Quantenmechanik II Prof. A. Wipf Theoretisch-Physikalisches-Institut Friedrich-Schiller-Universität, Max Wien Platz 1 07743 Jena 9. Auflage, WS 2008/09 1. Auflage, SS 1995 Hinweise auf Tippfehler und andere Unzulänglichkeiten sind willkommen (per email an: [email protected]) Inhaltsverzeichnis 1 Einführung, Literatur 1.1 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Mehrkörpersysteme 1 3 2.1 Hamiltonoperator und Hilbertraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 2.2 Identische Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.2.1 Permutationen und Symmetrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2.2.2 Nichtwechselwirkende identische Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . 10 2.2.3 Ideales Fermigas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2.2.4 Thomas-Fermi Näherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.2.5 Thomas-Fermi Atome 2.2.6 Hartree-Fock-Näherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2.3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Aufgaben zu Kapitel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3 Addition von Drehimpulsen mit Anwendungen 29 3.1 Addition von Drehimpulsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3.2 Clebsch-Gordan Koeffizienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3.3 Tensoroperatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 3.3.1 Skalare Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1 INHALTSVERZEICHNIS 3.4 3.5 Inhaltsverzeichnis 2 3.3.2 Tensoroperatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3.3.3 Berechnung von Landé-Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Das reale Wasserstoffatom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 3.4.1 Feinstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 3.4.2 Die Hyperfeinstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Aufgaben zu Kapitel 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 4 Zeitabhängige Störungen 53 4.1 Dysonsche Reihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 4.2 Erste Ordnungs Übergänge und goldene Regel . . . . . . . . . . . . . . . . 56 4.2.1 Plötzliches Einschalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 4.2.2 Adiabatische Näherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 4.2.3 Periodische Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 4.3 Zweite Ordnungs Übergänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 4.4 Absorption und Emission von Strahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 5 Streutheorie 68 5.1 Wirkungsquerschnitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 5.2 Potentialstreuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 5.2.1 Bornsche Reihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 5.2.2 Elastische Streuung von Elektronen an Atomen . . . . . . . . . . . 76 5.3 Die Coulombstreuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 5.4 Partialwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 5.4.1 Optisches Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 5.4.2 Analytische Eigenschaften der Streuamplitude . . . . . . . . . . . . 86 ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II INHALTSVERZEICHNIS 5.4.3 Inhaltsverzeichnis 3 Das attraktive Exponentialpotential: s-Wellen Kanal . . . . . . . . 92 5.5 Elastische Streuung gleichartiger spinloser Teilchen . . . . . . . . . . . . . 95 5.6 Elastische Streuung gleichartiger Spin-1/2 Teilchen . . . . . . . . . . . . . 97 5.7 Formale Streutheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 5.7.1 Møller-Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 5.7.2 Der Streuoperator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 6 Klein-Gordon-Gleichung 6.1 Poincare Transformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 6.1.1 6.2 6.3 104 Die Lie-Algebra der Lorentzgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Klein-Gordon Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 6.2.1 Probleme mit der Wahrscheinlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 6.2.2 Zustände mit positiver und negativer Energie . . . . . . . . . . . . 114 6.2.3 Kopplung ans elektromagnetische Feld . . . . . . . . . . . . . . . . 116 6.2.4 Ladungskonjugation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Pionische Atome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 7 Das Diracsche Elektron 122 7.1 Diracgleichung für freie Elektronen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 7.2 Aufspaltung der Diracgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 7.3 Lorentz-Kovarianz der Diracgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 7.4 7.3.1 Transformationsgesetz für Spinoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 7.3.2 Bilineare (Pseudo)Tensorfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 7.3.3 Ebene Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Ankopplung ans elektromagnetische Feld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II INHALTSVERZEICHNIS 7.5 Inhaltsverzeichnis 4 Hamiltonscher Formalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 7.5.1 Kräftefreie Lösungen der Dirac-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . 135 7.6 Ladungskonjugation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 7.7 Nichtrelativistische Näherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 7.7.1 Die Foldy-Wouthuysen Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . 140 7.7.2 Interpretation der Terme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 7.8 Drehimpuls und kleine Lorentz-Transformationen . . . . . . . . . . . . . . 144 7.9 Elektronen in elektromagnetischen Wellenfeldern . . . . . . . . . . . . . . . 147 7.9.1 Zweite Ordnungs-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 7.9.2 Die Lösung von Volkov . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 8 Das relativistische Zentralkraftproblem 151 8.1 Transformation auf Polarkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 8.2 Der Diracsche Erhaltungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 8.3 Die radiale Dirac-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 8.4 Wasserstoff Spektrum und Feinstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 9 Zweite Quantisierung 168 9.1 Identische Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 9.2 Fockraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 9.2.1 Mehrteilchenoperatoren ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 Kapitel 1 Einführung, Literatur Zusätzlich zu der in der Vorlesung Quantenmechanik I angegebenen Literatur kann ich folgende Bücher empfehlen: G. Gottfried and T.M. Yan, Quantum Mechanics: Fundamentals; Springer, 2003 C. Cohen-Tannoudij, B. Diu und Laloe; Quantenmechanik I+II, de Gruyter, 2009 J. Sakurai, Modern Quantum Mechanics; 2. Auflage, Pearson 1993 A. Galino und P. Pascual, Quantum Mechanics I und II ; Springer, 1990 und 1991 S. Gasiorowicz, Quantenphysik ; 8. Auflage, Oldenbourg, 2002 L.I. Schiff, Quantum Mechanics, McGraw-Hill, 1968 A.S. Dawydow, Quantenmechanik ; J.A. Barth, 1992 J. Townsend, A modern Approach to Quantum Mechanics; Mc.Graw-Hill, 2000 R. Jost, Quantenmechanik I, II ; Verlag der Fachvereine der ETH Zürich, 1969 und 1973 H. Rollnik, Quantentheorie I und II ; Springer, 2003 und 2002 V. Müller, Quantenmechanik ; Oldenbourg, 2000 R. Becker und F. Sauter, Theorie der Elektrizität 2, 10. Auflage, Teubner, 1970 1.1 Einführung Im letzten Semester haben Sie die Grundlagen der Quantenmechanik kennengelernt. In der Schrödingerschen Wellenmechanik beschreibt der zeitabhängige Vektor |ψ(t)i den Zustand des Systems zur Zeit t. Die Eigenwerte des einer Observablen zugeordneten (selbstadjungierten) Operators sind die möglichen Meßresultate für diese Observable. Wir haben die zeitunabhängige Schrödingergleichung für ein Teilchen im Zentralfeld gelöst und dabei wesentlichen Gebrauch von der Drehsymmetrie gemacht. Die dritte Komponente und das Quadrat des Drehimpulses können gleichzeitig mit dem Hamilton-Operator diagonalisiert 1 1. Einführung, Literatur 1.1. Einführung 2 werden und gestatten eine explizite Lösung des Coulomb-Problems. Die Quantentheorie kann in verschiedenen Bildern formuliert werden. Neben dem Schrödinger- und Heisenbergbild ist in der wichtigen Streutheorie das Wechselwirkungsbild von Interesse. Im letzten Semester haben wir einfache Mehrteilchensysteme besprochen und die zeitunabhängige Störungstheorie kennengelernt. Diese Resultate werden wir hier vertiefen und erweitern. Wir beginnen die Vorlesung Quantenmechanik II mit der Einführung in Mehrkörpersysteme. Ein wichtiger Spezialfall sind Systeme bestehend aus identischen Teilchen. Wegen der prinzipiellen Ununterscheidbarkeit der Teilchen sind die Wellenfunktionen vollständig symmetrisch oder vollständig antisymmetrisch in den Teilchenkoordinaten. Als Anwendung behandeln wir ideale Fermigase, sogenannte Thomas-Fermi-Atome und die HartreeFock-Näherung. Es folgt eine Diskussion von Atommodellen und der Addition von Drehimpulsen. Im nächsten Kapitel folgt eine Einführung in die zeitabhängige Störungstheorie und die Streutheorie. Hier werden die goldene Regel von Fermi und verschiedene Einschaltvorgänge diskutiert. In der Streutheorie wird zuerst die Potentialstreuung behandelt. Als Anwendung betrachten wir die elastische Streuung von Elektronen an Atomen. Es folgt die Partialwellenanalyse der Potentialstreuung an kugelsymmetrischen Potentialen und das optische Theorem. Danach behandeln wir relativ ausführlich die Coulomb-Streuung und die Streuung gleichartiger Teilchen. Der Rest der Vorlesung ist der relativistischen Quantenmechanik und Quantenfeldtheorie gewidmet. Dabei wird die Diracsche Theorie des Elektrons einen großen Raum einnehmen. Die Diracgleichung ist die relativistische Verallgemeinerung der wohlbekannten Schrödingergleichung. Danach wird die wichtige Methode der sogenannten zweiten Quantisierung besprochen. Sie ist eine sehr effiziente Methode, um Mehrteilchensysteme in der Festkörperphysik und relativistischen Teilchenphysik zu behandeln. In Form der relativistischen Quantenfeldtheorien ist sie das Werkzeug zum Verständnis der Elementarteilchen und den Vermittlern ihrer gegenseitigen Wechselwirkungen. ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II Kapitel 2 Mehrkörpersysteme In der Quantenmechanik I wurden das nichtrelativistische Wasserstoffatom ausführlich behandelt. Nach Abspaltung der Schwerpunktsbewegung vereinfacht es sich auf ein exakt lösbares Einkörperproblem. Berücksichtigt man allerdings die relativistische Spin-BahnKopplung oder wird ein äußeres Feld angelegt, so können die Energieniveaus und Eigenfunktionen des Wasserstoffatoms nur mit Näherungsmethoden berechnet werden. Auch das Heliumatom entzieht sich einer exakten Behandlung. Seine Eigenschaften können zum Beispiel mit Hilfe der Schrödingerschen Störungstheorie oder der Variationsmethode berechnet werden. In diesem Kapitel werden wir weitere Methoden kennen lernen, um die Dynamik von N Teilchen zu behandeln. Da sich Wechselwirkungen mit endlicher Geschwindigkeit ausbreiten, kann bereits die klassische Wechselwirkungsenergie nicht nur von den Teilchenorten zu einer festen Zeit abhängen. Sind aber die Relativgeschwindigkeiten der Teilchen des Systems klein verglichen mit der Lichtgeschwindigkeit, dann ändern sich deren Koordinaten (zum Beispiel Orte und Spins) während der Zeit der Übertragung der Wechselwirkung zwischen den Teilchen nur wenig. Dann kann man bis zu Gliedern der Ordnung (v/c)2 die Hamiltonfunktion als Funktion allein der Orte, Impulse und Spins aller Teilchen des Systems definieren. 2.1 Hamiltonoperator und Hilbertraum Wir behandeln in diesem Kapitel Systeme, für die die nichtrelativistische Näherung gültig ist. Dann hat der Hamilton-Operator die Form N X pi2 H= + V (x1 , . . . , xN ) + W. 2mi i=1 3 (2.1) 2. Mehrkörpersysteme 2.1. Hamiltonoperator und Hilbertraum 4 V ist von der Ordnung (v/c)0 und beschreibt denjenigen Anteil der Wechselwirkungsenergie, der nur von den Orten der Teilchen abhängt. W ist von der Ordnung (v/c)2 und enthält die Spin-Bahn-Wechselwirkung. W ist eine Funktion der Orte, Impulse und Spins der Teilchen und berücksichtigt teilweise die Retardierung der Wechselwirkung. Die Zeitentwicklung des ungestörten Mehrkörpersystems folgt aus der zeitabhängigen Schrödingergleichung i~ ∂ |ψi = H|ψi. ∂t (2.2) Wir stellen uns vor, dass ein Gesamtsystem durch die Kopplung von Teilsystemen entsteht. Dabei müssen die Teilsysteme nicht notwendigerweise Einteilchensysteme sein. Die Formalisierung der Kopplung von N Systemen zu einem Gesamtsystem geschieht durch Einführung des Tensorproduktes der Hilberträume H1 , . . . , HN der Einzelsysteme, H = H1 ⊗ H2 ⊗ · · · ⊗ HN . (2.3) Für das Tensorprodukt von Vektoren der Teilräume schreiben wir |ψ1 i ⊗ |ψ2 i ⊗ · · · ⊗ |ψN i ≡ |ψ1 ψ2 · · · ψN i (2.4) Das Tensorprodukt ist linear in jedem Faktor. Das Skalarprodukt von zwei Produktzuständen ist das Produkt der Skalarprodukte seiner Faktoren, hφ1 · · · φN |ψ1 · · · ψN iH = hφ1 |ψ1 iH1 · · · hφN |ψN iHN . (2.5) Die Tensorprodukte |n1 . . . nN i ≡ |n1 i ⊗ · · · ⊗ |nN i der Basisvektoren der einzelnen Hilberträume bilden eine Basis des gesamten Hilbertraumes H. Sind A1 , . . . , AN „Observablen“ der Teilsysteme mit Hilberträumen H1 , . . . , HN , d.h. Ai : Hi → Hi , (2.6) dann ist ihr Tensorprodukt eine Observable des Gesamtsystems. Sie wirkt folgendermaßen auf den Produktzuständen im Hilbertraum H: (A1 ⊗ · · · ⊗ AN ) (|ψ1 i ⊗ · · · ⊗ |ψN i) = |A1 ψ1 i ⊗ · · · ⊗ |AN ψN i. (2.7) Die Operatoren Ai können nicht addiert werden, da sie in verschiedenen Hilberträumen ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 2. Mehrkörpersysteme 2.1. Hamiltonoperator und Hilbertraum 5 wirken. Setzt man aber stillschweigend voraus, dass Ai auf den Räumen Hj mit j 6= i trivial wirkt, dann kann man sie addieren und es gilt A1 + . . . + AN ≡ A1 ⊗ 1 ⊗ · · · ⊗ 1 ⊗ 1 + . . . + 1 ⊗ 1 ⊗ · · · ⊗ 1 ⊗ AN . (2.8) Mit dieser Übereinkunft ist (A1 + · · · + AN ) (|ψ1 i ⊗ · · · ⊗ |ψN i) = |A1 ψ1 i ⊗ · · · ⊗ |ψN i + . . . (2.9) . . . + |ψ1 i ⊗ · · · ⊗ |AN ψN i. Diese Notation wurde bereits in der Quantenmechanik I benutzt, als die Drehimpulse verschiedener Teilchen addiert wurden. Es sei nun |ai i Eigenfunktion von Ai mit Eigenwert ai . Dann ist der Produktzustand |a1 i ⊗ · · · ⊗ |aN i ≡ |a1 . . . aN i (2.10) automatisch Eigenzustand der Summe und des Tensorprodukts der Operatoren Ai , (A1 + . . . + AN ) |a1 . . . aN i = (a1 + . . . + aN ) |a1 . . . aN i (A1 ⊗ . . . ⊗ AN ) |a1 . . . aN i = (a1 · · · · · aN ) |a1 . . . aN i. (2.11) Um Zustände in H vollständig zu charakterisieren kann man in jedem Teilraum Hi einen vollständigen Satz von verträglichen Observablen wählen und gleichzeitig diagonalisieren. Steht ξ1 für die Eigenwerte einer vollständigen Menge verträglicher Observablen in H1 , ξ2 für einen derartige Menge in H2 usw., dann bilden die Produktzustände |ξ1 i ⊗ · · · ⊗ |ξN i ≡ |ξ1 . . . ξN i (2.12) eine Basis von H. Zum Beispiel können wir die gemeinsamen Eigenzustände |x1 s1 , . . . , xN sN i = |x1 s1 i ⊗ . . . ⊗ |xN sN i (2.13) der verträglichen Orts- und Spinoperatoren wählen. Ein beliebiger Zustand lässt sich zerlegen als X Z |ψi = d3 x1 . . . d3 xN ψ (x1 , s1 , . . . , xN , sN ) |x1 s1 , . . . , xN sN i (2.14) s1 ,...,sN mit N-Teilchen-Wellenfunktion ψ(x1 , s1 , . . . , xN , sN ) = hx1 s1 , . . . , xN sN |ψi. ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II (2.15) 2. Mehrkörpersysteme 2.1. Hamiltonoperator und Hilbertraum 6 Das Skalarprodukt zweier Zustandsvektoren lautet hφ|ψi = X Z d3 x1 . . . d3 xN φ̄(x1 , s1 . . . , xN , sN )ψ(x1 , s1 , . . . , xN , sN ). (2.16) s1 ,...,sN Für einen auf Eins normierten Zustand ist die Wellenfunktion (2.15) die Wahrscheinlichkeitsamplitude dafür, das erste Teilchen am Ort x1 mit dritter Spinkomponenten s1 , das zweite Teilchen am Ort x2 mit dritter Spinkomponenten s2 , . . . und das N’te Teilchen am Ort xN mit dritter Spinkomponenten sN zu finden. Für identische Teilchen (ein in der klassischen Physik unbekannter Begriff) müssen die Wellenfunktionen bei Vertauschung der Argumente ein vorgeschriebenes Verhalten zeigen. Dies werden wir weiter unten ausführlich besprechen. Für spinlose Teilchen ist jedes Teilsystem ein Einteilchensystem mit Hilbertraum L2 (R3 ). Dem Produktzustand (2.4) ist folgende Wellenfunktion zugeordnet, hx1 , . . . , xN |ψ1 · · · ψN i = hx1 |ψ1 i · · · hxN |ψN i = ψ1 (x1 ) · · · ψ(xN ). Für spinlose Teilchen bedeutet die Eigenschaft (2.3) L2 R3 ⊗ · · · ⊗ L2 R3 = L2 (R3N ), (2.17) (2.18) und deshalb kann jede quadratintegrierbare N-Teilchen Wellenfunktion ψ(x1 , . . . , xN ) durch eine Folge X an1 ...nN ψn1 (x1 ) · · · ψnN (xN ) beliebig genau approximiert werden. Der Hilbertraum für N spinlose Teilchen ist also ein Unterraum von H(N ) = L2 R3N (2.19) und für N Teilchen mit Spin H(N ) 1 2 ein Unterraum von = L2 R3N ⊗ |C2 ⊗ ·{z · · ⊗ C}2 . (2.20) N mal Im allgemeinen Fall ist er ein Unterraum von (N ) H(N ) = L2 R3N ⊗ HS , wobei der zweite Faktor von der Teilchensorte abhängt. ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II (2.21) 2. Mehrkörpersysteme 2.2 2.2. Identische Teilchen 7 Identische Teilchen Ein wichtiger Spezialfall ist die Kopplung identischer Teilchen für die H1 = H2 = . . . = HN ist. Identische quantenmechanische Teilchen sind wirklich nicht unterscheidbar. Wir können zum Beispiel Elektronen nicht markieren wie klassische Billiardkugeln um sie voneinander zu unterscheiden. Ein Zustand, in welchem ein erstes spinloses Teilchen bei x1 sitzt und ein zweites, identischen Teilchen, bei x2 , ist derselbe Zustand wie wenn das zweite Teilchen bei x1 sitzt und das erste bei x2 . Dasselbe gilt für alle Eigenwerte von Einteilchen-Observablen. Wir wollen nun die Konsequenzen dieser Ununterscheidbarkeit von quantenmechanischen Teilchen untersuchen. Sei (2.22) |ξ1 . . . ξN ) der Zustandsvektor eines Systems von N identischen Teilchen. Dabei soll ξi die Eigenwerte irgend eines vollständigen Satzes von verträglichen Observablen in Hi sein. Dann ist die normierte Wellenfunktion ψ(ξ1 , . . . , ξN ) = hξ1 . . . ξN |ψi die Wahrscheinlichkeitsamplitude dafür, das „erste“ Teilchen mit Quantenzahlen ξ1 , das „zweite“ Teilchen mit Quantenzahlen ξ2 usw. zu finden. Obwohl wir die Teilchen nicht unterscheiden können, müssen wir ihnen im Formalismus Variablen zuordnen. Dies heißt nicht, dass wir die Teilchen physikalisch unterscheiden können. Die Ununterscheidbarkeit der Teilchen bedeutet, dass bei einer Vertauschung zweier Argumente in (2.22) der Zustand unverändert bleibt. Etwas allgemeiner, sei π eine Umordnung oder Permutation von N Objekten, dann beschreiben |ξ1ξ2 . . . ξN i und P (π) |ξ1 ξ2 . . . ξN i = ξπ(1) ξπ(2) . . . ξπ(N ) (2.23) identische Zustände. Die Permutationen von N Objekten bilden eine nicht-Abelsche Gruppe der Ordnung N!. Die Abbildung π −→ P (π) ist eine unitäre Darstellung dieser Permutationsgruppe auf dem N-Teilchen Hilbertraum, d.h. hP (π)φ|P (π)ψi = hφ|ψi, P (e) = 1H , P (π1 )P (π2 ) = P (π1 π2 ). (2.24) Hier ist e das neutrale Element der Permutationsgruppe, welches die Reihenfolge der Objekte nicht ändert und π1 π2 bedeutet zuerst die Umordnung π2 und danach die Umordnung π1 ausführen. Keine Observable kann identische Teilchen unterscheiden und alle Teilchen werden auf genau die gleiche Art behandelt. Deshalb sind die den Observablen entsprechenden Operatoren symmetrische Funktionen der Teilchenkoordinaten. Beispiele von symmetrischen ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 2. Mehrkörpersysteme 2.2. Identische Teilchen Observablen sind der Gesamtimpuls und gesamte Bahndrehimpuls X X p= pi und L = Li , i 8 (2.25) i sowie der (Modell)-Hamilton-Operator H= 1 X 2 X p + V (rij ), 2m i i i<j (2.26) wobei rij = |xi − xj | der Abstand zwischen dem i’ten und j’ten Teilchen bezeichnet. Identische Teilchen haben natürlich gleiche Massen m. Symmetrische Operatoren ändern sich nicht wenn die Teilchenkoordinaten permutiert werden. 2.2.1 Permutationen und Symmetrien Sei nun πij diejenige Transposition, welche das i’te und j’te Element austauscht und Pij = P (πij ) der entsprechende unitäre Operator auf dem N-Teilchen Hilbertraum. Jede Permutation ist eine Komposition von Transpositionen. Pij wirkt auf einem N-TeilchenZustand gemäß Pij |ξ1 ξ2 . . . ξi . . . ξj . . . ξN i = |ξ1 ξ2 . . . ξj . . . ξi . . . ξN i (2.27) und vertauscht die Argumente i und j des Zustandsvektors. Zum Beispiel ist P12 P13 |ξ1 ξ2 ξ3 i = P12 |ξ3 ξ2 ξ1 i = |ξ2 ξ3 ξ1 i. Die Gruppe der Permutationen ist nicht-Abelsch. Zum Beispiel ist P13 P12 |ξ1ξ2 ξ3 i = P13 |ξ2 ξ1 ξ3 i = |ξ3ξ1 ξ2 i und deshalb gilt P12 P13 6= P13 P12 . Sei nun A(1, 2, . . . , N) irgendein Operator auf dem N-Teilchen Hilbertraum. Dann ist Pij A(1, . . . , i, . . . , j, . . . , N)Pij−1 |ξ1 . . . ξi . . . ξj . . . ξN i = Pij A(1, . . . , i, . . . , j, . . . , N)|ξ1 . . . ξj . . . ξi . . . ξN i = A(1, . . . , j, . . . , i, . . . , N)|ξ1 . . . ξi . . . ξj . . . ξN i oder Pij A(1, . . . , i, . . . , j, . . . , N) = A(1, . . . , j, . . . , i, . . . , N)Pij . ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II (2.28) 2. Mehrkörpersysteme 2.2. Identische Teilchen 9 Ein symmetrischer Operator ist also ein Operator der mit allen Transpositionen Pij und deshalb mit allen Permutationen vertauscht: A symmetrisch: P (π)AP −1(π) = A. (2.29) Wir wollen annehmen |ψi sei eine Eigenfunktion eines symmetrischen Vielteilchen-HamiltonOperators, H|ψi = E|ψi. Da H mit den Permutationen vertauscht, gilt HP |ψi = P H|ψi = P E|ψi = EP |ψi. (2.30) Also ist P |ψi ebenfalls Eigenzustand mit derselben Energie. Ist P |ψi nicht proportional zu |ψi, dann ist die Energie E entartet. Diese Entartung heißt Austauschentartung. Betrachten wir ein System bestehend aus zwei identischen Teilchen, zum Beispiel den beiden Elektronen im Helium-Atom, etwas genauer. Die Permutationsgruppe besteht hier nur aus der Identität e und Transposition π12 . Wegen π12 π12 = e und der Darstellungseigenschaft ist auch das Quadrat von P12 = P (π12 ) die Identität. Damit sind die möglichen Eigenwerte von P12 gleich ±1. Ist |ξ1 ξ2 i irgendeine Eigenfunktion von H(ξ1 , ξ2) mit Energie E ist, dann sind auch |ξ1ξ2 is = |ξ1 ξ2 i + P12 |ξ1ξ2 i = |ξ1 ξ2 i + |ξ2 ξ1 i |ξ1ξ2 ia = |ξ1 ξ2 i − P12 |ξ1 ξ2 i = |ξ1 ξ2 i − |ξ2 ξ1 i (2.31) Eigenfunktionen mit derselben Energie. Die symmetrische Kombination ist Eigenfunktion von P12 mit Eigenwert 1 und die antisymmetrische Kombination ist Eigenfunktion von P12 mit Eigenwert −1. Nun ist es eine experimentelle Tatsache (die allerdings im Rahmen einer lokalen relativistischen Quantenfeldtheorie verstanden werden kann), dass die Wellenfunktionen von 2 identischen Teilchen stets Eigenfunktionen von P12 sind. Der zugehörige Eigenwert hängt nur von der Teilchensorte ab. Die Wellenfunktion von zwei identischen Fermionen, z.B. zweier Elektronen, Protonen oder Neutronen, muss antisymmetrisch sein, P12 |ξ1 ξ2 ia = −|ξ1 ξ2 ia und die Wellenfunktion von zwei identischen Bosonen, z.B. zweier π 0 -Mesonen, Photonen oder He4 -Nukleonen, muss symmetrisch sein P12 |ξ1 ξ2 is = |ξ1ξ2 is . Diese tiefliegende Beziehung zwischen Spin und Statistik, nach der identische Teilchen mit ganzzahligem Spin (Bosonen) symmetrische Wellenfunktionen und identische Teilchen mit halbganzem Spin (Fermionen) antisymmetrische Wellenfunktionen haben, bleibt im ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 2. Mehrkörpersysteme 2.2. Identische Teilchen 10 Rahmen der nichtrelativistischen Quantenmechanik unbegründet. Für Systeme mit mehr als zwei Teilchen gilt die analoge Aussage: bei einem Austausch von zwei identischen Fermionen ändert die Wellenfunktion das Vorzeichen und bei Austausch von identischen Bosonen bleibt sie unverändert: P (π)|ψi = sign(π)|ψi Fermionen P (π)|ψi = |ψi Bosonen. Hier ist sign(π) das so-genannte Signum der Permutation: es ist 1 falls π aus einer geraden Anzahl Transpositionen besteht und sonst −1. Wir wollen nun untersuchen, was für Symmetrieeigenschaften die Wellenfunktionen von zusammengesetzten Teilchen haben müssen. Als Beispiel betrachten wir die Wellenfunktion ψ(e1 , p1 , e2 , p2 ), welche 2 Wasserstoffatome beschreibt. e1 bezeichnet den Ort und Spin des Elektrons im ersten Atom, p1 den Ort und Spin des Protons im ersten Atom, usw. ψ muss bei Austausch der beiden Elektronen (Protonen) das Vorzeichen wechseln. ψ braucht aber bei Vertauschung der Koordinaten eines Elektrons mit den Koordinaten eines Protons das Vorzeichen nicht zu wechseln, da Elektronen und Protonen unterscheidbar sind. Wie ändert sich nun die Wellenfunktion unter Austausch der beiden Wasserstoffatome? Wegen ψ(e2 , p2 , e1 , p1 ) = −ψ(e1 , p2 , e2 , p1 ) = ψ(e1 , p1 , e2 , p2 ) ändert sich ψ nicht. Wasserstoffatome verhalten sich wie Bosonen. Man überzeugt sich nun leicht davon, dass Teilchen bestehend aus einer geraden Anzahl Fermionen und irgendeiner Anzahl Bosonen sich wie Bosonen verhalten, während Teilchen bestehend aus einer ungeraden Anzahl Fermionen und irgendeiner Anzahl Bosonen sich wie Fermionen verhalten. Zum Beispiel sind He4 -Atome (mit je zwei Protonen, Neutronen und Elektronen) Bosonen, während He3 -Atome (nur ein Neutron) Fermionen sind. Aus der Antisymmetrie der Wellenfunktion von identischen Fermionen folgt unmittelbar das Ausschliessungsprinzip. Wegen ψ(ξ1 , ξ2 , . . .) = −ψ(ξ2 , ξ1 , . . .) ist ψ(ξ1 , ξ1 , . . .) = 0. Die Amplitude dafür, zwei identische Fermionen im selben Zustand zu finden, ist Null. Insbesonders müssen zwei Elektronen am selben Ort verschiedene Spineinstellungen aufweisen. 2.2.2 Nichtwechselwirkende identische Teilchen Die exakte Behandlung von realistischen Vielkörperproblemen ist nicht möglich. In einigen Fällen können aber wichtige Eigenschaften mit Hilfe einer Störungsentwicklungen erklärt ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 2. Mehrkörpersysteme 2.2. Identische Teilchen 11 werden. In nullter Näherung behandelt man die Teilchen oft als unabhängig. Im nächsten Schritt wird ihre Wechselwirkung als Störung berücksichtigt. In nullter Näherung ist der Hamilton-Operator die Summe von identischen Einteilchen-Operatoren, H0 = N X H(i), (2.32) i=1 wobei diese Summe auf dem gesamten Hilbertraum in (2.8) erklärt wurde. Die orthonormierten Einteilchen-Zustände |ξi seien Eigenzustände von H mit Energien εn , H|ξi = εn |ξi, |ξi = |εn ai. Dann sind die Lösungen der stationären Schrödingergleichung H0 |ψi = E|ψi (2.33) offensichtlich die Produkt-Wellenfunktionen |ξ1 ξ2 . . . ξN i = |ξ1 i ⊗ |ξ2i ⊗ · · · ⊗ |ξN i. (2.34) Die Energien dieser Zustände sind nach (2.11) gleich die Summe der Einteilchen-Energien, E = ε n1 + · · · + ε nN . (2.35) In der Lösung (2.34) ist das erste Teilchen im Zustand |ξ1i mit Energie εn1 , das zweite Teilchen im Zustand |ξ2 i mit Energie εn2 usw. Wegen der Austauschentartung gibt es viele andere Lösungen von (2.33) mit gleicher Energie. Alle Produktzustände P (π)|ξ1ξ2 · · · ξN i (2.36) haben die gleiche Energie wie der Zustand in (2.34). Aber weder der Zustand (2.34) noch eine der anderen vermittels Permutation der Argumente gewonnene Lösung ist für identische Teilchen zugelassen. Wir müssen diejenigen Linearkombinationen der nicht erlaubten Lösungen konstruieren die (anti)symmetrisch in den Argumenten sind. Für identische Bosonen sind dies die symmetrischen Zustandsvektoren X |ξ1 . . . ξN is ∼ |ξπ(1) . . . ξπ(N ) i. π Die Summe erstreckt sich über alle N! Permutationen der Indizes 1, . . . , N. Die Energie dieses Zustandes ist gerade (2.35). Der Zustand ψs ist vollständig symmetrisch: vertauschen wir zwei seiner Argumente, dann bedeutet dies nur eine Umordnung der Summanden auf der rechten Seite. Für identische Fermionen müssen wir vollständig antisymmetrische Zustandsvektoren ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 2. Mehrkörpersysteme 2.2. Identische Teilchen 12 konstruieren. Wie man leicht einsieht, ist 1 X |ξ1 . . . ξN ia = √ sign(π)|ξπ(1) . . . ξπ(N ) i N! π vollständig antisymmetrisch, genauso wie die zugehörige Wellenfunktion, 1 X √ ψnSD (ξ , . . . , ξ ) = sign(π)hξπ(1) . . . ξπ(N ) |ψn1 . . . ψnN i 1 N 1 ...nN N! π 1 X sign(π)ψπ(n1 ) (ξ1 ) · . . . · ψπ(nN ) (ξN ). = √ N! π (2.37) Die Energie dieser Zustände ist ebenfalls durch (2.35) gegeben. Diese alternierende Summe kann auch als Determinante geschrieben werden: ψn1 (ξ1 ) ψn1 (ξ2 ) 1 ψn2 (ξ1 ) ψn2 (ξ2 ) ψnSD (ξ1 , . . . , ξN ) = √ det .. .. 1 ...nN . . N! ψnN (ξ1 ) ψnN (ξ2 ) ψn1 (ξN ) ψn2 (ξN ) . .. ... . . . . ψnN (ξN ) ... ... (2.38) Für orthonormierte Einteilchenfunktionen ψn ist diese sogenannte Slater-Determinante auf Eins normiert. Neben der symmetrischen und antisymmetrischen Darstellung gibt es noch viele andere irreduzible Darstellungen der nicht-Abelschen Permutationsgruppe. In 3 Raumdimensionen sind aber nur die (anti)symmetrischen erlaubt und in der Natur realisiert. In tieferen Dimensionen sind auch andere Darstellungen kompatibel mit einer lokalen Feldtheorie (Anyonen). In der nichtrelativistischen Näherung enthält der Hamilton-Operator keine Spinoperatoren, zumindest wenn kein Magnetfeld vorhanden ist. Die Einteilchen-Wellenfunktionen (und damit die Wellenfunktion des Gesamtsystems) können daher als Produkt einer reinen Bahnfunktion und einer Funktion geschrieben werden, die nur von der Spinvariablen abhängt, ψn (ξ) = φn (x )|sms i. Der Bahnanteil φn1 (x1 ) . . . φnN (xN ) der Wellenfunktion des Gesamtsystem braucht nicht (anti)symmetrisch in der Orten sein. Nur beim gleichzeitigen Austausch aller Koordinaten von zwei identischen Teilchen, also ihrer Orts- und Spinvariablen, muss sie (anti)symmetrisch sein. Wie sieht nun der Grundzustand für ein System von nicht wechselwirkenden Elektronen aus? Offensichtlich verschwindet die Slater-Determinante, wenn nur zwei ni gleich sind. ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 2. Mehrkörpersysteme 2.2. Identische Teilchen 13 Wir ordnen die Quantenzahlen ni der Einteilchenzustände, so dass die Einteilchenenergien der Größe nach geordnet sind, (2.39) ε1 ≤ ε2 ≤ ε3 ≤ . . . . Die Grundzustandsenergie für nicht-wechselwirkende Fermionen ist offenbar E0 = N X (2.40) εi , i=1 und der Grundzustand hat die Form 1 ψ0SD (ξ1 , . . . , ξN ) = √ det N! ψ1 (ξ1 ) ψ2 (ξ1 ) .. . ψ1 (ξ2 ) ψ2 (ξ2 ) .. . ... ... ψ1 (ξN ) ψ2 (ξN ) .. . ... ψN (ξ1 ) ψN (ξ2 ) . . . ψN (ξN ) . (2.41) Im nichtrelativistischen Grenzfall ist der Einteilchen-Hamilton-Operator spinunabhängig und jede Einteilchenenergie ist mindestens doppelt entartet, da die Zustände mit Spin 1 und − 21 dieselbe Energie haben. Für N nichtwechselwirkende identische Teilchen im 2 Grundzustand sind die [N/2] tiefsten Zustände des Einteilchen-Hamilton-Operators H doppelt besetzt. 2.2.3 Ideales Fermigas Wir wollen nun als einfache Anwendung den Grundzustand eines Gases von nicht wechselwirkenden Fermionen in einer Box mit Kantenlänge L und Volumen V = L3 bestimmen. Ein kaltes Fermigas im Gleichgewicht ist in sehr guter Näherung in seinem Grundzustand. Wegen des Pauliprinzips können zwei identische Fermionen des Gases nie denselben quantenmechanischen Zustand einnehmen. Das führt dazu, dass nicht alle Teilchen in Ruhe sein können, obwohl sie Zustände mit möglichst kleiner kinetischer Energie besetzen wollen. Aufgrund des Pauliprinzips können eben nur wenige Teilchen die Einteilchenzustände mit niedrigen Energien besetzen. Die anderen müssen Zustände mit höherer Energie einnehmen. So kommt es, dass die einzelnen Teilchen in einem Fermigas, selbst wenn dieses extrem kalt ist, eine sehr hohe Energie haben können. Die höchste Energie eines Teilchens in einem ultra-kalten Fermigases ist die Fermi-Energie ǫF . Vernachlässigen wir Oberflächeneffekte (d.h. die genaue Form der Randbedingungen), dann können wir als Eigenfunktionen des freien Einteilchen-Hamilton-Operators H = ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 2. Mehrkörpersysteme 2.2. Identische Teilchen 14 p 2 /2m ebene Wellen wählen, 1 ψk (x , ms ) = √ eik ·x |sms i, V mit Energien ε(k ) = ~2 2 k . 2m (2.42) Wegen der Periodizität der Wellenfunktion sind die Wellenzahlvektoren quantisiert, k∈ 2π ν, L ν ∈ Z3 . (2.43) Die dritte Komponente ms des Spins in der Spinwellenfunktion nimmt für Teilchen mit Spin s folgende 2s + 1 Werte an, ms ∈ {−s, −s + 1, . . . , s}, insbesondere für Elektronen oder Protonen die Werte ± 21 . Die mittlere Dichte der Einteilchenniveaus im k -Raum beträgt demnach dN = (2s + 1) V d3 k, (2π)3 (2.44) wobei der Faktor (2s + 1) berücksichtigt, dass es für jeden Wellenzahlvektor k genau 2s + 1 verschiedene Spin-Zustände gibt. Der Grundzustand des freien Fermigases bei T = 0 wird, wie oben diskutiert, durch ein antisymmetrisiertes Produkt von Einteilchenfunktionen beschrieben, wobei die energetisch tiefsten Einteilchenzustände besetzt sind. Die Trennungslinie zwischen besetzten und unbesetzten Zuständen nennt man Fermifläche, und die entsprechende Fermienegie mit εF bezeichnet. Der Wert von εF folgt aus der Bedingung, dass die Gesamtzahl der besetzten Zustände gleich der Teilchenzahl N ist. Aus der Dispersionsrelation (2.42) folgt dε(k ) = ~2 kdk m (2.45) was nach Einsetzung in d3 k = dΩk k 2 dk zu folgendem Zusammenhang zwischen dem Volumenelement im k −Raum und dε führt, 3/2 √ 1 2m m 3 ε dε. (2.46) d k = dΩk 2 kdε = dΩk ~ 2 ~2 Hieraus ergibt nach sich Integration über dΩk für die Anzahl Zustände pro Volumen und Energieintervall [ε, ε + dε] die Formel 3/2 √ 2s + 1 2m dN = D(ε)dε, wobei D(ε) = ε (2.47) V 4π 2 ~2 die Spektraldichte bezeichnet. Nach Integration über ε finden wir folgenden Ausdruck für ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 2. Mehrkörpersysteme 2.2. Identische Teilchen 15 die Anzahl Zustände pro Volumen mit Energien im Intervall [0, εF], N = V ZεF D(ε) dε ≡ 0 εF γ 3/2 mit γ = 6π 2 2s + 1 2/3 ~2 . 2m (2.48) Für Elektronen ist die eingeführte Konstante gleich γe ≈ 5.842263 Joule · m2 ≈ 0.364645 eV · nm2 . Für ein Fermigas im Grundzustand sind die N Zustände mit Energien bis zur FermiEnergie besetzt und die Zustände mit grösseren Energien bleiben unbesetzt. Deshalb ist N/V gleich die Anzahldichte n des Fermigases im Grundzustand. Die Auflösung nach der Fermi-Energie führt auf εF ≡ 1 2 pF = γn2/3 , 2m (2.49) so dass die Anzahldichte mit der dritten Potenz des Fermi-Impulses zunimmt. Für die Energiedichte des freien Fermigases findet man E = V Z 0 εF 3 ε D(ε)dε = γ n5/3 . 5 (2.50) Dies ist gleich der inneren Energiedichte des Gases bei Temperatur Null. Also ist die innere Energie bei Temperatur Null 3 3 U(T = 0) = E = γ Nn2/3 = NεF . 5 5 (2.51) Ein ideales Fermigas im Grundzustand widersetzt sich einer Kompression, da seine Energie mit abnehmendem Volumen zunimmt. Will man ein ultrakaltes Fermigas verdichten dann muss den Teilchen Energie zugeführt werden. Aus der thermodynamischen Definition des Druckes folgt 2 ∂U (2.51) 2 U = p=− = γn5/3 (2.52) ∂V N 3V 5 und man findet für den Kompressionsmodul ∂p 10 U 2 B = −V = = nεF . ∂V N 9 V 3 (2.53) Betrachten wir zum Beispiel das kubisch raumzentrierte (bcc) Kalium mit einem Gitterparameter von a = 0.525 nm. Jedes Atom liefert ein Elektron zum freien Elektronengas ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 2. Mehrkörpersysteme 2.2. Identische Teilchen 16 und damit liefert jede Elementarzelle 2 Elektronen. Für die Anzahldichte, Fermi-Energie und Druck ergeben sich die Werte n= 1 2 = 13.82 · , a3 (nm)3 εF = 2.10 eV und p = 1.85 GPa, mit 1GPa=109 N/m2 . Der isotherme Kompressionsmodul ist B ≈ 3.2 GPa. (2.54) Einige Kompressionsmodule in Giga-Pascal sind in der folgenden Tabelle festgehalten: Element Li Na K Rb Cs Cu Ag B (freie Elektronen) 23.9 9.23 3.19 2.28 1.54 B (gemessen) 11.5 6.42 2.18 1.92 1.43 134.3 99.9 Al 63.8 34.5 228 76 Die Tabelle macht deutlich, dass das Elektronengas einen wesentlichen Beitrag zum Kompressionsmodul B von Metallen liefert. Wir wollen eine einfache kernphysikalische Anwendung dieser Formeln diskutieren. Durch Streuexperimente von hochenergetischen Elektronen an Kernen weiß man, dass diese eine annähernd konstante (Protonen)Dichte besitzen. Ihr Volumen ist etwa proportional zur Massenzahl A. Für die Dichte im Zentrum ergibt sich n(0) = 0.17 Nukleonen . (Fermi)3 Approximieren wir nun die Protonen und Neutronen im Kern durch ein ideales Fermigas, und setzen wir n(0) ∼ n in die Formel (2.49) ein, so findet man für N = Z = A/2 etwa folgende maximale kinetische Energie eines Teilchens: εF = 1 2 p ∼ 37 MeV 2m F (2.55) Für die gesamte kinetische Energie des Nukleonen-Gases erhält man gemäß (2.51) 3 3 E = (NεnF + ZεpF ) ∼ AεF. 5 5 (2.56) Aus der Größe der Fermi-Energie folgt, dass der Kern unter normalen Bedingungen als ein stark entartetes Fermi-Gas betrachtet werden kann. Erst bei Anregungsenergien von AεF ∼GeV wird ein beträchtlicher Teil der Nukleonen angeregt sein. Betrachten wir als drittes Beispiel die Elektronen in einem weissen Zwerg. In einer ersten Näherung darf man die Kerne und Elektronen jeweils als freie Teilchen betrachten. Wür———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 2. Mehrkörpersysteme 2.2. Identische Teilchen 17 den wir die Elektronen als klassisches ideales Gas mit Temperatur T behandeln, so wäre ihre Anzahldichte nkl,e (T ) = 3/2 2 3/2 15 T (2πmkT ) = 4.83 · 10 , h3 cm3 T in Kelvin. Wir vergleichen mit der Elektronendichte von Sirius B, dem Begleitstern von Sirius. Die zentrale Massendichte und Temperatur dieses weissen Zwergs sind g ρc ∼ 3.3 · 107 3 , Tc ∼ 2.2 · 107 0 K (2.57) cm und die tatsächliche Elektronendichte 1 ρc = 2 · 1031 3 ne ∼ mp cm (2.58) ist sehr viel größer als die Dichte eines idealen Gases bei Tc , nkl,e (Tc ) ∼ 5 · 1026 1 ≪ ne . cm3 Deshalb sind die Elektronen in Sirius B in guter Näherung vollständig entartet. Sie werden durch das Pauli-Verbot zu höheren Impulsen gezwungen als der Maxwell-BoltzmannVerteilung entspräche. Die klassische Anzahldichte der Protonen 3/2 mp 1 nkl,p (Tc ) = nkl,e (Tc ) ∼ 4.5 · 1031 me cm3 ist dagegen größer als np = ne und man darf die Protonen als nicht-entartetes ideales Gas behandeln. Man kann leicht abschätzen, dass im Innern des Sirius-Begleiters pF ∼ mc ist. Also bilden die Elektronen im Zentrum ein relativistisches und entartetes Fermigas. 