Falk Gastro-Kolleg Darm

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Falk
Gastro-Kolleg
Darm
Diarrhö im Zusammenhang
mit Reisen
Prof. Dr. Dr. T. Schneider
Medizinische Klinik I
Charité – Universitätsmedizin
Campus Benjamin Franklin (CBF)
Hindenburgdamm 30
12203 Berlin
Zusammenfassung
Die Diarrhö, die während und nach Reisen in Entwicklungsländer oder in die Tropen
erworben wird, ist das häufigste Krankheitssymptom aller Reiseerkrankungen. Fast die
Hälfte aller Reisenden aus Industrieländern in Entwicklungsländer entwickeln eine
Diarrhö. Die wichtigste therapeutische Maßnahme bei der Diarrhö ist – unabhängig von
der Ursache – die Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution. Im Gegensatz zur akuten
Diarrhö muss die Ursache einer chronischen Diarrhö manchmal unter Einbeziehung
endoskopischer Verfahren diagnostisch aufgeklärt werden, da sich hieraus, je nach
Ursache, erhebliche therapeutische Konsequenzen ergeben können. Die Ursachen für
eine chronische Diarrhö im Zusammenhang mit Reisen sind bei Immungeschwächten
vielfältig; bei Immunkompetenten ist die häufigste Ursache eine Infektion mit Giardia
lamblia. Bei Patienten, die mit Fieber und Diarrhö aus den Tropen zurückkehren, muss
auch eine Malaria-Diagnostik durchgeführt werden, da Diarrhö auch ein führendes
Symptom der Malaria sein kann. Übermäßiger und nicht sachgerechter Einsatz von
Antibiotika hat in den letzten Jahren die Resistenzbildung der Erreger in allen Erdteilen
gefördert. Bei vielen Infektionen des Intestinaltrakts nützen Antibiotika nicht nur nichts,
im Gegenteil, sie können den Verlauf verschlimmern (wie z. B. bei enterohämorrhagischen
E. coli, EHEC) oder zu neuen Erkrankungen führen (z. B. Antibiotika-assoziierte Diarrhö in
Form der pseudomembranösen Kolitis). Die beste Prophylaxe der Reisediarrhö ist nach
wie vor eine penible Nahrungsmittelhygiene. Neuere Impfstoffe gegen besondere
Formen der Reisediarrhö scheinen vielversprechend.
Fragebeantwortung unter
Schlüsselwörter
www.falkfoundation.de
Reisediarrhö | Giardia lamblia | Prophylaxe | Probiotika | Impfstoffe |
Antibiotika | Lebensmittelhygiene
Falk Gastro-Kolleg
Titelbild: G
iardia lamblia: Sagittalschnitt durch Giardia lamblia in einer Dünndarmbiopsie von einem
Patienten mit chronischer Diarrhö (transmissionselektronenmikroskopische Aufnahme)
18
Diarrhö im Zusammenhang mit Reisen
Einleitung
Durchfälle nach Reisen in Entwicklungsländer oder in die Tropen gehören zu den häufigsten Symptomen, mit denen sich Patienten in einem Tropeninstitut in Deutschland
vorstellen [14]. Man rechnet bei ca. 20–50% aller Reisenden aus Industrieländern in
Entwicklungsländer mit Diarrhö [12]; 5–10% entwickeln sogar die typischen Symptome der Dysenterie, wie Fieber, Schüttelfrost und blutige Stühle [3, 27]. Grundsätzlich
ist zwischen chronischen (≥ 3 wässrige Stühle pro Tag ≥ 4 Wochen) und akuten
(≥ 3 wässrige Stühle pro Tag ≤ 4 Wochen) Durchfallerkrankungen zu unterscheiden,
weil als Ursache ganz andere Erreger in Frage kommen. In der Regel ist die klassische
Reisediarrhö selbst limitierend und dauert 3–5 Tage [30]. Im Gefolge einer Reise­diarrhö
kann es auch zur Entwicklung eines Reizdarmsyndroms („Colon irritabile“) kommen
[32]. Dies ist aber eher ein seltenes Ereignis, da die bakteriellen Durchfallerreger Campylobacter und Salmonellen, die am häufigsten mit dem Reizdarmsyndrom assoziiert
sind [29], bei der Reisediarrhö eher selten gefunden werden (s. weiter unten). Der
häufigste Erreger einer im Rahmen von Reisen erworbenen chronischen Diarrhö ist
Giardia lamblia (Titelbild) [33].
