Prof. Dr. Thomas Wolff Physikalische Chemie "Physikalische

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Prof. Dr. Thomas Wolff
Physikalische Chemie
"Physikalische Chemie für Verfahrenstechniker (Fernstudium)“
WS 2012/2013
Sammlung von Fundamentalkonstanten
2
Kap. 1:
3
Einleitung
Was ist Physikalische Chemie
Begriffe
Zustandsgrößen
Kap. 2:
Gase
11
Gasgesetze
Temperaturbegriff
kinetische Gastheorie
Stoßfrequenzen, Adsorption
Kap. 3:
Thermodynamik (phänomenologisch)
Innere Energie und Enthalpie - 1. Hauptsatz
2. Hauptsatz und Entropie
Phasenumwandlungen, Phasendiagramme
Trennprozesse
Kolligative Prozesse
Mehrkomponentensysteme
22
Kap. 4:
Kinetik
41
Reaktionsgeschwindigkeit
Reaktionsordnung
Reaktionsmechanismus
Aktivierungsenergie
Katalyse
Kap. 5:
Chemisches Gleichgewicht
Massenwirkungsgesetz
Gleichgewichtskonstante und freie Reaktionsenthalpie
46
Kap. 6:
Elektrochemie
53
Leitfähigkeit
Elektrische Doppelschicht
Elektromotorische Kraft und freie Reaktionsenthalpie
Spannungsreihe
pH-Elektrode
Elektrodenkinetik
Anhang
66
2
Sammlung von Fundamentalkonstanten
Atommasseneinheit
Avogadro-Konstante
Bohr-Magneton
Boltzmann-Konstante
Elektrische Feldkonstante
Elektronenmasse
Elementarladung
Erdbeschleunigung
Faraday-Konstante
Gaskonstante
Gravitationskonstante
Kern-Magneton
Lichtgeschwindigkeit
Magnetische Feldkonstante
Planck-Konstante
Protonenmasse
u = L-1 g/mol = NA-1 g/mol = 1,6605655·10-27 kg
NA = 6,022045·1023 mol-1 (= Loschmidt-Zahl L)
µB = eh/(4πme) = 9,274078·10-24 J/Tesla
kB = 1,380662·10-23 J/K
ε0 = 8,85418782·10-12 A2s2/(Jm)
me = 9,109534·10-31 kg
e =1,6021892·10-19 As = 1,6021892·10-19 C
g = 9,81 m/s2 (Mittelwert)
FF = L·e = 96484,56 As/mol
R = L·kB = 8,314472 J/(mol K)
G = 6,6720·10-11 m3/(kgs2)
µK = eh/(4πmp) = 5,050824·10-27 J/Tesla
c = 2,99792458·108 m/s (im Vakuum)
µ0 = 4π·10-7 Vs/(Am)
h = 6,626176·10-34 Js
mp = 1,6726485·10-27 kg
Diese Konstanten werden nicht alle für dieses Vorlesungsscript benötigt.
Im Allgemeinen reicht es aus, mit 4-5 Dezimalstellen zu rechnen.
3
Kapitel 1: Einleitung
1.1
Was ist Physikalische Chemie?
Die chemische Reaktionsgleichung liefert qualitative Informationen darüber, welche Produkte
aus welchen Edukten entstehen. Darüber hinaus wird quantitativ ausgesagt, wieviel Moleküle der
verschiedenen Edukte nötig sind, um die Produktmoleküle in festgelegter Anzahl zu bilden und
aus welchen Atomen in welcher Anzahl die beteiligten Moleküle bestehen.
Beispiel:
N2 + 3 H2 → 2 NH3
Dies ist eine Reaktion in der Gasphase, die auch in umgekehrter Richtung ablaufen kann. Fragen,
die die Physikalische Chemie hierzu beantworten kann, sind folgende:
Wann und warum läuft diese Reaktion überhaupt ab (→Kap. 3, Kap. 6)?
Wie schnell läuft die Reaktion ab (→ Kap. 4)?
Wieviel wird in welche Richtung umgesetzt (Kap. 5)?
Wie ändern sich Druck und Volumen bei der Reaktion (→ Kap. 2, Kap. 5)?
Wird Energie verbraucht oder frei? Muss eventuell gekühlt werden (→ Kap. 3)?
Reaktionen in flüssiger oder fester Phase oder Reaktionen an Phasengrenzen bzw. phasenübergreifende Reaktionen werfen weitere Fragen auf, die im Kap. 6 angesprochen werden:
Werden bei einer Reaktion neben Stoffen auch elektrische Ladungen umgesetzt?
Wie und wie schnell werden Ladungen transportiert, ggf. durch Phasengrenzen hindurch?
Wieviel chemische oder elektrische Energie kann erzeugt bzw. gespeichert werden?
Zur Vor- bzw. Nachbereitung der Vorlesung wird der Gebrauch von umfassenden Lehrbüchern
der Physikalischen Chemie empfohlen, z.B. G. Wedler, "Lehrbuch der Physikalischen Chemie",
oder P. W. Atkins, "Physikalische Chemie", beide Wiley-VCH, Weinheim. Die Empfehlung ist
eine solche, d.h. es können auch andere Lehrbücher benutzt werden. Es wird angeraten, in verschiedene Lehrbücher hineinzuschauen und sich für dasjenige zu entscheiden, dessen Darstellungen man am besten versteht.
1.2
Notwendige Mathematik
Für die Vorlesung werden die Differentiation, das Differential und die Integration benötigt. Einiges zur Differentiation und zum Differential:
1) Funktion einer Variablen: y = f(x)
dy
y´;
: Ableitung oder Differentialquotient
dx
d2 y
y´´;
: 2. Ableitung oder 2. Differentialquotient
dx 2
2) Funktion von 2 Variablen: z = f(x, y)
2
2
 ∂z   ∂z   ∂ z   ∂ z 
  ,   ,  2  ,  2  sind partielle Differentialquotienten.
 ∂x  y  ∂y  x  ∂x  y  ∂y  x
4
Der Index stellt die konstant gehaltene Größe dar, der Index wird oft weggelassen.
∂  ∂z 
∂2z
  wird hier als
bezeichnet (gemischte zweite Ableitung). Die Reihenfolge der Dif∂x  ∂y 
∂x ∂y
ferentiale im Nenner findet man jedoch auch umgedreht, dieses ist auch i.a. unwichtig wegen des
Satzes von Schwarz (siehe weiter unten).
Der Ausdruck
 ∂z 
 ∂z 
dz =   dx +   dy
 ∂x  y
 ∂y  x
wird als totales Differential bezeichnet. Es beschreibt die Änderung von z, wenn sowohl x als
auch y geändert werden.
Einige Beispiele:
1) Das totale Differential von h = u + pv als Funktion von p und v ist
 ∂ ( pv ) 
 ∂ ( pv ) 
dh = du + 
 dp + 
 dv = du + v dp + pdv
 ∂v  p
 ∂p  v
2) dz = y2 dx + 2xy dx ist ein totales Differential, da
 ∂

∂

y 2 =  y 2 x  und 2 xy =  y 2 x 
 ∂x
y
 ∂y
x
3) dz = y dx – x dy ist kein totales Differential, da
 ∂

∂

y =  yx  aber − x ≠  yx 
 ∂x  y
 ∂y  x
Ein allgemeines Verfahren zur Feststellung, ob ein totales Differential vorliegt, ist das folgende:
dz = P dx + Q dy ist dann ein totales Differential, wenn
 ∂P 
 ∂Q 
  = 

 ∂y  x  ∂x  y
gilt. Nachweis: Damit ein totales Differential vorliegt, muss gelten:
 ∂z 
 ∂z 
P =   und Q =  
 ∂x  y
 ∂y  x
Durch partielle Differentiation folgt
 ∂P 
∂2z
∂2z
 ∂Q 
  =
; 
 =
 ∂x  y ∂x ∂y
 ∂y  x ∂y ∂x
Der Schwarzsche Satz sagt nun, dass
∂2 z
∂2z
=
∂y ∂x ∂x ∂y
unter sehr allgemeinen Bedingungen gilt.
Weitere wichtige Beziehungen folgen aus dem totalen Differential von z mit z = const.
 ∂z 
 ∂z 
0 =   dx +   dy
 ∂x  y
 ∂y  x
oder
5
 ∂z 
 
 ∂x  y
 ∂y 
  =−
 ∂z 
 ∂x  z
 
 ∂y  x
Weiterhin gilt
 ∂z 
 ∂x 
  =1  
 ∂x  y
 ∂z  y
so dass die vorige Gleichung auch wie folgt geschrieben werden kann:
 ∂z   ∂y   ∂x 
      = −1
 ∂y  x  ∂x  z  ∂z  y
Als letzte Gleichung noch ein Analogon zur Kettenregel: Es möge drei Variable geben, die über
eine Gleichung miteinander verknüpft sind (z.B. p, v, T und die Gasgleichung). Dann kann die
Ableitung einer Funktion nach einer Variablen durch eine andere Ableitung wie folgt geschrieben werden:
 ∂F 
 ∂F   ∂z 

 =
  
 ∂x  y  ∂z  y  ∂x  y
Ein Beispiel dazu: Es soll (∂pV/∂T)p bestimmt werden, und (∂pV/∂V)p sei bekannt. Es gilt
 ∂pV 
 ∂pV   ∂V 
 =
 


 ∂T  p  ∂V  p  ∂T  p
(∂pV/∂T)p wird mit Hilfe einer Gasgleichung berechnet. Für ein ideales Gas ergeben die linke
und rechte Seite jeweils R.
1.3
Begriffe
Um Missverständnisse zu vermeiden, müssen zunächst einige Begriffe erläutert werden, die im
täglichen Sprachgebrauch nicht vorkommen oder eine andere, evtl. weniger scharfe Bedeutung
haben.
Unter Phase versteht man einen Bereich (z.B. einen Volumenausschnitt), in dem sich keine physikalische Größe sprunghaft ändert (z. B. Dichte oder Leitfähigkeit).
Ein System ist das, was untersucht wird, im Unterschied zu der Umgebung des Systems; von der
Umgebung ist das System durch eine Wand getrennt, die Wechselwirkungen zulässt oder ausschließt.
Hierbei unterscheidet man isolierte Systeme, die keine Wechselwirkung (z.B. Wärme oder Materieaustausch) mit der Umgebung zulassen. Weiterhin gibt es geschlossene Systeme, die zwar
keinen Materieaustausch, jedoch Energiezufuhr oder -abfuhr ermöglichen. Schließlich spricht
man von einem offenen System, wenn zusätzlich auch der Austausch von Materie erlaubt ist.
Messbaren Eigenschaften der Systeme (z.B. Volumen v, Masse m, Temperatur T) können Zahlenwerte zugeordnet werden. Diese sind dann Messwerte oder Größen, d.h. Produkte aus Zahlenwert und Einheit. (In der Regel wird in der Physikalischen Chemie das SI-Einheitensystem
verwendet). Häufig gibt es mehrere Einheiten gleicher Dimension, z.B. 0,5 dm3 = 0,5 l = 500
cm3. Die gemeinsame Dimension ist Länge3.
6
Die messbaren Eigenschaften eines Systems heißen Zustandsgrößen, ein wichtiger und deshalb
genauer zu betrachtender Begriff (→ Kap. 2).
Als Prozess bezeichnet man das Durchlaufen von
vorgegebenen Wegen bei kontinuierlicher (d.h.
durch unendlich viele Zwischenstufen verlaufender,
reversibler) Änderung des Zustands. Die Zustandsänderung ist dabei vollkommen festgelegt
durch die Angabe des Anfangszustands und des
Endzustands. Ein Kreisprozess ist eine Zustandsänderung mit identischem Anfangs- und Endzustand.
Prozesse können bei konstanter Temperatur (isotherm), bei konstanten Druck (isobar) oder bei konstantem Volumen (isochor; von ισjς = gleich und
χορωδία = Volumen, Fülle) ablaufen, und lassen sich dann (zunächst für ideale Gase) in p-v, v-T
bzw. p-T-Diagrammen darstellen.
Derartige Zustandsänderungen werden durch Koeffizienten charakterisiert:
Der isobare Prozess durch den thermischen Ausdehnungskoeffizienten α
1  ∂v 

v  ∂T  p
α= 
(1-1),
der isotherme Prozess durch die Kompressibilität χ
1  ∂v 

v  ∂p  T
χ = − 
(1-2),
und der isochore Prozess durch den Spannungskoeffizienten β
β=
1  ∂p 


p  ∂T v
(1-3)
(α, β, χ alle bei dn = 0: geschlossenes System!).
Prozesse können zudem adiabatisch, d.h. wärmeisoliert (s. Kap 3.1), durchgeführt werden.
7
1.4
Zustandsgrößen (Definition, Einheiten, Symbole)
Man unterscheidet extensive und intensive Zustandsgrößen1.
Extensiv:
Proportional zur Masse m
Beispiele: Volumen v, Energieinhalt eines Systems,
Stoffmenge n = m/M
(M: molare Masse)
Intensiv:
Funktionen der Raumkoordinaten,
z.B. Druck in verschiedenen Höhen,
r
r
r
p (r ) , Temperatur T (r ) , Dichte ρ (r )
Intensive Größen erhält man durch Division von extensiven, z.B. V = v/n (molares Volumen), ρ
= m/v (Dichte), c = n/v (Konzentration).
Extensive Größen erhält man durch Integration von intensiven, z.B. m = ∫ρ dv.
Zur Betrachtung eines Systems muss man intensive Zustandsgrößen konstant halten. Das kann
relativ einfach sein z.B. bei der Temperatur in gut gerührten Systemen oder beim Druck in einem
Reaktionsgefäß unter Umgebungsdruck. Schwierig kann es werden und nur näherungsweise gelingt es, das Erdmagnetfeld oder die Schwerkraft konstant zu halten (Druck in einem Reaktionsgefäß ist unten größer).
Zustandsgrößen sind oft voneinander abhängig, z.B. hängt der Zustand eines idealen Gases (→
Kap. 2) von n, v, p, und T ab: Jede Zustandsgröße ist nach Angabe der drei anderen festgelegt. In
einem geschlossenen System ist n konstant, d.h. v = f(p,T). Die Ableitung ist daher aus zwei partiellen Ableitungen zusammengesetzt:
dv = (∂v/d∂p)Tdp + (∂v/∂T)pdT
=
X
dp + Y
dT
(1-4)
(1-5)
dv ist ein totales Differential mit der Eigenschaft
∂ 2v
∂ 2v
∂X ∂Y
=
=
bzw.
(1-6)
∂p∂T ∂T∂p
∂T ∂p
Diese Eigenschaft des totalen Integrals ist charakteristisch für eine Zustandsfunktion und kann
deshalb zur Unterscheidung einer Zustandsgröße von einer anderen Größe herangezogen werden.
Dies wird an Hand der Gleichung für ideale Gase (→ Kap. 2) gezeigt:
pv = nRT; v = nRT/p
R ist eine Konstante, n wird konstant gehalten (geschlossenes System)
dv = (∂v/∂p)Tdp + (∂v/∂T)pdT
1
(1-7)
(1-4)
Größen, die extensiv und intensiv auftreten, werden in diesem Text mit Kleinbuchstaben
(extensiv, z.B. v) und Großbuchstaben (intensiv, z.B. V = v/n) unterschieden (mit einigen
Ausnahmen, z.B. chemisches Potenzial µ). In Lehrbüchern wird das teilweise anders gemacht,
wobei andere Ausnahmen auftreten.
8
=
X
dp +
X = –nRT/p2;
Y
dT
Y = nR/p
∂X
nR
dT = − 2
∂T
p
;
∂Y
nR
dp = − 2
∂p
p
(1-5)
(1-8)
(1-9)
Die gemischten zweiten Ableitungen sind also gleich, d.h. es gilt unabhängig von Integrationsweg
2
(1-10)
∫ dv = v 2 − v1
1
oder: Eine Zustandsänderung von einem Zustand 1 zu einem Zustand 2 führt unabhängig
von dem Prozess, der zu der Zustandsänderung geführt hat, immer zu derselben Differenz
von Zustandsgrößen.
Die Arbeit a ist keine Zustandsgröße. Ihre physikalische Definition ist
da = –K ds
(1-11),
(K: Kraft, s: Weg) erweitert mit der Kolbenfläche F
Fda = –KFds
(1-12).
Nun ist Fds = dv, so dass
da = –KF–1dv.
In einem Versuchsaufbau gemäß nebenstehender Skizze entspricht da
der Volumenarbeit pdv.
  ∂v 

