01|Überuns scinexx.de-DasWissensmagazin scinexx®-sprich['saineks],eineKombinationaus“science”und“next generation”-bietetalsOnlinemagazinseit1998einenumfassenden Einblick in die Welt des Wissens und der Wissenschaft. Mit einem breiten Mix aus News, Trends, Ergebnissen und Entwicklungen präsentiert scinexx.de anschaulich Informationen aus Forschung undWissenschaft. DieSchwerpunktthemenliegenindenBereichenGeowissenschaften, Biologie und Biotechnologie, Medizin, Astronomie, Physik, Technik sowie Energie- und Umweltforschung. Das Internetmagazin spricht allewissbegierigenUseran-obinBeruf,StudiumoderFreizeit. scinexx wurde 1998 als Gemeinschaftsprojekt der MMCD NEW MEDIA GmbH in Düsseldorf und des Heidelberger Springer Verlags gegründet und ist heute Teil der Konradin Mediengruppe mit dem bekannten Magazin Bild der Wissenschaft sowie den Wissensangeboten:wissen.de,wissenschaft.de,scienceblogs.de, natur.deunddamals.de. 02|Inhalt 01 02 ÜBERUNS INHALT 03 DIESCHLÜNDEDERMEERE EineReiseindieTiefseegräben 04 IMPRESSUM 03|DieSchlündederMeere EineReiseindie Tiefseegräben VONDIETERLOHMANN Stockdunkel,eiskaltundenormerDruck:DieTiefseegräbender Ozeanegehörenzudenspektakulärstenaberauchseltsamsten PhänomenenderErde–undzudenamwenigstenerforschten. DennbisheristesWissenschaftlernnurseltengelungen,zuden tiefstenStellenderMeerevorzudringenundsieeinerausgiebigen Inventurzuunterziehen. SINKFLUGIMMARIANENGRABEN J acques Piccard und die Trieste schreiben Geschichte Januar 1960. Der Schweizer Tiefseepionier Jacques Piccard sitzt zusammenmitdemamerikanischenMarineleutnantDonWalsh eingepfercht in der winzigen Stahlkugel des Bathyscaphen Trieste. Zusammen mit seinem Vater August hat er das neuartige Tauchboot im Auftrag der US-Marine entworfen und gebaut. Heute aber steht die Nagelprobe an. Rund 11.000 Meter soll es gleich senkrechthinabgehenbiszumGrunddesMarianengrabens.Beiden Männernistklar:EsisteinTag,umGeschichtezuschreibenoderim Extremfall sogar zu sterben. Denn sagenhafte 1.100 Bar Druck werden auf der Trieste am Meeresboden lasten – das ist als ob Hunderte von Elefanten auf einem einzigen unserer Zehen stehen. Entsprechend gemischt sind die Gefühle von Piccard und Walsh als esum8.23UhrOrtszeitendlichlosgeht.AberauchdieWelthältden Atem an und fiebert mit den Abenteurern. Doch erstaunlicherweise gehtallesreibungslos.ViereinhalbStundenspätersetztdieTriestein 10.910MeterTiefeaufdemBodenauf–Weltrekord. DonWalshundJacquesPiccard©SteveNicklas/NOS/NGS/NOAA23. EinPlattfischin11.000MeterTiefe Viel Zeit bleibt den Männern nicht, um zu feiern oder im Scheinwerferlicht die bizarre und kalte Welt am Fuß des Tiefseegrabens zu erforschen. Immerhin erblicken sie in dieser lebensfeindlichen Welt aber einen Plattfisch – eine wissenschaftliche Sensation.Allerdingseinenichtdokumentierte,dennKamerashaben dieMännergarnichterstmitanBordgenommen. NachzwanzigMinutenistder ganze Spuk vorbei. Der Ballast wird abgeworfen und der Aufstieg des Bathyscaphen beginnt. Dreieinhalb Stunden später erreicht die Trieste mit ihrer Besatzung dann heil und unbeschadet die Wasseroberfläche.DerTraum Trieste©U.S.NavalHistoricalCenter/US Navy ist wahr geworden. Piccard undWalshwerdenzuHelden.Schließlichistesihnengelungen,den konkurrierendenSowjetseinSchnippchenzuschlagenundalserste MenschendentiefstenallerTiefseegräbenzuerobern. HeldentatohneVerfallsdatum SoweitdasSzenarioausdemJahr1960.Heute,fast50Jahrespäter, isteinsolcherTripindie TiefseedankdermodernenTechnik längst ein Kinderspiel und völlig gefahrlos – sollte man zumindest meinen. Doch Piccard und Walsh sind bis heute die einzigen Menschen geblieben, die jemals in die undurchdringliche Dunkelheit in knapp elftausend Meter Tiefe vorgedrungen sind. Amerikaner und Russen verloren in der Folge