Interview T-Online

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Wenn bei Schwangeren der kleine Hunger kommt…
Heißhunger auf eine saure Gurke mit Schokocreme, Lebkuchen mit Senf oder kiloweise Orangen und zwar nur von
einer ganz bestimmten Sorte – die Gelüste, die schwangere Frauen bisweilen überkommen, versetzen ihre Umwelt
gar nicht erst ins Staunen. Man kennt das ja. Doch woher kommt der seltsame Heißhunger, was wollen Körper und
Seele uns damit sagen? Eltern.t-online ist der Sache auf den Grund gegangen:
Hormone verändern die Wahrnehmung
Die Hormone sind schuld. Zumindest tragen sie einen Hauptanteil an den außergewöhnlichen Appetitanwandlungen
schwangerer Frauen. Durch die hormonellen Veränderungen in der Schwangerschaft, vor allem zu Beginn durch die
Erhöhung des sogenannten HCG-Wertes, kann sich die Wahrnehmung von Geruch und Geschmack verschieben. Plötzlich
mag man Dinge, die einen vorher nicht interessiert haben oder man mag sie eben nicht mehr. Und zwar überhaupt nicht
mehr.
Der Körper zeigt deutlich, was er braucht
Hinzu kommen die Hormone des Kindes. Amerikanische Wissenschaftler zum Beispiel haben herausgefunden, dass der
Heißhunger nicht nur auf einen erhöhten Energiebedarf hinweisen kann, sondern dass dieser Energiebedarf noch größer ist,
wenn die Mutter einen Jungen erwartet. Oft deuten die Heißhungerattacken auch auf einen schwankenden
Blutzuckerspiegel hin, der durch den ewigen Appetit und damit viele kleine Mahlzeiten auf einfache Weise reguliert wird.
Das gleiche Bedürfnis bei jeder Schwangerschaft
Es kann aber durchaus auch ein Mangel an bestimmten Nährstoffen dahinterstecken, wenn sich plötzlich unbändiger Appetit
ausbreitet. So wie bei Sonja, deren Körper sich gerade für eine schwangere Frau einen sehr ungewöhnlichen Weg gesucht
hat. Die 41-Jährige hat drei Kinder und alle drei haben sich mit einer enormen Lust auf Bier angekündigt. Ein Getränk, das
sie sonst gar nicht mag und deswegen auch nicht zuhause hatte. „Darüber bin ich echt froh, denn sonst hätte ich sicher in
den unbemerkten ersten Wochen der Schwangerschaft schnell mal eines aufgemacht.“ Bei der zweiten Schwangerschaft
wurde ich dann sofort skeptisch und bei der dritten ist mein Mann gleich ohne Test losgelaufen und hat mir grinsend einen
Kasten alkoholfreies Bier hingestellt.“ „Vor allem das Lactoflavin tut dem Wachstum und der Entwicklung des Embryos gut.
Auch Vitamin B3, Vitamin E und Kalium sind enthalten“, erklärt die Münchner Ernährungsberaterin Karina Haufe im
Gespräch mit eltern.t-online das seltsam anmutende Bedürfnis. Trotzdem warnt sie davor, auch bei der alkoholfreien
Variante auf 0,0 Prozent Alkohol zu achten und selbst dieses nicht zu oft zu trinken. „Ab und an mal ein Glas ist in Ordnung,
aber nicht mehr, denn der auch im alkoholfreien Bier enthaltene Hopfen könnte sich sonst negativ auf den Fötus auswirken.“
Die Vorlieben unterscheiden sich je nach Region
Vor allem Rollmöpse und sauer eingelegtes Gemüse, wie die berühmte saure Gurke, verbindet man hierzulande
automatisch mit dem Thema Schwangerschaft. Hierfür gibt es sogar eine ernährungswissenschaftliche Erklärung:
Sauerkonserven beinhalten viel Vitamin C und das wiederum braucht der Körper, um das in der Schwangerschaft so
wichtige Eisen zu verwerten. In Mittelmeerländern steigt dagegen die Lust auf Knoblauch und Ingwer. „Die Ernährung in
diesen Ländern ist generell anders als die typisch deutsche Ernährung“, so Haufe. „Somit haben Frauen in diesen Ländern
auch eine andere Versorgung mit Makro- und Mikronährstoffen und demzufolge auch etwaige andere
Mangelerscheinungen.“
Afrikanische Frauen essen Steine
In Kenia zeigt sich Mangelernährung bei Schwangeren auf sehr seltsame Weise. Die Frauen dort essen Erde, aber auch
Steine. Diese werden sogar traditionell kiloweise auf dem Markt verkauft. Ärzte sehen diese Erscheinung – die es ganz
selten auch in Deutschland gibt und hier den Namen Pica-Syndrom trägt – sehr kritisch. Denn erstens liegen die Steine im
Magen und verhindern so die Aufnahme anderer, gesünderer Lebensmittel und zweitens verursachen sie Darmprobleme.