 ∂v 
da = − pdv = − p  dp + − p
 dT 
 ∂p  T
  ∂T  p 
da =
(1-13)
–X dp – Y dT
nRT
RT
nR
;
Y = −p
= −nR
(1-14),
=n
2
p
p
p
∂X nR
∂Y
∂X
=
;
=0≠
(1-15).
∂p
∂T
p
∂T
Somit sind die gemischten zweiten Ableitungen nicht gleich, a ist entsprechend keine Zustandsfunktion. Das Integral über da ist abhängig vom Integrationsweg, d.h. in der Chemie: von der
Prozessführung. Größen wie a werden Prozessgrößen genannt.
X = +p
9
Einheiten
Im Rahmen der Lehrveranstaltung werden weitgehend mit SI-Einheiten (systeme internationale
d’unites) benutzt. Das Einheitensystem arbeitet mit Einheiten der Basisgrößen
Länge:
m;
Stromstärke: A;
Masse:
kg;
Temperatur: K;
Zeit:
s;
Stoffmenge: mol.
(Lichtstärke cd)
Daneben gibt es davon abgeleitete Größen
Kraft
N = kg m/s2
Druck:
Pa = N/m2;
Energie:
J = Nm = Ws (früher 1 cal = 4,184 J)
J kgm 2
Leistung:
W= = 3
s
s
V kg m
Feldstärke
=
m s3A
kg m 2
Spannung
V= 3
sA
Ladung
C = As
Konventionen in den meisten modernen Lehrbüchern und Journalen
kursiv gesetzt werden Symbole,
steil gesetzt werden Zahlen, Einheiten, Operatoren, Indices (sofern nicht selbst Symbole)
Beispiele:
Masse m = 1,67 g; Volumen v = 2,1 m3; molares Volumen V = 22,24 dm3/mol,
Zahl e; dy/dx; exp(-EA/RT); m1, m2 KZ (aber qv: Wärme bei konstantem Volumen).
Die Symbole selbst sind oft unterschiedlich, z.B. in der Vorlesung Kraft K, oft aber Kraft F
(force). Symbole müssen deshalb beim ersten Gebrauch definiert werden. Mehrfachverwendungen sind in größeren Abhandlungen nicht zu vermeiden, da es mehr Größen als Buchstaben gibt,
auch einschließlich des griechischen Alphabets.
Griechische Buchstaben
Buchstabe
groß_ klein
Α
α
B
β
Γ
γ
∆
δ
Ε
ε
Ζ
ζ
Η
η
Θ
θ ,h
Ι
ι
Κ
κ
Λ
λ
Μ
µ
Ν
v
Ξ
ξ
Ο
ο
Name
Alpha
Beta
Gamma
Delta
Epsilon
Zeta
Eta
Theta
Iota
Kappa
Lambda
My
Ny
Xi
Omikron
Aussprache
altgriechisch
neugriechisch
a
a
b
w
g
g
d
th (weich)
e
e
ds
ds
ä
i
t (th)
th (hart)
i
i
k
k
l
l
m
m
n
n
ks
ks
o
o
10
Π
Ρ
Σ
T
Υ
Φ
Χ
Ψ
Ω
Pi
Rho
Sigma
Tau
Ypsilon
Phi
Chi
Psi
Omega
π
ρ,k
σ ,ς *
τ
υ
φ,n
χ
ψ
ω
p
r
s
t
ü
f
ch
ps
oh
p
r
s
t
i
f
ch
ps
oh
ai
eï
eu
au
u
ai
i
ef
af
u
*am Wortende
zusammengesetzte Vokale
αι
ει
ευ
αυ
oυ
angehauchte Vokale
© º Ê ß Ò ñ ...
ha he hä hi hü ho hoo hai ...
Umrechnungsmatrix für Konzentrationsangaben in binären Lösungen (Index 1 für Lösemittel, 2
für Gelöstes):
Massenanteile
Konzentrationen (Molaritäten)
g2 = m2 / Σm
c2 = n2 / v
Mengenanteile (Molenbrüche)
Molalitäten
x2 = n2 / Σn
b2 = n2 / m1
Dichte einer Lösung
molare Masse
ρ=
Mi = mi / ni
(in g/cm3 oder kg/dm3)
(in kg/mol)
mittlere molare Masse
Mm = Σmi / Σni
(in kg/mol)
(in mol/dm3)
(dimensionslos)
(in mol/kg)
Σmi / v
g2
c2
x2
b2
g2
g2
M2c2 / ρ
M2x2 / [M1 + (M2 – M1) x2]
M2b2 / (1 + M2b2 )
c2
ρ g2 / M2
c2
ρ x2 / Mm
ρb2 / (1 + M2b2 )
x2
M1g2 / [M1g2 +
M2 (1–g2)]
Mm c2 / ρ
x2
M1b2 / (1 + M1b2 )
b2
g2 / [M2 (1–g2)]
c2 / (ρ – M2c2)
x2 / [M1 (1–x2)]
b2
11
Kapitel 2:
Gase
2.1
Gasgesetze
2.1.1 Ideales Gasgesetz (Gesetz für ideale Gase)
Gasteilchen (Atome oder Moleküle) mögen sich in einem Gefäß ungeordnet bewegen. Die Folge
sind Zusammenstöße der Teilchen (wobei sie Impulse übertragen, d.h ihre Richtung und Eigengeschwindigkeit ändern) aber auch Stöße gegen die Wand. Dabei werden Kräfte auf die Wand
übertragen, welche als Druck (in der Einheit N/m2 = Pa) messbar sind, welcher eine adäquate
Größe zur Beschreibung des Zustands ist. Das Ziel der nachfolgenden Betrachtung ist Angabe
des Drucks als Funktion der anderen Zustandsvariablen Temperatur, Volumen und Stoffmenge
[p = f(T,v,n)], auch thermische Zustandsgleichung genannt.
Um 1670 bereits fanden Boyle und Mariotte den Zusammenhang zwischen p und v bei konstanter Temperatur und Stoffmenge, der im Diagramm für den isothermen Prozess (→ Kap. 1) dargestellt ist: p ~ 1/v oder das Produkt aus Druck und Volumen ist konstant.
Um 1802 untersuchte Gay-Lussac den Zusammenhang zwischen v
und T. Das Ergebnis ist in nebenstehendem Diagramm wiedergegeben. Gefunden wurde ein linearer Zusammenhang der Form
v = v0 (1+αT/°C).
(2-1)
Hierbei tritt der thermische Ausdehnungskoeffizient α als Steigung
auf.
Verlängert man die Gerade zu niedrigeren Temperaturen, so wird
ein Schnittpunkt mit der Temperaturachse bei –273,15 °C erreicht.
Dieser Schnittpunkt definiert den absoluten Nullpunkt und ermöglicht eine neue, ausschließlich
positive Temperaturskala in der Einheit K (Kelvin). –273,15 °C = 0 K entsprechen v = 0, was für
ein reales Gas wegen des Eigenvolumens seiner Teilchen nicht möglich ist. Es wurde deshalb die Vorstellung des idealen Gases entwickelt, dessen Teilchen nicht nur kein Eigenvolumen besitzen sondern
auch keine Wechselwirkungen miteinander haben,
d.h. sie üben weder Anziehungs- noch Abstoßungskräfte aufeinander aus.
Die Zusammenfassung der Beobachtungen von BOYLE und MARIOTTE (v ~ 1/p) sowie von GAY-LUSSAC
(v ~ T) ergibt v ~ T/p. Weiterhin ist natürlich v ~ n
(nachzuvollziehen durch Vereinigung von zwei Systemen). Damit wird die thermische Zustandsgleichung (id. Gasgesetz)
pv = nRT (extensiv) oder pV = RT (intensiv)
(1-7),
wobei die Proportionalitätskonstante R = 8,314 J mol–1 K–1 Gaskonstante genannt wird. In Gleichungen mit extensiven Größen ist die BOLTZMANN-Konstante k = 1,3807 · 10-23 JK–1 zu verwenden, entsprechend der durch die LOSCHMIDT-Zahl oder AVOGADRO-Konstante (L = NA =
6,022 1023 / mol) geteilten Gaskonstante. Der Zustand eines idealen Gases ist insgesamt durch
12
die Kombination der Abbildungen auf S. 6 aus einem dreidimensionalen Diagramm ablesbar
(Abb. aus Wedlers Lehrbuch).
2.1.2 Partialdruck
Jedes Gas in einer Mischung idealer Gase übt seinen eigenen Druck auf die Wand aus. Dieser
Partialdruck pi ist gleich dem Druck, den das Gas ausüben würde, wenn es sich allein in dem
betreffenden Volumen befände. Es gilt also für die Komponenten 1,2,...i jeweils das ideale Gasgesetz ebenso wie für den Gesamtdruck p:
p1 = n1RT/v; p2 = n2RT/v
(2-1).
Für die Mischung folgt dann mit
p1 + p2 = p;
n1 + n2 = n
(2-2)
das ideale Gasgesetz p = nRT/v.
Damit lassen sich Partialdrücke berechnen:
p1
p1
=
=
p
p1 + p 2
n1 RT
v
n1 RT
v
+
n 2 RT
v
=
n1
= x1
n1 + n 2
(2-3)
wobei x1 als Mengenanteil oder Molenbruch bezeichnet wird.
Es folgt das Raoultsche Gesetz, (wird hier nicht immer so bezeichnet, vgl. Kap. 3.3.2):
p1 = x1 p
(2-4)
(s. Abbildung:)
2.2
Reale Gase
Im Unterschied zum idealen Gas haben die Teilchen eines realen Gases ein Eigenvolumen und
sie unterliegen Wechselwirkungen, d.h. sie üben Kräfte aufeinander aus. Beides führt zu Abweichungen von dem idealen Verhalten, das mit dem idealen Gasgesetz beschrieben wird. Die Abweichungen sind umso größer, je kleiner die Abstände zwischen den Teilchen sind (d.h. bei hohen Drücken) und je tiefer die Temperatur sinkt, weil sich dann das System der Kondensationstemperatur nähert.
13
Es gibt verschiedene Ansätze, das ideale Gas-Gesetz so zu modifizieren, dass auch reale Gase
richtig oder zumindest besser beschrieben werden. Die bekannteste Gleichung für reale Gase ist
die VAN-DER-WAALS-Gleichung
(p + π)(V – b) = RT
(2-5)
Hier wurde zunächst v/n = V zusammengefasst (molares Volumen). Sodann wurde durch die
Korrektur π berücksichtigt, dass der gemessene Druck p wegen der Anziehung der Teilchen
etwas kleiner ist als nach der idealen Gasgleichung zu erwarten. Weiterhin wird mit der Volumenkorrektur b das Eigenvolumen der Gasteilchen berücksichtigt.
Letztere lässt sich mit nebenstehender Abbildung verstehen, wobei
die Gasteilchen kugelförmig angenommen werden, was ein gutes
Modell für frei bewegliche Teilchen in der Gasphase ist.
Die Mittelpunkte zweier Kugeln mit dem Radius r können sich nur
bis auf den Abstand R = 2r nähern. Es ergibt sich daraus ein ausgeschlossenes Volumen für zwei Teilchen von
4 π R3 / 3 = 32 π r3 / 3
(2-6),
folglich für 1 Teilchen 16 π r3 / 3 und für 1 mol Teilchen NA × 16 π r3 / 3. NA ist die Zahl der
Teilchen, die ein Mol einer Substanz enthält (Avogadro-Konstante NA oder Loschmidtsche Zahl
L = 6,022 × 1023 / mol). Es zeigt sich, dass b = 4 (NA × 4 π r3 / 3) dem Vierfachen des Eigenvolumens eines Mols der betreffenden Teilchen entspricht. Die experimentelle Bestimmung von b
(aus der Abweichung vom idealen Verhalten) ermöglicht die Ermittlung von Molekülvolumina
in der Gasphase.
Die Druckkorrektur π wird als Kohäsionsdruck oder Binnendruck bezeichnet und ist notwendig
wegen der Kräfte, die Gasteilchen aufeinander ausüben. Die Kräfte resultieren aus Dipol-DipolWechselwirkungen oder Wechselwirkungen zwischen einem Dipol und einem induzierten Dipol,
seltener aus Dipol-Monopol-Wechselwirkungen (nur bei Ionen). Die Kräfte sind i.a. Anziehungskräfte. Selbst völlig ungeladene Teilchen ziehen sich ein wenig an (VAN-DER-WAALSKräfte), wie man daran sieht, dass auch Helium bei genügend tiefer Temperatur flüssig wird.
π muss für V→ ∞ gegen Null streben, da für V→ ∞ das ideale Gasgesetz gilt. Ein Ansatz, der
diese Bedingung erfüllen kann, ist der folgende
π = c/V + a/V2 + d/V3 +....
(2-7)
(Virialansatz). Bricht man die Reihenentwicklung nach dem zweiten Glied ab, so lautet die VANDER-WAALS-Gleichung
(p + c/V + a/V2) (V – b) = RT
(2-8)
Damit sich nun dieser Ausdruck für kleine Drücke und große Volumen (damit b vernachlässigt
werden kann) dem idealen Gasgesetz annähert, muss c = 0 sein. Es folgt die übliche Formulierung der VAN-DER-WAALS-Gleichung
(p + a/V2) (V – b) = RT
(2-9).
14
Die VAN-DER-WAALS-Konstanten a und b sind für viele Gase ermittelt worden und in Tabellenwerken zu finden (z.B. ist für CO2: a = 3,6 bar dm6 mol–2 und b = 0,043 dm3 mol –1)2.
Im p-V-Diagramm (siehe nebenstehend) sind
Abweichungen des realen vom idealen Verhalten
sechs Isothermen schematisch dargestellt. Bei tiefen
Temperaturen kondensieren reale Gase, wobei ein
Zwei-Phasen-Gebiet durchlaufen wird, in dem Gas
Flüssigkeit koexistieren und in welchem sich der
Druck als Funktion der Volumens nicht ändert. Hier
beschreibt auch die van-der-Waals-Gleichung das
Verhalten nicht mehr richtig (vielmehr treten hier
Minima und Maxima als Artefakte dieser Gleichung
auf).
2.3
für
und
Kinetische Gastheorie
2.3.1 Temperaturbegriff und mittlere Geschwindigkeit
Der allgemeine Temperaturbegriff hat sich gebildet aus dem menschlichen Gefühl für warm und
kalt sowie der Möglichkeit der Messung der Temperatur z.B. mit Hilfe der thermischen Ausdehnung. Das Ziel der folgenden Betrachtung ist die Deutung des Temperaturbegriffs auf molekularer Ebene.
Das nebenstehende Bild skizziert ein (zweidimensional gezeichnetes)
r
r
Gefäß. Darin sind die Geschwindigkeitsvektoren w1 und w2 von zwei
Teilchen eingezeichnet, die Geschwindigkeitskomponenten in xRichtung haben. Diese Komponenten entsprechen Strecken wx1dt und
wx2dt, die in der Zeit dt von den Teilchen zurückgelegt werden. Der
Behälter soll ein Volumen v haben und N Moleküle der Masse m enthalten. Daraus ergibt sich eine Molekülzahldichte Nv = N/v. Die Bewegung der Teilchen ist regellos, d.h. alle Geschwindigkeiten w und alle Richtungen sind gleichwertig. Wir betrachten zunächst die Teilmenge der Moleküle mit Geschwindigkeitskomponenten wxi in x-Richtung. Deren
Dichte ist Nxi und Nxi/2 ist die Dichte der Moleküle, die sich auf die (im Bild rechte) Wand mit
der Fläche F zu bewegen. Die Fläche F wird innerhalb der Zeit dt von
Nxi/2 · F · wxi · dt
(2-10)
Molekülen erreicht. An der Wand erfolgt Reflexion, d.h. eine Impulsübertragung von
mwxi – (–mwxi) = 2 mwxi
Auf die Wand wirkt deshalb pro Zeiteinheit die Kraft
Kxi = dmwxi/dt = (2mwxi/dt) · Nxi/2 · F · wxi · dt
(2-11).
(2-12),
der entsprechende Druck ist
2
Es ist üblich, die VAN-DER-WAALS-Konstanten – obwohl intensive Größen – mit kleinen Buchstaben zu
symbolisieren
15
pxi = Kxi / F = m · Nxi · wxi2
(2-13).
Der Gesamtdruck in x-Richtung
px = Σ pxi = m ΣNxi wxi2
(2-14)
ist in allen Raumrichtungen x, y und z gleich
p = px = py = pz
(2-15)
ebenso wie das gemittelte Quadrat der Geschwindigkeit3
wx2 = w 2y = wz2 = (∑ N xi ·wxi2 )/ ∑ N xi = (∑ N xi ·wxi2 )/ Nv
(2-16).
Da w eine Vektorgröße ist, ergibt sich
rr
w 2 = ww = wx2 + w 2y + wz2 = 3wx2
so dass der Gesamtdruck
(2-17)
p = N v m wx2 = (1 / 3)·( nN A / v )·m w 2
(2-18)
wird.
Andererseits ist die kinetische Energie ε k = m w 2 /2, so dass
(1/3) · NA · m w 2 = (2/3) · NA · ε k
(2-19)
und man erhält mit der idealen Gasgleichung
pv/n = (2/3) · NA · ε k = RT
(2-20).
Die Temperatur ist somit direkt proportional zur mittleren kinetischen Energie
(2-21),
T = (2/3) · (NA/R) · ε k = (2/3) · (1/kB) · ε k
–23
–1
kB = R/NA = 1,38 ·10 JK heißt Boltzmann-Konstante (im Folgenden oft einfach k).
Hätte man sich das früher überlegt, so wäre wohl der Temperatur eine Energieeinheit zugeordnet
worden. (2/3) · (1/kB) wäre dann eine dimensionslose Konstante.
Atome und Moleküle in der Gasphase haben drei Freiheitsgrade der Bewegung entsprechend den
drei Raumrichtungen x, y, z (weil sich jede Bewegung in Komponenten dieser Raumrichtungen
zerlegen lässt). Die Beziehung
ε k = (3/2) kBT
(2-22)
lässt sich daher so interpretieren, dass die kinetische Energie pro Freiheitsgrad kBT/2 beträgt.
Ein „Mittelwert der Molekülgeschwindigkeit“ (nicht exakt, vgl. Fußnote 3) ergibt sich zu
3kT
3RT
m
w =
=
= 158
m
M
s
2
3
T g mol −1
·
K M
(2-23)
Achtung: gemeint ist der Mittelwert der quadrierten Geschwindigkeiten, nicht das Quadrat der mittleren
Geschwindigkeit, das etwas kleiner ist.
16
2.3.2 Geschwindigkeits-Verteilung
Die Verteilung von Molekülgeschwindigkeiten lässt
sich in einem Molekularstahlexperiment wie
nebenstehend skizziert ermitteln. Hierbei lässt man
Gasteilchen aus einem Gefäß durch eine Öffnung
ausströmen, die so klein ist, dass nur einzelne Teilchen
austreten. Diese Teilchen können nur dann die freien
Sektoren der beiden auf einer Achse rotierenden
Sektorscheiben passieren und so den Detektor erreichen, wenn ihre Geschwindigkeit die Bedingung
w=aν
(2-24)
erfüllt, wobei a der Abstand der Sektorscheiben und
ν (nü) die gemeinsame Rotationsfrequenz der Scheiben bedeuten. Wird nun durch Variation dieser Frequenz die Häufigkeit der Geschwindigkeiten gemessen, so erhält man nebenstehende Kurve, die unter
Beibehaltung des Flächeninhalts mit steigender
Temperatur ihr Maximum nach rechts verschiebt.
Die Kurve folgt nach Maxwell einer Funktion
dN
 m 
= 4π 

N
 2πkT 
3/2
 mw 2 
dw
·w 2 ·exp −
 2kT 
(2-25)
(zur Ableitung siehe Lehrbücher der Physikalischen Chemie, z.B. G. Wedler: „Lehrbuch der
Physikalischen Chemie“, VCH). Aus der Funktion lassen sich folgende Werte ermitteln: häufigs2kT
8kT
te Geschwindigkeit wh =
, mittlere Geschwindigkeit w =
, Mittelwert der quadrierπm
m
ten Geschwindigkeiten w 2
−2
=
3kT
.
m
Boltzmann-Satz
Wenn N Teilchen die kinetische Energie ε haben und N0 Teilchen die kinetische Energie ε0, so
ist ihr Zahlen- oder Wahrscheinlichkeitsverhältnis gegeben durch
ε − ε0
N
= exp( −
),
(2-26)
N0
kT
vgl. (2.26). Ein ähnliches Ergebnis erhält man, wenn man die potentiellen Energien mgh und
mgh0 (g: Erdbeschleunigung) von Teilchen betrachtet, die in den Höhen h und h0 im Schwerefeld
der Erde vorkommen:
N
 mg ( h − h0 
= exp  −
(2-26a; barometrische Höhenformel).