schnell das Interesse an der Tiefsee. Einmal unten gewesen zu sein reichte doch. Was sollte man noch einmal dort? Zudem galt es ein neues, nicht minder prestigeträchtiges Ziel so schnell wie möglich zu erreichen: den Mond. Und auf dem Weg dahin hatte die Sowjetunion am 4. Oktober 1957 mit dem ersten künstlichen Erdsatelliten Sputnik bereits eine erste Duftmarke gesetzt. DIETIEFSTENSTELLENDERMEERE W elt ohne Licht Sie heißen Ryukyu, Yap, Tonga, Bougainville oder Sunda und sie haben eines gemeinsam: An ihrer tiefsten Stelle reichen diese Tiefseegräben über 6.000 Meter unter die Wasseroberfläche hinab. Rund 20 davon gibt es im Atlantischen, Pazifischen und Indischen Ozean und im Südpolarmeer. Die sechs gewaltigsten – Marianen-, Tonga-, Japan,- Kurilen-, Philippinen- und Kermadecgraben–habensogareineTiefevonüberzehnKilometern undliegenalleimPazifik. DiemeistenTiefseegräbensindnurwenigeDutzendKilometerbreit, aber dafür oft mehrere tausend Kilometer lang. Typisch für sie sind zudemsteilabfallendeFelswände,dieoftmitbizarrenundschroffen „Auswüchsen“ gespickt sind. Der Boden der Tiefseegräben erinnert an eine trostlose Einöde und besteht vornehmlich aus einer dicken Schicht aus schlammigen Sedimenten. Nicht unbedingt eine Umgebung zum Wohlfühlen.DennamGrundderGräben es ist stockdunkel und auch die Wassertemperaturen liegen meist nur Aleutengraben©NGDC/ NOAA zwischen 1,2 und 3,6 Grad Celsius. Von demenormenDruckganzzuschweigen. PlattentektonikalsUrsache Doch wie sind die gewaltigen „Macken“ in der Erdkruste entstanden? Und warum befindensiesichgeradedort, wosieentdecktwordensind? Antwort auf diese Fragen liefert ein Blick in die Theorie Subduktion©MMCD der Plattentektonik. Danach gliedern sich die Erdkruste und die darunter liegenden obersten Mantelmaterialien in zwölf große Platten. Da diese Platten auf dem oberen, teilweise aufgeschmolzenen Erdmantel „schwimmen“ und beweglich sind, stoßen sie zusammen, tauchen untereinander ab oder gleiten aneinander vorbei. Während an den Mittelozeanischen RückenständigneueErdkrusteproduziertwird,gibtesauchOrte,an denen das Krustenmaterial wieder aufschmilzt und in der Tiefe verschwindet – ein klarer Fall von geologischem Recycling. Dies geschiehtinsogenanntenSubduktionszonen.Dorttauchteineältere undschwerereozeanischePlatteineinemWinkelvonbiszu90Grad untereineleichterekontinentaleodereineandereozeanischePlatte ab. TiefseegräbenundVulkanismus©MMCD An solchen Nahtstellen bilden sich deshalb nicht nur Vulkanketten oder hohe Gebirge wie die Anden sondern auch die Tiefseegräben. Der Marianengraben zum Beispiel ist durch die Kollision der PhilippinischenundderPazifischenPlatteentstanden. GräbenoderRinnen? Dabei ist es eigentlich falsch im Zusammenhang mit solchen Phänomenen von „Gräben“ zu sprechen – zumindest aus Sicht der Geowissenschaftler.SienennendieseGebildelieber„Rinnen“.Grund: Gräben sind laut Definition durch tektonische Kräfte verursachte Einsenkungen der Erdoberfläche, die durch Dehnung gebildet werden. Die Tiefseerinnen sind aber das Produkt einer gegeneinandergerichtetenDriftvonKontinentalplatten. TIEFSEEGRÄBENRELOADED N euer Forschungsboom dank besserer Technik „Fast 300 Tierarten wurden bisher aus Tiefen von mehr als 7.000 MeternansTagesdichtgeholt.(…)InderRegelhatjeder Tiefseegraben seine eigene Fauna oder aber die gleichenTierartenkommeninbenachbartenTiefseegräbenvor.Aber es gibt bemerkenswerte Ausnahmen: Eine bestimmte Wurmart, ein FlohkrebsundeineSeegurkewurdeninTiefseegräbenentdeckt,die mehrere tausend Kilometer voneinander entfernt liegen.