Im der - Leibniz Gemeinschaft

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Im
Rausch
der
Tiefe
Riskante Bohrungen:
Die Ölplattform
„Leiv Eriksson“ vor
der Westküste
Grönlands.
LEIBNIZ | MEERE
Rohstoffkonzerne betrachten die Ozeane als Goldgrube der
Zukunft. Doch das Geschäft am Meeresgrund birgt Risiken. Und
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”‡‡’‡ƒ…‡Ǣ’ǤŽǤ…Ǥ
ob es die ersehnten Gewinne abwerfen kann, ist ungewiss.
3/2013
Wenn die Europäische Union davon spricht, bis 2020 einen guten
Zustand der Meeresumwelt zu
erreichen, dann hat sie ein Gewässer vor Augen, das seit Jahrtausenden den Menschen dient:
als Ernährer, als Verkehrsweg,
als Lieferant von Heil- und Rohstoffen, als Ort der Erholung.
Doch die Nutzung der Meere
hat in den letzten Jahrzehnten
eine zumindest teilweise beun”—Š‹‰‡†‡ –‡•‹–¡– ‡””‡‹…Š–Ǥ
Und nun scheinen neu entdeckte
Unterwasserschätze den Glauben an die Wirtschaftskraft des
œ‡ƒ• ™‡‹–‡” œ— „‡ϐŽò‰‡ŽǤ geahnte Vorkommen von Erdöl
und Erdgas, beispielsweise in
der Arktis, versprechen langfristige Versorgungssicherheit. Funde sogenannter Manganknollen,
die wertvolle Metalle wie Kupfer,
Kobalt, Zink und Nickel enthalten, versetzen Unternehmen in
einen Rausch, der nicht nur mit
dem Wasserdruck zu tun hat, unter dem sie operieren. Das wirtschaftliche Potenzial des Ozeans,
so scheint es, ist grenzenlos.
Aber stimmt das? Und welche Risiken birgt das Geschäft am Meeresgrund?
Als Pedro Martínez Arbizu im
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‘”•…Š—‰•”‡‹•‡ ‹ †‡ ƒœ‹ϐ‹
ƒ—ϐ„”ƒ…Šǡ ƒŠ ‡” ƒ—…Š †‹‡•‡
Exploration des Gebiets erteilt
Šƒ–ǡ‹•–†‹‡ò”†‡œ—”Ú”†‡”—‰
hoch. Die Vereinbarungen sehen
vor, dass das Unterwasser-Gebiet
genau erforscht sein muss, be˜‘” ‡‹‡ „„ƒ—Ž‹œ‡œ ò„‡”Šƒ—’–
beantragt werden kann. Zu den
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Kenntnis der lokalen Tier- und
ϐŽƒœ‡™‡Ž–ǡ — Ú‰Ž‹…Š‡ weltrisiken durch das Fördern
der dunklen Knollen abschätzen
zu können.
Die Forscher von Sencken”ƒ‰‡ ‹– ƒ ‘”†Ǥ  —ˆ–”ƒ‰
†‡” —†‡•ƒ•–ƒŽ– ˆò” ‡‘- berg stellt das vor eine schwiewissenschaften und Rohstoffe rige Aufgabe: Schätzungsweise
untersuchten der Biologe von ò„‡”ͻͲ”‘œ‡–†‡””–‡ǡ†‹‡‹
Senckenberg am Meer – einer bis zu 5.000 Metern Tiefe leben,
Wilhelmshavener Außenstelle sind noch nicht einmal bekannt.
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‡•‡ŽŽ•…Šƒˆ–ˆò” ‡‹‡‡”•–‡…Š”‹––œ‘‰‡†‹‡
Naturforschung – und sein Team Wissenschaftler deshalb mit eiin den Wochen darauf ein riesi- ‡””–…ŠŽ‹––‡‡–œ‡ò„‡”†‡
ges Seegebiet zwischen Mexiko Meeresboden, um Proben der
dort heimischen Lebewesen zu
und Hawaii.
nehmen und stachen Plexiglasrohre in das Sediment, um auch
Das Unbekannte
kleinere Organismen zu erfasschützen
•‡Ǥ—”ò…‹ƒ„‘”‡–•…ŠŽò•selten sie die „Genetik der Tiere“,
Die Region ist ein vielverspre- um die Arten zu differenzieren.
