BASICS ZIRKONOXID-KERAMIK: GEGENWART UND ZUKUNFT Zusammenfassung Der Beitrag zeigt aktuelle Weiterentwicklungen im Bereich Zirkonoxid, beleuchtet werkstoffkundliche Hintergründe und beschreibt die CAD/CAMbasierte Herstellung von ästhetisch optimiertem Zahnersatz aus vorkolorierten Rohlingen. Indizes Zirkonoxid, Transmission, Transluzenz, Opazität, Einfärbung, Ästhetik, monolithisch, polychromatisch, Farbgradient, CAD/CAM Zirkonoxid 2016 Automatisch, vollanatomisch, ästhetisch Rita Hoffmann, Axel Reichert, Falko Noack Nach nunmehr ca. 20 Jahren Zirkonoxid in dentaler Anwendung kann man rückblickend festhalten: Das Material Zirkonoxid hat sich weltweit als Ersatzmaterial etabliert. Gab es vor einigen Jahren, z. B. mithilfe des Kopierfräsens, auch manuelle Ansätze zur Verarbeitung, wird das Material heute nahezu ausschließlich für die CAD/CAM-basierte Verarbeitung genutzt. Letztere hat die Verbreitung des Materials maßgeblich beeinflusst und vorangetrieben, wie es selten bei einem Werkstoff in der Zahntechnik der Fall war. Am ehesten kann dies wahrscheinlich noch mit dem im wahrsten Sinne des Wortes goldenen Zeitalter der Edelmetalllegierungen und der in diesem Zusammenhang angewandten Technologie des Feingusses verglichen werden. Aber worin besteht das Erfolgsrezept für ein erfolgreiches Dentalmaterial, das eine nahezu flächendeckende Akzeptanz bei Zahntechnikern, Zahnärzten und Patienten erreicht hat? An erster Stelle sind hier sicherlich die im Vergleich herausragenden biologischen und mechanischen Eigenschaften anzuführen, welche vor allem in den frühen Zeiten der Markteinführung des Materials Kliniker und Patienten step by step überzeugten. Hartnäckiger hielten sich die anfangs offenen Fragen zum Thema Langzeitstabilität. Aber auch diese wurden mit fortschreitender klinischer Erfahrung sukzessive analysiert. Die Resultate vor 796 Einleitung Quintessenz Zahntech 2016;42(6):796–810 BASICS ZIRKONOXID-KERAMIK: GEGENWART UND ZUKUNFT Abb. 1: Hochtransluzente Zirkonoxidbrücken ohne, mit monochromatischer und mit polychromatischer Einfärbung (Ceramill Zolid FX, Zolid FX Preshade, Zolid FX Multilayer). allem neuerer klinischer Studien6,7,8,9,13 über verblendete Zirkonoxidrestaurationen prognostizieren für das Material mittlerweile verheißungsvolle Langzeitstabilitätsergebnisse mit Überlebensraten von über 98 % für Beobachtungszeiträume von mindestens 5 Jahren. Zudem konnten auch offene Fragen zum Abrasionsverhalten des Materials bei monolithischer Anwendung erörtert werden.2,4,10 Hier kamen die Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass bei ausreichender Politur und damit minimierter Oberflächenrauheit des Materials, im Vergleich zu anderen keramischen Dentalmaterialien, niedrigere Abtragsraten am Schmelz des Antagonisten zu verzeichnen sind. Einen entscheidenden Meilenstein für die Etablierung von Zirkonoxid im zahntechnischen Labor stellte mit Sicherheit die durch die Weißlingsbearbeitung mit nachfolgendem Sinterprozess ermöglichte effiziente Verarbeitbarkeit dar. Hiermit wurde die Verwendbarkeit des Werkstoffs für die breite Masse der Anwender erreicht. Zudem brachten die allgemeinen Materialeigenschaften im Vergleich zu anderen keramischen Werkstoffen auch weitere positive Effekte wie reduzierte notwendige Mindeststärken, einfachere Erzielung von ästhetisch akzeptablen Resultaten, Reduzierung der Arbeitsschritte, Eliminierung von Fehlerquellen und Verbesserung der Reproduzierbarkeit für die Verarbeitungscharakteristika mit sich. Durch die jüngsten Weiterentwicklungen zur Verbesserung der Ästhetik von Zirkonoxidrestaurationen wurden die letzten fehlenden Komponenten für ein erfolgreiches Zahnersatzmaterial hinzugefügt. In diesem Punkt sind vor allem Farbe, Farbverlauf und Transluzenz für die Patientenakzeptanz von Bedeutung, was mit der Entwicklung und Einführung von polychromatischen und transluzenten Zirkonoxidrohlingen umgesetzt wurde. Hierdurch wurden