“ Dieses ResümeezueinemderextremstenundunwirtlichstenLebensräume der Erde stammt nicht etwa aus einem aktuellen Science- oder Nature-Artikel,sondernausderZeitvom4.Dezember1964. Nochimmerstammtvielvondem,wasmanheuteüberdasLebenin denTiefseegräbenweiß,vondenPionierenderTiefseeforschungvor allem in den 1950er und 1960er Jahren. Zwar kamen auch danach noch wichtige neue Erkenntnisse hinzu, viele – vielleicht sogar die meisten - Geheimnisse dieser Welt im Verborgenen sind aber bis heute noch ungelöst. „Der größte Teil des Meeresbodens ist noch unerforscht. Und dies obwohl es sich dabei um eines der aufregendsten Gebiete auf der Erde handelt“, sagte beispielsweise Arden Bement, der Direktor der National Science Foundation (NSF) in den USA im Jahr 2004. WoentstanddasLebenaufderErde? Manche Wissenschaftler vermuten sogar, dass die ersten lebenden Zellen Marianengraben©NGDC/ nicht etwa in der heißen Umgebung der NOAA Hydrothermalen Quellen entstanden sein könnten, sondern im Bereich der Subduktionszonen. „Bei den Vorgängen, die dort ablaufen, wird Wasserstoff frei und dieser Wasserstoff ist wie Bonbons für solche Mikroorganismen“, erklärt Patricia Fryer von der School of Ocean and Earth Science and Technology an der Universität von Hawaii. „Deshalb ist es gut möglich, dass sich in solchen kühleren Umgebungen, wo die Erdplatten aufeinander treffen, (…) die frühe Geschichte der Erde abgespielt hat.” Das sind bisher nur vage Vermutungen. Doch es könnte sein, dass dieses und andere Rätsel um die Gräben schon baldgelöstwerdenkönnen.DennnachJahrendesTiefschlafshatdie Erforschung der Tiefsee in letzter Zeit wieder deutlich Fahrt aufgenommen. RoboteralsRetter „Mankönntesagen,dassdieTiefsee-ErkundungeineArtNeuauflage der Erforschung des Alls ist“, sagte der britische Wissenschaftler ChrisGermanineinemInterviewmitderBBCimJahr2004.German arbeitet am Southampton Oceanography Centre (SOC) in England, einem der Institute, die entscheidend zu diesem neuen Boom beigetragenhaben. ROVHercules©NOAA Eine der entscheidenden Voraussetzungen für den Aufschwung ist der technische Fortschritt. „Es gibt eine Grenze, wie lange man jemanden in einer Stahlkugel tausende von Metern unter der Wasseroberfläche einschließen kann“, so German. „Erst in den letzten paar Jahren hat die Robotertechnik ein Niveau erreicht, dass damitfastallesmöglichist,wasaucheinMenschzuleistenvermag“. Piccardwargestern… Piccards Trieste und selbst das legendäre Tauchboot Alvin, in dem Wissenschaftlerunteranderem1977dieerstenSchwarzenRaucher vor den Galapagos-Inseln entdeckten, sind deshalb längst „out“. Die Enkel der ersten Tiefseetauchboote heißen Quest, Cherokee oder Sentry, ein nagelneues Tauchboot der Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI) und der University of Washington, das erst vor kurzem seinen Dienst aufgenommen hat. Bei dieser modernen Generation an Unterwasserfahrzeugen handelt es sich um unbemannte, ferngesteuerte Tauchroboter - Remotely Operated Vehicles (ROVs) - oder sogar um völlig autonome UnterwasserVehikel (Autonomous Underwater Vehicle), kurz AUVs. Letztere operieren auf ihren Missionen in die Tiefsee fast völlig unabhängig vomMenschen.IstderKursersteinmaleinprogrammiert,machtder RoboterdenRestganzalleine-abtauchen,orientieren,forschenund heimkehren. Besser,sicherer,preiswerter Solche unbemannten Missionen haben viele Vorteile: Sie sind sicherer, preiswerter und die Roboter können viel längere Expeditionen durchführen als U-Boote mit Wissenschaftlern an Bord. 36 Stunden Dauereinsatz in der Tiefsee sind heute längst keine Seltenheit mehr. Bestückt sind die ROVs und AUVs mit ABE©NOAA zahlreichen Kameras, Sonaren und Greifarmen. Sie liefern damit scharfe Bilder aus mehreren tausend Metern Tiefe, die Roboter nehmenaberauchProbenundführenvielfältigeMessungendurch. Kein Wunder, dass Quest und Co in den letzten Jahre bereits Reihe an sensationellen Entdeckungen vorweisen können: Asphaltvulkane im Golf von Mexiko, wimmelndes Leben an kalten Quellen vor Pakistan, farbenfrohe Kolonien lebender Kaltwasserkorallen im Mittelmeer.FündigwurdendieTauchbooteaberauchinundanden Tiefseegräben–mitverblüffendenErgebnissen. WIMMELNDESLEBENAMCHALLENGERTIEF T auchroboter Kaiko spürt Foraminiferen in elf Kilometer Wassertiefe auf Gut 300 Meter tief können Menschen tauchen – natürlich nur mit entsprechendem technischen Zubehör und in guter körperlicher Verfassung. 