Reflexe und Rhythmogenese - Neurobiologie, FU Berlin

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Muskeln
Die Fähigkeit zur aktiven Bewegung
haben Tiere dank ihrer Muskeln.
Diese bestehen aus
kontraktilen Proteinen, die wie im
Falle der Skelettmuskulatur eine
hochgeordnete Struktur aufweisen.
Elektrische Synapsen
Herzmuskel
Glatte Muskulatur
Elektrische Synapsen
Skelettmuskulatur
Typen von Muskeln
* Quergestreifte Muskulatur
Skelettmuskulatur („Willkürliche Muskulatur“, vielkernige Muskelfaser)
Herzmuskulatur („unwillkürliche Muskulatur“, einkernige Muskelfaser durch
elektrische Synapsen, gap junctions, verbunden)
Querstreifung kommt von der regelmäßigen Anordnung der kontraktilen Proteine
und von der Einteilung in Sarkomere.
* Nicht quergestreifte Muskulatur
Glatte Muskulatur („unwillkürliche Muskulatur“ der Eingeweide incl. Uterus,
einkernige Muskelfasern durch elektrische Synapsen miteinander verbunden)
Kontraktile Proteine.
* Actinfilamente
monomeres G-Actinmolekül,
Durchmesser 5,5 nm,
bilden Doppelhelix, F-Actin (Länge etwa
1mm, Dicke etwa 8 nm),
an einem Ende an der Z-Scheibe
angeheftet.
In der Mitte der Actinhelix befindet sich
alle 40 nm auf dem Actinfilament,
Tropomyosin und Troponinkomplex
*
Actin
Myosinfilamente
monomeres Myosin, Länge 150 nm,
Breite 2 nm, mit Schwanz. Hals und Kopf
(Kopf: Länge 20 nm, Dicke 4 nm),
LMM (light meromyosin): Schwanz,
HMM (heavy meromyosin): Hals und Kopf,
Myosinkopf mit ATPase-Aktivität
Myosin
1
2
3
4
Tension (% of maximum)
Spannung (% Maximum)
Viskoelastisches Modell des
Sarkomers
Sarkomerlänge
Elektromechanische
Kopplung
Muskelfibrille mit Filamenten
Mitochondrium
glattes ER (SR)
Z-Streifen
tubuläres System (T-Tubulus)
Terminalzysterne des SR (ER)
M-Streifen
glattes ER (SR)
Sarkolemm
tubuläres System (T-Tubulus)
Basalmembran
Bindegewebsfasern
Elektromechanische Kopplung:
* Transmitter, freigesetzt an der neuromuskulären Synapse, bindet an
entsprechende Rezeptormoleküle auf der postsynaptischen
Muskelmembran.
* Bildung eines EPSP (oder exzitatorisches EPP, Endplattenpotenzial),
und Auslösung eines Muskel-Aktionspotenzials, welches sich vom Ort
der neuromuskulären Synapse über die Muskelmembran bis in das
T-System hinein ausbreitet.
* Dort spannungsabhängige Aktivierung von Molekülen (Dihydropyridin-Rezeptoren), die in Kontakt zu den spannungsabhängigen
Calcium-Kanälen (Ryanodin-Rezeptoren) des sarkoplasmatischen
Retikulums (SR) stehen.
* Freisetzung von Calcium-Ionen aus dem SR, welche nun am
Tropomyosin-Troponin-Komplex auf dem Actinmolekül die Freigabe
der Bindungsstelle für den Myosinkopf bewirken.
* Acto-Myosinbindung und Beginn der Querbrückenzyklen
Tension (% of maximum)
Spannung (% Maximum)
Viskoelastisches Modell des
Sarkomers
Sarkomerlänge
Muskelmechanik
Muskelmechanik
Mechanisches Verhalten eines Muskels
* serienelastische Elemente: Sehnen
* parallel-elastische Elemente: Bindegewebshüllen,
SR, Cytoplasma
Ein Teil der von den kontraktilen Proteinen erzeugten Kraft muß in die Dehnung
der nichtkontraktilen Elemente des Muskels (Sehnen, Bindegewebe) gesteckt
werden und steht daher nicht zum Heben einer Last zur Verfügung!
