Was gab es Neues auf dem Arzneimittelmarkt 2014: Bedaquilin und

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9. Jahrgang, 1. Ausgabe 2015, 16-36
- - - Rubrik Neue Arzneimittel - - -
Was gab es Neues auf dem
Arzneimittelmarkt 2014
Teil 1: Bedaquilin und Delamanid
Epidemiologie der Tuberkulose
Multiresistente Tuberkulose
Charakteristika der Infektion
Standardtherapie
Symptomatik
Neue Arzneistoffe
Neue Arzneimittel 2014 – Bedaquilin und Delamanid
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Was gab es Neues auf dem
Arzneimittelmarkt 2014
Bedaquilin und Delamanid
Prof. Dr. Georg Kojda
Fachpharmakologe DGPT,
Fachapotheker für Arzneimittelinformation
Institut für Pharmakologie und klinische Pharmakologie
Universitätsklinikum, Heinrich-Heine-Universität
Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf
[email protected]
*Aus einem Vortrag des Autors vom 27.01.2015 im großen Hörsaal des LFI der
Universitätsklinik Köln (organisiert durch Apothekerkammer Nordrhein/Apothekerverband
Köln e.V./Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein Bezirksstelle Köln)
Den Fortbildungsfragebogen zur Erlangung eines Fortbildungspunktes zum
Fortbildungstelegramm Pharmazie finden Sie hier:
http://www.uni-duesseldorf.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/Kurzportraet.html
Titelbild : Universitätsbibliothek New York , Urheber: Photoprof, Lizenz: Fotolia
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2015;9(1):16-36
Neue Arzneimittel 2014 – Bedaquilin und Delamanid
Was gab es Neues auf dem
Arzneimittelmarkt 2014?
Prof. Dr. Georg Kojda
Fachpharmakologe, Fachapotheker für Arzneimittelinformation
Fortbildungsbeauftragter Apothekerkammer Nordrhein, Apothekerverband Köln e.V.
Herausgeber „Fortbildungstelegramm Pharmazie“
Institut für Pharmakologie und Klinische Pharmakologie,
Universitätsklinikum, Düsseldorf,
Fortbildungsvortrag vom 27.01.2015 organisiert durch Apothekerkammer Nordrhein,
Apothekerverband Köln e.V., Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein, Bezirksstelle Köln
Der Autor erhielt Forschungsgelder1 sowie dienstlich genehmigte Beratungs-2
und Referentenhonorare3 von folgenden Arzneimittelherstellern:
Actavis1, Boehringer3, Mundipharma3, Schwarz Pharma1, Pfizer1,2, Shire1
Wichtige Hinweise
Für die Nutzung dieses Dokumentes gelten die Nutzungsbedingungen, einsehbar unter
http://www.uni-duesseldorf.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/impressum.html
Für die Angaben in diesem Dokument gilt der Disclaimer, einsehbar unter
http://www.uni-duesseldorf.de/kojda-pharmalehrbuch/impressum/Disclaimer.html
Insbesondere soll hier Folgendes noch einmal betont werden (Disclaimer):
„In keinem Falle stellen Informationen zu Arzneimitteln oder sonstigen medizinischen
Produkten Empfehlungen oder eine Werbung für Präparate oder Produkte dar. Gleichfalls
ersetzen die Informationen nicht eine individuelle fachliche Beratung durch einen Arzt oder
Apotheker. Der Inhalt von www.kojda.de darf nicht dazu verwendet werden, eigenständig
Diagnosen zu stellen oder Behandlungen anzufangen.“
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2015;9(1):16-36
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Neue Arzneimittel 2014 – Bedaquilin und Delamanid
Übersicht
Einteilung der 42 neuen Arzneistoffe in 2014
(16 Orphan-Drugs!)