500 Meter schaffen dagegen Kaiserpinguine leicht und locker. Und Pottwale gehen sogar noch 3.000 Meter unter der Wasseroberfläche auf die Jagd nach Tintenfischen und anderen Beutetieren. Schon dies klingt sensationell,denndieWeltdortistdunkel,eiskaltundesherrschtein Druck von 300 Bar. Nur durch spezielle Anpassungen können die hier lebenden Organismen diesen enormen Belastungen standhalten. Umsounglaublicheristjedoch,dassesauchnochachttausendMeter weiteruntenamChallengertiefimMarianengrabenvonLebennurso zuwimmelnscheint.EindeutigeIndiziendafürhabenjapanischeund britischeMeereswissenschaftlerimJahr2005inSedimentprobenaus 10.896MeterWassertiefeentdeckt.GesammelthattedenSchlickder ferngesteuertejapanischeTauchroboterKaikoeinigeJahrezuvor.Bei der anschließenden „Volkszählung“ stießen die Forscher um Yuko Todo von der Universität von Shizuoka vor allem auf große Mengen an winzigen einzelligenKreaturen. KammerlingeinMassen Wie die Untersuchungen ergaben, handelte es sich bei Kaikos Mitbringsel uminsgesamt432Foraminiferen–auch Kammerlingegenannt–,vondenenviele ForaminiferenvomChallenger Tief©JAMSTEC/Hiroshi zu Arten gehörten, die den Biologen Kitazato bisher völlig unbekannt waren. Die Wissenschaftler um Todo wunderten sich aber noch mehr über das ziemlich ungewöhnliche Aussehen der meisten der zierlichen Organismen. “Normale”Foraminiferen©NOAA Denn sie besaßen nicht wie andere Foraminiferen eine harte und stabile Kalkschale sondern lediglich weiche, leicht verformbare Außenwände.UrsachedafüristnachAnsichtderForscher,dassdas Meerwasser in diesen Tiefen viel zu wenig Kalziumcarbonat enthält, um die Ausbildung der häufig kunstvoll geformten Hüllen zu ermöglichen. OrganischerRegenalsNahrung Ziemlich klar ist auch der „Speiseplan“ der braunen, häufig einkammerigen, röhrenförmigen Lebewesen: Vermutlich filtern sie organische Partikel aus dem Meerwasser, die aus höher gelegenen SchichtenindenMarianengrabenhinabregnen.Alternativernähren sie sich möglicherweise auch von im Meerwasser gelösten Substanzen. Entwickelt haben die Foraminiferen diese Anpassungen an den extremen Lebensraum vermutlich in den letzten sechs bis neun Millionen Jahren. Denn in diesem Zeitraum sind die tiefsten Rinnen des westlichen Pazifikraums – darunter auch der Marianengraben – nach Schätzungen des internationalen Forscherteams entstanden. „Die Abstammungslinie, zu der die Foraminiferen mit den weichen Wänden gehören, schließt auch die einzigen Arten ein, die jemals das Süßwasser und das Festland eroberten“, so Todo und seine Kollegen von Japans Agency für Marine-Erath Science, der Nagasaki Universität und dem Oceanography Centre im englischen Southampton im Wissenschaftsmagazin „Science“. „DNA-Analysen der neu entdeckten Organismen legen zudem nahe, dass sie eine ursprüngliche Form von Lebewesen aus der Zeit des Präkambiums verkörpern, aus der sich im Laufe der Zeit komplexere, mehrkammerige Organismen entwickelten.