N0
kT

17
Beide Beziehungen sind Spezialfälle des sogenannten Boltzmann-e-Satz, der allgemein die
Gleichgewichtsverteilung von Teilchen auf Energiezustände beschreibt.
2.3.3 Verteilung der Energie auf Freiheitsgrade
Nach der kinetischen Gastheorie ist die Temperatur Ausdruck der mittleren kinetischen Energie
der Gasteilchen, die proportional zur Temperatur ist (kB = 1,38 ·10–23 J/K):
∆ε k = (3/2) kB ∆T
(2-27).
∆ε k /∆T = (3/2) kB = Cv'
(2-28)
Das Verhältnis
entspricht einer spezifischen Wärme Cv' pro Molekül (2-28) und gilt universell, wenn die
Gasteilchen nur die drei Freiheitsgrade der Translation besitzen (wie bei Atomen, z.B. He). Mehratomige Moleküle haben zusätzliche Möglichkeiten, Energie aufzunehmen, und zwar bis zu drei
Freiheitsgrade der Rotation und 3N-6 Schwingungsfreiheitsgrade für N-atomige Moleküle, die
folglich maximal 3N Freiheitsgrade haben können.
Im Einzelnen sind Bewegungen der Atome in Molekülen stets auf eine Überlagerung von Grundformen zurückzuführen, die in Translation, Rotation und innere Schwingungen eingeteilt werden. Wenn m = Σmi die Gesamtmasse der Teilchen ist, ergibt sich für die kinetische Energie der
Translation Gleichung (2-23).
Rotationen
Bei Rotationen gilt für jedes der drei Hauptträgheitsmomente Ix, Iy, Iz: εr = I ω2/2, insgesamt
εr = Ix ωx2/2 + Iy ωy2/2 + Iz ωz2/2
(2-29).
Trägheitsmomente sind definiert als I = Σmiri2, wobei ri der Abstand
des betreffenden Massepunkts von der Drehachse ist. ω = 2πν bezeichnet die Rotationsfrequenz. Einfachster Fall ist ein 2-atomiges
Molekül mit der Gesamtmasse m = m1 + m2, in nebenstehender Skizze
eingezeichnet mit dem Masseschwerpunkt im Ursprung. Es gilt
r = z2 – z1 = | z2 | + | z1 |
und m1 |z1| = m2 |z2| sowie |z1| = r m2/m und |z2| = r m1/m. Die Trägheitsmomente
m1m2 2
I x = I y = I = m1 z12 + m2 z 22 =
r = µr 2
(2-30)
m1 + m2
sind entsprechend und Iz = 0 (Massepunkte), wobei µ als reduzierte Masse bezeichnet wird.
Die Rotationsenergie eines zweiatomigen bzw. linearen mehratomigen Moleküls ist dann
εr = (2/2) µr2ω2
für gewinkelte 3- und mehratomige Moleküle gilt hingegen
εr = (3/2) µr2ω2
(2-31),
(2-32).
18
Schwingungen
Schwingungen eines zweiatomigen Moleküls entsprechen einer ständigen Umwandlung von kinetischer und potentieller Energie (εk, εp).
In nebenstehender Skizze bedeutet r den Gleichgewichtsabstand der
Atome.
Die Kraft zur Streckung oder Stauchung des Abstands der Atome ist
proportional zur Auslenkung:
K = dε p / d ( r − r ) = f ( r − r )
(2-33)
(f ist die Kraftkonstante). εp folgt aus der Integration von (2-33)
ε p = (1 / 2) f (r − r ) 2
(2-34).
Für die Bewegungen der Atome erhält man die Geschwindigkeiten
dz
m dr
dz
m dr
w1 = 1 = 2
; w2 = 2 = 1
(2-35).
dt
m dt
dt
m dt
Daraus folgt für die kinetische Energie
1
1
1
dr
ε k = m1 w12 + m 2 w22 = µw 2 mit w =
(2-36)
2
2
2
dt
und die Schwingungsenergie insgesamt ergibt sich zu
1
1
ε s = µw 2 + f ( r − r ) 2 = ε k + ε p
(2-37)
2
2
Die Gesamtenergie des zweiatomigen Gasmoleküls setzt sich zusammen aus
3
2
2
7
ε = ε t + ε r + ε s = kT + kT + kT = kT
(2-38)
2
2
2
2
wenn man berücksichtigt, dass nach der kinetischen Gastheorie jeder "quadratische Term"
im Mittel kT/2 zur Gesamtenergie beiträgt. 3,5 kT entspricht einer spezifischen Wärme von C v’
= 4,85 · 10–23 J/K pro Molekül oder 3,5 RT = Cv = 29,1 J mol–1 K–1.
Etwas komplizierter sind die Verhältnisse bei dreiatomigen Molekülen. Diese können linear
(CO2, HCN) oder gewinkelt (H2O, NO2) sein. Folglich unterscheidet sich die Rotationsenergie
für lineare (kT) und für gewinkelte (3kT/2) Moleküle. Auch die Schwingungsenergien sind für
lineare und gewinkelte Moleküle verschieden. Alle Schwingungen lassen sich auf
eine Überlagerung von Grundformen zurückführen. Im linearen Fall sind dies die symmetrische
Streckschwingung (a), die asymmetrische Streckschwingung (b) und zwei Knickschwingungen
(c in zwei zueinander senkrechten Ebenen) entsprechend einer Schwingungsenergie εs = 8/2 kT
und einer Gesamtenergie ε = 13/2 kT. Für gewinkelte Moleküle findet man nur drei Grundformen der Schwingung, so dass εs = 6/2 kT und ε = 12/2 kT. Die folgende Tabelle fasst die Freiheitsgrade (FG) für verschiedene Moleküle zusammen (Man beachte, dass es sich um ideale Gase handelt, in kondensierter Phase können weitere Schwingungen und Rotationen hinzukommen
oder solche unmöglich werden):
19
FG
Translation
FG
Rotation
FG
Schwingung
Σ
1
3
–
–
3
Cv’ / kB =
∆ε
∆T ·k B
1,5
2
3
2
1
7
3,5
3, linear
3
2
4
13
6,5
3, gewinkelt
3
3
3
12
6,0
N, gewinkelt
3
3
3N – 6
6N – 6
3N – 3
Zahl Atome
quadrat. Terme
Vergleicht man die nach der kinetischen Gastheorie berechneten Cv/R-Werte mit gemessenen (s.
Abbildung unten), so stellt man fest, dass eine Übereinstimmung streng nur bei einatomigen Gasen vorliegt. Bei mehratomigen Molekülen findet man eine Temperaturabhängigkeit, die die kinetische Gastheorie nicht beschreibt. Eine Übereinstimmung wird hier erst bei sehr hohen Temperaturen erreicht. Dies ist eine direkte Konsequenz der Quantentheorie: Rotationen und
Schwingungen können Energie nicht kontinuierlich sondern nur in Quanten aufnehmen. Offensichtlich sind diese Quanten so groß, dass insbesondere die Anregung von Schwingungen höhere
Temperaturen erfordert.
Für praktische Zwecke hat man Näherungsformeln zur Beschreibung der Temperaturabhängigkeit von Cp (spezifische Wärme bei konstantem Druck, zur näheren Definition siehe Kap. 3.1)
und Cv (spezifische Wärme bei konstantem Volumen) aufgestellt, z.B. für NH3:
Cp = (28,7 + 24,78·10–3 T/K + 4,43·10–6 T2/K2) J mol–1 K–1
(2-39).
Anschaulich geben die spezifischen Wärmen Cv bzw. Cp an, wie viel Energie notwendig ist, um
ein Mol eines Stoffes um 1 K zu erwärmen.
2.4
Stoßfrequenzen
Die Adsorption von Gasen (oder Flüssigkeiten) an Festkörpern spielt in der modernen Chemie
als Elementarschritt der heterogenen Katalyse eine ganz wesentliche Rolle. Moderne chemische
Verfahren werden fast immer katalytisch geführt, was ökonomische und ökologische Vorteile hat
(s. Kap. 4).
2.4.1
Wandstöße
20
Die Bewegungsrichtung von Molekülen lässt sich durch Angabe eines Raumwinkels in Polarkoordinaten (Kugelkoordinaten) beschreiben:
r sin ϑ dϕ ⋅ r dϑ
dΩ =
= sin ϑ dϑ dϕ
(2-40)
r2
2π
wobei
∫
dΩ =
∫
π
dϕ
0
∫
sin ϑ dϑ = 4π
0
Wir betrachten nun Moleküle, die mit einer Geschwindigkeit zwischen w und w + dw aus einer
durch dΩ spezifizierten Richtung auf ein Flächenelement ∆F (Loch) der Wand treffen. Die
Wahrscheinlichkeit der vorgegebenen Geschwindigkeit ist eine Funktion der Geschwindigkeit:
f(w)dw. Die Wahrscheinlichkeit der Bewegungsrichtung ist Ω/4π, da alle Raumrichtungen gleichberechtigt sind. Die Teilchenzahldichte der Moleküle, die sich in der vorgegebenen Richtung mit der
vorgegebenen Geschwindigkeit bewegen, ist daher
dΩ
dN v = N v f ( w ) dw
4π
(2-41)
Auf das Flächenelement ∆F treffen innerhalb der Zeit ∆t
m s m2
dN = dN v ⋅ w cosϑ ∆t ⋅ ∆F
[ dN ] =
(2-42)
m3s
Moleküle. Insgesamt entspricht daher der Teilchenstrom j der Wandstoßfrequenz ZW
∞
2π
π/2
Nv
1
ZW = j =
N
=
w
f
(
w
)
d
w
⋅
d
ϕ
⋅
d
∫0
∫0 cosϑ sin ϑ dϑ
∆t ∆F ∫
4π ∫0
=
Nv
1 1
⋅ w ⋅ 2π ⋅ = N v w =
4π
2 4
p
mit
2π m kT
Nv =
daher ZW =
1
4
pw
=
kT
N
p
=
; und
v kT
p
2kTπm
Die Dimension für Teilchenstrom bzw. Wandstoßfrequenz ist [ j ] = [ Z W ] =
w=
8kT
πm
(2-43).
1
.
m 2s
Anwendungen
Effusion von Gasen
Ist ∆F nicht ein Flächenelement, auf welches Gasteilchen stoßen, sondern ein Loch in einem
Gefäß, welches zwei Gase mit den Partialdrücken p1 und p2 enthält, so verhalten sich die ausströmenden Mengen wie
j1
p
M2
= 1⋅
(2-44)
j2 p2
M1
(„GRAHAMs Gesetz“), was zur Isotopentrennung ausgenutzt werden kann.
Katalyse
21
Die für die heterogene Katalyse wichtige Adsorptions-Geschwindigkeitskonstante ka (Gas →
Feststoff) hängt von Druck, Masse und Querschnitt(sfläche) der Gasteilchen σ ab (erhältlich aus
VAN-DER-WAALS-Konstanten b) ist gegeben durch
σ
Z σ
ka = W =
(2-45)
p
2π m kT
d.h. mit jedem Treffer wird die Oberfläche mit 1 σ bedeckt. ka wird in (bar s)–1 angegeben.
2.4.2 Häufigkeit von Zusammenstößen (später wichtig zur Abschätzung der Geschwindigkeit
von Reaktionen in der Gasphase).
Ein binäres Gasgemisch bestehe aus den Komponenten A und B, der Teilchendichten NvA und
NvB sich unterscheiden (entsprechend verschiedenen Partialdrücken) ebenso wie die Teilchendurchmesser dA und dB und –massen mA und mB. Folglich sind auch die mittleren Molekülgeschwindigkeiten w A und w B unterschiedlich. Ein Zusammenstoß kann nur erfolgen, wenn sich
die Molekülmittelpunkte auf den Abstand dAB = (dA +dB)/2 genähert haben (dAB heißt Stoßdurchmesser).
Falls alle B-Moleküle in Ruhe sind und alle A-Moleküle mit der mittleren Geschwindigkeit be2
wA ∆t und trifft dabei
wegen, dann durchfliegt jedes A-Molekül in der Zeit ∆t ein Volumen πd AB
2
auf ( ∆NB = πd AB
wA ∆tNvB ) B-Moleküle. Für alle A-Moleküle ergibt sich die Stoßfrequenz zu
∆NB
'
2
Z BA
= N vA
= πd AB
wA N vA N vB
(2-46)
∆t
Eine genauere Beziehung erhält man, wenn man über die Relativgeschwindigkeit der A- und B8kT
Moleküle wAB mittelt, für die gilt wAB = wA2 + wB2 − 2 wA wB cos θ =
mit µ: reduzierte
πµ
h
Masse.
wA
wAB
wB
Die genauere Stoßfrequenz ist daher
∆NB
2
= πd AB
wAB N v A N vB
(2-46a)
∆t
1
Wenn A=B ist, muss man schreiben Z AA = πd A2 wAA N v2A ,
(2-47),
2
weil man sonst jeden Stoß zweimal zählen würde. Die Stoßfrequenz eines einzelnen A-Moleküls
im Einkomponentensystem ist gegeben durch
Z A = πd A2 wAA N VA = 2πd A2 wA N vA
(2-48)
Damit ergibt sich die mittlere freie Weglänge eines Moleküls zu
λ = wA / Z A = ( 2πd A2 N vA ) −1
(2-49)
Z BA = N vA
Kapitel 3:
Thermodynamik
Die historisch entwickelte Thermodynamik wird heute als phänomenologische Thermodynamik
bezeichnet. Hierbei wird von 2 bis 3 Hauptsätzen ausgegangen, die sich aus der menschlichen
Erfahrung ergeben haben und bis heute nicht widerlegt worden sind. Daraus wird alles andere
streng abgeleitet. Dennoch bleibt wegen der Tatsache, dass man die Aussagen der Hauptsätze
nicht direkt beweisen kann, für moderne Menschen ein ungutes Gefühl.
Ein moderner Ansatz nennt sich statistische Thermodynamik und geht von den Eigenschaften
des Moleküls aus, welches die phänomenologische Thermodynamik nicht kennt. Das Molekül
hat diverse Freiheitsgrade zur Aufnahme von Energie (s. Kap. 2). Für viele (nicht zu große) Mo-
22
leküle lässt sich eine Statistik über die Besetzung der Freiheitsgrade bei gegebener Temperatur
anstellen und man erhält als Summe die Gesamtenergie des betrachteten Systems, die der phänomenologischen inneren Energie u entspricht, jedoch ohne die Annahme der Gültigkeit von
Hauptsätzen ermittelt wurde. In der Vorlesung wird zunächst ausschließlich die phänomenologische Thermodynamik behandelt.
3.1
Innere Energie und erster Hauptsatz
Aus den Gasgesetzen folgt, dass die Energie eines geschlossenen Systems durch Zufuhr von Arbeit a erhöht werden kann (Gas in einseitig geschlossenem Zylinder mit beweglichem Kolben).
Nach der kinetischen Gastheorie ist Energieerhöhung auch durch Temperaturerhöhung, d.h.
durch Wärmezufuhr (Wärmemenge q) möglich. Man spricht daher auch von der inneren Energie
u des (geschlossenen) Systems und kann Energieänderungen ausdrücken durch
du = da + dq
(3-1).
Dies ist bereits eine Formulierung des ersten Hauptsatzes der Thermodynamik, der in Worten
lautet: Die von einem geschlossenen System mit der Umgebung ausgetauschte Summe von
Arbeit und Wärme ist gleich der Änderung der inneren Energie. u ist eine Zustandsgröße (a
und q allein sind sog. Prozessgrößen, d.h. sie sind jeweils keine Zustandsgrößen, jedoch ihre
Summe!). Der Zahlenwert von Änderungen der inneren Energie ∆u hängt nur von den Eigenschaften des Zustands ab, nicht aber vom Weg, auf welchem die Änderung herbeigeführt wurde.
Anderenfalls könnte man Energie erzeugen oder vernichten, indem man zwei Zustände in einem
Kreisprozess auf unterschiedlichen Wegen erreicht (vgl. mechanisches pepetuum mobile), was
dem Prinzip der Energieerhaltung widerspricht. Der erste Hauptsatz ist so gesehen ein Energieerhaltungssatz für Chemiker.
Arbeit und Wärme sind Energieformen (sog. Prozessgrößen), aber keine Zustandsgrößen. Da da
= –pdv (1-13) vom Weg abhängt, muss auch dq vom Weg abhängen, und zwar in einer zu da
komplementären Weise, denn die Summe dieser beiden Energiebeträge ergibt eine Zustandsfunktion. Wärme(menge) kann durch Wärmeleitung von außen zugeführt werden. Arbeitszufuhr
erfolgt z. B. durch Kompression des Systems, d.h. durch Verschieben von Wänden, die das Gefäß einschließen. Im isolierten System ist weder das eine noch das andere möglich. Dann gilt
du = 0
(3-2),
d.h. die innere Energie eines isolierten Systems ist konstant.
u ist eine extensive Größe. Das Verhältnis U = u/n bezeichnet dagegen eine intensive Größe, die
molare innere Energie (in Lehrbüchern oft anders symbolisiert, z.B. Um). Energiezufuhr ist daher
in einem offenen System auch durch Stoffzufuhr möglich. Dafür gilt dann
d u = d a + d q + Σ Ui d n i
(3-3).
Die Ui sind dann partielle molare innere Energien der Komponenten. Der Ausdruck (3-3) wird
auch kalorische Zustandsgleichung genannt.
Wir betrachten zunächst Materie in einem geschlossen Behälter, also ein geschlossenes System,
in dem weder Reaktionen ablaufen noch Kompressionsarbeit geleistet wird (dv = 0). Dann definiert der Ausdruck
23
dq
 ∂u 
(3-4)

 = v = cv
 ∂T  v dT
die Wärmekapazität cv - hier eine extensive Zustandsgröße; Zahlenwerte geben an, wieviel Energie (Wärme) benötigt wird, um die gegebene Materie um 1 K zu erwärmen. Weil leichter messbar, benutzt man bei Flüssigkeiten und Festkörpern die Größe cp, die Wärmekapazität bei konstantem Druck:
cp = (dqp/dT)
(3-5).
Unter dieser im Laboralltag häufiger gegebenen Bedingung (Atmosphärendruck) verwendet man
zweckmäßigerweise anstelle der Zustandsgröße u eine andere, die Enthalpie h, definiert als
h = u + pv
(3-6),
weil dann dh = du + pdv + vdp = dq + vdp (mit 1-13 und 3-2) sowie
(∂h/∂T)p = (dqp/dT) = cp
(3-7)
(weil p = const.).
Unterschiede in cp und cv sind leicht einzusehen, weil Volumenarbeit verrichtet wird, wenn der
Druck konstant gehalten wird (vgl. Abb.); ∆q ist dann größer. Man erkennt daran, dass q (genau
wie die Arbeit a, aber im Unterschied zu u, h, p, v und T) keine Zustandsfunktion ist: Um dieselbe Temperaturdifferenz ∆T zu erzeugen, werden unterschiedliche Wärmemengen ∆qv und ∆qp
benötigt.
Innere Energie und Enthalpie eines idealen Gases hängen nur von der Temperatur ab:
du = cvdT ;
dh = cpdT
(3-8)
Es ist deshalb (exakt nur für ideale Gase)
cp – cv = p(∂v/∂T)p = pnR/p = nR oder Cp – Cv = p(∂V/∂T)p = pR/p
=R
(3-9)
Für isotherme Zustandsänderungen idealer Gase gilt folglich du =
dh = 0 und
dqv = pdv = nRT dv/v ; dqp = –vdp = –nRT dp/p
(3-10)
Zustandsänderungen, bei denen dq = 0 heißen adiabatisch. Für diese gilt
cv dT = – pdv ;
cp dT = vdp
(3-11).
cp dT/T = nR dp/p
(3-12).
Division durch T = pv/nR liefert
cv dT/T = –nR dv/v;
Durch bestimmte Integration4 erhält man
4
2
ln x 2 
 ∫ dx / x = ln x 2 − ln x1 =