…Š‡†‡• ‡˜‹‡” ˆò” †‡ „„ƒ— „So wollen wir erkennen, ob die
†‡” ”‘Š•–‘ˆϐŠƒŽ–‹‰‡ ƒ‰ƒ- ‹‡”‡ǡ †‹‡ ™‹” †ƒ ϐ‹†‡ǡ —” ‹
knollen. Dicht an dicht liegen sie der unmittelbaren Umgebung
am Meeresgrund. Doch während der Knollen leben oder auch an†‹‡ –‡”ƒ–‹‘ƒŽ‡ ‡‡”‡•„‘- derswo“, sagt die Biologin Annika
denbehörde der Bundesrepub- Janssen, die bei Martínez promolik zwar schon eine Lizenz zur viert. „Wir haben festgestellt,
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LEIBNIZ | MEERE
„Bislang sind sich die Experten
nicht einig, welche Maßnahmen
wirklich geeignet wären, um so
einem Ölunfall zu begegnen“, so
die Volkswirtin.
Und noch eine weitere Besonderheit macht die Arktis
zu einem Hochrisikogebiet
ˆò” YŽ‘œ‡”‡Ǥ †‡”• ƒŽ• ‹
Golf von Mexiko, wo 2010 eine
Bohrinselhavarie zu einer der
verheerendsten Ölkatastrophen
ƒŽŽ‡”‡‹–‡ˆòŠ”–‡ǡˆ‡ŠŽ‡‹Š‘hen Norden die nötigen Geräte,
um einer Ölpest zu begegnen.
Schon im Golf von Mexiko dauerte es Monate, bis es Experten
gelang, das Leck zu schließen.
 †‡” ”–‹• ‰‹„– ‡• ‹…Š– ‡‹ƒŽ ‡‹‡ ˆ”ƒ•–”—–—”ǡ — ‹
angemessener Zeit Hilfskräfte
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‘†‡” ˜‡”—‰Žò…–‡ ‹–ƒ”„‡‹–‡”
zu bergen: Extreme Temperaturschwankungen lassen Rou–‡ ˆò” ‡––—‰••…Š‹ˆˆ‡ ‹‡”
wieder gefrieren – ein exaktes
Eismanagement vonseiten der
Unternehmen wäre unerlässlich. „Vor ein paar Jahren, als
es die Diskussion um Fracking
oder den Abbau von kanadischen
Teersandvorkommen
noch nicht gab, wären Projekte
in der Arktis wahrscheinlicher
‰‡™‡•‡Dzǡ ‹•– ‡Š†ƒœ ò„‡”-
Rausch in
5.000 Metern Tiefe:
Manganknollen
enthalten wertvolle
Rohstoffe wie Kobalt,
Zink und Nickel.
Marines Handelsbarometer
Ohne Wasser kein Welthandel. Schon vor
Jahrhunderten waren Meere und Flüsse elePHQWDU IU .DXÁHXWH$XFK KHXWH VLQG VLH
von zentraler Bedeutung für die Wirtschaft,
denn der internationale Warenverkehr wird
noch immer zu großen Teilen per Frachtschiff abgewickelt. Eine wichtige Rolle
spielen dabei Container. Seit den späten
1950er Jahren werden die Großraumbehälter verwendet, um Güter zu transportieren. Die Menge der verladenen Container,
der Containerumschlag, liefert Hinweise
darauf, wie es um den Handel steht.
Das macht sich der 2012 vom RheinischWestfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) und dem Institut für
Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL)
entwickelte „RWI/ISL-ContainerumschlagIndex“ zunutze. Er basiert auf Daten aus
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72 internationalen Seehäfen, die circa 60
Prozent des weltweiten Containerumschlages abwickeln. Die Berechnung des Index auf
dieser breiten, fortlaufend erweiterten Datengrundlage erlaubt es, die internationale
Konjunktur einzuschätzen und zuverlässige
Rückschlüsse auf den Welthandel zu ziehen.
Ein Vorteil des Indikators liegt in seiner
frühen Verfügbarkeit. Gebräuchliche Indikatoren liegen oft erst nach Monaten vor.