“ Foraminiferen geben noch immerRätselauf Doch trotz aller Forschungserfolge haben die ungewöhnlichen Foraminiferen vom Challengertief noch längst nicht alle Geheimnisse preisgegeben. Ein Rätsel ist für die Wissenschaftler Kammerlinge©JAMSTEC/HiroshiKitazato beispielsweise,warumsiesich gerade diesen unwirtlichen OrtalsLebensraumausgesuchthaben.KlärenmüssenTodoundCo künftigaberauch,wiesodieweichenKammerlingeimChallengertief so häufig sind und dort sogar alle andere Foraminiferenarten dominieren. DasEndederTiefseegräbenforschung? Kaiko kann dabei allerdings nicht mehr mithelfen. Bei einem Einsatz im Mai 2003 in einem anderen Tiefseegraben verschwand er für immer in der Tiefsee. Ein herber Verlust – nicht nur für japanische Forscher. Denn mit Kaiko ging das einzige Unterseeboot auf Nimmerwiedersehen verloren, das auch in Tiefen von 7.000 Metern undmehrvordringenkonnte. RÄTSELHAFTEMINI-VULKANE P etit Spots am Japangraben Schauplatz Japan, genauer gesagt der über 10.000 Meter tiefe gleichnamige Graben vor der Ostküste des Landes. Er erstreckt sich über mehr als1.600KilometerzwischendenzuRusslandgehörenden Kurilen-Inseln im Norden und den Bonin-Inseln im Süden. Der Japangraben ist Teil des geologisch sehr aktiven Pazifischen Feuerrings (Pacific Ring of Fire)“, der fast die gesamte Pazifische Platte umspannt. Vulkanausbrüche, aber auch Erdbeben sind dort fast überall an der Tagesordnung und sorgen immer wieder für verheerendeKatastrophen. In den letzten Jahrzehnten hat sich der Japangraben zu einem TummelplatzfürGeologenentwickelt.Siewollendortmehrüberdie Entstehung der Naturereignisse erfahren und vor allem abschätzen, welcheGefahrensichdadurchfürJapanergeben.IhrZielistesaber auch, mithilfe der gewonnenen Erkenntnisse Strategien zum Schutz desLandeszuentwickeln. UngewöhnlicheEntdeckungin5.000MeterTiefe Einem US-amerikanischen und japanischen Wissenschaftlerteam ist im Rahmen dieser Spurensuche am Meeresboden vor kurzem eine sensationelleEntdeckunggeglückt.Denn mithilfeeinesSonarsspürtensie2006in rund 5.000 Meter Wassertiefe eine ganze Reihe kleiner Vulkane auf, die sie „PetitSpots“nannten.Ungewöhnlichwar nicht nur die Lage der gerade mal 50 Meter hohen Gebilde - auf einer Japangraben©NGDC/NOAA Wölbung der abtauchenden Platte sondern auch ihr Alter. „Der Meeresboden, den die Vulkane durchschlagen, ist mit mehr als 130 Millionen Jahren uralt. Die Vulkane sind jedoch sehr viel jünger, wie die Datierung von Proben ergab, die wir mit ferngesteuerten UBootengenommenhaben.DerältesteistfünfMillionenJahrealt,der jüngste eine Million Jahre“, sagte dazu Naoto Hirano vom Tokyo Institute of Earth Sciences in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Hotspot©MMCD EinneuerTypvonVulkanen Wie konnte das sein? Denn mit Vulkanismus rechnen Geowissenschaftler in Subduktionszonen zwar auf der oben „schwimmenden“,nichtaberaufderabtauchendenPlatte.Undauch einen Hotspot als Ursache des Vulkanismus konnten die Forscher ausschließen. Dabei handelt es sich um rund hundert Kilometer tief imErdmantelversteckteheißeFlecken,diesichinmittentektonischer Platten befinden. Wie gigantische Schweißbrenner erzeugen sie unaufhörlich Magma, das sich durch Risse in der Erdkruste seinen Weg nach oben bahnt. Der Nachschub an heißem Gestein für die Hot Spots stammt aus einer Grenzschicht zwischen unterem ErdmantelundErdkern,inrund2.900KilometerTiefe.Dortliegteine gewaltigeBlasefestenGesteins,diebiszu300°Cheißerist,alsdas umliegende Mantelmaterial. Die Blase wird – warum, weiß noch niemand so genau – instabil und wächst wie ein gigantischer „Magmenpilz“(MantelplumeoderManteldiapir)inRichtungErdkruste undbildetsodenHotSpot.AnalysenderPetitSpot-Vulkaneergaben aber nun, dass der Basalt der Lava nicht tief aus dem Erdinneren stammte, sondern einen viel höheren Ursprung besitzt. Offenbar hattendieForscherumHiranoeinenvölligneuenTypvonVulkanen entdeckt.DochwoherstammtedasheißeMagmagenau? SPURENSUCHEIMGESTEIN W ie Petit Spots entstehen Eigenartige Lage, ungewöhnliche Größe, ungewisse Herkunft: Eine Erklärung für das Phänomen der Petit Spots zu finden, fiel den Wissenschaftlern um Naoto Hirano vom Tokyo