ln x1 
1
24
T
c v ln 2
 T1

T
 = ln 2
v
 T1



cv
v
= − nR ln 2
 v1

v
 = ln 1

 v2



nR
(3-13)
Wegen (3-9) und mit der Abkürzung κ = cp / cv kann man daher auch schreiben
( c p − cv ) / cv
v 
T2  v1 
=  
=  1 
T1  v2 
 v2 
und es gilt die Adiabatengleichung
κ −1
p 
=  2 
 p1 
( c p − cv ) / c p
p 
=  2 
 p1 
( κ −1) / κ
(3-14)
κ
p 2  v1 
=   oder p·vκ = konstant
p1  v 2 
(3-15)
(an Stelle von p·v = konstant für Isothermen).
Entsprechend gibt es Unterschiede in den Arbeitsbeträgen, die ein System bei isothermer bzw. adiabatischer Prozessführung leisten kann (d.i. jeweils die
Fläche unter den Isothermen bzw. Adiabaten): Für
den isothermen Prozess ergibt sich
– ∆A = p∆V = (RT/V)∆V = RT ∫(dV/V) = RT ln(V2/V1).
Im adiabatischen Fall, bei welchem sich die Temperatur ändert, ist es einfacher, von dem auftretenden Temperaturunterschied auszugehen und den ersten Hauptsatz anzuwenden.
d U = d A + d Q;
3.2
–∆A = ∆Q = Cv ∆T.
Zweiter Hauptsatz und Entropie
3.2.1 Irreversible Prozesse
Es wird ein zweiter Hauptsatz der Thermodynamik benötigt, weil der erste eine Reihe von Beobachtungen nicht erfasst:
1. Wärme wird stets vom wärmeren (1) auf den kälteren Körper (2) übertragen. Nach dem
ersten Hauptsatz gilt dq1 + dq2 = 0, wobei die Erfahrung sagt, dass stets dq1 negativ ist.
Der erste Hauptsatz würde jedoch auch das umgekehrte, also die spontane Wärmeübertragung vom kälteren auf den wärmeren Körper zulassen.
2. Die Expansion eines idealen Gases ins Vakuum erfolgt spontan und ohne Wärmeumsatz. Der Prozess könnte nach dem ersten Hauptsatz umkehrbar sein.
3. Die Energie einer Stahlkugel, die man aus einer gewissen Höhe in einen Sandhaufen
fallen lässt, wird im Sand dissipiert. Die Umkehrung, also die Konzentration von Energie
derart, dass eine Kugel aus einem Sandhaufen hochgeworfen wird, würde nicht im Widerspruch zum ersten Hauptsatz sein, wird aber nicht beobachtet.
25
1. bis 3. sind typische irreversible Prozesse, die nach dem ersten Hauptsatz durchaus umkehrbar
sein könnten. Insbesondere wird die Richtung von Prozessen nicht berücksichtigt.
4. Auch spontan und freiwillig ablaufende chemische Reaktionen gehören zu den irreversiblen Prozessen (im thermodynamischen Sinn). Eine wichtige Beobachtung ist in diesem
Zusammenhang zu nennen: Chemische Reaktionen laufen nicht nur dann freiwillig ab,
wenn (wie bei Verbrennungen) Energie in Form von Wärme frei wird. Vor allem Reaktionen, bei denen große Mengen gasförmiger Produkte aus Flüssigkeiten oder Festkörpern
entstehen, laufen auch dann spontan ab, wenn offensichtlich Wärme-energie der Umgebung entzogen wird, wie an einer entsprechenden Abkühlung dieser Umgebung zu erkennen ist. Zwei Beispiele hierfür::
6 SOCl2 (flüssig) + CoCl2·6H2O (fest) → 12 HCl (gasf.) + 6 SO2 (gasf.) + CoCl2 (fest)
CaF2 (fest) + H2SO4 (flüssig) → CaSO4 (fest) + 2 HF (gasf.)
Offenbar gibt es sowohl exotherme Reaktionen, bei denen Wärme frei wird, als auch endotherme, bei denen Wärme verbraucht wird. Es stellt sich deshalb die Frage nach der Triebkraft von
Reaktionen, die offenbar nicht allein mit dem Freiwerden von Wärme erklärbar ist (s. 3.2.4).
3.2.2 Entropie
Offensichtlich wird beim Übergang vom Feststoff zur Flüssigkeit und weiter zum Gas die Unordnung vermehrt. Betrachtet man die oben genannten endothermen Reaktionen daraufhin, so
stellt man eine solche Vermehrung der Unordnung fest. Diese kommt daher neben dem Freiwerden von Wärme als Triebkraft für eine chemische Reaktion in Betracht.
Ein Maß für die Unordnung ist die Entropie s, die mit der Unordnung ansteigt. Sie wird i.a. in
J/K angegeben (bzw. die molare Entropie S in J mol–1K–1 ), und es wird später zu zeigen sein,
dass es sich um eine Zustandsgröße handelt. Ein starres Festkörpergitter bei 0 K hat die Entropie
0.
Die folgende Tabelle gibt einige molare Standard-Entropien S⊝ an. Ein Standardzustand liegt in
der Thermodynamik bei p = 1 bar5 vor und wird meist für T = 298 K und n = 1 mol für die unter
diesen Bedingungen stabile Modifikation (reine Phase) tabelliert.
Substanz
S⊝/J mol–1 K–1
H2O
(gasf.)
189,1
H2O
(fl)
70,1
C
CO2
CO
O2
CaCO3
CaO
H2
5,7
214,1
198,1
206,3
92,9
39,8
130,7
3.2.3 Reaktionsentropie und Reaktionsenthalpie
Mit den Daten der letzten Tabelle lassen sich Standard-Reaktionsentropien ∆RS⊝ oft (auch anders benannt, z.B. ∆RSm⊝) ausrechnen, indem die Summe der Standardentropien der Edukte von
denen der Produkte abgezogen wird [Σνi S⊝ (i) (mit Vorzeichen)]. Beispiele:
1.)
C + O2 → CO2
∆RS⊝ = S ⊝ (CO2) – S⊝ (C) – S⊝(O2) = (214,1 – 206,3 – 5,7 = + 2,1) J mol–1 K–1
5
In Lehrbüchern wird manchmal p⊝ = 1 atm = 1,013 bar gesetzt, was zu kleinen Abweichungen in Tabellenwerten führt.
26
2.)
H2 + 1/2 O2 – H2O (fl)
∆RS⊝= S⊝(H2O) – S⊝ (H2) – 1/2 S⊝ (O2) = (70,1 – 130,7 – 1/2 · 206,3 = –163,75) J mol–1 K–1.
Im zweiten Beispiel ist die Reaktionsentropie negativ, jedoch gibt es einen deutlichen Wärmebzw. Enthalpiegewinn, wie bei Verbrennungen üblich. Die Triebkraft für eine Reaktion setzt sich
also aus zwei Komponenten zusammen, einem Enthalpieanteil ∆H⊝, der meistens der wichtigere
ist und in gleicher Weise berechnet werden kann wie die Standard-Reaktionsentropie, und einem
Entropieanteil ∆S⊝.
Hinter dem Verfahren zur Berechnung von ∆RS⊝ steckt der HESSsche Satz, eine frühe Formulierung der Zustandsfunktion und ein Spezialfall des 1. Hauptsatzes. Dieser Satz besagt, dass unabhängig vom Reaktionsweg in allen Fällen die gleiche Reaktionsenthalpie gemessen wird:
A + B → C (Weg 1); A+B → D → C (Weg 2);
∆H⊝(Weg 1) = ∆H⊝(Weg 2)
(3-16)
Dies versetzt uns in die Lage, Reaktionsenthalpien (und -entropien) auch für (ggf. hypothetische)
unbekannte Reaktionen zu berechnen, wenn wir einen Reaktionsumweg über Reaktionen, deren
Reaktionsenthalpien bekannt sind, konstruieren.
Es wird z.B. die Reaktionsenthalpie für die Reaktion 2 C (fest) + O2 → 2 CO gesucht (∆RH⊝(I) =
?). Diese Reaktion lässt sich so nicht durchführen, sie führt auch bei Sauerstoffunterschuss immer zu einem Gemisch von CO und CO2. Bekannt sind folgende Standard-Reaktionsenthalpien,
die in diesem Falle gleichzeitig Verbrennungsenthalpien ∆VH⊝ sind und für zahlreiche Reaktionen tabelliert vorliegen:
C (fest) + O2 → CO2 ; ∆RH⊝ (II) = –393,5 kJ mol–1
2 CO + O2 → 2 CO2; ∆RH⊝(III) = –565,3 kJ FU–1 (s.u.)
Es gibt jetzt zwei Wege, die zum CO2 führen:
Weg 1:
2 C (fest) + 2 O2 → 2 CO2 ;
(Hypothetischer) Weg 2:
Folglich
2 ∆RH⊝(II)
2 C (fest) + O2 → 2 CO;
∆RH⊝(I)
2 CO + O2 → 2 CO2;
∆RH⊝(III)
∆RH⊝(I)+∆RH⊝(III) = 2∆RH⊝(II)
(3-16)
∆RH⊝(I) = 2 ∆RH⊝(II) – ∆RH⊝(III) = [2(–393,5) – (–565,3) = – 221,7] kJ FU–1.
Bei Berechnungen wie der obigen muss zur Einheit kJ mol–1 folgendes überlegt werden: Man
kann die so angegebenen Messwerte als jeweils auf ein Mol O2 bezogen annehmen und hat dann
keine Schwierigkeiten mit der Einheit. Da jedoch der Reaktionspartner oder das Produkt normalerweise mehr interessieren, müsste man berücksichtigen, dass von diesen ggf. 2 mol reagieren
oder gebildet werden (Mol als Begriff groß, als Einheit klein geschrieben). Um dies Problem zu
umgehen, gibt man das Ergebnis zweckmäßigerweise in kJ FU–1 an, wobei FU für einen molaren
Formelumsatz steht.
Bildungsenthalpien ∆BH⊝
27
Manchmal ist die Konstruktion eines Umwegs über Verbrennungsreaktionen etwas umständlich
oder man findet die nötigen Daten nicht im Tabellenwerk. Deshalb werden öfter die sogenannten
Bildungsenthalpien ∆BH⊝ herangezogen, die ebenfalls vielfach tabelliert vorliegen oder leicht
berechnet werden können. Unter der Bildungsreaktion wird hier die (ggf. hypothetische) Bildung
aus den Elementen des Periodensystems verstanden. Die Elemente kommen dabei so zur Reaktion, wie sie unter Standardbedingungen vorliegen, z. B. Br2 (fl), H2 (gasf), Fe (fest) usw. Elemente in dieser Form müssen nicht gebildet werden, deshalb ∆BH⊝ = 0.
Beispiele für Bildungsreaktionen:
C (fest) + 2 H2 → CH4;
∆BH⊝ = –79,6 kJ mol–1
2 H2 + O2 → 2H2O (fl);
∆BH⊝ = –571,6 kJ/FU
(In Beispiel 2 ist die Bildungsenthalpie auch die Verbrennungsenthalpie.)
Ein allgemeines Verfahren zur Berechnung von Reaktionsenthalpien (im Standard-Zustand) ergibt sich aus nebenstehendem Schema. Daraus folgt:
∆RH⊝ = νC ∆BH⊝(C) +νD ∆BH⊝(D) –νA ∆BH⊝(A) – νB ∆BH⊝ (B) oder
Σ νi ∆BH⊝ (i)
(mit Vorzeichen)
(3-17)
3.2.4 Triebkraft von Reaktionen
Die Zusammenfassung von Reaktionsenthalpie und Reaktionsentropie muss so erfolgen, dass
jeweils das Freiwerden von Enthalpie und die Produktion von Entropie zur spontanen Reaktion
führen. Die so definierte Größe ist ein Maß für die Triebkraft einer Reaktion. Sie heißt freie
(Standard-)Reaktionsenthalpie, basierend auf der freien Enthalpie g (Gibbs-Energie, englisch:
free energy)
∆G⊝ = ∆H⊝ – T ∆S⊝
(3-18),
die mit zweimaliger Hilfe des HESSschen Satzes aus Enthalpie- und Entropiedaten zu berechnen
ist. Ist ∆RG⊝ negativ, so läuft die Reaktion spontan ab. In machen Lehrbüchern findet man hierfür die Größe Affinität AR⊝ = –∆RG⊝, im allgemeinen als intensive Größe. Gleichung (3-18) gilt
für konstanten Druck (in Tabellen Standarddruck 1bar) und konstante Temperatur (in Tabellen
meist 298 K)6. Unter anderen Bedingungen muss die Triebkraft mit anderen Zustandsfunktionen
berechnet werden: [∆H für p und S konstant; ∆F für V und T konstant („HELMHOLTZ-Energie“
oder „freie Energie“7); ∆U für V und S konstant; vgl. Lehrbücher].
3.2.5 Carnot-Prozess und zweiter Hauptsatz
6
Ein Verfahren, um ∆RG⊝ auf andere Temperaturen (z.B. Siedetemperatur eines Reaktionsgemisches) umzurechnen, findet sich
in Kap. 6.3.3.
7
Achtung: Im Englischen wird g als “free energy” oder „GIBBS-function“ und f als „work function“ (oft mit a symbolisiert)
bezeichnet, nicht verwechseln!
28
Während der erste Hauptsatz die innere Energie (und analoge thermodynamische Potenziale)
definiert, drückt der zweite Hauptsatz die Rolle der Zustandsgröße Entropie bei irreversiblen
Prozessen aus, erlaubt somit Aussagen zur Richtung von Prozessen. Es gibt je nach Problem
zahlreiche verschiedene Formulierungen des 2. HS, von denen vier folgen:
1.) Bei irreversiblen Zustandsänderungen (Kugel fällt in Sandhaufen) nimmt die Entropie zu:
s2 – s1 > 0
(3-19) (für isoliertes System).
2.) Wärme geht nicht spontan vom kälteren zum wärmeren Körper über.
3.) Es ist unmöglich, Wärme ohne Energieverlust in Arbeit zu verwandeln.
4.) Es gibt keine periodisch funktionierende Maschine, die nichts anderes tut, als Wärme in
mechanische Arbeit zu verwandeln (Unmöglichkeit des perpetuum mobile zweiter Art).
Die Aussage 4 soll quantitativ gezeigt werden. Dies wird i.a. an Hand des CARNOTschen8 Kreisprozesses vollzogen, der Zustandsänderungen einer hypothetischen Wärme-Kraft-Maschine, die
abwechselnd reversible isotherme und adiabatische Schritte durchläuft, beschreibt (Andere
Wärme-Kraft-Maschinen sind zwar der Praxis näher, jedoch wird in den entsprechenden Kreisprozessen die Zustandsgröße Entropie weniger deutlich). Eine alternative Formulierung des 2.
Hauptsatzes nach CARATHEODORY9 erfordert mehr Mathematik. Die Carnot-Maschine besteht
aus einem idealen Gas in einem Zylinder mit beweglichem Kolben, der sich entweder in einem
Wärmebad (für isotherme Prozesse) befindet oder mit einer Isolierung (für adiabatische Prozesse) versehen ist. Nebenstehend ist der CARNOT-Prozess in zwei verschiedenen Diagrammen dargestellt: Die (reversibel10 durchzuführenden) Schritte I bis IV sind:
Schritt I: Isotherme Expansion eines (Mols eines) idealen Gases bei T = T1 von V1 nach V2;
dabei erfolgt die Entnahme von Wärme ∆Qrev(I) aus dem Wärmebad und es wird Volumenarbeit ∆Arev(I) geleistet. Beim diesem Prozess ändert sich die innere Energie des
idealen Gases nicht ∆U = ∆Q + ∆A = ∆Q + p∆V
= 0 (vgl. Kap. 3.1).Es folgt
∆Q = ∆Qrev(I) = – ∆Arev(I) = RT1
∫(dV/V) = RT1 ln(V2/V1)
(320)
Schritt II: Adiabatische Expansion von V2 auf
V3; dazu wird das Wärmereservoir abgekoppelt
und die Isolation angebracht. Die Folge ist eine
Temperaturänderung von T1 nach T2. Es gilt
∆Qrev(II) = 0, so dass
∆U = ∆Arev (II) = Cv (T2–T1)
(3-21)
Schritt III: Isotherme Kompression; man muss dazu das Wärmebad wieder anschließen bei T2
und dann das Gas von V3 nach V4 komprimieren. Dabei ist wieder ∆U = 0, so dass
∆Qrev(III) = – ∆Arev(III) = RT2 ∫dV/V = RT2 ln(V4/V3)
8
9
(3-22)
Nicolas Léonard Sadi Carnot (1796-1832)
vgl. Margeneau und Murphy: The Mathematics of Physics and Chemistry; Born, Phys. Z. 22 (1921) 218, 249, 282
10
vgl. Kap. 3.2.7
29
Schritt IV: Adiabatische Kompression; es sind wieder das Abkoppeln des Wärmebades und die
Schaffung adiabatischer Bedingungen nötig. Sodann wird komprimiert, bis der Ausgangszustand erreicht ist. Es ist wieder ∆Qrev(IV) = 0, so dass
∆U = ∆Arev(IV) = Cv (T1 – T2)
(3-23)
In die Bilanz der Arbeit im CARNOTschen Kreisprozess gehen nur die isothermen Prozesse ein,
da sich die Beiträge der adiabatischen aufheben. Es ergibt sich (als umschlossene Fläche im p-VDiagramm)
∆Ages = ∆Aisoth. = – R(T1 – T2) ln(V2/V1)
(3-24),
weil wegen der Adiabatengleichung (3-14,3-15) V2/V1 = V3/V4. Und da ∆Uges = 0, muss gelten
∆Qrev, ges = – ∆Ages
(3-25).
Es zeigt sich, dass im Schritt III „nutzlos“ Wärme an das Reservoir abgegeben wurde. Deshalb
kann (theoretisch) für den CARNOTprozess ein Wirkungsgrad
η=
∆Ages
(3-26)
∆Q rev ( I)
definiert werden,11 der zu berechnen ist nach
η=
( ) ∆Q
=
RT ln ( )
R (T1 − T2 ) ln
1
V2
V1
V2
V1
rev
(I) + ∆Q rev (III) T1 − T2
=
∆Qrev (I)
T1
(3-27)
Die Betrachtung des CARNOTschen Kreisprozesses liefert einen Zugang zur Zustandsfunktion
Entropie: Wie oben (Kap. 3.1) erwähnt, ist q keine Zustandsfunktion. Betrachtet man jedoch die
jeweiligen Quotienten ∆Q/T im Carnotschen Kreisprozess, so stellt man fest, dass
 ∆Qrev (I)
Q (III)
V
V 
; 
= R ln 2 = − rev
= − R ln 4  ,
V1
T2
V3 
 T1
d.h. dieser Quotient verhält sich wie eine Zustandsfunktion und diese definiert die Entropie:
Σ(∆Qrev/T) = 0
dq rev
∆qrev
≡ ds ;
= ∆s (für geschlossenes System und T konstant) (3-28)
T
T
Für ein isoliertes System gilt ∆s ≥ 0 und zwar ∆s > 0 für irreversible und ∆s = 0 für reversible
Prozesse (s. 3.2.7). Für offene Systeme müssen wieder Si·dni-Terme ergänzt werden.
Bei Wärme-Kraft-Maschinen einspricht ∆s dem Anteil der Wärmeenergie, der prinzipiell nicht in
Arbeit umgewandelt werden kann.
Obige Einführung der etwas abstrakten Zustandsfunktion Entropie, die mit "Maß für Unordnung" zwar anschaulich jedoch keineswegs umfassend rationalisiert werden kann, ist sehr gerafft, so dass sich die Lektüre einschlägiger Kapitel am besten in verschiedenen Lehrbüchern
empfiehlt.
11
Eine Möglichkeit; insbesondere technische Wirkungsgrade können auch anders definiert sein.
30
3.2.6 Ermittlung von Entropien und Enthalpien
Offen geblieben war zu Beginn des Abschnitts 3.2, wie Entropien, insbesondere StandardEntropien für einzelne Stoffe bestimmt werden. In Kenntnis der thermodynamischen Definition
(3-28) ist dies nicht mehr schwer. Nach Ermittlung der Wärmekapazität cp (bzw. der spezifischen
Wärme Cp) eines Stoffes (die dq in 3-28 darstellt) ergibt sich die Entropie (für konstanten Druck)
zu
s=
Tc
T
∫T
p
dT = ∫ c p dln T
0
(3-29)
0
Bei Phasenumwandlungen treten Unstetigkeiten in cp- bzw. Entropie-Temperatur-Kurven auf, da
sich die Entropie sprunghaft ändert (vgl. Bildung gasförmiger Produkte in Kapitel 3.2.1). Die
dort auftretenden (Phasen-)Umwandlungsentropien sind mit den entsprechenden Umwandlungsenthalpien (Schmelzwärme, Verdampfungswärme) verknüpft:
∆Us =
∆Uh
TU
(3-30),
so dass für den Entropieinhalt einer Substanz, die bei gegebener Temperatur T bereits eine Phasenumwandlung hinter sich hat, gilt
TU
T
∆Uh
s = ∫ c p dln T +
+ ∫ c ′p d ln T
TU
0
TU
(3-31).
Zur Illustration soll das Beispiel des Stickstoffs
N2 dienen, der in zwei festen Modifikationen
sowie flüssig und gasförmig existieren kann. Es
treten deutliche Unterschiede in Cp für die verschiedenen Aggregatzustände zu Tage.
Ganz analog ist die Enthalpie zu bestimmen:
TU
∆h =
∫
0
T
c p dT + ∆ U h +
∫
c ′p dT
(3-32).
TU
Um ein Beispiel zu geben, soll die Frage behandelt werden, ob ein Mensch beim Verzehr von
Speiseeis Energie gewinnt oder verbraucht. Die spezifische Wärme von Eis liegt bei 37,7, die
von Wasser bei 75,5 J mol–1 K–1 (im betrachteten Temperaturbereich). Wir betrachten als Ausgangszustand eine 100 g - Portion Eis bei –10 °C entsprechend 5,55 mol. Diese Portion wird
beim Verzehr auf 37 °C erwärmt. Dafür sind zunächst bis zum Schmelzpunkt
273
JmolK
∫ C p ndT = 37,7·5,55·10 molK = 2,09 kJ
263
31
aufzuwenden. Sodann wird die Schmelzenthalpie benötigt. Sie beträgt ∆UH = 6,008 kJ/mol, also
[6,008 · 5,55 = 33,34 ] kJ für 100 g. Die weitere Erwärmung bis zur Körpertemperatur erfordert
310
JmolK
n ∫ C p dT = 5,55 ⋅ 75,5 ⋅ 37
= 15,50 kJ .
molK
273
In der Summe müssen somit für Schmelzen und Erwärmen des Eises etwa 51 kJ pro 100 g aufgebracht werden. (Das Verfahren erlaubt generell die Ermittlung von Enthalpie- oder Entropiedifferenzen oder z.B. den Enthalpie- oder Entropiegehalt einer Substanz, die nicht bei der in Tabellenwerken üblichen Temperatur vorliegt.)
Auf der anderen Seite enthält Speiseeis i.a. Zucker, woraus der Körper durch "Verbrennung"
Energie gewinnen kann:
∆VH = -2800 kJ/mol
C6H12O6 + 6 O2 → 6 CO2 + 6 H2O;
Die molare Masse des Zuckers ist 180 g/mol; daraus folgt, dass die Verbrennung von 1 g Zucker
15,6 kJ Energie liefert. Das betrachtete Speiseeis kann demnach nur nahrhaft sein, wenn es mehr
als 3,2 g Zucker pro 100 g Eis enthält. (Der Wert hängt natürlich von der Anfangstemperatur und
weiteren verdaubaren Inhaltsstoffen des Eises ab, insbesondere bei Portionen mit Sahne.)
Neben den Reaktionsenthalpien (die ggf. genauer, z.B. als Neutralisationsenthalpie, Verbrennungsenthalpie, usw. bezeichnet werden) und den bei Phasenumwandlungen auftretenden Umwandlungsenthalpien kennt man in der Chemie weitere Enthalpien12, die nach den damit verbundenen Prozessen als Verdünnungsenthalpie, Mischungs- bzw. Lösungsenthalpie, u.s.w. zu bezeichnen sind, und die positive oder negative Werte annehmen können. Gleiches gilt für die
betreffenden Entropien. Ursache ist wie immer jeweils der Unterschied dieser Größen im Ausgangs- und im Endzustand. Es muss z.B. beim Auflösen eines Feststoffs in einem Lösemittel
einerseits die Gitterenergie des Feststoffs aufgebracht werden, andererseits gewinnt das System
beim Auflösen (Solvatisieren) der Moleküle oder Ionen die Solvatationsenergie. Die Bilanz bestimmt dann, ob ein Stoff in einem bestimmten Lösemittel gut oder schlecht löslich ist und ob
dabei Wärme frei oder verbraucht wird.
3.2.7 Entropieänderung bei nicht-cyclischen Prozessen
Die Wärmeenergie nimmt unter den Energieformen eine Sonderstellung ein (welche letztlich der
2. Hauptsatz beschreibt). Kinetische und potentielle, mechanische und elektrische Energie können jeweils (reversibel) vollständig ineinander und in Wärme umgewandelt werden, nicht jedoch
Wärmeenergie in mechanische Energie, usw. Als Beispiel mag wieder die aus bestimmter Höhe
im Schwerefeld der Erde fallende Stahlkugel dienen, deren potentielle und kinetische Energie
beim Aufschlag auf den Untergrund vollständig in Wärme umgewandelt wird., d.h. in eine heftige Molekülbewegung, die durch Stöße rasch abgeleitet und insgesamt dissipiert wird.
Der umgekehrte Prozess – Ausrichtung und Konzentration der molekularen Wärmebewegung an
einem bestimmten Punkt, von dem aus die Kugel in die Höhe gehoben wird, ist äußerst unwahrscheinlich, würde allerdings dem 1. Hauptsatz nicht widersprechen. Spontane Prozesse wie