P 20–50% aller Reisenden aus
Industrieländern in Entwicklungsländer entwickeln eine Diarrhö;
damit ist die Diarrhö das
häufigste Symptom im
Zusammenhang mit Reisen.
Reisediarrhö
Akute Diarrhö ist eines der häufigsten Symptome, die bei Auslandsreisenden vorkommen. Zwischen dem 3. und 9. Reisetag tritt sie bei ca. 40% aller Fernreisenden auf – die
sogenannte Reisediarrhö. Akute Diarrhöen können aber auch noch nach Auslandsaufenthalten auftreten oder wenige Tage fortbestehen. Bei diesen Infektionen reicht in
der Regel eine orale Flüssigkeitssubstitution aus. Eine weitere Diagnostik oder spezielle Therapie ist meist nicht erforderlich.
P Die klassische Reisediarrhö ist
eine selbst limitierende akute
Durchfallerkrankung, die zwischen
dem 3. und 9. Reisetag auftritt
und nur wenige Tage anhält.
Spektrum und Häufigkeit der Erreger
Das Erregerspektrum der akuten infektiösen Diarrhö auf und nach Reisen unterscheidet sich je nach Region (Industrieländer oder Entwicklungsländer). Es reicht von der
Lebensmittelintoxikation durch bakterielle Toxine über enteropathogene Viren und
Enterotoxin-produzierende E. coli (enterotoxische E. coli = ETEC; 26%), Shigellen (4%),
Salmonellen (4%), Campylobacter (selten) bis hin zu Protozoen (sehr selten), wie
Giardia lamblia [24]. Allerdings ist die Ursache häufig (74%) nicht zu fassen. Der Import
von Cholera ist eine Rarität, und auch das Risiko, Typhus abdominalis mitzubringen,
ist sehr gering (1:30.000–1:50.000). Letztere Erkrankung beginnt auch meist ohne
Diarrhö [20]. In Tabelle 1 sind die Erreger nach Häufigkeit sortiert.
P Enteropathogene E. coli und
Viren sind die häufigste
Ursache der Reisediarrhö.
19
Tab. 1
Erregerspektrum akuter infektiöser Diarrhöen
Situation des Patienten
Industrieländer
Entwicklungsländer
Ohne Immundefekt,
Erwachsene
Norwalk-ähnliche Viren u. a.,
Salmonellen, Campylobacter, ETEC,
Shigellen, Yersinien
ETEC, Adenoviren, Shigellen, Lamblien,
Campylobacter, EPEC, Salmonellen,
Vibrio cholerae
Ohne Immundefekt, Kinder
Rotaviren, Adenoviren, Salmonellen,
EPEC, EHEC
CMV, Salmonellen, Adenoviren, Lamblien,
Campylobacter
Mit Immundefekt
(z. B. HIV oder IgA-Mangel)
CMV, Salmonellen, Adenoviren,
Lamblien, Campylobacter
CMV, Salmonellen, Adenoviren,
Lamblien, Campylobacter
Infektiöse Diarrhö im Zusammenhang
mit Antibiotikagabe
Zytotoxin A von Clostridium difficile
Zytotoxin A von Clostridium difficile
ETEC = enterotoxische E. coli; EPEC = enteropathogene E. coli; EHEC = enterohämorrhagische E. coli; CMV = Zytomegalievirus
Prophylaxe
Zur Prophylaxe der Reisediarrhö gibt es prinzipiell 5 Ansätze:
1. Nahrungsmittelhygiene, 2. nicht-antibiotische Optionen, 3. Antibiotika, 4. Probiotika
und 5. Impfungen.