Institute of Earth Sciences und Stephanie Ingle von der UniversitätvonHawaiiinManoanichtganzleicht.Schließlichkamen sieaberdochaufeineeinleuchtendeErklärungdafür. DanachwerdendiePetitSpotsauseinerGrenzschichtzwischender Erdkruste und dem Erdmantel, der so genannten Asthenosphäre, gespeist.IndieserZone,diebis410KilometertiefindieErdereicht, muss das Gestein dann allerdings zumindest teilweise geschmolzen sein,sodieWissenschaftler2006imWissenschaftsmagazin„Science“. Dieswarbishernichtunumstritten. BläschenbestätigenTheorie Hirano und Ingle legten aber nun Indizien vor, die diese Hypothese bestätigen. Denn bei Gesteinsanalysen stellten sie fest, dass das eingesammelte vulkanische Material mit winzigen Löchern übersät war. Diese „Bläschen“ oder Vesikel entstehen aber nur dann, wenn Gas aus ausgeworfener Lava entweicht. „Eine Existenz von Gas legt aber nahe oder erfordert sogar, dass die Asthenosphäre in einem teilweise geschmolzenen Zustand vorliegt“, erklärt Ingle. Wenn sich nun die abtauchende alte ozeanische Erdkruste verbiegt, bilden sich darin Risse und Spalten, durch die heißes Gestein aus der Asthenosphäre aufsteigt und dann am Meeresboden ausgeworfen wird – die Petit Spots sind geboren. Die Wissenschaftler vermuten, dass es die Eruptionsphase AufbaudesErdinneren©MMCD nicht lange andauert. Daher bleiben die Vulkane auch vergleichsweiseklein. AlteVulkanewandernvoran Stimmt dieses Szenario, sollten eigentlich immer wieder Vulkane „sprießen“, wenn die abtauchende Erdplatte weiterwandert und die Regionmitdennötigen„Stressbedingungen“–Aufwölben,Verbiegen – erreicht. Dazu Ingle: „Und das ist genau das, was wir beobachtet haben: eine Kette von älteren Vulkanen nahe der Subduktionszone undimmerjüngerwerdendePetitSpotsweiterentferntdavon.“ DieseErgebnissewerfennichtnureinneuesLichtaufdieEntstehung von Vulkanismus, sie stellen auch bisherige Erklärungsmodelle für dieses Phänomen - speziell die Hotspot-Hypothese - zumindest ansatzweise in Frage. Vielleicht sind ja einige der diesem Phänomen zugeordneten Vulkane doch nach dem Prinzip der Petit Spots entstanden, so die Vermutung der Forscher. Mantelplumesade? „Es ist nicht so, dass ich denke, dass diese Studie beweist, dass es keine Plumes gibt“, bewertet Marcia Mc Nutt, die Präsidentin des Monterey Bay Aquarium Research Institute, die Ergebnisse von Hirano und Ingle in einem Interview mit „Discovery News“. Aber es gäbe vulkanische Phänomene Hawaii-BigIsland©NASA/JSC auf der Erde fernab der Plattengrenzen, die die Mantelplume-Theorie eben doch nicht perfekt erklären könne. „Nun werden wir damit beginnen müssen, alle diese Vulkanketten,diemanunterdasPlume-Modellsubsumierthat,noch einmalgenauerzuuntersuchen“,soMcNutt. EINWUNDERWERKDERTECHNIK M itHROVNereuszudentiefstenStellenderMeereDie modernenTauchroboterQuest,SentryundCo.haben einenentscheidendenNachteil:Sieoperierenmaximal in Tiefen bis 6.500 Metern. Für einen Dienst an den tiefsten Stellen der Meere bis elf Kilometer unter der Wasseroberflächesindsienichtgeeignet,dennsiekönnendemdort herrschendenDrucknichttrotzen.MitihrerHilfeistesdeshalbzwar möglich, 98 Prozent des Meeresbodens und der Ozeane zu erforschen, aber der Rest, die grundnahen Bereiche der Tiefseegräben, bleiben den neugierigen Blicken der noch immer Menschheitverborgen. LebensraumTiefsee©NOAA RätselüberRätsel „DieseletztenzweiProzentsindsehrwichtig“,sagtDanFornarieiner der leitenden Wissenschaftler vom Woods Hole Meeresforschungsinstitut (WHOI). „Darin enthalten sind einige sehr interessanteUmweltenindenTiefseegräben.(…)Essinddieeinzigen Stellen an denen man einen Eindruck davon bekommen kann, was im Erdmantel vor sich geht – und wie dieser mit der absinkenden ozeanischen Lithosphäre interagiert.