vor allem Zirkonoxidmaterialien der neusten Generationen für monolithische Restaurationen ideal anwendbar. Zusammengefasst kann man folgende vier Punkte definieren, die ein erfolgreiches Dentalmaterial auszeichnen: 1. Maximale Sicherheit in puncto dauerhafter biologischer und mechanischer Stabilität 2. Universelle Einsetzbarkeit für unterschiedliche Indikationen 3. Einfache, sichere und reproduzierbare Verarbeitung 4. Nutzung zur wirtschaftlichen Herstellung von Zahnersatz Für dental genutztes Zirkonoxid kann man in diesem Zusammenhang konstatieren, dass viele positive Charakteristika durch die permanente Weiterentwicklung des Materials verQuintessenz Zahntech 2016;42(6):796–810 797 BASICS ZIRKONOXID-KERAMIK: GEGENWART UND ZUKUNFT Abb. 2 Durch verschiedene Elemente eingefärbtes Zirkonoxid in unterschiedlichen Konzentrationen. eint werden konnten, wodurch die große Beliebtheit, die schnelle Verbreitung und die hohe Akzeptanz erklärbar sind. Gab es noch vor vielen Jahren ein regelrechtes Wettrüsten um höchste Festigkeitswerte, hat sich diese Tendenz mittlerweile etwas überholt. Mit der Langzeiterfahrung vieler Hersteller und Anwender wuchs auch das Wissen um die Verhinderung der Auswirkungen von Versagensmechanismen infolge von beispielsweise Low Temperature Degradation, Designfehlern oder fehlerhafter Präparation und Befestigung von Zirkonoxidrestaurationen. Die dadurch gewonnene Sicherheit erlaubte es, Abstriche bei der für die Anwendung teilweise überdimensional hohen Festigkeit des Materials in Kauf zu nehmen und die Forschungsschwerpunkte in Richtung Ästhetik zu verschieben. Ästhetik und Festigkeit sind bei der Weiterentwicklung des Zirkonoxids entgegengesetzte Zielsetzungen. Vor allem Maßnahmen zur Erhöhung der Transluzenz gehen mit einer Festigkeitsverringerung einher. Jedoch lassen sich durch gezielte Eingriffe in die chemische Komposition des Materials bei klinisch ausreichender mechanischer Festigkeit Anpassungen für die optische Erscheinung erreichen. Anpassungen hinsichtlich Farbe und Transluzenz sind aktuell die maßgeblichen Schwerpunkte der Weiterentwicklung des Zirkonoxids. Entwicklungsschwerpunkte Zur Einfärbung von Zirkonoxid werden grundsätzlich zwei Techniken angewendet. Zum einen werden die gefrästen Restaurationen vor dem Sintern mit Lösungen, welche mit verschiedenen färbenden Elementen (auch Elementen aus der Gruppe der Seltenen Erden) versetzt sind, infiltriert. Zum anderen wird der Rohstoff selbst, das Zirkonoxidpulver, im Vorfeld mit bestimmten Metalloxiden dotiert.5 Färbelösungen sind Mischungen aus Basiskomponenten und farbgebenden Komponenten. Bei den farbgebenden Komponenten handelt es sich um Salze verschiedener Elemente. Eisen ist ein häufig verwendetes Element zur Einfärbung von Keramiken.3 Es verleiht dem Zirkonoxid eine gelbe Farbe und wird deshalb häufig für dentale Zwecke verwendet.3 Andere Elemente sind z. B. Chrom (Cr), Mangan (Mn), Erbium (Er) oder Neodym (Nd) (Abb. 2). Die Salze lösen sich in der Flüssigkeit zu Ionen, die später in der gesinterten Res- Möglichkeiten zur Einfärbung von Zirkonoxid 798 Quintessenz Zahntech 2016;42(6):796–810 BASICS ZIRKONOXID-KERAMIK: GEGENWART UND ZUKUNFT Abb. 3 Beispiele eingefärbter Zirkonoxidpulver. tauration für die Farbgebung verantwortlich sind. Durch die Tauch- oder Pinseltechnik werden die in der Färbelösung enthaltenen Ionen in die gefräste Restauration eingebracht und gleichmäßig in dem vorgesinterten porösen Material verteilt. Während des Sinterprozesses brennen die Basiskomponenten aus. Durch die im Kristallgitter des Zirkonoxids eingelagerten Ionen erscheint so nach dem Sintern die eigentliche Farbe. Je nach Ionenart werden bestimmte Bereiche des weißen Lichts absorbiert und andere Bereiche reflektiert. Für das menschliche Auge ist jeweils die Komplementärfarbe des absorbierten Lichts sichtbar. Aus Zirkonoxidpulvern, welche mit farbgebenden Oxidverbindungen (z. B. Eisenoxid oder