Die Schätzungen des ContainerumschlagIndex hingegen sind schon rund 25 Tage
nach Ende eines Monats zugänglich, da viele
Häfen früh über ihre Aktivitäten berichten.
Einen Monat später wird neben einer ersten
Schätzung für den dann aktuell zurückliegenden Monat ein revidierter Wert für den
Vorgängermonat veröffentlicht.
Die so ermittelten Werte spielen auch für
die Analyse der deutschen Wirtschaft eine
große Rolle. Da diese stark exportorientiert
ist, hilft die Einschätzung des Welthandels
durch den Index, die deutsche Konjunktur
genauer vorherzusagen.
J ULIA VOIG T
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dass die Vielfalt der im Sediment
lebenden Tiere in den Gebieten
mit und ohne Manganknollen ungefähr gleich hoch ist“, berichtet
Martínez, der circa 800 der 5.000
vermuteten Organismen erfasst
hat. „Es sind aber andere Arten,
die in den Knollengebieten le„‡ǤDz‹‡•‡™ò”†‡‹–†‡„bau zunächst verschwinden, weil
sie auf das Hartsubstrat, das die
Knollen bilden, angewiesen sind.
Damit das nicht zu einem dau‡”Šƒˆ–‡ ”‘„Ž‡ ™‹”†ǡ ò••‡
Schutzzonen eingerichtet werden, die vom Abbau ausgespart
werden.
Während eine umweltverträgliche Gewinnung von Mangan also durchaus realistisch
erscheint, stellt sich die Lage mit
Blick auf die Öl- und Gasvorkommen in der Arktis anders dar.
‹••‡•…Šƒˆ–Ž‡”ˆò”…Š–‡†‹‡
‡fahren, die die Rohstoffförderung
‹†‡‡‹œ‹‰ƒ”–‹‰‡Y‘•›•–‡
birgt. „Das Risiko eines Ölunfalls
ist unkalkulierbar“, meint Kat”‹ ‡Š†ƒœǡ †‹‡ ƒ •–‹–—– ˆò”
‡Ž–™‹”–•…Šƒˆ–ȋˆȌƒ†‡”‹‡ler Förde die wirtschaftliche Bedeutung der Meere untersucht.
Vorstellbar wäre, dass austretendes Öl im Eis eingeschlossen
wird oder sich unkontrolliert auf
†‡” ‡‡”‡•‘„‡”ϐŽ¡…Š‡ ˜‡”–‡‹Ž–Ǥ
LEIBNIZ | MEERE
œ‡—‰–Ǥ ‡–œ– ™ò”†‡ œ—¡…Š•–
†‹‡•‡ ™‡‹–ƒ—• ‰ò•–‹‰‡”‡ ‡thoden genutzt.
Die Ozeane versauern
Doch nicht nur die Förderung
mariner Rohstoffe bringt Gefahren mit sich. Auch die Nutzung von Öl und Gas wirken sich
zuweilen gravierend auf den
Zustand der Meere aus. Die sogenannte Versauerung der Ozeane versetzt Forscher in diesem
Zusammenhang besonders in
Unruhe. Sie entsteht, wenn sich
große Mengen Kohlenstoffdi‘š‹†‹‡‡”ŽÚ•‡Ǥ‡‹–†‡”dustriellen Revolution ist dieser
Prozess ungehindert in Gang.
Seine wirtschaftlichen Auswirkungen haben bisher jedoch
kaum jemanden interessiert.
Allein die Schalentierbranche,
so hat Rehdanz kalkuliert, könnte weltweit 100 Milliarden USDollar an Verlusten verzeichnen,
wenn der pH-Wert des Wassers
weiter fällt. Niedriger pH-Wert
heißt hoher Säuregehalt und
†‡”‹•–ˆò”…ŠƒŽ‡–‹‡”‡™‹‡—scheln oder Austern fatal. FolgŽ‹…Š •–‡ŽŽ– ‡” ˆò” ‡‰‹‘‡ǡ †‹‡
vom Fang dieser Meerestiere
leben, eine massive wirtschaftliche Bedrohung dar.
Im Lizenzgebiet: Eine Seegurke schwimmt
über ein Manganfeld.
