit Haut und Haar verschrieben haben, weil wir darin die einzige Hoffnung sehen. Insgesamt geht Paulus hier sehr vorsichtig, fast zart, mit den Korinthern um. Er gibt freundliche Ratschläge, die den Trieb des Menschen und seine Beziehungsbedürftigkeit berücksichtigen. Seine Ratschläge haben so gar nichts von starren Gesetzen, die auf Gedeih und Verderb gehalten werden müssen. Über allem steht der Satz aus 1Kor 7,28b. Immer wieder stieß Paulus gerade bei den Korinthern auf das Missverständnis, dass die Freiheit eine rein geistige Freiheit sei, die mit den äußeren Dingen nichts zu tun habe. Erkenntnis, Freiheit, Liebe (1Kor 8,1-13) Jede Schlachtung von Tieren hatte in Korinth religiösen Charakter, da von jedem geschlachteten Tier ein Teil einer Gottheit als Opfer dargebracht wurde. Daher konnte man damals kein Fleisch essen, ohne irgendwie mit dem Götterkult der Griechen zu tun zu bekommen. Die korinthischen Judenchristen mieden dies, um nicht Götzendienst zu begehen. Einige ehemalige Heiden meiden es, um nicht mit der heidnischen Vergangenheit ihr Gewissen neu zu belasten. Eine dritte Gruppe sagte sich: „Es gibt nur einen Gott, daher kann es im Grunde gar kein Götteropfer geben, also ist das Fleisch neutral und jeder kann es essen. Das sind die, die Paulus in V 1+2 auf ihre „Erkenntnis“ anspricht. Paulus tut in diesem Absatz beides: Er spricht die „Superschlauen“ darauf an, dass Liebe zum Mitbruder wichtiger ist, als eigene geistliche Größe und Erkenntnisprotzerei. Die Erkenntnis dieser Leute ist nicht falsch an sich, sie ist nur falsch praktiziert, wenn sie die anderen in Gewissennöte bringt. Die Ängstlichen aber will auch beruhigen mit Worten, die eigentlich auf einem Jesuswort basieren (1Kor 8,7+8 / Mt 15,11). Hier kommt ein weiterer Aspekt zur Freiheit hinzu: Liebe. Die Liebe ist höher und größer als die persönliche Freiheit. Das ist die Brücke zu Kapitel 9, wo Paulus von seiner eigenen Freiheit spricht. Freiheit in Liebe (1Kor 9,1-27) Mehrere Worte des AT und auch Jesusworte (Lk 10,7) sprechen den Aposteln das Recht zu, sich von ihren Gemeinden ernähren zu lassen. Im antiken Griechenland war dies allerdings auch die Eigenart der Philosophen und Redner,: Sie ließen sich bezahlen. Um nicht als einer zu gelten, der für Geld seine schönen Gedanken verkauft, hat Paulus in Korinth bewusst darauf verzichtet. In diesen Versen versucht er aufzuzeigen, dass er eine Freiheit in sich trägt, die eine andere Freiheit überragt: Er hätte das Recht gehabt und sich die Freiheit nehmen können, sich bezahlen/versorgen zu lassen. Aber die Liebe zu den verlorenen Korinthern war stärker als der Hang zur Bequemlichkeit, darum tat er eben dies nicht (1Kor 9,15-19) In den Versen 19-27 wird klar, wie sehr Paulus sich von seiner Bequemlichkeit, seinen eigenen Bedürfnissen und Sichtweisen frei macht, nur um in der Bindung an Christus seinen Auftrag zu erfüllen. Fazit: Jede Freiheit macht uns von etwas los, in dem sie uns an etwas anderes bindet. Jede Freiheit macht uns von jemandem los, in dem sie uns an jemand anderen bindet. Die Freiheit des Christen macht ihn von sich selbst los und bindet ihn an den Christus. Die Freiheit in Christus macht uns von Anerkennung und Kritik anderer unabhängig. LKG Verden, Prediger Gerd Voß, 3.2.2004 2