Erbiumoxid) dotiert wurden, können voreingefärbte Rohlinge hergestellt werden (Abb. 3). Die aus solchen Rohlingen gefrästen zahntechnischen Restaurationen erhalten ihre Farbe ebenso nach dem Sintern, jedoch anders als bei den Färbelösungen direkt aus dem Rohstoffpulver heraus. Die Beimischung der farbgebenden Komponenten zeigt in den für dentale Anwendung genutzten Mengen keinen signifikanten Einfluss auf die Festigkeitswerte. Dem zahntechnischen Labor sind heute zahlreiche Mittel zur farblichen Individualisierung der weißen Zirkonoxidgerüste gegeben. Den Möglichkeiten sind durch das mittlerweile große Angebot an Standard- und Effektfarben, gepaart mit etlichen Färbetechniken, nahezu keine Grenzen gesetzt. Durch die Verwendung voreingefärbter Rohlinge hingegen ergibt sich die Grundfarbe der Restauration bereits aus dem Material heraus, ohne zusätzliche Arbeitsschritte zur Einfärbung des Gerüsts vor dem Sintern vornehmen zu müssen. Zusammenhang von Farbe und Lichtdurchlässigkeit von dentalen Materialien sind zwei der wichtigsten FaktoFarbe und Transluzenz ren für die Erzielung einer natürlichen Ästhetik. Die Transluzenz ist eine Eigenschaft, die von Lichtstreuung und Lichtabsorption abhängig ist und die u. a. keramischem Zahnersatz seine lebensechte Wirkung und das natürliche Aussehen verleiht.1 Deshalb wird der Begriff Transluzenz häufig als „ästhetische Messgröße“ beim Vergleich verschiedener Zirkonoxidmaterialien herangezogen. Aber was genau verbirgt sich hinter dem Begriff Transluzenz? Wie wird Transluzenz gemessen? Wodurch wird sie beeinflusst, und wie hängt sie mit der Farbe zusammen? Materialien sind unterschiedlich lichtdurchlässig (Abb. 4). Die vollständige Lichtdurchlässigkeit wird als Transparenz bezeichnet. Sind die hinter dem Material liegenden Linien klar erkennbar, ist ein Material durchsichtig oder transparent, wie z. B. transparentes PMMA. Quintessenz Zahntech 2016;42(6):796–810 799 BASICS ZIRKONOXID-KERAMIK: GEGENWART UND ZUKUNFT transparent PMMA transluzent ZrO2 opak Abb. 4 Lichtdurchlässigkeit verschiedener Materialien im Vergleich. Metall Mit abnehmender Lichtdurchlässigkeit werden die Linien immer undeutlicher erkennbar. Somit werden Materialien wie z. B. Zirkonoxid, die zwar Licht hindurchlassen, aber hinter denen Gegenstände schwer erkennbar sind, als durchscheinend oder transluzent bezeichnet. Die dazugehörige Eigenschaft der partiellen Lichtdurchlässigkeit heißt Transluzenz. Nimmt die Lichtdurchlässigkeit noch weiter ab, bis die dahinter liegenden Linien nicht mehr durch das Material hindurch erkennbar sind, wird das Material als undurchsichtig oder opak beschrieben. Beispielsweise gehören Metalle zu den lichtundurchlässigen Materialen. Die mangelnde Lichtdurchlässigkeit bis hin zur Lichtundurchlässigkeit wird Opazität genannt. Die Lichtdurchlässigkeit von Materialien ist messbar und wird als Transmission angegeben. Die Transmission ist in der Physik eine Größe für die Durchlässigkeit eines Mediums für Wellen, wie z. B. elektromagnetische Wellen, in unserem Falle das Licht. Wird, vereinfacht erklärt, Licht unterschiedlicher Wellenlängen auf eine Probe gesendet und das von der Probe durchgelassene Licht von einem Detektor erfasst, kann die prozentuale Lichtdurchlässigkeit in Abhängigkeit von der Wellenlänge ermittelt werden. Zusammengefasst bedeutet das, dass die in Abbildung 4 dargestellten Eigenschaften „opak“, „transparent“ und „transluzent“ Resultate aus der Transmissionsmessung sind und zur Beschreibung der Lichtdurchlässigkeit verschiedener Materialien herangezogen werden. Die Lichtdurchlässigkeit transluzenter Materialien ist stark abhängig von der Materialstärke und der Oberfläche.12 Je dicker die Probe ist, desto weniger Licht gelangt durch die Probe in den Detektor, wodurch die Lichtdurchlässigkeit sinkt. Je rauer die Probenoberfläche ist, desto mehr Licht wird gestreut und kann nicht vom Detektor erfasst werden. Die Lichtdurchlässigkeit