Antiinfektiva
Zytostatika
COPD
Bedaquilin (Sirturo®)
Ceftobiprol (Zevtera®)
Daclatasvir (Daklinza®)
Delamanid (Deltyba®)
Dolutegravir (Tivicay®)
Simeprevir (Olysio®)
Sofosbuvir (Sovaldi®)
Telavancin (Vibrativ®)
Cabozantinib (Cometriq®)
Ibrutinib, (Imbruvica®)
Idelalisib (Zydelig®)
Obinutuzumab (Gazyvaro®)
Radium-223-dichlorid (Xofigo®)
Trastuzumab Emtansin, (Kadcyla®)
Olodaterol (Striverdi®)
Umeclidiniumbromid, (Anoro®)
Kombination mit Vilanterol
Vilanterol, (Relvar® Ellipta®)
Kombination mit Fluticason
Stoffwechsel
Seltene Erkrankungen
Andere
Albiglutid (Eperzan®)
Alipogentiparvovec (Glybera®)
Canagliflozin (Invokana®)
Cholsäure (Orphacol®)
Elosulfase alfa (Vimizim®)
Empagliflozin (Jardiance®)
Insulin degludec (Tresiba®)
Defibrotid (Defitelio®)
Macitentan (Opsumit®)
Metyrapon (Metopiron®)
Riociguat (Adempas®)
Siltuximab (Sylvant®)
Simoctocog alfa (Nuwiq®)
Teduglutid (Revestive®)
Turoctocog alfa (NovoEight®)
Avanafil (Spedra®)
Chloroprocain (Ampres®)
Dexlansoprazol (Dexilant®)
Dimethylfumarat (Tecfidera®)
Levosimendan (Simdax®)
Lurasidon (Latuda®)
Mirabegron (Betmiga®)
Nalmefen (Selincro®)
Peginterferon-β-1a (Plegridy®)
Vedolizumab (Entyvio®)
Übersicht
Frühe Nutzenbewertung nach AMNOG
erheblich > beträchtlich > gering und nicht quantifizierbar (z.B. bei Orphan-Drugs)
Bewertung erfolgt im Verhältnis zur „zweckmäßigen Vergleichstherapie“
Prüfung des Dossiers
innerhalb von 3 Monaten
Erstattungsbetragsverhandlungen bis 12. Monat
Schiedsspruch bis 15. Monat
Anhörung und Beschluss
zwischen 4. – 6. Monat
IQWiG
Einigung
G-BA
Dossier
Einigung
Marktrücknahme
durch Hersteller
möglich
Abb. modifiziert nach: http://www.vfa.de/de/download-manager/_infografik-amnog-fruehe-nutzenbewertung.pdf
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Klage oder
Marktrücknahme
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Neue Arzneimittel 2014 – Bedaquilin und Delamanid
Übersicht
Gruppe Antiinfektiva
Fortschritte bei der Behandlung von Hepatitis C, Tuberkulose,
HIV und Pneumonien
Die vollständige Liste steht unter folgendem Link zur Verfügung
http://www.uni-duesseldorf.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/SerieNeueArzneimittel.html
Tuberkulose
Neue Arzneimittel
zur Behandlung der
multiresistenten
Tuberkulose
Mykobakterium tuberkulosis
(aus: www.primer.ru)
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2015;9(1):16-36
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Neue Arzneimittel 2014 – Bedaquilin und Delamanid
Tuberkulose
Zahlen aus dem Tuberkulose-Bericht der WHO 2014
Tuberkulose Inzidenz
alle TB Fälle
Millionen
TB ist ansteckend und verbreitet sich durch die Luft.
Jeder Unbehandelte wird im Mittel 10-15 Menschen
pro Jahr infizieren.
nur HIV-positive Fälle
ca. 2 Milliarden Menschen sind infiziert, jeder 10
davon erkrankt, HIV-Infizierte haben ein erheblich
höheres TB-Risiko
ca. 9 Millionen Neuinfektionen in 2013, Tendenz leicht
fallend
Tuberkulose Todesfälle
Millionen
1,5 Millionen TB-Tote in 2013, meist in
Entwicklungsländern, Armuts-Erkrankung
TB ist Haupttodesursache bei HIV-Infizierten
TB Todesfälle bei
HIV-negativen
Menschen
TB Todesfälle bei HIV-positiven Menschen
Erreger können multiresistent oder gar extensivresistent sein (auch Reservetherapeutika helfen
nicht mehr, kommt in 58 Ländern vor), Resistenzen
werden überwacht
Abb. modifiziert nach http://www.who.int/tb/publications/global_report/en/
Tuberkulose
Etwa 80 % der Neuinfektionen kommen in nur 22 Ländern vor
Geschätzte neue
TB- Fälle pro
100.000 Menschen
pro Jahr
keine Daten
nicht anwendbar
Abb. modifiziert nach http://www.who.int/tb/publications/global_report/en/
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2015;9(1):16-36
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Neue Arzneimittel 2014 – Bedaquilin und Delamanid
Tuberkulose
Zahlen aus dem Tuberkulose-Bericht der WHO 2014
Deutschland 2013
Prävalenz: 7,5/100.000, entspricht 6.200 Infizierten
Mortalität: 0,3/100.000, entspricht 300 Toten
Mortalität bei HIV: weniger als 10 Tote
Mykobakterium tuberkulosis
(aus: www.primer.ru)
http://www.who.int/tb/publications/global_report/en/
Tuberkulose
Transmission
Bei schwerer
Exposition ca.