2.2.4 Thomas-Fermi Näherung Zur Bestimmung der Elektronenverteilung in großen Atomen verwendet man oft das statistische Verfahren von Thomas und Fermi. Mit dieser Methode kann man allgemeine Eigenschaften von Atomen wie Ionisierungsenergie oder Polarisierbarkeit verstehen. Sie kann auch auf Moleküle, Kristalle, Atomkerne, das Elektronengas in weissen Zwergen oder andere Vielteilchensysteme angewandt werden. Wegen der großen Anzahl Elektronen spürt jedes Elektron etwa dasselbe mittlere Potential, erzeugt durch die anderen Elektronen und den Kern. Die meisten Elektronen besetzen hochenergetische Zustände mit hohen Hauptquantenzahlen. Deshalb ist ihre Wellenlänge klein verglichen mit den atomaren Dimensionen und das Potential ändert sich nur unwesentlich über eine Elektronenwellenlänge. Es ist also plausibel anzunehmen, dass in Volumenelementen mit nahezu ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 2. Mehrkörpersysteme 2.2. Identische Teilchen 18 konstantem Potential viele Elektronen enthalten sind. Deren Zustände werden dann durch lokal ebene Wellen approximiert und die kinetische Energie des Gases wird dann in guter Näherung durch (2.50) beschrieben. Allerdings wird seine Dichte, oder wegen (2.44) seine Fermi-Energie, auch ortsabhängig sein. Sei nun n(x ) die Dichte des Elektronengases im Feld des Kerns der Kernladungszahl Z. Die Energie des Gases ist näherungsweise Z Z Z n(x )n(y ) e2 3γ 3 n(x ) 3 5/3 2 d x d xn (x ) − Ze d3 xd3 y + . (2.59) E[n] = 5 |x | 2 |x − y | Der erste Term ist die Energie des freien Elektronengases, der zweite die Coulombenergie im Feld des Atomkerns und der letzte die Elektron-Elektron Wechselwirkungsenergie. Bei der späteren Diskussion der genaueren Hartree-Fock-Näherung werden wir besser verstehen, welche Terme in E[n] vernachlässigt wurden. Es ist nun zu erwarten, dass die tatsächlich realisierte Elektronendichte n die Energie minimiert. Wegen der Teilchenerhaltung (bzw. Ladungsneutralität) darf sich bei der Variation von n die Teilchenzahl nicht ändern. Wir haben bei der Minimierung der Energie die Nebenbedingung Z d3 x n(x ) = N (2.60) zu beachten. Diese kann mit Hilfe eines Lagrangeschen Multiplikators µ berücksichtigt werden. Also minimieren wir Z 3 d x n(x ) − N . (2.61) E[n] − µ Bei einer Variationen der Elektronendichte ändert sich die Energie gemäß Z Z Ze2 n(y ) 3 2/3 3 2 δE[n] = d xδn(x ) γn (x ) − , dy +e |x | |x − y | (2.62) und wir finden folgende Bestimmungsgleichung für die minimierende Elektronendichte, 2/3 γn Ze2 (x ) − + e2 |x | Z d3 y n(y ) = µ. |x − y | (2.63) Dies ist die gesuchte Thomas-Fermi-Gleichung für n(x ). Der erste Term ist die ortsabhängige Fermi-Energie eines Elektrons, der zweite die Coulomb-Energie im Kernfeld und der letzte die Coulombwechselwirkung mit dem mittleren Feld der restlichen Elektronen. Der Multiplikator µ ist die Gesamtenergie eines Elektrons. Diese darf nicht positiv sein. ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 2. Mehrkörpersysteme 2.2. Identische Teilchen 19 Andernfalls würde das Elektron ins Unendliche verschwinden. Im Folgenden setzen wir µ = −eφ0 . Das Thomas-Fermi-Potential φ ist das von Kern und Elektronenwolke erzeugte elektrische Potential, Z Ze n(y ) φ(x ) = − e d3 y . (2.64) |x | |x − y | Damit nimmt die Thomas-Fermi-Gleichung folgende einsichtige Form an, γn2/3 (x ) = εF (x ) = eφ(x ) − eφ0 . (2.65) Sie beschreibt wie die kinetische Energie eines Elektrons εF (x ) vom Ort abhängen muss, damit die Energiebilanz (inklusive Coulombenergien) stimmt. Das Thomas-Fermi Potential φ erfüllt die Poisson-Gleichung △φ(x ) = −4π(Zeδ(x ) − en(x )) = 4πen(x ) x 6= 0 . Setzen wir diese Gleichung in (2.65) ein, dann finden wir 3/2 e △φ = 4πe (φ − φ0 )3/2 . γ (2.66) (2.67) Wegen (2.65) verschwindet die Elektronendichte n für φ(x ) = φ0 und deshalb bestimmt diese Gleichung den Rand des Atoms. An Orten mit φ(x ) < φ0 wird n(x ) Null gesetzt, damit die Elektronen dort keine negative kinetische Energie haben. Für ein neutrales Atom verschwindet das Potential am ’Rande’ des Atoms und deshalb verschwindet die Konstante φ0 . Umgekehrt ist sie für ein Ion ungleich Null. Wir suchen nun radialsymmetrische Lösungen der Thomas-Fermi Gleichung für neutrale Atome. Dazu spalten wir das Coulombfeld des Kerns ab und schreiben φ(r) = Ze χ(r), r (2.68) wobei χ die Abschirmung des Kernpotentials durch das Elektronengas beschreibt. Einsetzen in (2.67) mit φ0 = 0 führt unmittelbar auf die Radialgleichung 2 3/2 Ze Ze ′′ χ = 4πe χ . (2.69) r γr Nun reskalieren wir noch den Abstand zum Kern gemäß 2/3 ~2 1 3π Z −1/3 · a0 · s, wobei a0 = r= 2 4 me2 ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II (2.70) 2. Mehrkörpersysteme 2.2. Identische Teilchen 20 den Bohrschen Radius bezeichnet, und finden folgende universelle Gleichung für χ: d2 χ = s−1/2 χ3/2 ds2 mit χ(∞) = 0 und χ(0) = 1. (2.71) Für großes s muss χ verschwinden, da das Elektronengas an den Kern gebunden ist. Für kleine Radien spüren die Elektronen nur noch das Kernpotential, so dass φ → Ze/r bzw. χ → 1 gelten muss für r → 0. Diese nichtlineare Gleichung muss numerisch gelöst werden und die Lösung hat die asymptotische Form χ(s) ∼ 144 s3 χ(s) ∼ 1 − 1.59 · s + 4 3/2 ·s 3 für s → ∞ für s → 0. (2.72) Für die Elektronendichte n ∼ △φ findet man die asymptotische Form n(s) ∼ s−6 n(s) ∼ s −3/2 für s → ∞ für s → 0. (2.73) In der Thomas-Fermi-Approximation ist die Ausdehnung der Atome unendlich, was offensichtlich nicht der Realität entspricht. Das Modell macht einige einfache Vorhersagen über die Atomstruktur: Da χ keine atomaren Parameter enthält ist das Profil aller Atome bis auf eine Skalierung identisch. Die Abhängigkeit der Parameter findet man leicht wenn man s durch r ersetzt. Da s ∼ Z 1/3 r ist, werden die Atome mit wachsendem Z kleiner. Für ein festes s wächst die Amplitude des Potentials φ wie Z 4/3 und die Elektronendichte skaliert bei festem s wie Z 2 . Daraus schließt man, dass der mittlere Elektronenimpuls wie Z 2/3 anwächst. Ein grundsätzlicher Fehler, den man bei der Pulverisierung der Atomelektronen begeht, besteht in Folgendem: In der Elektron-Elektron Wechselwirkungs-Energie Vee = 1 X e2 2 i6=j rij werden die der Selbstenergie entsprechenden Terme mit i = j nicht mitgezählt. Rechnen wir mit pulverisierten Ladungsverteilungen statt mit Punktteilchen, so wird diese Wechselwirkung zu Z 1 X ni (x )nj (y ) 3 3 Vee = d xd y. 2 i6=j |x − y | In der Thomas-Fermi-Approximation kennen wir aber nicht die jedem einzelnen Elektron ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 2. Mehrkörpersysteme 2.2. Identische Teilchen 21 zugeordnete Dichte-Verteilung, sondern nur die mittlere Gesamtdichte n. Wir wissen also nicht, wie wir die Selbstenergie der Elektronen weglassen sollen. Man rechnet also die Rückwirkung der Ladungen auf sich selbst mit. Die Frage ist nun, wie man diese Rückwirkung ausschalten kann. Den Weg dazu hat Fock gezeigt, indem er den Austausch-Effekt berücksichtigte [1]. 2.2.5 Thomas-Fermi Atome In der Thomas-Fermi-Approximation behandelt man die Elektronen als unabhängige Teilchen, die sich im radial-symmetrischen Thomas-Fermi-Potential bewegen: N 2 X pi Ze2 H0 = + VTF (ri ) mit VTF (r) = χ(s). (2.74) 2m r i=1 Die Wechselwirkung eines Elektrons mit den anderen Elektronen und dem Kern wird also durch die Wechselwirkung des Elektrons mit dem durch diese Teilchen erzeugten mittleren Feld approximiert. Die resultierende effektive Einteilchentheorie haben wir im letzten Semester ausführlich untersucht. Die Einteilchenzustände sind ψnℓmℓ (x , ms ) = unℓ (r) Yℓmℓ (θ, ϕ)χms , r (2.75) wobei n = 1, 2, . . . die Hauptquantenzahl, ℓ = 0, . . . , n − 1 die Drehimpulsquantenzahl, −ℓ ≤ mℓ ≤ ℓ die magnetische Quantenzahl und ms = ± 21 die dritte Komponente des Elektronenspins ist. Im Gegensatz zum Wasserstoffatom hängen die Einteilchenenergien nun auch vom Drehimpuls ab, da VTF kein Coulombpotential ist, Energie = εnℓ , Entartung = 2(2ℓ + 1). (2.76) Wie sieht nun der Grundzustand in der TF-Approximation aus? Betrachten wir zum Beispiel Stickstoff, N = 7. Die numerische Auswertung der Schrödingergleichung mit Potential VTF zeigt, dass ε1s < ε2s < ε2p < . . . (2.77) gilt. Im Grundzustand sind die 7 tiefsten Niveaus besetzt. Wegen der Spinentartung sind also folgende Niveaus besetzt: (1s)2 (2s)2 (2p)3 . Der Exponent soll andeuten, wieviele Elektronen im Stickstoffatom die entsprechende Hauptquantenzahl und den entsprechenden Bahndrehimpuls besitzen. Also sind 2 Elek———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 2. Mehrkörpersysteme 2.2. Identische Teilchen 22 tronen im 1s-Zustand und damit ist die entsprechende Schale, die K-Schale, gefüllt. Genauso ist die Schale der 2s-Elektronen, die L-Schale, gefüllt. Dagegen ist die M-Schale der 2p-Zustände nur halb gefüllt, denn diese Schale kann 2 · 3 = 6 Elektronen aufnehmen. Der Entartungsgrad und die Parität des Grundzustandes sind 6 = 20 und 12 · 12 · (−1)3 = −1. 3 Offensichtlich sind die Konfigurationen mit lauter vollbesetzten Teilschalen nicht entartet. Daraus folgt aber auch, dass der Gesamtbahndrehimpuls und Gesamtspin der vollen Teilschalen verschwinden muss (andernfalls gäbe es eine Entartung). Man braucht also die vollen Schalen bei der Bestimmung von Bahndrehimpuls, Spin und Parität des Atoms nicht zu berücksichtigen. Latter hat die Einteilchenenergien im Thomas-Fermi-Potential (bei großen Z muss man VTF noch korrigieren, da relativistische Effekte wichtig werden) bestimmt [2]. Die folgende Tabelle vergleicht die Resultate für die Thomas-Fermi-Atome mit qualitativen experimentellen Fakten: Z Thomas-Fermi Experiment 1-18 1s 2s 2p 3s 3p L = S = 0 für Z = 2, 4, 10, 12, 18 19-20 ε4s < ε3d L = 0 für Z = 19; L = S = 0 für Z = 20 23 ε4s ∼ ε3d Anomalie Cr ε4p < ε5s L=1 39 ε5s < ε4d Z = 41 . . . 45: beide Schalen nicht voll besetzt 49 ε5p < ε4f 5p wird zuerst gefüllt, L = 1 60 ε4f ∼ ε5d Z > 57 : 4f -Schale wird gefüllt 31 >60 ε4f < ε5d Allerdings können Thomas-Fermi-Atome keine chemische Bindung eingehen, da die Energie zunimmt wenn sich zwei „Thomas-Fermi-Atome“ nähern! 2.2.6 Hartree-Fock-Näherung Als eine von vielen Anwendungen des Rayleigh-Ritzschen Variationsverfahrens wollen wir die Hartree-Fock-Näherung besprechen. Hier sucht man die beste Approximation des ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 2. Mehrkörpersysteme 2.2. Identische Teilchen Grundzustandes durch Wellenfunktionen vom Typ ψ1 (ξ1 ) ψ1 (ξ2 ) 1 ψ2 (ξ1 ) ψ2 (ξ2 ) ψ SD (ξ1 , . . . , ξN ) = √ det .. .. . . N! ... ... ψ1 (ξN ) ψ2 (ξN ) .. . ... ψN (ξ1 ) ψN (ξ2 ) . . . ψN (ξN ) , 23 (2.78) wobei die ψi orthonormierte Einteilchenwellenfunktionen sind. Strenggenommen darf man die Wellenfunktion des Atoms natürlich nicht als Produkt darstellen. Die Hartree-FockMethode des selbstkonsistenten Feldes berücksichtigt nur den Hauptanteil der Wechselwirkung zwischen Elektronen, und hier insbesondere die Austauschterme, aber nicht die gesamte Wechselwirkung. Nach dem Variationsprinzip müssen wir nun diejenige Produktfunktion finden, die hψ|H|ψi unter der Nebenbedingung hψ|ψi = 1 minimiert. Wir wollen uns zuerst überlegen, was der Erwartungswert eines Einteilchenoperators X A(1) = A(i), (2.79) i in diesen antisymmetrischen Produktzuständen ist. Die kinetische Energie der Elektronen ist ein derartiger Operator. Für 2 Fermionen ist A(1) = A(1) + A(2), 1 ψ SD (ξ1 , ξ2) = √ (ψ1 (ξ1 )ψ2 (ξ2 ) − ψ1 (ξ2 )ψ2 (ξ1 )) 2 (2.80) und entsprechend gilt 1 A(1) ψ SD (ξ1 , ξ2 ) = √ A(1)ψ1 (ξ1 )ψ2 (ξ2 ) − A(1)ψ2 (ξ1 )ψ1 (ξ2 ) 2 +A(2)ψ2 (ξ2 )ψ1 (ξ1 ) − A(2)ψ1 (ξ2 )ψ2 (ξ1 ) . Für orthonormierte Einteilchenzustände ergibt sich dann für den Erwartungswert hψ SD |A(1) |ψ SD i = hψ1 |A|ψ1 i + hψ2 |A|ψ2 i. Für N identische Fermionen wirkt ein Einteilchenoperator auf die Slater-Determinante 1 X ψ SD (ξ1 , . . . , ξN ) = √ sign(π)ψπ(1) (ξ1 ) · · · ψπ(N ) (ξN ) N! π wie folgt Y 1 X ψπ(k) (ξk ). A(1) ψ SD (ξ1 , . . . , ξN ) = √ sign(π)A(i)ψπ(i) (ξi ) N! i,π k6=i ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II (2.81) 2. Mehrkörpersysteme 2.2. Identische Teilchen 24 Für orthonormierte Einteilchenwellenfunktionen in (2.81) verschwinden die Erwartungswerte hψ SD |A|ψ SD i falls die Permutationen in ψ SD und Aψ SD verschieden sind. Für jedes A(i) in A(1) erhalten wir N! identische Terme. Deshalb finden wir für den Erwartungswert von A hψ SD (1) |A |ψ SD i= N XZ X d3 x ψi† (ξ)A(ξ)ψi (ξ), (2.82) i=1 ms wobei wir (x , ms ) durch ξ abgekürzt haben. Der Erwartungswert eines Einteilchenoperators in einem Produktzustand ist die Summe der Erwartungswerte in den beteiligten Einteilchenzuständen. P 2 Damit wird der Erwartungswert der kinetischen Energie, T = pi /2m zu Z ~2 X SD SD hψ |T |ψ i = d3 x|∇ψi (x , ms )|2 , (2.83) 2m i,m s und der Erwartungswert der potentiellen Energie Vc aufgrund der Wechselwirkung der Elektronen mit dem Kern (A = −Ze2 /r) XZ |ψi (x , ms )|2 SD SD 2 d3 x hψ |Vc |ψ i = −Ze . (2.84) r i,m s Als nächstes wenden wir uns der Elektron-Elektron-Wechselwirkung e2 X 1 Vee = 2 i6=j rij (2.85) zu. rij ist ein Zweiteilchenoperator, da er von den Koordinaten zweier Teilchen abhängt. Ein allgemeiner Zweiteilchenoperator hat die Form 1X A(i, j). (2.86) A(2) = 2 i6=j Wir berechnen die Erwartungswerte derartiger Operatoren in antisymmetrisierten Produktzuständen. Wegen Y 1 1 XX A(2) ψ SD = √ sign(π)A(i, j)ψπ(i) (ξi )ψπ(j) (ξj ) ψπ(k) (ξk ) (2.87) 2 N! i6=j π k6={i,j} tragen im Skalarprodukt hψ SD |A(2) |ψ SD i nur gleiche Permutationen der beiden Zustände bei, bis auf eine mögliche Transposition von i und j im Term mit A(i, j). Bezeichnen wir ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 2. Mehrkörpersysteme 2.2. Identische Teilchen 25 π(i) = p und π(j) = q, dann ist hψ SD |A(i, j)|ψ SD i = (N − 2)! X h (ψp (ξi )ψq (ξj ), A(i, j)ψp (ξi )ψq (ξj )) 2N! p6=q i −(ψq (ξi )ψp (ξj ), A(i, j)ψp (ξi )ψq (ξj )) . Hier haben wir berücksichtigt, dass es (N − 2)! Permutationen gibt, die zwei Elemente festlassen. Damit finden wir für den Erwartungswert eines beliebigen 2−Teilchenoperators X h 1 1 SD (2) SD hψ |A |ψ i = (ψp (ξi )ψq (ξj ), A(i, j)ψp (ξi )ψq (ξj )) 2 N(N − 1) i6=j,p6=q i −(ψq (ξi )ψp (ξj ), A(i, j)ψp (ξi )ψq (ξj )) . Jedes A(i, j) führt zum selben Beitrag, so dass schlussendlich gilt hψ SD (2) |A |ψ SD Z h 1X X d3 xd3 x′ ψp† (ξ)ψp (ξ)A(ξ, ξ ′)ψq† (ξ ′ )ψq (ξ ′ ) i = 2 p6=q m ,m′ s s i † † ′ ′ ′ −ψq (ξ)ψp (ξ )A(ξ, ξ )ψp (ξ)ψq (ξ ) . (2.88) Man beachte, dass p 6= q nicht bedeutet, dass ψp und ψq verschiedene Funktionen im Ortsraum sein müssen. Zum Beispiel könnte ψ1 (ξ) = φ(x )χms und ψ2 (ξ) = φ(x )χm′s mit ms 6= m′s sein. Dieses allgemeine Resultat können wir im Folgenden auf die ElektronElektron-Wechselwirkung anwenden. Geschlossene-Schalen Hartree-Fock Hier werden alle Spins als gepaart angenommen, was natürlich nur bei einer geraden Anzahl von Elektronen möglich ist. Der Grundzustand wird somit als Spin-Singulett angenommen. Für die Wellenfunktionen folgt somit ψ1 (ξ) = φ1 (x )χ↑ , ψ2 (ξ) = φ1 (x )χ↓ .. . (2.89) ψN −1 (ξ) = φ N (x )χ↑ , ψN (ξ) = φ N (x )χ↓ 2 2 Um den Erwartungswert der Energie im antisymmetrisierten Produktzustand aufzuschreiben, führen wir die mittlere „kinetische Energie“ und Dichte des i’ten Einteilchenzustands ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 2. Mehrkörpersysteme 2.2. Identische Teilchen 26 φi ein ti (x ) = |∇φi (x )|2 und ni (x ) = |φi (x )|2 , i = 1, 2 . . . , N . 2 (2.90) Eine sorgfältige Behandlung der Spinfreiheitsgrade ergibt den Erwartungswert des HamiltonOperators für Atome mit geschlossene Schalen: 2 XZ ~ SD SD 3 2 ni (x ) hψ |H|ψ i = 2 dx ti (x ) − Ze 2m r i Z Z X X ni (x )nj (y ) ni (x )ni (y ) + 4e2 (2.91) d3 xd3 y + e2 d3 xd3 y |x − y | |x − y | i<j i XZ φ†i (x )φj (x )φ†j (y )φi (y ) 2 3 3 −2e d xd y , |x − y | i<j wobei die letzte Summe die so-genannte Austauschenergie ist. Zum Beispiel, für das Beryllium-Atom mit 4 Elektronen enthält die Austauschenergie einen Term. Die „optimalen“ Einteilchenfunktionen minimieren nun hψ SD |H|ψ SD i unter der Nebenbedingung hψ SD |ψ SD i = 1. Bevor wir die optimalen Einteilchen- Wellenfunktionen charakterisieren, wollen wir prüfen, unter welchen weitergehenden Annahmen die Hartree-Fock-Näherung in die ThomasFermi-Näherung übergeht. Nimmt man an, dass die ψi lokal ebene Wellen sind, dann vereinfacht sich der kinetische Term in (2.91) zur kinetischen Energie eines idealen Fermigases mit ortsabhängiger Fermienergie. Nimmt man weiter an, dass die ni = n alle gleich sind und vernachlässigt zudem den Austauschterm, dann vereinfacht sich der Erwartungswert (2.91) zum Thomas-Fermi-Funktional, dessen Variation auf die Thomas-Fermi-Gleichung führt. Wir kommen nun zur Herleitung der Hartree-Fock-Gleichungen. Die Variation des Erwartungswertes (2.91) ist XZ XZ ~2 nj (y ) Ze2 † 3 SD SD 3 2 d x δψi (ξ) − δhψ |H|ψ i = dy ψi (ξ) △− +e 2m r |x − y | i,ms j6=i X Z ψi (y , m′s )ψj† (y , m′s ) 2 3 · ψj (ξ) . (2.92) −e dy |x − y | ′ j6=i,ms R Die Nebenbedingungen |ψi |2 = 1 berücksichtigen wir durch Einführung von N Lagrangeschen Multiplikatoren εi , ähnlich wie bei der Herleitung der Thomas-Fermi-Gleichung. Damit wird die Energie eines antisymmetrischen Produktzustandes minimal, falls folgende Hartree-Fock-Gleichungen erfüllt sind: ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 2. Mehrkörpersysteme 2.3. Aufgaben zu Kapitel 2 XZ nj (y ) Ze2 ~2 3 2 d y △− +e − εi ψi (x , ms ) − 2m r |x − y | j6=i Z ′ X ψi (y , ms )ψj† (y , m′s ) d3 y = e2 ψj (x , ms ), i = 1, . . . , N. |x − y | ′ j6=i,m 27 (2.93) s Zur Lösung dieser nichtlinearen Integro-Differentialgleichungen verwendet man die Methode der sukzessiven Approximation. Als nullte Näherung wählt man die Eigenfunktionen ψi0 wasserstoffähnlicher Atome mit Kernladungszahl Z und berechnet damit die Integrale in (2.93). Diese Werte für die Integrale setzt man nun in (2.93) ein und löst die resultierenden linearen Gleichungen zur Bestimmung der ersten Näherung ψi1 . Nun werden die Integrale mit der ersten Näherung berechnet und daraus kann man die zweite Näherung für die Einteilchenwellenfunktion ermitteln usw. Dieses Verfahren wird solange iteriert, bis es (hoffentlich) konvergiert. Für das Lithium und das Natrium-Atom sind die Gleichungen in der Arbeit von Fock und Petraschen gelöst worden [3]. Die Ergebnisse dieser Rechnungen stimmen mit dem Experiment gut überein. Seither ist das Verfahren vielfach zur Berechnung von Eigenfunktionen und Energien von komplizierteren Atomen verwendet worden. Die praktische Auswertung dieser Methode stößt aber auf große numerische Schwierigkeiten bei der Lösung des Integrodifferentialgleichungssystems (2.93). 2.3 Aufgaben zu Kapitel 2 Aufgabe 1: Mehrkörpersysteme: Gegeben sei ein 2-Teilchen-Operator 1X A(i, j) A= 2 i6=j und eine Produktwellenfunktion ψ = ψ1 (1)ψ2 (2)ψ3 (3) mit orthonormierten ψi . Berechne explizit das Matrixelement (ψ, Aψ) für symmetrisierte und antisymmetrisierte Wellenfunktionen und symmetrische A(i, j). Aufgabe 2: Dreikörperproblem: Wir betrachten ein System von drei Teilchen mit gleichen Massen m und Paarwechselwirkungen V = V (r12 ) + V (r13 ) + V (r23 ), ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II rij = kxi − xj k. 2. Mehrkörpersysteme 2.3. Aufgaben zu Kapitel 2 28 Zeige, dass der Hamilton-Operator 3 H (3) folgende Form hat 1 X 2 p +V = 2m i=1 i (3) H (3) = Hcm + Hrel mit Hcm = P2 , 2M Gesamtimpuls P = p1 + p2 + p3 und dem Operator für die Relativbewegung, der die Summe von Zweiteilchen-Operatoren ist, (3) Hrel = H12 + H13 + H23 . Bestimme diese Operatoren inklusive reduzierter Masse. Kommutiert Hcm mit den Hij ? Kommutieren die Hij im Allgemeinen? Was schliessen Sie, wenn sie kommutieren würden? Aufgabe 3: Permutationen: Zeigen Sie, dass die Permutationsgruppe S3 von drei Elementen isomorph zu den Decktransformationen eines gleichseitigen Dreiecks sind. Gilt dies auch für S4 und die Decktransformationen eines Quadrates? ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II Kapitel 3 Addition von Drehimpulsen mit Anwendungen Der Hamilton-Operator eines Mehrkörpersystems vertauscht nur bei Vernachlässigung der spinabhängigen Terme mit dem gesamten Bahndrehimpuls L. Bei Berücksichtigung der Spinterme vertauscht er nur noch mit dem Gesamtdrehimpuls J = L + S . Wir wollen uns daher der Frage zuwenden, wie die Eigenzustände des gesamten Drehimpulses aus den Eigenzuständen der Drehimpulse der Teilsysteme zusammengesetzt sind. Es bezeichne J den gesamten Drehimpuls und J1 , J2 die kommutierenden Drehimpulse der Teilsysteme. Die Komponenten aller Drehimpulse erfüllen die Drehimpuls-Algebra [Jx , Jy ] = i~Jz und zyklisch. (3.1) Bei der Diskussion des Drehimpulses haben wir gezeigt, dass J 2 und Jz gleichzeitig diagonalisiert werden können1 J 2 |jmi = j(j + 1)|jmi, Jz |jmi = m|jmi, j ∈ 12 N0 , m = −j, . . . , j. (3.2) In den Formeln haben wir ~ = 1 gesetzt. Es ist eine lehrreiche Übung, in den folgenden Ergebnissen die ~-Abhängigkeit wieder herzustellen. Die nicht-hermiteschen Leiteroperatoren (Auf- und Absteigeoperatoren, Stufenoperatoren) J± = Jx ± iJy , mit J−† = J+ , wirken auf diese Drehimpuls-Eigenzustände gemäß p ± j(j + 1) − m(m ± 1). J± |jmi = c± jm |j, m ± 1i mit cjm = 1 In diesem Abschnitt bezeichnet Vz die Projektion von V auf die 3-Achse. 29 (3.3) (3.4) 3. Addition von Drehimpulsen mit Anwendungen 3.1. Addition von Drehimpulsen 30 Für jedes halbganze j gibt es eine 2j + 1-dimensionale irreduzible Darstellung der Drehimpulsalgebra. Der Darstellungsraum wird mit hj bezeichnet. 3.1 Addition von Drehimpulsen Es habe nun ein Teilsystem den Drehimpuls j1 und ein zweites Teilsystem den Drehimpuls j2 . Was können wir über den Drehimpuls des Gesamtsystems in dieser Situation aussagen? Leider ist die Antwort auf diese Frage nicht ganz so einfach wie in der klassischen Mechanik, wo die Drehimpulse der Teilsysteme nur vektoriell addiert werden. Da für abgeschlossene Systeme im Allgemeinen der Hamilton-Operator nur mit dem gesamten Drehimpuls und nicht den einzelnen Drehimpulsen vertauscht, ist die Beantwortung dieser Frage für die Berechnung der Energie-Eigenwerte von Bedeutung. Der Zustandsraum des Gesamtsystems hj1 j2 = hj1 ⊗ hj2 wird durch die Produkte der orthonormierten Eigenzustände der individuellen Drehimpulse aufgespannt, |j1 m1 j2 m2 i = |j1 , m1 i ⊗ |j2 , m2 i (3.5) und hat die Dimension dim(hj1 j2 ) ) = dim(hj1 ) · dim(hj2 ) = (2j1 + 1)(2j2 + 1). (3.6) Die Produktzustände sind Eigenzustände der kommutierenden Operatoren J12 , J22 , J1z , J2z J12 |j1 m1 j2 m2 i = j1 (j1 + 1)|j1 m1 j2 m2 i , J1z |j1 m1 j2 m2 i = m1 |j1 m1 j2 m2 i J22 |j1 m1 j2 m2 i = j2 (j2 + 1)|j1 m1 j2 m2 i , J2z |j1 m1 j2 m2 i = m2 |j1 m1 j2 m2 i. (3.7) Der Gesamtdrehimpuls J = J1 + J2 (3.8) erfüllt ebenfalls die Drehimpulsalgebra, und wir können die gemeinsamen Eigenzustände von J 2 und Jz suchen. Da weiterhin J12 und J22 mit J vertauschen, sind J 2 , Jz , J12 und J22 verträgliche Observablen und können gleichzeitig diagonalisiert werden. Wir bezeichnen die entsprechenden orthonormierten Zustände mit |j1 j2 jmi: J 2 |j1 j2 jmi = j(j + 1)|j1 j2 jmi , Jz |j1 j2 jmi = m|j1 j2 jmi J12 |j1 j2 jmi = j1 (j1 + 1)|j1 j2 jmi , J22 |j1 j2 jmi = j2 (j2 + 1)|j1 j2 jmi. ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II (3.9) 3. Addition von Drehimpulsen mit Anwendungen 3.1. Addition von Drehimpulsen 31 Die Zustände |j1 m1 j2 m2 i bzw. |j1 j2 jmi bilden zwei orthonormierte Basissysteme von hj1 j2 . Wir wollen herausfinden, wie man die Vektoren |j1 j2 jmi als Linearkombination der Vektoren |j1 m1 j2 m2 i ausdrücken kann, X hj1 m1 j2 m2 |j1 j2 jmi |j1 m1 j2 m2 i. (3.10) |j1 j2 jmi = m1 m2 Wir haben berücksichtigt, dass alle Zustände Eigenzustände von J12 und J22 sind. Deshalb müssen die zugehörigen Eigenwerte gleich sein, damit die Skalarprodukte nicht verschwinden. Die Matrixelemente hj1 m1 j2 m2 |j1 j2 jmi (3.11) sind die bekannten Clebsch-Gordan-Koeffizienten (CG-Koeffizienten). Die wichtigsten Koeffizienten findet man im Buch von E. Condon und G. Shortley tabelliert [7]. Dabei muss man beachten, dass die Bezeichnungen für die Koeffizienten nicht einheitlich sind. Häufig verwendete Symbole sind hj1 m1 j2 m2 |j1 j2 jmi = hj1 m1 j2 m2 |jmi = Cjjm . 1 m1 j2 m2 (3.12) Wir wählen in den meisten Fällen die erste Bezeichnung. In expliziten Rechnungen, bei denen die j ′ s und m′ s durch Zahlen ersetzt werden, ist allerdings die zweite Bezeichnung vorzuziehen. Wir wollen die wichtigsten Eigenschaften dieser Koeffizienten ableiten. Da Jz ein hermitischer Operator ist, gilt mhj1 m1 j2 m2 |j1 j2 jmi = hj1 m1 j2 m2 |Jz |j1 j2 jmi = (m1 + m2 )hj1 m1 j2 m2 |j1 j2 jmi und die Clebsch-Gordan Koeffizienten sind nur ungleich Null, wenn die Auswahlregel m = m1 + m2 (3.13) erfüllt ist. Damit gilt |j1 j2 jmi = X hj1 m1 j2 m2 |j1 j2 jmi |j1 m1 j2 m2 i. (3.14) m1 +m2 =m Wir wollen nun die Entartung der Eigenwerte m von Jz bestimmen. Wegen der Bedingung (3.13) ist diese gleich der Anzahl Paare (m1 , m2 ) mit m1 + m2 = m. Wir wollen j1 ≥ j2 annehmen. Dann sind die Anzahl Paare mit festem m = m1 + m2 aus der folgenden Figur ersichtlich. Es gibt genau einen Eigenzustand mit m = j1 + j2 , nämlich ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 3. Addition von Drehimpulsen mit Anwendungen m = j2 −j1 b b b b b b b b b b b b b b b m2 j2 3.1. Addition von Drehimpulsen m = j1 +j2 b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b b −j1 m = −j1 −j2 −j2 32 J− m1 j1 m = j1 −j2 Abbildung 3.1: Mögliche Werte von m1 , m2 und Wirkung von J− den Produktzustand |j1 j1 i ⊗ |j2 j2 i mit maximalen Jiz -Eigenwerten. Dieser wird von den beiden Aufsteigeoperatoren Ji+ vernichtet. Wegen J 2 = (J1 + J2 )2 = J12 + J22 + 2J1 · J2 = J12 + J22 + 2J1z J2z + J1+ J2− + J1− J2+ (3.15) ist er auch Eigenzustand von J 2 mit Eigenwert j1 (j1 + 1) + j2 (j2 + 1) + 2j1 j2 = (j1 + j2 )(j1 + j2 + 1). Damit haben wir einen Eigenzustand des gesamten Drehimpulses mit j = j1 + j2 und magnetischen Quantenzahl m = j gefunden. Durch mehrmaliges Anwenden des Absteigeoperator J− auf diesen Zustand erzeugen wir die 2j + 1 Eigenzustände |j1 j2 jmi mit j = j1 + j2 , −j ≤ m ≤ j. Das Gesamtsystem enthält demnach ein Multiplett mit Drehimpuls j1 + j2 . Was bleibt nun übrig? Das größte übrig bleibende m ist j1 + j2 − 1. Also existiert ein Multiplett mit j = j1 + j2 − 1, da nur dieses ein solches maximales m hat. Nun fährt man auf diese Weise fort und folgert, dass j die Werte j1 + j2 , j1 + j2 − 1, . . . , |j1 − j2 | annimmt. Es gilt also eine weitere Auswahlregel, die Dreiecksregel, für die möglichen Werte des Gesamtdrehimpulses ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 3. Addition von Drehimpulsen mit Anwendungen 3.2. Clebsch-Gordan Koeffizienten 33 von zwei Systemen mit Drehimpulsen j1 und j2 : |j1 − j2 | ≤ j ≤ j1 + j2 (Dreiecksregel). (3.16) Man sieht, dass die Addition eines ganzen und eines halbganzen Drehimpulses nur halbganze Drehimpulse ergibt. Man prüft leicht nach, dass man alle Zustände erhält, jX 1 +j2 (2j + 1) = (2j1 + 1)(2j2 + 1). j=|j1 −j2 | Wir haben bewiesen, dass das Tensorprodukt zweier Darstellungen hj1 und hj2 der individuellen Drehimpulse folgende Darstellungen des Gesamtdrehimpulses enthält: hj1 ⊗ hj2 = hj1 +j2 ⊕ hj1 +j2 −1 ⊕ . . . ⊕ h|j1 −j2 | . (3.17) In der Gruppentheorie bezeichnet man die Multipletts oft mit ihrer Dimension, zum Beispiel 3 für die von den drei Zuständen in h1 aufgespannten Unterraum. Mit dieser Übereinkunft zerfällt zum Beispiel der 9-dimensionale Raum 3 ⊗ 3 in Zustände mit Gesamtdrehimpuls 0, 1 und 2, also ein Singlett, Triplett und Quintett, 3 ⊗ 3 = 1 ⊕ 3 ⊕ 5, (3.18) Entsprechend ist das Produkt von zwei unabhängigen Spin 12 -Zuständen eine Linearkombination eines Singletts und Tripletts, 2 ⊗ 2 = 1 ⊕ 3. 3.2 (3.19) Clebsch-Gordan Koeffizienten Wir wenden uns den Eigenschaften der Entwicklungskoeffizienten (3.12) und ihrer Berechnung zu. Statt die |j1 j2 jmi nach den |j1 m1 j2 m2 i zu entwickeln, wie oben, können wir umgekehrt auch die |j1 m1 j2 m2 i nach den |j1 j2 jmi entwickeln, X hj1 j2 jm|j1 m1 j2 m2 i |j1j2 jmi. (3.20) |j1 m1 j2 m2 i = j,m=m1 +m2 Die Matrixelemente hj1 j2 jm|j1 m1 j2 m2 i ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II (3.21) 3. Addition von Drehimpulsen mit Anwendungen 3.2. Clebsch-Gordan Koeffizienten 34 sind die inversen Clebsch-Gordan-Koeffizienten. Wie diese erfüllen sie Orthogonalitätsrelationen, da sie den Basiswechsel zwischen zwei orthonormierten Basen vermitteln, X hj1 m′1 j2 m′2 |j1 j2 jmihj1 j2 jm|j1 m1 j2 m2 i = δm1 m′1 δm2 m′2 . (3.22) j,m Dabei wird über alle der Dreiecksungleichung (3.16) genügenden j und entsprechenden m summiert. Die CG-Koeffizienten erfüllen X (3.23) hj1 j2 jm|j1 m1 j2 m2 ihj1 m1 j2 m2 |j1 j2 j ′ m′ i = δjj ′ δmm′ . m1 +m2 =m Wir werden später sehen, dass alle Koeffizienten reell gewählt werden können. Dann gilt hj1 j2 jm|j1 m1 j2 m2 i = hj1 m1 j2 m2 |j1 j2 jmi, und (3.23) wird für j = j ′ und m = m′ zu X hj1 j2 jm|j1 m1 j2 m2 i2 = 1. (3.24) m1 +m2 =m Die Koeffizienten sind nun rekursiv berechenbar. Dazu wirkt man mit den Auf- und Absteigeoperatoren J± = J1± +J2± im folgenden Matrixelement auf den Ket- und Bra-Vektor hj1 m1 j2 m2 |J± |j1 j2 jmi und benutzt J±† = J∓ . Die Wirkung auf den Ket-Vektor ergibt c± jm hj1 m1 j2 m2 |j1 j1 j, m ± 1i und die Wirkung auf den Bra-Vektor ∓ c∓ j1 m1 hj1 , m1 ∓ 1, j2 m2 |j1 j2 jmi + cj2 m2 hj1 m1 j2 , m2 ∓ 1|j1 j2 jmi. Dies ergibt die beiden Rekursionsformeln c± jm hj1 m1 j2 m2 |j1 j2 j, m ± 1i ∓ = c∓ j1 m1 hj1 , m1 ∓ 1, j2 m2 |j1 j2 jmi + cj2 m2 hj1 m1 j2 , m2 ∓ 1|j1 j2 jmi (3.25) für die Clebsch-Gordan Koeffizienten oder die Rekursionsrelationen c± jm hj1 j2 j, m ± 1|j1 m1 j2 m2 i ∓ = c∓ j1 m1 hj1 j2 jm|j1 , m1 ∓ 1, j2 m2 i + cj2 m2 hj1 j2 jm|j1 m1 j2 , m2 ∓ 1i (3.26) für die inversen Koeffizienten. Zusammen mit (3.24) gestatten uns diese Relationen die Berechnung der Koeffizienten. ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 3. Addition von Drehimpulsen mit Anwendungen 3.2. Clebsch-Gordan Koeffizienten 35 Als wichtige Anwendung betrachten wir die Addition von Spin und Bahndrehimpuls eines Elektrons. In diesem Beispiel bezeichnen wir die Eigenzustände des Gesamtdrehimpuls mit |jmi und nicht mit |j1 j2 jmi, um sie von den Produktzuständen besser unterscheiden zu können. Es sei j1 = ℓ der Bahndrehimpuls und j2 = 12 der Spin. Wegen h0 ⊗ h 1 = h 1 2 2 und hℓ ⊗ h 1 = hℓ− 1 ⊕ hℓ+ 1 2 2 (3.27) 2 ist der Gesamtdrehimpuls j eines s-Elektrons gleich 12 , eines p-Elektrons gleich eines d-Elektrons gleich 23 oder 52 , und so weiter. 1 2 oder 32 , Für ℓ = 0 ist offensichtlich h00 21 ms | 21 mi = δm,ms . (3.28) Für ℓ ≥ 1 kann j die Werte ℓ ± 12 annehmen. Nur der Produktzustand |ℓℓi ⊗ | 21 12 i hat die maximale magnetische Quantenzahl m = ℓ + 21 und deshalb gilt hℓℓ 12 12 |ℓ + 21 , ℓ + 12 i = 1. (3.29) Hier benutzen wir (3.25) mit dem unteren Vorzeichen und mit j2 = m2 = 12 , + 11 11 c− jm hℓmℓ 2 2 |j, m−1i = cℓmℓ hℓ, mℓ +1, 2 2 |jmi (3.30) wobei die Auswahlregeln (3.13) und (3.16) für die Drehimpulsquantenzahlen zu beachten sind. Wir schließen mit m → m + 1 und j = ℓ + 21 q (ℓ + 21 )(ℓ + 32 ) − (m + 1)m hℓ, m − 21 , 21 21 |ℓ + 21 , mi q = ℓ(ℓ + 1) − (m − 21 )(m + 12 ) hℓ, m + 12 , 21 , 12 |ℓ + 21 , m + 1i. Wir machten von der Auswahlregel mℓ + 21 = m Gebrauch. Kürzt man den gemeinsamen Faktor (ℓ − m + 21 )1/2 auf beiden Seiten, so ergibt sich s ℓ + m + 12 1 11 1 11 1 1 ℓ, m + hℓ, m − 2 , 2 2 |ℓ + 2 , mi = , |ℓ + , m + 1 . 2 22 2 ℓ + m + 32 Vermittels Iteration dieser Relation und unter Benutzung von (3.29) findet man dann s ℓ + m + 12 1 1 11 . (3.31) hℓ, m − 2 , 2 2 |ℓ + 2 , mi = 2ℓ + 1 Die verbleibenden Clebsch-Gordan Koeffizienten für die Spin-Bahn Kopplung werden analog berechnet. Das Resultat ist in der folgenden Tabelle für die Koeffizienten (ℓmℓ 21 ms |jm) ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 3. Addition von Drehimpulsen mit Anwendungen 3.2. Clebsch-Gordan Koeffizienten 36 mit mℓ = m − ms , zusammengestellt. ℓ+ 1 2 ℓ− 1 2 − 12 1 2 j\ms q q ℓ+m+1/2 2ℓ+1 q − ℓ−m+1/2 2ℓ+1 q ℓ−m+1/2 2ℓ+1 ℓ+m+1/2 2ℓ+1 Die Clebsch-Gordan Koeffizienten (ℓmℓ 1m2 |jm) für die Kopplung zweier Systeme mit Drehimpulsen ℓ und 1 lauten j\m2 ℓ+1 1 q 0 (ℓ+m)(ℓ+m+1) (2ℓ+1)(2ℓ+2) q − (ℓ+m)(ℓ−m+1) 2ℓ(ℓ+1) ℓ ℓ−1 q (ℓ−m)(ℓ−m+1) 2ℓ(2ℓ+1) q (ℓ−m+1)(ℓ+m+1) (2ℓ+1)(ℓ+1) √m ℓ(ℓ+1) q − (ℓ−m)(ℓ+m) ℓ(2ℓ+1) −1 q q q (ℓ−m)(ℓ−m+1) (2ℓ+1)(2ℓ+2) (ℓ−m)(ℓ+m+1) 2ℓ(ℓ+1) (ℓ+m)(ℓ+m+1) 2ℓ(2ℓ+1) In Anwendungen ist es oft notwendig j1 und j2 zu vertauschen. Dazu gibt es verschiedene Identitäten für die CG-Koeffizienten. Aber die Benutzung dieser Identitäten führt leicht zu Fehlern und es ist angenehmer, die so-genannten 3j-Symbole von Wigner zu benutzen, bei denen die drei Drehimpulse J , J1 und J2 symmetrisch behandelt werden. Diese sind folgendermaßen mit den Clebsch-Gordan Koeffizienten verbunden, j1 m1 j2 m2 j3 m3 = (−1)j1 −j2 −m3 √ hj1 m1 j2 m2 |j3 , −m3 i. 2j3 + 1 (3.32) Die 3j-Symbole ändern nicht bei einer zyklischen Permutation der Kolonnen. Bei einer nicht-zyklischen Permutation ändern sie gemäß j1 j2 j3 j2 j1 j3 j1 +j2 +j3 . (3.33) = (−1) m1 m2 m3 m2 m1 m3 ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 3. Addition von Drehimpulsen mit Anwendungen 3.3 3.3. Tensoroperatoren 37 Tensoroperatoren Tensoroperatoren treten in vielen Anwendungen auf. Oft benötigt man ihre Matrixelemente zwischen Eigenzuständen des Drehimpulses. Wir beginnen mit skalaren Operatoren und diskutieren danach die Matrixelemente für allgemeine Tensoroperatoren. 3.3.1 Skalare Operatoren Skalare Operatoren sind drehinvariant und vertauschen mit dem Drehimpuls. Wichtige Vertreter sind der Hamilton-Operator, die kinetische Energie oder L · S . Es sei also S ein Skalar, Γ(U)SΓ(U −1 ) = S oder [J , S] = 0, (3.34) wobei U ∈ SU(2) eine quantenmechanische Drehung ist. Lassen wir in den Gleichungen hjm|[J 2 , S]|j ′m′ i = 0 und hjm|[Jz , S]|j ′m′ i = 0 die Drehimpulse einmal auf den Ket und dann auf das Bra wirken, dann folgt die einfache Auswahlregel hjm|S|j ′m′ i = δjj ′ δmm′ hjm|S|jmi. (3.35) Die Matrixelemente eines skalaren Operators zwischen Zuständen mit verschiedenen Drehimpulsquantenzahlen verschwinden also. Wir unterdrücken in unserer Notation weitere Quantenzahlen die notwendig wären um Zustände vollständig zu charakterisieren. Wegen [J± , S] = 0 hängen die Matrixelemente gar nicht von m ab. Zum Beweis berechnen wir die Matrixelemente von J+ SJ− auf zwei Arten. Zuerst wirken wir mit J− auf den Ket und mit J+ auf das Bra, (3.4) 2 hjm|J+ SJ− |jmi = (c− jm ) hj, m−1|S|j, m−1i. Da der Aufsteigeoperator J+ mit dem skalaren Operator vertauscht ist dies auch (3.4) − − 2 hjm|SJ+ J− |jmi = c+ j,m−1 cjm hjm|S|jmi = (cjm ) hjm|S|jmi. Mit den linken stimmen auch die rechten Seiten der beiden letzten Gleichungen überein und deshalb müssen sind die Matrixelemente hjm|S|jmi unabhängig von m sein, ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 3. Addition von Drehimpulsen mit Anwendungen 3.3. Tensoroperatoren hjm|S|j ′m′ i = δjj ′ δmm′ hjkSkji. 38 (3.36) Das reduzierte Matrixelement hjkSkji bestimmt man indem man die linke Seite zum Beispiel für m = j berechnet. Ähnliche Methoden können auch für Vektoroperatoren oder allgemeinere Tensoroperatoren angewandt werden. 3.3.2 Tensoroperatoren Die Auswahlregeln für Matrixelemente von Tensoroperatoren spielen in Anwendungen der Quantenmechanik eine herausragende Rolle. So wird das Verhalten von Atomen und Molekülen bei Emission, Absorption und Streuung von elektromagnetischer Strahlung durch den wichtigen Dipol-Vektoroperator bestimmt. Weitere Beispiele für Vektoroperatoren sind der Impuls, Drehimpuls oder Spin. Beispiele für höhere Tensoroperatoren sind die atomaren Multipolmomente. Wir erinnern an das Transformationsverhalten der Eigenzustände des Drehimpulses bei quantenmechanischen Drehungen, Γ(U)|jmi = j X m′ =−j j ′ Dm ′ m |jm i, j ′ Dm ′ m (U) = hjm |Γ(U)|jmi. (3.37) Die D j bilden eine 2j +1-dimensionale unitäre Darstellung von SU(2) auf dem Unterraum hj . Die Produktzustände (3.5) transformieren gemäß X j j2 ′ ′ Dm1′ m1 Dm (3.38) Γ(U) |j1 m1 j2 m2 i = ′ m |j1 m1 j2 m2 i. 2 1 2 m′1 ,m′2 Wir definieren die 2j + 1 Normalkomponenten Tmj eines (irreduziblen) Tensoroperators T j der Stufe j, oft auch sphärische Komponenten genannt, als Operatoren, die unter Drehungen wie folgt transformieren X j Dm′ m (U)Tmj ′ , U ∈ SU(2). (3.39) Γ(U)Tmj Γ−1 (U) = m′ J Die Zustände TM |jmi transformieren dann unter Drehungen genauso wie die Produktzustände |JMjmi, wie man leicht nachweist, X j J J ′ J J Γ(U) TM |jmi = Γ(U)TM Γ(U)−1 Γ(U) |jmi = (3.40) DM ′ M Dm′ m TM ′ |jm i. | {z } ′ ′ 1 ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II M ,m 3. Addition von Drehimpulsen mit Anwendungen 3.3. Tensoroperatoren 39 Sie sollten sich also in Multipletts mit Drehimpulsen zwischen J +j und |J −j| gruppieren. Um die infinitesimale Version von (3.39) zu erhalten, setzen wir auf der linken Seite dieser Gleichung Γ(U) = exp(−iαJ ) und bemerken, dass die Normalkomponenten Tmj genauso transformieren wie die Eigenzustände |jmi. Damit ergeben sich folgende Kommutatoren für die Drehimpulse und Normalkomponenten eines Tensoroperators, j [J± , Tmj ] = c± jm Tm±1 und [J3 , Tmj ] = mTmj . Mit Hilfe des letzten Kommutators finden wir J J J J J3 TM |jmi = TM J3 + MTM |jmi = (m + M) TM |jmi. (3.41) (3.42) J Die Normalkomponente TM eines Vektoroperators erhöht den Jz -Eigenwert um M und es folgt eine erste Auswahlregel J m 6= M + m′ =⇒ hjm|TM |j ′ m′ i = 0. (3.43) J Die Zustände TM |jmi sind im Allgemeinen keine Eigenvektoren von J 2 . Nun betrachten wir Matrixelemente der ersten Vertauschungrelation in (3.41) J J J ′ ′ hjm|J∓ TM − TM J ∓ − c∓ JM TM ∓1 |j m i = 0 und finden die Rekursionsrelationen J ′ ′ c± jm hj, m ± 1|TM |j m i J ′ ′ ∓ J ′ ′ = c∓ JM hjm|TM ∓1 |j m i + cj ′ m′ hjm|TM |j , m ∓ 1i (3.44) Diese Gleichungen sind identisch zu den Rekursionrelationen (3.26) für die inversen ClebschGordan Koeffizienten und dies beweist das J Wigner-Eckart Theorem: Sind hjm|TM |j ′ m′ i die Matrixelemente der Normalkomponenten eines Tensoroperators der Ordnung J und |jmi und |j ′ m′ i die Eigenvektoren des Drehimpuls-Operators, dann gilt J hjm|TM |j ′ m′ i = hjm|JMj ′ m′ i hj||T J ||j ′ i (3.45) mit einem von m, m′ und M unabhängigen reduzierten Matrixelement hj||T J ||j ′ i. Das Theorem impliziert die zweite Auswahlregel J ′ ′ hjm|TM |j m i = 0 für j ∈ / {j ′ +J, j ′ +J −1, . . . , | j ′ −J| }. ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II (3.46) 3. Addition von Drehimpulsen mit Anwendungen 3.3. Tensoroperatoren 40 Für ganzzahlige j ist Γ(U) eine Darstellung der Drehgruppe SO(3) und wir dürfen Γ(U) = Γ(R) mit R ∈ SO(3) schreiben. In diesem Fall kann man die kartesischen Komponenten Tij1 ...ij von T j einführen. Diese transformieren unter Drehungen gemäß Γ(R)Tij1 ...ij Γ(R−1 ) = Ri′1 i1 . . . Ri′j ij Tij′ ...i′ , 1 j R ∈ SO(3). (3.47) Aber von den 3j kartesischen Komponenten eines irreduziblen Tensors T j können nur 2j + 1 linear unabhängig sein. Mit Ausnahme der skalaren und vektoriellen Operatoren gibt es algebraischen Beziehungen zwischen den kartesischen Komponenten. Für einen Vektoroperator entspricht der Übergang von kartesischen zu Normalkomponenten dem Übergang von den Koordinaten (x, y, z) zu den Kugelflächenfunktionen Y1m , c Y11 = − √ (x + iy) , 2 Y10 = c · z, c Y1−1 = √ (x − iy) , 2 (3.48) da die Kugelflächenfunktionen wie die |1mi transformieren. Damit sind die Normalkomponenten eines Vektoroperators 1 V1 = − √ (Vx + iVy ) , 2 V0 = Vz , 1 V−1 = √ (Vx − iVy ) . 2 (3.49) Die Vertauschungrelationen [Ji , Vj ] = iǫijk Vk für die kartesischen Komponenten sind äquivalent zu den Vertauschungsrelationen (3.41) mit j = 1 für die Normalkomponenten Vm . Für einen Vektoroperator lautet das Wigner-Eckart-Theorem hjm|VM |j ′ m′ i = hjm|1Mj ′ m′ i hj||V ||j ′ i. (3.50) Als erste Anwendung berechnen wir die reduzierten Matrixelemente für den Drehimpuls. Seine Normalkomponenten lauten 1 J1 = − √ J+ , 2 J0 = Jz , 1 J−1 = √ J− . 2 (3.51) Die linke Seite von hjm|JM |j ′ m′ i = hjm|1Mj ′ m′ i hj||J||j ′i (3.52) verschwindet offensichtlich für j 6= j ′ und wir finden hj||J||j ′i = 0 für j 6= j ′ . Für j ′ = j können wir M = 0 und m = m′ = j wählen und erhalten hjj|J0 |jji = hjj|10jji hj||J||ji. ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II (3.53) 3. Addition von Drehimpulsen mit Anwendungen 3.3. Tensoroperatoren 41 Das Matrixelement auf der linken Seite ist j und der Clebsch-Gordan Koeffizient ist gleich dem Element in der zweiten Spalte und zweiten Zeile der Tabelle auf Seite 36. Es ergibt sich das reduzierte Matrixelement p hj||J||ji = j(j + 1, und (3.52) nimmt folgende Form an hjm|JM |jm′ i hjm|1Mjm i = p . j(j + 1) ′ (3.54) Wir können dieses Resultat in (3.50) mit j = j ′ verwerten, hj||V ||ji . hjm|VM |jm′ i = hjm|JM |jm′ i p j(j + 1) (3.55) Da die kartesischen Komponenten linear von den Normalkomponenten abhängen, gilt auch hj||V ||ji . hjm|V |jm′ i = hjm|J |jm′ i p j(j + 1) (3.56) Um eine einfache Formel für das reduzierte Matrixelement zu gewinnen, multiplizieren wir skalar mit hjm′ |J |jm′′ i und summieren über m′ . Wir finden hj||V ||ji hjm|V · J |jm′′ i = hjm|J 2 |jm′′ i p j(j + 1) p = δmm′′ j(j + 1) hj||V ||ji (3.57) und eingesetzt in (3.56) die Formel hjm|V · J |jmi j(j + 1) hjkV · J kji = hjm|J |jm′ i . j(j + 1) hjm|V |jm′ i = hjm|J |jm′ i (3.58) Da V ·J ein skalarer Operator ist, konnten wir im letzten Schritt die Formel (3.36) anwenden. Bis auf eine j-abhängige Konstante sind die Matrixelemente von V und J auf dem Unterraum hj gleich. Dies bedeutet nicht, dass die Operatoren proportional sind. Im Gegensatz zu J wird ein allgemeiner Vektoroperator nicht-verschwindende Matrixelemente hjm|V |j ± 1, m′ i haben. Man kann die Formel (3.57) allerdings benutzen, um das reduzierte Matrixelement von V in einem Unterraum mit festem Drehimpuls zu berechnen. Der Matrixelemente des skalaren Operators V · J sind nur ungleich Null für m = m′ . ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 3. Addition von Drehimpulsen mit Anwendungen 3.3.3 3.3. Tensoroperatoren 42 Berechnung von Landé-Faktoren Wir werden mit Hilfe des Wigner-Eckart-Theorems den Einfluss eine magnetischen Feldes B auf die Energieniveaus eines Atoms mit mehreren Elektronen berechnen. Ein schwaches Magnetfeld hebt Entartungen auf und erzeugt stattdessen äquidistante Energieniveaus. Die Energiedifferenz dieser Zustände ist proportional zum Betrag B des Feldes und einer Konstanten gJ , dem Landé-Faktor, den wir berechnen werden. Es sei L = L1 +. . .+LN der Gesamtbahndrehimpuls der N Atomelektronen und S = S1 + . . .+SN ihr Gesamtspin. Für einen verschwindenden Kernspin ist der gesamte Drehimpuls des Atoms J = L + S. (3.59) Bei Abwesenheit des Magnetfeldes bezeichnen wir den Hamilton-Operator mit H0 . Wegen der Invarianz des ungestörten Atoms gegenüber einer Drehung aller Elektronen um den Kern vertauscht H0 mit dem gesamten Drehimpuls. Wir nehmen an, dass H0 , L2 , S 2 , J 2 und Jz einen vollständigen Satz von verträglichen Observablen bilden und bezeichnen die gemeinsamen Eigenfunktionen mit |E0 LSJMi, H0 → E0 , L2 → L(L + 1) , S 2 → S(S + 1) , J 2 → j(j + 1) , J3 → M. (3.60) Diese Annahme ist nur für gewisse leichte Atome erfüllt, für welche die Drehimpulskopplung von der Form L · S ist. Für schwere Edelgase ist dies aber nicht wahr. Wir werden später darauf zurückkommen. Wegen [H0 , J ] = 0 haben alle 2J + 1 Zustände |E0 LSJMi mit M = −J, . . . , J − 1, J (3.61) in einem irreduziblen J -Multiplett dieselbe Energie. Den von den Vektoren |E0 LSJMi aufgespannten Eigenraum bezeichnen wir mit H(E0 , L, S, J). In Gegenwart eines Magnetfeldes B = Bez wird der Hamilton-Operator des Atoms H = H0 + H1 , mit H1 = ωL (Lz + 2Sz ), (3.62) wobei der Faktor 2 vor Sz vom gyromagnetischen Verhältnis des Elektronenspins herrührt. Wir haben die Larmor-Frequenz ωL des Elektrons eingeführt, ωL = − qB µB = − B, 2m ~ worin µB das Bohr-Magneton bezeichnet. ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II (3.63) 3. Addition von Drehimpulsen mit Anwendungen 3.3. Tensoroperatoren 43 Wir berechnen den Einfluss des Magnetfeldes in erster Ordnung Störungstheorie. Dazu müssen wir die Matrixelemente von H1 auf dem Unterraum H(E0 , L, S, J) untersuchen. Auf diesem Unterraum gilt nach dem Projektionssatz (3.58) L= hL · J iE0 LSJ J J(J + 1) und S = hS · J iE0 LSJ J J(J + 1) (3.64) mit den reduzierten Matrixelementen der skalaren Operatoren L · J und S · J . Diese hängen nicht von der magnetischen Quantenzahl M ab. Mit L · J = L · (L + S ) = L2 + 21 J 2 − L2 − S 2 S · J = S · (L + S ) = S 2 + 21 J 2 − L2 − S 2 (3.65) ergeben sich folgende reduzierten Matrixelemente, hL · J iE0LSJ = L(L + 1) + 12 (J(J + 1) − L(L + 1) − S(S + 1)) hS · J iE0LSJ = S(S + 1) + 21 (J(J + 1) − L(L + 1) − S(S + 1)). (3.66) Setzt man dies in (3.64) und dann in (3.62) ein, so wird der Störoperator H1 im Unterraum H(E0 , L, S, J) durch H 1 = g J ω L Jz (3.67) ersetzt, mit folgendem Landé-Faktor gJ für das betrachtete Multiplett gJ = 3 S(S + 1) − L(L + 1) + . 2 2J(J + 1) (3.68) Aus Gleichung (3.67) folgt, dass im betrachteten Unterraum die Eigenzustände von H1 die Basisvektoren |E0 LSJMi mit den Eigenwerten ∆E1 = ~ωL gJ M (3.69) sind. Das Magnetfeld hebt die Entartung des Multipletts vollständig auf. Für kleine Magnetfelder findet man also einen Satz von 2J + 1 äquidistanten Energieniveaus, die zu den verschiedenen Eigenwerten M von Jz gehören. Dies verallgemeinert unsere früheren Resultate über den Zeeman-Effekt im Wasserstoffatom. ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 3. Addition von Drehimpulsen mit Anwendungen 3.4 3.4. Das reale Wasserstoffatom 44 Das reale Wasserstoffatom In der Vorlesung Quantenmechanik I haben wir nicht-relativistische und idealisierte wasserstoffähnliche Atome behandelt. Der Behandlung lag der Hamilton-Operator H0 = p 2 Ze2 − 2µ r 1 (Zα)2 mit Energien En = − µc2 2 2 n (3.70) zugrunde. Nach Abspaltung der Schwerpunktsbewegung wurde im Ausdruck für die Relativbewegung die Elektronenmasse me durch die reduzierte Masse µ ersetzt. Diese unterscheidet sich kaum von der Elektronenmasse, µ me ≈1− ≈ 1 − 5.4 · 10−4 . (3.71) me µ Schon 1887 hat Michelson mit Hilfe der Interferometer-Methode gesehen, dass die Balmer-Linien in Dubletts von konstanter Wellenzahldifferenz aufspalten [17]. Eine relativ genaue Bestimmung der Dublett-Abstände gelang G. Hansen, der mit Mitteln der Zeiss-Werke 1925 folgende Werte für die Linien der Balmer-Serie fand [18] für Hα Hβ Hγ Hδ Hǫ ∆ν [GHz] 9.473 9.503 9.833 9.653 9.713 Bereits 1916 gelang Arnold Sommerfeld eine Deutung dieser Aufspaltung auf Grund des Bohrschen Atommodells. Die Aufspaltung der Linien der Balmer-Serie kommt von der Aufspaltung der Zustände mit Hauptquantenzahl 2 und Bahndrehimpulsen 0 und 1. 2P3/2 Feinstruktur ≈ 10 000 MHz 2S1/2 2P1/2 1 058 MHz Lyman ≈ 2.5 · 109 MHz 1S1/2 Durch Anwendung der Radiowellenmethode auf einen Wasserstoffmolekularstrahl fanden Lamb und Retherford 1947 eine weitere, sehr kleine Aufspaltung der 2S1/2 und 2P1/2 ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 3. Addition von Drehimpulsen mit Anwendungen 3.4. Das reale Wasserstoffatom 45 Niveaus von etwa 1058 MHz. Im Gegensatz zur Feinstrukturaufspaltung werden wir diese Lamb-Verschiebung von 1058 MHz hier leider nicht weiter untersuchen. Ihr Berechnung verlangt Grundkenntnisse über quantisierte Felder. 3.4.1 Feinstruktur In einer realistischen Behandlung von Atomen müssen wir mehrere, teilweise spinabhängige, Korrekturen berücksichtigen. Dies sind die relativistische Korrektur der nichtrelativistischen kinetischen Energie in (3.70), die Spin-Bahn-Wechselwirkung und der DarwinTerm. Zusammen sind diese drei Terme verantwortlich für die Feinstruktur des Wasserstoffatoms, die eine sehr einfache Form hat und auch aus der Dirac-Gleichung für das Elektron folgt. Korrektur der kinetischen Energie Für die kinetische Energie des Elektrons sollten wir den relativistischen Ausdruck T = p (pc)2 + (me c2 )2 − me c2 ≈ p2 1 (p 2 )2 − + . . . = T0 + T1 + . . . 2me 8 m3e c2 (3.72) benutzen. Den zweiten Term T1 kann man mit Hilfe der Störungstheorie abschätzen. Mit 2 2 Ze2 1 Ze2 p 1 H0 + , =− H0 + T1 = − 2me c2 2me 2me c2 r r wobei in H0 die Elektronenmasse zu verwenden ist, findet man für wasserstoffähnliche Atome im Zustand |nℓmi die spinunabhängige Energieverschiebung 1 1 1 2 2 2 4 hnℓm|T1 |nℓmi = − En + 2En Ze hnℓm| |nℓmi + Z e hnℓm| 2 |nℓmi 2me c2 r r 2 3 1 me c (Zα)2 − , E = − . (3.73) = En (Zα)2 n 2 n2 n(ℓ + 12 ) 4n2 Wir haben die bei der Behandlung des nichtrelativistischen Wasserstoffatom berechneten Erwartungswerte von 1/r und 1/r 2 eingesetzt. Damit ist die von T1 herrührende relative Energieverschiebung (Zα)2 ≈ (0.5 · 10−4 )Z 2 etwa um eine Größenordnung kleiner als diejenige aufgrund der Ersetzung von me durch die reduzierte Masse µ. ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 3. Addition von Drehimpulsen mit Anwendungen 3.4. Das reale Wasserstoffatom 46 Spin-Bahn-Kopplung Das mit dem Elektronenspin einhergehende magnetische Moment eg S µ=− 2me c (3.74) ist für eine weitere Korrektur verantwortlich. Diese rührt von der Bewegung des Elektron um den Atomkern. Ein relativ zum Kern ruhendes Elektron „sieht“ nur dessen elektrisches Coulombfeld E = −∇φ(r). Nach der speziellen Relativitätstheorie sieht ein mit der Geschwindigkeit v = p/me relativ zum Kern bewegtes Elektron neben dem Coulombfeld ein Magnetfeld, das zur ersten Ordnung in v/c gleich B = v ∧ E /c ist. Die Energie des magnetischen Moments in diesem Magnetfeld ist eg e e g ≈2 −µ · B = S ·B = S · (v ∧ E ) = S · (p ∧ ∇φ(r)) 2me c me c2 m2e c2 1 dφ e 1 dφ e S · (p ∧ r ) = − S · L (3.75) = m2e c2 r dr m2e c2 r dr Hier ist φ(r) das Potential der Kernladung und wir haben g = 2 gesetzt. Unser Resultat ist beinahe richtig. Es zeigt sich, dass relativistische Effekte zusammen mit der nichtgeradlinigen Bewegung des Elektrons (Thomas-Präzession) das Resultat um den Faktor 2 reduzieren. Der korrekte Ausdruck für den Spin-Bahn-Term lautet demnach HSB = − 1 dφ(r) e S ·L . 2 2 2me c r dr (3.76) Er beschreibt die Wechselwirkung des magnetischen Moments des Elektronenspin mit dem durch die Elektronenbewegung im elektrostatischen Feld des Atomkerns „gesehenen“ magnetischen Felds. Für das Wasserstoffatom folgt die Form von HSB auch aus der relativistischen Diracgleichung. Für wasserstoffähnliche Atome mit Spin-Bahn-Kopplung vertauscht der Hamilton-Operator H = H0 + HSB Ze2 S · L = H0 + 2m2e c2 r 3 (3.77) weder mit dem Bahndrehimpuls noch dem Spin sondern nur mit dem gesamten Drehimpuls J = L + S . Bevor wir die Feinstrukturaufspaltung der Spektrallinien berechnen, wollen wir die Größe der Aufspaltung abschätzen. Da L und S beide etwa ~ sind, ist hHSB i ≈ ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II Ze2 ~2 = Zα4 me c2 = 13.6 eV Zα2 . 3 2 2 2me c a0 (3.78) 3. Addition von Drehimpulsen mit Anwendungen 3.4. Das reale Wasserstoffatom 47 Die Korrekturen aufgrund der Spin-Bahn-Kopplung sind also vergleichbar mit denjenigen von T1 . Zur Berechnung der Aufspaltung in erster Ordnung Störungstheorie berechnen wir die Erwartungswerte von HSB mit Hilfe von S · L = 21 J 2 − L2 − S 2 (3.79) in den normierten Eigenzuständen von H0 , J 2 und Jz . Die Kopplung des Elektronenspin mit dem Bahndrehimpuls ℓ ergibt wegen hℓ ⊗ h 1 = hℓ+ 1 ⊕ hℓ− 1 2 2 für ℓ > 0 die beiden Gesamtdrehimpulse ℓ ± |nℓ 21 jmi 1 2 2 mit den entsprechenden Eigenzuständen mit j = ℓ ± 12 . (3.80) Hier ist n die Hauptquantenzahl des Wasserstoffatoms. Für den Erwartungswert der Störung HSB in diesen Eigenzuständen ergibt sich Z Ze2 1 2 1 1 1 1 hℓ 2 jm|S · L|ℓ 2 jmi (3.81) drr 2fnℓ (r) 3 . hnℓ 2 jm|HSB |nℓ 2 jmi = 2 2 2me c r Wir können das letzte Integral berechnen. Das Ergebnis lautet für ℓ > 0 Z Z3 1 1 2 drr 2fnℓ (r) 3 = 3 3 , r a0 n ℓ(ℓ + 12 )(ℓ + 1) und führt auf folgenden Ausdruck für das gesuchte Matrixelement 2 1 hℓ 2 jm|S · L|ℓ 21 jmi Zα 1 1 hnℓ 2 jm|HSB |nℓ 2 jmi = −En ~ nℓ(ℓ + 12 )(ℓ + 1) (3.82) (3.83) für positive ℓ. Je nachdem ob j = ℓ + 12 oder j = ℓ − 12 ist findet man mit Hilfe von (3.79) 1 Z 2 α2 für j = ℓ + 21 1 2n (ℓ + 2 )(ℓ + 1) 1 Z 2 α2 = En für j = ℓ − 12 . 2n ℓ(ℓ + 21 ) ∆ESB = −En ∆ESB ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II (3.84) 3. Addition von Drehimpulsen mit Anwendungen 3.4. Das reale Wasserstoffatom 48 Feinstruktur des Wasserstoffatoms Kombinieren wir die Effekte von T1 und HSB , so erhalten wir eine sehr einfache Formel für die Energieverschiebungen 1 3 21 ∆EFS = En (Zα) . (3.85) − n j + 12 4n für beide Werte von ℓ = j ± 12 . In unserer Herleitung haben wir ℓ > 0 angenommen, da für ℓ = 0 das Integral (3.82) divergiert. Unser Endergebnis ist allerdings auch richtig für ℓ = 0, wenn man noch den hier nicht besprochenen Darwin-Term berücksichtigt. Dies folgt auch aus der relativistischen Dirac-Gleichung für das Wasserstoffatom. Bemerkenss E n=3 p d 0.108cm−1 0.036cm−1 3s1/2 −0.2·10−4 eV 3p3/2 3p1/2 2s1/2 −0.56·10−4 eV 2p3/2 0.365cm−1 2p1/2 3d5/2 3d3/2 n=2 ∆EF S = −1.33 · 10−5 eV n=1 −1.8·10−4 eV 1s1/2 Abbildung 3.2: Termschema des Wasserstoffatoms bei Berücksichtigung der Spin-BahnWechselwirkung und der relativistischen Massenzunahme. Die gestrichelte Linien geben die Lage der Energieniveaus En ohne die Korrekturterme an. wert an dieser einfachen Formel ist, dass die Feinstrukturaufspaltung nicht mehr von der Bahndrehimpulsquantenzahl ℓ abhängt, also zum Beispiel die 2s1/2 und 2p1/2 Zustände energetisch gleich liegen. Die Feinstrukturaufspaltung nimmt mit wachsendem n und j ab und ist proportional zum Produkt Z 2 En . Das entsprechende Termschema ist in Abbildung (3.2) gezeigt. Es ist ersichtlich, dass der Übergang von n = 2 nach n = 1 (Lyman-Serie) ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 3. Addition von Drehimpulsen mit Anwendungen 3.4. Das reale Wasserstoffatom 49 aus zwei Komponenten besteht. Für die Balmer-Serie (von n = 3 nach n = 2) ergeben sich 7 Komponenten. Wegen der Entartung in ℓ fallen jedoch zweimal je zwei Komponenten zusammen. 3.4.2 Die Hyperfeinstruktur Bisher haben wir das Proton im Wasserstoffatom als Massenpunkt mit Masse mp und Ladung q = |e| behandelt. Tatsächlich aber ist es wie das Elektron ein Spin−1/2-Teilchen mit Spin I und magnetischen Dipolmoment q µ= gp I , mit gp ≈ 5.585. (3.86) 2mp c Obwohl der Protonen- und Elektronenspin gleich sind, ist wegen des Massenunterschieds das Kernmagneton sehr viel kleiner als das Bohr-Magneton. Der Kernmagnetismus ist viel unbedeutender als der elektronische Magnetismus. Aber die Wechselwirkung zwischen den Momenten des Protons und Elektrons führt zu einem Zusatzterm im Hamilton-Operator und dieser Term bedingt eine weitere Aufspaltung der Spektrallinien. In der Tat, untersucht man die Feinstruktur des Wasserstoffatoms mit sehr hoher Auflösung, so stellt man fest, dass die Feinstrukturkomponenten ihrerseits eine Substruktur besitzen. Diese sehr kleine Aufspaltung, die man nur mit dopplerfreien spektroskopischen Methoden auflösen kann, nennt man Hyperfeinstruktur der Spektrallinien. Wir wollen etwas allgemeiner den Einfluss des magnetischen Moments eines Kerns der Ladung Zq, Masse mN und dem gyromagnetischen Verhältnis gN , µ= Zq gN I , 2mN c (3.87) untersuchen. Dieser Zusatzterm ist verantwortlich für die Hyperfeinstruktur der atomaren Spektren. Das Vektorpotential eines punktförmigen Dipols kennen wir aus der Magnetostatik, A(x ) = − 1 1 1 µ∧x (µ ∧ ∇) = 4π r 4π r 3 (3.88) und berechnen daraus das Magnetfeld, B = ∇∧A= − ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 1 1 1 1 µ△ + ∇ (µ · ∇) 4π r 4π r (3.89) 3. Addition von Drehimpulsen mit Anwendungen 3.4. Das reale Wasserstoffatom 50 oder in Komponenten Bi = µi δ(r) + ∂2 1 1 µj . 4π ∂xi ∂xj r (3.90) Der Beitrag zur Energie ist HHF = −µe · B mit µe = e e ge S ≈ S, 2me c me c (3.91) und nach Einsetzen des vom Kernspin erzeugten Magnetfeldes (3.90) führt dies auf 1 ∂2 1 µj (3.92) HHF = −µe · µ δ(r) − µei 4π ∂xi ∂xj r Wir berechnen die Aufspaltung der s-Zustände des Wasserstoffatoms in erster Ordnung Störungstheorie. Dazu benötigen wir die Erwartungswerte des ersten Terms auf der rechten Seite in den Zuständen mit verschwindendem Bahndrehimpuls, 2 −µe · µ hn00|δ(r)|n00i = −µe · µ fn0 (0) . Der Erwartungswert des zweiten Terms in (3.92) ist proportional zu Z Z 4π 1 1 ∂2 1 3 2 2 3 2 = − δij fn0 = δij d xfn0 (r)△ (0) d xfn0 (r) ∂xi ∂xj r 3 r 3 Wir brauchen noch den Wert der quadrierten s-Wellen am Ursprung, 3 Z 2 fn0 (0) = 4 . a0 n (3.93) (3.94) (3.95) Addieren wir nun die Beträge dann ergibt sich 2 4 e2 S ·I me α 2 4 Z3 4 gN Z . (3.96) hn00|HHF |n00i = − · 3 3 µe · µ = 3 n a0 3 a0 mN n3 ~2 Nun führen wir noch den Gesamtspin des Kern-Elektron-Systems ein, F =S +I . Mit der schon öfter benutzten Identität 2 1 S · I = (F 2 − S 2 − I 2 ) = F (F + 1) − 3/4 − I(I + 1) ~2 ~2 I für F = I + 21 = −I − 1 für F = I − 12 ergibt sich Hyperfein-Aufspaltung der Energieniveaus mit Bahndrehimpuls Null: ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II (3.97) 3. Addition von Drehimpulsen mit Anwendungen 4 ∆E = 3 e2 a0 gN me mN 3.5. Aufgaben zu Kapitel 3 α2 n3 Z 4 (I + 12 ). 51 (3.98) Für das Wasserstoffatom mit gN = gp , I = 1/2 ist die Hyperfein-Aufspaltung des Grundzustandes me 4 e2 gp α2 . (3.99) ∆E = 3 a0 mN Sie entspricht einer Wellenlänge von 21 cm, die im Mikrowellenbereich liegt. Die 21 cmLinie beim Übergang vom Triplett-Zustand mit F = 1 zum tieferliegenden SinglettZustand mit F = 0 machen sich die Radioastronomen bei der Beobachtung von neutralen Gaswolken erfolgreich zunutze. 3.5 Aufgaben zu Kapitel 3 Aufgabe 1: Kopplung von zwei Spin-1-Teilchen: Zwei unterscheidbare Spin-1Teilchen ohne Bahndrehimpuls, d.h. beide Teilchen besetzen ein s-Niveau, können ein Gesamtsystem mit Gesamtspin S = 0, 1, 2 bilden. Was gilt jedoch für zwei identische Spin-1-Teilchen? Welche Einschränkungen gibt es? Aufgabe 2: Kopplung von drei Drehimpulsen: Wir betrachten Eigenzustände des gesamten Drehimpulses J = J1 + J2 + J3 , wobei die einzelnen Drehimpulse den Wert 1 haben. Es sei j(j + 1) der Eigenwert von J 2 . • Was sind die möglichen Werte für j? Wieviel linear unabhängige Zustände gibt es für jeden erlaubten j-Wert? • Konstruiere den Zustand mit j = 0 explizit. Sind a, b und c gewöhnliche 3-er Vektoren, dann gibt es genau einen multilinearen Skalar, nämlich a · (b × c). Finde einen Zusammenhang zwischen dieser Tatsache und Ihrem Resultat für den Zustand mit j = 0. Aufgabe 3: Vektoroperator: Die kartesischen Komponenten eines Vektoroperators V erfüllen die Kommutationsregeln [Li , Vj ] = i~ǫijk Vk . ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 3. Addition von Drehimpulsen mit Anwendungen 3.5. Aufgaben zu Kapitel 3 Zeigen Sie, dass dann die Normalkomponenten (1) T0 := V3 1 (1) und T±1 := ∓ √ (V1 ± iV2 ) 2 folgende Kommutatorrelationen erfüllen [L3 , Tq(1) ] = ~q Tq(1) q ∈ {0, ±1} und p (1) [L± , Tq(1) ] = ~ (1 ∓ q)(1 ± q + 1) Tq±1 . ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 52 Kapitel 4 Zeitabhängige Störungen Es gibt eine Vielzahl wichtige Probleme, bei denen eine äußere zeitabhängige Störung auf ein quantenmechanisches System einwirkt. Wichtige Beispiele sind atomare Strahlungsvorgänge, bei denen Atome mit Licht bestrahlt werden. Die zeitabhängige Störung durch das elektromagnetische Strahlen ist verantwortlich für induzierte Absorption und Emission. 4.1 Dysonsche Reihe Wir betrachten ein ungestörtes System mit zeitunabhängigen Hamilton-Operator H0 , das durch eine zeitabhängige Wechselwirkung, beschrieben durch ein Potential V (t), gestört werde, H(t) = H0 + V (t). (4.1) Zum Beispiel könnte H0 ein Atom oder einen Festkörper modellieren und V (t) das Einwirken eines äußeren elektromagnetischen Feldes. Die Lösungen der zeitabhängigen Schrödingergleichung i~ d |ψ(t)i = H(t)|ψ(t)i dt (4.2) haben eine Entwicklung in Potenzen des Störpotentials V . Da der Großteil der Zeitentwicklung von H0 herrührt (V wird als Störung angesehen) ist es ratsam, das Wechselwirkungs- oder Dirac-Bild wählen. Wir erinnern daran, dass (4.2) in diesem Bild folgendermaßen aussieht: i~ d |ψW (t)i = VW (t)|ψW (t)i, dt 53 (4.3) 4. Zeitabhängige Störungen 4.1. Dysonsche Reihe 54 wobei die Zustandsvektoren und die Störung im Wechselwirkungsbild wie folgt aus den entsprechenden Größen im Schrödinger-Bild hervorgehen, |ψW i = ei(t−t0 )H0 /~ |ψi und VW = ei(t−t0 )H0 /~ V e−i(t−t0 )H0 /~ . (4.4) Wir wollen annehmen die Störung werde zu einer Zeit ta eingeschaltet und zu einer Zeit te ausgeschaltet, so dass V (t) = 0 für t ∈ / [ta , te ]. (4.5) Zu sehr frühen Zeiten ist dann die Wellenfunktion im Wechselwirkungsbild zeitunabhängig. Ihre Zeitentwicklung von t0 ≪ ta bis zu einer späteren Zeit t wird durch den Propagator S im Wechselwirkungsbild vermittelt, (4.6) |ψW (t)i = S(t, t0 )|ψW (t0 )i. Der Propagator ist unitär und zur anfänglichen Zeit t0 gleich dem Einsoperator, S † (t, t0 )S(t, t0 ) = 1H , S(t0 , t0 ) = 1H , S(t, t0 ) = S(t, t1 )S(t1 , t0 ). Damit |ψW i die Schrödingergleichung im Wechselwirkungsbild (4.3) erfüllt, muss S dieselbe Gleichung erfüllen, i~ ∂S (t, t0 ) = VW (t)S(t, t0 ), ∂t oder die zur Schrödingergleichung plus Anfangsbedingung S(t0 , t0 ) = 1 äquivalente Integralgleichung Z 1 t S(t, t0 ) = 1 + VW (t1 )S(t1 , t0 )dt1 . (4.7) i~ t0 Da die Störung erst nach der Zeit ta wirkt ist S = 1H für t0 < t < ta . Nun iterieren wir die Gleichung (4.7) mit S = 1H als Startwert. In erster Ordnung finden wir Z 1 t VW (t1 )dt1 , (4.8) S(t, t0 ) = 1 + i~ t0 und in zweiter Ordnung 1 S(t, t0 ) = 1 + i~ Z t VW (t1 ) + t0 1 i~ 2 Z t t0 dt1 Z t1 dt2 VW (t1 )VW (t2 ) (4.9) t0 und entsprechende Formeln für die höheren Ordnungen. Diese wurden in der Quantenmechanik I besprochen. ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 4. Zeitabhängige Störungen 4.1. Dysonsche Reihe 55 Wir erinnern an das zeitgeordnete Produkt von zeitabhängigen Operatoren A1 , . . . , An : der Zeitordnungsoperator T ordnet die Faktoren des Produkts dieser Operatoren chronologisch (4.10) T (A1 (t1 ) · · · An (tn )) = Aπ(1) (tπ(1) ) · · · Aπ(n) (tπ(n) ), wobei {π(1), . . . , π(n)} diejenige Permutation von 1, . . . , n ist, für welche tπ(1) ≥ . . . ≥ tπ(n) gilt. Im zeitgeordneten Produkt von Operatoren wirkt zuerst der Operator zur frühesten Zeit und zuletzt der Operator zur spätesten Zeit. Insbesondere für zwei Operatoren ist das zeitgeordnete Produkt T (A1 (t1 )A2 (t2 )) = θ(t1 − t2 )A1 (t1 )A2 (t2 ) + θ(t2 − t1 )A2 (t2 )A1 (t1 ). Mit der Umformung (vgl. die folgende Abbildung) Z t 2 Z t Z t Z t T VW (t1 ) = T dt1 VW (t2 ) dt2 VW (t2 ) = dt1 dt2 T (VW (t1 )VW (t2 )) t0 t0 t0 t0 Z t1 Z t Z t1 Z t VW (t2 ) VW (t1 ) dt2 VW (t2 ) + (t1 ↔ t2 ) = 2 dt1 VW (t1 ) = t0 t0 t0 t0 t2 VW (t2 )VW (t1 ) t VW (t1 )VW (t2 ) t1 t und den entsprechenden Umformungen für die Integrale über höhere Potenzen der Wechselwirkung kann die iterative Lösung mit Hilfe des zeitgeordneten Produktes folgendermaßen geschrieben werden: S(t, t0 ) = T n Z t n ∞ X 1 1 VW (t1 ) n! i~ t0 n=0 ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II ! Z i t VW (t1 )dt1 = T exp − ~ t0 (4.11) 4. Zeitabhängige Störungen 4.2. Erste Ordnungs Übergänge und goldene Regel 56 Diese Dysonsche Reihendarstellung des Propagators in der Wechselwirkungs-Darstellung spielt eine zentrale Rolle in der Streutheorie und insbesondere der störungstheoretischen Berechnung von Streudaten. Falls nämlich der Limes (4.12) S = t lim S(t1 , t0 ) →−∞ 0 t1 →∞ existiert und S † S = SS † = 1H ist, dann ist S die sogenannte Streumatrix oder kurz S-Matrix. Diese bildet asymptotische Zustände in der Vergangenheit auf asymptotische Zustände in der Zukunft ab, |ψaus i = S|ψein i, wobei |ψein i = |ψW (−∞)i, |ψaus i = |ψW (∞)i. (4.13) Wir werden im nächsten Kapitel, in dem wir die Streutheorie behandeln, noch mehr über die wichtige S-Matrix zu sagen haben. 4.2 Erste Ordnungs Übergänge und goldene Regel Das System sei zu einer frühen Zeit t0 in einem Eigenzustand |ni des ungestörten HamiltonOperator H0 , |ψW,n (t0 )i = |ni. Wir wollen nun die Wahrscheinlichkeit berechnen, das System zu einer späteren Zeit t > t0 , zu der die Störung schon einwirken konnte, in einem anderen Eigenzustand |mi von H0 zu finden. Wir wollen also die Wahrscheinlichkeit des Übergangs |ni −→ |mi mit n 6= m bestimmen. In erster Ordnung Störungstheorie ist |ψW,n (t)i in (4.6,4.8) gegeben und die Amplitude für den Übergang ist Zt 1 An→m (t) = hmW (t)|ψW,n (t)i ≈ hm|ni + dt1 hm|VW (t1 )|ni i~ t0 Z 1 dt1 hm|ei(t1 −t0 )H0 /~ V (t1 )e−i(t1 −t0 )H0 /~ |ni. = i~ Benutzen wir hier, dass |ni und |mi Eigenzustände des ungestörten Systems sind, so ergibt sich die Übergangsamplitude Z Z 1 t 1 t iEmn (t1 −t0 )/~ dt1 e Vmn (t1 ) = dt1 eiωmn (t1 −t0 ) Vmn (t1 ), (4.14) An→m (t) = i~ t0 i~ t0 ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 4. Zeitabhängige Störungen 4.2. Erste Ordnungs Übergänge und goldene Regel 57 wobei wir |mW (t)i = |mi und hm|ni = δmn benutzten und die Abkürzungen (0) Emn = Em − En(0) = ~ωmn sowie Vmn (t) = hm|V (t)|ni für die Energiedifferenzen des ungestörten Hamilton-Operators und Matrixelemente des Störoperators einführten. Deshalb ist die Übergangswahrscheinlichkeit in erster Ordnung Störungstheorie Z t 2 1 iω t mn 1 Pn→m(t) = |hmW (t)|ψW,n (t)i| = dt1 e Vmn (t1 ) . i~ t0 2 (4.15) Wir wollen nun die beiden Grenzfälle bei denen die Störung plötzlich (sudden) oder sehr langsam (adiabatisch) eingeschaltet werden, getrennt untersuchen. In der ersten Ordnung Störungstheorie werden wir für beide Grenzfälle auf die gleiche Formel für die Übergangsrate geführt, auf die sogenannte goldene Regel von Fermi. 4.2.1 Plötzliches Einschalten Die Störung V (t, x ) = θ(t)V (x ) werde zum Zeitpunkt t = 0 plötzlich eingeschaltet. Dann ist die Übergangswahrscheinlichkeit in erster Ordnung Störungstheorie 2 1 Z t 4 sin2 ( 21 ωmn t) |Vmn |2 . (4.16) eiωmn t1 Vmn = 2 Pn→m (t) = 2 i~ 0 ~ ωmn Das qualitative Verhalten des zeitabhängigen Faktors ft (ω) = 4 sin2 ( 21 ωt)/ω 2 ist in der folgenden Abbildung gezeigt. Für kleine Zeiten, ωt ≪ 1 strebt er gegen t2 und die Übergangswahrscheinlichkeit ist (über das Matrixelement Vmn ) nur schwach vom Zielzustand abhängig und proportional zu t2 . Der Faktor hat für große Zeiten als Funktion von ω = ωmn ein ausgeprägtes Maximum bei 0, wie folgende Abbildung zeigt. ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 4. Zeitabhängige Störungen 4.2. Erste Ordnungs Übergänge und goldene Regel 58 t2 ω 2π/t • Für großes Zeiten sind nur Übergänge in Zustände erlaubt, deren Energien sehr (0) nahe bei En liegen, d.h. für welche t|Emn | ≪ 2π~ gilt. Also sind für schnell eingeschaltete Störungen Übergänge am wahrscheinlichsten, für welche die Energie bis auf 2π~/t erhalten ist. • Ist das Spektrum diskret, dann oszilliert Pn→m mit einer Wiederkehrzeit t∼ 2π . ∆ω • Haben Anfangs- und Endzustand diesselbe Energie, dann ist die Übergangswahrscheinlicheit proportional zu t2 . Natürlich verliert die Störungstheorie erster Ordnung ihre Gültigkeit wenn die Übergangswahrscheinlichkeit Pn→m größer als 1 wird. In einem System, das sehr lange einer konstanten Störung ausgesetzt ist, werden wegen 4 sin2 ( ω2 t) −→ 2πδ(ω) t→∞ ω 2t lim (4.17) höchstens Übergänge zwischen entarteten Niveaus induziert, Pn→m = 2πt 2πt |Vmn |2 δ(ωmn ) = |Vmn |2 δ(Emn ). 2 ~ ~ (4.18) Die δ-Distribution drückt die Energieerhaltung aus. Die Übergangsrate, d.h. die Übergangswahrscheinlichkeit pro Zeiteinheit, ist dann Γn→m (t) = ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 2π d Pn→m ∼ δ(Emn ) |Vmn |2 . dt ~ (4.19) 4. Zeitabhängige Störungen 4.2. Erste Ordnungs Übergänge und goldene Regel 59 Diese Formel nennt man nach E. Fermi die goldene Regel . Der bemerkenswerte Erfolg dieser Regel ist etwas erstaunlich. Sie kann nicht direkt auf diskrete Zustände angewandt werden, da für diskrete Niveaus die Wahrscheinlichkeit oszilliert und daher (4.18) nur für nicht allzu lange Zeiten gelten kann. Für entartete Zustände, d.h. für Emn = 0, wird die Wahrscheinlichkeit für großes Zeiten größer als Eins und deshalb ist die erste Ordnung (0) Störungstheorie ungültig für derart große Zeiten. Andererseits muss nach (4.19) Em ≈ (0) En gelten, damit die Rate nicht verschwindet. Offensichtlich können wir (4.19) nur anwenden, wenn der Endzustand im Kontinuum liegt, oder die diskreten Niveaus sehr dicht liegen und t < ∞ ist. Also muss die Zeit genügend (0) groß sein, damit (4.16) als Funktion der Energie des Endzustandes um die Energie En des Anfangzustandes konzentriert ist und die Formel (4.17) anwendbar ist. Gleichzeitig (0) muss ein typischer Niveauabstand δE bei En genügend klein sein, δE · t ≪ 2π~, (4.20) (0) damit viele Zustände im Energiebereich um En liegen für welche (4.16) von Null verschieden ist. Falls der Endzustand im Kontinuum liegt, ist die zweite Forderung natürlich erfüllt. Die Rate für den Übergang des Zustandes |ni in irgendeinen Zustand |ki in der Nähe von |ni ist nun X k Pn→k ≈ X k |Vkn |2 4 sin2 (Ekn t/2~) , 2 Ekn wobei wir über alle Endzustände |ki summieren die nahe bei |ni liegen und Energien im (0) Intervall 2π~/t um En haben. Nehmen wir nun an, dass Vkn ∼ Vmn ist und das Spektrum so dicht ist, dass wir die Summe durch ein Integral approximieren dürfen (d.h. dass die Zeit nicht zu groß ist), dann finden wir die Übergangsrate von |ni in eine Gruppe von Zuständen um |mi die Formel Γn→m = Ṗt→m = 2π |hm|V |ni|2 ρ En(0) . ~ (4.21) Hier ist ρ(E) die Niveaudichte (Spektraldichte) des ungestörten Hamilton-Operator H0 , Z X f (En ) ∼ dEρ(E)f (E). n Die Formel (4.21) wird ebenfalls Fermis goldene Regel genannt. Sie stammt aber von Pauli und nicht von Fermi. ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 4. Zeitabhängige Störungen 4.2.2 4.2. Erste Ordnungs Übergänge und goldene Regel 60 Adiabatische Näherung Nun betrachten wir den anderen Extremfall, bei dem die Störung sehr langsam eingeschaltet wird. Als Modell für das adiabatisch langsame Einschalten wählen wir V (t, x) = eηt V (x) , η > 0 (4.22) und lassen am Ende der Rechnung η → 0 gehen. Setzen wir dies in die erste OrdnungsFormel (4.14) für die Amplitude ein, dann erhalten wir Z 1 t dt1 eηt1 eiωmn (t1 −t0 ) Vmn . An→m (t) = i~ t0 In der Vergangenheit (t1 → −∞) ist das Potential exponentiell klein und wir können die untere Integrationsgrenze t0 durch −∞ ersetzen. Dann finden wir (bis auf eine Phase) An→m (t) = e(η+iωmn )t Vmn . iη − ωmn ~ Deshalb ist die Übergangswahrscheinlichkeit gleich Pn→m = e2ηt |Vmn |2 . 2 + η2 ωmn ~2 (4.23) Als Funktion der Kreisfrequenz des Endzustands ist der erste Faktor auf der rechten Seite eine Glockenkurve um die Kreisfrequenz des Anfangzustands mit einer Breite von η. Deshalb ist die wahrscheinliche Kreisfrequenzänderung beim Übergang kleiner gleich η. Für kleine η ist die Übergangsrate gleich Γn→m = Ṗn→m ∼ 2η |Vmn |2 . 2 + η2 ωmn ~2 Wegen der als bekannt vorausgesetzten Formel 2η −→ 2πδ(ω) ω2 + η2 finden wir im adiabatischen Limes diesselbe Formel für die Übergangsrate wie beim plötzlichen Einschalten, also die goldene Regel (4.19). Diese Formel für die Übergangsrate ist ziemlich robust gegenüber den Details des Einschaltvorgangs. Elektrische Anregung des Wasserstoffatoms: Ein Wassertoffatom im Grundzustand befinde sich in einem elektrischen Feld, das ein- und ausgeschaltet wird, so dass 2 /τ 2 E (t) = E0 e−t ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II (4.24) 4. Zeitabhängige Störungen 4.2. Erste Ordnungs Übergänge und goldene Regel 61 ist. Wir wollen berechnen, wie groß die Wahrscheinlichkeit dafür ist, das Atom nach einer langen Zeit (t ≫ τ ) im angeregten Zustand mit Quantenzahlen n = 2, ℓ = 1 und m = 0 zu finden. Wir legen das elektrische Feld in die z-Richtung und wählen das Potential 2 /τ 2 V = eE0 z e−t . (4.25) Da t ≫ τ sein soll, können wir die obere und untere Grenze bei der Zeitintegration in (4.14) gleich ∞ beziehungsweise −∞ setzen. Dann erhalten wir für die Übergangsamplitude Z ∞ eE0 2 2 A|100i→|210i = h210|z|100i ei(ω210 −ω100 )t1 e−t1 /τ i~ −∞ √ −ω2 τ 2 /4 eE0 h210|z|100iτ πe = , i~ wobei ω = ω210 − ω100 gleich der Kreisfrequenz eines Photons ist, das beim Übergang |210i → |100 emittiert wird. Entsprechend ist die Übergangswahrscheinlichkeit 2 eE0 τ 2 2 |h210|z|100i|2 e−ω τ /2 . (4.26) P|100i→|210i = π ~ Man beachte, dass für τ → ∞ die Wahrscheinlichkeit gegen Null strebt. Wenn das Feld sehr langsam ein- und wieder ausgeschaltet wird, geht die Übergangswahrscheinlichkeit gegen Null. Das Atom passt sich adiabatisch dem anwesenden elektrischen Feld an, ohne einen Übergang „zu machen“. 4.2.3 Periodische Störungen Als letztes und vielleicht wichtigstes Beispiel untersuchen wir periodische Störungen des durch H0 beschriebenen Systems. Wir betrachten den hermiteschen Störoperator mit harmonischer Zeitabhängigkeit, V (ω, t) = eηt e−iωt V (x ) + eiωt V † (x ) , (4.27) wobei wir noch einen adiabatischen Einschaltvorgang zulassen, damit das System zu frühen Zeiten in einem Eigenzustand |ni des ungestörten Hamilton-Operator H0 präpariert werden kann. Mit (V † )mn = V̄nm lautet die Übergangsamplitude in erster Ordnung Z 1 t dt1 eηt1 eiωmn t1 e−iωt1 Vmn + eiωt1 V̄nm . An→m (ω, t) = i~ t0 ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 4. Zeitabhängige Störungen 4.2. Erste Ordnungs Übergänge und goldene Regel 62 Wiederum können wir t0 durch −∞ ersetzen, so dass e−iωt Vmn eiωt V̄nm 1 eηt+iωmn t . + An→m (ω, t) = ~ ωnm + ω + iη ωnm − ω + iη Nach quadrieren und ableiten bezüglich der Zeit findet man die Übergangsrate 1 2ηt 2η 2η 2 2 Γn→m (ω, t) = 2 e |Vmn | + |Vnm | ~ (ωnm + ω)2 + η 2 (ωnm − ω)2 + η 2 (η + iω) e2iωt 2 2ηt (η − iω) e−2iωt V V + 2 V̄mn V̄nm + 2e 2 + (ω + iη)2 mn nm ~ ωnm ωnm + (ω − iη)2 Offensichtlich rühren die Terme in der letzten Zeile von der Interferenz zwischen den Störungen mit den Zeitabhängigkeiten eiωt und e−iωt . Im adiabatischen Limes tragen wegen 2η η→0 −→ 2πδ(ωnm + ω) 2 2 (ωnm + ω) + η in den ersten beiden Termen nur Endzustände bei für die Enm = ±~ω gilt. Mitteln wir die Rate über einige Perioden π/ω, so fallen die Interferenzterm weg und wir finden 2π Γ̄n→m (ω) = 2 δ(ωmn − ω)|Vnm|2 + δ(ωmn + ω)|Vmn |2 (4.28) ~ oder nach Summation über dicht liegende Endzustände (beziehungsweise Integration über Endzustände im Kontinuum) und für |Vmn | = |Vnm | die Formel X Γ̄n→m (ω) = m 2π |Vmn |2 ρ(En(0) + ~ω) + ρ(En(0) − ~ω) . ~ (4.29) Dies sind die goldenen Regeln für den Fall einer periodischen Störung. Die Interpretation des Resultats ist wie folgt: (0) (0) • Ist die Energie Em größer als En und ist ω > 0 dann verschwindet der zweite Term in (4.28). Ist weiter die Störfrequenz ω gleich der Energiedifferenz zwischen End- und Anfangzustand des ungestörten Systems, also in Resonanz, dann ist der Übergang am wahrscheinlichsten (im Grenzfall t → ∞ muss Emn = ~ω exakt gelten). Beschreibt H0 ein Atom und V ein elektromagnetisches Feld, dann absorbiert das Atom ein Energiequant ~ω (ein Photon) und wird angeregt. (0) (0) • Ist Em dagegen kleiner als En und ist ω > 0 dann trägt nur der zweite Term in (4.28) bei. Die Störung veranlasst das System einen Energiequant ~ω zu emittieren. ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 4. Zeitabhängige Störungen 4.3. Zweite Ordnungs Übergänge 63 Also beschreibt die Rate (4.29) zum Beispiel die Absorption von Photonen aus dem Strahlungsfeld durch Atome und die induzierte Emission von Atomen in das Strahlungsfeld. Die spontane Emission von Photonen wird von den Nullpunktsfluktuationen des elektromagnetischen Feldes verursacht und kann im Rahmen der nichtrelativistischen Quantenmechanik nicht verstanden werden. Wir werden darauf bei der Behandlung des Strahlungsfeldes zurückkommen. 4.3 Zweite Ordnungs Übergänge Falls hm|V (t)|ni für alle Zeiten verschwindet, z.B. aufgrund einer Auswahlregel, dann gibt es in der ersten Ordnung Störungstheorie keinen von der Störung V induzierten Übergang von |ni nach |mi. Aber Übergänge zweiter Ordnung können trotzdem passieren. Approximieren wir die exakte Lösung |ψW,n (t)i durch die Dysonreihe bis zur zweiten Ordnung, dann finden wir für die Übergangsamplitude in zweiter Ordnung Störungstheorie Z t Z t1 1 hmW (t)|ψW,n (t)i = dt1 dt2 hm|VW (t1 )VW (t2 )|ni. (i~)2 t0 t0 Hier schieben wir die Identität |kihk| zwischen die beiden Potentiale und ersetzen VW (t) durch eiH0 t/~ V (t)eiH0 t/~ mit dem Resultat 1 hmW (t)|ψW,n (t)i = (i~)2 Zt dt1 t0 Zt1 dt2 t0 X k eiωmk t1 hm|V (t1 )|kieiωkn t2 hk|V (t2 )|ni. Wir schalten das Potential sehr langsam ein und parametrisieren den Einschaltvorgang wie in (4.22). Wenn wir wiederum t0 durch −∞ ersetzen, führen die beiden Zeitintegrationen auf die Amplitude An→m (t) = − X Vmk Vkn 1 iωmn t e2ηt e . ~2 ωnm + 2iη k ωnk + iη Nun quadrieren wir die Amplitude und leiten die resultierende Wahrscheinlichkeit nach der Zeit ab. Für kleine η findet man die Übergangsrate Γn→m (t) = 2π ~4 X V V 2 mk kn δ(ωmn ). ωnk + iη η→0 (4.30) k Dies ist eine weitere Version der goldenen Regel. Sie ist wiederum anwendbar für endliche Zeiten auf ein dicht liegendes diskretes Spektrum oder aufs Kontinuum. ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 4. Zeitabhängige Störungen 4.4. Absorption und Emission von Strahlung 64 Das Resultat kann folgendermaßen interpretiert werden: Statt den verbotenen direkten Übergang von |ni nach |mi zu machen gelingt es dem System, diesen Übergang in 2 Schritten zu vollführen. Zuerst „springt“ es von |ni in den Zwischenzustand |ki und danach von diesem Zwischenzustand in den Endzustand |mi. Bei den (virtuellen) Übergängen in und aus dem Zwischenzustand braucht die Energie nicht erhalten zu sein. Da wir zuerst die Amplituden der verschiedenen Umwege von |ni nach |mi aufsummieren und danach quadrieren interferieren die verschiedenen Amplituden im Allgemeinen. 4.4 Absorption und Emission von Strahlung Mit den uns nun zur Verfügung stehenden Resultaten können wir die Emission und Absorption von Strahlung behandeln. Dazu erinnern wir uns an den Hamilton-Operator für die Wechselwirkung eines Elektrons mit einem zeitabhängigen magnetischen Feld, beschrieben durch das Vektorpotential A(t, x ), 2 1 e H= p − A(t, x ) + V, V = eϕ. (4.31) 2m c Wie bei den Untersuchungen über geladene Teilchen im elektromagnetischen Feld oder dem Wasserstoffatom im Magnetfeld schreiben wir H0 = p2 + V (r) 2m (4.32) und wählen die Coulomb-Eichung ∇ · A = 0. Vernachlässigen wir den Term quadratisch in A, dann finden wir e (4.33) H = H0 + V mit V = − A(t, x ) · p. mc Wir betrachten die elektrische Ladung e (beziehungsweise die dimensionslose Feinstrukturkonstante α = e2 /~c) als kleinen Parameter. Dann ist der hier vernachlässigte Term (eA)2 von zweiter Ordnung. Dieser Term trägt nur zu Prozessen bei, an denen zwei Photonen beteiligt sich, also der Streuung von Licht an Atomen oder der Zwei-Photonen Emission oder Zwei-Photonen Absorption. Er trägt nicht bei zum Übergang eines Atoms unter Emission oder Absorption eines Photons. Die Übergangswahrscheinlichkeiten in erster Ordnung Störungstheorie sind proportional zum Quadrat des Störoperators, also zu e2 ∼ α. Die Prozesse zweiter Ordnung sind gemäß (4.30) proportional zur vierten Potenz der Störung, also zu α2 . Die Übergangswahrscheinlichkeiten für Prozesse mit einem Photon sind also von der Ordnung O(α) während diejenigen mit zwei Photonen von der Ordnung O(α2 ) sind. Da die elektromagnetische Wechselwirkung relativ schwach ist, α ≈ 1/137, dürfen wir uns im Folgenden auf Einphotonenprozesse beschränken. Wir ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 4. Zeitabhängige Störungen 4.4. Absorption und Emission von Strahlung 65 können an dieser Stelle nicht beweisen, dass jedes A(t, x ) mit der Emission oder Absorption eines einzelnen Photons assoziiert ist. Dazu muss man das elektromagnetische Feld quantisieren. Ich werde hoffentlich am Ende dieser Vorlesung darauf zurückkommen. Wir haben es also mit Prozessen folgender Art zu tun: Atom Im vorherigen Abschnitt berechneten wir die Übergangsraten für periodische Störungen in der ersten Ordnung Störungstheorie. Wenn wir eine inkohärente Überlagerung von kontinuierlichen Frequenzen in der Störung mit einer Spektralverteilung ρs (ω) annehmen, ist die Übergangsrate gegeben durch Z Γn→m = dωρs (ω)Γn→m(ω). Für ωm > ωn handelt es sich um Absorption und für ωm < ωn um induzierte Emission, ΓAbs. n→m = 2π ρs (ωmn ) |Vmn |2 2 ~ , ΓEm. n→m = 2π ρs (ωnm ) |Vmn |2 . 2 ~ (4.34) Für das Atom im elektromagnetischen Feld wollen wir den speziellen Fall betrachten, bei dem ein Valenz-Elektron vorliegt, also zum Beispiel ein wasserstoffähnliches Atom. Der Wechselwirkungsterm ist dann V in (4.33), worin wir für A eine ebene Welle ansetzen A(t, x ) = ae−iωt+ik ·x + a† eiωt−ik ·x e mit |k |c = ω, |e| = 1. (4.35) Die Coulomb-Eichbedingung übersetzt sich in die Bedingung k · e = 0. Wir wählen den Zeitnullpunkt so, daß die Konstante a rein imaginär wird und setzen ωa i = ika = E/2. (4.36) c Das elektrische und magnetische Feld der polarisierten Welle lauten und B = E cos(ωt − k · x ) k̂ ∧ e E = E cos(ωt − k · x ) e (4.37) Nach den Regeln der Elektrodynamik ist die Energiedichte der Welle gegeben durch u(ω) = und hat im zeitlichen Mittel den Wert 1 E2 + B2 8π ū(ω) = ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II E2 8π (4.38) 4. Zeitabhängige Störungen 4.4. Absorption und Emission von Strahlung 66 Ein Vergleich der Störung V (ω, t) = − e eE A·p = sin(ωt − k · x ) e · p mc mω (4.39) mit (4.27) zeigt, dass der Operator V (x ) in dieser Formel mit V = ieE ik ·x e e ·p 2mω zu identifizieren ist und damit finden wir folgende Absorptionsrate ΓAbs. n→m = e2 π ū(ωmn )|hm|eikx e · p|ni|2 m2 ω 2 ~2 (4.40) ist. Jetzt müssen wir noch das Matrixelement berechnen. Für Wellenlängen, die groß verglichen mit dem Atoms sind, 2π ≫ dAtom k λ= dürfen wir im Matrixelement die Dipol-Näherung eikx ≈ 1 (4.41) machen. Benutzen wir zusätzlich p= im [H0 , x ], ~ (4.42) und dass |ni, |mi Eigenzustände des ungestörten Hamilton-Operator H0 sind, dann vereinfacht sich das Matrixelement wie folgt ΓAbs. n→m = π ū(ωmn )|hm|e · d |ni|2 , ~2 wobei d = ex (4.43) den Dipol-Operator bezeichnet. In MKSA-Einheiten lautet das Endergebnis ΓAbs. n→m = 4π 2 ū(ωmn )|hm|e · d |ni|2 ~2 (4πǫ0 ) (4.44) Das maßgebliche Matrixelement für den Übergang ist hm|e · d |ni. Die Bedingung, dass es nicht Null ist, führt zu Auswahlregeln, zum Beispiel ∆ℓ = ±1 und ∆m = 0, ±1 (elektrische Dipolstrahlung). (4.45) Abschliessend betrachten wir den Fall einer inkohärenten Überlagerung von Wellenvektoren k und Polarisationen e ⊥ k . Das Quadrat des Dipol-Matrixelements hm|e · d |ni ist ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 4. Zeitabhängige Störungen 4.4. Absorption und Emission von Strahlung dann zu ersetzen durch Z 1 1 dΩe hn|d · e|mihm|e · d |ni = hn|d |mihm|d |ni, 4π 3 67 (4.46) wobei wir die Identität 1 4π Z 1 dΩe ei ej = δij 3 benutzten. Die führt auf die Übergangsrate (ωm > ωn ) Em. ΓAbs. n→m = Γm→n = 4π 2 |hm|d |ni|2 ū(ωmn ) ≡ Bnm u(ωmn ), 2 3~ (4πǫ0 ) (4.47) wobei der Einstein-Koeffizient Bnm = Bmn auftritt. Wir erinnern daran, dass wir nur Absorption und induzierte Emission behandelt haben. Die spontane Emission, bei der kein Licht von außen eingestrahlt wird, wird durch den obigen Formalismus nicht erfasst. Zur Behandlung der spontanen Emission muss das Strahlungsfeld quantisiert werden. Alternativ kann man auch die Einsteinschen Beziehungen zwischen den Koeffizienten Bnm für induzierte Emission und Absorption und den Koeffizienten Anm für spontane Emission benutzen1 . 1 Siehe den Abschnitt Emission, Absorption und Strahlungsgesetz in der Vorlesung QM I ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II Kapitel 5 Streutheorie ... und alle sogenannten Naturwissenschaftler sind grundsätzlich immer auf verzerrte und karge Informationen, die ihnen über Sinnesorgane und Meßinstrumente übermittelt werden, angewiesen. Paul Tholey Die Berechnung und Analyse von Streuprozessen in der Atom-, Kern- und Elementarteilchenphysik ist ein wichtiger Anwendungsbereich der Quantenmechanik. Man kann die Streuung von Teilchen oder Strahlung dazu benutzen, um die Struktur von Objekten zu studieren. Ein klassischen Beispiel ist die Elektronenstreuung an Atomkernen. Da in diesem Fall die elektromagnetische Wechselwirkung zwischen Elektronen und Ladungs- sowie Magnetisierungverteilung des Kerns bekannt ist, kann man Aufschluss über die elektromagnetische Struktur des Kerns gewinnen. Andererseits können Streuprozesse dazu verwendet werden, um noch unbekannte Wechselwirkungen zu studieren. Ein Beispiel ist die Nukleon-Nukleon Streuung, aus der man viel über die Kernkräfte erfahren kann. Bei einer elastischen Streuung bleiben die inneren Zustände der kollidierenden Teilchen unverändert. Werden die inneren Zustände eines oder mehrerer an der Streuung beteiligten Teilchen geändert, so spricht man von unelastischer Streuung. Die Quantenmechanik der Stoßvorgänge geht auf die klassische Arbeit von Max Born zurück [11]. Born hat seine bahnbrechende Arbeit über Streutheorie auch zur Aufklärung über die physikalische Bedeutung der formalen Gesetze der Quantenmechanik, die kurz zuvor von Heisenberg, Jordan und ihm entwickelt wurden, geschrieben. 68 5. Streutheorie 5.1 5.1. Wirkungsquerschnitte 69 Wirkungsquerschnitte Auf ein streuendes Target treffe ein (praktisch) monoenergetischer Teilchenstrahl mit Teilchenstromdichte j (Zahl der einfallenden Teilchen pro Zeit- und Flächeneinheit senkrecht zur Ausbreitungsrichtung). Die Wechselwirkung der einlaufenden Teilchen untereinander sei vernachlässigbar, so dass diese unabhängig am Target streuen. Mit Detektoren messe man die Zahl NS der pro Zeiteinheit in den Raumwinkel dΩ in die Richtung Ω = (θ, ϕ) gestreuten Teilchen. Diese ist proportional zu j: NS = jΣ(Ω)dΩ. Das Target bestehe aus einer großen Anzahl N von atomaren oder subatomaren Streuzentren. Deren Abstand sei so groß, dass man die Kohärenz der an ihnen gestreuten Wellen vernachlässigen kann (dies darf man nicht bei der kohärenten Beugung von Elektronen oder Röntgenstrahlen an Kristallen). Jedes Streuzentrum wirkt dann so, als ob es allein wäre. Außerdem muss man das Target genügend dünn halten um Mehrfachstreuung vernachlässigen zu können. Dann ist Ns proportional zu N NS = jN dσ dΩ. dΩ (5.1) dσ/dΩ hat die Dimension einer Fläche und ist der differentielle Wirkungsquerschnitt des Streuprozesses. Der totale Wirkungsquerschnitt ist Z dσ dΩ. (5.2) σ= dΩ S2 ∆Ω b θ Strom j ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 5. Streutheorie 5.2 5.2. Potentialstreuung 70 Potentialstreuung Wir betrachten die Streuung eines Teilchens an einem kurzreichweitigen Potential1 . Wir wollen annehmen, dass die streuenden Teilchen zu früher Zeit weit weg vom streuenden Objekt waren. Die freien Teilchen werden dann durch ein Wellenpaket Z d3 k a(k )eik ·x (5.3) ψ(t0 , x ) = (2π)3 beschrieben. Das Wellenpaket sei um k0 konzentriert, d.h. a(k ) sei nur für Wellenzahlvektoren nahe bei k0 oder Impulse nahe p0 = ~k0 ungleich Null. Wir müssen herausfinden, wie die Wellenfunktion ψ(t, x ) zu späteren Zeiten aussieht, nachdem die Teilchen am Target streuten. Ähnlich wie bei der Untersuchung der Reflexion und Transmission von Wellenpaketen an eindimensionalen Potenzialbarrieren (siehe Vorlesung Quantenmechanik I) konstruieren wir zuerst die exakten Eigenzustände ψk (x ) der zeitunabhängigen Schrödingergleichung (△ + k 2 )ψk (x ) = U(x )ψk (x ), k2 = 2m Ek , ~2 U(x ) = 2m V (x ). ~2 Wir entwickeln den Anfangszustand ψ(t0 ) nach diesen Eigenzuständen Z d3 k b(k )ψk (x ), ψ(t0 , x ) = (2π)3 (5.4) (5.5) wobei gebundene Zustände mit Ek < 0 nicht beitragen, da sie weit weg vom Streuzentrum verschwinden. Die Wellenfunktion zu späteren Zeiten ist dann Z d3 k ψ(t, x ) = b(k ) ψk (x ) e−iEk (t−t0 )/~ . (5.6) 3 (2π) Sie beschreibt die auf das Target einfallenden und die gestreuten Teilchen. Eine Lösung ψk der stationären Schrödingergleichung kann als Lösung einer Integralgleichung dargestellt werden. Mit der Greenschen Funktion für auslaufende Wellen, ′ (△ + k 2 )G0 (x − x ′ ) = δ(x − x ′ ), G0 (x − x ′ ) = − 1 eik|x −x | 4π |x − x ′ | ist die Schrödingergleichung äquivalent zur Lippmann-Schwinger-Integralgleichung 1 Das Coulomb-Potential ist langreichweitig und muss separat behandelt werden. ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II (5.7) 5. Streutheorie 5.2. Potentialstreuung ψk (x ) = ψ0 (x ) + Z G0 (x − x ′ )U(x ′ )ψk (x ′ )d3 x′ , 71 (5.8) wobei ψ0 eine Lösung der kräftefreien Schrödingergleichung ist. Wegen (5.7) ist ein ψ, welches diese Integralgleichung erfüllt, offensichtlich eine Lösung der Schrödingergleichung. Wir untersuchen jetzt noch das asymptotische Verhalten von ψ weit weg vom Streuzentrum. Wir nehmen an, das Potential V (x ) sei bei x = 0 genügend lokalisiert, so dass nur x ′ in der Nähe des Streuzentrums zum Integral beitragen. Wir dürfen also r ′ = |x ′ | << r annehmen. Wegen 1 |x − x | ∼ r − x · x ′ r ′ ist ′ , eik|x −x | eikr −ik ′ x ′ ∼ e |x − x ′ | r 1 eikr ψk (x ) −→ ψ0 (x ) − 4π r r→∞ Z ′ x und k ′ = k , r ′ e−ik x U(x ′ )ψk (x ′ )d3 x′ . Wählen wir für die kräftefreie Lösung ψ0 ein einlaufende ebene Welle, dann hat die entsprechende Lösung der Lippmann-Schwinger-Gleichung (5.8) die asymptotische Form r→∞ ψk (x ) = eikx + ψs −→ eikx + f (k ′ , k ) eikr , r (5.9) wobei wir die wichtige Streuamplitude m f (k , k ) = − 2π~2 ′ Z e−ik ′x ′ V (x ′ )ψk (x ′ )d3 x′ (5.10) eingeführt haben. Nach einer Multiplikation der Lösung (5.9) mit e−iEk t/~ wird klar, dass der zweite Term eine auslaufende Welle mit demselben k wie die einlaufende ebene Welle (der erste Term) beschreibt. Bei Potentialstreuung ist, wie erwartet, die Energie erhalten. Als nächstes werden wir zeigen, dass die Koeffizienten a(k ) in (5.3) und b(k ) in (5.5) übereinstimmen. Dazu ersetzen wir in der Entwicklung (5.3) für ψ(t0 , x ) die freien Lösungen exp(ik · x ) = ψ0 (x ) mit Hilfe der Lippmann-Schwinger-Gleichung (5.8) durch die exakten Eigenzustände ψk (x ), Z d3 k ψ(t0 , x ) = a(k )eik ·x (2π)3 Z ik|x −x ′ | Z e 1 d3 k ′ ′ 3 ′ a(k ) ψk (x ) + U(x )ψk (x )d x . (5.11) = (2π)3 4π |x − x ′ | ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 5. Streutheorie 5.2. Potentialstreuung 72 k′ V (x ) k Abbildung 5.1: Einlaufende ebene Wellen werden am Potential gestreut. Da a(k ) bei k0 konzentriert ist, können wir ψk (x ) ∼ ψk0 (x ) und k ∼ k · k̂0 setzen. Dann wird das k-Integral im letzten Term in (5.11) proportional zu Z d3 k ′ a(k )eik ·k̂0 |x −x | ψk0 (x ′ ) = ψ(t0 , k̂0 |x − x ′ |) · ψk0 (x ′ ). 3 (2π) Da aber k̂0 |x −x ′ | und der Träger des Wellenpakets ψ(t0 , x ) auf gegenüberliegenden Seiten des Streuzentrums liegen, verschwindet die erste Funktion auf der rechten Seite und Z d3 k ψ(t0 , x ) = a(k )ψk (x ). (5.12) (2π)3 Die Entwicklungskoeffizienten für das anfängliche Wellenpaket sind also unabhängig davon ob wir das Paket nach ebene Wellen oder exakten Eigenzustände entwickeln, a(k ) = b(k ). Weit weg vom Streuer hat die zeitabhängige Lösung (5.6) wegen (5.9) die Form Z f (k ′ , k ) i(kr−Ek (t−t0 )/~) d3 k i(k ·x −iEk (t−t0 )/~) ψ(t, x ) ∼ a(k ) e + e (2π)3 r f (k ′ , k0) = ψ0 (t, x ) + ψ0 (t, r k̂0 ), k ′ = k x̂ . r (5.13) Diese Form der Lösung hat eine anschauliche Interpretation: ψ0 (r k̂0 ) ist der Wert den die Wellenfunktion am Punkte x haben würde, wenn das Streuzentrum den Weg des Teilchens von der Vorwärtsrichtung in die Richtung k ′ abgelenkt hätte, siehe Figur (5.2). Aber dieser Anteil ist mit der Streuamplitude/r multipliziert, welche also gerade die Wahr———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 5. Streutheorie 5.2. Potentialstreuung 73 scheinlichkeitsamplitude dafür sein muss, dass der Weg des Teilchens abgelenkt wurde. k′ k0 V (x ) V (x ) k0 nach dem Stoss vor dem Stoss Abbildung 5.2: Das einlaufende Wellenpaket wird am Potential gestreut Nun wollen wir noch die Streuamplitude mit dem Wirkungsquerschnitt in Verbindung bringen. Dazu bestimmen wir die Teilchenstromdichte j = ~ ψ̄∇ψ − ψ∇ψ̄ , 2mi (5.14) die für eine einlaufende ebene Welle gleich ~k /m ist, für die Streuwelle ψs js ∼ ~ x ~ |f (k , k ′)|2 ψ̄s ∂r ψs − ψs ∂r ψ̄s ∼ k ′ . 2mi r m r2 (5.15) Wir benutzten k ′ = kx /r und dass für die elastische Potentialstreuung Ek = Ek′ ist. Für genügend lokalisierte Wellenpakete gibt es keine Interferenz zwischen ψ0 und ψs und differentielle Wirkungsquerschnitt ist dσ Strom der Streuwelle in dΩr→∞ = = |f (k , k ′)|2 . dΩ einfallende Stromdichte Er ist unmittelbar mit der Streuamplitude verknüpft. ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II (5.16) 5. Streutheorie 5.2.1 5.2. Potentialstreuung 74 Bornsche Reihe Ausgangspunkt für die Herleitung der Bornschen Reihe ist die oben diskutierte LippmannSchwinger-Gleichung (5.17) ψk = ψ0 + (G0 U)ψk . Im Ortsraum ist G0 U der in (5.8) angegebene Fredholmsche Integralkern. Die LippmannSchwinger-Gleichung kann als Funktionalgleichung im Banachraum C der stetigen und beschränkten Funktionen mit Supremum-Norm (5.18) kψk∞ = sup |ψ(x )| x ∈R3 aufgefasst werden. Falls nun die Norm kG0 Uk∞ < 1 ist, dann hat die Gleichung (5.8) eine eindeutige Lösung, nämlich ψk = ψ0 + (G0 U)ψ0 + (G0 U)2 ψ0 + . . . = 1 ψ0 . 1 − G0 U (5.19) Das diese für kG0 Uk∞ < 1 absolut konvergente Neumannsche Reihe eine Lösung liefert, sieht man durch gliedweise Anwendung von G0 U sofort. Die Eindeutigkeit folgt aus kψ1 − ψ2 k∞ = k(G0 U)(ψ1 − ψ2 )k∞ ≤ kG0 Uk∞ kψ1 − ψ2 k∞ < kψ1 − ψ2 k∞ für zwei Lösungen, woraus unmittelbar ψ1 = ψ2 folgt. Wir wollen jetzt noch untersuchen, für welche Potentiale die Operatornorm des Integraloperators G0 U kleiner 1 ist. Wegen Z 1 |U(x ′ )| 3 ′ |(G0 Uψ)(x )| ≤ d x kψk∞ , 4π |x − x ′ | genügt es, eine obere Schranke für das Integral zu finden. Es gilt für jedes x und ρ Z Z Z |U(x ′ )| 3 ′ |U(x ′ )| 3 ′ |U(x ′ )| 3 ′ d x = d x + dx |x − x ′ | |x − x ′ | |x − x ′ | |x −x ′ |≥ρ Z |x −x ′ |<ρ 1 ≤ kUk1 + kUk2 |z |−2 d3 z ρ |z |<ρ p 1 = kUk1 + 4πρ kUk2 , ρ wobei wir die Schwartzsche Ungleichung (f, g) ≤ kf k2 kgk2 ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 1/2 (5.20) 5. Streutheorie 5.2. Potentialstreuung 75 benutzten. Damit hat G0 U eine endliche Norm, falls V ∈ L1 (R3 ) ∩ L2 (R3 ) ist. Die rechte √ 3/2 Seite in (5.20) ist minimal für πρmin = kUk1 /kUk2 und für ρmin ist sie 1/3 2/3 3π 1/3 kUk1 kUk2 . Also ergibt unsere grobe Abschätzung der Norm des Integrationsoperators in der SchwingerLippmann-Gleichung die Abschätzung 3 1/3 2/3 kG0 Uk∞ ≤ π −2/3 kUk1 kUk2 . 4 (5.21) Ist die Norm größer als 1 dann wird sie kleiner 1 für eine genügend kleine Kopplungskonstante λ in λV . Für schwache Potentiale oder hohe Energien (große k in G0 ) ist die 1. Bornsche Näherung eine brauchbare Approximation. In dieser Näherung ist ψk ∼ ψ0 + (G0 U)ψ0 und wir erhalten für die Streuamplitude in dieser Näherung die einfache Formel m fBorn (k , k ) = − 2π~2 ′ Z eiq ·x V (x ) d3 x , wobei q = k − k ′ (5.22) den Impulsübertrag bezeichnet. In erster Bornscher Näherung ist die Streuamplitude also proportional zur Fourier-Transformierten des Potentials. Besonders einfach sind die Verhältnisse für kugelsymmetrische Potentiale. Mit q · x = qr cos α finden wir Z π Z m ∞ 2 dα sin α eiqr cos α V (r). drr fBorn = − 2 ~ 0 0 Setzen wir cos α = z, dann lässt sich das Winkelintegral leicht berechnen, 2m 1 fBorn (k, θ) = − 2 ~ q Z ∞ rV (r) sin(qr)dr. (5.23) 0 Der Streuwinkel θ ist der Winkel zwischen ein- und auslaufenden Wellenvektoren: √ θ (5.24) q 2 = k 2 + k 2 − 2k · k ′ =⇒ q = k 2 − 2 cos θ = 2k sin . 2 Ein in der Kernphysik relevantes Beispiel ist das Yukawa-Potential V =g ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II e−µr , r µ = 1/r0 . (5.25) 5. Streutheorie 5.2. Potentialstreuung 76 Es beschreibt näherungsweise die starke Wechselwirkung zwischen Nukleonen und kommt durch den Austausch von Pionen der Masse ~/r0 c ≈ 140 MeV zustande. Die Länge r0 wird als Reichweite des Potentials interpretiert und entspricht der Compton-Wellenlänge der ausgetauschten Teilchen. Das Integral in (5.23) lautet 2m g − 2 ~ q Z 0 ∞ e−µr sin(qr)dr = − 2m g ~2 µ 2 + q 2 (5.26) und führt auf folgede Streuamplitude in der 1. Bornschen Näherung, fBorn (k, θ) = − 2mg 1 2 2 2 ~ 4k sin (θ/2) + µ2 (5.27) und den differentiellen Wirkungsquerschnitt dσBorn mg 2 = dΩ 2~2 k 2 sin2 θ 2 1 + (µ/2k)2 !2 . (5.28) Führt man den (singulären) Grenzübergang µ → 0 durch und setzt g = e2 sowie ~2 k 2 = 2mE ein, so erhält man die aus der klassischen Mechanik bekannte Rutherford-Formel für die Streuung am Coulomb-Potential. 5.2.2 Elastische Streuung von Elektronen an Atomen Wir betrachten die Streuung von Elektronen an einem neutralen Atom. Für genügend hohe Elektronenenergien ist die Bornsche Näherung gültig und gleichzeitig können Austauscheffekte zwischen streuenden Elektronen und Atomelektronen vernachlässigt werden. Wir behandeln das Atom nach Thomas und Fermi. Der Kern am Ursprung und die Ladungsverteilung der Atomelektronen ρ erzeugt ein Potential V = −eϕ gemäß △ϕ = 4πe (Zδ(x ) − ρ(x )) . Die Fourier-Transformierte von V , multipliziert mit q 2 , ist Z Z 2 2 −iq ·x q Ṽ (q) = −e q e ϕ(x ) = e △ e−iq ·x ϕ(x ) Z 2 e−iq ·x (Zδ(x ) − ρ(x )) = 4πe2 (Z − F (q )) , = 4πe ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II (5.29) (5.30) 5. Streutheorie 5.2. Potentialstreuung wobei F der Formfaktor der elektronischen Ladungsverteilung ist, Z F (q ) = e−iq ·x ρ(x )d3 x mit F (0) = Z. 77 (5.31) Wir betrachten ein neutrales Atom für das die Ladung der Elektronen F (0) gleich Z ist. Für eine kugelsymmetrischen Ladungsverteilung können wir über die Winkel integrieren und erhalten die einfachere Formel Z∞ 4π sin(qr)ρ(r) rdr. (5.32) F (q) = q 0 Für die Streuamplitude in erster Bornscher Näherung (5.22) ergibt sich 2 e ′ (Z − F (q)), fBorn (k , k ) = −2m ~q (5.33) und wir finden mit (5.16) den differentiellen Wirkungsquerschnitt dσ = 4m2 dΩ e ~q 4 (Z − F (q))2 , q = k′ − k. (5.34) Diskussion: Ist zum Beispiel wie im Wasserstoffatom ρ(r) = Ze−r/a , 8πa3 so ist F (q) = Z . (1 + a2 q 2 )2 (5.35) Für einen großen Impulsübertrag q ≫ 1/a ist F (q) ≪ Z ist. Dies gilt auch für allgemeinere Ladungsdichten und folgt nach Anwendung des Riemann-Lebeque Lemmas auf (5.31). Ein großer Impulsübertrag bedeutet wegen sin q 1 θ = ≫ 2 2k 2ka (5.36) auch Streuung mit großem Streuwinkel. Für Weitwinkelstreuung reduziert sich der Querschnitt also im Wesentlichen auf die Rutherford-Formel für die Streuung am Atomkern 4m2 e4 Z 2 dσ = (5.37) dΩ Rutherford ~4 q 4 oder mit q = 2k sin(θ/2) dσ dΩ ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II Rutherford = Ze2 2mv 2 2 1 . sin4 θ2 (5.38) 5. Streutheorie 5.3. Die Coulombstreuung 78 Für die Coulombstreuung ist diese Formel sogar exakt. Im anderen Grenzfall mit kleinem Impulsübertrag qa ≤ 1 kann der Kern nicht mehr aufgelöst werden und deshalb wird, wie erwartet, die Abschirmung der Elektronen wichtig. 5.3 Die Coulombstreuung Das Coulomb-Potential fällt im Unendlichen nur langsam ab und deshalb nimmt die Coulombstreuung eine Sonderrolle ein. Ganz egal wie weit auseinander zwei Teilchen sind sie spüren immer die gegenseitige Coulombkraft. Durch diese langreichweitige Wechselwirkung wird das asymptotische Verhalten der stationären Streuwelle ψk (x ) modifiziert. Dies kann man wegen dem asymptotischen Verhalten der gebundenen Zustände fnℓ ∼ r n−1 e−κr , κ= 1 na0 schon vermuten. Da n = me2 /~2 κ ist, haben diese für große Radien die Form fnℓ ∼ 1 −κr+(me2 /~2 κ) log r e . r (5.39) Für die asymptotische Form der Streuzustände mit E > 0 erwarten wir diesselbe Form, nur mit κ durch ±ik ersetzt, 1 R ∼ e±i(kr−γ log r) , r γ=− me2 1 = − . ~2 k a0 k Diese Vermutung wird sich als richtig erweisen. Wir betrachten die Streuung eines geladenen Teilchens mit Ladung Z1 e an einem Coulombfeld V = −Z2 e/r. Die zeitunabhängige Schrödingergleichung lautet 2m Z1 Z2 e2 2mE ψ = 0. (5.40) −△ + 2 − 2 ~ r ~ Wir setzen E= ~2 k 2 1 = mv 2 2m 2 und γ = Z1 Z2 e2 ~v und mit diesen Abkürzungen vereinfacht sich die Schrödingergleichung zu 2γk 2 ψ = 0. △+k − r ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II (5.41) (5.42) 5. Streutheorie 5.3. Die Coulombstreuung 79 Für eine länge der z-Achse einlaufende ebene Welle setzen wir die Lösung in der Form ψ(x ) = eikz φ(r − z), (5.43) r = |x | an. Benutzen wir in (5.42) die Identitäten und △ψ = (△eikz )φ + 2(∇eikz )(∇φ) + eikz △φ = −k 2 φ + 2ik∂z φ + △φ eikz ∂z φ = z r −1 φ ′ 2 ′ 2z φ′′ , sowie △φ = φ + φ + 1 − r r ′′ dann finden wir für φ die einfache Differentialgleichung 2 d d u 2 + (1 − iku) − γk φ(u) = 0, du du u = r − z, oder mit ξ = iku = ik(r − z) 2 d d ξ 2 + (1 − ξ) + iγ φ(ξ) = 0. dξ dξ (5.44) Dies ist die konfluente hypergeometrische Differentialgleichung [13] z dφ d2 φ + (b − z) − aφ = 0, 2 dz dz (5.45) mit a = −iγ, b = 1 und z = ξ. Die reguläre Lösung dieser Differentialgleichung ist die konfluente hypergeometrische Reihe (Kummersche Funktion) F (a, b, z) mit dem asymptotischen Verhalten für −π/2 <arg(z) < π/2 Γ(b) a(1 + a − b) −a 2 F (a, b, z) ∼ 1− (−z) + O(1/z ) Γ(b − a) z Γ(b) z a−b + e z (1 + O(1/z)) . Γ(a) Die Lösung von (5.44) ist also φ(u) = CF (−iγ, 1, ξ = iku), wobei C ein Normierungsfaktor ist. Sie hat die asymptotische Form γ2 (iku)−iγ eiku (−iku)iγ 1+ +C . φ(u) = CF (−iγ, 1, iku) ∼ C Γ(1 + iγ) iku ikuΓ(−iγ) ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II (5.46) 5. Streutheorie 5.3. Die Coulombstreuung 80 Nun ist (−iku)iγ = elog(ku)−iπ/2 und es folgt πγ/2 φ(u) ∼ Ce iγ = eπγ/2+iγ log(ku) , eiγ log(ku) Γ(1 + iγ) Γ(1 − iγ) = −iγΓ(−iγ) γ2 iγe(iku−iγ log(ku) 1+ − . iku ikuΓ(1 − iγ) Setzen wir dies in (5.43) ein und benutzen θ ku = k(r − z) = kr(1 − cos θ) = 2kr sin2 , 2 dann ergibt sich Ceπγ/2 ψ(r, θ) ∼ Γ(1 + iγ) γ2 1+ 2ikr sin2 θ 2 ! ikz+iγ log k(r−z) e eikr−iγ log(2kr) + f (θ) r (5.47) mit Streuamplitude γΓ(1 + iγ) f (θ) = 2kΓ(1 − iγ) θ sin 2 2 −1−iγ . (5.48) Der erste Term in (5.47) entspricht einer einlaufenden Welle eikz , die durch die langreichweitige Coulombwechselwirkung mit dem Faktor ! γ2 1+ eiγ log k(r−z) 2ikr sin2 θ2 gestört wird. Die Wahrscheinlichkeitsstromdichte dieser Welle weit weg vom Streuer lautet eπγ/2 2 2 ~k . j=C m Γ(1 + iγ) Der zweite Term in (5.47) entspricht einer auslaufenden Kugelwelle, welche noch eine zusätzliche logarithmische Phase enthält. Der zugehörige Fluss in den Raumwinkel dΩ ist asymptotisch 2 πγ/2 e ~k |f (θ)|2dΩ. (5.49) jr r 2 dΩ = C 2 m Γ(1 + iγ) Deshalb ist der Wirkungsquerschnitt ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 5. Streutheorie 5.3. Die Coulombstreuung dσ jr r 2 γ2 = = |f (θ)|2 = 2 4 dΩ j 4k sin θ 2 = Z1 Z2 e2 2mv 2 2 1 . sin4 θ2 81 (5.50) Dies stimmt einerseits mit dem klassischen Ausdruck, und andererseits mit der Bornschen Näherung für die Weitwinkelstreuung von Elektronen an Atomen überein. Dies ist eine Besonderheit des Coulombfeldes. Der Wirkungsquerschnitt (5.50) divergiert in die Vorwärtsrichtung θ = 0. Der Grund dafür ist die lange Reichweite des Coulomb-Potentials: selbst einlaufende Teilchen mit großen Impaktparameter werden noch ein wenig gestreut. In der Realität wird jede Ladung durch andere Ladungen abgeschirmt, so dass für große Impaktparameter das einlaufende Teilchen ein abgeschirmtes Coulomb-Potential sieht. Bei der Streuung an neutralen Atomen ist der differentielle Wirkungsquerschnitt auch in die Vorwärtsrichtung endlich. Wir studieren die Pole der Coulomb-Streuamplitude (5.48) als Funktion der Energie. Die meromorphe Gammafunktion hat wegen Γ(z) = Γ(z + n) z(z + 1) · · · (z + n − 1) und Γ(1) = 1, woraus unmittelbar 1 1 cΓ(z − n) −→ (−1)n z n! für z → 0 folgt, einfache Pole bei z = −n ∈ {0, −1, −2, . . .} mit Residuen (−1)n /n!. Die Γ−Funktion besitzt keine Nullstellen in der ganzen komplexen z−Ebene. Deshalb hat die Streuamplitude (5.50) einfache Pole für 1 + iγ = −n oder für k ∈ iZ1 Z2 , a0 n n ∈ N. In der komplexen Energieebene sind die Pole an den Stellen 2 1 ~2 Z1 Z2 ~2 k 2 = − E= 2m 2m a0 n2 (Z1 Z2 )2 2 α 2 mc , n = 1, 2, 3, . . . . = − 2 n (5.51) Dies sind genau die Energien der gebundenen Zustände in einem Coulombfeld −Z2 e/r. In der k−Ebene liegen die Pole auf der positiven imaginären Achse. Nur dann sind die Wellenfunktionen ∼ exp(ikr) normierbar. Diese Eigenschaft der Streuamplitude, nämlich dass die Pole der Streuamplitude zu gebundenen Zuständen gehören, ist unter bestimmten ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 5. Streutheorie 5.4. Partialwellen 82 Annahmen auch für allgemeinere Potentiale gültig. 5.4 Partialwellen Ist das Potential radialsymmetrisch, dann ist der Drehimpuls erhalten. Wir können die Eigenfunktionen als Linearkombinationen der Kugelfunktionen schreiben und diese Entwicklung ist mit der Zeitentwicklung verträglich. Wir entwickeln zuerst die einfallende ebene Welle in Kugelfunktionen. Wählen wir die 3-Achse entlang k , dann ist eik ·x = ∞ X iℓ (2ℓ + 1)Pℓ (cos θ)jℓ (kr) ℓ=0 ∞ X 1 2 = wobei ℓ=0 iℓ (2ℓ + 1)Pℓ (cos θ) hℓ (kr) + h†ℓ (kr) , Pℓ (cos θ) = r (5.52) 4π Yℓ0 (θ, ϕ) 2ℓ + 1 das Legendre-Polynom ℓ’ter Ordnung, jℓ die ℓ’te sphärische Besselfunktion und hℓ die ℓ’te sphärische Hankelfunktion ist. Da weder die in 3-Richtung einlaufende ebene Welle noch H von ϕ abhängen, [H, L3 ] = 0, ist auch die Lösung ψ(t, x ) unabhängig von ϕ. Offensichtlich ist dann die Streuamplitude ebenfalls ϕ-unabhängig, f (k ′ , k ) = f (θ, k), Wir entwickeln die Eigenzustände ψk (x ) in Drehimpuls-Eigenzustände ψk (x ) = ∞ X iℓ (2ℓ + 1)Pℓ (cos θ)fℓ (r). (5.53) 0 Die Funktionen fℓ erfüllen die radiale Schrödingergleichung 2 d ℓ(ℓ + 1) d2 + + U fℓ = Hℓ0 + U fℓ = k 2 fℓ , Hℓ fℓ ≡ − 2 − 2 dr r dr r (5.54) wobei wir k2 = 2mE ~2 und U = 2m V ~2 (5.55) gesetzt haben. Fällt das Potential im Unendlichen schneller als r −2 ab, dann können wir weit weg vom Target das Potential U in (5.54) vernachlässigen und die Gleichung wird ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 5. Streutheorie 5.4. Partialwellen zur Bessel-Gleichung. Damit hat fℓ die asymptotische Form fℓ (r) ∼ aℓ h†ℓ (kr) + Sℓ (E)hℓ (kr) . 83 (5.56) Ohne Streuung ist offensichtlich fℓ0 1 † = jℓ (kr) = hℓ + hℓ . 2 Es geht nun im Folgenden darum, die Funktion Sℓ (E) zu bestimmen. Da die hℓ auslaufende und die h†ℓ einlaufende Kugelwellen beschreiben, hℓ (x) ∼ 1 i(x−(ℓ+1)π/2) e , x (5.57) kann ein Potential nur die Koeffizienten von hℓ beeinflussen. Deshalb sind auch bei Anwesenheit eines Streuers die aℓ = 21 . Bei der elastischen Potentialstreuung gehen keine Teilchen verloren und der Wahrscheinlichkeitsstrom, ! † 2 2π~ df df 2π~r ℓ fℓ† − fℓ ℓ = (1 − Sℓ Sℓ† ), (5.58) 4πr 2 jr (r) = im dr dr mk muss verschwinden. Hier haben wir benutzt, dass r 2 jr nicht vom Radius abhängt und die asymptotische Form der fℓ eingesetzt. Damit sind die Sℓ Phasen und wir können Sℓ (E) = e2iδℓ (E) mit reellem δℓ (5.59) setzen. Die δℓ sind die sogenannten Streuphasen. Sie haben folgende anschauliche Bedeutung: 2δℓ ist für große r die Phasenverschiebung der Funktion fℓ (r) gegenüber der Funktion fℓ0 (r) ohne Potential. Die Streuamplitude kann nun aus den Streuphasen berechnet werden. Dazu notieren wir, dass für große Abstände 1X ℓ ψk (x ) ∼ i (2ℓ + 1)Pℓ (cos θ) h†ℓ (kr) + e2iδℓ hℓ (kr) 2 ℓ 1X ℓ i (2ℓ + 1)Pℓ (cos θ) e2iδℓ − 1 hℓ (kr) = eik ·x + 2 ℓ gilt. Setzen wir hier die asymptotische Entwicklung der hℓ nach der Formel (5.57) ein, dann finden wir 1 X ℓ ψk (x ) ∼ eik ·x + i (2ℓ + 1)Pℓ (cos θ) e2iδℓ − 1 ei(kr−(ℓ+1)π/2) 2kr ℓ ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 5. Streutheorie 5.4. Partialwellen = eik ·x + 1 X (2ℓ + 1)Pℓ (cos θ) e2iδℓ − 1 eikr . 2ikr ℓ 84 (5.60) Der Vergleich mit (5.9) führt auf die Streuamplitude 1 X (2ℓ + 1)Pℓ (cos θ)(e2iδℓ − 1) 2ik ℓ 1X = (2ℓ + 1)Pℓ (cos θ)eiδℓ sin δℓ . k ℓ f (θ, k) = (5.61) Der totale Wirkungsquerschnitt ist das Integral von |f (θ, k)|2 über S 2 . Wegen der Orthogonalitätsrelationen 1 2 Z1 δℓℓ′ 2ℓ + 1 Pℓ (x)Pℓ′ (x)dx = (5.62) −1 erhalten wir wir den totalen Wirkungsquerschnitt σ= X wobei σℓ = σℓ , 4π (2ℓ + 1) sin2 δℓ k2 (5.63) die partiellen Wirkungsquerschnitte für die Streuung von Teilchen mit Drehimpuls ℓ sind. Im totalen Wirkungsquerschnitt gibt es keine Interferenz zwischen den Beiträgen von verschiedenen Drehimpulsen oder den Partialwellen. Allerdings interferieren die Partialwellen im Ausdruck für den differentiellen Wirkungsquerschnitt |f (θ, k)|2. Wegen h†ℓ + e2iδℓ hℓ ∼ eiδℓ jℓ (kr + δℓ ) zieht das Potential für δℓ > 0 die Welle näher ans Streuzentrum und drückt sie für δℓ < 0 vom Streuzentrum weg. Ist das Potential attraktiv, dann oszilliert die Wellenfunktion schneller und deshalb gehört δℓ > 0 zu einem anziehenden und δℓ < 0 zu einem abstoßenden Potential. 5.4.1 Optisches Theorem Zwischen der totalen Wirkungsquerschnitt und dem Imaginärteil der Streuamplitude in die Vorwärtsrichtung gibt es eine einfache Beziehung. Wegen (5.61) ist ℑf (θ, k) = ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 1X (2ℓ + 1)Pℓ (cos θ) sin2 δℓ , k ℓ (5.64) 5. Streutheorie 5.4. Partialwellen 85 und da Pℓ (1) = 1 ist, finden wir σ= 4π ℑf (0, k). k (5.65) Diese wichtige Beziehung ist das optische Theorem. Es besagt, dass der totale gestreute Strom ~kσ/m gleich der Abnahme des einfallenden Teilchenstroms ist. Um dies einzusehen, berechnen wir den radialen Strom ~ ∂ψ(t, x ) † jr (t, x ) = ℑ ψ (t, x ) m ∂r für die Wellenfunktion (5.13). Um jr weit weg vom Streuer zu bestimmen, nähern wir Z d3 k ∂ ∂ψ0 (t, x ) = a(k )ei(rk x̂ −iEk (t−t0 )/~ ∼ ik0 · x̂ ψ0 (t, x ) 3 ∂r ∂r (2π) Z ∂ψ0 (t, k̂0 r) d3 k ∂ = a(k )ei(rk k̂0 −iEk (t−t0 )/~ ∼ ik0 ψ(t, k̂0 r) (5.66) ∂r ∂r (2π)3 und vernachlässigen Terme der Ordnung r −3 . Dann wird jr = jr,0 + jr,streu + jr,int , wobei jr,0 die radial einlaufende Stromdichte zum Wellenpaket ψ0 (t, x ) ist, jr,streu die früher berechnete gestreute Stromdichte und ~k0 ℑ if (k ′ , k0 )ψ0† (t, x )ψ0 (t, k̂0 r)(1 + k̂0 · x̂ ) jr,int = mr der von der Interferenz zwischen einlaufender und gestreuter Welle herrührende Anteil zur Stromdichte ist. Beachte, dass ψ0 (t, k̂0 r) nur ungleich Null ist nachdem das Teilchen das Streuzentrum erreicht hat und dass ψ0 (t, x ) und damit der Interferenzstrom nur in die Vorwärtsrichtung ungleich Null ist. Der Interferenzterm führt zu einem Schatten des Targets und damit zu einer Erniedrigung des Stroms in die Vorwärtsrichtung. Man kann zeigen, dass der totale gestreute Strom gleich demjenigen ist, der im einlaufenden Strom fehlt [12]. ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 5. Streutheorie 5.4.2 5.4. Partialwellen 86 Analytische Eigenschaften der Streuamplitude Wie besprochen, können wir für ein radialsymmetrisches Potential die Lösungen der stationären Schrödingergleichung separieren, (5.67) ψkℓm = fℓ (r)Yℓm(θ, ϕ), und die fℓ erfüllen die radiale Schrödingergleichung Hℓ fℓ = k 2 fℓ in (5.54). Wir wollen nun zwei Paare von Lösungen einführen, die durch ihr Verhalten bei r = 0 und bei r = ∞ charakterisiert sind. Dazu wandeln wir die radiale Schrödingergleichung in zwei Integralgleichungen um. Als Lösungen der freien Radialgleichungen, 2 2 d ℓ(ℓ + 1) d + − + 1 fℓ0 = 0 dx2 x dx x2 können wir die sphärischen Bessel- und Neumannfunktionen mit dem asymptotischen Verhalten für kleine x = kr xℓ jℓ (x) ∼ 1 · 3 · · · (2ℓ + 1) und ηℓ (x) ∼ − 1 · 3 · · · (2ℓ − 1) xℓ+1 (5.68) wählen, oder die sphärischen Hankelfunktionen mit folgendem asymptotischen Verhalten für große x hℓ (x) ∼ 1 i(x−(ℓ+1)π/2) ǫ x und h†ℓ (x) ∼ 1 −i(x−(ℓ+1)π/2) ǫ . x (5.69) Die Wronski-Determinante dg df − g , W (f, g) = r f dr dr 2 (5.70) zweier Lösungen der freien radialen Schrödingergleichung ist ortsunabhängig, wie man leicht nachprüft. Setzt man obige Entwicklungen für kleine und große x ein, dann erhält man die Wronski-Determinanten W (jℓ , ηℓ ) = 1 k und W (hℓ , h†ℓ ) = − i . k (5.71) Im Folgenden benötigen wir die Greensche Funktion Gℓ (k, r, r ′ ) = k (jℓ (kr)ηℓ (kr ′ ) − ηℓ (kr)jℓ (kr ′ )) , (r ′ < r) (5.72) die auf der Diagonalen r = r ′ Null ist. Die erste Ableitung der Greenschen Funktion an der Stelle r = r ′ ist proportional zur Wronski-Determinante W (jℓ , ηℓ ) in (5.71), so dass Gℓ (k, r, r) = 0 und ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 1 d Gℓ (k, r, r ′ )|r′ =r = − 2 . dr r (5.73) 5. Streutheorie 5.4. Partialwellen 87 Wir wollen uns nun davon überzeugen, dass die Lösungen der radialen Lippmann-Schwingerartigen Integralgleichungen Z r φℓ (k, r) = jℓ (kr) + Gℓ (k, r, r ′ )U(r ′ )φℓ (k, r ′ )r ′2 dr ′ Z0 ∞ fℓ (k, r) = h†ℓ (kr) − Gℓ (k, r, r ′ )U(r ′ )fℓ (k, r ′ )r ′2 dr ′ (5.74) r auch Lösungen der radialen Schrödingergleichung sind. Wir werden zeigen, dass die φℓ regulär am Ursprung sind und die fℓ für grosse r einlaufende Kugelwellen beschreiben. Beweis: Es sei p(r) = Z r Gℓ (k, r, r ′)q(r ′ )r ′2 dr ′ . 