Das Virtuosenhirn: Zur Hirnphysiologie sensomotorischer Höchstleistungen beim Musizieren Eckart Altenmüller Institut für Musikphysiologie und Musiker-Medizin Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover www.immm.hmt-hannover.de Gliederung 1. Was bedeutet „Virtuosität“ 2. Hirnphysiologische Anpassungen durch Musizieren 3. Musik als mächtigster Plastizitätsmotor: Felix K. 4. Das Ende der Evolution? Musikerdystonie 5. Zusammenfassung und Ausblick Gliederung 1. Was bedeutet „Virtuosität“ 2. Hirnphysiologische Anpassungen durch Musizieren 3. Musik als mächtigster Plastizitätsmotor: Felix K. 4. Das Ende der Evolution? Musikerdystonie 5. Zusammenfassung und Ausblick Besonderheiten der pianistischen Kunst: Maxim Kholabukov 17 Jahre (Ukrainer) Student der HMTH Bewegung: Komplexität, hohe Geschwindigkeit der motorischen Funktionen ohne Begrenzung nach oben: Operieren an der Leistungsgrenze Gesellschaft: Vermutete Erwartungen der Hörer Unrealistisches Anspruchsniveau Meine Zukunft Individuelle professional Handlungen pressures professional auch Fehler! pressures Emotionen: Freude, Hingabe, Angst vor Fehlern Reproduktion: Zeitliche und räumliche Zwänge, definierte Zielvariablen Gliederung 1. Was bedeutet „Virtuosität“ 2. Hirnphysiologische Anpassungen durch Musizieren 3. Musik als mächtigster Plastizitätsmotor: Felix K. 4. Das Ende der Evolution? Musikerdystonie 5. Zusammenfassung und Ausblick Um Fehler zu vermeiden muss man Üben: Die 10 Jahre - 10000 Stunden Regel: Psychological Review 100, 1993 Kleine Hirnkunde Supplementäre Motorische A. Aufmerksamkeit Planung Kontrolle Soziales Sprache, Gesten, Symbolisches Verhalten Motorische A. Somatosens. Areale Räumliche Vorstellung Visuelle Regionen Visuelle Areale Auditive Assoziationsareale Das musizierende Gehirn: Ausführung: einzelne Finger Komplexe Bewegungsprogramme: SMA Primäre motorische Rinde Somatosensorische Rückmeldung: Somatosensorische Rinde Entscheidungen: Frontalhirn Handlungskopie Ort unklar? Visuelle Rückmeldung: Sehrinde Akustische Rückmeldung: Hörrinde Das pianistische Gehirn an seiner Leistungsgrenze: Herojo Ruiz M, Jabusch HC, Altenmüller E. Cerebral Cortex 2009 Herojo Ruiz M, Jabusch HC, Altenmüller E. Cerebral Cortex 2009 Das Pianistenwunder: Das Gehirn meldet Fehler, bevor sie begangen werden! Die falsche Note Das anteriore Cingulum: der Ort des Monitorings! Ergebnisse mit der „LoretaAnalyse“ Aus Herojo-Ruiz et al. 2009 30 Minuten musikalisches Training führt zur neuronalen Kopplung zwischen Hörregionen und sensoMotorischen Regionen Bangert und Altenmüller, BMC-Neuroscience 2003 BMC-Neuroscience 2006 Marc Bangert fMRI Versuche bei musikalischen Laien: Reguläre Lerner: 9 Probanden 5 m, 4 f Rechtshändige Studenten Keine formale musikalische Ausbildung Mittleres Alter: 24.2 ± 4.4 Jahre Messung 1: Baseline Messung 2: Nach 30 Minuten des Trainings Messung 3: Nach 6 Wochen des Trainings Wittfoth, Bangert, Peschel, Dengler, Heinze and Altenmüller 2010 (in Vorbereitung) Map group fMRI Versuche bei musikalischen Laien: Reguläre Lerner: 9 Probanden 5 m, 4 f Rechtshändige Studenten Keine formale musikalische Ausbildung Mittleres Alter: 