30 % infiziert
(HIV-negativ!).
primäre
Tuberkulose
latente
Tuberkulose
milde Form,
oft nicht erkannt
spontane
Heilung in ca.
6 Monaten
reaktivierte
Tuberkulose
schwere Form,
hoch infektiös
Progression
bei 5 % nach
2 Jahren
Progression
bei 5 % in
2 Jahren
Konversion zu
positivem
Tuberkulintest
in 6-8 Wochen
Progression
bei HIV 10 %
pro Jahr
Abb. nach: N Engl J Med 2001;345:189
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2015;9(1):16-36
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Neue Arzneimittel 2014 – Bedaquilin und Delamanid
Tuberkulose
Charakteristika der Infektion mit Mycobacterium
tuberculosis
Erstexposition
Latente Infektion
Erstexposition
normale Lunge, negativer
Sputum-Test, keine
Symptome
Tuberkulintest
nicht infektiös
Progression möglich
Zweit- oder Mehrfachexposition
Aktive
Tuberkulose
Risikofaktoren (HIV!)
anormale Lunge,
positiver SputumTest, Symptome
Sputumtest
Kultivierung
hoch infektiös
unbehandelt meist letal
Tuberkulose
Aktive Tuberkulose
bei etwa 90 % der Tuberkulosefälle findet sich eine pulmonale Manifestation
extrapulmonale Manifestationen umfassen:
pleurale Tuberkulose
perikardiale Tuberkulose
dermale Tuberkulose
abdominale (intestinale) Tuberkulose
ZNS-Tuberkulose
renale Tuberkulose
spinale Tuberkulose, tuberkulöse Osteomyelitis
genitale Tuberkulose
die rechtzeitige Chemotherapie ist im Allgemeinen kurativ (Resistenzen!)
Tuberkulose kann von der schwangeren Mutter auf den Fötus über die
Nabelschnur übertragen werden (Schwangere behandeln!)
die ZNS-Tuberkulose (Meningitis) ist die gefährlichste Form (hohe Letalität)
viele Symptome der Tuberkulose können missinterpretiert werden
seltene Manifestationen werden oft nicht bedacht (z.B. genitale Form)
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2015;9(1):16-36
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Neue Arzneimittel 2014 – Bedaquilin und Delamanid
Tuberkulose
Symptomatik bei aktiver Tuberkulose
Hämoptoe (Bluthusten)
Fieber
Anorexie
weiße
Läsion
Gewichtsverlust
Abgeschlagenheit
nächtliches Schwitzen
Kurzatmigkeit
Thoraxschmerz
Lunge
Die Lungentuberkulose ist gekennzeichnet durch weiße Läsionen,
die Alveoli durch Narbengewebe ersetzen. Bei Generalisierung
(Miliartuberkulose) kann jedes Organ betroffen sein. Besonders
gefährlich ist die ZNS-Manifestation als Meningitis.
Tuberkulose
Lymphatische Tuberkulose mit ZNS-Befall
Marokkanerin, 17 J. seit 2 Mon. intermittierendes
Fieber, zunehmende Kopfschmerzen,
generalisierter Schwäche und Gewichtsverlust.
Gadolinium-MRI zeigt kreisförmige gut
abgegrenzte Tuberkulome in beiden Hemisphären,
dem Cerebellum und dem Stammhirn
Vermutlich Ausbreitung der Infektion in den Liquor
(Pfeile) sowie Ödem mit Vergrößerung der
Ventrikel (Stern).
