Musikschulkongress 2009 Berlin, den 16. Mai 2009 Mit Musik die Hirnentwicklung fö fö rdern: Musikalische Frü Früherziehung als Nervenwachstumsfaktor Eckart Altenmüller Institut für Musikphysiologie und Musiker-Medizin (IMMM) Hochschule für Musik und Theater Hannover [email protected] www.immm.hmt-hannover.de Junger Schäfer, Etruskien 490 vor Chr. Junger Quechuao-Musiker, Peru 1997 nach Chr. Mit Musik die Hirnentwicklung fördern Gliederung Mit Musik die Hirnentwicklung fördern Gliederung 1.) Mein Lieblingsorgan und wie es funktioniert 1.) Mein Lieblingsorgan und wie es funktioniert 2.) Die Hörwelt im Uterus und Hörfertigkeiten der Säuglinge 2.) Die Hörwelt im Uterus und Hörfertigkeiten der Säuglinge 3.) Musizieren als Gehirnjogging? 3.) Musizieren als Gehirnjogging? 4.) Macht Musizieren intelligent 4.) Macht Musizieren intelligent 5.) Musik braucht keine Legitimation 5.) Musik braucht keine Legitimation 1 Der Aufbau der Nervenzellarchitektur ist komplex und sehr dynamisch! Kleine Hirnkunde Supplementäre Motorische A. Motorische A. Somatosens. Areale Räumliche Vorstellung Aufmerksamkeit Planung Kontrolle Soziales Visuelle Regionen Visuelle Areale Auditive Assoziationsareale Sprache, Gesten, Symbolisches Verhalten Der Aufbau der Nervenzellarchitektur ist komplex und sehr dynamisch! Vorderpfoten Gipsverband ohne Faserdarstellung der linken Hörrinde mit Aus: Moore (2002) Annals of ORL 111. Aus Schallert et al 2000 2 Entwicklung der neuronalen Vernetzung Mit Musik die Hirnentwicklung fördern Gliederung Die “sensiblen Phasen” Was hört ein Foetus im Mutterleib? 1.) Mein Lieblingsorgan und wie es funktioniert 2.) Die Hörwelt im Uterus und Hörfertigkeiten der Säuglinge 3.) Musizieren als Gehirnjogging? 4.) Macht Musizieren intelligent 5.) Musik braucht keine Legitimation Aus: Phelan and Satt 1987 3 Die „Methodik der Baby-Versuche Ergebnisse von Zentner und Kagan Versuchsaufbau nach Trehub (1989) Die Hörwelt der Feten: ab ca. 28. Woche – Klänge: Zentner und Kagan, Nature 1996 3-6 Monate alte Säuglinge Mit Musik die Hirnentwicklung fördern Gliederung 1.) Mein Lieblingsorgan und wie es funktioniert 2.) Die Hörwelt im Uterus und Hörfertigkeiten der Säuglinge 3.) Musizieren als Gehirnjogging? 4.) Macht Musizieren intelligent Trehub 1984: Säuglinge nehmen Musik eher ganzheitlich wahr 5.) Musik braucht keine Legitimation 4 Periodische Gestaltung Lerneffekte: Korrekte Einschätzung musikalischer Phrasen Änderungen der Großhirn-Aktivierung durch Gehörbildung „Verbal“ „Musikalisch“ Kontrolle Vor: Nach: +5µV +3 +1 -1 -4 -6 -8 -10 -12 -14 -16 -19 -21 -23 -25µV 6 Wochen Training Altenmüller et al. IJAM 5, 1997 5 Änderungen der Großhirn-Aktivierung durch Gehörbildung „Verbal“ „Musikalisch“ Kontrolle 20 Minuten musikalisches Training führt zur neuronalen Kopplung zwischen Hörregionen und sensomotorischen Regionen Vor: +5µV +3 +1 -1 -4 -6 -8 -10 -12 -14 -16 -19 -21 -23 -25µV Nach: Bangert und Altenmüller, BMC-Neuroscience 2003 6 Wochen Training Altenmüller et al. IJAM 5, 1997 Verstärkte Hirnaktivität bei Pianisten im Vergleich zu Nicht klavierspielenden Studenten Langzeit Effekte des Klavierspiels Der antimagnetische Steinway-Flügel erbaut durch: Hören von Klaviermelodien Sprechen in Klängen! Spiel auf einem stummen Klavier Dieter Drescher Das Interface Bangert, M., Peschel, T., Rotte, M., Drescher, D., Hinrichs, H., Schlaug, G., Heinze, HJ., Altenmüller, E. Neuroimage, 2006 6 Mehraktivierung professioneller Pianisten im Vergleich zu Nicht-Musikern beim Beobachten pianistischer Bewegungen Musizieren als Vernetzungskunst Supplementäre Motorische A. Das pianistische „Spiegelneuron-Netzwerk“ Motorische A. Somatosens. Areale Räumliche Vorstellung Aufmerksamkeit Planung Kontrolle Soziales Visuelle Regionen Haslinger B, Erhard P, Altenmüller E, et al. J. Cogn Neuroscience 17, 282-293 (2005) Vergrößerte Handregion links bei Streichern Sprache, Gesten, Symbolisches Verhalten Visuelle Areale Auditive Assoziationsareale Unterschiede der grauen Substanz bei Musikern (Voxel-Based-Morphometry, Gaser und Schlaug 2003) Hirnregionen, in denen eine positive Korrelation zwischen musikalischer Fertigkeit und Vergrößerung des Volumens der grauen Substanz gefunden wurde Aus: Elbert et al., Science 1995 20 Musiker, 20 Amateure, 40 Nicht-Musiker (nur männlich) 7 Wirkung von Klavierspiel Spezialisierung der Spezialisten: Effekte des Geigen- und Klavierspiels auf die Hirnstruktur: das Omega-Zeichen Geiger Pianisten Hirnphysiologische Veränderungen bei Kindern (VBM): Ergebnisse einer Querschnittsstudie an Kindern, die 9 bis 11 Jahre alt sind: Die „Musikkinder“ hatten 4 Jahre Unterricht Je Gruppe waren 12 Kinder eingeschossen Bangert et al. Eur. J. Neurosc. 