Zwei prinzipielle Kontraktionsarten:
ISOTONISCH: solange die Kraft nicht ausreicht, die Last zu heben:
Vergrößerung der Spannung, danach Verkürzung des Muskels und
Beibehaltung der Spannung.
ISOMETRISCH: Eine Verkürzung wird verhindert und dadurch
zunehmende Spannung.
Verhalten eines Muskels nach wiederholter Reizung
Spannung
unvollkommener Tetanus
Zuckung
glatter Tetanus
Muskelkraft
* Hängt von der Menge der parallel liegenden Sarkomere ab, d. h. von der
Querschnittsfläche des Muskels (Muskeln, die große Kräfte ausüben müssen,
sind meist kurz und dick!)
* Säugermuskel: pro cm2 Durchmesser etwa 40 N (4 kp)
* Wirbellose: pro cm2 Durchmesser etwa 30 N (3 kp)
Muskelgeschwindigkeit
* Hängt von der Anzahl der hintereinander geschalteten Sarkomere ab
(langer Muskel besitzt höhere Kontraktionsgeschwindigkeit als ein kurzer)
Für zwei Muskeln mit gleicher Masse und Querschnittsfläche gilt, daß der mit den
längeren Sarkomeren die größere Kraftentwicklung aber kleinere
Verkürzungsgeschwindigkeit besitzt, als der mit kürzeren Sarkomeren
(kleinere Kraftentwicklung, aber höhere Verkürzungsgeschwindigkeit).
Muskelwachstum (bei sportlichem Training):
Anzahl der Myofibrillen pro Muskelfaser vergrößert sich.
Muskelarbeit:
Umwandlung chemischer Energie in mechanische Energie
Wirkungsgrad: 30 bis 35%, das heisst 1/3 der Energie steht für Arbeit
zur Verfügung, 2/3 erscheinen als Wärme.
Oxidation von Kohlenhydraten (Glucose. Glykogen) und Aufbau
von ATP
* Muskel hat eigenen Vorrat an energiereichen Phosphatverbindungen
(Kreatinphosphat)
* Ein Teil der Prozesse kann anaerob ablaufen (Muskel geht „Sauerstoffschuld“) ein
Dadurch kann ein Muskel jederzeit ein begrenztes Maß an Arbeit leisten!
Stoffwechselwege im Muskel
Leber
Glykogen
Glukose im Blut
während Kontraktion
Muskelgykogen
Glukose im Muskel
ohne O2
bei Ruhe
Glykolyse
ATP
Kontraktion
Lactat
ins Blut
Fettsäuren
Aminosäuren
ohne O2
Pyruvat
mit O2
oxidative
Phosphorylierung
Krebszyklus oder
Tricarbonsäurezyklus
Atmungskette
CO2 und H2O
ins Blut
während Kontraktion
ATP
bei Ruhe
Kreatinphosphat
Innervierung eines Muskels bei
Wirbeltieren und Wirbellosen
* Zahl der Motoneurone (motorische Einheiten)
* Was bedeutet motorische Einheit?
Alle Muskelfasern, welche von einem Motoneuron
innerviert werden, gehören zu einer
motorischen Einheit.
Was bedeutet motorische Einheit?
Alle Muskelfasern, welche von einem Motoneuron innerviert
werden, gehören zu einer motorischen Einheit.
Wirbellose
Wirbeltiere
slow fast
Motoneurone
(mehrere 100 bis
tausend)
„slow“ Muskelfaser
inhibitorisch
Muskelfaser
Innervierung von Wirbeltiermuskeln
Ein Wirbeltiermuskel besitzt sehr viele (bis zu mehreren
tausenden motorische Einheiten).
Innervierung von Muskeln
Wirbeltiere (Vertebraten)
* pro Muskelfaser nur ein Terminal (uniterminal, Endplatte, Muskelaktionspotenzial)
(Ausnahme: spezielle langsame Muskelfasern der Haltemuskulatur)
* pro Muskelfaser nur ein Motoneuron bei adulten Tieren
(beim Embryo/Neugeborenen ist jede Muskelfaser von mehreren Motoneuronen
innerviert, neuronaler Wettbewerb, das „aktivste Motoneuron gewinnt“ und dann
gilt: „The winner takes all“.....)