1.Am besten schützt eine penible Nahrungsmittelhygiene (Cook it, boil it, peel it or
forget it), die aber meist nicht eingehalten wird [19]. Besonders problematisch sind
Getränke. Es sollte darauf geachtet werden, dass nur gekochtes oder in Flaschen
abgefülltes oder mit Kohlensäure versetztes Wasser getrunken wird. Das Wasser
sollte mindestens 1 Minute lang gekocht werden (in Höhen > 2000 m mindestens
3 Minuten), damit die häufigsten Durchfallerreger abgetötet werden. Da auch in
Flaschen abgefülltes Wasser als Quelle für Ausbrüche von Durchfallerkrankungen
in Portugal und Mexiko nachgewiesen wurde [1, 11], sollte darauf geachtet werden, dass zumindest die Flaschen korrekt versiegelt sind.
2.Von den nicht-antibiotischen Optionen wird in den USA am häufigsten Bismutsubsalicylat (Pepto-Bismol®, 4 x 2 Tabletten à 262 mg oder 4 x 30 ml jeweils mit der
Mahlzeit) eingesetzt. Diese Substanz hat eine milde antimikrobielle, antisekretorische und anti-inflammatorische Wirkung [4, 10, 13]. Bismutsubsalicylat reduziert
die „Attack rate” der Reisediarrhö bei dieser Anwendung von 40% auf 14% verglichen mit Plazebo [8, 31]. Diese Substanz ist in den USA, nicht aber in Deutschland
erhältlich. Ob das bei uns erhältliche basische Bismutnitrat (Angass®) bei dieser
Indikation eine ähnlich gute Wirksamkeit wie Pepto-Bismol® hat, ist nicht vergleichend geprüft. Für die Reisediarrhö ist es in Deutschland nicht zugelassen. Als unerwünschte Arzneimittelwirkung (UAW) dieser Bismutverbindungen kommt es
zur Schwarzfärbung der Zunge und des Stuhls. Darüber hinaus kann milder Tinnitus auftreten.
3.Eine antibiotische Prophylaxe ist nur für bestimmte Hochrisikopatienten empfehlenswert. Bei Patienten mit AIDS, aktiver chronisch entzündlicher Darmerkrankung,
insulinpflichtigem Diabetes mellitus, schwerer Herzerkrankung oder Patienten, die
Protonenpumpenhemmer einnehmen müssen (Patienten, die mit Protonenpumpenhemmern behandelt werden, haben ein deutlich erhöhtes Risiko, an einer
­Salmonellose zu erkranken, da die Magensäure eine natürliche Barriere für Salmonellen und andere enteropathogene Bakterien darstellt) und die nicht vermeiden
20
können, in die Tropen zu reisen (bei Aufenthalten < 3 Wochen), kann eine antibiotische Prophylaxe sinnvoll sein. Als wirksam erwies sich 2 x 500 mg/Tag Ciprofloxacin oder 2 x 200 mg/Tag Rifaximin (ein neues, gering resorbierbares Antibiotikum,
das nur in Italien und den USA zugelassen ist [26]). Als UAW von Ciprofloxacin ist
mit neurologischen und psychiatrischen Störungen, Hauterscheinungen und intestinalen Beschwerden bis hin zur Antibiotika-assoziierten Diarrhö zu rechnen.
Unter Rifaximin können Kopfschmerzen und intestinale Beschwerden auftreten.
Andere, früher häufig eingesetzte antibiotische Substanzen, wie z. B. Doxycyclin
oder Sulfonamide, verlieren bei dieser Indikation wegen zunehmender Resistenz
an Bedeutung [16].
4.Bisherige Studien mit Probiotika zur Prophylaxe der Reisediarrhö brachten sehr unterschiedliche Ergebnisse. Es wurde eine Reduktion mit einer Streubreite von 0–47%
mitgeteilt [15, 23]. Eine neuere Meta-Analyse unterstützt jedoch die Wirksamkeit von
Probiotika wie Saccharomyces boulardii und eine Mixtur aus Lactobacillus acidophilus
und Bifidobacterium bifidum in der Prophylaxe der Reisediarrhö [22].
5.Impfstoffe wären eine elegante Methode, Reisediarrhöen zu vermeiden. Ein auf
der B-Untereinheit des Choleratoxins beruhender Impfstoff schützt offensichtlich
auch vor Diarrhöen, die durch andere Erreger verursacht werden. Dies scheint auf
Homologien zwischen der B-Untereinheit des Choleratoxins und anderen Enterotoxinen zu beruhen. Die Weiterentwicklung eines solchen Impfstoffs führte zu einer erfolgreichen Anwendung bei finnischen Touristen, die nach Marokko reisten
[25]. Die Ergebnisse dieser Studie konnte bei Mexiko-Reisenden bestätigt werden.