Lungenbefund unauffällig, kein HIV, LymphknotenBiopsie zeigt typische nekrotisierende tuberkulöse
Granulome
Die tuberkulostatische Chemotherapie für 1 Jahr
führte zum Verschwinden von Symptomatik und
zerebralen Läsionen
aus NEJM 2011
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2015;9(1):16-36
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Neue Arzneimittel 2014 – Bedaquilin und Delamanid
Tuberkulose
Schema der Pharmakotherapie der Tuberkulose
bei neuen Fällen latenter, pulmonaler oder leichter
extrapulmonaler Form (nach WHO-Empfehlung)
initiale Intensivphase:
Dauer 2 Monate
Isoniazid plus
Rifampicin plus
Pyrazinamid plus
Ethambutol
anschließende Erhaltungsphase:
Dauer 4 Monate
Isoniazid plus Rifampicin
Die langsame Teilungsrate und die
Verhinderung der Permeation der
Antibiotika erfordern eine lange
Therapiedauer
Dauer 6 Monate
Isoniazid plus Ethambutol
siehe auch: Frieden TR, Lancet 2003;362:887-899
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2015;9(1):16-36
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Neue Arzneimittel 2014 – Bedaquilin und Delamanid
Tuberkulose
Antibiotika-resistente Tuberkulose
multiresistente Tuberkulose
Resistenz gegen die Hauptwirkstoffe
Isoniazid und Rifampicin
weltweit 2013 etwa 480.000 Fälle (5,3 %)
Mortalität ca. 44 %
extensiv-resistente Tuberkulose
Resistenz gegen weitere Wirkstoffe wie
Ethambutol, Pyrazinamid, Chinolone,
Aminoglykoside und Streptomycin
Die Hauptursache der Resistenz ist eine
fehlerhafte Pharmakotherapie,
beispielsweise durch Monotherapie,
Unterdosierung, zu kurze Therapiedauer
oder fehlender Compliance.
etwa 9 % der multiresistenten Fälle
http://www.who.int/tb/publications/global_report/en/
Bedaquilin (Sirturo®)
Arzneistoff
Bedaquilin (Sirturo®)
Indikation
Bei erwachsenen Patienten als
Teil einer geeigneten
Kombinationstherapie der
multiresistenten pulmonalen
Tuberkulose.
Zusatznutzen
Hersteller
Orphan-Drug, Verfahren
eingestellt*
Janssen-Cilag GmbH
*
Packungsgröße von 188 Tbl für 24 Wochen übersteigt maximal
zulässige Packungsgröße N3 für höchstens 100 Tage, daher
individueller Antrag zur Kostenerstattung nötig
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2015;9(1):16-36
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Neue Arzneimittel 2014 – Bedaquilin und Delamanid
Bedaquilin (Sirturo®)
Wirkungsmechanismus
hemmt mykobakterielle ATP-Synthase
Bedaquilin
Sequenzierung eines resistenten
Stamms von M. tuberculosis zeigte
eine Mutation des atpE-Gens
(Ala63Pro), welches für eine
Untereinheit der F0 Domäne der
mitochondrialen ATPase kodiert*
ATP Synthese ist abhängig von
einer Rotation der F0 Domäne der
mitochondrialen ATPase
Rotation ist für die Aktivierung der
F1 Domäne (ß3-Untereinheit ) und
somit die ATP-Bildung erforderlich
Bedaquilin (protonierte Form)
bindet an F0 Domäne und arretiert
die Rotation und damit die ATP
Synthese
Abb. nach:
http://www.uic.edu/classes/bios/bios100/lectf03am/ATPase.jpg
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2015;9(1):16-36
*Andries et al.: Science. 2005;307:223–227
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Neue Arzneimittel 2014 – Bedaquilin und Delamanid
Bedaquilin (Sirturo®)
Klinische Prüfung
Placebo
Bedaquilin
Start
Basismedikation
plus Placebo
Basismedikation
plus 2 Wochen
1x 400 mg/Tag
Basismedikation
plus Placebo
Basismedikation
plus 22 Wochen
3x400 mg/Tag
24 Wochen-Auswertung
Basismedikation
Basismedikation
120 Wochen-Auswertung
Studiendesign randomisiert (1:1),
Placebo-kontrolliert, doppelblind,
multizentrisch, (Phase IIb),
ITT: 160 Patienten, mITT: 132 Patienten
aus Brasilien, Indien, Lettland, Peru, den
Philippinen, Russland, Südafrika und
Thailand.