Wärmeleitung, Diffusion, usw. verlaufen nach Beobachtung ausschließlich in der Richtung zu-
12
In deutschsprachigen Lehrbüchern heißt es oft ...-wärme statt ...-enthalpie. - Man erkennt hier noch mal den praktischen Nutzen der Einführung der Enthalpie h (Gl. (3-6) anstelle der inneren Energie u), da alle hier genannten
Prozesse normalerweise bei konstantem Druck (Atmosphärendruck) durchgeführt werden.
32
nehmender Unordnung. Sie sind praktisch irreversibel, d.h. sie können nur unter Energieaufwand
umgekehrt werden. Die Energie dazu muss der Umgebung des Systems entnommen werden.
System und Umgebung zusammen bilden ein isoliertes Gesamtsystem, für das sowohl du = 0 als
auch dq = 0 gilt. Jede reversible (umkehrbare) Wärmeaufnahme des von uns betrachteten geschlossenen (inneren) Systems muss daher von einer Wärmeabgabe der Umgebung (äußeres System) begleitet sein. Hier muss zwischen reversiblen und irreversiblen Prozessen unterschieden
werden. Reversibel ist ein Prozess dann, wenn er jederzeit ohne zusätzlichen Energieaufwand
umkehrbar ist und dabei keine „Spuren“ (Verformungen, u.ä.) hinterlässt, was z.B. bei den vier
Schritten des CARNOTschen Kreisprozsses der Fall ist. In der Praxis ist das nur näherungsweise
erreichbar, indem man Prozesse langsam und nur in sehr kleinen Schritten durchführt (oder
durchrechnet). Dagegen sind plötzliche Zustandsänderungen i.a. irreversibel, ebenso chemische
Reaktionen. Beispiele:
1) Reversible Prozesse
a) Reversible isotherme Ausdehnung eines idealen Gases von v1 auf v2.
Wärmeaufnahme im inneren System ∆qi = nRT ln(v2/v1) = –∆a; die Umgebung verliert den gleichen Betrag, d.h. ∆qa = –∆qi, und die Entropieänderung des Gesamtsystems ist null:
∆s = ∆si + ∆sa = (∆qi + ∆qa)/T = 0.
(3-33)
b) Reversibler Phasenübergang (Schmelzen eines Festkörpers, Schmelzwärme ∆hfest-fl). Beim
Schmelzvorgang erhöht sich die Entropie um ∆si = ∆hfest-fl/Tfest-fl, die Wärmemenge ∆hfest-fl wird
dabei der Umgebung entzogen, deshalb ist ∆sa = –∆si und ∆s = 0.
c) Im Grenzfall können wir ein System auch reversibel erwärmen, indem wir ständig für gleiche
Temperatur im inneren und äußeren System sorgen. Dann gilt wieder ∆s = 0 und
T2
T
dq 2 cv dT
∆si = − ∆sa = ∫
=∫
.
(3-34)
T
T
T1
T1
In nicht zu großen ∆T ist cv als unabhängig von T anzusehen (s. Abb. S. 30). Dann folgt ∆si = cv
ln(T2/T1). Entsprechendes gilt für die reversible Erwärmung bei konstantem Druck.
Obige Beispiele zeigen, dass die Entropie konstant bleibt, wenn im Gesamtsystem nur reversible
Prozesse ablaufen. Für irreversible Prozesse gilt das nicht. Beipiele:
2) Irreversible Prozesse
a) Plötzliche Expansion eines idealen Gases in ein Vakuum von v1 auf v2. In diesem Extremfall
sind sowohl ∆u = 0 als auch ∆a = 0 (wegen p = 0), d.h. ∆qa = 0 und daher ist auch ∆sa = 0. Da
die Entropie eine Zustandsfunktion ist, kann man die Entropievermehrung des Gases bzw. Systems aus einem reversiblen Prozess entnehmen, der
zum gleichen Endzustand führt: ∆si = ∆qi/T = nR ln
(v2/v1). ∆si ist jetzt > 0, daher ist auch ∆s =∆si + ∆sa =
∆si > 0.
In realen Fällen ist p > 0 (aber < p1) und für die bei
der Expansion abgegebene Arbeit, vgl. Abb.13, gilt
wegen ∆u = 0: ∆ap = ∆qip < nRT ln (v2/v1).
Die Zunahme der Entropie des inneren Systems ist
13
aus WEDLERs Lehrbuch
33
nach wie vor ∆si , aber die mit der Umgebung ausgetauschte Wärmemenge ist nur ∆qap = –∆qip.
irreversibel
reversibel
Infolgedessen ist
∆s = ∆si + ∆qap/T = nR ln (v2/v1) – ∆qip/T, so dass
0 ≤ ∆s < nR ln (v2/v1)
wobei das Gleichheitszeichen für den reversiblen Fall gilt.
(3-35),
b) Übertragung der Wärmemenge ∆q durch Wärmeleitung von einem Wärmereservoir bei der
Temperatur T2 auf ein Reservoir bei niedrigerer Temperatur T1. Wenn ∆q hinreichend klein ist,
bleiben die Temperaturen der beiden Reservoirs in diesem Prozess unverändert und die Entropieänderung ist insgesamt
∆s = –∆q/T2 + ∆q/T1 > 0, da T2 > T1
(3-36).
c) Irreversibler Phasenübergang bei der Kristallisation von Wasser, das bei Normaldruck auf –4
°C unterkühlt ist. ∆si kann wieder mit Hilfe eines reversiblen (Ersatz-) Prozesses ermittelt werden:
1
2
3
H2O(–4 °C) → H2O(0 °C) → Eis(0 °C) → Eis(–4 °C)
Mit der Schmelzwärme von Wasser und den spezifischen Wärmen von Eis und Wasser
∆Hfest-fl = 6008 J/mol; Cp(Eis) = 37,7 J/mol, Cp(Wasser) = 75,5 J/mol
(vgl. Abschnitt 3.2.6) erhält man
∆Si = ∆S1 + ∆S2 + ∆S3 = Cp(Wasser) ln (273/269) – ∆Hfest-fl/Tfest-fl – Cp(Eis) ln (273/269)
= -21,4 J/(mol K).
Da Wärme abgegeben wird, ist ∆Sa = ∆Hfest-fl/269 K = 22,3 J/(mol K), so dass insgesamt
∆S = ∆Si + ∆Sa = 0,9 J/(mol K) > 0
(3-37)
Es zeigt sich, dass wie oben gesagt ∆s ≥ 0, wobei das Gleichheitszeichen für reversible, das Größerzeichen für irreversible Prozesse im Gesamtsystem gilt, welches als isoliertes System anzusehen ist. ∆s > 0 muss dann auch für freiwillig ablaufende chemische Reaktionen gelten, selbst
wenn ∆RS in der GIBBS-HELMHOLTZ-Gleichung negativ ist. Die Überlegung, dass eine ∆RH entsprechende Wärmemenge an die Umgebung abgegeben wird und dort die Unordnung vermehrt,
macht dies verständlich.
3.3
Phasenumwandlungen
Außer von der Temperatur hängen die Existenzbereiche der verschiedenen Phasen bzw. Aggregatzustände auch vom Druck ab. Dies ist im Kap. 2 schon erwähnt und mit der linken der folgenden
Abbildungen illustriert worden. Die rechte Abbildung gibt das Phasendiagramm
34
des Wassers im p-T- Diagramm wieder. Auf den Phasengleichgewichtslinien zwischen fester und
flüssiger, fester und gasförmiger sowie flüssiger und gasförmiger Phase liegen jeweils 2 Phasen
im Gleichgewicht vor, am Tripelpunkt drei Phasen. Oberhalb des kritischen Punktes können Gas
und Flüssigkeit nicht mehr unterschieden werden. Substanzen im überkritischen Zustand zeigen
Eigenschaften, die teils mit der Flüssigkeit (Lösevermögen) teils mit dem Gas (Fluidität bzw.
Viskosität) verwandt sind. Überkritisches CO2 zum Beispiel (kritischer Punkt: 78,3 bar; 31,1 °C)
findet technische Anwendungen bei Extraktions- und Färbeverfahren. Eine Besonderheit des
Wassers ist die negative Steigung der Schmelzkurve (Gleichgewichtslinie fest-flüssig im p-TDiagramm), die es erlaubt, dass Eis durch Druckerhöhung verflüssigt werden kann (Beitrag zur
Schlittschuhlaufmöglichkeit). Überkritisches Wasser gilt als aprotisches Lösemittel.
Phasendiagramme anderer Stoffe können erheblich komplizierter sein, wenn verschiedene Kristallmodifikationen der festen Phase vorliegen (vgl. oben Stickstoff im Cp-T-Diagramm), oder
wenn flüssigkristalline Phasen im Bereich der Flüssigkeit auftreten. Das Diagramm enthält dann
weitere Phasengleichgewichtslinien und Tripelpunkte.
3.3.1 Siedepunkt und Temperaturabhängigkeit des Dampfdrucks
Unter dem Begriff Siedepunkt versteht man normalerweise die Temperatur, bei der eine Flüssigkeit unter Normaldruck (Standard-Druck) siedet. Siedepunkte TS (auch Kochpunkte genannt)
variieren beträchtlich: Beispiele: He (TS = 4 K), N2 (TS = 77 K), H2O (TS = 373 K), NaCl (TS =
1686 K), W (TS ≈ 6000 K). Der Grund liegt in den unterschiedlichen Kräften, die die Flüssigkeitsteilchen zusammenhalten. Diese können sein: Kohäsionskräfte, Dipol-Dipol-Kräfte, Wasserstoffbrückenbindungen, Monopol-Monopol-Kräfte (bei Salzschmelzen), und weitere i.a. weniger wichtige. Weiterhin gibt es eine Abhängigkeit des Siedepunkts von der molaren Masse:
Siedepunkte der Edelgase variieren von 4 K beim Helium bis 208 K beim Radon, n-Alkane von
112 K beim Methan zu 342 K beim Hexan und weiter. (Ähnliche Überlegungen können zur Variation von Schmelzpunkten angestellt werden, wobei zusätzlich Gitterenergien zu berücksichtigen sind.)
Als Maß für die Kräfte kann die Verdampfungsenthaplie ∆hfl-g gelten, zu deren ungefährer Abschätzung die PICTET-TROUTON-Regel dienen mag, wonach der Quotient ∆Hfl-g/TS ungefähr konstant ist und bei etwa 87 J/(mol K) liegt. Die Regel ist jedoch nur für unpolare Stoffe (Kohlenwasserstoffe, Ether) einigermaßen erfüllt, wenn Wasserstoffbrückenbindungen auftreten, wird
der Quotient größer. Er gibt im übrigen die Entropieänderung beim Übergang in die Gasphase
an:
∆q ∆hfl − g
∆s =
=
(3-33).
T
TS
Siedepunkte hängen vom Druck ab, wie am Beispiel des Wassers an der Gleichgewichtslinie
flüssig-gasförmig im obigen p-T-Diagramm zu erkennen ist. Die Steigung dieser Kurve widerspiegelt generell die Temperaturabhängigkeit des Dampfdrucks: Über Flüssigkeiten gibt es stets
35
einen Dampfdruck (nicht nur unter Siedebedingungen), der mit der Temperatur steigt. Wird der
Dampfdruck als Funktion der Temperatur (in einem nicht zu großen Temperaturbereich) gemessen, so ergibt sich eine Abhängigkeit14 ln p ~ 1/T + const. Die Proportionalitätskonstante hierzu
enthält die Verdampfungsenthalpie ∆Hfl-g wie in der vereinfachten CLAUSIUS-CLAPEYRONGleichung (3-34) angegeben.
∆H fl − g
p 
ln 1  = −
R
 p2 
1
1
 − 
 T1 T2 
(3-34)
Verdampfungsenthalpien können entweder entsprechend obiger Gleichung aus Dampfdruckmessungen bei verschiedenen Temperaturen ermittelt oder direkt in einem Kalorimeter gemessen
werden. Die folgende Tabelle liefert einen Eindruck der Größenordnung von Verdampfungsenthalpien bei den jeweiligen Siedetemperaturen (die in etwa auch den bei der Adsorption von
Gas-Molekülen an Feststoff-Gas-Grenzflächen auftretenden Adsorptionsenthalpien entsprechen).
Stoff
He
N2
Ag
H2O
NH3
CH4
CH3OH
C6H6
∆Hfl-g/kJ/mol
0,084
5,59
251
40,7
23,4
8,18
35,3
30,8
3.3.2 Dampfdruck von Lösungen und Mischungen, Destillation
Unter Dampfruck versteht man den Druck, der von in der Gasphase über einer Flüssigkeit befindlichen Gasteilchen ausgeübt wird, die von der gleichen Art sind wie die Flüssigkeitsteilchen.
Dies kann in offenen Systemen ein Partialdruck des Luftdrucks sein. Wenn die Luft entfernt
wurde, ist der gemessene Druck der Dampfdruck sebst.
Nebenstehende Skizze zeigt ein System, das aus einer Lösung (Lösemittel und gelöster Stoff, z. B. Anthracen in Benzen) und der darüber
liegenden Gasphase besteht, die zu einem dem Dampfdruck
entsprechenden Teil Lösemittelmoleküle gasförmig enthält, während der
gelöste Stoff einen vernachlässigbar niedrigen Dampfdruck hat.
Im Gleichgewicht verlassen ebensoviele Lösemittelteilchen die Lösung
in Richtung Gasphase wie umgekehrt Teilchen aus der Gasphase in die
Flüssigkeit eintreten. Die entsprechenden Stoffmengenströme n& ↑ und
n& ↓ sind proportional zum Dampfdruck p bzw. zum Mengenanteil des Lösemittels x1, so dass im
Gleichgewicht der Dampfdruck p proportional zu x1 ist. Hieraus folgt das schon bekannte RAOULTsche Gesetz (in seiner eigentlichen Bedeutung)
p = x1 p0
(3-35),
wobei p0 der Dampfdruck des reinen Lösemittels ist. Andere Formulierungen dieses Gesetzes
sind
p0 – p = p0 – p0x1 = p0(1 – x1) = p0x2 oder ( p0 – p)/ p0 = x2
(3-35a).
14
vgl. Krümmung der Phasengleichgewichtslinie flüssig-gasförmig im Phasendiagramm
36
In Worten: Die relative Dampfdruckerniedrigung entspricht dem Molenbruch des Gelösten.
Wichtigste Anwendung ist die Stofftrennung durch Destillation:
Bei Mischungen zweier Flüssigkeiten kann der Dampfdruck keiner Komponente vernachlässigt
werden. Es gibt deshalb zwei Partialdampfdrücke p1 und p2. Für beide gilt (bei idealem Verhalten) das RAOULTsche Gesetz, so dass man für den Gesamtdampfdruck erhält
p = p1 + p2 = p01x1 + p02 x2
(3-36)
In einer reinen Gasphase gilt dagegen [vgl. (2-3, 2-4, 2-5)]
p = p1 + p2 = py1 + py2
(3-37),
wobei yi den Molenbruch in der Gasphase bezeichnet. Unter Siedebedingungen entspricht der
Dampfdruck dem Umgebungsdruck der Gasphase, so dass man gleichsetzen kann:
x1 p 01
p
y
= 1 = 1
(3-38)
x 2 p 02 p 2 y 2
Die Mengenverhältnisse x1/x2 in der flüssigen und y1/y2 in der Dampfphase unterscheiden sich
um den Faktor p01/p02, was eine Anreicherung der einen Komponente auf Kosten der anderen im
Dampf ermöglicht. Die Diagramme unten verdeutlichen die Unterschiede: Unten links wird die
Dampfdruckkurve als Funktion des Molenbruchs nach dem RAOULTschen Gesetz konstruiert (p).
Aus der Kurve py1 lässt sich die Zusammensetzung der Dampfphase ablesen.
Nach Kondensation derselben wurde die Komponente 2
angereichert, bzw. der Anteil der Komponente 1 ist von
50 % auf 15 % zurückgegangen (oben rechts). Nebenstehend ist der gleiche Vorgang im T-x-Diagramm dargestellt. Wiederholte Destillation (Rektifikation) ermöglicht eine immer bessere Trennung der Komponenten.
3.3.3 Löslichkeit von Gasen
Wie die Löslichkeit von Feststoffen oder die Mischbarkeit mit anderen Flüssigkeiten hängt die
Löslichkeit von Gasen von den Wechselwirkungen der Gasmoleküle mit den Lösemittelmolekü-
37
len ab. Sind die Wechselwirkungen groß, folgt eine gute Löslichkeit (1 dm3
H2O löst bei 20 °C 702 dm3 NH3). Sind sie klein, ergibt sich eine geringe
Löslichkeit (N2 in H2O).
Das mikroskopische Bild zeigt ein Gleichgewicht zwischen Gasmolekülen,
die in die flüssige Phase eintreten und solchen, die diese Phase verlassen:
n& ↑ ~ x und n& ↓ ~ p; im Gleichgewicht:
p = kH x
pi = kHi xi
(Henry-Gesetz)
(Henry-Dalton-Gesetz)
bzw.
(3-39)
(letzteres für Gasmischungen), wobei x den Mengenanteil des gelösten Gases und kH die HenryKonstante bedeuten.
Beispiel:
Die Löslichkeiten von Sauerstoff und Stickstoff in Wasser sind x(O2) = 2,36 ·10–5 und x(N2) =
1,1 ·10–5, jeweils bei 25 °C und 1,013 bar. Daraus folgt für dieses System, dass in der Wasserphase im Vergleich zur Luft, die 20 % Sauerstoff und 80 % Stickstoff enthält, relativ mehr Sauerstoff enthalten ist - sicher wichtig für die Grundlage des Lebens im Wasser. Man kann nun mit
Hilfe obiger Gesetze die Henry-Konstanten und die Konzentrationen von Sauerstoff und Stickstoff in der Wasserphase des Systems Wasser-Luft berechnen. Für 1 bar und 298 K ergibt sich:
kH(O2) = 4,26·104 ; kH(N2) = 9,08·104; kHi(O2) = 0,85·104; kHi(N2) = 7,26·104.
3.3.4 Kolligative Effekte
Hierunter versteht man Effekte in Mischungen oder Lösungen, deren Größe nur von der Teilchenzahl der Unterschusskomponente (Gelöstes) abhängen, nicht aber von deren chemischer
Natur.
3.3.4.1Osmotischer Druck
Nebenstehendes System zeigt eine Lösung, die
von einem reinen Lösemittel durch eine semipermeable Wand, die nur Lösemittelmoleküle durchlässt, getrennt ist. Das Lösemittel wird durch die
Wand strömen wollen, um die Lösung zu verdünnen (irreversibler Prozess, Entropievermehrung!).
Dadurch baut sich ein osmotischer Druck auf, der
mit einer sog. Pfefferschen Zelle zum messen ist.
Der osmotische Druck π lässt sich aus der Höhendifferenz ∆h der Flüssigkeitssäulen über den Kammern der Zelle ermitteln
∆hρ g = π
(3-39),
wobei g die Erdbeschleunigung und ρ die Dichte der Lösung sind. Berechnen lässt sich Π wie
ein Gasdruck:
38
π = nRT/v
(van't Hoff-Gleichung)
(3-40)
Osmotischer Druck ist die Grundlage für praktisch wichtige Verfahren, z.B. die Konservierung
von Lebensmitteln mit Zucker oder Salz (Bakterien- oder Pilzzellen trocknen aus) oder die Herstellung alkoholfreien Biers bzw. die Blutwäsche durch Dialyse und schließlich für Molekulargewichtsbestimmungen, s.u.).
3.3.4.2 Gefrierpunktserniedrigung
Die in Kap. 3.3.2 besprochene Dampfdruckerniedrigung ∆pS in Gegenwart gelöster Stoffe (Gl. 335a), die eine Erhöhung des Siedepunkts TS bewirkt, führt zwangsläufig zu einer Verschiebung
des Tripelpunkts und damit zu einer Erniedrigung des Schmelz- oder Gefrierpunkts TG (= Tfest-fl).
Dies ist in nebenstehendem Diagramm gezeigt (die Sublimationskurve wird nur wenig beeinflusst).
Entsprechend der Dampfdruckerniedrigung sind auch die Siedepunktserhöhung und die Gefrierpunktserniedrigung proportional zu x2 und damit zu c2 (Index 2 für gelösten Stoff):
(3-41)
∆TG = K x2 = KG c2 = KG' b2
(b = Molalität, s. 3.3.7). K wird kryoskopische Konstante genannt; die entsprechende Konstante
Es für die Siedepunktserhöhung heißt ebullioskopische Konstante (lat. ebullio = ich sprudele
hervor).
Einige Beispiele:
H2O
Benzen
Campher
Cyclohexanol
TG/ °C
0
5,5
178,4
25,5
KG/ (K dm3
mol–1)
KG'/ (K kg
mol–1)
TS/°C
–1,86
–5,07
–37,4
–38,2
Es’/(K kg
mol–1)
Phenol
CCl4
-63,5
–39,7
-4,68
100,0
80,1
181,9
76,7
0,52
2,53
3,04
4,95
Gefrierpunktserniedrigung, Siedepunktserhöhung und osmotischer Druck gehören zu den sogenannten kolligativen Prozessen, d.h. sie sind (in
verdünnten Systemen) nur von der Zahl, nicht aber von
der Art gelöster Teilchen abhängig und lassen sich
daher zur Bestimmung von molaren Massen M
ausnutzen:
∆TG = KG' b2 = KG' n2 / m1 = KG' m2 / (M2 m1)
(3-42)
Wichtig ist dabei, dass die Komponente 2 (Gelöstes) in
geringer Konzentration vorliegt, d.h. in der
39
Größenordnung 1 Gewichtsprozent oder weniger. Damit wird sichergestellt, dass keine Wechselwirkungen zwischen Teilchen der Komponente 2 auftreten. Es folgt, dass nur Substanzen mit
großen KG für diesen Zweck (als Komponente 1) geeignet sind (s. Tabelle).
Andere Anwendungen der Gefrierpunktserniedrigung sind Kältebäder (z.B. Mischungen aus Eis
und Salzen) und die Verwendung von Auftausalzen bei winterlichen Straßenverhältnissen.
Diese Effekte können wie folgt erklärt werden:
Kältemischung: In einer Mischung aus Eis + Wasser + Salz ist 0 °C nicht der Gefrierpunkt. Infolgedessen schmilzt das Eis, wobei zur Erbringung der Schmelzenthalpie der Umgebung Wärme entzogen wird. Deshalb kühlt sich die Umgebung ab, bis der aktuelle Gefrierpunkt erreicht ist.
Mit Eis und NaCl können Kältebäder bis –21 °C, mit Eis und CaCl2 bis –55 °C eingestellt werden. Darunter nutzt man festes CO2 in Mischung mit Aceton bzw. Methanol (–68 °C) oder flüssigen Stickstoff (77 K).
Auftausalz: Werden Schnee oder Eis mit Salz gemischt, schmilzt soviel Eis bis
der Schmelzpunkt erreicht ist (s. o.). Liegt dann die Umgebungstemperatur über
dem aktuellen Gefrierpunkt, so schmilzt das restliche Eis auch..
3.3.5 Nernstscher Verteilungssatz
Nach Nernst15 verteilt sich ein gelöster Stoff (oder eine Komponente i eines Stoffgemisches) auf
zwei in Kontakt stehende nicht mischbare Lösemittel in einem Verhältnis der Konzentrationen
ci(I)/ci(II), welches konstant ist, d.h. nur von der Temperatur (ggf. vom
Druck) abhängt, nicht aber vom Volumen der beiden Flüssigkeiten.
Diese Konstanz des Konzentrationsverhältnisses ist die Grundlage vieler
Trennverfahren. Trennt man die beiden Phasen z.B. mit Hilfe eines Scheidetrichters und ergänzt das jeweils fehlende Lösemittel, so stellt sich die
Verteilung nach Nernst wieder ein. So lassen sich Substanzen
"ausschütteln". Die Verteilungschromatographie (Gaschromatographie,
Papierchromatographie) basiert auf multipler Anwendung dieses Prinzips.
3.4
Mehrkomponentensysteme und chemisches Potenzial
Als Komponenten eines Systems werden nur voneinander unabhängige gezählt. Eine Lösung, die
drei gelöste Stoffe enthält, hat demnach vier Komponenten. In einer wässrigen Lösung, die teilweise dissoziierte Essigsäure enthält, zählen jedoch Essigsäure, H+-Ionen und Acetat-Anionen
als eine Komponente, weil deren Konzentrationen voneinander abhängen.
In Systemen aus mehreren voneinander unabhängigen Komponenten hängen die Zahlenwerte der
thermodynamischen Größen von den Mengen ni der Komponenten i ab; z.B. ist die Freie Enthalpie g eines aus C Komponenten bestehenden Systems eine Funktion g = g (p,T,n1, ...nC). Entsprechend ist die innere Energie u = u (s,v,n1, ... nC), das Volumen v = v (p,T,n1, ...nC), usw.
Änderungen der Freien Enthalpie lassen sich daher allgemein ausdrücken als
 ∂g 
 ∂g 
dg = 
 dT +   dp + ∑
 ∂T  p , ni
i
 ∂p  T , ni
15
 ∂g