Der Impfstoff zeigte eine Protektion von 50%. Kürzlich wurde von einem Expertengremium empfohlen [34], dass bei den oben genannten Risikogruppen vor Reisen
in die Tropen durch spezialisierte Zentren geprüft werden sollte, ob eine Impfung
mit dem Cholera-/ETEC-Schluckimpfstoff (Dukoral®) zum Schutz vor Reisediarrhö
sinnvoll ist (für diese Indikation hat der Impfstoff zwar in der Schweiz eine Zulassung, nicht aber in Deutschland und Österreich).
P Die beste Prophylaxe einer Reise­
diarrhö besteht nach wie vor in einer
peniblen Nahrungsmittelhygiene.
Therapie
Die Reisediarrhö ist eine selbst limitierende Durchfallerkrankung. Wie bei anderen
akuten infektiösen Diarrhöen ist auch hier die Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution
die wichtigste therapeutische Maßnahme. Besonders anfällig für Dehydratation sind
Kinder, Schwangere und ältere Menschen. Bei milder Diarrhö können die Flüssigkeitsund Mineralverluste durch kohlensäurehaltige Getränke, Salzstangen und Suppen etc.
ausgeglichen werden. Eine spezielle Diät hat keinen Stellenwert in der Behandlung
der infektiösen Diarrhö [17]. Bei schweren Verlaufsformen kann zur oralen Flüssigkeitssubstitution die von der WHO empfohlene orale Rehydratationslösung verwendet
werden (z. B. Elotrans®: 3,5 g Natriumchlorid, 2,5 g Natriumzitrat, 1,5 g Kaliumchlorid,
20 g Glukose ad 1 Liter abgekochtes Wasser). Sie kann als Trockenpulver in der Reiseapotheke mitgenommen werden. Motilitätshemmer, z. B. Loperamid, sollten nicht generell und vor allem nicht bei Fieber und blutigen Stühlen (Dysenterie) eingesetzt
werden [6]. Die Anwendung sollte auch auf 48 Stunden begrenzt werden. Als weiteres
Medikament zur Verkürzung der Reisediarrhö kommt noch Bismutsubsalicylat in Frage. Aktivkohle wird zwar häufig eingesetzt, ihre Wirksamkeit ist jedoch nicht belegt.
P Die Therapie der Reisediarrhö besteht
in erster Linie in der Flüssigkeits- und
Elektrolytsubstitution.
Die meisten bakteriellen Durchfallerkrankungen bei Immunkompetenten bedürfen
keiner antibiotischen Therapie [28] (s. Tab. 2), wenn sie nicht mit Fieber und/oder blutigen Durchfällen verlaufen. Zurzeit wird diskutiert, ob ältere Menschen (> 65 Jahre)
mit Samonelleninfektion und Arteriosklerose doch antibiotisch behandelt werden
sollten, da es im Rahmen einer Bakteriämie zur Absiedelung in den geschädigten Gefäßwänden mit Ausbildung mykotischer Aneurysmen kommen kann (in den USA so
empfohlen). Bei Infektionen mit Campylobacter ist besonders auf die Resistenzlage zu
achten. In Berlin sind ca. 40% der isolierten Stämme Ciprofloxacin-resistent [21].