26.2 ± 5.3 Jahre Messung 1: Baseline Messung 2: Nach 30 Minuten des Trainings Messung 3: Nach 6 Wochen des Trainings Wittfoth, Bangert, Peschel, Dengler, Heinze and Altenmüller 2010 (in Vorbereitung) Audio-motorische Korepräsentation nach Klavierunterricht… BA 37 „multimodales Integrationsareale“ BA 32 „emotionale Gürtelwindung“ BA 6 „motorisches Areal“ Wittfoth et al. submitted Motorisch-auditorische Korepräsentationen nach Klaviertraining BA 41 „Hörareal“ Geiger Pianist 16 Streicher, 16 Pianisten, 32 Kontrollen Aus: Bangert and Schlaug Eur J Neuroscience 2007 Spezialisierung der Spezialisten: Effekte von Geigen- oder Klavierspiel auf die Hirnmorphologie: das Omega-Zeichen: Musizieren ist der stärkste Reiz für Neuroplastizität! Plastizität ist die Anpassung des zentralen Nervensystem an (komplexe) Spezialanforderungen Dendriten Axon Zellkern Myelinzelle (Bemarkung) Synapsen Musizieren ist der stärkste Reiz für Neuroplastizität! Dendriten Zellkern Myelinzelle (Bemarkung) Synapsen Wochen Monate Axon Sekunden Minuten Tage Plastizität ist die Anpassung des zentralen Nervensystem an (komplexe) Spezialanforderungen Effizienz der Synapsen Rekrutierung v. Neuronen Anzahl Synapsen Anzahl der Dendriten Anzahl Nervenzellen Dicke der Bemarkung Interaktion mit dem Stützgewebe und Durchblutung des Gewebes Gliederung 1. Was bedeutet „Virtuosität“ 2. Hirnphysiologische Anpassungen durch Musizieren 3. Musik als mächtigster Plastizitätsmotor: Felix K. 4. Das Ende der Evolution? Musikerdystonie 5. Zusammenfassung und Ausblick Musizieren als Plastizitätsmotor Mozart: Hornkonzert in Es Felix Klieser, 17 Jahre alt: Sporadische Amelie Wollte immer Horn spielen! http://www.stiftung-spektra.de Die sensomotorische Repräsentation des linken Fusses von Felix! Zehe 1 Zehe 3 Zehe Probabilistische Nervenbahndarstellung bei Fussbewegungen Kontrollen rechts Felix rechts Kontrollen links Felix links Gliederung 1. Was bedeutet „Virtuosität“ 2. Hirnphysiologische Anpassungen durch Musizieren 3. Musik als mächtigster Plastizitätsmotor: Felix K. 4. Das Ende der Evolution? Musikerdystonie 5. Zusammenfassung und Ausblick Definition Die Musikerdystonie ist eine Verschlechterung der feinmotorischen Kontrolle lang geübter komplexer Bewegungen. Etwa 1% der Berufsmusiker sind davon betroffen. Altenmüller and Jabusch: J. Hand Therapy 22: 2009 Die Musikerdystonie entsteht ab dem frühen 19.ten Jahrhundert Es ist eine kulturell erworbene Erkrankung! Schumanns Symptome……….und Bewältigungsstrategie Aus: Altenmüller 2006 in: Altenmüller et al. Oxford University Press Risikofaktoren 1: Fleiss und Qualität (n = 144 Patienten): Klassische Musiker 93 % Männer 81 % Jüngeres Alter (Beginn vor 40) 80 % Professionelle Position (Solisten): 51 % Persönlichkeit: Kombination von Angst und Perfektionismus 144 Patienten: Jabusch, Zschucke, Schmidt and Altenmüller, Mov. Disorders 20, 2005 Risikofaktor 2: Bestimmte Instrumente n= 591 Musiker mit Dystonie: Musiker mit Dystonie Gesunde Musiker: n=2032 40 male patients Patienten female patients proportion of total population [%] 35 30 Kontrollen 25 patients p < 0.001 controls P < 0.025 20 15 10 5 0 keyboard