 ∂ni


dni
 p ,T , n j ≠ ni
(3-43)
Der Name Walther Nernst wird öfter auftauchen. Interessantes zu Person und Wirken unter www.Nernst.de
40
vgl. (3-3) u. ä.. Wenn alle ni konstant gehalten werden, entfällt der Summen-Term, und dg nimmt
die gleiche Form an wie im Einkomponenten-System; allerdings hängen Entropie und Volumen
nunmehr ebenfalls von den ni ab:
 ∂g 
= − s ( p, T , n i )


 ∂T  p , ni
(durch partielle Ableitung von dg = dh –Tds nach T)
 ∂g 
 
= v( p, T , n i )
 ∂p  T ,ni
(3-44)
(3-45)
wegen dg = (dh) – Tds = (du+ pdv) + vdp – Tds = (dq +da + pdv)+ vdp – Tds =
(Tds – vdp + pdv) + vdp – Tds = vdp.
Man definiert jetzt als chemisches Potenzial der Komponente i:
 ∂g 

µ i = 
∂
n
 i  p ,T , n
(3-46)
j
≠ ni
 ∂g 
Für ein Ein-Komponentensystem ist µ =   = G , jedoch treten bei praktizierter Chemie
 ∂n  p ,T
immer mehrere Komponenten auf, deren Stoffmengen sich ändern (Stoffumsatz). Das chemische
Potenzial kann als Triebkraft bezogen auf die Komponente i betrachtet werden.
Aus Gründen der Zweckmäßigkeit wird (neben u, g und h) noch ein weiteres thermodynamisches
Potenzial eingeführt, die Freie Energie f (auch Helmholtz-Energie genannt, häufig auch mit a
symbolisiert). Es ist schon bekannt, dass g = h – Ts und u = h – pv; die Freie Energie wird jetzt
definiert als
f = g – pv
bzw.
f = u – Ts
(3-47).
Für Änderungen von f gilt dann
df = − s dT − p dv + ∑ µ i dn i
(3-48),
i
wobei die Zweckmäßigkeit der Einführung von f erkennbar wird, wenn das chemische Potenzial
als
 ∂f 

µ i = 
 ∂ni  v ,T , n
(3-49)
j
≠ ni
geschrieben wird, weil es experimentell für Gasphasensysteme relativ einfach ist, v und T konstant zu halten. Für kondensierte Systeme benutzt man meist das chemische Potenzial nach (346), weil es experimentell einfach ist, p und T konstant zu halten (z. B. Normaldruck und Raumtemperatur oder Siedetemperatur eines kochenden Gemisches). Bei Bedarf kann jedoch das chemische Potenzial auch entsprechend durch
41
 ∂h 

µ i = 
 ∂ni  s , p , n
oder
j ≠ ni
 ∂u 

µ i = 
 ∂ni  s ,v , n
(3-50)
j ≠ ni
ausgedrückt werden.
3.5
Mehrphasensysteme
3.5.1 Phasenregel.
Bekanntlich wird ein homogener Materiebereich einheitlicher Zusammensetzung als Phase bezeichnet (vgl. 1.2). Beispiele sind hierfür Gasmischungen, wässrige Lösungen, Eis aber auch
Mischkristalle u.ä. Bringt man zwei Phasen α und β in Kontakt miteinander, so finden Austauschprozesse an der Phasengrenze statt, weil die thermodynamischen Potenziale, die sich in
den isolierten Phasen unterscheiden, ausgeglichen werden müssen und sich deshalb ändern. Bei
dp = 0 gilt für Änderungen der freien Enthalpie
dg = dg α + dg β = ∑ µ α i dn α i + ∑ µ β i dn β i
i
(3-51)
i
Wegen Massenerhaltung muss für jede Komponente i gelten
– dnαi = dnβi = dni
(3-52).
Wenn der Gleichgewichtszustand erreicht ist, hat die Freie Enthalpie ihren Minimalwert erreicht,
d.h. dg = 0, und man erhält für jede der C Komponenten eine Gleichgewichtsbedingung der
Form µ αi = µ βi, und wenn nicht zwei sondern P Phasen im Gleichgewicht vorliegen, ergeben
sich für jede der C Komponenten die (P –1) Gleichgewichtsbedingungen nach (3-53):
µ αi = µ βi = µ γi = ... = µ Pi
(3-53).
Die Zahl der Phasen, die im thermodynamischen Gleichgewicht nebeneinander existieren können, hängt auch von Druck und Temperatur ab. Beispielsweise bilden Flüssigkeiten und ihre
Dämpfe bei niedrigen Temperaturen Zweiphasensysteme, bei hinreichend hohen Temperaturen
verdampft jedoch die Flüssigkeit, so dass nur noch eine Phase übrig bleibt. Man bezeichnet daher
als „Freiheitsgrad“ fg eines Mehrphasensystems die Zahl der intensiven Zustandsgrößen, die
unabhängig voneinander variiert werden können, ohne dass sich dabei die Zahl der Phasen ändert. Hierfür gilt die Phasenregel nach GIBBS:
fg = C + 2 – P
(3-54).
Herleitung: Der Zustand des Gesamtsystems hängt von p, T und von den Mengen nνi der C
Komponenten in den P Phasen ab, d.h. von insgesamt 2 + C·P Zustandsvariablen. Die Mengenanteile
n vi
x vi =
mit i = 1,2,...C und v = 1,2,...P
(3-55)
∑ nvi
i
der Komponenten in den einzelnen Phasen müssen die P Gleichungen nach (3-56) erfüllen
42
C
∑
x vi = x v1 + x v 2 ... + x vC
(3-56)
i
Außerdem gelten die C· (P – 1) Gleichgewichtsbedingungen nach (3-53), so dass aus (3-54)
fg = 2 + C·P – P – C(P – 1) = 2 – P + C
(3-57)
wird, (3-57) entspricht (3-54).
Die einfachste Anwendung der Phasenregel kann im
Phasendiagramm eines Einkomponentensystems
erfolgen. Ein solches System kann entweder in jeweils einer Phase, z. B. in der Gasphase, zwei Phasen (z.B. Festkörper und Schmelze: Punkte auf der
Schmelzkurve) oder dreiphasig (am Tripelpunkt, s.
nebenstehende Skizze) vorliegen. Die Anwendung
der Phasenregel ergibt:
P
fg
1
2
bivariantes System
2
1
univariantes System
3
0
invariantes System
Im Fall P = 1 können p und T frei gewählt werden, ohne
dass das Einphasengebiet verlassen wird. Im Fall P = 2
kann man p oder T verändern, die jeweils andere Größe
ist dann dadurch festgelegt, dass das System auf der
Gleichgewichtslinie bleiben muss.
3.5.2 Verdampfungsgleichgewicht
Während im Einkomponentensystem das chemische Potenzial die Bedeutung einer molaren Freien Enthalpie hat (µ = g/n = G) und deshalb dµ = – SdT + Vdp ist (vgl. 3-44 bis 3-46), muss für
zwei im Gleichgewicht stehende Phasen (d.h. fg = 1) gelten:
dµ α = dµ β = – Sα dT + Vα dp = – Sβ dT + Vβ dp
(3-58).
dp S α − S β ∆ S
=
=
dT Vα − Vβ ∆V
(3-59)
Daraus folgt
und der Entropieunterschied zwischen beiden Phasen lässt sich mit Hilfe der Umwandlungsenthalpie ∆UH ausdrücken:
∆S = ∆UH/TU
(3-60)
entsprechend (3-33), wobei TU die Phasenumwandlungstemperatur (Siedepunkt, Schmelzpunkt,
Sublimationspunkt) ist.
Ist ∆UH die Verdampfungswärme ∆Hfl-g, so bezeichnet Vα das Molvolumen des Dampfes VD und
Vβ das Molvolumen Vfl der Flüssigkeit, die mit dem Dampf im Gleichgewicht steht. In der Regel
(d.h. bei relativ niedrigen Dampfdrücken) ist Vfl << VD ≈ RT/p, so dass
43
dp ∆H fl-g
p
=
dT
RT 2
bzw.
∆H fl -g
dp ∆H fl -g dT
=
= d ln p =
2
p
R T
R
 1
d − 
 T
(3-61)
Nach Intergration erhält man die Gleichung für die Dampfdruckkurve (CLAUSIUS-CLAPEYRONGLEICHUNG; vgl. 3-34)
ln p − ln p0 = ln
p ∆H fl -g
=
p0
R
Kapitel 4:
 1 1
 − 
 T0 T 
(3-62)
Kinetik
4.1.1 Definiton der Reaktionsgeschwindigkeit r
Als Beispiel soll die Reaktion
H2 + I2 → 2 HI
dienen, die in der Gasphase bei ca. 500 K so abläuft. Im Verlauf der Reaktion nehmen die Partialdrücke von H2 und I2 ab, während der HI-Druck zunimmt. Die Geschwindigkeit dieser Vorgänge ist zu beschreiben als Differentialquotient –dp(H2)/dt, der Reaktionsgeschwindigkeit r
genannt wird (Ableitung des Drucks oder der Konzentration nach der Zeit t) Es ist
r = –dp(H2)/ dt = –dp(I2)/ dt = +dp(HI)/2 dt
(4-1)
oder allgemein mit den Koeffizienten ν (nü) der Reaktionsgleichung
r = νj–1 dpj / dt
(4-2).
Das Experiment ergibt typischerweise untenstehende Kurve, bei der die jeweilige Steigung der
Reaktionsgeschwindigkeit r entspricht. Diese ändert sich während der Reaktion ständig und ist
somit nicht charakteristisch für eine Reaktion.
4.1.2 Reaktion 2. Ordnung
Wir betrachten die in der Atmosphärenchemie (Luftverschmutzung) wichtige Reaktion
NO + O3 → NO2 + O2
Über den Reaktionsmechanismus weiß man, dass er sehr einfach ist: Stickstoffmonoxid und Ozon stoßen zusammen und bilden Stickstoffdioxid und Sauerstoff-Moleküle. So etwas nennt man
44
eine bimolekulare Reaktion, deren Ablauf mit Hilfe eines Übergangszustands formuliert werden
kann (vgl. Skizze in Kap. 4.3). Selbst wenn nicht jeder Zusammenstoß erfolgreich sein sollte, ist
r proportional zur Zahl der Zusammenstöße und daher r ~ p(NO) sowie r ~ p(O3); zusammengefasst:
r = k ·p(NO) · p(O3)
(4-3)
k heißt Reaktionsgeschwindigkeitskonstante, sie ist charakteristisch für eine Reaktion. Die differentielle Form der Reaktionsgeschwindigkeitsgleichung (Geschwindigkeits-Zeit-Gesetz) lautet
für obige Reaktion
r = –dp(NO) / dt = k ·p(NO) · p(O3)
(4-4).
Man nennt (4-4) Geschwindigkeits-Zeit-Gesetz zweiter Ordnung, wenn wie hier die Reaktionsgeschwindigkeit von zwei Drücken (Konzentrationen, etc.) abhängt. Eine bimolekulare Reaktion
kann nach der zweiten Ordnung abkaufen, muss aber nicht; z.B. erhält man bei großem Überschuss eines Reaktionspartners experimentell eine Reaktion erster Ordnung, weil sich die Konzentration des Überschussreaktionspartners während der Reaktion praktisch nicht ändert.
Zur Vereinfachung der Integration von Gl. (4-4) lassen wir die Reaktion mit gleichen Ausgangsdrücken p0(O3) = p0(NO) starten; dann gilt immer p(O3) = p(NO) und man kann schreiben
–dp(NO) / dt = k · p2(NO)
Die Integration liefert
1
1
−
= kt
p (NO) p0 (NO)
(4-5).
(4-6),
k ist also als Steigung einer Auftragung 1/p(NO) gegen t zu bestimmen.
Bimolekulare Reaktionen laufen auch in Lösung ab, z.B. die Esterverseifung
CH3COOCH3 + OH– → CH3COO + CH3OH
Hier wird dann üblicherweise mit Konzentrationen gerechnet.
4.1.3. Reaktion erster Ordnung
Von einer monomolekularen Reaktion spricht man, wenn ein Molekül reagiert, ohne dass andere Moleküle beteiligt sind, z.B. Valenz-Umlagerungen oder radioaktive Zerfälle.
Das Geschwindigkeits-Zeit-Gesetz hierfür lautet – dN / dt = kN, integriert von der AnfangsTeilchenzahl N0 bis N:
N = N0 · e–kt
oder ln N = ln N0 – kt
(4-7),
wobei wieder die Geschwindigkeitskonstante nach Messung von N bei verschiedenen Zeiten t
graphisch ermittelt werden kann (Wichtig zur Unterscheidung von Reaktionen erster und zweiter
Ordnung ist, dass tatsächlich der Graph angeschaut wird; bloße lineare Regression kann täuschen). Bei radioaktiven Zerfällen wird häufig nicht k sondern die Halbwertszeit τ1/2 angegeben,
45
nach welcher die Hälfte der zu Beginn vorhandenen Atome zerfallen sind. Beide können ineinander umgerechnet werden, wie man sich nach Integration von t = 0 bis t = τ1/2 klarmachen kann:
τ1/2 = (ln 2)/k.
4.2
Reaktionsmechanismus
Nebenstehendes Diagramm zeigt ein Beispiel zur Ermittlung eines
Reaktionsmechanismus. Nach der Reaktionsgleichung
2 CH3COCH3 → 2 CH4 + 2 CO + C2H4
könnte man erwarten, dass CO mit der gleichen Geschwindigkeit
gebildet wird, mit der auch Aceton verschwindet. Die Kurve des
CO-Drucks zeigt, dass dies nicht der Fall ist. Zudem wird eine Kinetik 1. Ordnung bestimmt.
Der Grund liegt in der vorübergehenden Bildung des Zwischenprodukts Keten (CH2CO) nach
der Gleichung:
CH3COCH3 → CH2CO + CH4. Entsprechend liefert die Kurve für p(Aceton) in obigem Diagramm eine Konstante erster Ordnung. Aus Keten wird dann CO abgespalten:
2 CH2CO → CH2CH2 + 2 CO.
4.3
Aktivierungsenergie
Die Betrachtung der bereits bekannten bimolekularen
Reaktion NO + O3 → NO2 + O2 in einem Energiediagramm liefert die rechtsstehende Abbildung. Die hervorgehobenen Punkte 1 bis 6 sind unten illustriert.
Demnach müssen die
Reaktionspartner einen
Übergangszustand
3
durchlaufen, in welchem das zu übertragende Sauerstoffatom zu
beiden Molekülen gehört. Der Zustand 5 entspricht den stabilen
Produktmolekülen mit N-O-Gleichgewichtsabstand. Noch kürzere
N-O-Abstände (6) bedeuten wegen der Kernabstoßung wieder
höhere Energie. Der Übergangszustand entspricht i.a. höherer Energie als der Produkt- oder Eduktzustand. Deshalb muss den Reaktionspartnern die Aktivierungsenergie EA zu Verfügung
stehen, wenn eine Begegnung (Zusammenstoß) der Moleküle zur Reaktion führen soll.
Mit steigender Temperatur steigt die Zahl der Zusammenstöße, bei welchen die (von der Geschwindigkeit beider Reaktionspartner abhängende) Stoßenergie größer als EA ist, stark an. Die
Reaktionswahrscheinlichkeit steigt also mit der Temperatur (und mit der Zahl der Zusammenstöße). Experimentell macht sich dies in einer drastischen Temperaturabhängigkeit der
Geschwindigkeits-konstanten bemerkbar16. Der Anteil der Molekülzusammenstöße N*, bei welchen die Stoßenergie größer ist als EA, ist nach BOLTZMANN gegeben durch den Ausdruck:
16
Ausnahme: Radioaktiver Zerfall ist keine chemische Reaktion, Radionuclid-Halbwertszeiten sind nicht temperaturabhängig
46
E
− A
N*
= e RT
N
(4-8)
(vgl. 2-26). Dagegen steigt die Zahl oder Frequenz der Zusammenstöße vernachlässigbar, nämlich mit T–1/2 (vgl. 2-46). Zusammenfassend sollte die Reaktionsgeschwindigkeit proportional
sein zu Stoßzahl, BOLTZMANN-Faktor und Druck (Konzentration) der reagierenden Moleküle. Es
folgt für die Reaktionsgeschwindigkeit
 E 
(4-9),
r = k ⋅ p ( NO) p (O3 ) = k∞ exp − A  p ( NO) p (O3 )
 RT 
wobei k∞ der Stoßzahl entspricht (nur bei einfachen Reaktionen). Daraus ergibt sich die ARRHENIUS-Gleichung für die Temperaturabhängigkeit der Geschwindigkeitskonstanten
 E 
k = k ∞ exp − A 
(4-10)
 RT 
Bestimmen lässt sich EA durch Messen von k bei mehreren Temperaturen und graphische Auftragung von lnk gegen 1/T. Die Steigung der erhaltenen Geraden ist –EA/R.
4.4
Katalyse
Der Begriff Katalysator wird gebraucht für einen Stoff, der die Reaktionsgeschwindigkeit erhöht,
ohne in der Reaktionsgleichung vorzukommen. Beispielsweise beschleunigt Vanadiumpentoxid
V2O5 die Oxidation von SO2 zu SO3 (Kontaktverfahren, Katalysator: V2O5 auf porösem SiO2).
SO3 ist für die Herstellung von Schwefelsäure notwendig. Genaue Untersuchungen haben folgenden Mechanismus aufgezeigt:
1. Schritt
2. Schritt
SO2 + V2O5 → V2O4 + SO3
V2O4 + 1/2 O2 → V2O5
Addiert man beide Gleichungen, so ergibt sich
SO2 + 1/2 O2 → SO3;
das Vandiumpentoxid dient also nur als Sauerstoffüberträger. Offensichtlich ist die Summe der
Aktivierungsenergien für die Schritte 1 und 2 kleiner als die der direkten Oxidation. Die Wirkung des V2O5 nennt man Katalyse, und zwar heterogene Katalyse, wenn wie hier Katalysator
und reagierende Moleküle in verschiedenen Aggregatzuständen vorliegen (vgl. Abgasreinigung
im Auto). Bei der homogenen Katalyse liegen Katalysator und reagierende Stoffe in derselben
Phase, z.B. gelöst vor. Negative Katalyse wird als Inhibierung bezeichnet. Eine geeignete Katalyse ermöglicht die Optimierung der Führung chemischer Verfahren in vielerlei Hinsicht:
Effekt
Beschleunigung von Reaktionen durch niedrigere
Aktivierungsenergie im katalysierten Prozess
oder Möglichkeit der Durchführung von Reaktionen bei niedrigerer Temperatur
Steuerung von Reaktionen: Es wird bei mehreren
Möglichkeiten die gewünschte Reaktion katalysiert, dadurch wird die Bildung von Nebenprodukten unterdrückt
Vorteil
Zeitgewinn
Energieeinsparung
Minimierung von Trennproblemen,
bessere Ausnutzung der eingesetzten
Chemikalien,
vermindertes Entsorgungsproblem
47
Kapitel 5:
Chemisches Gleichgewicht
5.1
Gleichgewichtsreaktionen und Massenwirkungsgesetz
Die schon bekannte Reaktion H2 + I2 → 2 HI
verläuft so bei Temperaturen um 500 K. Ab etwa 700 K
läuft die Reaktion auch in umgekehrter Richtung ab: 2
HI → H2 + I2. In diesem Temperaturbereich beobachtet
man also beides, d.h. ausgehend von H2 und I2 wird HI
gebildet und ausgehend von HI bilden sich Wasserstoff
und Iod, in beiden Reaktionen erzielt man jedoch keinen vollständigen Umsatz sondern erreicht einen identischen Gleichgewichtszustand (s. Skizze), in welchem
Hin- und Rückreaktion gleich schnell sind (sog. dynamisches Gleichgewicht). Man schreibt dann in einer
Gleichung
H2 + I2 ⇌ 2 HI
(5-1).
Für die im Gleichgewicht gleichen Reaktionsgeschwindigkeiten gilt
rhin = khin p(H2) p(I2) und rrück = krück p2(HI)
(5-2).
Dies kann wegen rhin = rrück zusammengefasst werden zu
pG2 ( HI )
k
= hin = K
pG (H 2 ) pG ( I 2 ) k rück
(5-3).
Solche Ausdrücke heißen Massenwirkungsgesetz, die Massenwirkungskonstante K ist (wie die
Geschwindigkeitskonstanten) von der Temperatur und vom Gesamtdruck abhängig. Zur Aufstellung von Massenwirkungsgesetzen werden konventionsgemäß die Drücke (Konzentrationen,
Mengenanteile, etc.) der Produkte in den Zähler, die der Edukte in den Nenner geschrieben. Der
Index G besagt, dass es sich um Gleichgewichtsdrücke handelt, nicht um sich ändernde Drücke
während der Reaktion.
Das Massenwirkungsgesetz bedeutet für obige Reaktion, dass sich in jeder Probe, die H2, I2 und
HI in irgendeinem Verhältnis enthält, die Partialdrücke durch Hin- oder Rückreaktion solange
ändern, bis das Massenwirkungsgesetz erfüllt ist. Erhöhung des HI-Partialdrucks führt zu vermehrter Bildung von Wasserstoff und Iod, Erhöhung des Wasserstoff-Partialdrucks zu vermehrter HI-Bildung und zur Verringerung des Iod-Partialdrucks.
Eine allgemeine Formulierung des Massenwirkungsgesetzes für beliebige Reaktionsgleichungen
ist
νA A + νB B + ... ⇌ νN N +νMM + ...
K (T ) =
pνGN ( N )· pνGM ( M )·...
pνGA ( A )· pνGB ( B) ⋅ ...
Als weiteres Beispiel sei die Synthese des Ammoniaks NH3 genannt:
(5-4)
48
N2 + 3 H2 ⇌ 2 NH3
Man erkennt zunächst, dass die Massenwirkungskonstante
p 2 ( NH 3 )
K= 3 G
(5-5)
pG ( H 2 ) pG ( N 2 )
hier im Unterschied zum Iodwasserstoff-Beispiel dimensionsbehaftet ist17. Konstanten verschiedener Gleichgewichte können also – ebenso wie Geschwindigkeitskonstanten verschiedener
Ordnung – nicht einfach durch Unterschiedsbildung verglichen werden.
Technisch wird die Reaktion unter hohem Druck und in Gegenwart eines Katalysators durchgeführt (HABER-BOSCH-Verfahren). Gesamtdruckerhöhung verschiebt das Gleichgewicht zu NH3,
weil sich bei der Reaktion die Zahl der Gasteilchen verringert (Prinzip vom kleinsten Zwang, LECHATELIER-Prinzip). Der Katalysator kann die Gleichgewichtslage nicht beeinflussen, weil Hinund Rückreaktionen gleiche Übergangszustände durchlaufen (Prinzip der Mikroreversibilität). Er
kann aber die Reaktionsgeschwindigkeiten und damit die Geschwindigkeit der Einstellung des
Gleichgewichts beschleunigen.
Schwache Säuren wie Essigsäure CH3COOH dissoziieren in Wasser nicht vollständig in AcetatAnionen CH3COO- und Protonen H+. Am Massenwirkungsgesetz5
cG,CH COO − ·cG, H +
3
CH3COOH ⇌ CH3COOH– +H+;
(5-6)
K=
cG,CH 3COOH
(jetzt nicht mit Partialdrücken sondern mit Gleichgewichtskonzentrationen formuliert) kann
nachvollzogen werden, dass 1. eine Erhöhung der Essigsäurekonzentration nicht eine proportionale Erhöhung der H+-Ionenkonzentration zur Folge hat (stark saure Lösungen können mit Essigsäure nicht hergestellt werden) und 2. eine Erhöhung der Acetat-Konzentration die Gleichgewichtslage nach links verschiebt (Pufferwirkung).
Löslichkeitsprodukt
Steht ein Salz als Feststoff mit einer Lösung im Gleichgewicht, so nennt man die zugehörige
Gleichgewichtskonstante Löslichkeitsprodukt KL. Beispiel 1 zeigt eine Möglichkeit der Herleitung.
Beispiel 1:
ABfest↓ ⇌
ABgelöst
⇌ A+ + B–
↓
Bodenkörper
K=
cG, A + ·cG, B−
cG, AB gelöst
17
Das Auftreten einer Dimension ist eine Folge der gegebenen kinetischen Ableitung des Massenwirkungsgesetzes. Bei der im
Grunde exakteren und allgemeineren thermodynamischen Ableitung, bei der Gl. 5-10 unmittelbar folgt, verschwindet die
Dimension, indem mit Aktivitäten a (s.u.) gerechnet wird oder jeder Druck bzw. jede Konzentration auf einen Standard bezogen
wird: z.B. c/c⊝ (c⊝ = 1 mol dm–3) oder p/p⊝, (p⊝ = 1 bar) vgl. Lehrbücher. Ähnlich kann auch bei Geschwindigkeitskonstanten
verfahren werden.
49
cG,ABgelöst ist konstant (jedoch in der Regel nicht messbar), wenn die Lösung in Kontakt mit
Bodenkörper steht (und nur dann!), so dass man schreiben kann
K · cABgelöst = KL1 = cG,A+ · cG,B–
(5-7)
mol2
In diesem Fall ist [ K L1 ] = 2 .
l
Nötigenfalls kann die Einheit wieder durch Bezug auf Standardwerte beseitigt werden.
Etwas anders muss Beispiel 2 behandelt werden:
A2Bfest ⇌ A2Bgelöst ⇌ 2 A+ + B2–
2
A+
K L2 = c ·cB −
wobei jetzt [ K L 2 ] =
mol3
l3
(5-8),
mol3
.
l3
Berechnung der Konzentrationen im Gleichgewicht mit einem Bodensatz (gesättigte Lösung)
cB– = cA+
Für Beispiel 1:
cA2 + = K L1 ; cA + = K L1
Für Beispiel 2:
½ cA3 + = K L2
cB– = ½ cA+
; cA + = 3 2 K L2
Erheblich eleganter ist die Herleitung des Löslichkeitsprodukts, wenn Aktivitäten (vgl. 5-17)
betrachtet werden, die in realen Mischungen oder Lösungen oft als Konzentrationsmaß genutzt
werden, welches bereits Wechselwirkungen der Komponenten berücksichtigt (und dimensionslos
ist). Die Aktivität a einer Komponente i in Elektrolytlösungen ist dann z.B. ai = γi٠ci , wobei γi
der sog. Aktivitätskoeffizient ist, der die Konzentrationen bezüglich der Wechselwirkungen mit
anderen Ionen korrigiert und in der Regel < 1 ist. Die Aktivität eines reinen Stoffes ist definitionsgemäß 1 (vgl. 5-17). In Aktivitäten würde man das Löslichkeitsgleichgewicht in obigem Beispiel 1 als K L =
aG, A + ·aG, B−
aG, AB fest
= aG, A + ⋅ aG, B- schreiben. Der Nenner ist dann gleich 1 (reiner
Stoff).
5.2
Triebkraft und Gleichgewicht
Wie schon in der Skizze zum Iod-Wasserstoff-Gleichgewicht angedeutet, haben Gleichgewichtslage und Triebkraft der Reaktion miteinander zu tun. Die vor der Reaktion zur Verfügung stehende Triebkraft lässt sich mit den Mitteln des Kapitels 3 als ∆RG⊝ berechnen. Diese Größe ist
eine Konstante (wenn p und T konstant sind). Während die Reaktion dem Gleichgewicht zustrebt, nimmt die Triebkraft ab. Sie ist dann eine Variable: die Freie Reaktionsenthalpie ∆RG, die
50
0 wird, wenn das Gleichgewicht erreicht ist. Diese Variable gibt den "Abstand" zum Gleichgewicht an. Sie ist mit der Konstanten ∆RG⊝ verknüpft durch die Beziehung
∆ R G = ∆ R G Θ + RT ln ∏ pνi i
(5-9)
( pi ≠ pi , G ). Im Gleichgewicht (∆RG = 0, pi = pG ,i ) gilt daher die wichtige Gleichung
∆RG⊝ = –RT lnKp
(5-10).
Zur Herleitung von 5-8 werden die Begriffe Chemisches Potential µ (Kap. 3.4) und
Reaktionslaufzahl ξ benötigt (µ i = ∂g/∂ni; dξ = dni /νi).
Reaktionslaufzahl
Für eine allgemein formulierte Reaktion
|νA| A + |νB| B → |νC| C + |νD| D
ergibt sich ein differentieller Umsatz
dnA/νA = dnB/νB = dnC/νC = dnD/νD
(5-11),
wobei die Vorzeichen zu den stöchiometrischen Koeffizienten gezogen werden, d.h. νA
und νB sind negativ. Die Definition von ξ lautet
d ξ = dn i / ν i
(5-12).
dξ ist demnach gleich 1 mol, wenn sich νA mol A mit νB mol B verbinden entsprechend
einem Formelumsatz. Es ist dann für alle i
ni
∫
n
ξ
dn i = n i − n = ν i ∫ dξ
0
i
0
i
(5-13).
0
Mit Hilfe der Reaktionslaufzahlen ξ kann die Problematik unterschiedlicher stöchiometrischer Koeffizienten in verschiedenen Gleichungen aufgelöst werden (vgl. "Formelumsatz").
Zahlenbeispiel: Gibt man 1 mol H2 und 1 mol N2 zusammen, so reagieren diese
nach N2 + 3 H2 → 2 NH3. Wenn 1/3 mol H2 reagiert hat, ist nach Anwendung von
(5-10)
n N 2 = n0 N 2
2 −1
1
ξ= 3
mol = mol , so dass
−3
9
− ξ = 8 mol
und
n NH 3 = 2ξ = 2 mol sowie
9
9
51
8
2
3
9
3
1
=
=
=
; xN2 =
; x NH 3 = 9 = 1
8
8
2
16
16
2−2
9
9
9
2
xH2
(5-14)
Herleitung von 5-10 (endgültiges Verstehen der physikalischen Chemie chemischer Reaktionen)
Für eine beliebige chemische Reaktion
|νA| A + |νB| B → |νC| C + |νD| D,
gilt wie immer, dass für spontan und freiwillig ablaufende Reaktionen ∆RG negativ sein muss,
wenn p und T konstant sind, bzw. ∆RF < 0, wenn T und V konstant sind. Bekanntlich gilt:
∆G = -SdT + Vdp + 3νiµidξ;
∆F = -SdT – pdV + 3νiµidξ.
(vgl. 3-44 bis 3-50)
Deshalb fallen die mit p, T und ggf. v behafteten Terme weg und
 ∂ G
∆RG =  R  = ∑νi µi
 ∂ξ  p,T
sowie
(5-15)
∂ F 
∆R F =  R  = ∑νi µi
 ∂ξ V ,T
(5-16)
werden jeweils ≤ 0. Sie heißen Freie Reaktionsenthalpie ∆RG bzw. Freie Reaktionsenergie ∆RF.
(Nochmals: ∆G ist eine Variable, die im Verlauf der Reaktion gegen 0 geht, ∆G⊝ ist eine
Konstante!)
Die µi können in einem Reaktionsgemisch keine reinen Stoffe sein, daher müssen sie als
µi = µi⊝* + RTlnxi bzw. für reale Mischungen µi = µi⊝* + RTlnai
(5-17)
angesetzt werden, wobei im realen System die Stoffmengenanteile xi durch Aktivitäten ai ersetzt
sind, bei welchen Abweichungen vom idealen Verhalten durch Aktivitätskoeffizienten fi korrigiert werden: ai = xifi. Man beachte, dass die Aktivität in dieser Definition dimensionslos ist, und
man mache sich klar, dass für einen reinen Stoff ai = 1 und damit µi = µi⊝*. µi⊝* ist also das chemische Potenzial des reinen Stoffes i, µi das der Komponente i in der Mischung. Für das gesamte
Reaktionsgemisch erhält man
∆G = ∑νi µiΘ + RT∑νi lnai
, was dasselbe ist wie
( )
∆G = ∑ν i µiΘ + RTln Πaνi i
(5-18)
i
und entsprechendes für ∆F. Es folgt die thermodynamisch abgeleitete Gleichgewichtskonstante
K aus der Gleichgewichtsbedingung (mit ai = ai ,eq )
( )
∆Geq = ∑νi µiΘ + RTln Πaνi,ieq = ∆GΘ + RTlnΠaνi,ieq = 0
i
ln(Πaνi,ieq ) = −
i
∆GΘ
= lnK
RT
i
, so dass
(5-19)
52
K ist hier wie a dimensionslos. Für die (spontan) laufende Reaktion gilt mit diesen Größen
∆RG = Σµ i νidni = (∂g / ∂ξ )T,p = Σ(νi µ i) ≤ 0
(5-20)
Analog (5-7) kann man auch schreiben
∆RG = Σ(νi µ i ⊝) + RT Σ(νi ln xi)
(5-21),
wobei xi Mengenanteile sind, die ggf. durch Aktivitäten
ersetzt werden müssen. 5-10 definiert eine Abhängigkeit der freien Reaktionsenthalpie von der Zusammensetzung des Systems. Diese soll an Hand nebenstehender Skizze (für ein nicht reagierendes System) erläutert
werden. Es handelt sich dabei um zwei gasförmige
Teilsysteme A und B, die in Temperatur und Druck
übereinstimmen. A enthält eine Gasmischung, B nur ein
Gas, die Komponente i. Entfernt man jetzt die Trennwand, so wird spontane Durchmischung eintreten, d.h. es gibt für die Durchmischung eine Triebkraft:
∆G = Σ(νk µ k) < 0
(5-22).
Dabei ändern sich die Stoffmengen nk nicht; trotzdem muss µ i kleiner geworden sein, ist also
abhängig von der Zusammensetzung des Systems, hier auszudrücken durch die Partialdrücke.
Die Abhängigkeit des chemischen Potenzials (vom Druck allgemein oder) vom Partialdruck ist
von der Form
µp
i
pi
∫ dµ = ∫
µp
p
pi
Vdp = RT
∫
p
1
dp = RT
p
pi
∫
d ln p
(5-23),
p
wobei V = ν/n nach dem idealen Gasgesetz substituiert wurde. Es gilt also ∆µ = RT ln (pi/p) oder
mit (2-4): ∆µ = RT ln xi, womit sich (5-18) ergibt. Diese Betrachtung erläutert allgemein das
Auftreten von RT ln ... - Gliedern in thermodynamischen Gleichungen, insbesondere zur Einführung von Konzentrations- bzw. Zusammensetzungsabhängigkeiten.
5.3
Gleichgewichtskonstanten
Während ein Prozess (oder eine Reaktion) abläuft, vermindert sich die zur Verfügung stehende
Freie Enthalpie ∆G (Triebkraft)
 ∂g 
 ∂g 
dn