21
Antibiotische Behandlung akuter bakterieller Diarrhöen
Erreger
Antibiotische Therapie
Medikament
Salmonellen
Nein, Ausnahme:
Immungeschwächte
und bei Sepsis
Ciprofloxacin 2 x 500 mg/Tag oral
für 7 Tage
Shigellen und
EHEC
Nur mittelschwere oder
schwere Verlaufsformen
Ampicillin 4 x 500 mg/Tag oder
Cotrimoxazol 2 x 160/800 mg/Tag
oder Ciprofloxacin 2 x 500 mg/Tag
oral jeweils für 7 Tage
Campylobacter
Nein, nur schwere
Verlaufsformen
Erythromycin 4 x 500 mg/Tag
für 7 Tage
EPEC, ETEC,
EHEC
Nein
Vibrio cholerae
Ja
Doxycyclin 300 mg/Tag oder
Erythromycin 4 x 500 mg/Tag oder
Cotrimoxazol 2 x 160/800 mg/Tag
für 3 Tage
Clostridium
difficile
(Zytotoxin A)
Ja
Metronidazol 4 x 250–500 mg/Tag;
wenn Kontraindikation für
Metronidazol (z. B. Allergie)
Vancomycin 4 x 125–250 mg/Tag,
jeweils oral für 10–14 Tage
Tab. 2
Eine antibiotische Therapie kann die Dauer der Symptome (Diarrhö, abdominelle
Krämpfe) bei Reisediarrhö in einigen Fällen von 50–95 Stunden (unbehandelt) auf
16–30 Stunden (behandelt) verkürzen, wenn der Erreger auf das Antibiotikum sensibel ist [5, 7, 9]. Wegen der potenziell gefährlichen UAW sollten Antibiotika allerdings
nur bei besonders schwerer Erkrankung, Fieber und/oder blutigem Durchfall, möglichst nach bakteriologischer Diagnostik genommen werden. Die Wirksamkeit der
Antibiotika hat sich in den letzten Jahren wegen Resistenzentwicklungen verändert.
Früher waren Sulfonamide Mittel der ersten Wahl, heute sind es Fluorochinolone, wie
Ciprofloxacin. Nur in Nepal, wo Infektionen mit Cyclospora während der Sommer­
monate eine Rolle spielen, können Sulfonamide noch erfolgreich eingesetzt werden
(s. Tab. 5). Ein weiteres Antibiotikum für die Reisediarrhö ist das oben erwähnte und in
Deutschland nicht zugelassene Rifaximin. Es wird nicht aus dem Darm resorbiert und
ist daher relativ nebenwirkungsarm.
Verläuft die Erkrankung mit Fieber und/oder blutigen Durchfällen, sollte eine bakteriologische Untersuchung des Stuhls, ggf. eine Endoskopie und eine gezielte Therapie
erfolgen. Es kann sich um schwere Shigellen-, Campylobacter- oder Amöbeninfektionen handeln (s. Tab. 1). In diesen Fällen ist eine die Darmmotilität hemmende Therapie, wie z. B. mit Loperamid, kontraindiziert. Wichtig ist außerdem, dass bei Patienten,
die mit Fieber und Diarrhö aus den Tropen zurückkehren, unbedingt eine Malaria­Untersuchung durchgeführt wird, denn in einer Studie aus dem Tropeninstitut in
München gaben immerhin 13% der Patienten, bei denen schließlich Malaria diagnostiziert wurde, Diarrhö als führendes Symptom an [18].
P Eine antibiotische Therapie der
akuten Diarrhö im Zusammenhang mit
Reisen ist in der Regel nicht indiziert.
Einige Gesichtspunkte zur Selbsttherapie für Reisende, die in entlegenen tropischen
Ländern nicht sofort einen Arzt konsultieren können, sind in Tabelle 3 zusammengefasst. Eine Selbsttherapie bei Reisediarrhö sollte nur kurze Zeit durchgeführt werden.
Als Medikamente für die Reiseapotheke kommen in Betracht: Elotrans®, Loperamid,
Bismutsubsalicylat, und als Antibiotikum Ciprofloxacin, Azithromycin oder – wenn
verfügbar – Rifaximin.
P Die Selbstherapie der Reisediarrhö
z. B. mit Loperamid sollte nur für
kurze Zeit und in Ausnahmefällen
(wenn kein Arzt erreichbar ist)
durchgeführt werden.
22
Tab. 3
Anleitung zur Selbsttherapie einer Reisediarrhö
Klinische Ausprägung
Vermuteter Erreger
Therapie
Wässrige Diarrhö
(kein Fieber, kein Blut im Stuhl)
Bakterien
Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution. Bei Erwachsenen
4 mg Loperamid initial und 2 mg nach jedem unge­
formten Stuhl (Maximaldosis 12 mg/Tag)
Dysenterie (blutige Stühle und/
oder Fieber > 37,8 ºC)
Invasive Bakterien
antibiotische Therapie*
Erbrechen und Diarrhö
Viren, Lebensmittelintoxikation
Bismutsubsalicylat (4–5 x 200–300 mg/Tag) maximal
für 2 Tage
Diarrhö bei Kindern (< 2 Jahre)
Bakterien
Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution.