Einschlusskriterien (u.a.) neu
diagnostizierte, Sputumtest-positive,
pulmonale multiresistente Tuberkulose
Ausschlusskriterien (u.a.) HIV,
extrapulmonale Tuberkulose, QTc>450 ms,
Herzrhythmusstörungen, andere
schwerwiegende Erkrankungen, Sucht,
Schwangerschaft, Stillzeit
Basismedikation Therapie mit 5 ReserveArzneistoffen, vor allem Ethionamid,
Pyrazinamid, Ofloxacin, Kanamycin und
Cycloserin
Bedaquilin (Sirturo®)
Klinische Effektivität
Der Wechsel vom positiven zum negativen Erregernachweis im Sputum
ist ein Surrogatparameter, der allerdings von Zulassungsbehörden als
Wirkungsnachweis anerkannt ist.
Positiver Sputumtest (%)
Zeit bis zur Sputumkonversion (mITT)
Placebo plus
Basismedikation
Bedaquilin plus
Basismedikation
P<0,001
Wochen
Abb. modifiziert nach: Diacon et al., N Engl J Med 2014; 371:723-732
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2015;9(1):16-36
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Neue Arzneimittel 2014 – Bedaquilin und Delamanid
Bedaquilin (Sirturo®)
Klinische Effektivität
Nach 120 Wochen (96 Wochen ohne Bedaquilin) war die Heilungsrate in der
Bedaquilin-Gruppe gegenüber der Placebo-Gruppe nahezu verdoppelt (1,81-fach).
Analyse basierend auf WHO-Definitionen (mITT)
Effekt der Behandlung (%)
Tod
Abbruch
Therapieversager
Heilung*
Bedaquilin plus
Placebo plus
Basismedikation Basismedikation
(n=66)
(n=66)
*Therapie beendet,
mindestens 5 negative
Sputumtests in
Abständen von 30
Tagen während der
letzten 12 Monate
Therapie (verkürzt
dargestellt nach den
Leitlinien der WHO für
resistente Tuberkulose)
Abb. modifiziert nach: Diacon et al., N Engl J Med 2014; 371:723-732
Bedaquilin (Sirturo®)
Besonderheiten
Die Zulassung für Bedaquilin in Europa erfolgte unter besonderen
Bedingungen:
• Während der klinischen Prüfung traten unter Bedaquilin ungeklärte
Todesfälle sowie eine QT-Verlängerung auf, obwohl für die FDA ein
direkter Zusammenhang eher unwahrscheinlich erscheint (Cox E,
Laessig C. NEJM 2014;371:689-691)
• Die Zulassung erfolgte ohne eine Phase III Studie, deren
Durchführung die Zulassungsbehörden an die Zulassung geknüpft
haben. Die Ergebnisse werden jedoch frühestens 2018 erwartet
(ClinicalTrials.gov Identifier: NCT02333799)
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2015;9(1):16-36
30
Neue Arzneimittel 2014 – Bedaquilin und Delamanid
Bedaquilin (Sirturo®)
Nebenwirkungen
Die häufigsten Nebenwirkungen (> 10%) während der Behandlung mit Bedaquilin
in den kontrollierten Studien waren (Bedaquilin Gruppe vs. Placebogruppe)
•
Nausea (35,3% vs. 25,7%)
•
Arthralgien (29,4% vs. 20,0%),
•
Kopfschmerzen (23,5% vs. 11,4%),
•
Erbrechen (20,6% vs. 22,9%) und
•
Schwindel (12,7% vs. 11,4%)
Häufige unerwünschte Wirkungen (> 1% und < 10%):
•
verlängertes QT-Intervall (im EKG)
•
Diarrhoe
•
erhöhte Transaminasen (erhöhte AST, erhöhte ALT, erhöhte Leberenzymaktivität und
anomale Leberfunktion)
•
Myalgie
ABDA-Datenbank, Januar 2015
Bedaquilin (Sirturo®)
Kontraindikationen
Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen
Bestandteile
Auch aufgrund der QTc-Verlängerung existieren zahlreiche Warnhinweise
bzw. Vorsichtsmaßnahmen!