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ò”ƒ’—ƒǦ‡—‰—‹‡ƒ„‡‹•’‹‡Ž•weise. Hierhin ist Andreas Pondorfer gereist, der ebenfalls am
ˆ ˆ‘”•…Š–Ǥ  •‡‹‡” ‹••‡”–ƒ–‹‘ Ú…Š–‡ ‡” Š‡”ƒ—•ϐ‹†‡ǡ
™‹‡ ‡‹ ò•–‡˜‘Žǡ ˆò” †ƒ•
die Erzeugnisse aus dem Meer
eine wichtige Nahrungs- und
Einkommensquelle darstellen,
damit umgeht, dass das Wasser
saurer und die Erträge niedriger werden. Dieses Zusammenspiel ist zwar schon heute
zu beobachten, in den Köpfen
der Bewohner des drittgrößten
•‡Ž•–ƒƒ–‡• †‡” ”†‡ ‹•– ‡• Œ‡doch bislang kaum präsent, so
die Erkenntnis Pondorfers erster Forschungsfahrt. „Stattdes•‡ •–‡Š‡ ˆò” •‹‡ ‡Š‡” ƒ†‡”‡
Probleme an erster Stelle.“ Eine
funktionierende Gesundheitsund Wasserversorgung, stabile
politische Verhältnisse sowie
wirtschaftlicher Fortschritt beispielsweise.
onen mit Eisenpartikeln ist im
Gespräch. Die Theorie dahinter:
Das zusätzliche Eisen soll das
Wachstum von Algen fördern,
†‹‡ •‹…Š Š‡”˜‘””ƒ‰‡† ˆò” †‹‡
—ˆƒŠ‡˜‘2 eignen. Schon
heute absorbieren die Ozeane
etwa 50 Prozent des ausgestoßenen Kohlenstoffdioxids. Wenn
der Mensch nachhilft, könnte
dieser Wert sogar noch gestei‰‡”– ™‡”†‡Ǥ ƒ• ‡‡” ™ò”†‡
so nicht nur wertvolle Rohstoffe
liefern, sondern auch ihre Abfallstoffe schlucken.
ǷŽ‹ƒ–‡ ‰‹‡‡”‹‰Dz ‡nen Forscher Maßnahmen wie
diese, weil sie das Klima gezielt
•–‡—‡” •‘ŽŽ‡Ǥ  ˆ •–‡Š–
man dem nicht nur aufgrund der
unkalkulierbaren Auswirkungen
ƒ—ˆ †‹‡ ‡‡”‡•Ú‘•›•–‡‡ †‹•–ƒœ‹‡”– ‰‡‰‡ò„‡”ǣ Ƿ—¡…Š•–
ò••‡ Ú‰Ž‹…Š‡ ‘”–‡‹Ž‡ ˜‘
Ž‹ƒ–‡‰‹‡‡”‹‰„‡••‡”˜‡”standen werden“, sagt Rehdanz,
„insbesondere aber seine RisiMeer als Klima-Puffer? ken und Nebenwirkungen.“
Auch mit Blick auf das PotenDie Kieler Wirtschaftswissen- tial mariner Rohstoffe dämpft
schaftler betrachten den stei- die Volkswirtin die Erwartun‰‡†‡ 2-Gehalt mit Sorge, gen. Nicht alles, was das Meer
auch gerade, weil es seit einiger in dieser Hinsicht bietet, stelle
Zeit ernstzunehmende Über- tatsächlich einen Gewinn dar:
legungen in der Naturwissen- „Wenn wir uns zu sehr auf solschaft gibt, das Meer als Puffer chen Hoffnungen ausruhen,
ˆò”†‡Ž‹ƒ™ƒ†‡Žœ——–œ‡Ǥ dann geht das zulasten der Um‹‡†‡‡‹•–ǡ‰”‘采‰‡‘Š- stellung auf erneuerbare Enerlenstoffdioxid durch Pipelines in gien.“ So könnten die vermeintstillgelegte Bohrlöcher zu leiten, lichen Schätze des Meeres den
tief unter den Meeresboden. Menschen schon bald teuer zu
—…Š‡‹‡™‡‹–ϐŽ¡…Š‹‰‡ò‰—‰ stehen kommen.
von vereinzelten MeeresregiRICA RD A BRE YTON
Das Meer als bedrohte
Lebensgrundlage:
Fischerin in Papua
Neuguinea.
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