∆G =   = ∑ 
⋅ i = ∑ν i µi
dξ
i  ∂ni  p ,T . n
i
 ∂ξ  p ,T
j
(5-24)
ständig, bis der Gleichgewichtszustand erreicht ist (∆G = 0, s.o.). Dann hat die Freie Enthalpie
bezüglich der Umsatzvariablen (Reaktionslaufzahl) ξ einen Minimalwert erreicht. Infolgedessen
53
ist dort (∂g ∂ξ ) p ,T = 0 und daher auch die Freie Enthalpie ∆G = 0. Die Mengenanteile der Komponenten nehmen dabei feste Gleichgewichtswerte xG,i an. Die entsprechende, in Mengenanteilen geschriebene Gleichgewichtskonstante ist
K x ( p, T ) = ∏ (xG,i ) i
ν
(5-25).
Sie ist dimensionslos und hängt von p und T ab. Nur noch von T hängt hingegen die in Gleichgewichtspartialdrücken geschriebene Gleichgewichtskonstante Kp ab:
νi
νi
∑ν i

 pG,i 
 p 
p 
K p (T ) = ∏  xG, i Θ  = ∏  Θ  =K x  Θ 
p 

 p 
p 
die - wie aus Teil I bekannt - mit ∆G Θ direkt verknüpft ist (vgl. 5-19I):
∆G Θ = ∑ν i µiΘ (T ) = − RT ln K x − RT ∑ν i ln p Θ
p
i
i
(5-26),
(5-27).
νi

p 
= − RT ln ∏  xG,i Θ  = − RT ln K p (T ) = ∆H Θ − T∆S Θ
p 

Entsprechend ist auch die in Gleichgewichtskonzentrationen cG,i = pG, i RT (in der Gasphase)
ausgedrückte Konstante Kc nur von der Temperatur abhängig und kann dimensionslos definiert
werden:
ν
i
 pΘ 
 cG,i 