Schwangere, die hierzulande also plötzlich Lust auf Rost, Erde oder andere eigentlich nicht-essbare und vielleicht sogar
giftige Dinge haben, sollten schnellstmöglich einen Arzt aufsuchen um abzuklären, was dahintersteckt.
Vorsicht beim Appetit auf Rohmilchkäse und Co
Überhaupt ist es wichtig, dass schwangere Frauen darauf achten, was sie zu sich nehmen. „Ich hatte dauernd Lust auf
rohen Schinken und Tartar, dabei wusste ich, dass genau das zu den Lebensmitteln gehört, die man als Schwangere besser
nicht essen soll. Das hat mich fast verrückt gemacht, ich habe sogar von Carpaccio geträumt“, erzählt Claudia im Nachhinein
amüsiert. Das Interessante an der Sache: Sie ist eigentlich überzeugte Vegetarierin. „Auch hier lässt sich der starke Appetit
auf rohes Fleisch mit dem erhöhten Eisenbedarf erklären.“ Wenn man das erkannt hat, kann man nach Alternativen suchen,
die für das Baby ungefährlich sind.
Endlich darf man mal sündigen
Aber auch seelische Gründe können der Grund für seltsame Gelüste sein. Viele Frauen verbieten sich heute eine ganze
Menge Lebensmittel, vor allem in der Kombination von süß und fett. Durch die Schwangerschaft ist Essen aber wieder
erlaubt und endlich darf man jedem noch so kleinen Appetit nachgeben. Es könnte ja sein, dass in dem Stück Torte, nach
dem es einen gerade so gelüstet, Nährstoffe drin sind, die das Baby grad so dringend braucht. Diese Tatsache ist so etwas
wie ein Freifahrtschein für genussvolles Essen ohne Kalorienzählen. „Ich habe bei meinem ersten Kind 25 Kilo
zugenommen. Ich fand’s toll, dieser erlaubten Lust aufs Essen in vollen Zügen nachzugeben“, schmunzelt Silke. „Als ich
dann mit unserem Sohn schwanger war, war ich deutlich vorsichtiger, denn das Abnehmen hinterher war alles andere als ein
Spaß.“
Eine ausgewogene Ernährung erlaubt kleine Sünden
Mediziner raten stark davon ab, während der Schwangerschaft übermäßig zu schlemmen oder stark einseitig zu essen.
„Allerdings“, meint Karina Haufe, „sollte man den Heißhunger auch nicht die ganze Schwangerschaft über unterdrücken,
denn die daraus entstehende Unzufriedenheit kann sich auf das ungeborene Kind übertragen.“ Wenn man es nicht
übertreibt, darf man den Essgelüsten also durchaus nachgeben. Ab und zu. Denn wenn man sonst auf eine ausgewogene
und gesunde Ernährung und damit auf eine gute Grundversorgung des Babys achtet, dann ist ein Rieseneisbecher mit
Sahne schon mal drin.
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