ABDA-Datenbank, Januar 2015
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2015;9(1):16-36
31
Neue Arzneimittel 2014 – Bedaquilin und Delamanid
Bedaquilin (Sirturo®)
Fazit
Bedaquilin ist ein Arzneistoff zur Behandlung der (bislang noch) seltenen
multiresistenten Tuberkulose, die durch eine Resistenz gegen Isoniazid und
Rifampicin gekennzeichnet ist und eine Mortalität von ca. 44 % aufweist.
Bedaquilin wirkt über einen neuen Mechanismus. Es bindet an die F0 Untereinheit
der ATP-Synthase und hemmt die mykobakterielle ATP-Synthase. Nach den
bisherigen klinischen Prüfungen bewirkt Bedaquilin als „add-on“ zu einer
Basismedikation eine deutlich raschere Sputumkonversion und eine Steigerung
der Heilungsrate nach WHO Kriterien von 32 % auf 58 %. Die Zulassung ist
vorläufig, weil bislang keine Phase III Studie vorliegt.
Sehr häufige Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen, Schwindel, Nausea,
Erbrechen und Arthralgie. Bedaquilin kann eine Verlängerung der QTc Zeit
auslösen und interagiert daher mit vielen Arzneistoffen und Erkrankungen, die
den gleichen Effekt aufweisen (Vorsichtsmaßnahmen bzw. Überwachung
erforderlich).
Delamanid (Deltyba®)
Arzneistoff
Delamanid (Deltyba®)
Indikation
Im Rahmen einer geeigneten
Kombinationsbehandlung für
multiresistente
Lungentuberkulose (MDR-TB)
bei erwachsenen Patienten.
Zusatznutzen
Hersteller
Orphan-Drug, wurde freigestellt
Otsuka Novel Products GmbH
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2015;9(1):16-36
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Neue Arzneimittel 2014 – Bedaquilin und Delamanid
Delamanid (Deltyba®)
Wirkungsmechanismus
hemmt die Synthese der Methoxy- und Ketomykolsäure (Zellwand)
Oberflächen- transmembranäre
proteine
Proteine
Acyl-Lipide
Mykolsäuren
Arabinogalactan
Lipoarabinomannan
„Die pharmakologische
Wirkung von Delamanid
umfasst die Hemmung der
Synthese der Zellwandkomponenten Methoxyund Keto-Mykolsäure. Die
identifizierten DelamanidMetaboliten besitzen keine
antimykobakterielle
Aktivität“*
Peptidoglycan
Zytoplasmamembran
Der exakte Mechanismus,
d.h. auf welche Weise die
Hemmung ausgelöst wird,
ist nicht bekannt.
PLoS Med. 2006 Nov;3(11):e466
Abb. aus: https://pharmchem.ucsf.edu/research/chembio/drug-targeting
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2015;9(1):16-36
*Fachinfo Deltyba, Stand 07/2014
33
Neue Arzneimittel 2014 – Bedaquilin und Delamanid
Delamanid (Deltyba®)
Klinische Prüfung
Placebo
Delamanid Delamanid
ITT: 481 Patienten mITT: 402 Patienten
aus den Philippinen, Lettland, Estland,
Peru, China, Japan, Korea, Ägypten, USA
Basismedikation
plus
Placebo
plus
2x100 mg
2x/Tag
Studiendesign randomisiert (1:1:1),
Placebo-kontrolliert, doppelblind,
multizentrisch, (Phase IIb),
plus
2x50 mg
2x/Tag
Behandlung für 57 Tage
Auswertung
Einschlusskriterien (u.a.) neu
diagnostizierte, Sputumtest-positive,
pulmonale multiresistente Tuberkulose
Ausschlusskriterien (u.a.) HIV,
extrapulmonale Tuberkulose, QTc>450 ms,
Herzrhythmusstörungen, andere
schwerwiegende Erkrankungen, Sucht,
Schwangerschaft, Stillzeit, Behandlung mit
Moxifloxacin
Basismedikation Therapie mit 5
Arzneistoffen, vor allem Cycloserin,
Ethambutol, Pyrazinamid, Prothionamid,
Kanamycin und Levofloxacin,
Gler et al., N Engl J Med 2012; 366:2151-60
Delamanid (Deltyba®)
Klinische Effektivität
Sputumkonversion nach 57 Tagen
Behandlung mit Delamanid im
Vergleich zu Placebo
(primärer Endpunkt)
Patienten (%)
Test in Flüssigmedium
Bei beiden Dosierungen von Delamanid
zeigte sich eine bessere Sputumkonversion
gegenüber Placebo.