ist somit scheinbar geringer. Proben gleichen Materials können dadurch, abhängig von der Materialstärke und der Oberflächenbeschaffenheit, unterschiedliche Messwerte aufzeigen. Das macht einen objektiven Vergleich von Messwerten verschiedener Materialhersteller sehr schwer, da oftmals keine Angaben bezüglich der Materialstärke und/oder der Oberflächenbeschaffenheit gemacht werden. Transluzenzbeeinflussende chemische Komponenten für Zirkonoxid sind die Verbindungen Yttriumoxid (Y2O3) und Aluminiumoxid (Al2O3). Vor allem durch die Variation des Yttriumoxidgehalts in festgelegten Grenzen lässt sich die Transluzenz von Zirkonoxid steuern. Bei einem Masseanteil zwischen 3 und 5 % Y2O3 liegt Zirkonoxid mehrheitlich in der metastabilen tetragonalen Phase vor und zeigt dadurch höchste Festigkeitseigenschaften. Mit Erhöhung des Massenanteils über 5 % hinaus, reduziert sich der Anteil der tetragona800 Quintessenz Zahntech 2016;42(6):796–810 BASICS ZIRKONOXID-KERAMIK: GEGENWART UND ZUKUNFT Abb. 5 Zirkonoxidbrücken in unterschiedlichen Transluzenzen infolge von Modifikationen des Yttriumgehaltes (Ceramill Zi, Ceramill Zolid, Ceramill Zolid FX). 50 47,2 45 42,0 40 40,5 35 38,3 34,0 Transmission [%] 24,2 30,7 30 31,7 25 20,9 20 Bereich sichtbares Licht 15 Zi Zolid Zolid FX 10 5 Probendicke 0,6 mm Oberfläche feingeschliffen 0 Abb. 6 Transmissionsmessungen uneingefärbter Zirkonoxidmaterialien. 200 240 280 320 360 400 440 480 520 560 600 640 680 720 760 800 Wellenlänge [nm] len Phase zugunsten der weniger festen kubischen Phase. Die kubische Phase weist jedoch aufgrund ihrer optischen Isotropie bessere Lichtleitungseigenschaften auf, wodurch sich die Transluzenz erhöht (Abb. 5). Abbildung 6 zeigt die Transmissionswerte weißer, uneingefärbter Zirkonoxidmaterialien (Ceramill Zi, Ceramill Zolid und Ceramill Zolid FX, Amann Girrbach, Pforzheim) unterschiedlicher Lichtdurchlässigkeiten in Abhängigkeit von der Wellenlänge. Die Messwerte gelten für Plättchen mit einer Stärke von 0,6 mm und einer mit SiC-Papier der Körnung 2 500 feingeschliffenen Oberfläche. Der Bereich des für das menschliche Auge sichtbaren Lichts umfasst die Wellenlängen von etwa 380 bis 780 Nanometer (nm). Es ist sehr gut zu erkennen, dass die Lichtdurchlässigkeit nicht konstant, sondern mit zunehmender Wellenlänge des Lichts, welche auf die Probe gesendet wird, ansteigt. Die Lichtdurchlässigkeit erhöht sich bei allen drei Materialien mit steigender Wellenlänge im sichtbaren Bereich um einen Betrag von etwa 10–13 %. Praktisch gesehen bedeutet Quintessenz Zahntech 2016;42(6):796–810 801 BASICS ZIRKONOXID-KERAMIK: GEGENWART UND ZUKUNFT 50 45 40 Transmission [%] 35 30 25 20 15 10 5 Absorption von blauem und grünem Licht Zolid FX Zolid FX Ps - Bleach Zolid FX Ps - B light Zolid FX Ps - A medium Probendicke 0,6 mm Oberfläche feingeschliffen 0 200 240 280 320 360 400 440 480 520 560 600 640 680 720 760 800 Wellenlänge [nm] Bereich sichtbares Licht Abb. 7 Transmissionsmessungen voreingefärbter Zirkonoxidmaterialien. das, dass die Lichtdurchlässigkeit zusätzlich von der Qualität der Lichtquelle abhängig ist. Je nach Art der Lichtquelle (Kunstlicht, Sonnenlicht etc.) kann die Lichtdurchlässigkeit verschieden wahrgenommen werden. Vergleichbare Messwerte können daher nur unter gleichen Lichtbedingungen erzielt werden. Werden die Lichtdurchlässigkeiten der drei Materialien bei einer bestimmten Wellenlänge (z. B. 380 nm, 580 nm oder 780 nm) untereinander verglichen, sind deutliche Unterschiede zu erkennen, deren Ursache in der chemischen Zusammensetzung begründet liegt. Durch unterschiedliche Gehalte an Aluminiumoxid und/oder Yttriumoxid verändert sich die Lichtdurchlässigkeit der Materialien. Abbildung 7 zeigt die Transmissionskurven des monochromatisch voreingefärbten Zirkonoxidmaterials Ceramill Zolid FX Preshade (PS) in drei unterschiedlichen Farben (Bleach, B light und A medium) im Vergleich zu dem dazugehörigen