0 Wegen (5.73) sind die erste und zweite Ableitung dieser Funktion gleich Z r d d p(r) = Gℓ (k, r, r ′ )q(r ′)r ′2 dr ′ dr dr 0 Z r 2 d d2 p(r) = −q(r) + G (k, r, r ′ )q(r ′ )r ′2 dr ′ . 2 ℓ dr 2 dr 0 Wir wirken mit dem in (5.54) definierten radialen Schrödinger-Operator Hℓ = Hℓ0 + U auf (5.74) und berücksichtigen, dass jℓ und Gℓ die freie radiale Schrödingergleichung erfüllen: Z r 2 2 2 Hℓ φℓ (k, r) = (k + U)jℓ − Uφℓ + (k + U) Gℓ (k, r, r ′)U(r ′ )φℓ (r ′ )r ′ 0 2 2 = (k + U)jℓ − Uφℓ + (k + U)(φℓ − jℓ ) = k 2 φℓ (k, r) . Genauso beweist man, dass die zweite Lösung fℓ die radiale Schrödingergleichung löst. Diese Integralgleichungen werden nun durch sukzessive Approximation gelöst: Z r ∞ X (0) (n) (n) (n−1) ′ , φℓ = jℓ , φℓ = φℓ = φℓ Gℓ (k, r, r ′)U(r ′ )φℓ (r ) r ′2dr ′ fℓ = n=0 ∞ X 0 (n) fℓ (0) , fℓ n=0 = h†ℓ , (n) fℓ = − Z r ∞ (n−1) Gℓ (k, r, r ′ )U(r ′ )fℓ (r ′ ) r ′2 dr ′ . Speziell im s-Kanal ist Gℓ=0 (k, r, r ′ ) = ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 1 sin k(r ′ − r) krr ′ (5.75) 5. Streutheorie 5.4. Partialwellen und es folgen die Rekursionsrelationen Z r 1 (n−1) ′ (n) sin k(r ′ − r)U(r ′ )φ0 r dr ′ φ0 (r) = kr 0 Z ∞ 1 (n) (n−1) ′ f0 (r) = − sin k(r − r ′)U(r ′ )f0 r dr ′ . kr r Wir müssen also verlangen, dass Z c 0 88 (5.76) (5.77) rV (r)dr = N(c) < ∞ gilt damit φ am Ursprung regulär ist. • Um das Verhalten der Lösungen bei r = 0 für beliebige Drehimpulse zu untersuchen, setzen wir die Entwicklung (5.68) für die sphärischen Besselfunktionen in Gℓ ein und erhalten ′ℓ r rℓ k ′ , r, r ′ → 0, − Gℓ (k, r, r ) ∼ 2ℓ + 1 r ℓ+1 r ′ ℓ+1 so dass zum Beispiel (1) φℓ ∼ αr −ℓ−1 Z r r ′ 2ℓ+2 ′ ′ U(r )dr + βr 0 ℓ Z r r ′ U(r ′ ) 0 gilt. Wiederum muss man (5.77) fordern, damit φℓ bei am Ursprung regulär ist. Durch Abschätzungen an Gℓ kann man für φℓ (k, r) folgende Eigenschaften beweisen: 1. Die bei r = 0 reguläre Lösung φℓ (k, r) ∼ jℓ (kr)(1 + o(r)) (5.78) ist eine ganze analytische Funktion in der komplexen k−Ebene. Weiterhin ist sie analytisch in ℓ für ℜ(ℓ) > − 21 . 2. Je weniger singulär das Potential bei r = 0 ist, desto größer ist der Analyzitätsbereich in der komplexen Drehimpuls-Ebene. Gilt zum Beispiel |V (r)| < Cr −2+ǫ , ǫ > 0, (5.79) dann ist φℓ analytisch für ℜ(ℓ) > − 12 (1 + ǫ) . • Weit weg vom Streuzentrum können wir in Gℓ die asymptotischen Entwicklungen jℓ (x) ∼ 1 1 sin(x − ℓπ/2) und ηℓ (x) ∼ − cos(x − ℓπ/2) x x ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 5. Streutheorie 5.4. Partialwellen 89 ℑ(k) ℑ(ℓ) φℓ (k, r) ℜ(ℓ) b b ℜ(k) fℓ (k, r) ℓ = − 21 Abbildung 5.3: Die Analyzitätsgebiete der Lösungen φℓ (k, r) und fℓ (k, r) einsetzen, mit dem Resultat Gℓ (k, r, r ′) ∼ 1 sin k(r ′ − r), krr ′ r, r ′ → ∞ , und damit gilt zum Beispiel (1) fℓ (k, r) α = r Z r ∞ ′ sin k(r − r ′ )U(r ′ )e−ikr dr ′ . Das Potential muss also im Unendlichen schnell genug abfallen, damit die sukzessive Approximation Sinn macht. Unter Annahme von Z ∞ r 2 |V (r)|dr = M(b) < ∞ b kann man Folgendes beweisen: 1. Für große r verhält sich die Lösung fℓ wie fℓ (k, r) ∼ h†ℓ (kr) . e−iπℓ fℓ ist eine ganze analytische Funktion in ℓ in der gesamten komplexen ℓ-Ebene und in k in der Halbebene ℑ(k) > 0 . 2. Je schneller das Potential für große r abfällt, desto größer ist das Analyzitätsgebiet ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 5. Streutheorie 5.4. Partialwellen 90 in der komplexen k−Ebene. Ist zum Beispiel |V (r)| < c−mr , (5.80) dann ist f analytisch für ℑ(k) > −m/2. Die Lösungen fℓ (k, x) und fℓ (−k, x) sind linear unabhängig. Diese Unabhängigkeit folgt auch aus den nichtverschwindenden Wronski-Determinanten. Um die Determinanten zu berechnen, dürfen wir das asymptotische Verhalten fℓ (k, r → ∞) ∼ h†ℓ (kr) benutzen. Man findet W (fℓ (k, r), fℓ (−k, r)) = i . k Wir können die am Ursprung regulären Lösungen auch als Linearkombination dieser unabhängigen Lösungen schreiben: 1 φℓ (k, r) = (Jℓ (−k)fℓ (k, r) + Jℓ (k)fℓ (−k, r)). 2 (5.81) Die Funktion Jℓ (k) ist die sogenannte Jostfunktion. Sie ist analytisch in der unteren k−Ebene oder für ℑ(k) < m/2 falls das Potential im Unendlichen exponentiell abfällt, wie in (5.80). Da fℓ (k, r) eine einlaufende und fℓ (−k, r) eine auslaufende Kugelwelle beschreiben, hängt die Streuamplitude folgendermaßen mit der Jostfunktion zusammen Sℓ (k) = e2iδℓ (k) = Jℓ (k) . Jℓ (−k) (5.82) Die Nullstellen der Jostfunktion liegen entweder auf der negativen imaginären Achse oder sie haben positiven Imaginärteil, in welchem Fall sie aber symmetrisch zur imaginären Achse liegen. Die Nullstellen auf der negativen imaginären Achse sind immer einfach und gehören offensichtlich zu gebundenen Zuständen, da in diesem Fall die am Ursprung reguläre Lösung auch im Unendlichen abfällt. Die Nullstellen mit positiven Imaginärteil sind einfach oder doppelt und gehören zu Resonanzen oder quasi-stationären Zuständen. In einer Resonanz nimmt die Phase δℓ um π zu. Daneben kann Jℓ (k) auch noch bei k = 0 eine einfache (ℓ = 0) oder doppelte (ℓ > 0) Nullstelle aufweisen. Als Anwendung unserer Resultate wollen wir das Levinson-Theorem beweisen. Wir setzen voraus, dass Jℓ (0) 6= 0 ist. Wegen 2iδℓ (k) = log Jℓ (k) − log Jℓ (−k) ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 5. Streutheorie 5.4. Partialwellen 91 ℑ(k) Resonanzen × × × × × × × × bc ℜ(k) bc bc gebundene bc Zustände bc bc Abbildung 5.4: Die Nullstellen der Jost-Funktion ergibt sich für die Differenz der Streuphasen für k → ∞ und k = 0 der einfache Ausdruck 2i (δℓ (∞) − δℓ (0)) = 2i Z∞ 0 dδℓ (k) = dk dk Z∞ −∞ Jℓ′ (k) = −2πiN(J) , Jℓ (k) (5.83) wobei N(J) die Anzahl Nullstellen von Jℓ (k) in der unteren k−Halbebene ist. Die Anwendung der Formel ist erlaubt, da Jℓ (k) für große k gegen 1 strebt. Wir schliessen, dass δℓ (0) − δℓ (∞) = πN(J) ≡ πmℓ (5.84) gilt, wobei mℓ die Anzahl gebundener Zustände im Drehimpulssektor ℓ ist. Dieser Zusammenhang zwischen der Änderung der Phasenverschiebung und der Anzahl gebundener Zustände ist das Levinson-Theorem. Ist Jℓ (0) = 0, dann wird obige Formel im Sektor ℓ = 0 leicht modifiziert: δ0 (0) − δ0 (∞) = π m0 + 21 . (5.85) Wir haben gesehen, wie die Jostfunktionen und damit auch die Streuphasen δℓ (E) aus einem Potential V (r) berechnet werden. Ähnlich wichtig ist das sogenannte Umkehrproblem, nämlich die Rekonstruktion des Potentials aus den Streudaten. Hervorragende Theoretiker (Bargman, Levinson, Marchenko, Jost, Kohn, Gel’fand, Levitan, Krein) haben Anfang der 50er Jahre dieses Problem gelöst. Leider habe ich hier keine Zeit auf ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 5. Streutheorie 5.4. Partialwellen 92 diese schönen Resultate der mathematischen Physik einzugehen. 5.4.3 Das attraktive Exponentialpotential: s-Wellen Kanal Die Streuphasen können im allgemeinen nur über die numerische Integration der radialen Schrödingergleichung (5.54) gewonnen werden. Für spezielle Potentiale ist eine Integration durch bekannte Funktionen allerdings möglich. Ein Beispiel ist das kurzreichweitige und anziehende Exponentialpotential 2 2 ~2 b b −2r/a V (r) = − e bzw. U(r) = − e−2r/a (5.86) 2m a a mit Reichweite a und dimensionsloser Stärke b > 0. Ist die Anziehung hinreichend stark, so erwarten wir das Auftreten von gebundenen Zuständen. Für Energien E ≪ ~2 /2ma2 wird nur die s-Welle merklich gestreut. Aber für ℓ = 0 ist die Radialgleichung mit dem Potential (5.86) analytisch lösbar. Zu diesem Zweck schreiben wir die Radialgleichung (5.54) in der Form d2 u0 (r) = rφ0(r) (5.87) − 2 + U(r) u0 (r) = k 2 u0 (r), dr mit komplexem k. Lösungen zu reellen Energien ergeben sich durch die Wahl (2mE/~2 )1/2 falls E > 0 k= 2 1/2 i(−2mE/~ ) ≡ −iκ falls E < 0. Gesucht sind also die Lösungen von 2 d b2 −2r/a 2 + e + k u0(r) = 0 dr 2 a2 (5.88) (5.89) die gemäß (5.78) linear mit r verschwinden. Nach der Variablenänderung u0 (r) = f (z) mit z = be−r/a wird die Gleichung (5.88) zur Besselgleichung 2 d 1 d a2 k 2 f (z) = 0 + +1+ 2 dz 2 z dz z (5.90) mit Index ν = iak. Für ν ∈ / Z sind die Lösungen Jν (z) und J−ν (z) linear unabhängig und die gesuchte Lösung ist eine Linearkombination dieser beiden Besselfunktionen. Für r = 0 ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 5. Streutheorie 5.4. Partialwellen 93 ist z = b und die am Ursprung verschwindende Lösung hat die Form (5.91) u0 (r) = c (Jiak (b)J−iak (z) − J−iak (b)Jiak (z)) Das Verhalten dieser Lösungen für große r oder für z → 0 entscheidet darüber, ob sie physikalisch erlaubt sind. Aus der Reihendarstellung der Besselfunktionen für z → 0, Jν (z) = (z/2)ν 1 + O(z 2 ) Γ(1 + ν) folgt sofort das asymptotische Verhalten der Lösungen ( b )−iak eikr ( b )iak e−ikr r→0 u0 (r) −→ c Jiak (b) 2 − J−iak (b) 2 Γ(1 − iak) Γ(1 + iak) ! (5.92) Gebundene Zustände: Wir betrachten dieses Verhalten zunächst für negative Energiewerte oder für k = −iκ: ! ( 2b )−aκ eκr ( 2b )aκ e−κr r→0 u0 (r) −→ −c Jaκ (b) . (5.93) − J−aκ (b) Γ(1 − aκ) Γ(1 + aκ) Diese Lösung ist genau dann quadratintegrabel wenn Jaκ (b) = 0 (5.94) ist. Bei unserer Analyse mussten wir ν ∈ / Z annehmen. Für ganzzahlige ν = ika = n sind Jn und J−n linear abhängig und man sollte die linear unabhängigen Lösungen Jn und Nn nehmen. Die entsprechende Analyse führt aber wieder auf die Bedingung (5.94). Diese Bedingung hat wegen κ ≥ 0 nur für b > b1 = 2.4048 . . . Lösungen, wobei b1 die kleinste Nullstelle von J0 (b) ist. Bezeichnen b1 , b2 , . . . die Nullstellen von J0 (b) dann gibt es für bn ≤ b < bn+1 genau n Lösungen aκ = ν1 , ν2 , . . . , νn der Gleichung (5.94). Nimmt die Stärke des anziehenden Potentials zu, so wächst die Anzahl gebundener Zustände im Drehimpulssektor ℓ = 0. Streuzustände: Wir können die Konstante c in (5.92) derart wählen, dass die Streulösung die kanonische Form (5.81) annimmt. Für große Radien dürfen wir darin f0 durch h†0 ersetzen, so dass 1 i φ0 (k, r) −→ u0 (k, r) = J0 (−k)e−ikr − J0 (k)eikr r 2kr ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II (5.95) 5. Streutheorie 5.4. Partialwellen gilt. Für die Streuphase im s-Kanal ergibt sich dann −2iak Γ(1 + iak) Jiak (b) J0 (k) b 2iδ0 (k) e = = . J0 (−k) 2 Γ(1 − iak) J−iak (b) 94 (5.96) Wegen der bekannten Relationen Γ(1 + iak) = Γ(1 − iak) und J−iak (b) = Jiak (b) ist die rechte Seite in der Formel (5.96) wie erwartet eine Phase. Offensichtlich ist e2iδ0 (0) = 1. Benutzt man die Entwicklung der Besselfunktion für hohe Ordnungen2 Jµ (z) = dann folgt auch e2iδ(∞) = 1, so dass (z/2)ν 1 + O(ν −1 ) Γ(ν + 1) δ0 (0) − δ0 (∞) = πn, n ∈ Z, (5.97) in Einklang mit dem Theorem von Levinson. Die Zahl n ist tatsächlich nichtnegativ und ist gerade der Anzahl der gebundenen Zustände mit ℓ = 0. Wir berechnen schlussendlich noch die Jostfunktion J0 (k). Für kleine Radien ist z ∼ b(1 − r/a) und die soeben berechnete reguläre Lösung strebt gegen 1 bc 2ic (5.91) φ0 (k, r) = u0 (k, r) −→ − W (Jiak (b), J−iak (b)) = sinh(akπ). r a aπ Die Forderung, dass φ0 (k, r) für kleine Radien gegen die freie Lösung j0 (kr) strebt, fixiert die Konstante c zu aπ 1 c= . (5.98) 2i sinh(akπ) Dies führt auf folgenden Ausdruck für die Jostfunktion −iak aπk b Jiak (b) J0 (k) = sinh(aπk) Γ(1 − iak) 2 (5.99) Sie hat Nullstellen für Werte kn = −iκn in der unteren k-Halbebene, bei denen Jaκ (b) verschwindet. Die zugehörigen Energien En = ~2 κ2n /2m sind die Energien der gebundenen Zustände. Die Jostfunktion hat Pole an den Stellen i k = n, a n = 1, 2, 3 und ist analytisch in der Halbebene ℑ(k) < 1/a, in Einklang mit den allgemeinen Resul2 Abramowitz und Stegun, Formel 9.1.10 ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 5. Streutheorie 5.5. Elastische Streuung gleichartiger spinloser Teilchen 95 taten unterhalb (5.81). 5.5 Elastische Streuung gleichartiger spinloser Teilchen Wir haben früher gesehen, dass ein System identischer Teilchen ohne Spin durch symmetrische Wellenfunktionen beschrieben wird. Dies muss bei der Streuung gleichartiger Teilchen berücksichtigt werden und gibt Anlass zu Austauscheffekten. Im Schwerpunktsystem zweier Teilchen wird die Relativbewegung durch den Ortsvektor x = x2 − x1 beschrieben, wenn x1 und x2 die Ortsvektoren der individuellen Teilchen sind. Für verschiedene Teilchen ist dann die Wellenfunktion des Systems für große r ikx ψ(x ) = e f (k ′ , k ) ikr e . + r (5.100) Für identische Bosonen ist die Wellenfunktion zu symmetrisieren. Bei der Vertauschung der beiden Teilchen geht x in −x oder (r, k ′ ) in (r, −k ′ ) über. Die symmetrisierte Wellenfunktion ist also 1 eikr ikx −ikx ′ ′ ψs (x ) = √ e + e . (5.101) + (f (k , k ) + f (−k , k )) r 2 Die ersten beiden Summanden beschreiben die anfängliche Bewegung der beiden Teilchen im Schwerpunktsystem: Eins bewegt sich in positive k -Richtung, das andere in die entgegengesetzte Richtung. θ π−θ Die Stromdichte für jedes stoßende Teilchen ist ±~k/µ, wobei µ die reduzierte Masse ist. Der zweite Summand entspricht der gestreuten Welle. Wir können nicht unterscheiden ob das erste Teilchen nach k ′ und das zweite nach −k ′ gestreut wurde oder umgekehrt. Offensichtlich ist differentielle Wirkungsquerschnitt für elastische Streuung von identi———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 5. Streutheorie 5.5. Elastische Streuung gleichartiger spinloser Teilchen 96 schen spinlosen Teilchen dσ = |f (k ′, k ) + f (−k ′ , k )|2 . dΩ (5.102) Da wir zuerst die Amplituden addieren und danach das Quadrat bilden, entsteht ein Interferenzterm ∼ ℜ(f (k ′, k )f (−k ′ , k )). Dieser sogenannte Austauschterm rührt von der Korrelation zwischen den Teilchen infolge der Symmetrie des Zustandes her. Als Anwendung betrachten wir die Coulombstreuung von α−Teilchen. Die Streuamplitude f (θ) = γ Γ(1 + iγ) exp(−2iγ log sin θ/2) 2k Γ(1 − iγ) sin2 θ/2 (5.103) führt auf den Wirkungsquerschnitt dσ = |f (θ)|2 + |f (π − θ)|2 + f (θ)f¯(π − θ) + f¯(θ)f (π − θ). dΩ (5.104) Setzen wir hier die Streuamplitude ein, dann zeigt eine kurze Rechnung, dass dσ γ2 = 2 dΩ 4k 1 1 cos(γ log tan2 θ/2) + + 2 sin4 θ/2 cos4 θ/2 sin2 θ/2 cos2 θ/2 . (5.105) Diese Formel wurde zuerst von Mott angegeben [14]. Daher heisst die elastische Streuung gleichartiger spinloser Teilchen infolge der Coulomb-Wechselwirkung auch Mott-Streuung. Typisch quantenmechanisch ist darin der letzte Interferenzterm. Dieser ist für θ = π/2 am größten (dies entspricht einem Winkel von π/4 im Laborsystem). Bei diesem Winkel bewirken die Austauschterme eine Verdopplung des differentiellen Wirkungsquerschnitts, verglichen mit dem Querschnitt ohne Berücksichtigung des Austauscheffekts. Schon bald nach der Arbeit von Mott wurde der Interferenzterm bei der Streuung von α−Teilchen an Helium-Gas nachgewiesen, und damit zugleich die Bose-Statistik der α−Teilchen und ihre Wellennatur vollständig bestätigt. Der Austauscheffekt ist rein quantenmechanischer Natur. Im klassischen Limes ~ → 0 geht γ= Z1 Z2 e2 ~v gegen unendlich und der Austauschterm oszilliert merklich. Über eine kleinen Raumwinkel gemittelt gibt er im klassischen Limes keinen Beitrag zur Streuung. Auch für kleine Relativgeschwindigkeiten ist γ groß und der Austauschterm trägt nach Mittelung über einen gewissen Winkelbereich nicht mehr bei. Aus denselben Gründen braucht man den Austauscheffekt bei kleinen Streuwinkeln nicht zu berücksichtigen. ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 5. Streutheorie 5.6 5.6. Elastische Streuung gleichartiger Spin-1/2 Teilchen 97 Elastische Streuung gleichartiger Spin-1/2 Teilchen Im allgemeinen Fall ist beim Stoß von Teilchen nur der Gesamtdrehimpuls J ein Integral der Bewegung. Vernachlässigt man Spin-Terme (Spin-Bahn Wechselwirkung) im Hamilton-Operator, dann sind der gesamte Bahndrehimpuls und der Gesamtspin einzeln erhalten. In dieser Näherung kann die vollständige Wellenfunktion eines Systems aus zwei identischen Teilchen als Produkt der Orts- und Spinfunktion geschrieben werden (siehe Kapitel 2), ψ = φ(x1 , x2 )χ(m1 , m2 ). Für zwei Spin- 21 -Teilchen ist der Gesamtspin entweder 0 (Singulett) oder 1 (Triplett). Für den Singulettzustand ist die Ortswellenfunktion symmetrisch, d.h. dσs = |f (k ′ , k ) + f (−k ′ , k )|2 , dΩ (Singulett). (5.106) Im Triplettzustand mit Gesamtspin S = 1 ist die Ortswellenfunktion antisymmetrisch und daher gilt dσt = |f (k ′ , k ) − f (−k ′ , k )|2 , dΩ (Triplett). (5.107) Bei der Streuung von Protonen (verursacht durch die Coulombkraft) stimmt dann dσs /dΩ mit dem Mottschen Wirkungquerschnitt überein, und γ2 cos(γ log tan2 θ/2) 1 dσt 1 = 2 −2 + (5.108) dΩ 4k sin4 θ/2 cos4 θ/2 sin2 θ/2 cos2 θ/2 Der Wirkungsquerschnitt im Triplett-Kanal verschwindet für θ = π/2. 140 dσt dΩ · 4k 2 γ2 fermions bosons θ 200 900 1600 Abbildung 5.5: Wirkungsquerschnitt für Mott-Streuung mit γ = 4 ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 5. Streutheorie 5.7. Formale Streutheorie 98 Normalerweise wird die Streuung von unpolarisierten Strahlen an unpolarisierten Targets untersucht, es wird deshalb nur der Mittelwert des Streuquerschnitts gemessen. Im Singulettzustand gibt es eine Spinfunktion, im Triplettzustand deren drei, daher ist der Mittelwert des Streuquerschnitts 1 dσs 3 dσt γ2 dσ = + = 2 dΩ 4 dΩ 4 dΩ 4k 1 1 cos(γ log tan2 θ/2) + − sin4 θ/2 cos4 θ/2 sin2 θ/2 cos2 θ/2 . (5.109) Der Austauschterm halbiert den Streuquerschnitt bei θ = π/2. Während für identische Bosonen die Streuintensität für θ = π/2 durch das Interferenzglied gegenüber dem klassischen Wert auf das Doppelte erhöht wird, wird sie für identische Fermionen auf die Hälfte heruntergesetzt. Schon 1931 haben Versuche von Gerthsen [15] (p Streuung an Wasserstoff) den Interferenzterm in (5.109) sehr genau bestätigt. Auch die Streuung von 20 eV Elektronen an Wasserstoff durch Williams [16] ergab eine gute Übereinstimmung der experimentellen Ergebnisse mit dieser Formel. 5.7 Formale Streutheorie Nachdem wir die physikalische Bedeutung der Streulösungen erfasst haben, wollen wir die Aussagen der Streutheorie in mathematischer Sprache formulieren. Wir machen dabei Gebrauch von den in der Vorlesung Quantenmechanik I diskutierten Spektraleigenschaften selbstadjungierter Operatoren. 5.7.1 Møller-Operatoren Im Hilbert-Raum H = L2 (R3 ) seien der freie Hamilton-Operator H0 und der HamiltonOperator H = H0 + V gegeben. Beide seien selbstadjungiert. Die zugehörigen Zeitevolutionen bestimmen die Zeitentwicklung beliebig gewählter Anfangszustände in H, φ(t) = U0 (t)φ(0) , U0 (t) = e−itH0 /~ ψ(t) = U(t)ψ(0) , U(t) = e−itH/~ . (5.110) Gelangt ein Teilchen in den Wirkungsbereich des Streuzentrums, entwickelt sich der Zustand mit der exakten Zeitevolution U(t). Hat sich das Teilchen wieder vom Streuzentrum entfernt, entwickelt sich sein Zustand in guter Näherung nach der freien Zeitevolution ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 5. Streutheorie 5.7. Formale Streutheorie 99 U0 (t). Wir definieren nun die einparametrige Schar unitärer Transformationen W (t) = eitH/~ e−itH0 /~ = U(−t)U0 (t) (5.111) und die dazu adjungierte Schar W † (t) = eitH0 /~ e−itH/~ = U0 (−t)U(t). (5.112) Der Operator W (t) ist das Produkt aus der freien Zeitevolution, gefolgt von der zu H gehörenden inversen Zeitevolution. Für kurzreichweitige Potentiale induziert H weit weg vom Streuzentrum eine quasifreie Zeitevolution. Es gilt der Satz [Existenz der Møller-Operatoren]: Die Potentialfunktion V (x ) sei quadratintegrierbar. Dann existieren die Møller-Operatoren Ω± = s − lim W (t) = s − lim eitH/~ e−itH0 /~ . t→∓∞ t→∓∞ (5.113) Diese existieren im Sinne der starken Operatorkonvergenz lim kΩ± ψ − W (t)ψk = 0, t→∓∞ (5.114) ∀ψ ∈ H. Die Forderung V (x ) ∈ L2 (R3 ) erlaubt zum Beispiel eine 1/r-Singularität am Ursprung und im Unendlichen einen Abfall ∼ 1/r p mit p > 3/2. Aus der Unitarität der Evolutionsoperatoren folgt direkt kΩ± ψk = lim kU(−t)U0 (t)ψk = kψk t→∓∞ oder Ω†+ Ω+ = Ω†− Ω− = 1. (5.115) Die Møller-Operatoren sind als starke Grenzwerte unitärer Operatoren isometrisch, im Allgemeinen jedoch nicht surjektiv und damit auch nicht unitär. Gebundene Zustände liegen nicht im Bild der Møller-Operatoren. Die Operatoren P± ≡ Ω± Ω†± (5.116) sind offensichtlich selbstadjungiert und idempotent, P±† = P± ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II , P± P± = Ω± Ω†± Ω± Ω†± (5.115) = P± . (5.117) 5. Streutheorie 5.7. Formale Streutheorie 100 Daher sind die Operatoren P± orthogonale Projektoren. Gilt P± = 1 − PB , (5.118) wobei PB den orthogonalen Projektor auf den Unterraum des Hilbert-Raums bezeichnet, der von den gebundenen Zuständen aufgespannt wird, so heissen die Møller-Operatoren asymptotisch vollständig. Die Unterscheidung zwischen unitären und isometrischen Operatoren ist wichtig bei der Diskussion der Møller-Operatoren. Eine lehrreiches Beispiel ist der Rechts-Schiebe-Operator auf dem Hilbert-Raum der quadratsummierbaren Folgen, Ω: (x1 , x2 , x3 , . . .) −→ (0, x1 , x2 , . . .) und der dazu adjungierte Links-Schiebe-Operator Ω† : (x1 , x2 , x3 , . . .) −→ (x2 , x3 , x4 , . . .) Der Operator Ω ist isometrisch und Ω† Ω = 1 und ΩΩ† = 1 − P1 , (5.119) wobei P1 orthogonal auf den Vektor (1, 0, 0, . . .) ∈ ℓ2 projiziert. Dieser Vektor wird von Ω† annihiliert und spielt die Rolle der gebundenen Zustände für die Møller-Operatoren. Wir kehren zur Streutheorie zurück. Aus der Bedingung für asymptotische Freiheit folgt ⊥ Ω± H = HB (5.120) und die Møller-Operatoren bilden den Hilbert-Raum auf das orthogonale Komplement des von den gebundenen Zuständen aufgespannten Unterraums HB ⊂ H ab. Zum Beweis betrachten wir einen Vektor φ der orthogonal zum Bild von Ω+ ist, (φ, Ω+ ψ) = 0, ∀ψ ∈ H. Somit ist Ω†+ φ = 0 und wir folgern 0 = Ω+ Ω†+ φ = (1 − PB )φ = φ − PB φ, so dass φ ∈ HB gilt. Die Møller-Operatoren genügen der Verflechtungsrelation ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 5. Streutheorie 5.7. Formale Streutheorie 101 (5.121) HΩ± = Ω± H0 . Der Beweis ist nicht schwierig: Wir schreiben U(−t)Ω± = lim U(−t)U(−s)U0 (s)U0 (t)U0 (−t) s→∓∞ worin das Produkt der beiden letzten Faktoren die Identität ist. Die Substitution t+s = τ führt auf U(−t)Ω± = lim U(−τ )U0 (τ )U0 (−t) = Ω± U0 (−t) τ →∓∞ Nach Ableitung an der Stelle t = 0 ergeben sich die Verflechtungsrelationen. Wir wollen nun mit Hilfe der Møller-Operatoren spezielle Lösungen der Schrödingergleichung konstruieren. Es sei φ ein auf Eins normierter Vektor in H und ψ (±) = Ω± φ (5.122) die auf den gebundenen Zuständen senkrecht stehenden Bilder von φ. Dann ist (5.123) φ(t) = U0 (t)φ eine normierte Lösung der freien Schrödingergleichung und ψ (+) (t) = U(t)ψ (+) , ψ (−) (t) = U(t)ψ (−) (5.124) normierte Lösungen der vollen Schrödinger-Gleichung. Die physikalische Bedeutung dieser Lösungen folgt aus ihrem zeitlichen Verhalten, lim kψ (+) (t) − φ(t)k = 0 , t→−∞ lim kψ (−) (t) − φ(t)k = 0. t→+∞ Beim Beweis benutzen wir die Unitarität der Evolutionsoperatoren kψ (+) (t) − φ(t)k = kU(t)ψ (+) − U0 (t)φk = kψ (+) − U(−t)U0 (t)φk t→−∞ = k (Ω+ − W (t)) φk −→ = 0. ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II (5.125) 5. Streutheorie 5.7. Formale Streutheorie ψ (−) (t) φ b b φ(t) Der zeitabhängige Vektor φ(t) beschreibt ein freies (und mit der Zeit zerfliessendes) Wellenpaket. Die Zustände Ω± φ ∈ H stehen senkrecht auf dem von den gebundenen Zuständen des gesamten Hamilton-Operator H aufgespannten Unterraum HB . Die Lösung ψ (+) (t) der Schrödingergleichung konvergiert zu sehr frühen Zeiten (in der asymptotischen Vergangenheit) und die Lösung ψ (−) (t) für sehr späte Zeiten (in der asymptotischen Zukunft) gegen dieses freie Wellenpaket. Dies ist die mathematisch präzisere Formulierung der physikalisch intuitiven Aussage „sie kommen sich immer näher“. Die Situation ist in der nebenstehenden Abbildung verdeutlicht. Ω+ φ b Ω− φ ψ (+) (t) 5.7.2 102 Der Streuoperator Wir nehmen an, die Potentialfunktion im Hamilton-Operator sei derart, dass die MøllerOperatoren asymptotisch vollständig sind. Gegeben seien zwei beliebige Vektoren φein und φaus im Hilbert-Raum und ψein = Ω+ φein und ψaus = Ω− φaus . (5.126) Definiert man hiermit die beiden Lösungen der freien Schrödingergleichung φein (t) = U0 (t)φein und φaus (t) = U0 (t)φaus (5.127) und der beiden Lösungen der Schrödingergleichung ψ (+) (t) = U(t)ψein und ψ (−) (t) = U(t)ψaus (5.128) so gilt gemäß (5.125) für das asymptotische Verhalten lim kψ (+) (t) − φein (t)k = 0 und t→−∞ lim kψ (−) (t) − φaus (t)k = 0. t→+∞ (5.129) Bei einem Streuprozess modelliert ψ (+) den einfallenden Strahl und ψ (−) die gestreute Welle. Das Skalarprodukt zweier Lösungen ist zeitunabhängig und gleich seinem Wert bei t = 0, ψ (−) (t), ψ (+) (t) = (ψaus , ψein ) = (Ω− φaus , Ω+ φein ) = (φaus , Ω†− Ω+ φein ). (5.130) ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 5. Streutheorie 5.7. Formale Streutheorie 103 Der auf dem ganzen Hilbert-Raum definierte Operator S ≡ Ω†− Ω+ (5.131) wird als Streuoperator oder kürzer als S-Matrix bezeichnet. Es gilt der Satz: Der Streuoperator ist unitär und vertauscht mit H0 S † S = SS † = 1 und [S, H0 ] = 0. (5.132) Im Beweis benutzt man die asymptotische Vollständigkeit und Isometrie der MøllerOperatoren sowie die Verflechtungsrelation: S † S = 1 : S † S = Ω†+ Ω− Ω†− Ω+ = Ω†+ (1 − PB ) Ω+ = Ω†+ Ω+ = 1 [S, H0 ] = 0 : SH0 = Ω†− Ω+ H0 = Ω†− HΩ+ = H0 Ω†− Ω+ = H0 S. Ähnlich beweist man die Identität SS † = 1. Die vorliegende Situation in ist der folgenden Abbildung skizziert. ψ (−) (t) φein (t) ψein b b φein b b φaus ψ (+) (t) ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II ψaus φaus (t) Kapitel 6 Klein-Gordon-Gleichung Mathematics is the tool specially suited for dealing with abstract concepts of any kind and there is no limit to its power in this field. P.A.M. Dirac, Vorwort zu ’The principles of Quantum Mechanics’ Bereits de Broglie und Schrödinger versuchten eine kovariante Wellengleichung für Elektronen zu formulieren und die von Ihnen gefundene Gleichung für skalare Teilchen heisst heute sinnigerweise Klein-Gordon-Gleichung. Sie wurde von Schrödinger am Ende seiner vierten Mitteilung angegeben und fast gleichzeitig von verschiedenen anderen Autoren gefunden [19]. Schrödinger merkte aber bald, dass seine relativistische Gleichung die Feinstruktur des Wasserstoffspektrums nicht erklären konnte und beschränkte sich danach auf den nichtrelativistischen Grenzfall. Über diesen Umweg fand er dann seine nichtrelativistische Wellenmechanik, die bisher in dieser Vorlesung behandelt wurde. Zusätzlich hatte die Klein-Gordon-Gleichung Probleme mit der Positivität der Wahrscheinlichkeitsamplitude und dieses Problem wurde erst später von Pauli und Weisskopf gelöst. Die Verallgemeinerung der Quantenmechanik auf eine mit den Prinzipien der speziellen Relativitätstheorie verträgliche Theorie ist nicht ganz einfach und führt auf einige ungewöhnliche Eigenschaften. Nach einer Erinnerung an die Lorentzgruppe, die von jeder relativistischen Quantentheorie respektiert werden muss, werden wir die Wellengleichung für spinlose skalare Teilchen, zum Beispiel die π- oder K-Mesonen, untersuchen. 104 6. Klein-Gordon-Gleichung 6.1 6.1. Poincare Transformationen 105 Poincare Transformationen Im folgenden sei M die 4-dimensionale Minkowski-Raumzeit (Mundis, Minkowski). Die Punkte im affinen Raum M sind Ereignisse. Unser Bezugssystem sei ein Inertialsystem I (durch Fixsterne gegeben). Ereignisse werden durch ihre Zeit, gemessen mit Uhren, welche relativ zum System ruhen und durch Lichtsignale synchronisiert sind, und ihre kartesischen Koordinaten charakterisiert. In einem gewählten Koordinatensystem wird jedes Ereignis durch seine Zeit und seinen Ort, also durch die 4-Koordinaten 0 x x1 ct x= (6.1) x2 = x x3 eindeutig charakterisiert. Oft schreiben wir auch x = (xµ ); µ = 0, 1, 2, 3. Die Differenzen von Ereignissen definieren einen 4-dimensionalen Vektorraum V, den Tangentialraum zu M. In einem Koordinatensystem haben Elemente aus V die Form ξ T = (ξ 0, ξ 1 , ξ 2, ξ 3 ) bzw. ξ = (ξ µ ). Auf dem Tangentialraum V führen wir eine Bilinearform ein, (ξ, η) = ξ 0η 0 − ξ 1 η 1 − ξ 2 η 2 − ξ 3 η 3 , (6.2) welche mit Hilfe des metrischen Tensors 1 0 0 0 0 −1 0 0 −1 µν G= 0 0 −1 0 = (gµν ) bzw. G = (g ) 0 0 0 −1 folgendermaßen geschrieben werden kann (ξ, η) = X µν gµν ξ µ η ν = ξ T Gη. (6.3) Dann ist der lorentzinvariante Abstand zweier Ereignisse mit Raumzeit-Koordinaten x und y gleich d(x, y) = (ξ, ξ), ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II wobei ξ = y − x (6.4) 6. Klein-Gordon-Gleichung 6.1. Poincare Transformationen 106 der Differenzvektor zwischen den Ereignissen ist. Indices werden mit gµν und g µν hinunteroder hinaufgezogen, zum Beispiel gelten ξµ = gµν ξ ν bzw. ξ µ = g µν ξν , so dass (ξ, η) = ξ µ ηµ = ξµ η µ . Wir betrachten nun ein zweites Inertialsystem I ′ (das gestrichene System), welches relativ zum ursprünglichen ungestrichenen System in konstanter gleichförmiger Bewegung ist. Das Äquivalenzprinzip der speziellen Relativitätstheorie besagt nun, dass die Naturgesetze in allen Inertialsystemen gleich aussehen. Insbesondere ist die Lichtgeschwindigkeit in allen Inertialsystemen gleich (Michelson-Morley-Experiment). Ein Punktereignis werde nun im Inertialsystems I durch die Koordinaten x und im Inertialsystems I ′ durch die Koordinaten x′ beschrieben. Der Zusammenhang zwischen den Koordinaten hat die Form x′µ = aµ + f µ (x), wobei f µ (0) = 0 und aµ = konstant angenommen werden kann. Wegen der Homogenität des Raumes sind x′′µ = x′µ − aµ ebenfalls Koordinaten in einem Inertialsystem I ′′ . Es gilt dann x′′µ = f µ (x) mit f µ (x = 0) = 0. Wir wollen nun einsehen, dass die f µ lineare Funktionen sein müssen. Wir benutzen in den beiden Inertialsystemen I und I ′′ gleiche Längenmaßstäbe und gleiche Uhren. Ein Ereignis habe in I die Koordinaten x und in I ′′ die Koordinaten x′′ . Nun messen wir in beiden Systemen in Millimeter statt Meter und in Millisekunden statt Sekunden. Dann hat das Ereignis in den beiden Inertialsystemen die Koordinaten 1000 · x und 1000 · x′ Wäre dem nicht so, dann gäbe es eine physikalisch ausgezeichnete Längenskala. Also sind die Koordinaten in einem Inertialsystem lineare Funktionen der Koordinaten in einem anderen Inertialsystem: x′′µ = Λµν xν , beziehungsweise x′µ = Λµν xν + aµ ←→ x′ = Λx + a. (6.5) Seien nun x die Koordinaten einer zur Zeit y 0 am Orte y ausgesandten Lichtwelle in I. Bezüglich I ′ wird diesselbe Lichtwelle zur Zeit y ′0 am Orte y ′ ausgesandt und hat die ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 6. Klein-Gordon-Gleichung 6.1. Poincare Transformationen 107 Koordinaten y. In beiden Inertialsystemen ist die Lichtgeschwindigkeit gleich, so dass gilt 0 = (x − y)T G(x − y) = (x′ − y ′ )T G(x′ − y ′) = (x − y)ΛT GΛ(x − y). Eine hinreichende und notwendige Bedingung dafür ist κ(1) = 1 und κ(Λ) ≥ 0. ΛT GΛ = κ(Λ)G mit Ist κ 6= 1, dann können wir durch eine Maßstabsänderung √ x′ −→ κ x′ stets κ = 1 erreichen. Wir wollen also nur Matrizen Λ betrachten, welche die Bedingung ΛT GΛ = G ⇐⇒ Λαµ gαβ Λβν = gµν (6.6) erfüllen. Für solche Transformationen ist das relativistische Abstandsquadrat zweier Ereignisse x, y im Minkowski-Raum unabhängig vom Inertialsystem, (x′ − y ′)2 = (x′ − y ′ )T G(x′ − y ′ ) = (x − y)T G(x − y) = (x − y)2 . (6.7) Die linearen Abbildungen (6.5) zwischen zwei Inertialsystemen bilden die sogenannte Poincare- oder inhomogene Lorentzgruppe, die mit iL bezeichnet wird, iL = (Λ, a)| a ∈ V, Λ ∈ L(V ), ΛT GΛ = G , (6.8) mit der Gruppenmultiplikation (6.9) (Λ2 , a2 )(Λ1 , a1 ) = (Λ2 Λ1 , Λ2 a1 + a2 ). Die Poincaregruppe ist das semidirekte Produkt von • der normalen Untergruppe der Raumzeit-Translationen (inklusive den Zeitverschiebungen) x0 V + b xµ −→ x′µ = xµ + aµ x′ = x + a VorwärtsLichtkegel x1 (6.10) • mit der Untergruppe der LorentzTransformationen (räumliche Drehungen und Lorentzboosts) b x3 ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II xµ −→ x′µ = Λµν xν x′ = Λx. (6.11) 6. Klein-Gordon-Gleichung 6.1. Poincare Transformationen 108 Wegen (6.6) gilt det ΛT det Λ = (det Λ)2 = 1 oder det Λ = ±1. Ist ein Vektor ξ zeitartig, d.h. ist (ξ, ξ) > 0, dann ist auch der transformierte Vektor ξ ′ = Λξ zeitartig. Deshalb bildet Λ den Vorwärtslichtkegel V+ = {ξ 0 > 0, (ξ, ξ) > 0} (6.12) entweder in sich, oder in den Rückwärtslichtkegel V− = {ξ 0 < 0, (ξ, ξ) > 0} (6.13) ab. Im zweiten Fall wird die Zeitrichtung umgekehrt. In der Tat, das 00-Komponente der Matrixgleichung (6.6) lautet ausgeschrieben X (Λi0 )2 , Λα0 gαβ Λβ0 = 1 = (Λ00 )2 − i und impliziert (Λ00 )2 ≥ 1. Für Λ00 ≥ 1 wird der Vorwärtslichtkegel in sich abgebildet und für Λ00 ≤ −1 in den Rückwärtslichtkegel. Das Vorzeichen der Determinante von Λ und dasjenige von Λ00 können zur Klassifizierung der Elemente der Lorentzgruppe verwendet werden. Entsprechend zerfällt diese in 4 Zusammenhangs-Komponenten L = L↑+ ∪ L↑− ∪ L↓+ ∪ L↓− , (6.14) mit folgender Bedeutung für die Indizes: ± : det Λ = ±1 , ↑ : keine Zeitumkehr (Λ00 ≥ 1) , ↓ : Zeitumkehr (Λ00 ≤ −1). Unter Einführung der Raumspiegelung P , Zeitumkehr T und -Spiegelung P T P = −T = G und P T = −14 ist jede Lorentz-Transformation dann aus L↑+ ∪ P L↑+ ∪ T L↑+ ∪ P T L↑+ . (6.15) Die Menge L↑+ der eigentlich orthochronen Lorentz-Transformationen enthalten weder Zeitumkehr noch Spiegelungen und bilden eine normale Untergruppe der Lorentzgruppe. Insbesondere ist 1 ∈ L↑+ . Die Transformationen in P L↑+ heissen uneigentlich orthochron, diejenigen in T L↑+ zeitspiegelungsartig und diejenigen in P T L↑+ raumzeitspiegelungsartig. Mit der Lorentzgruppe zerfällt auch die Poincaregruppe in 4 Zusammenhangs———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 6. Klein-Gordon-Gleichung 6.1. Poincare Transformationen 109 Komponenten iL = iL↑+ ∪ iL↑− ∪ iL↓+ ∪ iL↓− . 6.1.1 (6.16) Die Lie-Algebra der Lorentzgruppe Die Gruppe der Lorentz-Transformationen besteht aus den reellen 4 × 4-Matrizen, welche ΛT GΛ = G oder Λαµ gαβ Λβν = gµν (6.17) erfüllen. Es ist die einfache Liegruppe O(1, 3), bestehend aus 4 Zusammenhangskomponenten. Die Untergruppe der Matrizen mit det Λ = 1 bezeichnet man mit SO(1, 3). Sie enthält zwei Zusammenhangskomponenten. Ähnlich wie bei bei den Drehungen im Raum betrachtet man eine einparametrige Familie Λ(s) von Lorentz-Transformationen mit Λ(0) = 14 und definiert die Erzeugenden der SO(1, 3) gemäß ω= d Λ(s)|s=0 ds bzw. ω αβ = d α Λ | . ds β s=0 (6.18) Leiten wir (6.17) an der Stelle s = 0 ab, dann finden wir folgende lineare Bedingung für die infinitesimalen Erzeugenden (Gω)T + G ω = 0 bzw. ω αµ gαν + gµβ ω βν ≡ ωνµ + ωµν = 0. (6.19) Jede Linearkombination von Erzeugenden ist wieder eine Erzeugende und deshalb bilden die Erzeugenden einen linearen Raum. Der Kommutator zweier Erzeugenden, [ω1 , ω2] = ω1 ω2 − ω2 ω1 = −[ω2 , ω1 ] (6.20) ist ebenfalls ein erzeugendes Element. Es gilt die Jacobi-Identität [ω1 , [ω2 , ω3 ]] + [ω3 , [ω1 , ω2 ]] + [ω2 , [ω3 , ω1 ]] = 0. Einen Vektorraum mit schiefsymmetrischen Produkt das die Jacobi-Identität erfüllt nennt man Lie-Algebra. Die infinitesimalen Lorentz-Transformationen bilden eine Lie-Algebra. Es ist die Lorentz-Algebra so(1, 3) der Lorentzgruppe. Nach (6.19) kann die so(1, 3) (nach herunterziehen eines Indizes) mit den schiefsymmetrischen reellen 4 × 4-Matrizen identi- ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 6. Klein-Gordon-Gleichung 6.1. Poincare Transformationen fiziert werden. Die Erzeugenden können wie folgt parametrisiert werden: 0 −α1 −α2 −α3 −α1 0 −θ3 θ2 . ω(α, θ ) = (ω µν ) = −α2 θ3 0 −θ1 −α3 −θ2 θ1 0 110 (6.21) Für α = 0 beschreibt die zugehörige 1-parametrige Untergruppe Λ(0, θe) = eω(0,e)θ , mit e · e = 1, eine Drehung um die Achse e mit dem Winkel θ, wie Sie bei der Diskussion von räumlichen Drehungen in der Quantenmechanik I oder klassischen Mechanik gelernt haben. Die eigentlichen Drehungen bilden eine Untergruppe der Lorentzgruppe bestehend aus den Matrizen 1 0T Λ= , R ∈ SO(3). 0 R Für θ = 0 beschreibt die 1-parametrige Untergruppe cosh(α) − sinh(α) · e T ω(e,0)α Λ(αe, 0) = e = − sinh(α)e 13 + ( cosh(α) − 1)e e T (6.22) Boosts in Richtung des Einheitsvektors e = α̂. Wie man leicht sieht (man transformiere z.B. den Impulsvektor eines ruhenden Teilchens) hängen α und e mit der RelativGeschwindigkeit v der beiden Inertialsysteme wie folgt zusammen: cosh(α) = p 1 1− β2 ≡γ und sinh(α) · e = −γ · β, β= v . c (6.23) Bewegt sich zum Beispiel das Inertialsystem I relativ zum Inertialsystem I ′ mit der Geschwindigkeit v = ve1 , so lautet die Lorentz-Transformation γ γβ 0 0 γβ γ 0 0 (6.24) Λ= 0 0 1 0 0 0 0 1 und entsprechend ist x′0 = γ x0 + βx1 , x′2 = x2 x′1 = γ βx0 + x1 , x′3 = x3 . (6.25) Ruht ein Teilchen im Ursprung des Inertialsystems I, so bewegt es sich mit der Geschwindigkeit v in 1-Richtung im Inertialsystem I ′ . ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 6. Klein-Gordon-Gleichung 6.2. Klein-Gordon Gleichung 111 Für den Kommutator zweier infinitesimalen Erzeugenden findet man [ω(α, θ ), ω(α′ , θ ′ )] = ω( − α ∧ θ ′ + α′ ∧ θ, θ ∧ θ ′ − α ∧ α′ ). (6.26) Als Basis der Lorentz-Algebra wählen wir die Matrizen Λi und Ωi in der Entwicklung ω(α, θ ) = 3 X αi Λ i + i=1 Diese haben die explizite Form 0 0 −1 0 0 −1 0 0 0 , Λ2 = 0 Λ1 = −1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 und 0 0 Ω1 = 0 0 0 0 0 0 3 X (6.27) θi Ωi . i=1 0 0 −1 0 0 0 0 , Λ3 = 0 0 0 0 0 −1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 , Ω2 = 0 0 0 −1 0 −1 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 −1 0 0 (6.28) 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 , Ω3 = 0 0 −1 0 . (6.29) 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 Wegen (6.26) lauten die Kommutatoren dieser Basiselemente [Λi , Λj ] = −ǫijk Ωk , [Ωi , Ωj ] = ǫijk Ωk , [Λi , Ωj ] = ǫijk Λk . (6.30) Im Gegensatz zur Drehgruppe ist die Lorentzgruppe eine nicht-kompakte Liesche Gruppe vom Rang 2. Es können also genau zwei Erzeugende aus so(1, 3) gleichzeitig diagonalisiert werden. 