Placebo
zweimal täglich
100 mg
zweimal täglich
200 mg
Delamanid
Test auf festem Medium
Dennoch lehnte die EMA zunächst die
Zulassung ab, u.a. wegen der kurzen
Behandlungsdauer und Inkonsistenzen bei
den Ergebnissen, z.B. je nach
Messmethode.
Patienten (%)
Placebo
zweimal täglich
100 mg*
Der Effekt ließ sich unabhängig von der
Messmethode zeigen (flüssiges Medium
oder festes Ei-basiertes LöwensteinJensen-Medium).
zweimal täglich
200 mg
Delamanid
Nach Vorlage weiterer Daten, die nach 6
Monaten zu 91 % eine Konstanz mit den
initialen Daten zeigten, erfolgte die
Zulassung (siehe EPAR Deltyba® vom
5.12.2013).
Abb. modifiziert nach: Gler et al., N Engl J Med 2012; 366:2151-60
*empfohlene Dosierung zweimal täglich 2x50 mg
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2015;9(1):16-36
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Neue Arzneimittel 2014 – Bedaquilin und Delamanid
Delamanid (Deltyba®)
Nebenwirkungen
Die am häufigsten beobachteten Nebenwirkungen bei Patienten, die mit Delamanid
behandelt wurden (d. h. Inzidenz > 10 %), sind Übelkeit (38,3 %), Erbrechen (33 %),
Schwindel (30,2 %).
Sehr häufige unerwünschte Wirkungen (> 10%):
Retikulozytose, Hypokaliämie, Appetitlosigkeit, Hyperurikämie, Schlaflosigkeit,
Schwindel, Kopfschmerzen, Parästhesie, Tremor, Tinnitus, Herzklopfen, Hämoptysis,
Erbrechen, Durchfall, Übelkeit, Oberbauchschmerzen, Arthralgie, Myalgie, Asthenie, QTZeit im EKG verlängert
Häufige unerwünschte Wirkungen (> 1% und < 10%):
Anämie, Eosinophilie, Hypertriglyceridämie, psychotische Störung, Erregung, Angst und
Angststörung, Depressionen und depressive Stimmung, Unruhe, periphere Neuropathie,
Somnolenz, Hypästhesie, trockenes Auge, Photophobie, Ohrenschmerzen, Hypertonie,
Hypotonie, Hämatome, Hitzewallungen, Dyspnoe, Husten, oropharyngeale Schmerzen,
Rachenreizung, trockener Rachen, Rhinorrhoe, Gastritis, Obstipation, Bauchschmerz,
Unterbauchschmerzen, Dyspepsie, abdominale Beschwerden, Dermatitis, Urtikaria,
juckender Hautausschlag, Juckreiz, makulopapulöser Hautausschlag, Hautausschlag,
Akne, Hyperhidrose, Osteochondrose, Muskelschwäche, Muskel- und Skelettschmerzen,
Flankenschmerz, Gliederschmerzen, Hämaturie, Pyrexie, Brustschmerzen, Unwohlsein,
Beschwerden im Brustkorb, periphere Ödeme, Zunahme der Cortisolspiegel im Blut
siehe: www.pharmazie.com, Deltyba
Delamanid (Deltyba®)
Besonderheiten
Die Zulassung für Delamanid in Europa erfolgte unter besonderen
Bedingungen:
• Während der klinischen Prüfung traten unter Delamanid QTVerlängerung auf, die bei den unklaren Ergebnissen hinsichtlich der
Dosisabhängigkeit dieses Effektes keine adäquate Einschätzung der
Nutzen-Risiko-Relation ermöglicht.