weißen Grundmaterial Ceramill Zolid FX. Wird die Transmission von voreingefärbten Zirkonoxidmaterialien gemessen, sind im Kurvenverlauf in bestimmten Bereichen Abfälle in den Transmissionswerten zu erkennen. Je nach zugegebenen Farbanteilen wird das auf die Probe gesendete Licht bestimmter Wellenlängen vom Material absorbiert, was sich im Kurvenverlauf durch diese Abfälle der Transmissionswerte darstellt. Die voreingefärbten Ceramill Zolid FX Materialien absorbieren hauptsächlich einen Teil des blauen und grünen Lichts. Die gelben, orangen und roten Wellenlängen 802 Quintessenz Zahntech 2016;42(6):796–810 BASICS ZIRKONOXID-KERAMIK: GEGENWART UND ZUKUNFT 100 Transmission Opazität 90 Transmission bzw. Opazität [%] 80 70 68,5 61,6 60 58,5 57,7 59,4 62,0 50 42,1 37,9 40 30 40,4 36,6 34,8 31,2 20 10 0 Abb. 8 Gegenüberstellung der Transmission und Opazität uneingefärbter und voreingefärbter Zirkonoxidmaterialien. Zi Zolid Zolid FX Zolid FX Ps Zolid FX Ps Zolid FX Ps Bleach B light A medium werden größtenteils reflektiert und sind somit für das menschliche Auge als eine bestimmte Zahnfarbe sichtbar. Bei dem uneingefärbten Material sind keine Kurvenabfälle zu erkennen. Alle Wellenlängen von violett bis rot werden reflektiert. Das Material erscheint weiß. Wird der Kurvenverlauf von einem nur wenig eingefärbten Bleach-Material mit einem stärker eingefärbten A-medium-Material verglichen, können folgende Aussagen getroffen werden: Je stärker der Rohling eingefärbt ist, desto mehr Licht wird absorbiert. Mit zunehmender Farbintensität sind die Kurvenabfälle stärker ausgeprägt. Gleichzeitig sinkt die Lichtdurchlässigkeit mit stärker werdender Einfärbung. Die Lichtdurchlässigkeit eines Bleach-Materials beträgt bei einer Wellenlänge von 460 nm rund 39 %, die eines A-medium-Materials bei gleicher Wellenlänge rund 31 %. Die Transluzenz kann neben der Messung der Transmission ebenso mit Opazitätswerten beschrieben werden. Abbildung 8 zeigt die Unterschiede beider Werte im Vergleich uneingefärbter und monochromatisch voreingefärbter Zirkonoxidmaterialien. Mit steigender Opazität sinkt die Transmission. Beide Formen der Messung finden Anwendung bei der Bewertung transluzenter Materialien. Während monochromatisch voreingefärbtes Zirkonoxid hauptsächlich als Gerüstmaterial mit nachträglicher keramischer Verblendung verwendet wird, bietet polychromatisch voreingefärbtes Zirkonoxid eine hervorragende Grundlage zur Herstellung ästhetisch anspruchsvoller monolithischer Restaurationen. Quintessenz Zahntech 2016;42(6):796–810 803 BASICS ZIRKONOXID-KERAMIK: GEGENWART UND ZUKUNFT a b Abb. 9a und b Position der Proben in unterschiedlichen Farbzonen zur Helligkeits- und Opazitätsmessung. max okklusal Opazität Helligkeit min min zervikal Abb. 10 Zusammenhang zwischen Helligkeit und Opazität. max Abbildung 10 zeigt schematisch den Zusammenhang zwischen Opazität und Helligkeit bei polychromatischen Rohlingen. Diese weisen nicht nur einen einfachen Farbverlauf auf, sondern zeigen je nach Grad der Einfärbung gleichzeitig auch Bereiche unterschiedlicher Lichtdurchlässigkeit. Durch Messmethoden zur Bestimmung der Farbwerte von Materialien kann zusätzlich die Helligkeit und Opazität gemessen werden. Dabei sendet eine genormte Lichtquelle (D65) Licht über das gesamte Spektrum des sichtbaren Bereichs (von ultraviolett bis infrarot) auf eine Probe. Gemessen wird das Verhältnis von einfallendem und reflektiertem Licht der Probe nach Kalibrierung auf einen Weiß- und Schwarzstandard. Der Helligkeitswert, welcher aus dem Grad der Einfärbung resultiert, kann mit der Opazität in direkten Zusammenhang gesetzt werden.12 Werden Proben aus unterschiedlichen Bereichen eines polychromatisch voreingefärbten Rohlings von okklusal nach zervikal analysiert, wird deutlich, dass der nach zervikal zunehmende Grad der Einfärbung einen Abfall der Helligkeit und einen Anstieg der Opazität verursacht (Abb. 9 und 10). 