TIERÄRZTE IM EINSATZ VÉTÉRINAIRES EN ACTION VETERINARI IN AZIONE VETS IN ACTION Tierärzte im Einsatz im Sommer in Apulien August 2011 Schutzengel für Strassentiere: Alltag in Süditalien Unzählige Samtpfoten leiden hier im Süden – weil niemand für ihre «Entsorgung» in Tierheimen Subventionen bezahlt, bleibt ihnen zumindest die Masseninternierung erspart. Viele Katzen sind krank – entzündete Augen und Katzenschnupfen sind verbreitet. Um mehr für die Katzen tun zu können, brauchen wir zusätzliche Katzenfallen und Medikamente. Nebst Hunden sind Katzen unsere häufigsten Patienten. Viele Büsis sind ausgewachsen deutlich kleiner als Schweizer Katzen. Bei uns leben Hund und Katz friedlich miteinander. Diese beiden sind nach wenigen Tagen unzertrennliche Freunde geworden. Krankheiten und Verletzungen betreffen häufig die Augen. Der Gesundheitszustand vieler Katzen ist angegriffen – oft eine Folge mangelnder und schlechter Ernährung. Werden sie von Tierfreunden versorgt, vermehren sie sich aber um so erfolgreicher. Häufig fangen wir bei Sterilisationsaktionen ganze Katzenkolonien ein. So klein die Stubentieger sind – unsere Mitarbeiter haben Respekt vor den kleinen Raubtieren. So mancher Kratzer lässt sich beim Umgang mit den «wilden» Büsis kaum vermeiden. Früher sind uns einige Tiere entwischt. Aufgrund unserer Erfahrung entkommen uns heute fast keine Patienten mehr. Dank Parasitenbehandlung und Vitaminmischung blühen die Samtpfoten richtig auf. Wo Tierfreunde die Katzen versorgen, bilden sich Kolonien. Dort können wir die Tiere besser einfangen und die Geburtenkontrolle funktioniert. Dies gelingt nur mit Geduld und professionellen Katzenfallen. Unsere Katzenaktionen sind immer gefragter. Wenn wir jede Katze, die wir kastrieren, auch impfen können, wird die Situation stetig verbessert und die Lebensqualität der Samtpfoten gesteigert. Der Hundewelpe ist in Tricase gegenüber der Praxis eines unserer Tierärzte vor einem leerstehenden Haus zusammen mit vier Geschwistern ausgesetzt worden. Aus Ignoranz und Gedankenlosigkeit erwägen viele Hundehalter nicht einmal eine Sterilisation ihres Tieres. Es gibt sogar Tierärzte, die – auch weil sie teilweise selbst den Eingriff kaum beherrschen – von Kastrationen abraten. Unsere Mitarbeiterinnen haben mit den Welpen einen riesigen Mehraufwand. Sie brauchen Nestwärme, Körperkontakt, Spielstunden und Aufmerksamkeit. Um eine Welpenstation ständig betreiben zu können, müssen wir eine weitere Pflegerin einstellen. Das können wir uns derzeit aber noch nicht leisten! Gulliver haben wir vor dem gleichnamigen Einkaufszentrum in Surano gefunden. Der anhängliche und verspielte Boxer ist vermutlich wegen einer läufigen Hündin von zu Hause ausgebüxt. Wie so viele Hunde, die auf diese Art verloren gehen, ist er – oder vielmehr war er – weder kastriert, noch mit Microchip registriert. Falls wir seine Besitzer wiederfinden, können wir nicht nur Dankbarkeit dafür erwarten, dass wir Gulliver seit drei Wochen gut pflegen. Dass er nun kastriert ist, könnte auch zu Diskussionen führen. Hier muss noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Deshalb setzen wir grosse Hoffnung auf unser Projekt an den lokalen Schulen Informationen zur Tierhaltung und zum tiergerechten Umgang mit Haustieren zu vermitteln. Gulliver wartet inzwischen auf unsere erste Plakataktion. Ausgesetzte, gefundene wie auch vermisste Hunde werden von uns ab diesem Sommer lokal mittels Plakaten und Flugblättern publiziert – im Herbst wird dann auch die Internetseite unseres «Refugio per Cani» mit der «Vermisst und Gefunden»-Rubrik online sein. Der ehemalige Canile von Poggiardo wird Schritt für Schritt zu einem Tierschutzzentrum. Die liebevolle und seriöse Betreuung unserer Tierärzte und Tierpflegerinnen machen den Unterschied. Durch die Arbeit mit Herz und Verstand weichen wir die Fronten auf. Es gibt noch viel zu tun, doch wir sind auf dem richtigen Weg. Unsere Hunde, die wir zusammen mit dem Tierheim übernommen haben sowie die Neuzugänge, sind alle wohlgenährt und sterilisiert. Um ihr Wohl kümmern sich Tierpflegerinnen mit viel Geduld. Vor zehn Monaten liessen sich die meisten unserer Hunde kaum anfassen, heute glaubt man das beinahe nicht mehr. Dank Ihrer Unterstützung haben wir in Poggiardo die Chance, aktiv aufzuzeigen, dass das italienische «System Canile», das Zehntausende von Seelen qualvoll aber profitabel wegsperrt, eine Alternative hat: Tierschutz und Geburtenkontrolle. Es braucht jedoch noch viel Zeit und Einsatz – für Tiere in Not! Das Projekt in Apulien ist für die Tierärzte im Einsatz eines der aufwändigsten. Doch wollen wir die Schliessung der grässlichen Tiergefängnisse erreichen, müssen wir funktionierende Alternativen aufzeigen. Für Katzenaktionen und die Welpenstation brauchen wir dringend mehr Mittel. Im Namen unserer Patienten sowie Helferinnen und Helfer bedanken wir uns bei unseren Gönnerinnen und Gönnern für die wichtige Unterstützung, die unsere Arbeit möglich macht. Die verlorenen Seelen Italiens sind Opfer eines makabren Geschäfts. Tierorganisationen und Private betreiben hunderte von Canili. Seit 1991 hat sich Dank der profitorientierten Auslegung des Tierschutzgesetzes die Zahl der herrenlosen Tiere alleine in Apulien von 20’000 auf 120’000 versechsfacht. 70’000 sind davon eingesperrt. Auf dem Rücken der Tiere entwickelte sich das makabre Streuner-Geschäft: ein Hund im Tierheim wird mit rund 1000 Euro pro Jahr vom Staat subventioniert. Wenn man die Tiere anständig versorgt, reicht das kaum um die Kosten zu decken. Wird jedoch allerorts gespart, kann man damit noch Profit machen – auf Kosten der Tiere. Unsere Hunde haben Platz, Zuwendung, gute Ernährung und sind medizinisch versorgt und geimpft. All das ist in der Praxis der italienischen Tierheime die Ausnahme. Vor allem in Süditalien wissen viele Menschen kaum, was da vor ihrer Haustüre geschieht. Das Tierschutzzentrum Poggiardo ändert das – mit Herz und Verstand.