* pro Muskel viele (bis zu Tausend) motorische Einheiten
* Neuromuskulärer Transmitter: Acetylcholin (nikotinische und muskarnische ACh-R)
Wirbellose Tiere (Invertebraten)
* pro Muskelfaser mehrere bis viele Terminale (multiterminal, keine Aktionspotenziale)
* jede Muskelfaser kann von mehr als einem Motoneuron innerviert sein (polyneural)
* wenige (spezialisierte) motorische Einheiten: fast (schnelle) Motoneurone, slow
(langsame) Motoneurone, intermediate (intermediäre) Motoneurone, inhibitorische
(Hemm-) Neurone (gilt für die quergestreiften Skelettmuskeln der Arthropoden,
Mollusken besitzen quergestreifte und glatte Körpermuskulatur und viel mehr
motorische Einheiten)
* Neuromuskuläre Transmitter: erregend Glutamat, inhibitorisch GABA
bei Arthropoden und Mollusken zusätzliche Neuromodulatoren
Typen von Muskelfasern bei Wirbeltieren
Rote Muskeln
* reich an Myoglobin, z.B. Rumpfmuskulatur, Wadenmuskulatur (M. soleus)
* langsame Muskeln, niedrige Myosin-ATPase-Aktivität
* für Energie sparende, nicht ermüdende Leistungen (Dauer-, Halteleistungen)
Weisse Muskeln
* arm an Myoglobin, z.B. Gliedmaßenmuskulatur
* schnelle Muskeln, hohe Myosin-ATPase-Aktivität
* schnell ermüdend, nicht für kontinuierliche Muskelarbeit geeignet, da sie Energie
vorwiegend anaerob gewinnen und dabei Lactat (Milchsäure) anhäufen.
Reflex
* Schnelle, stereotype, unwillkürliche Reaktion, die durch einen Reiz ausgelöst wird
(Kniesehnenreflex, Lidschlagreflex, Schluckreflex, Schutzreflexe).
* Viele Reflexe sind phasenabhängig, d.h. funktionieren nur innerhalb eines
bestimmten Arbeitsbereichs.
* Reflexe können unterdrückt werden, und das kann gelernt werden (Fakir, „lebende“
Puppen).
* monosynaptische und polysynaptische Reflexe
Haltereflex (Kontrolle der Muskellänge)
γ Innervierung
Muskelspindel
sensorische
Axone Ia
Schutzreflex (Spannungsreflex,
Kontrolle der Muskelspannung)
Golgi Sehnenspindel
Steuerung der Muskellänge über
die Aktivierung des γ Motoneurons
der Muskelspindel
γ
Beispiel für einen Reflex bei einem Insekt
Schema der motorischen Kontrolle
Kontrollzentren im Gehirn (motorischer Cortex, BasalGanglien, Cerebellum)
sensorische Rückkopplung
(sensory feedback)
Zentrale Rhythmusgeneratoren im Rückenmark
Motoneurone
Muskeln
Bewegung
Sinneszellen
Absteigende Bahnen
zum Rückenmark,
Pyramidenbahn,
Extrapyramidale Bahn
Die neuronale Kontrolle von Bewegungen
* zielgerichtete Bewegungen erfordern Vorstellungen vom eigenen Körper und
Raum („motorische Intelligenz“)
* funktionelle Struktur neuronaler Bewegungskontrolle im gesamten Tierreich trotz
unterschiedlicher Bewegungen gleichartig strukturiert
* Konzept des Zentralen Mustergenerators (CPG, central pattern generator):
Netzwerk von Neuronen, welche intrinsisch (ohne Anstoss von aussen) rhythmisch
alternierende Aktivität erzeugen können.
- Im Netzwerk kommt reziproke Hemmung vor
- es gibt sogenannte Schrittmacherneurone
* Zentrale Mustergeneratoren werden durch Neuromodulatoren (die aus anderen Teilen
des ZNS kommen) oder durch Eingänge von Sinnesorganen angestossen oder moduliert.
Rhythmische Motorische Aktivität
A
A
1s
B
B
C
C
Stemmphase
Rhythmische Bewegungsmuster
* Bewegungen wie Laufen, Rennen, Fliegen, Schwimmen, Kaubewegungen,
Atmung etc. werden durch neuronale Netzwerke im ZNS erzeugt und durch
sensorische Rückkopplung den Umwelterfordernissen angepasst.