Piano string Streicher plucking Gitarre woodwind brass percussion Holzbläser Blechbläser Schlagzeug Aus: Baur V, Jabusch HC, Hofmann A, Lim, V, Altenmüller E, 2010 in Vorbereitung Risikofaktoren 3: Belastende Bewegungen Pianisten 40 30 20 10 0 Violinisten number of pts. number of pts. 3 R-Regel: rapide, repetitiv, regelmäßig number of pts. Gitarristen 30 25 20 15 10 5 0 le. hand le. arm ri. hand both hands 15 10 5 0 le. hand le. arm ri. hand Neu: die Genetik spielt auch bei der Musikerdystonie eine größere Rolle als angenommen Dystonie bei Verwandten 1. Grades Bewegungsanomalien: > 36 %! > 70 % (28 Familien mit 97 Probaden untersucht, Kollaboration mit Christine Klein) Schmidt, Jabusch, Altenmüller et al. Neurology 72; 12481294, 2009 Verschmelzung senso-motorischer Repräsentationen begleitet die Erkrankungen Verändert aus: Elbert T, Candia V, Altenmüller E. et al. NeuroReport 1998 9: 3571-3575 Ursache: mangelhafte Hemmung Hemmung ist entscheidend für motorische Kontrolle Möglicherweise entsteht die Verschmelzung Durch ungünstig verlaufende Plastizität Effekte der Plastizität Gliederung 1. Was bedeutet „Virtuosität“ 2. Hirnphysiologische Anpassungen durch Musizieren 3. Musik als mächtigster Plastizitätsmotor: Felix K. 4. Das Ende der Evolution? Musikerdystonie 5. Zusammenfassung und Ausblick Modell der Dystonie-Entstehung Genetisch bedingte Anlage (Hemmungsdefizit) Dystonie Erweitert aus: Altenmüller and Jabusch: Journal Hand Therapy 2009 Modell der Dystonie-Entstehung Im Musiker begründete „intrinsische“ Faktoren Perfektionismus Angstbereitschaft Defektes „Set-Shifting“ Frühes Trauma? Ungünstige Biomechanik Schmerzen, SensibilitätsStörungen Genetisch bedingte Anlage (Hemmungsdefizit) Dystonie Erweitert aus: Altenmüller and Jabusch: Journal Hand Therapy 2009 Modell der Dystonie-Entstehung Im Musiker begründete „intrinsische“ Faktoren Perfektionismus Angstbereitschaft Defektes „Set-Shifting“ Frühes Trauma? Ungünstige Biomechanik Schmerzen, SensibilitätsStörungen Genetisch bedingte Anlage (Hemmungsdefizit) Zeitlich-Räumliche Zwänge, Mechanik des Instruments Übertraining Falsches Training? Dystonie Soziale Zwänge Reproduktion und Fehlerkultur Gesellschaftlich bedingte „extrinsische“ Faktoren Erweitert aus: Altenmüller and Jabusch: Journal Hand Therapy 2009 Konsequenzen für die Vorbeugung Im Musiker begründete „intrinsische“ Faktoren Perfektionismus Angstbereitschaft Defektes „Set-Shifting“ Frühes Trauma? Ungünstige Biomechanik Schmerzen, SensibilitätsStörungen Genetisch bedingte Anlage (Hemmungsdefizit) Zeitlich-Räumliche Zwänge, Mechanik des Instruments Übertraining Falsches Training? Dystonie Soziale Zwänge Reproduktion und Fehlerkultur Gesellschaftlich bedingte „extrinsische“ Faktoren Erweitert aus: Altenmüller and Jabusch: Eur J. Neurol. 2010 Web: www.immm.hmt-hannover.de e-mail: [email protected] Thomas Münte Hans Christian Jabusch an meine (ehemaligen) Studenten: Marc Bangert Sabine Schneider Daniel Scholz Alexander Schmidt, Franziska Buttkus Volker Baur Maria Herrojo Ruiz Und an die vielen unterstützenden Kollegen in Hannover, Magdeburg, Lübeck, Göttingen, München, Hamburg, Kiel, Münster