Arztkontakt dringend!
Diarrhö bei Schwangeren
Bakterien
Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution.
Arztkontakt dringend!
Diarrhö besteht weiter trotz
Rifaximin-Prophylaxe
Viren, Protozoen,
bakterielle Resistenz
Versuch mit Bismutsubsalicylat (4–5 x 200–300 mg/Tag)
Diarrhö trotz FluorochinolonProphylaxe
Viren, Protozoen,
bakterielle Resistenz
Versuch mit Azithromycin (500 mg/Tag) oder
Bismutsubsalicylat (4–5 x 200–300 mg/Tag)
* Antibiotische Therapie: Norfloxacin (400 mg) oder Ciprofloxacin (500 mg) oder Ofloxacin (300 mg) zweimal täglich für maximal 3 Tage, zusätzlich Elektrolyt- und
Flüssigkeitssubstitution. Wenn die Diarrhö trotz der angegebenen Maßnahmen länger als 3 Tage anhält, Arzt konsultieren!
Chronische infektiöse Diarrhöen
Als Ursache chronischer Durchfallerkrankungen kommt eine Reihe auch nicht-infek­
tiöser Ursachen in Frage. In jedem Fall ist eine ausführliche Diagnostik, die auch endoskopische Verfahren einschließen kann, indiziert. Das Spektrum chronischer infektiöser Diarrhöen unterscheidet sich von dem der akuten Diarrhöen (s. Tab. 4).
Erregerspektrum bei chronischer infektiöser Diarrhö
Infektion im
Dünndarm
Infektion im
Dickdarm
Infektion als
Ursache vermutet
Bei HIV-Infektion
Giardia lamblia,
Cyclospora
cayetanensis,
Tropheryma
whipplei,
Hakenwürmer
Entamoeba
histolytica,
Balantidium coli
Tropische Sprue,
Brainerd-Diarrhö
HIV, Mikrosporidien,
Cryptosporidien,
Isospora belli,
Zytomegalie,
Strongyloides
Tab. 4
Die häufigste Ursache chronischer Diarrhöen nach Fernreisen ist eine Infektion mit
Giardia lamblia [33]. Zur Diagnostik dieser Infektion sind Stuhluntersuchungen nötig
(mikroskopischer Nachweis bzw. hoch sensitiver Fluoreszenztest); eine obere Endo­
skopie bringt keinen zusätzlichen Gewinn zur Beantwortung der Frage einer Giardiasis
[33]. Bei Patienten mit chronischer Diarrhö nach Tropenaufenthalt, bei denen kein Erregernachweis gelingt und bei denen endoskopisch gewonnene Duodenumbiopsien
eine Zottenatrophie ergeben, sollte man an eine tropische Sprue denken. Diese Krankheit wird zwar selten von Touristen importiert, kann aber sehr schwer verlaufen. Ist die
Diagnose gestellt, führt eine adäquate Behandlung fast immer zum Erfolg (Tab. 5).
23
Tab. 5
Diagnostik und Therapie der chronischen infektiösen Diarrhöen
Erkrankung
Diagnose
Therapie
Morbus Whipple
PAS-Färbung in der Histologie der tiefen
Duodenalbiopsie + PCR
Ceftriaxon 1 x 2 g i.v. oder Meropenem 3 x 1 g i.v.