2007 Musizieren ist ein extrem starker Reiz für neuronale Plastizität Musizieren ist der stärkste Reiz für Neuroplastizität! Plastizität ist die Anpassung des zentralen Nervensystem an (komplexe) Spezialanforderungen 1.) Effizienz der Synapsen 2.) Rekrutierung v. Neuronen 3.) Anzahl Synapsen 4.) Anzahl der Dendriten Dendriten 5.) Anzahl Nervenzellen 6.) Dicke der Bemarkung Axon Zellkern Myelinzelle (Bemarkung) Synapsen 7.) Interaktion mit dem Stützgewebe und Durchblutung des Gewebes 8 Dopamin-Ausschüttung ist für das Lernen wichtig: Motivation: „Rage to Master“ Mit Musik die Hirnentwicklung fördern Gliederung 1.) Mein Lieblingsorgan und wie es funktioniert 2.) Die Hörwelt im Uterus und Hörfertigkeiten der Säuglinge 3.) Musizieren als Gehirnjogging? 4.) Macht Musizieren intelligent Langzeit-Potentierung ist ein Korrelat des Lernens: Dopamin und Endorphine modulieren synaptische Effizienz Transfer – von Musikgarten in das Leben Es gibt drei Arten von Transfer: 5.) Musik braucht keine Legitimation Die Leipziger Chorsängerstudie: von Sebastian Jentschke und Stefan Kölsch 14 Thomaner-Kinder - Alter 11 Jahre 14 Nicht-Sänger Alter 11 Jahre a.) Nahtransfer (z.B. in China Gedächtnisleistungen) b.) Ferntransfer (z.B. Mathematisches Denken) c.) Indirekter Transfer: z.B. Konzentration Ausdauer Strategiebildung (sich durchbeissen) Selbstvertrauen Positive Interaktionen mit anderen Menschen FAZIT: Chorkinder haben ein feineres Musikgefühl 9 Der Mozart-Effekt Die Leipziger Chorsängerstudie: von Sebastian Jentschke und Stefan Kölsch 14 Thomaner: Alter 11 Jahre 14 Nicht-Sänger: Alter 11 Jahre A B C D E Papier Falt- und Schneide-Aufgabe FAZIT: Chorkinder haben ein feineres Sprachgefühl Schellenberg‘s Requiem zum Mozart Effekt 18 Silence Music 14 12 10 18 8 16 6 Mozart Schubert Mean PF&C Score Mean PF&C Score 16 Story Mozart 14 12 10 8 6 Story Mozart Preference 10 Das McGill Piano Project von Costa-Giomi Das McGill Piano Project von Costa-Giomi 550 550 Control 530 Mathematische Linguistische Kognitive Fertigkeiten Experimental 510 D C A T T o ta l S c o r e 490 470 450 .05 * *p p==.05 430 410 390 510 Control Mathematische Linguistische Kognitive Fertigkeiten Experimental 490 D C A T T o ta l S c o r e 530 470 450 * p = .05 430 410 390 370 N-exp. =67 Kinder 350 1994 1995 1996 1997 Year Journal of Research in Music Education, 1999 370 1994 N-contr. =50 Kinder Musizieren erhöht doch den IQ? N-exp. =67 Kinder 350 1995 1996 1997 Year Journal of Research in Music Education, 1999 N-contr. =50 Kinder Keyboard Training verbessert die Fähigkeit, Emotionen zu erkennen N = 144 N = 43 6-jährige Kinder 6-jährige Kinder 36 Wochen Unterricht 36 Wochen Unterricht aus: Schellenberg 2004 aus: W. Thompson et al. Oktober 2004 11 Mit Musik die Hirnentwicklung fördern Gliederung 1.) Mein Lieblingsorgan und wie es funktioniert 2.) Die Hörwelt im Uterus und Hörfertigkeiten der Säuglinge 3.) Musizieren als Gehirnjogging? 4.) Macht Musizieren intelligent 5.) Musik braucht keine Legitimation Junger Schäfer, Etruskien 490 vor Chr. Junger Quechuao-Musiker, Peru 1997 nach Chr. Zusammenfassung Offene Fragen und Forschungsbedarf 1.) Die neuronale Reifung im Kindesalter ist hoch dynamisch 2.) Musikerziehung beginnt im Mutterleib und findet statt solange gehört wird 3.) Musizieren fördert Hirnplastizität – dies liegt an den besonderen Qualitäten des Musizierens 4.) Musikerziehung kann Transfer auf andere Leistungen haben – aber Auswirkung auf den IQ ist gering – die emotionale Kompetenz ist der wichtigere Kandidat 5.) Musik muss sein – aus anderen Gründen Es fehlen wissenschaftliche Studien: Indirekter Transfer? Emotionale Kompetenz? Positive Langzeitauswirkungen für das Individuum? Gesellschaftliche Auswirkung? Anregungen: •BMBF Initiative mit Pädagogen und Neurowissenschaftlern •Unterstützung der Musikalisierungsprojekte •Wissenschaftliche Begleitung •Unterstützung anderer künstlerischer Projekte •Nutzung der Chancen multipler Kulturrepräsentationen 12