“ Diese Vorgänge und auch die Produkte der so genannten „subduction factory“ wie Schlammvulkane sind bis jetzt noch längst nicht endgültig verstanden. Und auch Meeresbiologen erwarten von einer zukünftigen Erkundung der tiefsten Stellen der Meere noch viele neue Erkenntnisse über die Tierwelt und die Mikrobenvielfalt in extremen Lebensräumen. Durch den Verlust des Tauchroboters Kaiko im Jahr 2003, der als einziger auch bis zum Grund der Tiefseegräben vordringen konnte, haben die Ambitionen der WissenschaftlerabererstmaleinenkräftigenDämpfererhalten.„Seit dem Verlust sind die Tiefseegräben für systematische Forschung nichtmehrerreichbar“,erklärtFornaridasDilemma. NereusalsHoffnungsträger Doch es gibt längst neue Hoffnung. Denn die WHOI hatnocheinwichtigesAssim Ärmel: ein innovatives Tauchboot, das schon bald auf erste wissenschaftliche Expeditionen starten soll. Die MacherdesProjektesvonder HROV©JackCook/WHOIGraphicServices WHOI, der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA), der US-Marine und der National Science Foundation (NSF) hoffen sogar, dass das so genannte HROV (Hybrid Remotely Operated Vehicle) eine neue Ära beiderUntersuchungderTiefseegräbeneinläutenkönnte.Dochwas ist das Besondere an der neuen, Millionen Euro teuren, Wunderwaffe der Tiefseeforscher? Wie der Name schon andeutet, kann das HROV in zwei grundsätzlich verschiedenen Betriebsarten arbeiten. Als autonomes, freischwimmendes Vehikel soll es für großflächige Erkundungen unter Wasser eingesetzt werden. Mit einer neu entwickelten Spezialbatterie an Bord steigt es weitgehend selbständig in die Tiefen der Meere hinab und sammelt und archiviert dabei Bilder und Daten. Im Rahmen seiner 36 stündigen Dienstzeit kann das „Nerius“ getaufte HROV zudem Kartierungen durchführen oder den Meeresboden scannen. Die Wissenschaftler sinddadurchinderLage,interessanteRegionenzuidentifizieren,die anschließendnähererkundetwerden. SchnellerUmbaumöglich DieseAufgabeübernimmtdannauchdasHROV,allerdingsineinem ferngesteuerten, „angeleinten“ Modus arbeitend. Nahe des Mutterschiffes nimmt Nereus dann Proben oder erledigt andere wichtige wissenschaftliche Aufgaben. Verbunden mit den Forschern an Bord des Mutterschiffes ist das HROV über ein dünnes, ultraleichtes, gepanzertes Glasfaserkabel mit nicht einmal einen Millimeter Durchmesser. Dieses ermöglicht eine EchtzeitKommunikation und damit eine perfekte Steuerung und Datenübertragung.DerClouanderSache:dasHROVkannwährend der Forschungsexpedition schnell und einfach rekonfiguriert und umgebaut werden – je nachdem, welches „Betriebssystem“ aus Forschersichtgeradenotwendigist. TechnischeHerausforderung „Ein System für 11.000 Meter Wassertiefe zu entwerfen und zu bauen ist eine echte technische Herausforderung“, meinte Andy Bowen vom Deep Submergence Lab des WHOI im Dezember 2003, als das Projekt aus der Taufe gehoben wurde. „Dazu müssen wir Komponenten entwickeln, die im Moment noch nicht existieren.“ Gerade für die Karosserie des HROV und die Gehäuse, in denen elektronische Geräte wie Kameras oder Sonare untergebracht werden, waren neue Materialien gefragt. Sie müssen extrem stabil und zugleich möglichst leicht sein. Zum Einsatz kommt deshalb eine besondere Keramikvariante, die selbst enormem Druck erfolgreich standhält. „Das HROV wird zum ersten Mal eine routinemäßige wissenschaftliche Untersuchung der tiefsten Bereiche der Ozeane ermöglichen – von 6.500 bis 11.000 Meter -, ein Bereich den wir zurzeit nicht erreichen können“, sagte Richard Pittenger, der damalige WHOI Vizepräsident für Marine Operationen bei der Vorstellung des Vorhabens. „Es wird uns aber auch Zugang verschaffen zu anderen schwer zu erreichenden Regionen wie beispielsweiseunterhalbderarktischenEiskappe.