804 Quintessenz Zahntech 2016;42(6):796–810 BASICS ZIRKONOXID-KERAMIK: GEGENWART UND ZUKUNFT Polychromatisch voreingefärbtes Zirkonoxid mit Farbverlauf kann damit verschiedene Zustände der Eigenschaften Farbe und Lichtdurchlässigkeit in einem Rohling vereinen. Die von okklusal nach zervikal zunehmende Farbintensität beeinflusst die Lichtdurchlässigkeit.12 Damit geben die verschiedenen Farben und Lichtdurchlässigkeiten das natürliche Erscheinungsbild des Zahns wieder und verbessern die Ästhetik von monolithischem Zahnersatz. Farbe und Diffusion Die Lichtdurchlässigkeit von Zirkonoxid wird nicht nur durch die Farbe beeinflusst, sondern auch durch innere Einflüsse aus dem Material heraus, z. B. die chemische Zusammensetzung, sowie durch äußere Einflüsse wie die Sintertemperatur. Modifizierungen der chemischen Zusammensetzung verändern die Kristallstruktur. Eine veränderte Kristallstruktur und/oder Defekte in der Kristallstruktur, wie z. B. Poren, führen zu einer veränderten Lichtstreuung und Lichtdurchlässigkeit. Eine höhere Sintertemperatur bedingt ein größeres Kornwachstum, wodurch weniger Korngrenzen entstehen. Da das Licht an weniger Korngrenzen gestreut wird und so besser durch das Material hindurch gelangt, wirkt das Material lichtdurchlässiger. Das Einhalten der richtigen Sintertemperatur ist allerdings von großer Bedeutung, da sonst andere wichtige Materialeigenschaften verändert werden.11 Um ein natürliches Erscheinungsbild des Zahnersatzes durch polychromatisch voreingefärbtes Zirkonoxid wiedergeben zu können, ist eine feine Abstimmung des Farbverlaufs im Rohling von Vorteil. Zusätzliche bei der Sinterung ablaufende Diffusionsprozesse lassen den eingebrachten Farbverlauf homogener werden. Diffusion ist ein natürlich ablaufender, physikalischer Prozess, bei dem es nach ausreichend langer Zeit zu einer vollständigen Durchmischung zweier oder mehrerer Stoffe (Gase oder Flüssigkeiten) durch die gleichmäßige Verteilung der in den Stoffen vorhandenen Atome oder Moleküle kommt. Im Festkörper mit kristalliner Gitterstruktur kann die Diffusion nur durch Gitterfehler stattfinden, die die Voraussetzung für Platzwechsel von Atomen oder Ionen bilden. Die Diffusion in einem kristallinen Zirkonoxidmaterial kann unter praktischen Bedingungen also nur begrenzt ablaufen. Je feiner die Farbabstimmung im vorgesinterten Material gelingt, desto homogener ist der Farbverlauf der dichtgesinterten Restauration. Ein einfacher praktischer Versuch soll verdeutlichen, wie sich Farbe und Lichtdurchlässigkeit von voreingefärbtem Zirkonoxid nach der Sinterung bei unterschiedlichen Temperaturen verhalten. Dazu wurden ca. 1 cm breite Plättchen aus purem und voreingefärbtem Zirkonoxidpulver hergestellt und bei unterschiedlichen Sintertemperaturen von 1 250 bis 1 550 °C dichtgesintert (Abb. 11). Der folgende Vergleich basiert auf rein subjektiver Betrachtung ohne die Messung der Farbe oder Transmission. In Abbildung 11 oben ist die zunehmende Farbintensität der gelben Bereiche bis zu einer Sintertemperatur von 1 450 °C deutlich erkennbar. Bei einer Temperatur von 1 550 °C nimmt die Intensität wieder ab, die Probe wirkt blasser als die bei 1 450 °C gesinterte Zirkonoxidprobe. Eine Erhöhung der herstellerseitig vorgegebenen Sintertemperatur ist daher nicht ratsam, da sich daraus Veränderungen der Farbe ergeben. Die Zunahme der Lichtdurchlässigkeit und die Durchmischung der gelben und weißen Bereiche werden durch die inverse Anordnung der Farben in Abbildung 11 unten noch deutlicher. Ab einer Temperatur von etwa 1 350 °C beginnen die gelben und weißen Farbanteile ineinander zu Quintessenz Zahntech 2016;42(6):796–810 805 BASICS ZIRKONOXID-KERAMIK: GEGENWART UND ZUKUNFT 1250 °C 1300 °C 1350 °C 1450 °C 1550 °C Abb. 11 Zirkonoxidproben aus puren und voreingefärbten Pulverschichten bei unterschiedlichen Sintertemperaturen. diffundieren. Bei 1 450 °C ist der bei niedrigeren Temperaturen klar abgetrennte Bereich