• Die Zulassung erfolgte ohne eine Phase III Studie, deren
Durchführung die Zulassungsbehörden an die Zulassung geknüpft
haben. Derzeit ist die Durchführung von 2 Studien über 6 Monate
geplant (ClinicalTrials.gov Identifiers: NCT01424670, NCT01859923)
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2015;9(1):16-36
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Neue Arzneimittel 2014 – Bedaquilin und Delamanid
Delamanid (Deltyba®)
Kontraindikationen
Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen
Bestandteile, Serum-Albumin < 2,8 g/dl, Einnahme von Arzneimitteln, die
starke Induktoren von CYP3A (z. B. Carbamazepin) sind
Auch aufgrund der QTc-Verlängerung existieren zahlreiche Warnhinweise
bzw. Vorsichtsmaßnahmen!
siehe: www.pharmazie.com, Deltyba
Delamanid (Deltyba®)
Fazit
Delamanid ist ein Arzneistoff zur Behandlung der (bislang noch) seltenen
multiresistenten Tuberkulose, die durch eine Resistenz gegen Isoniazid und
Rifampicin gekennzeichnet ist und eine Mortalität von ca. 44 % aufweist.
Delamanid wirkt über einen neuen Mechanismus. Es hemmt die Synthese der
Methoxy- und Ketomykolsäure und bewirkt auf diese Weise für die Mycobakterien
tödliche Schäden der Zellwand. Nach den bisherigen klinischen Prüfungen bewirkt
Delamanid als „add-on“ zu einer Basismedikation eine Steigerung der
Sputumkonversion bzw. eine Reduktion der Erregerzahl auf ein nicht mehr
nachweisbares Niveau. Die Zulassung ist vorläufig, weil bislang keine Phase III
Studie vorliegt.
Die häufigsten Nebenwirkungen sind Übelkeit, Erbrechen und Schwindel.
Delamanid kann eine Verlängerung der QTc Zeit auslösen und interagiert daher
mit vielen Arzneistoffen und Erkrankungen, die den gleichen Effekt aufweisen
(Vorsichtsmaßnahmen bzw. Überwachung erforderlich).
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2015;9(1):16-36
Neue Arzneimittel 2014 – Bedaquilin und Delamanid
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Hinweise
1) Die Bezeichnung Zusatznutzen bezieht sich auf das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarkts (AMNOG), wonach der G-BA eine Nutzenbewertung neu zugelassener
Arzneimittel nach § 35 a SGB V durchführt.
2) Die Informationen zu den Arzneimitteln sind verkürzt dargestellt. Ausführlichere
Informationen finden besonders interessierte Leser unter Weblink 1 und Weblink 2.
3) Eine vollständige Liste der im Jahr 2014 zugelassen Arzneistoffe mit Indikationen und
und Zusatznutzen bei dieser Indikation ist unter folgendem Link erhältlich:
http://www.uni-duesseldorf.de/kojda-pharmalehrbuch/fortbildungkoeln/index.html
Weblinks
1) wissenschaftliche Diskussion der Arzneistoffdaten einschließlich Nutzen-Risiko Einschätzung in den European
Public Assessment Reports (EPARs,) der Zulassungsbehörde European Medicinal Agency (EMA), verzeichnet
nach Handelsnamen, abgelegt unter Assessment History (nur in englischer Sprache)
http://www.ema.europa.eu/ema/index.jsp?curl=pages/medicines/landing/epar_search.jsp&murl=menus/medicines/medicines.jsp&mid=WC0b01ac058001d125&jsenabled=true
2) Webseiten des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) mit einer Übersicht der Arzneimittel mit neuen
Wirkstoffen, für die der G-BA eine Nutzenbewertung nach § 35a SGB V durchführt oder bereits abgeschlossen
hat. Dort sind die Gutachten des IQWiG sowie die tragenden Gründe der Beschlüsse einsehbar.
http://www.g-ba.de/informationen/nutzenbewertung/
Literatur
Zitate zu Leitlinien, Phase III-Studien und anderer verwendeter Literatur sind - soweit
nicht aufgeführt - auf Nachfrage beim Autor erhältlich
Impressum:
http://www.uni-duesseldorf.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/impressum.html
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2015;9(1):16-36
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