“Ersteerfolgreiche Tests in 2.500 Meter Wassertiefe vor Hawaii haben im November 2007 bereits stattgefunden. Ende 2008 oder Anfang 2009 soll Nereus dann die erste wissenschaftliche Mission in 11.000 Meter durchführen… VORSTOSSINEINEUNBEKANNTEWELT D ieerstePhasederEroberungderTiefseeDieerstePhase der Eroberung der Tiefsee fand vor rund 50 Jahren mit der gewagten Tauchfahrt des Bathyscaphen Trieste zum Grund des Marianengrabens ihr Ende. Zuvor hatte es einenJahrhundertelangenwissenschaftlichen„Marathonlauf“zuden tiefsten Stellen der Meere gegeben. Los ging dieser spätestens mit dem portugiesischen Seefahrer Fernando Magellan Anfang des 16. Jahrhunderts.BeiderallererstenWeltumsegelungerbrachteernicht nur den endgültigen Nachweis, dass die Erde eine Kugel ist, er versuchteauchmithilfeeines700MeterlangenSeilsdenGrunddes Meeres auszuloten – allerdings vergeblich. Ab da galten die Ozeane fürlangeZeitalsunendlichtief. ChallengeraufErfolgskurs Mit diesem und vielen anderen Vorurteilen räumte dann rund 250 Jahre später eine Expedition mit dem britischen Forschungsschiff „Challenger“ auf. Die Korvette befuhr von 1872 bis 1876 die Weltmeere und erforschte sie erstmals systematisch. Die Wissenschaftler um den schottischen Zoologieprofessor Charles Wyville Thomson führten unter anderem 374 Tiefseelotungen, 255 Tiefseetemperaturmessungen und 240 Schleppnetzzügedurch. TriestewirdausdemWasser gehoben©U.S.Naval HistoricalCenter/U.S.Navy ElectronicsLaboratory Foraminiferen-FundewährendderChallenger-Expedition©NOAA Ihnen gelangen aber auch viele grundlegende geologische, meteorologische und magnetische Untersuchungen. Ergebnis der Arbeit: 4.000 neue Tierarten, erste Erkenntnisse zu MeeresströmungenunddemOzeanbodenundvielesanderemehr. DerHypeumdieTiefsee Danach ging es mit der Eroberung der Tiefsee Schlag auf Schlag weiter: 1874: Wissenschaftler auf dem amerikanischen Vermessungsschiff „Tuscarora“ entdecken im Pazifik den ersten Tiefseegraben und ermitteln eine Tiefe von mehr als 8.500 Metern.1898 bis 1899: Biologen um Carl Friedrich Chun spüren während einer Expedition mit dem deutschen Forschungsschiff ValdiviazahlreicheneueMeerestierartenauf.MiteinemSchleppnetz dringen sie dabei bis in 4.636 Meter Wassertiefe vor.Ab 1922: Erstmals werden Tiefenmessungen in den Meeren mithilfe des Echolots durchgeführt. Sie liefern beeindruckende neue Erkenntnisse. In der Folge entstehen immer genauere bathymetrischeKartenderOzeanemitdemProfildesMeeresbodens und präzisen Tiefenangaben. 1950 bis 1952: Das dänische Schiff Galathea untersucht mit dem Schleppnetz fünf Tiefseegräben und findet in 7.000 Meter Tiefe und mehr eine umfangreiche Tiefseefauna.1951: Wissenschaftler an Bord des englischen Schiffes „Challenger II“ ermitteln im Marianengraben per Echolot eine Tiefe von 10.899 Metern – das Challengertief.Ab 1953: Sowjetische Expeditionen mit der Witjas sammeln wichtige weitere Erkenntnisse über den Lebensraum Tiefseegräben. Im Jahr 1957 finden die ForscheranBordimMarianengrabenzudemperEcholotungdiemit 11.034MeterntiefsteStellederWeltmeere,dasWitjastief. TiefseegibtGeheimnissepreis Die vielen Expeditionen in den 1950er und zu Beginn der 1960er Jahre erweiterten das Wissen um die Tiefsee ganz erheblich. Und auchüberdieGräbenwarjetztbereitseineMengebekannt. 04|Impressum scinexx.de-DasWissensmagazin MMCDNEWMEDIAGmbH Elisabethstraße42 40217Düsseldorf Tel.0211-94217222 Fax03212-1262505 www.mmcd.de [email protected] Geschäftsführer:HaraldFrater,[email protected] Chefredakteurin:NadjaPodbregar,[email protected] Handelsregister: Düsseldorf,HRB56568;USt.-ID.:DE254927844; FinanzamtDüsseldorf-Mitte Konzeption/Programmierung YOUPUBLISHGmbH Werastrasse84 70190Stuttgart M:info(at)you-publish.com Geschäftsführer:AndreasDollmayer ©2016byKonradinMedienGmbH,Leinfelden-Echterdingen