zwischen beiden Farben kaum mehr aufzulösen. Die Erkenntnisse aus der werkstofftechnologischen Grundlagenforschung und Materialentwicklung im Zirkonoxidbereich haben schließlich zu einem medizintechnischen Produkt geführt, welches dem Anwender eine breite und flexible Verarbeitungsmöglichkeit im Praxisalltag bietet. Die industriell gefertigten, voreingefärbten Rohlinge bieten zudem ein hohes Maß an Verarbeitungssicherheit und Reproduzierbarkeit für die ästhetisch und funktionell anspruchsvolle Aufgabe der Herstellung von monolithisch gefertigtem Zahnersatz aus Hochleistungskeramik. Durch die Weiterentwicklung der ästhetischen Möglichkeiten hinsichtlich natürlicher Farbgebung und Lichtdurchlässigkeit und durch die bis heute vorliegenden klinisch relevanten Werten etwa zu Abrasionsraten, Alterung und Langzeitstabilität sind monolithische Zirkonoxidversorgungen nicht nur möglich geworden, sondern können mittlerweile als „State of the Art“ angesehen werden. Nie zuvor war es möglich, so kosteneffizient ästhetische Keramikprothetik zu erzeugen, und nie zuvor kam es bei der Gestaltung von Kauflächen so sehr darauf an, die Patientendynamik zu erfassen und beim Zahnersatz zu berücksichtigen, sodass kein zusätzlicher Nachbearbeitungsaufwand betrieben werden muss. Ein Anwendungsbeispiel soll aufzeigen, wie gut, einfach und sicher mittlerweile Zahnersatz durch die ideale Verknüpfung von moderner CAD/CAM-Technologie mit anspruchsvoll entwickelten CAD/CAM-Rohlingen mit integriertem, natürlichem Farb- und Transluzenzverlauf hergestellt werden kann. Im aufgezeigten Fall wird eine vollanatomische Seitenzahnbrücke im Oberkiefer (15–17) aus einem hochtransluzenten voreingefärbten Rohling mit einem ausgewählten Farbgradienten hergestellt. Die Brückenkonstruktion findet im CAD unter Berücksichtigung aller notwendigen Anforderungen an die Patientendynamik und aller morphologischen Ansprüchen durch den Einsatz verschiedener Softwarefeatures und Visualisierungen statt (Abb. 12). 806 Praktische CAD/CAMbasierte Anwendung Quintessenz Zahntech 2016;42(6):796–810 BASICS ZIRKONOXID-KERAMIK: GEGENWART UND ZUKUNFT Abb. 12 Vollanatomische CAD-Brückenkonstruktion (15–17) mit funktioneller Kauflächengestaltung und digitaler Visualisierung. Abb. 13 Finalisierter Datensatz für die Fräsbearbeitung. Durch die ständige Verbesserung der Strategien zur Fräsbearbeitung, welche zur Umsetzung facettenreicher Details notwendig ist, können inzwischen immer mehr Aspekte der natürlichen Zahnmorphologie in die Konstruktion miteinbezogen werden (Abb. 13). Dem Anwender stehen hierfür sowohl eine breite Palette erforderlicher Tools zur virtuellen Gestaltung als auch die darauf abgestimmten Maschinen und Werkzeuge, welche die gewünschten Details nahezu unverfälscht umsetzen können, zur Verfügung. Der finale Datensatz wird nun zur eigentlichen Fräsvorbereitung im CAM-Modul im ausgewählten, virtuellen Rohling platziert. Durch eine entsprechende Visualisierung des Farbverlaufs in der Software ist es möglich, mithilfe der vertikalen Justierung der Konstruktion innerhalb des Rohlings die Höhe und Neigung so zu wählen, dass die ideale bzw. favorisierte Verteilung von Farb- und Schneideanteilen bewusst gesteuert wird. Auf diese Weise kann zumindest ein angenäherter virtueller Eindruck des farblichen Resultats gewonnen und somit eine individualisierte Farbgebung bereits vor der eigentlichen Verarbeitung vorgenommen werden. Besonders der gewählte Anteil des hochtransluzenten, inzisalen bzw. okklusalen Schneideanteils beeinflusst maßgeblich die finale Ästhetik der Restauration (Abb. 14). Nach Festlegung der gewünschten Position im Rohling wird die monolithische Seitenzahnbrücke der Fräsbearbeitung übergeben. Vor der Sinterung der Restauration liegt dem Anwender das gefräste Resultat, insbesondere die fein ausgearbeitete Fissurengestaltung, entsprechend vergrößert und optisch gut erfassbar vor (Abb. 15). An dieser Stelle können