6.2 Klein-Gordon Gleichung Ein nichtrelativistisches Teilchen hat die Energie-Impuls Beziehung E= p2 , 2m (6.31) welche bei einer Galilei-Transformation in ein neues Inertialsystem unverändert bleibt. Die Energie E ′ und der Impuls p ′ des Teilchens im neuen System, welches mit der Geschwindigkeit −v relativ zum ersten System bewegt ist, lauten E′ = E + p · v + ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II mv 2 2 und p ′ = p + mv , 6. Klein-Gordon-Gleichung 6.2. Klein-Gordon Gleichung 112 so dass in der Tat E ′ = p ′ 2 /2m gilt. In der Quantenmechanik sind die Energie und der Impuls eines Teilchens mit der Phasenänderung der Wellenfunktion in Zeit und Raum verknüpft. Damit ein freies Teilchen die Energie-Impuls-Relation (6.31) hat, muss seine Wellenfunktion ψ(t, x ) = ei(p·x −Et)/~ die Schrödingergleichung 1 i~∂t ψ = 2m ~ ∇ i 2 ψ erfüllen. Also kann man die Schrödingergleichung aus der Energie-Impuls-Beziehung (6.31) gewinnen, wenn man die Korrespondenzregel ~ E −→ − ∂t i und p −→ ~ ∇ i (6.32) in (6.31) einsetzt und das Resultat auf eine Wellenfunktion ψ wirken lässt. Dieses Vorgehen wollen wir nun auf relativistische Teilchen verallgemeinern. Mit Hilfe des 4-er Impulses µ (p ) = E/c p bzw. (pµ ) = E/c −p (6.33) lautet die kovariant geschriebene Korrespondenzregel pµ −→ i~∂µ . (6.34) Die relativistische Verallgemeinerung der Energie-Impuls Beziehung (6.31) ist (p, p) ≡ g µν pµ pν = m2 c2 (6.35) und besagt, dass das lorentzinvariante Quadrat des Viererimpulses eines Punktteilchens proportional zum Quadrat seiner Ruhemasse m ist. Für ein ruhendes Teilchen reduziert sich (6.35) auf die berühmte Einsteinsche Formel E = mc2 . Vermittels der Korrespondenzregel (6.34) ergibt sich aus der relativistischen Energie-Impuls-Beziehung dann der Klein-Gordon-Operator (besser wäre Schrödinger-Operator) (p, p) = −~2 g µν ∂µ ∂ν = −~2 ✷ = m2 c2 und die entsprechende kovariante Wellengleichung ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II (6.36) 6. Klein-Gordon-Gleichung 6.2. Klein-Gordon Gleichung m2 c2 φ ≡ ✷ + µ2 φ = 0, ✷+ 2 ~ 113 (6.37) ist die freie Klein-Gordon-Gleichung. Hier ist ✷ = ∂02 − △ der aus der Elektrodynamik wohlbekannte D’Alembertsche Wellenoperator und µ = mc/~ die inverse ComptonWellenlänge des Teilchens. Die Klein-Gordon-Gleichung ist lorentzinvariant, da der 4-er Gradient ein Vektor ist, ∂µ ≡ X ∂x′α ∂ X ∂ ∂ = = Λαµ ′α ≡ ∂α′ Λαµ µ µ ′α ∂x ∂x ∂x ∂x α α (6.38) und entsprechend der Wellenoperator beim Übergang zwischen Inertialsystemen nicht ändert, ✷ = ∂µ ∂ν g µν = ∂α′ ∂β′ Λαµ Λβν g µν = ∂α′ ∂β′ g αβ = ✷′ . (6.39) Erfüllt φ(x) die Klein-Gordon-Gleichung im Inertialsystem I, dann erfüllt φ′ (x′ ) = φ(x) diese Gleichung im Inertialsystem I ′ . 6.2.1 Probleme mit der Wahrscheinlichkeit In der Schrödingerschen Theorie erfüllen die positive Dichte ρ = ψ † ψ und die Stromdichte j ∼ ℑ(ψ̄∇ψ) eine Kontinuitätgleichung. Es folgt die zeitliche Konstanz der integrierten Dichte ρ und diese Eigenschaft ist wichtig für die Interpretation von ρ als Wahrscheinlichkeitsdichte. Auf der Suche nach einem Kandidaten für die Wahrscheinlichkeitsdichte der relativistischen Klein-Gordon-Gleichung finden wir nun ebenfalls eine die Kontinuitätsgleichung erfüllende 4-er Stromdichte j µ . Dazu bemerken wir, dass mit φ auch das komplex-konjugierte Feld φ† die Klein-Gordon-Gleichung erfüllt, so dass φ† ✷φ − φ✷φ† (6.37) = −µ2 φ† φ − φφ† = 0 gilt, oder, da die linke Seite eine 4-er Divergenz ist, 2m ∂µ φ† ∂ µ φ − φ∂ µ φ† ≡ ∂µ j µ = 0. i (6.40) Deshalb gehört zu jeder Lösung der Klein-Gordon-Gleichung ein kovariant erhaltener 4-er Strom j µ . Dieser ist der zur Invarianz dieser Gleichung bezüglich Phasentransformationen ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 6. Klein-Gordon-Gleichung 6.2. Klein-Gordon Gleichung 114 der Wellenfunktion gehörende Noetherstrom. Da Z Z I 0 3 ∂0 j d x = − div j = − n · j , gilt, wobei wir den Gaussschen Satz benutzten, verschwindet die linke Seite für einen im räumlich Unendlichen verschwindenden Strom j . Deshalb ist Z ∂ 1 i~ d3 x ρ = 0, wobei ρ = j 0 = φ† ∂t φ − φ∂t φ† , (6.41) 2 ∂t c 2mc R die Dichte zur zeitlich erhaltenen Größe d3 x ρ ist. Diese Größe ist ein Skalar unter Drehungen im Raum. Deshalb ist ρ ein Kandidat für die Wahrscheinlichkeitsdichte, analog zu ψ † ψ in der nichtrelativistischen Wellenmechanik. Da aber die Klein-Gordon-Gleichung die zweite Zeitableitung enthält, ist eine Lösung φ(t, x ) nur durch Vorgabe von (beliebig wählbaren) Anfangsdaten φ und ∂t φ zu einer Anfangszeit t0 bestimmt. Wie man aber leicht einsieht, kann für beliebige φ und ∂t φ die Dichte ρ beide Vorzeichen annehmen. Deshalb ist ρ keine Wahrscheinlichkeitsdichte. Stattdessen wird eρ als elektrische Ladungsdichte zu interpretieren sein. Die ErhaltungsR größe e d3 x ρ ist dann die zeitlich erhaltene elektrische Ladung des durch φ beschriebenen Systems. Im Gegensatz zur Wahrscheinlichkeitsdichte kann die Ladungsdichte beide Vorzeichen annehmen wenn wir erlauben, dass φ geladene Teilchen und entgegengesetzt geladene Antiteilchen beschreibt. Mit dieser Uminterpretation beschreiben reelle Felder neutrale Teilchen wie z.B. das ungeladene Pion π 0 , da für reelle φ die Ladungsdichte ρ verschwindet. 6.2.2 Zustände mit positiver und negativer Energie Für ein freies Teilchen in Ruhe ist pµ = (mc, 0 ) = (~µ, 0 ), und die Lösungen der KleinGordon-Gleichung ∂02 φ = 1 2 ∂ φ = −µ2 φ c2 t (6.42) lauten exp(±iµct). Wegen der Korrespondenzregel E → i~∂t sind die Lösungen mit positiver Energie φ = e−iµct . Nun transformieren wir auf ein Inertialsystem, welches sich relativ zum ruhenden Teilchen mit −v bewegt. In diesem System hat das Teilchen die Geschwindigkeit v und den 4-er ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 6. Klein-Gordon-Gleichung 6.2. Klein-Gordon Gleichung 115 Impuls (p′µ ) = (E ′ /c, p ′ ) = γm (c, v ), (6.43) so dass im neuen System die Wellenfunktion folgendermaßen aussieht ′ ′ φ′ (x′ ) = φ(x) = e−iµct = e−i(p,x)/~ = e−i(p ,x )/~ . Also hat die Wellenfunktion eines Teilchens mit Geschwindigkeit v und positiver Energie E die Form φ = ei(p·x −Et)/~ . (6.44) Der zu dieser Lösung gehörende erhaltene 4-er Strom lautet ρ= E mc2 und j = p = ρv . m Daher ist die (3-er)Stromdichte gleich der Dichte mal der Geschwindigkeit. Ein ruhendes Teilchen mit negativer Energie hat die Wellenfunktion φ = eiµct mit zugehöriger Dichte ρ = −1. Nach einer Lorentz-Transformation führt dies zu der Wellenfunktion p (6.45) φ = e−i(p·x −|E|t)/~ mit |E| = + m2 c4 + c2 p 2 . Wie man leicht nachrechnet ist der zu dieser Lösung gehörende erhaltene 4-er Strom ρ=− |E| mc2 und j = − p = ρv m und hat daher eine negative Dichte. Wenden wir die Korrespondenzregel auf diese Lösung an, so würden wir schliessen, dass die Energie −|E| = −γmc2 mit zunehmender Geschwindigkeit immer kleiner würde und nach −∞ strebt. Beide Probleme, also die der negative Dichte und negativen Energien können nun gleichzeitig gelöst werden, wenn wir eine Lösung der Klein-Gordon-Gleichung mit negativer Energie als Antiteilchen mit positiver Energie E und (eρ, ej ) als deren Ladungs- bzw. Ladungsstromdichte um-interpretieren. Damit zeigt der Strom eines Antiteilchens in die entgegengesetzte Richtung wie seine Geschwindigkeit, wie erwartet. Diese Uminterpretation der Lösungen mit negativer Energie führt zu einem konsistenten Bild das sich experimentell vielfach bewährt hat. Wenn zum Beispiel ein geladenes skalares Teilchen mit Ladung e an das elektromagnetische Feld koppelt, dann muss sein Antiteilchen mit der entgegengesetzten Ladung −e koppeln. Dies wollen wir nun nachprüfen. ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 6. Klein-Gordon-Gleichung 6.2.3 6.2. Klein-Gordon Gleichung 116 Kopplung ans elektromagnetische Feld In der Mechanik haben Sie bei der Diskussion von geladenen Teilchen in äußeren elektromagnetischen Feldern gelernt, dass die Ersetzungen e E −→ E − eφ und p −→ π = p − A (6.46) c in der Hamilton-Funktion auf die Lorentzschen Bewegungsgleichungen für geladene Punktteilchen führen. Die entsprechenden Korrespondenzregeln E −→ i~∂t − eφ und p −→ ~ e ∇− A i c (6.47) ergeben dann die korrekte Schrödingergleichung für geladene Teilchen in äußeren elektromagnetischen Feldern. In der relativistischen Formulierung werden das skalare und vektorielle Potential zu einem 4-er Eichpotential zusammengefasst: (Aµ ) = (A0 , A1 , A2 , A3 ) = (φ, A) (Aµ ) = (A0 , A1 , A2 , A3 ) = (φ, −A). (6.48) Mit diesem 4-er Vektorpotential lauten die kovariant geschriebenen Ersetzungs- und Korrespondenzregeln ie e (6.49) pµ −→ pµ − Aµ −→ i~ ∂µ + Aµ . c ~c Hier erscheint auf der rechten Seite die sogenannte kovariante Ableitung Dµ = ∂µ + ie Aµ ~c (6.50) die in allen relativistisch kovarianten Eichtheorien eine wichtige Rolle spielen. Diese Ableitung ist in der Tat eichkovariant, da sie unter Eichtransformationen Aµ → A′µ = Aµ − ∂µ λ kovariant transformiert: ie ′ ie ′ ieλ/~c Dµ (A ) = ∂µ + Aµ = e ∂µ + Aµ e−ieλ/~c ~c ~c = eieλ/~c Dµ (A) e−ieλ/~c . (6.51) Der Kommutator zweier kovarianten Ableitungen lautet [Dµ , Dν ] = ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II ie ie (∂µ Aν − ∂ν Aµ ) ≡ Fµν , ~c ~c (6.52) 6. Klein-Gordon-Gleichung 6.2. Klein-Gordon Gleichung 117 und ist damit proportional zum eichinvarianten antisymmetrischen Feldstärketensor 0 E1 E2 E3 −E1 0 −B3 B2 . (6.53) Fµν = −E2 B3 0 −B1 −E3 −B2 B1 0 Die Umkehrung von (6.53) lautet 1 Ei = F0i = ∂0 Ai − ∂i A0 ⇐⇒ E = − ∂t A − ∇φ c 1 Bi = − ǫijk Fjk = −ǫijk ∂j Ak ⇐⇒ B = ∇ × A. 2 (6.54) Um die relativistische Wellengleichung für geladene spinlose Teilchen in einem elektromagnetischen Feld aufzustellen, müssen wir in der Gleichung oberhalb (6.37) nur die gewöhnlichen Ableitungen durch kovariante ersetzen. Dies führt dann auf die Klein-GordonGleichung µ Dµ D + µ 2 φ= m2 c2 g Dµ D ν + 2 ~ µν φ = 0. (6.55) Wegen der Kovarianzeigenschaft (6.51) von Dµ unter Eichtransformationen folgt sofort, dass, falls φ die Klein-Gordon-Gleichung im Potential Aµ löst, die eichtransformierte Wellenfunktion φ′ (x) = eieλ(x)/~c φ(x) (6.56) die Klein-Gordon-Gleichung im eichtransformierten Eichpotential A′µ = Aµ − ∂µ λ löst. Sei nun φ eine Lösung der Klein-Gordon-Gleichung mit Ladung e. Offensichtlich ist dann das komplex konjugierte Feld eine Lösung mit Ladung −e: D 2 (e) + µ2 φ = 0 =⇒ D 2 (−e) + µ2 φ† = 0 (6.57) da Dµ∗ (e) = Dµ (−e) ist. Übungsaufgabe: Zeige, dass der 4-er Strom jµ = i~ φ† D µ φ − φD̄ µ φ† 2m erhalten ist, ∂µ j µ = 0. Benutze beim Beweis die Klein-Gordon-Gleichungen (6.55) und (6.57). ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 6. Klein-Gordon-Gleichung 6.2. Klein-Gordon Gleichung Ausgeschrieben lauten die Ladungs- und Ladungsstromdichte i~ ie ie † ρ = φ ∂t + A0 φ − φ ∂t − A0 φ† 2mc2 ~ ~ ie ie ~ † φ ∇ − A φ − φ ∇ + A φ† . j = 2im ~c ~c 6.2.4 118 (6.58) Ladungskonjugation Wir haben gesehen, dass falls φ die Klein-Gordon-Gleichung mit Ladung e und Masse m löst, das komplex konjugierte Feld φ† die Klein-Gordon-Gleichung mit Ladung −e und derselben Masse löst. Nun ist aber ein geladenes Teilchen genau durch seine Masse und Ladung charakterisiert und die Umkehrung der Ladung entspricht dem Übergang zum Antiteilchen. Wir sehen, dass die relativistische Theorie für Skalarteilchen die Existenz des Antiteilchens mit derselben Masse aber umgekehrter Ladung voraussagt. Für die Felder ist die Ladungskonjugation, welche einem Teilchen sein Antiteilchen zuordnet, gegeben durch φ(x) −→ φc (x) = φ† (x). (6.59) Speziell für eine ebene Welle φ = ei(px −Et)/~ −→ φc = e−i(px −Et)/~ . Also ist das ladungskonjugierte Feld einer negativen Energie Lösung eine Lösung mit positiver Energie und umgekehrter Ladung. Um also Lösungen mit negativer Energie zu interpretieren, komplex konjugieren wir diese und sehen sie als Lösungen mit positiver Energie und umgekehrter Ladung an. Wie erwartet kehrt der 4-er Strom unter der Ladungungskonjugation das Vorzeichen um jcµ = −j µ . (6.60) Falls ρ nicht zu Null integriert, können wir die Lösungen so normieren, dass der Zustand die Ladung e oder −e hat: Z Q = e d3 x ρ(t, x ) = ±e. Der Zustand mit Q = e beschreibt ein Teilchen, derjenige mit Q = −e ein Antiteilchen. ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 6. Klein-Gordon-Gleichung 6.3 6.3. Pionische Atome 119 Pionische Atome Ein relativistisches, geladenes Spin-0 Teilchen (z.B. ein negativ geladenes Pion π − ) bewege sich im Coulombfeld eines (unendlich schwer angenommenen) Kerns. Wir wollen die möglichen gebundenen Zustände bestimmen. In einem statischen Potential ist die Energie E erhalten und der entsprechende Zustand mit positiver Energie hat die Form φ(t, x ) = e−iEt/~ φ(x ). (6.61) Die Ladungsdichte eρ = e (E − eA0 (x ))|φ(x )|2 2 mc (6.62) hat dasselbe Vorzeichen wie e im klassischen Bereich E > eA0 und das entgegengesetzte Vorzeichen im unklassischen (Tunnel) Bereich E < eA0 . Deshalb ist die Wellenfunktion eines Teilchen im Potential eine Überlagerung von Lösungen zu freien Teilchen und Antiteilchen. Die Teilchen halten sich dabei vorwiegend in Gebieten mit kleinen eA0 und die Antiteilchen in Gebieten mit großen eA0 auf. Dieses Phänomen nennt man die Polarisation des Vakuums oder kurz Vakuumpolarisation. Für wasserstoffähnliche pionische Atome wählen wir das 4-er Potential Ze2 eA0 = − r und Ai = 0 (6.63) mit r = |x | und die entsprechende Klein-Gordon-Gleichung lautet D02 − △ + µ2 φ(t, x ) = 0. Sie kann relativ schnell gelöst werden. Setzen wir (6.61) ein, so finden wir 2 Ze2 E+ φ(x ) + ~2 c2 △φ − m2 c4 φ = 0. r (6.64) Der Differentialoperator kommutiert mit L2 und mit L3 und die Lösungen dürfen folgendermaßen angesetzt werden: φ(x ) = fnℓ (r)Yℓm(θ, φ). Wegen r 2 △ = r∂r2 r − L2 lautet die radiale Klein-Gordon-Gleichung für die Funktion fnℓ 2 E 1 2 ℓ(ℓ + 1) − (Zα)2 2Ze2 E 2 2 2 f + ~ − m c ∂ r − f + fnℓ = 0, nℓ nℓ c2 r r r2 r c2 wobei wir die dimensionslose Sommerfeldsche Feinstrukturkonstante α = e2 /~c benutzten. ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 6. Klein-Gordon-Gleichung 6.3. Pionische Atome 120 Wir verschieben nun Drehimpuls, Masse und Energie gemäß ℓ′ (ℓ′ + 1) = ℓ(ℓ + 1) − (Zα)2, m′ = E/c2 und 2m′ E ′ = E2 − m2 c2 . c2 Mit diesen neuen Parametern schreibt sich die radiale Gleichung folgendermaßen: ′ ′ ~2 2 2m′ Ze2 ′ ′ 2 ℓ (ℓ + 1) 2m E + ∂r r − ~ f = 0. + r r2 r Wir erkennen die Radialgleichung für das Schrödingersche Coulombproblem wieder, allerdings mit dem wichtigen Unterschied, dass ℓ′ nicht mehr ganzzahlig ist. Die Lösungen sind durch sogenannte Whittaker-Funktionen gegeben und die gebundenen Zustände haben die Energien E=p mit ′ ′ n = ℓ + 1 + ν, mc2 , 1 + (Zα/n′ )2 ′ und ℓ = ν = 0, 1, 2, . . . (6.65) − 21 + Die ℓ′ und die Energien sind nur reell für ℓ+ 1 2 2 > (Zα)2 ⇐⇒ Z < q (ℓ + 21 )2 − (Zα)2 . 137 1 ∼ . 2α 2 (6.66) Um die Verwandtschaft zu Wasserstoffspektrum zu illustrieren schreiben wir n′ um q n′ = (ν + ℓ + 1) −(ℓ + 21 ) + (ℓ + 21 )2 − (Zα)2 | {z } ≡n √ = n − (ℓ + 21 ) + . . . , n = ℓ + 1, ℓ + 2, . . . . Offensichtlich spielt n diesselbe Rolle wie die Hauptquantenzahl beim nicht-relativistischen Wasserstoffatom. Entwickeln wir in Potenzen der Feinstrukturkonstanten, so finden wir Enℓ Z 2 e2 ∼ mc − 2an2 2 Z 2 α2 1+ 2 n n ℓ+ 1 2 3 − 4 . (6.67) Der erste Term ist die Ruheenergie, der zweite die nichtrelativistische Energie eines H-artigen Atoms und der letzte Term ist die relativistische Feinstruktur, welche die ℓ-Entartung aufhebt. Werden auch noch die Vakuumpolarisationseffekte (0,5 ProzentEffekt) berücksichtigt, dann ist diese Formel für das Termschema von pionischen Atomen in guter Übereinstimmung mit den experimentell gemessenen Spektren. Vernachlässigt ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 6. Klein-Gordon-Gleichung 6.3. Pionische Atome 121 man die starke Wechselwirkung so ergeben sich folgende dominante Beiträge zur elektromagnetischen Bindungsenergie des 1s-Zustandes im pionischen Wasserstoffatom [10]: Bindungsenergie Coulombwechselwirkung für Punktteilchen Korrekturen aufgrund der endlichen Größe von p und π − Vakuumpolarisation bis Ordnung α2 ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II [eV] 3235.156 −0.102 3.246 Kapitel 7 Das Diracsche Elektron If one is working from the point of view of getting beauty into one’s equation, ... one is on a sure line of progress. P.A.M. Dirac, 1963 Die Diracsche Theorie des Elektrons ist der erste wirksame Versuch die Wellenmechanik relativistisch invariant zu machen. Beim Auffinden seiner Gleichung war Dirac1 mehr durch die Unverträglichkeit von Wellengleichungen mit zweiter Zeitableitung und seiner in diesen Jahren entwickelten Transformationstheorie irritiert [9]. Deshalb suchte er für das Elektron eine Wellengleichung erster Ordnung in den Ableitungen. 1927 realisierte er, dass für ein 4-komponentiges Elektronenfeld eine derartige Gleichung erster Ordnung relativ leicht gefunden werden kann. Die entsprechende Dirac-Gleichung impliziert dann automatisch, dass ein Elektron den Spin ~/2 und ein magnetisches Moment hat. Auch das Wasserstoff-Spektrum mit Feinstruktur wird richtig beschrieben. Allerdings enthält die Theorie unendlich viele Zustände mit beliebig negativer Energie. Hier benutzte Dirac das Pauli-Prinzip um einen Ausweg aus diesem scheinbaren Dilemma zu finden: Er postulierte, dass im Vakuum alle Zustände mit negativer Energie besetzt sind, wie in der linken Figur der folgenden Abbildung skizziert. Dabei bedeuten ausgefüllte Kreise besetzte und nicht ausgefüllte Kreise unbesetzte Zustände. Löcher in diesem sogenannten Diracsee müssen dann als Spin 21 Teilchen mit positiver Ladung interpretiert werden. Durch den Übergang eines See-Zustandes in einen Zustand mit positiver Energie entstehen ein e− und ein Loch, d.h. ein positiv geladenes reales Teilchen, und die Teilchenzahl ist nicht mehr erhalten. Deshalb ist Diracs Elektronentheorie natürlicherweise eine Mehrteilchentheorie und keine Einteilchentheorie. 1 Siehe http://www-groups.dcs.st-and.ac.uk/ history/Mathematicians/Dirac.html für den Lebenslauf von Paul Adrian Maurice Dirac. 122 7. Das Diracsche Elektron 7.1. Diracgleichung für freie Elektronen E E E E ⊕ ⊕ ⊕ ⊕ ⊕ ⊕ ⊕ ⊕ ⊕ ⊕ ⊕ ⊕ ⊕ b ⊕ b b ⊕ ⊕ b b b b b b b b b b b b Vakuum e− e+ e− e+ b 123 Da es zu jener Zeit unpopulär war neue Teilchen in eine Theorie einzuführen, hat Dirac seine Gleichung als Theorie für Elektronen und Protonen veröffentlicht. Bald danach zeigte Hermann Weyl jedoch, dass Elektronen und Lochzustände die gleiche Masse haben müssen. Glücklicherweise lies die Entdeckung dieser hypothetischen Lochzustände, der Positronen (e+ ) nicht lange auf sich warten. 1932 fand Anderson das Positron in der kosmischen Strahlung. 7.1 Diracgleichung für freie Elektronen Nachdem wir im letzten Kapitel die Wellengleichung für spinlose Teilchen diskutierten, untersuchen wir hier die Wellengleichungen für Teilchen mit Spin 12 , also Elektronen, Muonen, Neutrinos, etc. Da für ein nichtrelativistisches Teilchen mit Spin 1/2 die Wellenfunktion zwei Komponenten hat, erwarten wir, dass auch die Wellenfunktion eines relativistischen Elektrons mehrere Komponenten aufweist. Sei also ψ : M ∋ x −→ ψ(x) ∈ Cn (7.1) das Elektronenfeld. Nach unseren Bemerkungen zum Problem mit der Wahrscheinlichkeit für Wellengleichungen die eine Zeitableitung zweiter Ordnung enthalten, suchen wir eine Differentialgleichung erster Ordnung in der Zeit. Eine relativistisch kovariante Wellengleichung muss dann auch erster Ordnung in den räumlichen Koordinaten sein. Deshalb machen wir den Ansatz ((γ, p) − mc) ψ = 0 mit (γ, p) = γ µ pµ ≡ /p und γ µ ∈ L(Cn ). (7.2) Wir benutzten die Einsteinsche Summenkonvention und pµ = i~∂µ . Man schreibt für γ µ aµ meistens a / (a-slash). Die Wellengleichung soll kovariant sein und weiterhin die relativisti———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 7. Das Diracsche Elektron 7.1. Diracgleichung für freie Elektronen 124 sche Energie-Impuls Relation g µν pµ pν − m2 c2 ψ = 0 (7.3) nach sich ziehen. Man rechnet p/ + mc p/ − mc ψ = p/p/ − m2 c2 ψ = 0 und folgert, dass 1 µ ν µ ν ν µ µν /p/p = γ γ pµ pν = (γ γ + γ γ )pµ pν = g pµ pν 2 gelten muss. Hier ist es angebracht, den Antikommutator {A, B} ≡ AB + BA von A und B einzuführen. Wir folgern, dass die Gamma-Matrizen γ µ folgende AntikommutationsRegeln erfüllen müssen: {γ µ , γ ν } = 2g µν . (7.4) Die Wellengleichung (7.2) erster Ordnung impliziert also die Klein-Gordon-Gleichung (7.3) zweiter Ordnung, falls die 4 Matrizen γ µ ∈ L(Cn ) die Dirac-Algebra (7.4) erfüllen. Der folgende Satz besagt, dass die Wellenfunktion in (7.3) mindestens 4 Komponenten haben muss: Satz: Es gibt (bis auf Äquivalenz) nur eine irreduzible Darstellung der Antikommutationsregeln (7.4), und diese ist 4-dimensional, n = 4. Haben wir 4 Matrizen γ µ gefunden welche die Dirac-Algebra erfüllen, dann erfüllen auch die konjugierten Matrizen γ̃ µ = Uγ µ U −1 (7.5) für jedes invertierbare U die Dirac-Algebra. Darstellungen, welche auf diese Art auseinander hervorgehen heissen äquivalent. Da es zu jeder Darstellung immer äquivalente Darstellungen gibt, kann ein Eindeutigkeitssatz immer nur bis auf Äquivalenz gelten. Weiterhin erfüllen zum Beispiel auch die 8 × 8 Matrizen µ γ 0 µ γ̂ = (7.6) 0 γµ die auf C4 ×C4 operieren, die Dirac-Algebra, falls die γ µ dies tun. Aber die γ̂ µ sind nur zwei Kopien der ursprünglichen γ’s und entsprechend ist die zu ihnen gehörige Dirac-Gleichung nur zweimal die mit γ µ gebildeten Dirac-Gleichung. Die γ̂ µ lassen die beiden C4 invari———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 7. Das Diracsche Elektron 7.2. Aufspaltung der Diracgleichung 125 ant, d.h. jeder Vektor im ersten (zweiten) Unterraum C4 wird in denselben Unterraum abgebildet. Eine Darstellung die invariante Unterräume hat heisst reduzibel und eine die keinen invarianten (echten) Unterraum hat irreduzibel . Aus jeder irreduziblen Darstellung kann man beliebig viele reduzible machen, wie zum Beispiel in (7.6). Deshalb kann sich ein Eindeutigkeitssatz für Darstellungen nur auf irreduzible Darstellungen beziehen. Um obigen Satz zu beweisen betrachtet man die endliche Gruppe bestehend aus den 32 Elementen ±1, ±γ µ , ±γ µ1 γ µ2 , ±γ µ1 γ µ2 γ µ3 , ±γ µ1 γ µ2 γ µ3 γ µ4 , wobei µ1 < µ2 < µ3 < µ4 ist. Jede Darstellung der Dirac-Algebra bestimmt eine Darstellung dieser Gruppe und jede Darstellung A dieser Gruppe mit A(−1) = −1 bestimmt eine Darstellung der Dirac-Algebra. Mit dieser Beobachtung kann man die ausgefeilte Darstellungstheorie für endliche Gruppen benutzen, z.B. dass eine Darstellung einer endlichen Gruppe G genau dann irreduzibel ist, falls 1 X tr A(a)tr A† (a) = 1 dim G a∈G gilt. Statt den Beweis zu Ende zu führen geben wir die gebräuchlichen Darstellungen an. 7.2 Aufspaltung der Diracgleichung Wir untersuchen die Dirac-Gleichung in der sogenannten chiralen oder Hochenergie(HE)Darstellung. In dieser Darstellung haben die γ-Matrizen die Form 0 σ0 0 γ = σ1 ⊗ σ0 = σ0 0 0 −σk k γ = −iσ2 ⊗ σk = (7.7) σk 0 Hier sind σ1 = 0 1 1 0 , σ2 = 0 −i i 0 , σ3 = 1 0 0 −1 (7.8) die Pauli-Matrizen und σ0 die 2-dimensionale Einheitsmatrix. Bei der Behandlung des relativistischen Elektrons erweist es sich nämlich als vorteilhaft, die drei Pauli-Matrizen durch σ0 = 12 zu ergänzen und die hermiteschen Matrizen σµ = σ̃ µ = {σ0 , σk } bzw. σ µ = σ̃µ = {σ0 , −σk } ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 7. Das Diracsche Elektron 7.2. Aufspaltung der Diracgleichung 126 einzuführen. Offensichtlich ist γ 0 hermitesch und γ 1 , γ 2 , γ 3 antihermitesch. Weiterhin ist 0 σ µ pµ 0 (σ, p) µ p/ ≡ γ pµ = ≡ . (7.9) σ̃ µ pµ 0 (σ̃, p) 0 Benutzt man die bekannte Relation σi σj = δij σ0 + iǫijk σk , dann findet man leicht (7.10) (σ, a) · (σ, b) = σ0 a0 b0 + a · b + σ · a0 b + ab0 + ia ∧ b und insbesondere (σ, a) · (σ̃, a) = σ0 a0 a0 − a · a = σ0 (a, a). Ausgeschrieben hat (σ, a) die Form 0 a + a3 a1 − ia2 (σ, a) = , a1 + ia2 a0 − a3 so dass det(σ, a) = det(σ̃, a) = (a, a) (7.11) (7.12) gilt. Falls also det(σ, a) = 1 ist, gilt wegen (7.11) (σ̃, a) = (σ, a)−1 . (7.13) Nach diesen Ausführungen kehren wir zur Dirac-Gleichung zurück und zerlegen den DiracSpinor in zwei 2-er Spinoren: φ ψ= . (7.14) χ Das Felder φ und χ heissen 2-Spinorfeld und 2-Antispinorfeld . Mit diesen 2-komponentigen Feldern schreibt sich die Dirac-Gleichung wie folgt, 0 (σ, p) φ (σ, p)χ φ (γ, p)ψ = = = mc . (σ̃, p) 0 χ (σ̃, p)φ χ Die Dirac-Gleichung zerfällt in 2 gekoppelte Systeme für das Spinor- und Antispinorfeld, (σ, p)χ = mcφ (σ̃, p)φ = mcχ. Beide Felder erfüllen wegen (7.3) die Klein-Gordon-Gleichung (p, p)χ = m2 c2 χ und (p, p)φ = m2 c2 φ. ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II (7.15) 7. Das Diracsche Elektron 7.3 7.3. Lorentz-Kovarianz der Diracgleichung 127 Lorentz-Kovarianz der Diracgleichung Wir gehen nun ganz ähnlich vor wie bei der Behandlung von nichtrelativistischen Teilchen mit Spin 21 . Im nichtrelativistischen Fall ersetzten wir die klassische Drehgruppe SO(3) durch die quantenmechanische Drehgruppe SU(2). Analog konstruieren wir nun die zweifache Überlagerung SL(2, C) der Lorentzgruppe. Spinorfelder transformieren nach Darstellungen der SL(2, C) und nicht der Lorentzgruppe. Jede selbstadjungierte 2×2-Matrix ist eine reelle Linearkombination der 4 sigma-Matrizen und kann als (σ, ξ) mit reellen ξ µ geschrieben werden. Mit (σ, ξ) ist auch A(σ, ξ)A† selbstadjungiert, und daher gibt es einen reellen 4-er Vektor η, so dass A(σ, ξ)A† = (σ, η) = (σ, Λ(A)ξ), (7.16) wobei wir in der letzten Gleichung benutzten, dass η linear von ξ abhängt. Wegen (σ, Λ(A1 A2 )ξ) = A1 A2 (σ, ξ)(A1 A2 )† = A1 A2 (σ, ξ)A†2 A†1 = A1 (σ, Λ(A2 )ξ)A†1 = (σ, Λ(A1 )Λ(A2 )ξ) und Λ(12 ) = 14 , ist A −→ Λ(A) eine Darstellung falls die Matrizen A eine Gruppe bilden. Nun wollen wir annehmen, dass die Matrizen A in der 6-dimensionalen speziellen linearen Gruppe SL(2, C) = {A ∈ GL(2, C)| det A = 1} liegen. Wegen (ξ, ξ) = det(σ, ξ) det A=1 = det A(σ, ξ)A† (7.16) = det (σ, Λ(A)ξ) = (Λ(A)ξ, Λ(A)ξ) ist Λ(A) eine Lorentz-Transformation für jedes A in SL(2, C). Da • SL(2, C) zusammenhängend ist, • die Darstellung A −→ Λ(A) stetig ist, • und Λ(12 ) = 14 ist, kann das Bild von SL(2, C) nur in der Zusammenhangskomponente L↑+ liegen. Man zeigt aber, dass die Abbildung surjektiv ist, so dass Λ (SL(2, C)) = L↑+ ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II (7.17) 7. Das Diracsche Elektron 7.3. Lorentz-Kovarianz der Diracgleichung 128 gilt. Im Gegensatz zur eigentlichen orthochronen Lorentzgruppe ist SL(2, C) einfach zusammenhängend und deshalb die universelle Überlagerungsgruppe von L↑+ , genauso wie SU(2) die universelle Überlagerungsgruppe der Drehgruppe SO(3) ist. Der Kern der Abbildung Λ besteht aus den beiden Elementen ±1 welche die Untergruppe Z2 ⊂ SL(2, C) bilden. Deshalb ist SL(2, C) die doppelte Überlagerung von L↑+ , L↑+ = SL(2, C)/Z2. (7.18) Bilden wir nun die Spur von (7.16) für ein unitäres A = U ∈ SU(2), so folgt Sp U(σ, ξ)U † = Sp (σ, ξ) = 2ξ 0 = Sp (σ, Λ(U)ξ) = 2(Λ(U)ξ)0 . Also ist Λ(U) eine Lorentz-Transformation ohne Zeitkontraktion und deshalb eine reine Drehung im Raum: 1 0T Λ(U) = , mit R(U) ∈ SO(3). (7.19) 0 R(U) Folglich enthält die Darstellung A −→ Λ(A) die Darstellung U −→ R(U) der nichtrelativistischen Quantenmechanik. Wir werden sehen, dass die Wellenfunktion eines relativistischen Spin- 12 Teilchens mit A transformiert. Deshalb nennt man SL(2, C) zurecht die quantenmechanische Lorentzgruppe. Lorentztransformationen: Nun müssen wir die Transformationen der 2-er Spinoren, (φ, χ) −→ (φ′ , χ′ ), finden, so dass die Dirac-Gleichung unter Poincare-Transformationen x′ = Λ(A)x + a und p′ = Λ(A)p (7.20) kovariant ist. In anderen Worten, die Spinoren müssen so transformieren, dass, falls (φ, χ) die Dirac-Gleichung im Inertialsystem mit Koordinaten (xµ ) erfüllen, die transformierten Spinoren (φ′ , χ′ ) die Dirac-Gleichung im Inertialsystem mit Koordinaten (x′µ ) erfüllen. Wir schliessen, dass folgende Gleichung gelten müssen: ! (σ, p′ )χ′ = (σ, Λ(A)p)χ′ = A(σ, p)A† χ′ = mcφ′ ! (7.21) φ′ (x′ ) = Aφ(x) und χ′ (x′ ) = A†−1 χ(x) (7.22) (σ̃, p′ )φ′ = (σ̃, Λ(A)p)φ′ = A†−1 (σ̃, p)A−1 φ′ = mcχ′ . Falls wir nun definieren, dann sind die rechten Gleichheitszeichen in (7.21) gewährleistet und die Dirac———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 7. Das Diracsche Elektron 7.3. Lorentz-Kovarianz der Diracgleichung 129 Gleichung im gestrichenen Inertialsystem ist erfüllt, falls sie im ursprünglichen Inertialystem erfüllt war. Dies beweist, dass unter (7.22) Lösungen im Inertialsystem I in Lösungen im Inertialsystem I ′ übergehen, falls die beiden Systeme durch eine orthochrone eigentliche Lorentz-Transformation verbunden werden können. Raumpiegelung: Um zu sehen, wie Spinoren unter der Raumspiegelung x′ = P x , p′ = P p, mit P = G (7.23) transformieren, bemerken wir zuerst, dass (σ, p′ ) = (σ̃, p) und (σ̃, p′ ) = (σ, p) gilt. Wenn wir nun die Spinoren gemäß φ′ (x′ ) = χ(x) und χ′ (x′ ) = φ(x) (7.24) unter Spiegelungen transformieren, dann erfüllen offensichtlich die transformierten Spinoren die Dirac-Gleichung im gespiegelten System falls die ursprünglichen Felder die Dirac-Gleichung im ursprünglichen Inertialsystem erfüllen. Wir sehen also, dass bei Raumspiegelungen die 2-Spinoren ausgetauscht werden. Es ist also möglich die Kovarianz der Dirac-Gleichung unter eigentlichen Lorentz-Transformation und Spiegelungen zu haben. Deshalb ist die Diractheorie zumindest invariant unter der Gruppe iL↑ von LorentzTransformationen ohne Zeitumkehr. Räumliche Drehungen: Diese sind nach (7.19) ein Spezialfall von (7.22). Für unitäre A = U ist nämlich Λ(U) eine Drehung im Raum. Mit A† = U † = U −1 findet man φ′ (t, Rx ) = Uφ(t, x ) und χ′ (t, Rx ) = Uχ(t, x ), (7.25) d.h. die aus der nichtrelativistischen Quantenmechanik bekannten Transformationsregeln eines Spin- 21 Teilchens unter der quantenmechanischen Drehgruppe SU(2). Die Weylgleichung für Neutrinos: Wir haben gesehen, dass unter Spiegelungen das 2-Spinorfeld und das 2-Antispinorfeld vertauscht werden. Deshalb liegt die Wurzel der Einführung zweier Felder in der besonderen Rolle den die Raumspiegelungen in der Lorentzgruppe spielen. Nichtrelativistische Spinoren transformieren unter P in sich. In der relativistischen Theorie kann P nur eine Symmetrie sein, wenn Spinor- und Antispinorfeld beide vorliegen. Ist die Parität wie in der schwachen Wechselwirkung keine Symmetrie, so kann man für masselose Teilchen (zum Beispiel das Neutrino2 ) offensichtlich auch L↑+ -kovariante 2 Es gibt inzwischen allerdings gute Evidenz, dass Neutrinos massiv sind. ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 7. Das Diracsche Elektron 7.3. Lorentz-Kovarianz der Diracgleichung 130 Feldgleichungen formulieren, zum Beispiel (7.26) (σ, p)χ = 0, wobei χ wie ein 2-Antispinorfeld transformiert. Die Gleichung (7.26) für das Neutrino ist die bekannte Weyl-Gleichung. Die entsprechende L↑+ -kovariante freie Weyl-Gleichung für das Spinorfeld lautet (7.27) (σ̃, p)φ = 0. 7.3.1 Transformationsgesetz für Spinoren Unter den Elementen der orthochronen eigentlichen Lorentzgruppe iL↑+ transformiert der Diracspinor gemäß ′ ′ φ (x ) A 0 φ(x) ′ ′ ψ (x ) = = ≡ S(A)ψ(x), (7.28) χ′ (x′ ) 0 A†−1 χ(x) und unter Raumspiegelungen ′ ′ φ (x ) 0 ′ ′ ψ (x ) = = ′ ′ χ (x ) σ0 σ0 0 φ(x) χ(x) = γ 0 ψ(x) ≡ S(P )ψ(x). (7.29) Unter Benutzung der expliziten Form von S(A) und (7.16) findet man nun leicht S(A)(γ, p)S −1 (A) = (γ, Λ(A)p) = Λ−1 (A)γ, p was äquivalent zur wichtigen Formel S −1 (A)γ µ S(A) = Λµν γ ν (7.30) ist. Weiterhin gelten S −1 (P )γ 0 S(P ) = γ 0 und S −1 (P )γ i S(P ) = γ 0 γ i γ 0 = −γ i , beziehungsweise S −1 (P )γS(P ) = P γ. Später benötigen wir noch die adjungierte S † der Spinortransformation S. Es gilt −1 † A 0 0 σ0 A 0 0 σ0 0 † 0 = γ S γ = 0 A† σ0 0 0 A−1 σ0 0 ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II (7.31) 7. Das Diracsche Elektron 7.3. Lorentz-Kovarianz der Diracgleichung 131 was wie folgt geschrieben werden kann, γ 0 S † γ 0 = S −1 . (7.32) Nach diesen Vorbereitungen können wir das Transformationsverhalten des Dirac konjugierten Spinors ψ̄ = ψ † γ 0 bestimmen. Im Gegensatz zum einspaltigen Spinor ψ sind ψ † und ψ̄ einreihige Objekte. Es gilt ψ̄ ′ (x′ ) = (Sψ(x))† γ 0 = ψ † S † γ 0 = ψ † γ 0 S −1 = ψ̄S −1 , wobei wir (7.32) benutzten. Also gelten die Transformationsformeln ψ ′ (x′ ) = S(A)ψ(x) und ψ̄ ′ (x′ ) = ψ̄(x)S −1 (A) (7.33) für einen Dirac-Spinor und den Dirac-konjugierten Spinor. Einführung von γ5 : In allen geraden Dimensionen existiert eine Matrix γ5 , welche mit allen γ µ antikommutiert. In 4 Dimensionen wählen wir γ5 = iγ 0 γ 1 γ 2 γ 3 und diese Matrix hat in der chiralen Darstellung folgende Form σ0 0 γ5 = σ3 ⊗ σ0 = , {γ5 , γ µ } = 0. (7.34) 0 −σ0 Insbesondere gelten γ 5† = γ5 , (γ5 )2 = 1 und S −1 (P )γ5S(P ) = −γ5 . (7.35) Es folgt dann, dass 1 1 P+ = (1 + γ5 ) und P− = (1 − γ5 ) mit P+ + P− = 1 2 2 (7.36) orthogonale Projektoren sind, P±2 = P± , P±† = P± und P+ P− = P− P+ = 0. (7.37) Aus der expliziten Form von γ5 in der HE-Darstellung (7.34), sieht man sofort, dass φ 0 P+ ψ = und P− ψ = (7.38) 0 χ gelten, oder das P+ und P− auf das 2-Spinorfeld respektive 2-Antispinorfeld projizieren. ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 7. Das Diracsche Elektron 7.3.2 7.3. Lorentz-Kovarianz der Diracgleichung 132 Bilineare (Pseudo)Tensorfelder Wir betrachten als Beispiel das 4-komponentige Feld j µ = ψ̄γ µ ψ, welches bilinear im Spinorfeld ψ ist. Dieses Objekt transformiert unter Lorentz-Transformation gemäß j ′µ (x′ ) = ψ̄ ′ (x′ )γ µ ψ ′ (x′ ) = ψ̄(x)S −1 (A)γ µ S(A)ψ(x). Wegen (7.30) erhalten wir also j ′µ (x′ ) = Λµν j ν (x) (7.39) und j µ transformiert unter eigentlichen Lorentz-Transformationen wie ein Vektorfeld. Unter Raumspiegelungen transformiert es wie j ′µ (x′ ) = ψ̄(x)S −1 (P )γ µ S(P )ψ(x) = (P j)µ (x). (7.40) Also ist j µ (x) ein Vektorfeld unter L↑ . Analog beweist man, dass die folgenden 16 Felder (Pseudo)Tensoren sind: S(x) = ψ̄(x)ψ(x) j µ (x) = ψ̄(x)γ µ ψ(x) µν µ ν T (x) = ψ̄(x)[γ , γ ]ψ(x) µ Skalarfeld 1 Vektorfeld (Strom) 4 antisymm. Tensorfeld 6 µ A (x) = ψ̄(x)γ5 γ ψ(x) Pseudovektorfeld (Axialstrom) 4 Pseudoskalarfeld P (x) = ψ̄(x)γ5 ψ(x) 1 Zum Beispiel transformiert das Tensorfeld unter Lorentz-Transformationen gemäß T ′µν (x′ ) = Λµα Λνβ T αβ (x). Dies sind alle Tensoren die bilinear im Elektronenfeld ψ sind! Sie treten in der elektroschwachen und/oder starken Wechselwirkung als Ströme, Axialströme, chirale Kondensate oder Energie-Impulstensoren auf. 7.3.3 Ebene Wellen Der Zustand eines freien Teilchens mit einem bestimmten Impuls und einer bestimmten Energie wird durch eine ebene Welle der Form ψp = p ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 1 2ω(k ) e−ikx up (7.41) 7. Das Diracsche Elektron 7.4. Ankopplung ans elektromagnetische Feld 133 beschrieben. Der Index p bezeichnet den 4−er Impuls p = ~k und p ω(k ) = + k 2 + µ2 ist die Kreisfrequenz der Lösung. Das Spinorfeld ψp (x) löst die freie Dirac-Gleichung falls der konstante Spinor up der algebraischen Gleichung (k/ − µ)up = 0 (7.42) genügt. Für p0 c = ~ω beschreibt ψp eine Lösung mit positiver Energie und für p0 c = −~ω mit negativer Energie. Wir normieren die konstanten Spinoren nach der invarianten Vorschrift ūp up = 2µ sign(p0 ). (7.43) Die Multiplikation von (7.42) mit ūp ergibt ūp k/ up = µūp up = 2µ2 = 2k 2 , so dass ūp γ µ u = 2k µ gilt. Der 4-Vektor für die Stromdichte ist j µ = ψ̄p γ µ ψp = 1 kµ ūp γ µ up = . 2ω ω (7.44) Für eine Lösung mit positiver Energie ist j = (1, v ) wenn v die Teilchengeschwindigkeit ist. Demnach sind die Funktionen ψp auf „ein Teilchen im Volumen V = 1„ normiert. 