für 2 Wochen, danach Cotrimoxazol (160/800 mg)
2 x/Tag oral für 1 Jahr
Giardia lamblia
3 x Stuhluntersuchung (direkter mikroskopischer
Nachweis oder Immunfluoreszenztest)
Metronidazol 2 g/Tag für 3 Tage oder 3 x 400 mg/Tag
für 5–7 Tage; Tinidazol 2 g/Tag für 2 Tage oder 1 g/Tag
für 5 Tage
Entamoeba
histolytica
3 x Stuhluntersuchung (direkter mikroskopischer
Nachweis oder PCR)
Metronidazol 3 x 800 mg/Tag für 10 Tage, im Anschluss: Diloxanidfuroat 3 x 500 mg/Tag für 10 Tage
oder Paromomycin 2 x 1 g/Tag für 10 Tage [2]
Cyclospora
cayetanensis,
Isospora belli
3 x Stuhluntersuchung (direkter mikroskopischer
Nachweis oder Immunfluoreszenztest)
Cotrimoxazol (160/800 mg) 2 x/Tag für 7 Tage
(Cyclospora) bzw. 4 x/Tag für 10 Tage, gefolgt von
2 x/Tag für 21 Tage (Isospora belli)
HIV
HIV-Test = Antikörpernachweis im Serum (ELISA,
Immunoblot) oder im Heparinblut;
PCR (Genom-Nachweis)
Hoch aktive antiretrovirale (Kombinations-)Therapie
(HAART)
Tropische Sprue
Ausschlussdiagnose; Zottenatrophie in der
Histologie der tiefen Duodenalbiopsie
Doxycyclin 200 mg/Tag für 6 Monate und Folsäure
5 mg/Tag für 6 Monate
Bei entsprechender Anamnese muss man auch an eine HIV-Infektion denken, die sich
durchaus auch als Diarrhö sowohl in den akuten wie auch in anderen Stadien der HIVErkrankung manifestieren kann. Wichtig ist noch darauf hinzuweisen, dass sich Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts zufällig im Rahmen einer Reise symptomatisch
­manifestieren können. So werden bei der endoskopischen Diagnostik von Stuhlunregelmäßigkeiten nach Tropenaufenthalt manchmal andere nicht reisespezifische Erkrankungen wie z. B. ein Kolonkarzinom entdeckt.
Therapie
Im Gegensatz zur akuten Diarrhö ist bei der chronischen infektiösen Diarrhö fast
immer eine spezielle Therapie notwendig, die jedoch erst nach entsprechender
Diagnostik beginnen kann. Die Therapie der chronischen infektiösen Diarrhö ist in
Tabelle 5 zusammengefasst.
P Im Gegensatz zur akuten Diarrhö
sollte die chronische Diarrhö immer
ätiologisch geklärt werden, weil sich
hieraus spezifische therapeutische
Konsequenzen ergeben können.
24
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31 Steffen R, DuPont HL, Heusser R, Helminger A, Witassek F, Manhart MD, Schär M.
Prevention of traveler‘s diarrhea by the tablet form of bismuth subsalicylate.
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Development of Functional Diarrhea, Constipation, Irritable Bowel Syndrome, and
Dyspepsia During and After Traveling Outside the USA.
Dig Dis Sci 2007; [Epub ahead of print].
33 Wahnschaffe U, Ignatius R, Loddenkemper C, Liesenfeld O, Muehlen M, Jelinek T,
Burchard GD, Weinke T, Harms G, Stein H, Zeitz M, Ullrich R, Schneider T.
Diagnostic value of endoscopy for the diagnosis of giardiasis and other intestinal
diseases in patients with persistent diarrhea from tropical or subtropical areas.
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34 Weinke T, Liebold I, Burchard GD, Frühwein N, Grobusch MP, Hatz C, Kollaritsch
H, Nothdurft HD, Reisinger E, Rieke B, Schönfeld C, Steffen R, Stich A.
Impfprophylaxe gegen ETEC-Reisediarrhoe und Cholera: Ist sie sinnvoll und für wen?
Dtsch Med Wochenschr 2006; 131: 1660–1664.
27
Fragen zur Diarrhö im
Zusammenhang mit Reisen
Frage 1:
Welche der angegebenen Behandlungsmöglichkeiten der
Reisediarrhö ist am sinnvollsten?
Falk
Gastro-Kolleg
Darm
wKohletherapie
wAntibiotika
wFlüssigkeitssubstitution
wProbiotika
wAntimykotika
Frage 2:
Welche der Optionen zur Prophylaxe der Reisediarrhö ist die
einfachste, billigste und nebenwirkungsärmste?
wAntibiotikaprophylaxe
wLebensmittelhygiene
wImpfungen
wBismutsubsalicylate
wLoperamid
Frage 3:
Bei welchen Risikopatienten sollte im Rahmen einer Reise in die
Tropen über eine antibiotische Antibiotikaprophylaxe nachgedacht werden?