falls gewünscht zusätzliche Details manuell verfeinert und herausgearbeitet werden. Bei der hier gewählten Restauration wurde bewusst auf diesen möglichen Schritt verzichtet, um ein unverfälschtes Ergebnis aus der wirtschaftlichen CAD/CAM-Prozesskette zu erhalten und aufzuzeigen. Durch die monolithische Verarbeitung von hochtransluzentem Zirkonoxid kann das Material nun ebenso gute lichtoptische Reflexe und Eindrücke an Fissuren und Details wiedergeben wie die bereits seit Jahren hierfür etablierten Keramiken. Die detaillierte FeinbearQuintessenz Zahntech 2016;42(6):796–810 807 BASICS ZIRKONOXID-KERAMIK: GEGENWART UND ZUKUNFT Abb. 14 Steuerung der Farbintensität und des okklusalen Schneideanteils der Brücke durch die vertikale Positionierung im Rohling. Abb. 15 Fräsergebnis der konstruierten Brücke mit okklusalem Relief nach idealer Feinbearbeitung in der Ceramill Motion 2 (Amann Girrbach, Pforzheim). Abb. 16 Farbresultate der gesinterten und glasierten Brücken aus einem Rohling. beitung unterstützt an dieser Stelle zusätzlich das Zirkonoxid im Spiel aus Licht, Schatten, Farbe und Lichtdurchlässigkeit. Ein idealer Eindruck der Parameter Farbe, Farbverlauf und Transluzenz entsteht beim Vergleich der in einem Rohling in unterschiedlicher Höhe gefertigten Brücken nach der Sinterung mit einfach aufgebrachter Glasur (Abb. 16). Der Unterschied der Farb- und Schneideverteilung ist deutlich erkennbar. In diesem Fall wurde bewusst ein hoher Rohling zur vertikalen Positionierung verwendet, um die maximal erzeugbaren Unterschiede zu verdeutlichen. Es muss hierbei beachten werden, dass bei der untersten Positionierung der Restauration der geringste Schneideanteil, die dunkelste Farbe und daher die geringste Transluzenz vorliegen. Wird ein der Konstruktionshöhe entsprechender Rohling verwendet, wird die ideale Verteilung von Farb-, Schneide- und Transluzenzanteilen erreicht, ohne die Farbintensität weiter beeinflussen zu können. Diese Möglich808 Quintessenz Zahntech 2016;42(6):796–810 BASICS ZIRKONOXID-KERAMIK: GEGENWART UND ZUKUNFT Abb. 17 Die ausgewählte Brücke auf dem Modell mit Gingivaanteil (Foto: Knut Miller). Abb. 18 Monolithische Frontzahnkronen aus Ceramill Zolid FX Multilayer (Foto: Knut Miller). keit der freien Positionierung in industriell voreingefärbten Rohlingen in unterschiedlichen Farbstufen und Höhen bietet nun eine bewusste Kontrolle über das gewünschte Ergebnis. Das finale Resultat ist eine monolithische Restauration aus hochtransluzentem, voreingefärbtem Zirkonoxid mit integriertem Farbverlauf, welche bereits ohne aufwendige manuelle Nacharbeit ein ästhetisch akzeptables Ergebnis aufweist (Abb. 17). Fazit Die permanente Weiterentwicklung und sukzessive Abstimmung von Farbgebung, Transluzenz und mechanischen Eigenschaften der Zirkonoxidrohlinge hat das Material mittlerweile zu einem vielseitig einsetzbaren dentalen Werkstoff werden lassen. Aber auch die CAD/CAM-Technologie, welche mehrheitlich für die Verarbeitung des Materials eingesetzt wird, erfuhr mit beispielsweise neuen virtuellen Modulen zur farbspezifischen Positionierung der Restaurationen oder neuen Frässtrategien zur detailgetreuen Ausarbeitung der Oberflächencharakteristika eine permanente Weiterentwicklung. So haben es schließlich diese beiden Entwicklungsschwerpunkte der letzten Jahre möglich gemacht, Zirkonoxid auch für ästhetische monolithische Restaurationen nutzbar zu machen und mit dem so hergestellten Zahnersatz der Natur des Zahns näher zu kommen. Literatur 1. 2. 3. 4. Harada R, Takemoto S, Hattori M, Yoshinari M, Oda Y, Kawada E. The influence of colored zirconia on the optical properties of all-ceramic restorations. Dent Mater J 2015;34:918–924. Janyavula S, Cakir D, Beck P, Ramp LC, Burgess JO. The wear of polished and glazed zirconia against enamel. J Prosthet Dent 2013;109:22–29. Jiang L, Wang CY, Zheng SN, Xue J, Zhou JL, Li W. 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