7.4 Ankopplung ans elektromagnetische Feld Die Kopplung von geladenen spin- 12 Teilchen mit Ladung e an das elektromagnetische Feld, beschrieben durch das 4-er Potential Aµ = (φ, −A), ergibt sich durch Ersetzen der gewöhnlichen durch die kovariante Ableitung ∂µ −→ Dµ = ∂µ + ie Aµ , ~c (7.45) so dass in Anwesenheit von elektromagnetischen Felder die Dirac-Gleichung folgendermaßen aussieht: /− iD mc / = γ µ Dµ . ψ=0 , D ~ (7.46) Wie wir früher gesehen haben, transformiert die kovariante Ableitung, und damit der ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 7. Das Diracsche Elektron 7.5. Hamiltonscher Formalismus 134 / kovariant unter Eichtransformationen Diracoperator D, / A e−ieλ/~c , / A′ = eieλ/~c D D wobei A′µ = Aµ − ∂µ λ ist. Falls also ψ die Dirac-Gleichung im Potential A löst, so löst ψ ′ = eieλ/~c ψ die DiracGleichung im eichtransformierten Potential A′ . Offensichtlich ist die lokale Feldtransformation (A, ψ) −→ (A′ , ψ ′ ) die Eichsymmetrie der Dirac-Gleichung. Nach dem Theorem von Emmy Noether gehört zu dieser U(1)-Symmetrie ein erhaltener Strom. Im vorliegenden Fall ist dies der Strom j µ (x) = ψ̄(x)γ µ ψ(x) , ∂µ j µ = 0. Übungsaufgabe: Man beweise explizit, unter Zuhilfenahme der Dirac-Gleichung und der daraus folgenden Dirac-Gleichung für den konjugierten Spinor, ie mc i ∂µ − Aµ ψ̄γ µ + ψ̄ = 0, ~c ~ das die elektromagnetische Stromdichte erhalten ist. 7.5 Hamiltonscher Formalismus Wir wollen die Dirac-Gleichung (7.46) in eine Hamiltonsche Form mit einem hermiteschen Hamilton-Operator bringen. Dazu multiplizieren wir die Gleichung mit γ 0 , so dass folgt mc 0 iD0 ψ = −iγ 0 γ j Dj ψ + γ ψ, ~ oder durch Auflösung nach der Zeitableitung − ~ ∂ψ = Hψ i ∂t , H = c(α, π) + mc2 β + eA0 , (7.47) wobei wir die Matrizen αk = γ 0 γ k und β = γ 0 (7.48) definiert haben. Weiterhin ist π = p − ec A mit A = −(Ai ) der früher eingeführte kinetische Impuls Operator. Die α und β Matrizen spielen eine wichtige Rolle in der Hamiltonschen ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 7. Das Diracsche Elektron 7.5. Hamiltonscher Formalismus 135 Formulierung der Dirac-Theorie und wir wollen deshalb ihre Eigenschaften besprechen. Dazu notieren wir zuerst, dass in der chiralen Darstellung γ 0† = γ 0 und γ j† = −γ j ist, so dass γ 0 γ 0† γ 0 = γ 0 , γ 0 γ j† γ 0 = γ j gelten und damit die γ-Matrizen die Realitätsbedingungen γ 0 γ µ† γ 0 = γ µ (7.49) erfüllen. Diese Bedingungen gelten dann in jeder (unitär äquivalenten) Darstellung: γ̃ µ = Uγ µ U −1 −→ γ̃ 0 γ̃ µ† γ̃ 0 = Uγ 0 U −1 U †−1 γ µ† U † Uγ 0 U −1 Uγ µ U −1 = γ̃ µ . Wegen der Realitätseigenschaften (7.49) gilt β† = β , αj† = γ j† γ 0 = γ 0 γ 0 γ j† γ 0 = αj | {z } γj und die Matrizen αj und β sind hermitesch. Damit ist der Hamilton-Operator H in (7.47) (formal) selbstadjungiert H = H †. (7.50) Unter Benutzung der Dirac-Algebra beweist man leicht die folgenden Antikommuationsregeln {β, αj } = 0 , {αi , αj } = 2δij und {β, β} = 2. Die zweite Identität beweist man zum Beispiel folgendermaßen: {αi , αj } = γ 0 γ i γ 0 γ j + γ 0 γ j γ 0 γ i = −(γ 0 )2 {γ i , γ j } = 2δij 1. Definieren wir α4 = β, so lassen sich die Realitätseigenschaften und Antikommutatoren folgendermaßen zusammenfassen: ᵆ = αµ 7.5.1 und {αµ , αν } = 2δµν . (7.51) Kräftefreie Lösungen der Dirac-Gleichung Hier wollen wir die Energien und Eigenfunktionen des freien Dirac-Hamilton-Operators diskutieren: Hψ = Eψ ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II , H = c(α, p ) + mc2 β ≡ αµ ξµ , (7.52) 7. Das Diracsche Elektron 7.5. Hamiltonscher Formalismus 136 wobei wir (ξµ ) = (cp1 , cp2 , cp3 , mc2 )T eingeführt haben. Mit finden wir X 1 (αµ ξµ )2 = ξµ ξν αµ αν = ξµ ξν {αµ , αν } = ξµ2 2 (H + E)(H − E)ψ = (ξµ ξµ − E 2 )ψ = (c2 p 2 + m2 c4 − E 2 )ψ = 0. (7.53) Da die Impulse mit dem freien Hamilton-Operator vertauschen, können wir annehmen, dass diese feste Werte haben (uneigentliche Wellenfunktionen). Die Energien sind dann p E = ±c m2 c2 + p 2 = ±~ω(p), (7.54) wobei ω(p) > 0 die zu p gehörende Kreisfrequenz des Teilchens ist. Beide Energien, ~ω und −~ω kommen vor. Dies sind die beiden einzigen Eigenwerte von H (zu gegebenen Impuls) und beide sind jeweils 2-fach entartet. H 2 ist diagonal im Spinraum, H 2 = c2 p 2 + m2 c4 , und damit leicht zu diagonalisieren. Seine Eigenfunktionen sind ebene Wellen multipliziert mit einem konstanten 4-Spinor. Wir wollen nun die komplizierteren stationären Eigenzustände von H (und nicht nur von H 2 ) konstruieren. Dazu führen wir die Projektoren auf die Unterräume mit positiver und negativer Energie ein: H 1 ω 1± . (7.55) P± = 2 ~ω Aus H 2 ψ = E 2 ψ mit E = ~ω folgt unmittelbar 1 H H ~ω 1 ω ψ = (H ± ~ω)ψ = ± 1± ψ = ±~ωP±ω ψ HP± ψ = H 1 ± 2 ~ω 2 2 ~ω und deshalb projizieren P±ω auf die Unterräume mit positiver und negativer Energie. Wegen P±ω† = P±ω , P+ω + P−ω = 1 und P+ω P−ω = P−ω P+ω = 0 sind die P±ω orthogonale Projektoren. In der Dirac(Standard) Darstellung sind σ0 0 0 σj 0 j γ =β= und γ = , 0 −σ0 −σj 0 (7.56) so dass αj = σ1 ⊗ σj gilt. Deshalb haben diese orthogonalen Projektoren die explizite Form 1 (1 ± mc2 /~ω)σ0 ±c (σ, p)/~ω ω . (7.57) P± = ±c (σ, p)/~ω (1 ∓ mc2 /~ω)σ0 2 ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 7. Das Diracsche Elektron 7.6. Ladungskonjugation 137 Für ein Teilchen in Ruhe ist p = 0 und ~ω0 = mc2 . Dann projizieren P± auf die unteren und oberen Komponenten eines Spinors, σ0 0 0 0 ω0 ω0 P+ = und P− = . (7.58) 0 0 0 σ0 Also wird in der Dirac-Darstellung ein ruhendes Teilchen mit positiver Energie durch eine konstanten Spinor mit oberen Komponenten beschrieben und „ein Teilchen mit negativer Energie“ durch einen konstanten Spinor mit unteren Komponenten. 7.6 Ladungskonjugation Im Folgenden wählen wir oft (es sei denn, wir diskutieren den nichtrelativistischen, ultrarelativistischen oder semiklassischen Grenzfall) Einheiten, für welche (7.59) ~=c=1 ist. Diese Wahl ist in der Hochenergiephysik üblich. Die korrekten Potenzen von ~ und c im Endresultat können über eine Dimensionsanalysis wieder eindeutig reproduziert werden. In diesen sehr genehmen Einheiten werden alle Felder, Massen und Ladungen in Potenzen einer Länge L gemessen: h mc i Masse: = [m] = L−1 ~ 2 e Ladung: = [e2 ] = L0 ~c i he Aµ = [Aµ ] = L−1 ⇒ [E] = [B] = L−2 Potential: ~c Spinor: [Q] = L0 ⇒ [j µ ] = [ψ̄γ µ ψ] = L−3 ⇒ [ψ] = L−3/2 . Nun wollen wir die Ladungskonjugation zuerst in einer Majorana-Darstellung, in welcher alle γ-Matrizen imaginär sind, iσ1 0 0 iσ1 iσ3 0 σ2 0 3 2 1 0 (7.60) , γ = , γ = , γ = γ = 0 −iσ1 iσ1 0 0 iσ3 0 σ2 und in der 0 1 2 3 γ5 = iγ γ γ γ = 0 iσ1 −iσ1 0 , ist, diskutieren. Sei nun ψ̂ = ψ †t der zu ψ komplex konjugierte Spinor (ψ̄ ist bereits belegt). Komplex ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 7. Das Diracsche Elektron 7.6. Ladungskonjugation 138 konjugieren wir die Dirac-Gleichung in der Majorana-Darstellung, c.c. (iγ µ (∂µ + ieAµ ) − m) ψ = 0 −→ (iγ µ (∂µ − ieAµ ) − m) ψ̂ = 0 (7.61) so sehen wir, dass ψ̂ eine Lösung der Dirac-Gleichung mit umgekehrter Ladung ist, e −→ −e. Mit Hilfe von ψ̄ = ψ † γ 0 =⇒ ψ † = ψ̄γ 0 und ψ̂ = γ 0T ψ̄ T = −γ 0 ψ̄ T können wir die Ladungskonjugation eines Spinors folgendermaßen schreiben ψc = −iψ̂ = C ψ̄ T , (7.62) wobei in der Majorana-Darstellung C = iγ 0 ist. In dieser Darstellung gilt offensichtlich CC † = 1 und damit C −1 = C † , C T = −C T . (7.63) In jeder unitär äquivalenten Darstellung, ψ → ψ̃ = Uψ , γ̃ µ = Uγ µ U −1 soll dann entsprechend gelten ¯T ψ̃c = C̃ ψ̃ . Dies ist äquivalent zu Uψc = C̃(U −1 )T ψ̄ T oder auch zu ψc = U −1 C̃(U −1 )T ψ̄ T = C ψ̄ T . Die letzte Gleichung impliziert, dass in der neuen Darstellung die C-Matrix folgende Form hat C̃ = UCU T . (7.64) Nun folgt unmittelbar, dass die Eigenschaften (7.63) auch für die getildete C-Matrix gelten und daher darstellungsunabhängig sind. Wie man in der Majorana-Darstellung leicht nachrechnet, ist weiterhin C −1 γ µ C = −(γ µ )T , (7.65) und wiederum gilt diese Beziehung in jeder Darstellung. Durch die Ladungskonjugation (7.62) geht eine Lösung für ein Elektron zu negativer (positiver) Energie, ψ ∼ e−iEt , in eine Lösung für ein Positron da e → −e) zu positiver ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 7. Das Diracsche Elektron 7.7. Nichtrelativistische Näherung 139 (negativer) Energie über. Daraus folgt insbesondere, das H(e) nach unten unbeschränkt ist, da H(−e) sicher nach oben unbeschränkt ist. Dies ist die Schwierigkeit mit den negative Energielösungen, welche wir schon bei der Lösung der Klein-Gordon-Gleichung hatten. Genauso wie für skalare Felder wird dieses Problem durch die Uminterpretation der Lösungen negativer Energie umgangen. 7.7 Nichtrelativistische Näherung Die Dirac-Darstellung (7.56) ist besonders geeignet zur Untersuchung des nichtrelativistischen Grenzfalls der Dirac-Gleichung in der Hamiltonschen Form (7.47). Für ein langsames Teilchen ist die Energie bis auf kleine Korrekturen die Ruheenergie mc2 und deshalb ist 2 es angebracht den schnell oszillierenden Faktor e−iEt ∼ e−imc t abzuspalten, φ 2 e−imc t . (7.66) ψ= χ In der Dirac-Darstellung lautet der Hamilton-Operator (mc2 + eA0 )σ0 cσ · π H= cσ · π (−mc2 + eA0 )σ0 (7.67) und wir erhalten die gekoppelten Wellengleichungen (i∂t − eA0 )φ = c σ · πχ (i∂t − eA0 + 2mc2 )χ = c σ · πφ. (7.68) Speziell für p = 0 und Aµ = 0 ist χ = 0 und φ = konstant die Lösung mit positiver Energie. Für kleine Impulse und Felder verglichen mit c wird also χ/φ relativ klein sein. In einer Entwicklung nach 1/c muss man in 1.Näherung links in der zweiten Gleichung in (7.68) nur den letzten Term mitnehmen, d.h. χ= 1 e σ · πφ , π = p − A. 2mc c Eingesetzt in die erste Gleichung finden wir dann (i∂t − eA0 )φ = 1 (σ · π)2 φ. 2m Mit der Identitäten i σi σj πi πj = π 2 + ǫijk [πi , πj ]σk 2 ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II und [πi , πj ] = ieǫijk Bk (7.69) 7. Das Diracsche Elektron 7.7. Nichtrelativistische Näherung 140 finden wir schlussendlich i~∂t φ = H (1) φ , H (1) = e~ 1 2 π + eA0 − σ · B. 2m 2mc (7.70) Wir erhalten also den nichtrelativistischen Pauli-Hamilton-Operator mit der korrekten Kopplung an das Magnetfeld. Das magnetische Moment des Elektrons ist µ= e~ e σ= S 2mc mc 1 , S = ~σ. 2 (7.71) Der Diracsche Wert g = 2 für den gyromagnetische Faktor ist in guter Übereinstimmung mit dem Experiment, gexp − 2 ∼ α/π ∼ 2.32 × 10−3 . Die Abweichung von 2 wird von der Quantenfeldtheorie für Elektronen und Photonen, der QED, erklärt. Um Korrekturen höherer Ordnung in 1/c zu berechnen, lohnt es sich, ein systematische Methode zu entwickeln. Diese wird durch die Foldy-Wouthuysen-Transformation geliefert. 7.7.1 Die Foldy-Wouthuysen Transformation Für p = 0 und Aµ = 0 ist H= mc2 σ0 0 0 −mc2 σ0 und hat zwei Arten von Eigenvektoren: ∗ E>0: und E < 0 : 0 , 0 , ∗ wobei ∗ für einen beliebigen 2-komponentigen Spaltenvektor und 0 für den 2-komponentigen Nullvektor stehen. Für von Null verschiedenen Impulse und Eichpotentiale sind die „kleinen“ und „großen“ Komponenten des Diracspinors gekoppelt. Ziel der FW-Transformation ist es, die kleinen und großen Komponenten vermittels einer unitären Transformation ψ ′ = eS ψ, S † = −S (7.72) zu entkoppeln, d.h. der transformierte Hamilton-Operator soll die Form ′ H+ 0 ′ H = , 0 H−′ haben, wenigstens in einer Entwicklung nach p/mc. Dazu führen wir zwei Klassen von Operatoren ein: Definition: Ein Operator E bzw. O heisst gerade bzw. ungerade, falls er folgende Form ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 7. Das Diracsche Elektron 7.7. Nichtrelativistische Näherung 141 hat E= ∗ 0 0 ∗ bzw. O = 0 ∗ ∗ 0 . In der Diracdarstellung ist β = σ3 ⊗ σ0 , so dass 0 −b a b a 0 a b ,β = 2 und ,β = 2 c d c 0 c d 0 −d gilt. Deshalb kann man die geraden und ungeraden Operatoren auch durch [β, E] = 0 und {β, O} = 0 (7.73) charakterisieren. Jeder Operator ist eindeutig eine Summe eines geraden und eines ungeraden Operators, e.g. H = mc2 β + E + O, mit E = eA0 , O = c(α, π). (7.74) Als nächstes studieren wir die Transformation von H unter (7.72). Aus ~ − ∂t ψ = Hψ i und ψ ′ = eS ψ folgt unmittelbar ~ ~ ~ ~ − ∂t ψ ′ = − (eS ),t ψ − eS ∂t ψ = − (eS ),t e−S ψ ′ + eS He−S ψ ′ i i i i und damit lautet der transformierte Hamilton-Operator ~ H ′ = eS He−S − (eS ),t e−S . i (7.75) Für verschwindende Impulse und elektromagnetische Potentiale ist S = 0. Wir erwarten also, dass S für kleine Impulse und Potentiale „klein“ sein wird und entwickeln deshalb (7.75) in Potenzen von S. Der erste Term hat die Entwicklung S −S e He ∞ X 1 1 (adS)k H, = H + [S, H] + [S, [S, H]] + . . . = 2 k! 0 (7.76) wobei adS die lineare Abbildung (adS)H = [S, H] bezeichnet. Den zweiten Term in (7.75) gewinnt man, indem man ∞ X λk −λS d λS −λS λS λS −λS λS −λS (e ),t e = e S ,t e − e ,t Se = e S,t e = (adS)k S,t , dλ k 0 ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 7. Das Diracsche Elektron 7.7. Nichtrelativistische Näherung 142 bezüglich λ von 0 bis 1 integriert, ∞ X eS ,t e−S = 0 1 (adS)k S,t . (k + 1)! Damit finden wir schlussendlich 1 1 ′ H =H + [S, H] + [S, [S, H]] + [S, [S, [S, H]]] + . . . 2! 3! 1 1 ~ S,t + [S, S,t ] + [S, [S, S,t ]] + . . . − i 2! 3! (7.77) (7.78) Wir wenden dies auf den Dirac-Hamilton-Operator (7.74) an. Wir wählen S so, dass der führende Term in einer Entwicklung nach 1/c des ungeraden Operators O in (7.74) verschwindet. Um dieses S zu finden, betrachten wir nur die führenden Terme [S, H]+i~S,t in der Transformation (7.78). Da S zeitunabhängig gewählt werden kann, ist H ′ ∼ mc2 β + E + O + [S, mc2 β], (7.79) wobei wir nur den führenden Term von [S, H] in einer Entwicklung nach 1/c berücksichtigt haben. Nun müssen wir S so bestimmen, dass [S, mc2 β] = −O ist. Das gesuchte S lautet S= 1 β · O, 2mc2 wie man problemlos beweist: 1 1 [S, mc2 β] = [βO, β] = β[O, β] = −β 2 O = −O. 2 2 In der zweitletzten Gleichung benutzten wir, dass ein ungerader Operator mit β antivertauscht. Das so bestimmte S benutzen wir nun in (7.74) und berechnen H ′ bis zur gewünschten Ordnung in 1/c. Der transformierte Hamilton-Operator hat die Form H ′ = mc2 β + E ′ + O′ , wobei aber O′ noch nicht von der gewünschten Ordnung in 1/c ist. Deshalb wird dieser Schritt iteriert: ′ ψ ′′ = eS ψ ′ und H ′′ = H ′ + [S ′ , H ′] + . . . , wobei S ′ so gewählt wird, dass [S ′ , mc2 β] = −O′ ist, d.h. S′ = ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 1 βO′ . 2mc2 7. Das Diracsche Elektron 7.7. Nichtrelativistische Näherung 143 Damit wird H ′′ = mc2 β + E ′′ + O′′ . Nach nochmaliger Iteration findet man dann den bis zur Ordnung 1/c2 entkoppelten Hamilton-Operator H 7.7.2 ′′′ 1 2 1 2 2 2 = β mc + π − (π ) + . . . + eA0 2m 8m3 c2 e~ (σ, B) β − 2mc e~ ie~ (σ, ∇ ∧ E ) − (σ, E ∧ p) − 2 3 8m c 4m2 c2 e2 ~2 − ∇·E +··· 8m2 c2 (7.80) Interpretation der Terme Wir werden nun die Terme in (7.80) mit bereits bekannten Termen vergleichen. Wegen √ 1 1 2 2 2 2 2 2 2 π − (π ) . . . + eA0 c m c + π + eA0 ∼ mc 1 + 2m2 c2 8m4 c4 ist die erste Zeile in (7.80) die semirelativistische Entwicklung der kinetischen Energie eines Teilchens. Die zweite Zeile in (7.80) ist die bekannte Kopplung des magnetischen Moments an das Magnetfeld mit g = 2. Zur Interpretation der dritten Zeile wollen wir eine statisches Feld annehmen, ∇ ∧ E = 0, so dass E = −∇φ gilt und weiterhin, dass φ nur von r abhängt, ∇φ = φ,r x /r. Dann vereinfacht sich die dritte Zeile in (7.80) zu e~ φ,r e φ,r (σ, x ∧ p) = (S , L) 2 2 2 2 4m c r 2m c r und führt zu einer Kopplung des Spins mit dem Drehimpuls. Beachte, dass in dieser SpinBahn-Kopplung ~ nicht vorkommt. Dieser klassische Beitrag zu H ist der sogenannte Thomas-Term . Seine klassische Erklärung ist, dass im Ruhesystem des Elektrons das elektromagnetische Feld einen magnetischen Anteil hat (im Laborsystem gibt es nur ein elektrisches Feld) und dieses B-Feld wechselwirkt mit dem Spin des Elektrons. Der letzte Term in (7.80) ist der sogenannte Darwin-Term. Er ist nur innerhalb der Quellen für das äußere Feld von Null verschieden. ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 7. Das Diracsche Elektron 7.8 7.8. Drehimpuls und kleine Lorentz-Transformationen 144 Drehimpuls und kleine Lorentz-Transformationen Wir wollen untersuchen, für welche äußeren Felder der Hamilton-Operator H drehinvariant ist. H ist drehinvariant falls er in jedem gedrehten Koordinatensystem gleich aussieht wie im ursprünglichen System. Wir müssen uns allerdings daran erinnern, dass unter einer Lorentz-Transformation ein Spinor gemäß ψ(x) −→ (Γ(A)ψ)(x) = S(A)ψ(Λ−1 x), A ∈ SL(2, C) (7.81) transformiert. Die auf Spinoren wirkende Operatoren transformieren dann unter LorentzTransformationen gemäß H −→ Γ(A)HΓ−1 (A). Deshalb ist ein Hamilton-Operator drehinvariant, falls −1 Γ(U)HΓ (U) = H, U ∈ SU(2), Λ(U) = 1 0 0T R , (7.82) gilt, wobei R eine eigentliche Drehung im Raum ist. Wegen S −1 γS = Λγ ist β drehinvariant und α ein Vektoroperator, S(U)βS −1 (U) = β und S(U)αS −1 (U) = R−1 α. (7.83) Deshalb findet man für den Hamilton-Operator im gedrehten System (~ = c = 1) Γ(U)HΓ−1 (U) ψ (t, x ) = {(α, p − RA(t, R−1 x )) + mβ + eA0 (t, R−1 x )}ψ(t, x ). Wir schliessen, dass H drehinvariant ist für drehinvariante Eichpotentiale, A0 (t, x ) = A0 (t, R−1 x ) und A(t, x ) = RA(t, R−1 x ). Diese Bedingungen implizieren folgende Form des Eichpotentials A0 = A0 (t, r) und A = x f (t, r), (7.84) und daraus folgt unmittelbar, dass das magnetische Feld verschwindet und das elektrische Feld ein Zentralfeld ist, E = x · g(t, r). Wie wir früher argumentiert haben werden die Transformation der Wellenfunktion bei Drehungen durch den gesamten Drehimpuls erzeugt. Wie bei der Behandlung des Elektronenspin sei also U(θ, e) = exp(−iθ e · σ/2) ∈ SU(2), ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II (7.85) 7. Das Diracsche Elektron 7.8. Drehimpuls und kleine Lorentz-Transformationen 145 eine „Drehung“ um die Achse e mit Winkel θ. Dann transformieren Spinorfelder mit i Γ(θ, e) ≡ Γ (U(θ, e)) = exp − θe · J . (7.86) ~ In der chiralen Darstellung haben die den Drehungen zugeordneten Spintransformationen die Form U 0 S(U) = = σ0 ⊗ U. 0 U Für U wählen wir eine quantenmechanische „Drehung“ (7.85) um die Achse e mit Winkel θ. Die entsprechende Drehung im Raum hat dann die Form R(θ, e) = exp(θ e · Ω). Die Ableitung von (Γ(θ, e)ψ)(t, x ) = (σ0 ⊗ U(θ, e)) ψ(t, R−1 (θ, e) x ) nach θ an der Stelle θ = 0 ergibt folgenden Gesamtdrehimpuls in der chiralen Darstellung, ~ J = L + σ0 ⊗ σ. 2 (7.87) Die Drehinvarianz (7.82) ist äquivalent zu [H, J ] = 0, J = L + S, S= ~ σ0 ⊗ σ. 2 (7.88) Im Folgenden werden wir aber die Dirac-Darstellung benutzen, so dass wir uns als Nächstes überlegen, wie der Spin in einer beliebigen Darstellung aussieht. Dazu müssen wir S(A) für beliebige Darstellungen der Dirac-Algebra konstruieren. Wir führen die 6 Matrizen Σαβ = 1 α β γ ,γ 4i (7.89) ein. Diese haben folgende Vertauschungsrelationen mit den γ-Matrizen und untereinander: Σαβ , γ µ = i g αµ γ β − g βµγ α [Σαβ , Σµν ] = i (gαµ Σβν + gβν Σαµ − gαν Σβµ − gβµ Σαν ) . ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II (7.90) (7.91) 7. Das Diracsche Elektron 7.8. Drehimpuls und kleine Lorentz-Transformationen 146 Es sei nun µ Γ (θ) = S −1 µ (θ)γ S(θ), wobei S(θ) = exp i αβ , θ ωαβ Σ 2 ωαβ = −ωβα eine einparametrige Gruppe von Transformationen mit S(0) = 1. Unter Benutzung von (7.90) findet man die folgende einfache gewöhnliche Differentialgleichung für S(θ), d µ Γ (θ) = ω µν Γν (θ), dθ welche mit Γµ (0) = γ µ folgende eindeutige Lösung hat, Γµ (θ) = S −1 (θ)γ µ S(θ) = Λ(θ)µν γ ν Λ(θ) = exp(θω), ω = (ω µν ). (7.92) Nun erinnern wir uns daran, dass die Erzeugenden der Lorentzgruppe nach herunterziehen eines Index die antisymmetrischen Matrizen (ωµν ) sind. Deshalb ist Λ(θ) eine LorentzTransformation. Setzen wir noch θ = 1 so erhalten wir S −1 µ γ S= Λµν γ ν mit S = exp i ωαβ Σαβ 2 und Λ = exp(ω). (7.93) Also ist S die gesuchte Verallgemeinerung von S(A) in (7.29) für beliebige Darstellungen. Jeder Spintransformation S ist eine Lorentz-Transformation Λ gemäß (7.93) zugeordnet. Die Abbildung S → Λ(S) definiert eine Darstellung der „Spintransformationen“ als Lorentz-Transformationen. Nun leiten wir (Γ(θ)ψ)(x) = S(θ)ψ Λ−1 (θ)x an der Stelle θ = 0 ab und erhalten für die infinitesimalen Lorentz-Transformationen d i (7.94) (Γ(θ)ψ) (x) = (Γ∗ (ω))ψ(x) = ωαβ M αβ + Σαβ ψ(x), dθ θ=0 2 wobei wir die Differentialoperatoren erster Ordnung, Mαβ = 1 (xα ∂β − xβ ∂α ) , i einführten. Diese Operatoren Mαβ erfüllen diesselben Vertauschungrelationen wie die Σαβ in (7.91). Damit erfüllen die infinitesimalen Erzeugenden der Lorentzgruppe, Jαβ = Mαβ + Σαβ , ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II (7.95) 7. Das Diracsche Elektron 7.9. Elektronen in elektromagnetischen Wellenfeldern 147 ebenfalls die Vertauschungrelationen (7.91) der Lorentz-Algebra. Die Drehimpulse sind die Erzeugenden der Raumdrehungen und als solche mit den räumlichen Komponenten J ij von J µν verbunden. Wegen 2 ǫkij M ij = − Lk ~ und ǫkij Σij = 1 ǫkij γ i γ j 2i müssen wir den Spin eines Teilchens in J = L + S folgendermaßen definieren: Sk = − ~ ~ ǫkij γ i γ j = − ǫkij Σij . 4i 2 (7.96) In der Dirac- und der chiralen Darstellung findet man für die Spinoperatoren, S= ~ σ0 ⊗ σ 2 (7.97) und in der Majorana-Darstellung lauten sie S= 7.9 ~ {−σ2 ⊗ σ0 , −σ3 ⊗ σ2 , σ1 ⊗ σ2 } . 2 (7.98) Elektronen in elektromagnetischen Wellenfeldern Die Diracsche Gleichung wurde 1928 publiziert [20] und sieben Jahre später veröffentlichte Volkov seine Lösung für die Bewegung von Elektronen in ebenen elektromagnetischen Wellen [21]. Diese Lösung taucht öfter in Arbeiten über Laseroptik auf und soll hier besprochen werden. Zur Vorbereitung untersuchen wir die aus der Diracgleichung abgeleitete zweite-Ordnungs-Gleichung. Sie ist ähnlich der Klein-Gordon-Gleichung, enthält aber einen zusätzlichen Pauli-Term. 7.9.1 Zweite Ordnungs-Gleichung Für einige Anwendungen ist es nützlich, die Dirac-Gleichung in eine Differentialgleichung zweiter Ordnung in der Zeit umzuwandeln. Es sei ψ eine Lösung der Dirac-Gleichung / − µ ψ = 0, iD (7.99) wobei µ die inverse Compton-Wellenlänge des Elektrons bezeichnet. Wir multiplizieren / + µ und finden die zweite-Ordnungsgleichung mit iD / 2 + µ2 ψ = 0. D (7.100) ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 7. Das Diracsche Elektron 7.9. Elektronen in elektromagnetischen Wellenfeldern 148 Um das Quadrat des Dirac-Operator auszurechnen benutzen wir die Dirac-Algebra (7.4), die Matrizen (7.89) und den Kommutator zweier kovarianter Ableitungen in (6.52), /D / = γ µ γ ν Dµ Dν = D 1 ({γ µ , γ ν } + [γ µ , γ ν ]) Dµ Dν 2 e 1 = g µν Dµ Dν + [γ µ , γ ν ][Dµ , Dν ] = Dµ D µ − Σµν Fµν . 4 ~c Die führt auf die gesuchte Wellengleichung e −Dµ D µ + Fµν Σµν − µ2 ψ = 0. ~c (7.101) Es ist die Klein-Gordon-Gleichung mit einem zusätzlichen Term proportional zu Fµν Σµν , der die direkte Kopplung des elektromagnetischen Feldes an das magnetische und elektrische Moment des Teilchens beschreibt. Jede Lösung der Dirac-Gleichung ist eine Lösung von (7.101). Die Umkehrung ist nicht immer wahr. Für jede Lösung ψ von (7.101) ist aber / + µ)ψ eine Lösung der Dirac-Gleichung. (iD 7.9.2 Die Lösung von Volkov Das elektromagnetische Potential einer ebenen Welle hängt von Raum und Zeit nur über die Kombination ϕ = kx = kµ xµ ab, e Aµ = aµ (ϕ), ~c mit ϕ = kx, k 2 = 0. (7.102) Das Feld aµ hat die Dimension 1/Länge. Wir wählen die kovariante Lorentzeichung e ∂µ Aµ = kµ a′µ = (kµ aµ )′ = 0, ~c wobei der Strich die Ableitung nach dem Argument ϕ bezeichnet. Es folgt die Konstanz von kµ aµ . Wir dürfen die Konstante Null setzen, so dass kµ aµ ≡ ka = 0 gilt. Der Feldstärketensor hat die Gestalt e Fµν = kµ a′ν − kν a′µ . ~c ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II (7.103) (7.104) 7. Das Diracsche Elektron 7.9. Elektronen in elektromagnetischen Wellenfeldern 149 Anstelle der Dirac-Gleichung betrachten wir die zweite-Ordnungs Gleichung (7.101). In der Lorentzeichung ist D µ Dµ = ✷ + 2ia∂ − a2 und wegen (7.104) und (7.103) gilt 1 e k/ a Fµν Σµν = /′ − a /′ k/ = −ik/ a/′ , ~c 2i so dass die zweite-Ordnungs Gleichung folgende Form annimmt, −✷ − 2ia∂ + a2 − ik/a /′ − µ2 ψ = 0. (7.105) Hier folgen wir Volkov und machen den folgenden Lösungsansatz, ψ = e−iqx F (ϕ) mit q 2 = µ2 . (7.106) Mit Hilfe von k 2 = ka = 0 findet man für die Amplitude F folgende gewöhnliche Differentialgleichung erster Ordnung, 2i(qk)F ′ = 2aq − a2 + ik/a (7.107) /′ F. Die Lösung dieser Gleichung lautet Z ϕ i 1 k/a a2 1 / ′ √ up , F = exp − 1+ aq − dϕ kq 2 2 kq 2ω (7.108) mit einem konstanten Bispinor up /2ω. Beim Beweis benutzt man die Lorentzeichung in a /k/ = −k/ a / + {/a, k/ } = −k/ a / + 2kµ aµ = −k/ a / und dass k ein lichtartiger Vektor ist, so dass (k/a /′ )(k/a/) = −(k/k/)(/a′ a /) = −k 2 (/a′ a/) = 0 gilt. An dieser Stelle wird of the Hamilton-Jacobi-Funktion Z kx 1 a2 S = −qx − dϕ aq − kq 0 2 eingeführt. Damit schreibt sich die Lösung der zweiten Ordnungs-Gleichung 1 k/a / iS 1 e √ up . ψ = 1+ 2 kq 2ω ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II (7.109) (7.110) 7. Das Diracsche Elektron 7.9. Elektronen in elektromagnetischen Wellenfeldern 150 Dies ist im Allgemeinen noch keine Lösung der ersten-Ordnungs Gleichung. Aber wegen 1 k/a/ iS 1 / = 1+ e √ /qup . iDψ 2 kq 2ω ist sie eine derartige Lösung falls der konstante Spinor die freie Dirac-Gleichung erfüllt (/q − µ)up = 0 bzw. ūp (/q − µ) = 0. (7.111) Durch diese Bedingung werden die überflüssigen Lösungen der Gleichung zweiter Ordnung eliminiert. up ist also die Amplitude einer freien ebenen Welle. Als Normierungsvorschrift werden wir wie für ebene Wellen ūp up = 2µ wählen. Mit der Identität a /† γ 0 = γ 0 a / 2 / = 0 einen konstanten bilinearen Skalar finden wir mit k/ = {k/, A} 1 1 † † 1 † 0 u 1+ k/a a ψ̄ψ = / up / k/ γ 1 + 2ω p 2kq 2kq 1 1 µ 1 = ūp 1 + k/a a 1+ / up = . /k/ 2ω 2kq 2kq ω Dagegen hängt die Stromdichte von Raum und Zeit ab. Mit Hilfe der Identitäten a /k/γ µ + γ µ k/a / = 2(k µ a / − aµ k/ ) und a /k/γ µ k/a / = −2k µ a2 k/ und der aus (7.111) abgeleiteten Gleichung µ ūpγ µ up = q µ ūp up = 2µq µ findet man die Stromdichte 1 µ 1 1 µ µ 2 µ ūp γ + (k a/ − a k/) − k a k/ up ψ̄γ ψ = 2ω kq 2(kq)2 aq a2 1 µ µ µ q −a +k . − = ω kq 2kq µ (7.112) Für periodische Funktionen aµ (ϕ) sind die (zeitlichen) Mittelwerte Null, und der Mittelwert der Stromdicht ist 1 1 2 µ µ µ j̄ = q − (7.113) a k . ω 2kq Also ist die Stromdichte in einer harmonischen ebenen Welle aµ (x) = aµ0 cos(kx) gleich a20 µ 1 µ µ q − k . j̄ = ω 4kq ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II Kapitel 8 Das relativistische Zentralkraftproblem Eine wichtige Anwendung der Dirac-Gleichung ist die Berechnung des H-Atom Spektrums und hier insbesondere der Feinstruktur. Wie in der nichtrelativistischen Schrödingertheorie kann die Dirac-Gleichung im statischen Coulombfeld exakt gelöst werden. Die Resultate (wenn man Strahlungkorrekturen berücksichtigt) sind in hervorragender Übereinstimmung mit den experimentellen Befunden. Die relevante Längenskala in der Atomphysik, der Bohrradius, ist etwa 137-mal größer als die Wellenlänge des Elektrons. Deshalb spielen für kleine Atome die Probleme mit den negativen Energien keine wesentliche Rolle. Für sehr große Atome wird der Diracsee aber zunehmend wichtiger, und die im Folgenden benutzte Einteilchen-Interpretation der Dirac-Theorie ist nicht mehr gerechtfertigt; es müssen andere Methoden angewandt werden. Für wasserstoffähnliche Ionen mit A = 0 und eA0 = V (r) ist der Hamilton-Operator drehinvariant. Bis zur expliziten Lösung der radialen DiracGleichung wollen wir aber ein beliebiges radialsymmetrisches Potential V (r) zulassen. Erst gegen Schluss dieses Kapitels werden wir uns auf das wichtige Coulomb-Potential von H-ähnlichen Ionen beschränken. Für jedes V (r) vertauscht der Gesamtdrehimpuls Jk = Lk − ~ ǫkij γ i γ j 4i mit dem Hamilton-Operator H = c(α, p) + βmc2 + V (r). 151 (8.1) 8. Das relativistische Zentralkraftproblem 8.1. Transformation auf Polarkoordinaten In der Dirac-Darstellung lauten die auftretenden Matrizen σ0 0 0 σ 0 σ0 σ β= , α= = 0 −σ0 σ 0 σ0 0 0 0 σ 152 ≡ ρ1 σ, wobei wir die im Folgenden oft benutzte Matrix ρ1 einführten. Der Gesamtdrehimpuls ist blockdiagonal 1 ~ (8.2) J = x ∧p + σ =L+S = ~ M + σ . 2 2 Ob mit σ die 2 oder 4-dimensionalen Matrizen gemeint sind, geht jeweils aus dem Zusammenhang hervor. In (8.2) sind die σi offensichtlich 4 × 4-Matrizen. Wir werden öfter die Eigenschaften ρ21 = 1 und {β, ρ1 } = 0 ρ1 σ = σρ1 , (8.3) benutzen. Im letzten Kapitel sahen wir, daß der gesamte Drehimpuls J erhalten ist, [J , H] = 0. Entsprechend gibt es folgende Integrale in Involution (Konstanten der Bewegung): J 2, J3 und H. (8.4) Ich erinnere daran, daß die Eigenwerte m von L3 /~ die ganzen Zahlen zwischen −ℓ und ℓ sind. Da aber S3 = ~σ3 /2 ist, sind die möglichen Eigenwerte von J3 /~ gleich −(ℓ + 1 ), −(ℓ − 12 ), . . . , (ℓ + 12 ) und deshalb sind die Eigenwerte des Gesamtdrehimpuls gleich 2 ~2 j(j + 1) mit j ∈ 1 + N0 . 2 Insbesonders tritt die Quantenzahl j = 0 nicht auf. 8.1 Transformation auf Polarkoordinaten Ähnlich wie in der Schrödingertheorie wollen wir die Winkelvariablen abspalten. Wegen der Spinfreiheitsgrade des relativistischen Elektrons ist diese Transformation auf Polarkoordinaten aber etwas komplizierter als in der nichtrelativistischen Theorie. Zuerst projizieren wir die Vektoroperatoren α und p auf den Vektoroperator x . Dazu definieren wir die drehinvariante r-Komponente αr von α: r · αr ≡ (x , α). ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 8. Das relativistische Zentralkraftproblem 8.2. Der Diracsche Erhaltungssatz 153 Offensichtlich gilt αr† = αr , αr2 = 1 1 x x {αi , αj } = 1 und {αr , β} = 0. i j r2 2 (8.5) Der drehinvariante radiale Impuls ist gegeben durch r · pr ≡ (x , p) = ~ ∂ r . i ∂r In der Quantenmechanik I haben sie gelernt, daß der Operator pr nicht hermitisch ist, † 2~ ~ ~ † pr = . + pr aber pr + = pr + ir ir ir Nach diesen Vorbereitungen wollen wir nun die Terme im Dirac-Hamilton-Operator umschreiben. Um (α, p ) durch drehinvariante Größen auszudrücken, berechnen wir zuerst (8.3) (x , α)(α, p) = (x , ρ1 σ)(p, ρ1 σ) = ρ21 (x , σ)(p, σ) = (x , p) + i(x ∧ p, σ) = rpr + i(L, σ). Mit (x , α) = rαr und αr2 = 1 können wir diese Gleichung nach (α, p ) auflösen: i (α, p) = αr pr + αr (L, σ). r (8.6) Eingesetzt in Hamilton-Operator finden wir L·σ + βmc2 + V (r). H = c αr pr + iαr r (8.7) Im nächsten Schritt ersetzen wir das Produkt von Drehimpuls und Spin durch eine von Dirac eingeführte erhaltene Größe. 8.2 Der Diracsche Erhaltungssatz Bei der Berechnung des Spektrums von H wird der folgende drehinvariante hermitesche 4 × 4 Matrixoperator k = β (M · σ + 1) , M = L/~ (8.8) eine außerordentlich nützliche Rolle spielen. Dieser Operator mißt die Parallelität des Spins und Bahndrehimpulses. Wir werden zeigen, daß k mit H vertauscht. Doch zuerst ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 8. Das relativistische Zentralkraftproblem 8.2. Der Diracsche Erhaltungssatz 154 wollen wir seine Eigenwerte bestimmen. Dazu berechnen wir sein Quadrat. Da β mit σ vertauscht und M ∧ M = iM ist, rechnen wir k 2 = β(M · σ + 1)β(M · σ + 1) = (M , σ)2 + 2(M , σ) + 1 = (M , M ) + i(M ∧ M , σ) + 2(M , σ) + 1 = (M , M ) + (M , σ) + 1 2 = M + 21 σ − 41 σ 2 + 1 = (J /~)2 + 14 1. (8.9) Als Skalarprodukt von zwei Vektoroperatoren vertauscht der skalare Operator k mit dem Gesamtdrehimpuls [J , k] = 0. Wir können deshalb J 2 und k gleichzeitig diagonalisieren. Dies benutzen wir in der gerade abgeleiteten Formel für k 2 , um die Eigenwerte dieses Operators mit denjenigen von J 2 in Verbindung zu bringen. Wegen j(j + 1) + ist das Spektrum von k gleich 2 1 = j + 12 , 4 j∈ 1 2 + N0 k = {. . . , −2, −1, 1, 2, . . .} (0 fehlt). (8.10) Wir müssen noch beweisen, daß k mit dem Hamilton-Operator (8.7) vertauscht. Dazu berechnen wir die Kommutatoren der verschiedenen Terme in H mit k: • Der orbitale Drehimpuls L vertauscht mit einem radialsymmetrischen Potential und daher ist [k, V (r)] = 0. • Da σ mit β kommutiert, gilt auch [k, β] = 0 und [k, L · σ] = 0. • pr = x · p/r ist drehinvariant und vertauscht mit L und deshalb mit k: [k, pr ] = 0. • Es verbleibt noch zu zeigen, daß αr mit k kommutiert. Dies wollen wir nun beweisen. Da β mit x σ und ρ1 mit M σ vertauscht, ist [rαr , k] = [ρ1 x σ, β(M σ + 1)] = ρ1 β[x σ, M σ + 1] + [ρ1 , β](M σ + 1)x σ ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 8. Das relativistische Zentralkraftproblem 8.2. Der Diracsche Erhaltungssatz 155 Nun benutzen wir, daß ρ1 und β antivertauschen, so daß [ρ1 , β] = 2ρ1 β gilt und entsprechend ist [rαr , k] = ρ1 β ([x σ, M σ] + 2(M σ + 1)x σ) = ρ1 β ({x σ, M σ} + 2x σ) . Um zu zeigen, daß der Ausdruck in der Klammer verschwindet benutzen wir, daß x ein Vektoroperator ist, d.h. daß Mj xi = −iǫjpi xp + xi Mj gilt, und finden {x σ, M σ} = xi Mj {σi , σj } − iǫjpi xp σj σi = 2xM + ǫjpi ǫjik xp σk = −2x σ , (8.11) wobei wir berücksichtigten, dass xM = 0 verschwindet. Damit wäre bewiesen, daß der von Dirac eingeführte Operator k mit rαr vertauscht. Also vertauschen alle Terme in H mit k, was zu zeigen war. Nun können wir schlussendlich noch Lσ im Hamilton-Operator (8.7) durch k ersetzen, k = β(M σ + 1) =⇒ Lσ = ~(βk − 1). und finden αr H = c αr pr + i~ (βk − 1) + βmc2 + V (r) r ~ i~ = c αr p r + + αr βk + βmc2 + V (r). ir r (8.12) Wir haben die folgenden Integrale mit den angegebenen Eigenwerten in Involution: J 2 /~2 : j ∈ {1/2, 3/2, . . .} J3 /~ : k: H: µ ∈ {±1/2, ±3/2, . . .} k ∈ {±1, ±2, . . .} Ej,µ,k =? Wir wählen die Energie-Eigenzustände als Eigenzustände der kommutierenden Operatoren J 2 , J3 und k, und bezeichnen sie entsprechend mit ψj,µ,k . Nach Diagonalisierung dieser Operatoren wird erwartungsgemäß die Dirac-Gleichung zu einem System von gekoppelten gewöhnlichen Differentialgleichungen für die radialen Wellenfunktionen. Wir diagonalisieren zuerst J3 und danach k. Der Operator J 2 ist dann ebenfalls diagonal. Diagonalisierung von J3 : Wir benutzen wieder die zweier-Block Schreibweise, in der die Eigenwertgleichung für J3 folgende Form annimmt: L3 + 21 ~σ3 0 φ φ J3 ψj,µ,k = . =µ 0 L3 + 12 ~σ3 χ χ ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 8. Das relativistische Zentralkraftproblem 8.2. Der Diracsche Erhaltungssatz 156 Für die Komponenten des 2-er Spinor φ bedeutet dies L3 φ1 = ~(µ − 21 )φ1 und L3 φ2 = ~(µ + 12 )φ2 und analog für die Komponenten von χ. Wegen L3 Yℓm = ~mYℓm können wir daher setzen g1 (r)Yℓ,µ− 1 f1 (r)Yℓ,µ− 1 2 2 und χ = . (8.13) φ= f2 (r)Yℓ,µ+ 1 g2 (r)Yℓ,µ+ 1 2 Diagonalisierung von k: Wegen M σ + σ0 k= 0 2 0 −M σ − σ0 lauten die Eigenwertgleichungen für k folgendermaßen: (M σ + σ0 )φ = kφ und − (M σ + σ0 )χ = kχ. Mit Hilfe der Aufsteige- und Absteigeoperatoren, L± = L1 ± iL2 =⇒ [L3 , L± ] = ±L± , nimmt die Eigenwertgleichung für φ folgende Form an, L3 + ~ L− f1 Yℓ,µ− 1 f1 Yℓ,µ− 1 2 2 = ~k . L+ −L3 + ~ f2 Yℓ,µ+ 1 f2 Yℓ,µ+ 1 2 2 Der Aufsteige- bzw. Absteigeoperator L+ und L− erhöhen bzw. erniedrigen die magnetische Quantenzahl um Eins, p L± Yℓ,m = ~ (ℓ ∓ m)(ℓ ± m + 1)Yℓ,m±1, und die Eigenwertgleichung für φ schreibt sich gemäß q ! µ + 21 (ℓ + µ + 21 )(ℓ − µ + 12 ) f1 f1 q =k . f2 f2 −µ + 21 (ℓ − µ + 21 )(ℓ + µ + 12 ) Diese algebraische Gleichung hat nur eine nichtverschwindende Lösung falls 1 1 1 1 −µ + − k = µ + + ℓ −µ + + ℓ µ+ −k 2 2 2 2 gilt. Offensichtlich hat diese quadratische Gleichung die beiden Lösungen: 1/2 ℓ − µ + 21 k =ℓ+1>0: f2 = f1 ℓ + µ + 21 ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 8. Das relativistische Zentralkraftproblem k = −ℓ < 0 : 8.2. Der Diracsche Erhaltungssatz ℓ+µ+ f2 = − ℓ−µ+ 1 2 1 2 1/2 157 (8.14) f1 . Die entsprechenden φ und χ diagonalisieren wegen (8.9) auch das Quadrat des Gesamtdrehimpulses. Die Beziehung (8.9) zwischen J 2 und k 2 führt auf k = ℓ + 1 > 0 =⇒ j(j + 1) = k 2 − =⇒ j(j + 1) = k 2 − k = −ℓ < 0 1 4 1 4 = (ℓ + 12 )(ℓ + 23 ) oder j = ℓ + = (ℓ − 21 )(ℓ + 12 ) oder j = ℓ − 1 2 1 . 2 Wir können also die folgenden Ersetzungen vornehmen: j =ℓ+ 1 2 ←→ k = j + 1 2 und j = ℓ − 1 2 ←→ k = − j + oder zusammengefasst k = (−)ℓ+1/2−j j + 1 2 . 1 2 , (8.15) Normieren wir die numerischen Koeffizienten von φ1 und φ2 , so finden wir, wenn wir noch die analogen Resultate für die Komponenten von χ hinzufügen, folgende Eigenfunktionen: + f (r) ξjµ 1 1 ψj,µ,k = k = ℓ + 2 > 0, j = ℓ + 2 : − g(r) ξjµ − f (r) ξjµ 1 k = −ℓ < 0, j = ℓ − 2 : , (8.16) ψj,µ,k = + g(r) ξjµ Bezeichnet cjµ die positive Wurzel von (j + µ)/2j, dann lauten die Spinor-Harmonischen j j+1 cµ Yj−1/2,µ−1/2 c−µ Yj+1/2,µ−1/2 + − ξjµ = und ξjµ = cj−µ Yj−1/2,µ+1/2 −cj+1 Yj+1/2,µ+1/2 µ Damit haben wir bis auf den Hamilton-Operator alle kommutierenden Integrale der Bewegung diagonalisiert. Ähnlich wie in der Schrödinger-Theorie vereinfacht sich die Eigenwertgleichung für H zu gewöhnlichen Differentialgleichungen für die radialen Funktionen f und g. Für die Dirac-Gleichung haben wir es aber mit zwei radialen Funktionen zu tun. Dies ist nicht ganz unerwartet, da die Dirac-Gleichung, im Gegensatz zur SchrödingerGleichung, eine Differentialgleichung erster Ordnung ist. Um die radiale Dirac-Gleichung abzuleiten und damit die Energieeigenwerte zu bestimmen, brauchen wir die Wirkung von αr auf den 4−komponentigen Wellenfunktionen: Wegen 1 0 nσ αr = x · α = nσ 0 r ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 8. Das relativistische Zentralkraftproblem 8.2. Der Diracsche Erhaltungssatz 158 ist für positive k αr ψj,µ,k = − g(r)σn ξjµ + f (r)σn ξjµ . Wir müssen also herausfinden wie σn auf die Spinor-Harmonischen ξ ± wirkt. Wir notieren noch einmal, daß aufgrund der Form von k, κ 0 k= , κ = Mσ +1 0 −κ die Spinor-Harmonischen ξ ± eindeutig charakterisiert sind durch: + ξjµ : + + j, µ, κξjµ = kξjµ − ξjµ : − − j, µ, κξjµ = −kξjµ , (8.17) wobei k ein positiver Eigenwert von k ist. • Da σn nur von den Winkelvariablen abhängt und sein Quadrat Eins ist, muß ξ → (σn)ξ eine Kombination von Spinor-Harmonischen mit derselben Norm als ξ sein. Weitherhin ist σn drehinvariant, d.h. vertauscht mit J , und deshalb haben ξ und (σn)ξ dieselben Quantenzahlen j und µ. • Als nächstes zeigen wir, daß (σn)ξ ein Eigenzustand von κ ist, falls ξ ein solcher war. Dazu beweisen wir, daß {σn, κ} = 0 ist. In der Tat ist {σn, κ} = {σn, M σ + 1} = {σn, M σ} + 2σn (8.11) = 0. Damit haben wir κ(σn)ξ ± = −(σn)κξ ± = ∓k(σn)ξ ± . ± ± Also haben (σn)ξjµ und ξjµ dieselben j und µ, aber entgegengesetztes k. Wir schließen, daß ± ∓ (σn)ξjµ = djµξjµ gelten muß. Um die Koeffizienten djµ zu finden, benutzen wir daß σn drehinvariant ist und daher mit J vertauscht. Also gilt insbesondere [J± , σn] = 0. Wir folgern ± ∓ ± ∓ (σn)ξjµ = djµ ξjµ =⇒ (σn)J± ξjµ = djµ J± ξjµ . ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 8. Das relativistische Zentralkraftproblem 8.3. Die radiale Dirac-Gleichung 159 Da J± ξjµ ∼ ξj,µ±1 ist, folgt unmittelbar, daß die Koeffizienten unabhängig von µ sind: ± ∓ (σ, n)ξjµ = dj ξjµ . Nun erinnern wir uns daran, daß die hermitesche Matrix σn zu 1 quadriert und deshalb normerhaltend ist, ∓ ∓ ± ± ± ± |dj |2 ξjµ , ξjµ = σn ξjµ , σn ξjµ = ξjµ , ξjµ Also ist dj eine von µ unabhängige Phase, welche durch Umdefinition der ξ − relativ zu den ξ + Eins gesetzt werden kann. Mit dieser Phasenkonvention folgt dann ± ∓ σn ξjµ = ξjµ , (8.18) + − d.h. das σn die Spinor-Harmonische ξjµ in ξjµ abbildet und umgekehrt. 8.3 Die radiale Dirac-Gleichung Wir wenden nun den Dirac-Operator (8.12) auf die Spinoren + f (r)ξjµ ψj,µ,k = , k > 0, − g(r)ξjµ an mit dem Resultat mc2 + V Hψj,µ,k = c(σn) (pr + ir~ ) + c(σn) (pr + ir~ ) − i~k −mc2 + V r i~k r + f ξjµ − gξjµ . Benutzen wir die Formeln (8.18), so finden wir folgende Gleichungen für die radialen Funktionen (die Spinor-Harmonischen können wie erwartet gekürzt werden) f und g: 1 ic~k ~c ′ g + g − g + (V + mc2 )f = Ef i r r ~c 1 ic~k ′ f + f + f + (V − mc2 )g = Eg. (8.19) i r r Für k < 0 haben die Eigenfunktionen die Form − f (r)ξjµ ψj,µ,k = , + g(r)ξjµ k < 0. Wiederum benutzt man (8.18) um die Gleichungen für die radialen Funktionen zu finden. Man findet exakt dieselben Gleichungen wie für k > 0, d.h. die gekoppelten gewöhnlichen Differentialgleichungen (8.19). ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 8. Das relativistische Zentralkraftproblem 8.3. Die radiale Dirac-Gleichung 160 Wie in der Schrödingertheorie führen wir die neuen Radialfunktionen F = rf ⇒ F ′ = rf ′ + f und G = irg ⇒ G′ = irg ′ + ig (8.20) ein. Mit diesen reskalierten Funktionen vereinfachen sich die radialen zu k mc2 − E G′ + G = F+ r ~c mc2 + E k G− F′ − F = r ~c V F ~c V G. ~c (8.21) Gebundene Zustände sind normierbar. Für die reskalierten Funktionen bedeutet dies, daß Z dr |F |2 + |G|2 = 1 (8.22) gelten muß, damit der Zustand gebunden ist. Asymptotisches Verhalten der Radialfunktionen: Wir setzen a1 = mc2 − E ~c und a2 = mc2 + E . ~c Für gebundene Zustände mit 0 < E < mc2 sind beide Zahlen positiv. Für r → ∞ vereinfachen sich die Differentialgleichungen zu G′ ∼ a1 F und F ′ ∼ a2 G ⇐⇒ F ′′ ∼ a1 a2 F und G′′ ∼ a1 a2 G. Also haben die Lösungen der radialen Dirac-Gleichung die asymptotische Form F ∼ e−ar und G ∼ e−ar , wobei a = √ a1 a2 = 1√ 2 4 m c − E2 ~c ist. Wir wollen nun dieses asymptotische Verhalten abspalten und definieren neue Radialfunktionen gemäß F = e−ar f˜ und G = e−ar g̃. (8.23) Für die neuen Funktionen sehen die radialen Dirac-Gleichungen folgendermaßen aus k V V k ′ ′ g̃ , g̃ − a − g̃ = a1 + f˜ = a2 − f˜. (8.24) f˜ − a + r ~c r ~c Wir machen nun einen Potenzreihenansatz für die geschlängelten Radialfunktionen: X X cs r s und g̃ = c′s r s , (8.25) f˜ = s∈s0 +N0 ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II s∈s0 +N0 8. Das relativistische Zentralkraftproblem 8.3. Die radiale Dirac-Gleichung 161 wobei N0 = {0, 1, 2, . . .} die natürlichen Zahlen (inklusive Null) bezeichnet. Um den Koeffizientenvergleich vorzunehmen, wollen wir jetzt annehmen, daß V das CoulombPotential von wasserstoffähnlichen Ionen ist, e2 Z αZ V =− =− . ~c ~c r r (8.26) Hier bezeichnet α die dimensionslose Sommerfeldsche Feinstrukturkonstante, α ∼ 1/137. Nun setzen wir die Potenzreihenansätze in die Dirac-Gleichung für die geschlängelten Radialfunktionen ein. Durch Koeffizientenvergleich von r s−1 findet man folgendes lineare Gleichungssystem für die Koeffizienten, (s − k)cs − acs−1 = Zαc′s + a2 c′s−1 (s + k)c′s − ac′s−1 = −Zαcs + a1 cs−1 , beziehungsweise die folgenden Rekursionsrelationen: s − k −Zα cs a a2 cs−1 = . Zα s + k c′s a1 a c′s−1 (8.27) Wegen a = a1 a2 hat die Matrix auf der rechten Seite eine verschwindende Determinante und ist singulär. Deshalb hat sie einen (links) Eigenvektor mit Eigenwert Null: a a2 = 0. (a, −a2 ) a1 a Multiplizieren wir also (8.27) skalar von links mit (a, −a2 ), so finden wir folgende Beziehung zwischen den c und c′ : i h i h (s − k)a − Zαa2 cs − (s + k)a2 + Zαa c′s = 0. (8.28) Schlussendlich müssen wir noch die Abbruchbedingung für s0 studieren: für s = s0 müssen die cs−1 und c′s−1 , und damit die rechte Seite in (8.27), verschwinden. Deshalb muß die Determinante der Matrix auf der linken Seite in (8.27) Null sein: √ s20 = k 2 − Z 2 α2 =⇒ s0 = k 2 − Z 2 α2 . Hier müssen wir die positive Wurzel wählen, da f˜ und g̃ quadratintegrierbar sein müssen. Wir sehen also, daß offensichtlich 1 − Z 2 α2 > 0 oder Z < α−1 ∼ 137 (8.29) gelten muß, damit wir mit unserer Methode gebundene Zustände konstruieren können. Vermittels der Rekursionsformel (8.27) kann man untersuchen wie die cs für große s ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 8. Das relativistische Zentralkraftproblem 8.3. Die radiale Dirac-Gleichung 162 anwachsen. Man findet, daß die geschlängelten Funktionen im Unendlichen exponentiell anwachsen, ∼ e2ar , falls die Reihe (8.25) nicht abbricht. Wir müssen also fordern, daß für s > s1 , wobei mit nr ∈ N0 s1 = s0 + nr ist, die cs und c′s verschwinden. Für s − 1 = s1 ist die linke Seite in (8.27) Null, so dass acs1 + a2 c′s1 = 0 (8.30) gelten muß. Für die folgenden Betrachtungen wollen wir eine Fallunterscheidung vornehmen. Zuerst betrachten wir positive nr . nr > 0: In diesem Fall gilt die Gleichung (8.28) ((s1 − k)a − Zαa2 )cs1 − ((s1 + k)a2 + Zαa)c′s1 = 0. (8.31) Man rechnet nun leicht nach, daß die beiden linearen Gleichungen (8.30,8.31) nur dann eine Lösung zulassen (Determinantenbedingung), wenn 2as1 = Zα(a2 − a1 ) ⇐⇒ s21 (m2 c4 − E 2 ) = Z 2 α2 E 2 gilt. Dies ist gleichbedeutend mit E2 = m2 c4 s21 Z 2 α2 + s21 wobei wir uns daran erinnern müssen, daß s1 = nr + s0 = nr + √ k 2 − Z 2 α2 gilt. Setzen wir dies in die obige Formel für das Quadrat der Energie ein, so ergibt sich !−1/2 Z 2 α2 E = 1+ >0 nr > 0. (8.32) √ 2 mc2 nr + k 2 − Z 2 α2 Diese Formel wurde von Arnold Sommerfeld bereits im Jahre 1916, also etwa 10 Jahre vor Entdeckung der Quantenmechanik durch Heisenberg und Schrödinger und insbesondere der Dirac-Gleichung, gefunden. Nachdem wir die Energie-Eigenwerte für positive Quantenzahlen nr bestimmt haben, betrachten wir nun nr = 0. nr = 0: ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 8. Das relativistische Zentralkraftproblem 8.3. Die radiale Dirac-Gleichung 163 √ In diesem zweiten Fall ist also s1 = s0 und neben (8.30), was nach Division durch a2 folgendermaßen geschrieben werden kann, √ √ a1 cs0 + a2 c′s0 = 0, (8.33) haben wir wegen (8.27) jetzt statt (8.31) die stärkere zweite Bedingung (s0 − k)cs0 − Zαc′s0 = 0. (8.34) Diese beiden Gleichungen haben nur eine nichtverschwindende Lösung falls die Determinante der entsprechenden Matrix verschwindet, was äquivalent zu r a1 k = s0 + Zα (8.35) a2 ist. Aus der asymptotischen Form der Lösungen am Ursprung für nr = 0 sieht man, dass die Wellenfunktionen nur für k > 0 normierbar sind. Um die Energien der gebundenen Zustände zu bestimmen, erinnern wir uns an die Definition der a1 , a2 . Aus dieser folgt unmittelbar, dass a1 1−ǫ = , a2 1+ǫ wobei ǫ = E/mc2 ist. Dies setzten wir in die nach a1 /a2 aufgelöste Formel für k ein und finden nach einer einfachen Rechnung r Z 2 α2 E = für s0 = s1 . (8.36) 1 − mc2 k2 Diese Formel stimmt mit der Sommerfeldschen Formel (8.32) überein wenn wir in dieser nr = 0 setzen. Wir haben also als Schlussresultat die wohlbekannte Feinstruktur-Formel E = mc2 Z 2 α2 1+ √ 2 nr + k 2 − Z 2 α2 !−1/2 nr = 0 : nr > 0 : k = 1, 2, 3, . . . k = ±1, ±2, . . . . (8.37) Sie ist aus der Diracschen Theorie des Elektrons gleichzeitig von Gordon und Darwin abgeleitet worden. ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 8. Das relativistische Zentralkraftproblem 8.4 8.4. Wasserstoff Spektrum und Feinstruktur 164 Wasserstoff Spektrum und Feinstruktur Um Anschluss an das nichtrelativistische Resultat zu gewinnen setzen wir jetzt n = nr +|k|. Die natürliche Zahl n entspricht der Hauptquantenzahl in der Schrödingerschen Theorie des Wasserstoffatoms. Nach der Ersetzung finden wir !−1/2 Z 2 α2 E = 1+ , n = 1, 2, 3 . . . , |k| = 1, 2, 3 . . . . (8.38) √ 2 mc2 n − |k| + k 2 − Z 2 α2 Wir entwickeln diesen Ausdruck für die Eigenwerte des Dirac-Hamilton-Operators nach Potenzen von Zα, (Zα)2 3 (Zα)4 1 (Zα)4 1 6 2 + − , (8.39) + O (Zα) E = mc 1 − 2n2 8 n4 2 n3 j + 12 mit |k| = j + 12 , n ∈ j + 21 + {0, 1, 2, 3, . . .}. (8.40) Man sieht, dass alle Zustände, mit Ausnahme derer mit n = j + 21 , doppelt entartet sind. Die Energieeigenwerte hängen also nur von der Hauptquantenzahl n, von |k| und von der Kernladungszahl Z ab. Für verschwindendes Potential (Z = 0) ist der Energieeigenwert mc2 . Mit Potential schließen die gebundenen Elektronenzustände an das bei mc2 beginnende Kontinuum positiver Energie an. Durch „Aufdrehen des Potentials“ werden Elektronenzustände aus dem positiven Energiekontinuum in die Energielücke zwischen mc2 und −mc2 als gebundene Zustände „hineingezogen“. Die Ionisationsgrenze des Atoms liegt offensichtlich bei mc2 und deshalb ist die Ionisierungsenergie gleich mc2 − E und entsprechend ist die Bindungsenergie !−1/2 2 2 Z α EB = E − mc2 = mc2 1 + − mc2 . (8.41) √ 2 2 2 2 n − |k| + k − Z α Für n = 1 und j = 1 2 (|k| = 1) ist EB = mc2 √ 1 − Z 2 α2 − 1 . Für Zα = 1 ist E = 0 oder EB = −mc2 und für Z > 1/α werden die Energien imaginär. Dieses seltsame Ergebnis wird als Instabilität des Vakuums interpretiert. Bei diesen starken Feldern werden spontan Elektronen (Positronen) aus dem Vakuum erzeugt. Dieser Vorgang kann natürlich nicht mehr im Rahmen einer Einteilchentheorie erklärt werden. ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 8. Das relativistische Zentralkraftproblem 8.4. Wasserstoff Spektrum und Feinstruktur 165 Für die numerischen Werte der Energien setzen wir für die Ruhemasse des Elektrons mc2 = 0.5110041 MeV ein. Die Niveaus mit gleichem |k| aber verschiedenem Bahndrehimpuls ℓ sind entartet. Für Zα ≪ 1 sind die Bindungsenergien, gemessen in Einheiten der Elektronen-Ruheenergie 1 (Zα)2 1 E − mc2 3 2 . (8.42) ∼ −(Zα) + − mc2 2n2 2n3 4n j + 12 Die relativistischen Korrekturen für die Energieniveaus im Coulombfeld sind O(Z 2α2 ) verglichen mit den nichtrelativistischen Energien und sind nur für kleine Hauptquantenzahlen und schwere Kerne von Bedeutung. Die Zustände bezeichnet man mit nLj . Die tiefsten Niveaus sind in der nächsten Tabelle enthalten. In der Abbildung nach der Tabelle sind die tiefsten Energieniveaus eingezeichnet. Wir sehen hier explizit, dass die Zustände mit derselben Hauptquantenzahl und demselben Bahndrehimpuls verschiedene Energien haben, falls der Gesamtdrehimpuls j (oder k) verschieden ist. Die Bohrschen Niveaus spalten in Komponenten auf, deren Gesamtheit man als Feinstruktur bezeichnet. Die möglichen Dipolübergänge von den Zuständen mit n = 3 zu denjenigen mit n = 2 sind ebenfalls dargestellt. Der Übergang von j = 5/2 nach j = 1/2 ist in der Dipolnäherung verboten. Bezeichnung n ℓ j nr k 1s1/2 1 0 1/2 0 2s1/2 2 0 1/2 1 2p1/2 2 1 1/2 2p3/2 2 1 3/2 1 −1 3s1/2 1 −13.606 1 0 2 3 0 1/2 2 1 3p1/2 3 1 1/2 3p3/2 3 1 3/2 2 −1 3d3/2 3 2 3/2 3d5/2 3 2 5/2 4s1/2 4 0 1/2 ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 1 EB [eV] 2 1 −2 0 3 3 1 −3.402 −3.402 −3.401 −1.512 −1.512 −1.512 −1.512 −1.512 −0.850 (8.43) 8. Das relativistische Zentralkraftproblem 2S 8.4. Wasserstoff Spektrum und Feinstruktur 2P 2D 2F 166 2G j 1 2 1 2 3 2 3 2 5 2 5 2 7 2 7 2 7 2 k 1 −1 2 −2 3 −3 4 −4 5 n=4 n=3 n=2 n=1 D5/2 P3/2 S1/2 D3/2 P1/2 erlaubt P3/2 S1/2 P1/2 Abbildung 8.1: Das Spektrum des Wasserstoffs in der Diractheorie und erlaubte Übergänge von n = 3 nach n = 2. Beim Wasserstoffatom hat der Zustand mit n = 2 in der Feinstruktur drei Unterniveaus und der Zustand mit n = 3 fünf Unterniveaus. Mehrere Übergänge sind aber durch Erhaltungssätze verboten, so dass von den 15 möglichen nur 7 Linien auftreten. Als Dirac seine Theorie aufstellte, konnten im Experiment nur zwei Komponenten sicher beobachtet werden. Eine dritte machte sich als Verbreiterung einer der beiden Komponenten bemerkbar. Weitere, als Lamb-Verschiebungen bezeichnete Aufspaltungen ergeben sich durch die Wechselwirkung des Elektrons mit Fluktuationen des elektromagnetischen Feldes im Atom. Aufgrund der Lamb-Verschiebung werden alle s-Zustände nach oben versetzt. Zum Beispiel hat der 2S1/2 Zustand eine um 1051MHz höhere Energie als der 2P1/2 Zustand. Dieser Frequenzbereich ist der Mikrowellenspektroskopie gut zugänglich. Der Versuch von E. ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 8. Das relativistische Zentralkraftproblem 8.4. Wasserstoff Spektrum und Feinstruktur 167 Lamb und C. Retherford (1947), in welchem diese Verschiebung experimentell nachwiesen wurde, markierte den Anfang der Quantenelektrodynamik. Die Lamb-Verschiebung insbesondere der s-Zustände informiert über die Physik kleinster Dimensionen, da die Wellenfunktionen dieser Zustände im Kern nicht verschwinden. Als weiteres muß man noch den Kernspin berücksichtigen. Die Wechselwirkung zwischen den magnetischen Momenten des Elektrons und des Atomkerns führt zur weiteren Aufspaltung der Feinstrukturniveaus in Komponenten, die man zusammenfassend als Hyperfeinstruktur bezeichnet. Die wohlbekannte, und in der Radioastronomie bedeutende 21cm Linie des Wasserstoffs rührt von der Hyperfeinaufspaltung des s-Niveaus. Die seit etwa 1979 verfügbare Technik 1S1/2 Bohrsche Energieniveaus 1S1/2 Feinstruktur 1S1/2 F =1 Lambverschiebung F =0 Hyperfeinaufspaltung Abbildung 8.2: Die Feinstruktur, Lamb-Verschiebung und Hyperfeinstruktur des Grundzustandes. der Laser-Spektroskopie hat die Auflösung der Spektrallinien wesentlich verbessert, da sie die Anwendung neuer Methoden (durchstimmbare Farblaser, Sättigungspektroskopie, Polarisationsspektroskopie) zur Vermeidung der Doppler-Verbreiterung ermöglicht. Die Auflösung der Hyperfeinstruktur gelingt mit der 2-Photonen-Spektroskopie. ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II Kapitel 9 Zweite Quantisierung Eine Umformulierung der Theorie für identische Teilchen - etwas irreführend als zweite Quantisierung bezeichnet (ein besserer Name wäre Besetzungszahldarstellung) - erzeugt die geforderte Symmetrieeigenschaften für identische Bosonen oder Fermionen schon algebraisch. Dabei kann die Anzahl Teilchen ändern und diese Flexibilität ist in einer Quantenfeldtheorie der Festkörper oder Elementarteilchen notwendig. Es gibt Prozesse bei denen Elektronen, Positronen, Photonen, Phononen oder andere (Quasi)Teilchen erzeugt oder vernichtet werden können. Diese Besetzungszahldarstellung soll hier dargelegt werden. Ausgangspunkt unserer Betrachtungen ist der Hilbert-Raum H eines Teilchens und die Wahl einer beliebigen Orthonormalbasis in H, i ∈ N. |ξi i ∈ H, (9.1) In Anwendungen gibt es oft ausgezeichnete Basissysteme. Dies ist vorerst jedoch irrelevant. Aufgrund unserer Betrachtungen im Abschnitt (2.2) wissen wir, dass für ein System aus N identischen Teilchen nur total antisymmetrische oder symmetrischen Wellenfunktionen auftreten. Die Zustandsraum für N identische Teilchen ist ein Unterraum von H(N ) = (H ⊗ H ⊗ . . . ⊗ H) {z } | (9.2) |ξ1, ξ2 , . . . , ξN i ≡ |ξ1 i ⊗ |ξ2 i ⊗ · · · ⊗ |ξN i (9.3) N−mal also des durch Abschließung der von Vektoren der Form aufgespannten linearen Raums. 168 9. Zweite Quantisierung 9.1 9.1. Identische Teilchen 169 Identische Teilchen Identische Bosonen: Wir entwickeln den Formalismus zunächst für Bosonen und gehen von den in Abschnitt (2.2) untersuchten symmetrischen Zuständen für N Teilchen aus. Wie dort bemerkt wurde, ist es für diese Zustände nicht möglich zu sagen, welchem der Teilchen eine durch bestimmte Quantenzahlen vorgegebene Eigenschaft zukommt und deshalb ist der Hilbert-Raum das symmetrische N-fache Tensorprodukt Hs(N ) = ( H {z· · · ⊗ H} )s . | ⊗H⊗ (9.4) N−mal d.h. die Abschließung des linearen Raumes aller endlichen Linearkombinationen aus vollständig symmetrischen Vektoren der Form 1 X |ξi1 , . . . , ξiN is = √ P (π)|ξi1 , . . . , ξiN i (9.5) N! π∈SN Es ist wichtig zu wissen, ob sich mehrere Teilchen im gleichen Zustand befinden und wenn ja, wieviele das sind. Es muss möglich sein, den Zustand durch Angabe der Besetzungszahlen für die in Frage kommenden Eigenschaften zu charakterisieren. Wir bezeichnen die zugehörige Besetzungszahl mit ni ≡ n(ξi ). Damit ist also die Zahl der Teilchen mit der Einteilcheneigenschaft (Quantenzahl(en)) ξi gemeint. Diese Besetzungszahlen kann man in eindeutiger Weise finden. Betrachten wir zum Beispiel den symmetrischen Dreiteilchenzustand 2 |ξ2 , ξ2 , ξ6is = √ (|ξ2, ξ2 , ξ6 i + |ξ2, ξ6 , ξ2 i + |ξ6, ξ2 , ξ6 i) . (9.6) 3! Die Besetzungszahlen ungleich Null sind n2 = 2 und n6 = 1. Da die Besetzungszahlen die symmetrischen Zustände eindeutig charakterisieren, wählen wir die Besetzungszahldarstellung für die Zustände: |n1 n2 . . .i = √ 1 | ξ 1 , . . . , ξ 1 , ξ 2 , . . . , ξ 2 , ξ 3 , . . . is n1 ! n2 ! · · · | {z } | {z } n1 −mal (9.7) n2 −mal Der Normierungsfaktor sorgt dafür, dass die Zustände |n1 , n2 , . . .i auf Eins normiert sind. Zum Beispiel ist 1 |0, 2, 0, 0, 0, 1, 0, . . .i = √ |ξ2 , ξ2, ξ6 is 2 ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 9. Zweite Quantisierung 9.1. Identische Teilchen 170 mit dem symmetrischen Zustand (9.6) auf Eins normiert. Die Vollständigkeitsrelation in der Besetzungszahldarstellung hat die Form X 1= |n1 , n2 , . . .ihn1 , n2 , . . . |. (9.8) n1 ,n2 ,... die Summe läuft über alle Zustände mit fester Teilchenzahl N. Lassen wir nun N der Reihe nach alle Werte in N0 annehmen, so erhalten wir für • N = 0 den Vakuumzustand |0i = |0, 0, . . .i • N = 1 die Einteilchenzustände mit ni = 1: |0, . . . 0, 1, 0, . . . , 0i = |ξi is • N = 2 die Zweiteilchenzustände mit ni = nj = 1 bzw. ni = 2: |0, . . . 0, 1, 0, . . . , 0, 1, 0 . . . , 0i = |ξi ξj is |0, . . . 0, 2, 0, . . . , 0i = √1 |ξi ξj is 2 Die Charakterisierung der Zustände durch sehr viele ni , die zum großen Teil verschwinden, ist etwas unpraktisch. Hier lohnt es sich die Analogie zum Oszillatorsystem zunutze zum machen. Wie beim Oszillator kann jeder Zustand beliebig oft besetzt werden und die Besetzungszahl ist der Eigenwert des Besetzungszahloperators Ni = a†i ai mit ai = a(ξi ). (9.9) Wir verlangen wie beim Oszillator folgende algebraischen Regeln für die Vernichtungsund Erzeugungsoperatoren, [ai , a†j ] = δij , [ai , aj ] = [a†i , a†j ] = 0, (9.10) so dass a†i die Besetzungszahl Ni um Eins erhöht und ai um Eins erniedrigt, [Ni , a†j ] = δij a†j und [Ni , aj ] = −δij aj . (9.11) Die Fockzustände können dann aus dem Vakuum durch Anwendung der Erzeugungsoperatoren aufgebaut werden, |n1 , n2 , . . .i = √ 1 1 †n2 a†n 1 a2 · · · |0i. n1 ! n2 ! · · · (9.12) Ein Erzeugungsoperator a†i fügt zu einem Zustand mit N ununterscheidbaren Bosonen ein weiteres Boson im Einteilchenzustand |ξi i so hinzu, dass es von den übrigen Bosonen ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 9. Zweite Quantisierung 9.1. Identische Teilchen 171 ununterscheidbar ist, a†i |n1 , . . . , ni , . . .i = √ ni +1 |n1 , . . . , ni + 1, . . .i. Entsprechend entfernt ai ein Boson aus dem N-Teilchenzustand √ ai |n1 , . . . , ni , . . .i = ni |n1 , . . . , ni − 1, . . .i (9.13) (9.14) Insbesonders wird das Vakuum wird von allen Absteigeoperatoren annihiliert, a1 |0i = a2 |0i = . . . = 0. (9.15) Man beweist schnell, dass der zum Erzeugungsoperator a†i adjungierte Operator der Vernichtungsoperator ai ist. Der nicht-negative hermitesche Operator der gesamten Teilchenzahl X N= Ni (9.16) i hat als Eigenwert die Zahl der vorhandenen Teilchen. Identische Fermionen: Eine Besetzungszahldarstellung für Fermionen kann in ähnlicher Weise entwickelt werden. Der wesentliche Unterschied zu einem System identischer Bosonen besteht darin, dass der Hilbert-Raum für N identische Fermionen das total antisymmetrische N-fache Tensorprodukt Ha(N ) = (H ⊗ H ⊗ · · · ⊗ H)a | {z } (9.17) N−mal ist, d.h. die Abschließung des linearen Raumes aller endlichen Linearkombinationen aus vollständig antisymmetrischen Vektoren der Form 1 X |ξi1 , . . . , ξiN ia = √ sgn(π)P (π)|ξi1 , . . . , ξiN i. (9.18) N! π∈SN Wegen des Pauliprinzips können alle Besetzungszahlen nur die Werte 0 und 1 annehmen. Mit Oszillatoroperatoren erhält man die Besetzungszahldarstellung, wenn in den algebraischen Regeln für Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren der Kommutator durch den Antikommutator {A, B} = AB + BA ersetzt wird, {ai , a†j } = δij , {ai , aj } = {a†i , a†j } = 0. (9.19) Man kann sich mit folgender Überlegung davon überzeugen, das diese Algebra zur geforderten Antisymmetrie der Zustände führt: Wir betrachten zunächst einen Zustand, bei ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 9. Zweite Quantisierung 9.2. Fockraum 172 dem die i-te Besetzungszahl verschwindet, | . . . , ni = 0, . . .i, und fügen ein Teilchen in diesen Zustand hinzu, | . . . , ni = 1, . . .i = a†i | . . . , ni = 0, . . .i. Fügt man noch ein Teilchen in diesen Zustand hinzu, so darf es den entsprechenden Zustand nicht geben, andernfalls wären zwei identische Fermionen im gleichen Zustand. Es muss ihm als die Null im Zustandsraum entsprechen, 1 0 = a†i a†i | . . . , ni = 0, . . . i = {a†i , a†i }| . . . , ni = 0, . . . i. 2 Für {a†i , a†i } = 0 ist die Gleichung offenbar erfüllt. Durch Konjugation findet man daraus {ai , ai } = 0. Um die verbleibenden Relationen zu testen betrachten wir den Anzahloperator Ni = a†i ai . (9.20) Für seinen Kommutator mit a†j finden wir [Ni , a†j ] = a†i ai a†j − a†j a†i ai = a†i δij − a†i a†j ai − a†j a†i ai = δij a†i . und das führt auf die korrekten Ni -Eigenwerte für die beiden Eigenzustände mit ni ∈ {0, 1}. 9.2 Fockraum Wir fassen unsere bisherigen Resultate zusammen und formalisieren sie weiter. Der Zustandsraum für identische Bosonen oder identische Fermionen ist der Fockraum über dem entsprechenden Einteilchen-Hilbert-Raum H Fǫ (H) = H (0) ⊕ Hǫ(1) ⊕ Hǫ(2) ⊕ Hǫ(3) ... = ∞ M N =0 Hǫ(N ) , ǫ ∈ {s, a}. (9.21) Hierbei beschreibt der eindimensionale Vektorraum H(0) = C das ’Nullteilchensystem’. Der normierte Basisvektor dieses Raumes wird als Vakuum bezeichnet. Der Einteilchen(1) raum Hǫ ist gleich dem unterliegenden Einteilchen Hilbert-Raum H. Für Bosonen mit (N ) ǫ = s ist Hǫ das N-fache symmetrisierte Tensorprodukt des Einteichen Hilbert-Raums H und für Fermionen mit ǫ = a das N-fache antisymmetrische Tensorprodukt. Die Ele———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 9. Zweite Quantisierung 9.2. Fockraum 173 mente des Fockraum sind also Folgen von Vektoren F = (F (0) , F (1) , F (2) , F (3) , . . .) (9.22) (N ) mit F (N ) aus dem N-Teilchenraum Hǫ . Zunächst betrachtet man nur Folgen mit einer endlichen Anzahl von Gliedern ungleich Null. Der Fockraum Fǫ (H) ist ein Vektorraum auf dem die Addition und Multiplikation mit einer komplexen Zahl gliedweise definiert ist, (F + G)(N ) = F (N ) + G(N ) und (αF )(N ) = αF (N ) , (9.23) ∀ N. (N ) Das Skalarprodukt auf H definiert ein Skalarprodukt auf jedem Produktraum Hǫ entsprechend auf dem Folgenraum (F, G) = ∞ X N =0 (F (N , G(N ) )H(N) ǫ und (9.24) Der Fockraum ist die Abschließung der obigen Vektormenge bezüglich der von diesem Skalarpodukt erzeugten Norm, also die Gesamtheit aller Folgen (9.22), die der Bedingung kF k2 = (F, F ) = ∞ X N =0 kF (N ) k2H(N) < ∞ ǫ (9.25) genügen, und keiner weiteren Einschränkung. Im Fockraum sind Vektoren in verschiedenen Teilchenzahlsektoren senkrecht zueinander. Auf dem Fockraum lassen sich Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren definieren, die zwischen Sektoren verschiedener Teilchenzahl transformieren. Es handelt sich um unendlich viele Kopien der Leiteroperatoren für den harmonischen Oszillator. Für einen beliebigen ’Einteilchenzustand’ f ∈ H definieren wir die Operatoren a† (f ) und a† (f ) im Fockraum a(f ) : a† (f ) : Hs(N ) −→ Hǫ(N −1) , Hǫ(N ) −→ Hǫ(N +1) Hǫ(0) −→ 0 Diese Operatoren wirken auf die Zustände |ξ1 , ξ2 , . . .iǫ wie folgt, a(f )|ξ1, . . . , ξN iǫ a† (f )|ξ1, . . . , ξN iǫ N 1 X = √ (±1)i−1 hf |ξi i |ξ1 , . . . , ξˇi , . . . , ξN iǫ N i=1 √ = N + 1 |f, ξ1 , . . . , ξN iǫ Das (+) -Vorzeichen gilt für Bosonen und das (−) -Vorzeichen für Fermionen. ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II (9.26) 9. Zweite Quantisierung 9.2.1 9.2. Fockraum 174 Mehrteilchenoperatoren Wir versuchen nun die wichtigen Operatoren der Mehrteilchenphysik im Fockraum darzustellen. Dadurch erhalten wir die Möglichkeit, eine Theorie von wechselwirkenden Teilchen zu formulieren. Wir betrachten zunächst Einteilchenoperatoren 1 X A= A(1) (i). (9.27) i Der Summand A(j) wirkt nur auf dem Einteilchen-Zustandsraum des j’ten Teilchens. Schreiben wir die Fockzustände in der ursprünglichen Form als direkte Produkte von Einteilchenzuständen, so wirkt jeder Summand in A nur auf einen der Faktoren. Er kann daher durch Einteilchenmatrixelemente dargestellt werden, X A(1) = |ξi ihξi |A(1) |ξi ihξi |. (9.28) ij Angewandt auf einen als direktes Produkt geschriebenen Mehrteilchket entfernt hξi | eine zugehörigen Faktor |ξi i. Wegen des Faktors |ξi i wird er durch |ξi i ersetzt. Im der Besetzungszahldarstellung bedeutet dies, dass ein Teilchen im Zustand |ξi i entfernt und eines im Zustand |ξi i hinzugefügt wird. Dies wird aber gerade vom Produkt ai a†j geleistet. Daher lautet die Darstellung von A im Fockraum X † A= ai hξi |A(1) |ξi iai . (9.29) ij Ein wichtiges Beispiel ist der Hamilton-Operator eines Systems von nicht-wechselwirkenden Teilchen. Wählen wir für |ξi i die Energie-Eigenzustände, X H0 = H (1) (i), H (1) |ξi i = εi |ξi i, hξi |ξi i = δij (9.30) i dann folgt H0 = X εi a†i ai . (9.31) i Als nächstes betrachten wir Zweiteilchenoperatoren. Damit sind Operatoren gemeint, die additiv aus Beiträgen jedes Teilchens in folgender Form aufgebaut sind, 1 X (2) A (i, j). (9.32) A= 2 ij 1 siehe Kapitel 2 ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II 9. Zweite Quantisierung 9.2. Fockraum 175 (2) Der Operator A(2) (i, j) wirkt dabei nur auf den Zustandsraum der Hǫ der beiden Teilchen mit den Nummern i und j. Die Darstellung im Besetzungszahlraum ist analog wie für Einteilchenoperatoren und lautet 1 X † † a a ǫ hξi , ξi |A(2) |ξj , ξl iǫ aj al . (9.33) A= 2 i,j,k,l i i Das wohl wichtigste Beispiel ist die Wechselwirkung zwischen jeweils zwei Teilchen in einem Mehrkörersystem. In der Besetzungsdarstellung lautet diese 1X V = Vijkla†i a†i aj al , Vijkl = ǫhξi ξi |V (2) |ξj ξl iǫ . (9.34) 2 ijkl Mit Hilfe der Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren können die physikalisch wichtigen Operatoren so geschrieben werden, dass die Fockzustände den Charakter von Basiszuständen haben. Dabei ist wichtig, dass diese Zustände vollständig sind. In der Theorie der kondensierten Materie wird der hier vorgestellte Formalismus auch auf Zustände angewandt, die nicht als Teilchen im gewöhnlichen Sinn anzusehen sind, sonder als geeignete niederenergetische Anregungszustände des Systems. Dabei handelt es sich zum Beispiel um kollektive Anregungen des Gesamtsystems. Derartige Anregungen nennt man Quasiteilchen (Phononen, Exzitonen, Magnonen, usw.). Um eine gute Beschreibung derartiger Anregungszustände zu erhalten sucht man zunächst einen AusgangsHamilton-Operator der Form X † εi ai ai . (9.35) H0 = E0 1 + ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II Literaturverzeichnis [1] V. Fock, Zeitschr. f. Phys. 61 (1930) 126 [2] Latter, Phys. Rev. 99, (1955) 519 [3] V. Vock und Petraschen, Phys. Z. SU 6 (1934) 368 [4] G.W. Kellner, Die Ionisierungsspannung des Heliums nach der Schrödinger’schen Theorie, Z. Phys. 44 (1928) 469 [5] E. Hylleraas, Reminiscences from early quantum mechanics of two-electron atoms, Rev. Modern Phys. 35 (1963) 421 [6] R.N. Hill, Phys. Rev. Letters, 38 (1977) 643 [7] The Theory of Atomic Spectra, Cambridge Univ. Press, London (1935) [8] Phys. Rev. 126 (1962) 1470 [9] [10] [11] M. Born, Zeitschrift für Physik 38 (1926) 803 [12] G. Baym, Lectures on Quantum Mechanics, Addison-Wesley, 1973, Seite 202 [13] siehe z.B. Abramowicz, Seite 504 ff [14] N.F. Mott, Proc. Soc. London 126 (1930) 259 [15] C. Gerthsen, Annalen der Physik 9 (1931) 769 [16] J.Williams, Proceedings Royal Society London 128 (1930) 459 [17] Michelson, Phil. Mag 24 (1887) 466; 34 (1892) 280. 176 LITERATURVERZEICHNIS Literaturverzeichnis 177 [18] G. Hansen, Annalen der Physik 78 (1925) 558 [19] O. Klein, Zeitschrift für Physik 37 (1926) 895; V. Fock, Zeitschrift für Physik 38 (1926) 242 und 39 (1926) 226; J. Kudar, Annalen der Physik 81 (1926) 632; W. Gordon, Zeitschrift für Physik 40 (1926) 117. [20] P.A.M. Dirac, Proc. Roy. Soc. A117 (1928) 610 und 118 (1928) 351. [21] D.M. Volkov, Über eine Klasse von Lösungen der Diracschen Gleichung, Zeitschrift für Physik 94 (1935) 250 ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II Index α-Matrizen, 134 γ5 , 131 Übergänge, 56 erste Ordnung, 56 zweite Ordnung, 63 Übergangsamplitude 1. Ordnung, 56 Übergangsrate, 58 3j-Symbole, 36 Absorption, 63 Adiabatische Approximation, 60 Antikommutator, 124, 171 Antispinorfeld, 126 Antiteilchen, 118 asymptotisch vollständig, 100 Atommodelle, 21 Ausschliessungsprinzip, 10 Austauscheffekte bei Streuung, 95 Austauschenergie, 26 Austauschentartung, 9 Austauschterm, 23, 96 Auswahlregel, 37 für Tensoroperatoren, 39 Besetzungszahlen, 169 Besetzungszahloperator, 170 Besselgleichung, 92 Bilineare Tensorfelder, 132 Bohr-Magneton, 42 Bornsche Näherung, 75 Bornsche Reihe, 74 Bosonen, 9, 10 Clebsch-Gordan Koeffizienten, 31, 33 Compton-Wellenlänge, 113 Coulombstreuung, 78 von α-Teilchen, 96 Darstellung irreduzible, 125 reduzible, 125 Darstellung der Permutationsgruppe, 7 Darwin-Term, 48, 143 Differentialgleichung hypergeometrische, 79 Dipol-Operator, 66 Dipolübergänge, 165 Dirac-Hamiltonian, 134 Diracalgebra, 124 Diracbild, 53 Diracgleichung, 122 nichtrelativistische Näherung, 139 radiale, 157 zweite Ordnungs-Gleichung, 147 Diracscher Erhaltungssatz, 153 Diracsee, 122 Diractheorie freie Lösungen, 135 Drehimpuls Produktzustände, 30 Drehimpuls in Diractheorie, 144 drehinvarianter Hamiltonian, 144 Dreiecksregel, 32 Dyson-Reihe, 56 178 INDEX Eichpotential, 116 Eichtransformation in Diractheorie, 134 Einstein-Koeffizient, 67 Einteilchenoperator, 23 Elektron, 123 Elektronenfeld, 123 Emission induzierte, 63 Ereignis, 105 Erzeugende der Lorentzgruppe, 109 Erzeugungsoperator, 170 Exponentialpotential, 92 Feinstruktur, 45, 151, 165 von pionischen Atomen, 120 Feinstruktur-Formel, 163 Feinstrukturkonstante, 119 Feldstärketensor, 117 Fermi-Energie, 13 Fermifläche, 14 Fermigas ideales, 13 Fermionen, 9, 10 Fockraum, 172 Foldy-Wouthuyson-Transformation, 140 Formfaktor, 77 Gamma-Matrizen, 124 Gesamtdrehimpuls in chiraler Darstellung, 145 in Diractheorie, 151 goldene Regel, 63 goldene Regel von Fermi, 59 Greensche Funktion für Radialproblem, 86 Grundzustand im TF-Atom, 21 Gruppe ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II Index 179 nicht-Abelsche, 7 spezielle lineare, 127 Hamilton-Operator, 3 Hartree-Fock Gleichungen, 26 Hartree-Fock-Gleichungen, 26 Hyperfeinstruktur, 49, 167 identische Bosonen, 169 identische Teilchen, 7, 10, 169 Impuls relativistischer, 112 Instabilität des Vakuums, 164 Ionisierungsenergie, 164 Jost-Funktion für Exponentialpotential, 94 Jostfunktion, 90 Kernmagneton, 49 Klein-Gordon Gleichung, 111, 117 Korrespondenzregel, 112 kovariante Ableitung, 116 Kummerfunktion, 79 Ladung elektrische, 114 Ladungskonjugation, 118, 137 Lamb-Verschiebung, 166 Landé Faktor, 42 Larmorfrequenz, 42 Leiteroperatoren, 29 Levinson-Theorem, 90, 91 Lippmann-Schwinger-Gleichung, 70, 74 Lorentzalgebra, 109 Lorentztransformation, 107 magnetisches Moment des Elektrons, 140 Majorana-Darstellung, 138 Mehrkörpersysteme, 3 Metrik, 105 INDEX Minkowskiraum, 105 Mott-Streuung, 96 Møller-Operatoren, 98, 99 Noetherstrom, 113 Operator symmetrischer, 9 Operatoren symmetrische, 8 optisches Theorem, 84 Partialwellen, 82 Pauli-Hamiltonian, 140 Permutation, 7 Permutationen, 8 Pionische Atome, 119 plötzliches Einschalten, 57 Poincare Transformationen, 105 Poincare-Gruppe, 107 Polarisation des Vakuums, 119 Positron, 123 Potentialstreuung, 70 Produktzustand, 5 Propagator, 54 Quasiteilchen, 175 Rückwärtslichtkegel, 108 raum, 168 Resonanz, 62 Resonanzen, 90 Rutherford-Formel, 76, 77 S-Matrix, 102, 103 Schatten, 85 Schiebeoperatoren auf ℓ2 , 100 Schrödingergleichung, 4 Sirius B, 17 skalare Operatoren, 37 Slater-Determinante, 12 ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II Index Spektraldichte, 14, 59 Spin des Elektrons, 147 Spin-Bahn-Kopplung, 46, 143 Spinor Dirac-konjugierter, 131 Spinor-Harmonische, 157 Spinoren Drehungen, 129 Lorentztransformation, 128 Raumspiegelungen, 129 Spinorfeld, 126 Störungen periodische, 61 Störungstheorie zeitabhängige, 53 Streuamplitude analytische Eigenschaften, 81 Streumatrix, 56 Streuoperator, 102, 103 Streuphase für Exponentialpotential, 94 Streuphasen, 83 Streutheorie formale, 98 Streuung elastische, 68, 76 inelastische, 68 von identischen Bosonen, 95 von identischen Fermionen, 97 Streuwinkel, 75 Strom in Diractheorie, 134 Teilchen identische, 7 zusammengesetzte, 10 Tensorfeld bilinear in ψ, 132 180 INDEX Tensoroperator, 38 Tensoroperatoren, 38 Tensorprodukt, 4 Thomas-Fermi Gleichung, 18 Potential, 19 Thomas-Fermi Atome, 17 Thomas-Präzession, 46 Thomas-Term, 143 Translation, 107 Transposition, 8 Umkehrproblem, 91 Vakuum, 172 Vektorfeld, 132 Verflechtungsrelation für Møller-Operatoren, 100 Vernichtungsoperator, 170 Volkov-Lösung, 148 Vorwärtslichtkegel, 108 Wechselwirkungsbild, 53 weisser Zwerg, 16 Wellenfunktion antisymmetrische, 10 symmetrische, 10 Weylgleichung, 129 Wirkungsquerschnitt, 69 Wronski-Determinante, 86 Yukawa-Potential, 75 zeitgeordnetes Produkt, 55 zweite Quantisierung, 168 Zweiteilchenoperator, 24 ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II Index 181 Index α-Matrizen, 134 γ5 , 131 Übergänge, 56 erste Ordnung, 56 zweite Ordnung, 63 Übergangsamplitude 1. Ordnung, 56 Übergangsrate, 58 3j-Symbole, 36 Absorption, 63 Adiabatische Approximation, 60 Antikommutator, 124, 171 Antispinorfeld, 126 Antiteilchen, 118 asymptotisch vollständig, 100 Atommodelle, 21 Ausschliessungsprinzip, 10 Austauscheffekte bei Streuung, 95 Austauschenergie, 26 Austauschentartung, 9 Austauschterm, 23, 96 Auswahlregel, 37 für Tensoroperatoren, 39 Besetzungszahlen, 169 Besetzungszahloperator, 170 Besselgleichung, 92 Bilineare Tensorfelder, 132 Bohr-Magneton, 42 Bornsche Näherung, 75 Bornsche Reihe, 74 Bosonen, 9, 10 Clebsch-Gordan Koeffizienten, 31, 33 Compton-Wellenlänge, 113 Coulombstreuung, 78 von α-Teilchen, 96 Darstellung irreduzible, 125 reduzible, 125 Darstellung der Permutationsgruppe, 7 Darwin-Term, 48, 143 Differentialgleichung hypergeometrische, 79 Dipol-Operator, 66 Dipolübergänge, 165 Dirac-Hamiltonian, 134 Diracalgebra, 124 Diracbild, 53 Diracgleichung, 122 nichtrelativistische Näherung, 139 radiale, 157 zweite Ordnungs-Gleichung, 147 Diracscher Erhaltungssatz, 153 Diracsee, 122 Diractheorie freie Lösungen, 135 Drehimpuls Produktzustände, 30 Drehimpuls in Diractheorie, 144 drehinvarianter Hamiltonian, 144 Dreiecksregel, 32 Dyson-Reihe, 56 182 INDEX Eichpotential, 116 Eichtransformation in Diractheorie, 134 Einstein-Koeffizient, 67 Einteilchenoperator, 23 Elektron, 123 Elektronenfeld, 123 Emission induzierte, 63 Ereignis, 105 Erzeugende der Lorentzgruppe, 109 Erzeugungsoperator, 170 Exponentialpotential, 92 Feinstruktur, 45, 151, 165 von pionischen Atomen, 120 Feinstruktur-Formel, 163 Feinstrukturkonstante, 119 Feldstärketensor, 117 Fermi-Energie, 13 Fermifläche, 14 Fermigas ideales, 13 Fermionen, 9, 10 Fockraum, 172 Foldy-Wouthuyson-Transformation, 140 Formfaktor, 77 Gamma-Matrizen, 124 Gesamtdrehimpuls in chiraler Darstellung, 145 in Diractheorie, 151 goldene Regel, 63 goldene Regel von Fermi, 59 Greensche Funktion für Radialproblem, 86 Grundzustand im TF-Atom, 21 Gruppe ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II Index 183 nicht-Abelsche, 7 spezielle lineare, 127 Hamilton-Operator, 3 Hartree-Fock Gleichungen, 26 Hartree-Fock-Gleichungen, 26 Hyperfeinstruktur, 49, 167 identische Bosonen, 169 identische Teilchen, 7, 10, 169 Impuls relativistischer, 112 Instabilität des Vakuums, 164 Ionisierungsenergie, 164 Jost-Funktion für Exponentialpotential, 94 Jostfunktion, 90 Kernmagneton, 49 Klein-Gordon Gleichung, 111, 117 Korrespondenzregel, 112 kovariante Ableitung, 116 Kummerfunktion, 79 Ladung elektrische, 114 Ladungskonjugation, 118, 137 Lamb-Verschiebung, 166 Landé Faktor, 42 Larmorfrequenz, 42 Leiteroperatoren, 29 Levinson-Theorem, 90, 91 Lippmann-Schwinger-Gleichung, 70, 74 Lorentzalgebra, 109 Lorentztransformation, 107 magnetisches Moment des Elektrons, 140 Majorana-Darstellung, 138 Mehrkörpersysteme, 3 Metrik, 105 INDEX Minkowskiraum, 105 Mott-Streuung, 96 Møller-Operatoren, 98, 99 Noetherstrom, 113 Operator symmetrischer, 9 Operatoren symmetrische, 8 optisches Theorem, 84 Partialwellen, 82 Pauli-Hamiltonian, 140 Permutation, 7 Permutationen, 8 Pionische Atome, 119 plötzliches Einschalten, 57 Poincare Transformationen, 105 Poincare-Gruppe, 107 Polarisation des Vakuums, 119 Positron, 123 Potentialstreuung, 70 Produktzustand, 5 Propagator, 54 Quasiteilchen, 175 Rückwärtslichtkegel, 108 raum, 168 Resonanz, 62 Resonanzen, 90 Rutherford-Formel, 76, 77 S-Matrix, 102, 103 Schatten, 85 Schiebeoperatoren auf ℓ2 , 100 Schrödingergleichung, 4 Sirius B, 17 skalare Operatoren, 37 Slater-Determinante, 12 ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II Index Spektraldichte, 14, 59 Spin des Elektrons, 147 Spin-Bahn-Kopplung, 46, 143 Spinor Dirac-konjugierter, 131 Spinor-Harmonische, 157 Spinoren Drehungen, 129 Lorentztransformation, 128 Raumspiegelungen, 129 Spinorfeld, 126 Störungen periodische, 61 Störungstheorie zeitabhängige, 53 Streuamplitude analytische Eigenschaften, 81 Streumatrix, 56 Streuoperator, 102, 103 Streuphase für Exponentialpotential, 94 Streuphasen, 83 Streutheorie formale, 98 Streuung elastische, 68, 76 inelastische, 68 von identischen Bosonen, 95 von identischen Fermionen, 97 Streuwinkel, 75 Strom in Diractheorie, 134 Teilchen identische, 7 zusammengesetzte, 10 Tensorfeld bilinear in ψ, 132 184 INDEX Tensoroperator, 38 Tensoroperatoren, 38 Tensorprodukt, 4 Thomas-Fermi Gleichung, 18 Potential, 19 Thomas-Fermi Atome, 17 Thomas-Präzession, 46 Thomas-Term, 143 Translation, 107 Transposition, 8 Umkehrproblem, 91 Vakuum, 172 Vektorfeld, 132 Verflechtungsrelation für Møller-Operatoren, 100 Vernichtungsoperator, 170 Volkov-Lösung, 148 Vorwärtslichtkegel, 108 Wechselwirkungsbild, 53 weisser Zwerg, 16 Wellenfunktion antisymmetrische, 10 symmetrische, 10 Weylgleichung, 129 Wirkungsquerschnitt, 69 Wronski-Determinante, 86 Yukawa-Potential, 75 zeitgeordnetes Produkt, 55 zweite Quantisierung, 168 Zweiteilchenoperator, 24 ———————————— A. Wipf, Quantenmechanik II Index 185