* Der grundlegende alternierende Rhythmus wird dabei von einem Netzwerk von
Neuronen im ZNS erzeugt (zentraler Mustergenerator, zentrales Programm,
Oscillator)
* Typischerweise werden nur der Beginn und das Ende der Bewegungsfolge
bewusst kontrolliert, während der Ablauf mehr oder weniger automatisiert ist.
ein kontinuierlicher Erregungseingang
wird in einen
rhythmischen Ausgang übersetzt
(Brown Half Center Model)
Alternierende Rhythmen sind oft das Ergebnis von Zentralen Rhythmusgeneratoren (CPG =
Central Pattern Generator) im ZNS:
Das lokomotorische Netzwerk im Rückenmark des Neunauges
Motorische Aktivität im intakten Neunauge
Motorische Aktivität im isolierten Rückenmark
after Grillner and coworkers
Nach Stevenson und Kutsch
Entwicklung der motorischen Muster bei der Maus
Nach Clarac, Pearlstein, Pflieger, Vinay 2003
Wie steuert unser Gehirn
Bewegungen ?
Verzeichnis der
Windungen (Gyri) und
Täler (Sulci)
Zytoarchitektonische
Kartierung nach
Korbinian Brodman (1909)
„Karten“ im Gehirn: Topographische Organisation
Funktionen
derHemisphäre
Großhirnrinde, linke Hemisphäre
Funktionen
der linken
Nach Karl Kleist, Nach
1920-1930
Karl Kleist, 1920-1930
„Phrenologie“ des 19.
und 20. Jahrhunderts
Motorischer Kortex Somatosensorischer Kortex
Motorischer Kortex
Motorische Funktionssysteme
Wie steuert unser Gehirn Bewegungen ?
* Willkür- und Zielbewegungen erfordern corticale Kontrolle
primärer motorischer Cortex, supplementäres motorisches Areal,
prämotorischer Cortex
- Auswahl und Zahl der beteiligten Muskeln
- ausgeübte Muskelkraft und zeitliche Modulation
- Bewegungsverlauf (Zielrichtung, Geschwindigkeit der Bewegung, Gelenkstellung)
* absteigende Bahnen von Corex zum Rückenmark
- rubrospinaler Trakt (beginnt im N. ruber des Mittelhirns, der Eingänge vom Cortex und
Kleinhirn erhält)
- Pyramidenbahn (Zellkörper im primären motorischen Cortex, machen Verbindungen
mit Interneuronen im RM welche Arm- und Beinbewegungen steuern)
für feine Fingeraufgaben (greifen, anfassen, abtasten)
* Basalganglien und Kleinhirn
involviert in der „motorischen Programmgestaltung“, an der Erstellung der Zeitstruktur,
an der „Feinkontrolle“
- Basalganglien wirken vorwiegend „dämpfend“ (und lassen nur die vom Cortex
„ beabsichtigten“ Bewegungen ohne grösseren Hemmunge zu, damit Akzentuierung
der gewollten Bewegungen (wirken stabilisierend auf gewollte Bewegungsabläufe)
- Kleinhirn wirkt vorwiegend „erregend“ (motorisches Lernen, Feinkorrektur, zeitliche
Strukturierung, beteiligt an kognitiven Lernprozessen)
(Lernhypothese: macht zeitlich präzise strukturierte Handlungsprogramme)
Neue Ideen zum motorischen Cortex:
* Weitgehend überlappende Felder (Topographie nicht absolut)
* Repräsentation von komplexen, im Verhalten bedeutungsvollen Haltungen (z.B.
Hand oder Armstellung)
* Bei Reizung einzelner Neurone: Hand führt komplexe Bewegungen aus, die alle
zu einem Ziel am Körper geführt werden (z.B. Mund)
* Reizung von Neuronen an verschiedenen Orten: Hand endet am gleichen Zielpunkt,
aber mit unterschiedlicher Geschwindigkeit, andere Trajektorie usw.
* Topographische Repräsentation der Lokalisationen der Hand im Raum um den Körper
Nach: Graziano, Taylor, Moore and Cooke, Neuron 36: 349-362 (October 2002)
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