Bitte beachten Sie:
Bei der Beantwortung der Fragen
ist immer nur 1 Antwort möglich.
Die Beantwortung der Fragen und
Erlangung des Fortbildungszertifikats
ist nur online möglich.
Bitte gehen Sie dazu auf unsere Homepage
www.falkfoundation.de.
Unter dem Menüpunkt Falk Gastro-Kolleg
können Sie sich anmelden und die Fragen
beantworten.
Bitte diesen Fragebogen nicht
per Post oder Fax schicken!
wKinder
wSchwangere
wPatienten über 65 Jahre
wPatienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (Morbus
Crohn oder Colitis ulcerosa) und Zeichen der Krankheitsaktivität
wPatienten nach Splenektomie
Frage 4:
Welche Aussage zu akuten Durchfallerkrankungen im Zusammenhang mit Reisen ist richtig?
wJede Diarrhö im Zusammenhang mit Reisen muss ätiologisch
abgeklärt werden
wDie Reisediarrhö wir meistens durch Salmonellen verursacht
wDie Reisediarrhö ist hoch kontagiös
wDie Reisediarrhö ist eine selbstlimitierende Erkrankung
wDie Entwicklung eines Colon irritabile (Reizdarmsyndroms) nach
Reisediarrhö ist häufig
Wichtig:
Fragebeantwortung unter
www.falkfoundation.de
Falk Gastro-Kolleg
28
Frage 5:
Welche Antwort zur Therapie der Reisediarrhö ist richtig?
wEine Reisediarrhö sollte immer mit Antibiotika therapiert werden
wFluorochinolone können die Dauer der Diarrhö verkürzen.
wLoperamid ist vor allem bei Patienten mit blutiger Diarrhö indiziert
wWenn Antibiotika indiziert sind, dann sollte man Sulfonamide geben.
wBei Verdacht auf eine virale Diarrhö ist Interferon indiziert.
Falk
Gastro-Kolleg
Darm
Frage 6:
Welche Maßnahme im Rahmen einer Diarrhö im Zusammenhang
mit Reisen in die Tropen sollte man nie unterlassen?
wMalariadiagnostik
wComputertomogramm des Abdomens
wGabe von Loperamid
wGabe von Antibiotika
wStuhlvirusanalyse
Frage 7:
Der häufigste Erreger einer chronischen Diarrhö nach Reisen in
Nicht-Industrieländer ist?
wE. coli
wSalmonellen
wGiardia lamblia
wEnteropathogene Viren
wCampylobacter
Frage 8:
Welche Aussage zur chronischen Diarrhö nach Reisen trifft zu?
wEndoskopische Verfahren zur weiteren Diagnostik müssen nie eingesetzt werden
wKolonkarzinome werden in diesem Zusammenhang nicht gefunden
wDie ätiologische Abklärung macht keinen Sinn, da hieraus meist
keine therapeutischen Optionen folgen
wGiardia lamblia ist in der Regel eine gut therapierbare Ursache einer
chronischen Diarrhö
wDie tropische Sprue ist die häufigste Ursache einer chronischen
Diarrhö nach längerem Aufenthalt in den Tropen
29
Frage 9:
Welche der folgenden Fragestellungen stellt eine Indikation zur
Koloskopie dar?
wBestätigung der Giardiasis
wNachweis der tropischen Sprue
wAusschluss nicht reiseabhängiger Ursachen einer chronischen
Diarrhö
wSollte bei jedem Patienten nach Abklingen der Symptome einer
Reisediarrhö durchgeführt werden
wTherapieentscheidung bei Nachweis von Shigellen im Stuhl
Falk
Gastro-Kolleg
Darm
Frage 10:
Welche Aussage zum Typhus trifft nicht zu?
wEines der führenden Symptome des Typhus ist die Diarrhö
wDer Typhus ist eine seltene Reiseerkrankung
wDer Typhus kann einen schweren lebensbedrohlichen Verlauf
nehmen
wEines der führenden Symptome des Typhus ist die Fieberkontinua
wDer Typhus wird in der Regel antibiotisch behandelt
30
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