K c (T ) = ∏  Θ  = K p  Θ
c 
 c RT 
∑ν i
∑
 p 
= Kx  Θ

 c RT 
νi
(5-28)
Achtung: p⊝ und c⊝ sind hier nicht thermodynamische Standardbedingungen sondern dienen der
Korrektur der Dimensionen (also jeweils 1 · Dimension).
Kapitel 6:
Elektrochemie
Diese teilt sich in drei große Gebiete:
Elektrische Leitfähigkeit von Elektrolyt-Lösungen,
Elektrodenspannungen und
Kinetik der Elektrodenprozesse
6.1
Grundlagen
Ohmsches Gesetz
U / I = R;
Ohmscher Widerstand
R=ρl/F
(F: Elektrodenfläche, l: Elektrodenabstand ρ:
spezifischer Widerstand)
κ=1/ρ
Leitfähigkeit
54
Messtechnisch wird i.a. mit Elektroden gearbeitet, die in Lösungen eintauchen. Dabei treten bereits Grenzflächeneffekte auf, die Messungen beeinflussen: Dipole richten sich aus, Ladungen
(Elektronen oder Ionen) treten aus der festen Phase aus oder in diese ein. Diese ersten Ladungsübertritte bedingen entsprechende Ladungen der Elektroden bzw. der Lösung, die dem weiteren
Durchtritt von Ladungen elektrostatisch entgegenwirken. Dadurch bilden sich Gleichgewichtszustände aus, die als elektrische Doppelschichten bekannt sind und nach Modellen von HELMHOLTZ, GOUY-CHAPMAN und STERN eingeteilt werden können. Das Helmholtzmodell beschreibt
eine starre Doppelschicht mit linearem Abfall des Potenzials ψ, das GOUY-CHAPMAN Modell
einen exponentiellen Potenzialabfall, das STERN-Modell vereinigt beide Vorstellungen. Die
Wirklichkeit dürfte am häufigsten dem STERN-Modell entsprechen, HELMHOLTZ- und GOUYCHAPMAN-Verhältnisse lassen sich oft durch experimentelle Bedingungen einstellen.
Die Betrachtung erlaubt zwei Schlussfolgerungen:
1) Es ist grundsätzlich unmöglich, das Potenzial einer Lösung zu bestimmen, weil beim Einbringen einer Elektrode eine unbekannte Potenzialdifferenz zwischen ihr und der Lösung entsteht.
2) Beim Übertritt von geladenen Teilchen von der festen in die flüssige Phase kann der in den
vorangegangenen Kapiteln betrachtete chemische Anteil am Potenzial (∆µ) nicht vom elektrischen Anteil getrennt werden:
dgp,T = Σµ idni + ψ dq
(6-1).
(ψ wird inneres elektrisches Potenzial oder Galvani-Potenzial genannt.) Hierbei sind ni und q
gekoppelt: Ein Mol der Ionensorte i trägt die Ladung ziFF, wobei z die Zahl der Ladungen pro
Teilchen ist, und FF = NA e = [6,023·1023 · 1,602·10–19 = 96500] C/mol die Ladung eines Mols
Elektronen bedeutet (Faraday Konstante). Damit wird
dgp,T = Σµ idni + Σψ ziFF dni = Σ(µ i + ψziFF )dni = Σ µ~i dni
(6-2)
µ~i = µ i + ziFFψ heißt elektrochemisches Potenzial.
6.2
Bewegung von Ionen im elektrischen
Feld: Elektrolytische Leitfähigkeit
Die spezifische Leitfähigkeit κ ist gegeben als
Kehrwert des spezifischen Widerstands:
κ = 1 / ρ = l / (RF) = lI / (FU)
(6-3).
In der Praxis wird κ durch Vergleich mit einer Lösung, die eine bekannte Leitfähigkeit κ* aufweist, in einer Leitfähigkeitszelle gemessen, deren Zellkonstante C = κ* · R* bekannt ist; κ ist
dann C/R. Bei 6-3 entspricht die Spannung U der Potenzialdifferenz ∆ψ in der Lösung. Man
muss also die Mitmessung des Potenzialsprungs an den Elektroden verhindern. Dies geschieht
durch Messung mit Wechselstrom, dessen Frequenz so hoch ist, dass die Doppelschichtladungsänderung (bei großer Kapazität) nur unwesentliche Spannungsänderungen bewirkt, und
dass keine Elektrolyse auftritt. Zudem sollte die Elektrodenfläche möglichst groß sein (z.B. mit
Hilfe von platiniertem Platinblech = fein verteiltes Pt auf Pt-Blech).
55
Es soll hier nur die Leitfähigkeit in wässrigen Lösungen betrachtet werden, das Phänomen existiert aber auch vielen nicht-wässrigen Lösungen und in Festkörpern (Leiter, Halbleiter). In einem
elektrischen Feld der Feldstärke E wirkt auf ein Ion die Kraft
K i = qi E = zi e E
(6-4).
Dieser entgegen wirkt die im Gleichgewicht gleich große Reibungskraft KR = Ki
K R = K i = 6 π η ri w i
(6-5).
Hierbei bedeuten e die Elementarladung (1,602 · 10–19 C), zi die Zahl der Ladungen des Ions, η
die Viskosität des Lösemittels (für Wasser bei Raumtemperatur η ≈ 1 mPa s), ri den Radius des
Ions und wi dessen Geschwindigkeit:
wi =
Ki
z eE
= i
6πηri 6πηri
(6-6).
Diese Geschwindigkeiten sind normalerweise klein, z.B. ist wi = 0,00042 m/s bei zi = 1, η = 1
mPa s und ri = 2 Å.
Um eine nicht von der Feldstärke abhängende Größe zu haben, definiert man Beweglichkeiten ui
der Ionen, die nur von Ionen- und Lösemitteleigenschaften abhängen:
ui =
z e
wi
= i
E
6πηri
(6-7).
Berechnung der Leitfähigkeit eines verdünnten Elektrolyten
Hierzu wird angenommen, dass der Elektrolyt zu 100 % dissoziiert vorliegt:
Kν + Aν– →ν+ Kz+ + ν– Az– .
Der in nebenstehender Zelle fließende Strom I entspricht der
Summe der durch einzelne Ionen transportierten Ströme (mit den Geschwindigkeiten w±):
I = q/t = |w+| F ν+ | z+| e NA c + |w–| F ν– | z–| e NA c
= u+ E F ν+| z+| FF c + u– E F ν– |z–| FF c
(6-8)
Mit 6-3 ergibt sich für κ:
κ = FF c (u+ ν+ |z+| + u– ν– |z–|)
6-9 ermöglicht die Einführung der molaren Leitfähigkeit
(6-9).
56
Λ = κ/c = l (R F c)–1
(6-10),
oft angegeben als molare Äquivalentleitfähigkeiten Λäq =
κ
c ⋅ z±
.
Die Gleichungen zeigen, dass sich die Leitfähigkeit additiv aus den Anteilen von Kation und
Anion zusammensetzt (bei hinreichender Verdünnung, s.u.). Deshalb unterscheidet man die molare Leitfähigkeit der Kationen Λ+ = FF u+ |z+| und der Anionen Λ– = FF u–|z–| mit Λ = ν+Λ+ + ν–
Λ–. Beispielsweise ist bei 25 °C in hoher Verdünnung ΛNaCl = 126,43 cm2 Ω–1 mol–1 und ΛKCl =
149,81 cm2 Ω–1 mol-1; daraus Λ+(K) – Λ+(Na) = 23,38 cm2 Ω–1 mol–1. Daraus lassen sich dann
die Λ± ausrechnen; einige Beispiele:
H+
Cs+
Ag+
NH4+
Mg2+
Ca2+
Cu2+
Λ+äq/cm2 Ω–1 mol–1 349,6 38,6 50,1 73,5 77,8
61,9
73,6
53,1
59,5
56,6
Kation
Li+
F-
Na+
Cl-
K+
Anion
OH-
Br-
Λ-äq/cm2 Ω–1 mol–1
198,6 55,4 76,8 78,1
NO3- CH3COO- CO32- HCO3- [Fe(CN6)]4- SO4271,5
40,9
69,3
44,5
110,5
80
Die nach Gleichung 6-7 gerechtfertigte Erwartung, dass Λ+
umgekehrt proportional zum Molekülradius ist, bestätigt sich
nicht. Der Grund liegt in der unterschiedlichen Solvatation, d.h.
die Ionen tragen eine unterschiedlich dicke Hülle von Solvatations-(Wasser)molekülen mit sich, ri ist also ein effektiver Radius, der die Solvathülle mit berücksichtigt. Eine Besonderheit
ist für H+-Ionen zu beachten, welche als H3O+ vorliegen und H-Brücken ausbilden: Nebenstehende Skizze verdeutlicht, dass die Ionen zum Ladungstransport nicht physisch wandern müssen.
Schwache Elektrolyte dissoziieren nicht vollständig:
HS ⇌ H+ + SDies kann durch den Dissoziationsgrad α beschrieben werden.
α=
cSc0
=
cS-
(6-11)
cHS + cS-
entsprechend ist cH+ = cS– = α c0 (c0: Einwaagekonzentration) und für unendliche Verdünnung
cH+ = cS– = c0 (dann entsprechend einem starken Elektrolyten). Es folgt eine molare Leitfähigkeit
bei unendlicher Verdünnung nach
Λ∞ = Λ/ α
(6-12).
Diese Beziehung ermöglicht die Bestimmung von Gleichgewichtskonstanten
K = cH+ cS– / cHS:
Λ
(
αc0 ·αc0
α 2 c0
Λ ) ·c0
K=
=
=
(1 − α )c0 (1 − α )
1 − ΛΛ
2
∞
∞
(6-13).
57
6-13 stellt bereits das OSTWALDsche Verdünnungsgesetz dar, das nach Umformung zu 6-14
1
1
1
=
+
· Λc0
Λ Λ∞ KΛ∞2
(6-14)
und Messung von Λ nach entsprechender Auftragung die Ermittlung von Λ∞ und K erlaubt.
Nebenstehende Diagramme zeigen den Unterschied
von Λ als Funktion der Konzentration für schwache
und starke Elektrolyte. Für erstere konnte das Verhalten mit dem KOHLRAUSCHschen Wurzel-cGesetz empirisch beschrieben werden:
Λ = Λ∞ – k c1/2
(6-15)
(k: materialabhängige Kohlrausch-Konstante) .
Für starke Elektrolyte hingegen ist die molare Leitfähigkeit bis zu etwa 5·10–4 mol/dm3 ungefähr konstant. Die Ursache für das Verhalten bei höheren Konzentrationen war lange Zeit unklar und
wurde durch DEBYE, ONSAGER und HÜCKEL mit "intrinsischen Wechselwirkungen" der Ionen
erklärt.
6.3
Elektromotorische Kräfte
Der Begriff "elektromotorische Kraft" (EMK) ist historisch bedingt. Er wurde seinerzeit schlecht gewählt.
Gemeint ist die Spannung einer elektrochemischen
Zelle (galvanischen Kette) ohne Stromfluss.
Ein Beispiel für eine solche Zelle ist nebenstehend
skizziert. Die Zelle wird i.a. so gezeichnet, dass das
elektropositivere Element (später mit der Spannungsreihe zu definieren) die rechte Elektrode darstellt. Eine positive Anzeige des Millivoltmeters
entspricht dann einer positiven EMK). Die Zellreaktion lässt sich dann so hinschreiben, dass die
ungeladenen Metalle die dem Bild entsprechende Seite in der Gleichung einnehmen: Zn + 2 Ag+
→ Zn2+ + 2 Ag. Die semipermeable Wand (Diaphragma) soll Stromfluss ermöglichen, jedoch die
Durchmischung der Lösungen verhindern (ferner soll an dieser Wand kein Potenzialsprung auftreten, was technisch meist anders als in dieser Skizze gelöst wird).
Zur Erläuterung18 der hier auftretenden EMK werden zunächst die beiden Hälften der Zelle betrachtet. In jeder der Hälften gibt es (wenn kein Strom fließt!) ein Gleichgewicht,
links: Zn ⇌ Zn2+ + 2 e;
rechts: 2 Ag+ + 2 e ⇌ 2 Ag
(6-16).
Dafür werden die Gleichgewichtsbedingungen mit den elektrochemischen Potenzialen (s. Gl. 62) hingeschrieben, wobei berücksichtigt werden muss, dass sich die Ionen in der Lösung und die
ungeladenen Atome in den Metallen befinden.
18
Die folgende Ableitung unterscheidet sich von den meisten Lehrbuchbeispielen.
58
µ~ (Zn) = µ~ (Zn2+) + 2 µ~ (e,l);
2 µ~ (Ag+) + 2 µ~ (e,r) = 2 µ~ (Ag) (6-17).
Die Metalle in den Gleichungen sind ungeladen; wegen zi = 0 gilt dann µ~ = µ. Die elektrischen
Potenziale in den Lösungen sind gleich (semipermeable Wand) und wir setzen sie 0. Deshalb gilt
auch dort µ~ = µ. Damit wird aus 6-16
µ(Zn) = µ(Zn2+) + 2 µ~ (e,l);
2 µ(Ag+) + 2 µ~ (e,r) = 2 µ(Ag)
(6-18).
Wir führen jetzt die Konzentrationsabhängigkeit des Potenzials ein (vgl. 5-17):
µ(Zn) = µ ⊝ (Zn2+) + RT ln a(Zn2+) + 2 µ~ (e,l);
2 µ ⊝(Ag+) +2 RT ln a(Ag+) + 2 µ~ (e,r) = 2 µ(Ag)
(6-19)
(c⊝ = 1 mol/dm3). Nach Addition der Gleichungen und Umordnung ergibt sich
2 µ~ (e,r)–2 µ~ (e,l) = 2µ(Ag)–µ(Zn)–2µ ⊝(Ag+)+µ ⊝(Zn2+)+RT ln a(Zn2+)–RT ln a2(Ag+)
(6-20)
Für die Elektronen gilt µ~ (e) = µ(e)–FFψ. Die µ(e) in den Metallen sind ein wenig unterschiedlich. Zur Spannungsmessung müssen deshalb an die Elektroden Drähte aus einheitlichem Material, z.B. Cu, geklemmt werden (mit gutem "OHMschen Kontakt" zu möglichster Vermeidung
weiterer Potenziale an der Klemmstelle). Durch Differenzbildung fällt dann µ(e) auf der linken
Seite heraus:
–2 FF(ψr –ψl) = 2 µ(Ag) – µ(Zn) – 2 µ ⊝(Ag+) +µ ⊝(Zn2+) + RT ln a(Zn2+)/a2(Ag+)
(6-21)
Mit (ψr – ψl) = EMK und Zusammenfassung der konstanten und nicht-konzentrationsabhängigen
Größen auf der rechten Seite in (6-20) zu EMK⊝ folgt die NERNST-Gleichung:
EMK = EMK⊝ – RT/(2FF) ln a(Zn2+)/a2(Ag+)
(6-22).
Dieses Verfahren lässt sich auf beliebige Reaktionen in den Halbzellen anwenden: Die zugehörigen Reaktionen werden so hingeschrieben, dass in beiden Zellhälften nE Elektronen umgesetzt
werden. Die beiden Gleichungen nach (6-16a) werden addiert, wobei die Elektronen wegen ihrer
unterschiedlichen Potenziale nicht gestrichen werden dürfen:
nE e(r) = nE e(l) + Σνi I
(6-23);
I steht für die Reaktionspartner (ausnahmsweise, sonst Symbol für Stromstärke). Im Gleichgewicht gilt
– nE FFψr = – nE FFψl + Σνi µ~ i = – nE FFψl + Σνi µ i = – nE FFψl + const. + Σνi RT ln ai
– nE FF(ψr – ψl) = const. + RT ln Π aiνi
(6-24)
59
Dies entspricht der bekannten NERNSTschen19 Gleichung (in allgemeiner Fassung), die meist wie
folgt formuliert wird:
EMK = EMK⊝ −
( )
RT
ln Π aνi i
n E FF
(6-25).
wobei const. = EMK⊝. Da in obiger Ableitung nur Aktivitäten der gelösten Komponenten vorkommen, erkennt man nicht sofort, dass im Argument des ln im Grunde die Massenwirkungskonstante der (als Gleichgewichtsreaktion geschriebenen) Zellreaktionsgleichung steht. Dabei
verschwinden die Aktivitäten der Metallelektroden, weil diese für reine Stoffe jeweils 1 sind
(Die Konzentrationen der ungeladenen Metalle in der Lösung sind 0!).
Bei hoher Verdünnung (ideale Lösungen, ci < 10–4 mol/dm3) kann mit Stoffmengenanteilen xi
bzw. Konzentrationen ci anstelle der Aktivitäten ai gerechnet werden. Bei höheren Konzentrationen treten Wechselwirkungen zwischen den Ionen auf (vgl. 6.2). Daher müssen Konzentrationen
mittels Ionenaktivitätskoeffizienten γι korrigiert werden. Das entsprechende Konzentrationsmaß
ist dann die Aktivität ai = γi ci20. Je nach Lehrbuch und Lehrmeinung wird entweder der Aktivitätskoeffizient oder die Aktivität dimensionslos definiert21. Letzteres ist thermodynamisch richtig
(vgl. Kap. 5.2) und macht thermodynamische Ableitungen (und den Umgang mit logarithmierten
Größen) einfacher.
Ein anderer Weg zur NERNST-Gleichung ist der folgende: Die EMK einer (offenen) Zelle soll
stromlos gemessen werden, d.h. die (offene) Zelle soll sich bezüglich chemischer Reaktionen
und Ladungsaustausch im Gleichgewicht befinden. Dann gilt dg = 0 im Sinne von der Gleichung
(6-1) für beide Elektroden. Dies bedeutet „elektrochemisches Gleichgewicht“ (bei offener Zelle,
d.h. bei außenstromlosen Elektroden) im Unterschied zum chemischen Gleichgewicht, bei welchem die betreffende Reaktion bereits abgelaufen ist. Im einzelnen gilt im elektrochemischen
Gleichgewicht für die potenziellen chemischen Reaktionen unter Beteiligung geladener Teilchen
dg = Σνi µ~ i dξ = Σνi µ i dξ + Σνi zi FFψi dξ = 0
(6-26).
(Die Reaktionslaufzahl ξ ist in Kap. 5.2 erläutert.) Hierbei beschreibt die erste Summe im unterstrichenen Teil von (6-26) den chemischen Anteil ∆RG, während in der zweiten Summe Terme
für Ionen und Metalle 0 sind. Es verbleiben hier nur die Elektronen. Entsprechend gilt
0 = ∆RG⊝ + nE (–1)FFψl – nE (–1)FFψr;
∆RG⊝ = nE FFψl – nFFψr = nE FF(ψl – ψr) = – nE EMK FF
(6-27).
(6-27) ist wichtig, weil die Gleichung den Zusammenhang zwischen Thermodynamik und Elektrochemie herstellt. Mit dem Konzentrationsanalogon zu I in (6-23) folgt wie oben
EMK = EMK⊝ −
( )
RT
ln Π aνi i
n E FF
19
(6-25).
Zu Person und Wirken von WALTHER NERNST siehe www.Nernst.de
in diesem Text werden Aktivitätskoeffizienten mit den Symbolen f (für Flüssigkeiten), und γ (für Ionen) bezeichnet.
20
21
oder beides für Stoffmengenanteile ai = γi xi oder nach ai = γi ci/c⊝.
60
6.3.2 Normalpotenziale
Die Standardwerte EMK⊝ in der NERNSTschen Gleichung (6-24) entsprechen der Differenz sogenannter Normalpotenziale (Standardpotenziale) E⊝. Diese liegen weitgehend tabelliert vor. Zu
ihrer Ermittlung müssen beliebige Elektroden unter Standardbedingungen (ai = 1 = γc/c⊝, p = 1
bar) gegen eine Normal-Wasserstoff-Elektrode gemessen werden. Diese besteht aus einem platinierten Platinblech, welches in eine Lösung von H+-Ionen der H+-Aktivität 1 eintaucht und von
Wasserstoffgas mit Normaldruck umspült wird. Eine Auswahl der dabei gemessenen Spannungen E⊝ sind in der folgenden Tabelle für T = 298 K aufgelistet22.
Halbzelle
Halbzellreaktion
Li+|Li
Li+ + e ⇌ Li
E⊝ / V
–3,05
K+|K
K+ + e ⇌ K
–2,93
Na+|Na
Na+ + e ⇌ Na
–2,71
Mg2+|Mg
Mg2+ + 2 e ⇌ Mg
–2,36
Al3+|Al
Al3+ + 3 e ⇌ Al
–1,66
Zn2+|Zn
Zn2+ + 2 e ⇌ Zn
–0,76
H+|H2|Pt
0
Cu2+|Cu
2 H+ + 2 e ⇌ H2
Cu2+ + 2 e ⇌ Cu
+0,34
Ag+/Ag
Ag+ + e ⇌ Ag
+0,8
Cl–|Cl2,Pt
Cl2 + 2 e ⇌ 2 Cl-
+1,36
Au+ + e ⇌ Au
+1,42
Au+|Au
Es muss mit Standardaktivitäten ai = 1 anstelle von Standardkonzentrationen ci gearbeitet werden. Die im Leitfähigkeitskapitel besprochenen Konzentrationseffekte (Abschirmung, etc.) führen dazu, dass die „effektive Konzentration“ nicht mit der eingewogenen Konzentration übereinstimmt. Aktivitäten berücksichtigen dies durch Einführung von Aktivitätskoeffizienten
γ = ai /(ci/c⊝).
Die Festlegung des Potenzials der Normal-Wasserstoffelektrode = 0 ist willkürlich aber allgemein üblich und eine Festlegung ist notwendig, da es keine Absolutwerte der Potenziale gibt.
Metalle mit negativem Normalpotenzial heißen unedel, solche mit positivem Normalpotenzial
edel; gemeint ist, dass letztere sich nicht freiwillig in wässrigen Säuren auflösen.
6.3.3 Temperaturabhängigkeit der EMK (KIRCHHOFF-Satz)
Die Temperaturabhängigkeit der EMK ist unübersichtlich: Einerseits gibt es das RT-ln-Glied in
der Nernst-Gleichung, andererseits ist eine T-Abhängigkeit von EMK√ gegeben. Daher berechnet
man am besten ∆RG√ für eine bestimmte Temperatur mit Hilfe des KIRCHHOFF-Satzes (der den
SCHWARZschen Satz auf die Enthalpie anwendet) und rechnet dann auf die EMK bei der neuen
Temperatur um nach
22
In der Elektrochemie werden Standardwerte manchmal für 20 °C tabelliert, während ∆RG⊝ für 25 °C angegeben
wird. Dies muss für genaue Rechnungen nach (6-27) berücksichtigt werden (vgl. Lehrbücher: Kirchhoff-Satz).
61
− nE EMK (T ) ⋅ FF = ∆ R G Θ (T ) = ∆ R H Θ (T ) − T∆ R S Θ (T )
(6.28)
Nach KIRCHHOFF ist zunächst die T-Abhängigkeit von ∆RH gegeben als
∂ h
∂ R 
 ∂∆ R H 
 ∂2Rh
 ∂ξ  p ,T  ∂ 2 R h 

 =
 = 
= 
∂T
 ∂ξ∂T  p  ∂T∂ξ
 ∂T  p
k
= ∆C p = ∑ν i C pi


p
  ∂Rh  
 ∂
 
 ∂c p 
  ∂T  p 

=
= 

∂ξ
∂ξ  p ,T




T
(6-29)
(falls ∂ξ = 1mol)
i
∆Cp ist die Differenz der Einzel-Cp von Produkten und Edukten für einen Formelumsatz (analog
zur Berechnung von ∆RH√; νi in 6-29 mit Vorzeichen und Dimension mol-1). ∆RH ergibt sich
dann aus der Integralbildung
T2
∆ R H (T2 ) − ∆ R H (T1 ) = ∫ ∆C p d T
(6-30),
T1
wobei z.B. T1 = 298 K. Für die Ammoniak-Synthese ist
∆C p = [2C p ( NH 3 ) − C p ( N 2 ) − 3C p ( H 2 )] pro Formelumsatz.
Die T-Abhängigkeit von ∆RS ergibt sich analog mit
T2
∆C p
dT ,
∆ R S (T2 ) − ∆ R S (T1 ) = ∫
T
T1
(6-31)
und anschließend kann ∆RG√ für die neue Temperatur T2 mit (3-18) berechnet werden.
6.3.4 Anwendungen
Neben der Entwicklung von transportablen Stromquellen (Batterien, Akkumulatoren) trägt insbesondere die Messung der EMK von Konzentrationsketten zur Lösung analytischer Probleme
und zur Prozesskontrolle bei.
pH-Elektrode
Die Bestimmung der Konzentration von H+-Ionen
ist in der Chemie sehr wichtig, da für viele Reaktionen eine bestimmter pH-Wert oder pH-WertBereich eingestellt, konstant gehalten und kontrolliert werden muss (pH-Wert = –log a(H+)). Die
Messung wäre unter großem apparativen Aufwand
mit der Wasserstoffelektrode möglich. In der Praxis
verwendet man Glaselektroden, die gemäß nebenstehender Skizze funktionieren. Die Glaselektrode
ist gefüllt mit einer Pufferlösung bekannten pHWertes. An ihrem unteren Ende besteht sie aus dünnwandigem Glas mit (relativ) großer Leitfähigkeit. Falls die H+-Ionenkonzentration c1 (bzw. die H+-Ionenaktivität a1) größer ist als c2
(a2)wandern die H+-Ionen quasi durch die Glaswand (in Wirklichkeit erfolgt auf beiden Seiten
ein Austausch Na+ ↔ H+), um die Konzentration auszugleichen. Dabei lädt sich die Elektrode
positiv auf. Die zugehörige Spannung wird am Messgerät registriert und entspricht der EMK
einer sog. Konzentrationskette (EMK⊝ entfällt, wenn gleiche Metalle links und rechts).
62
EMK = (RT/FF) ln a2 – (RT/FF) ln a1 = const. – (RT/FF) ln a1
(6-31)
Bei Raumtemperatur ist RT/FF ln a2 = 0,059 log a2. In heutigen Messinstrumenten sind die Konstanten bereits einprogrammiert, so dass der pH-Wert direkt zur Anzeige kommt.
Quantitative Bestimmung von Metallionen
Analog lässt sich mit Hilfe von Konzentrationsketten die Konzentration wässriger Metallionenlösungen durch Vergleich mit einer gleichartigen Halbzelle, die eine bekannte Konzentration der
Metallionen enthält, bestimmen.
6.4
Elektrodenkinetik
Während die Abhandlungen im Kapitel 6.3 durchweg Zellen ohne Stromfluss betreffen, sollen
nun Eigenheiten tatsächlicher elektrochemischer Reaktionen besprochen werden.
Bei jedem Stromdurchgang durch eine Elektrolytlösung findet ein elektrochemischer Umsatz
statt, der zur hindurchgegangenen Elektrizitätsmenge Q streng proportional ist:
n = Q/( |z |FF).
z ist hierbei die Ladungszahl der Teilchen, die an einer Elektrode umgesetzt
werden (Teilchen können auch Elektronen sein, dann z = –1); an der anderen
Elektrode, durch die der gleiche Strom
fließt, läuft eine andere elektrochemische Reaktion ab. Da der Strom I proportional zur Elektrodenfläche F ist,
führt man zweckmäßigerweise Stromdichten i = I/F ein und unterscheidet zwischen einer positiven (i = i+ > 0) und einer negativen (i =
i– > 0) Stromrichtung. Definitionsgemäß entspricht die positive bzw. anodische Stromrichtung
dem Übergang von positiven Ladungsträgern aus der Elektrode in den Elektrolyten oder, was
elektrisch äquivalent ist, dem Übergang von negativen Ladungsträgern aus dem Elektrolyten in
die Elektrode. In der negativen bzw. kathodischen Stromrichtung gilt das Umgekehrte. Bei der
anodischen Stromrichtung wird der Elektrolyt oxidiert, bei der kathodischen reduziert (s. Skizze).
6.4.1 Überspannung
An Phasengrenzen bildet sich allgemein ein Oberflächenpotenzial χ aus, z.B. durch polarisierte
Neutralmoleküle an der Grenzfläche oder durch spezifische Adsorption von Ionen. Oberflächenpotenziale führen zur Differenz ∆χ zwischen Elektrode und Lösung (el. Doppelschicht). Von
außen angelegte Überschussladungen sammeln sich an der Grenzfläche an. Dadurch entsteht die
Volta-Spannung ϕ entsprechend der Differenz der äußeren elektrischen Potenziale ∆ϕ. Die
Summe ∆χ + ∆ϕ = ψ bezeichnet man als Differenz der inneren elektrischen Potenziale oder als
Galvani-Potenzial (vgl. Kap. 6.2 in Teil II).
Im thermodynamischen Gleichgewicht (stromlos!) hat die Potenzialdifferenz zwischen Elektrode
und Lösung einen festen Wert ψ0 (= EMK nach Nernst-Gleichung). Dieses Gleichgewicht ist ein
dynamisches, in dem sich die Teilstromdichten i+ und i– gerade kompensieren. Der Betrag von i0
63
ist dann für beide Stromrichtungen gleich und wird als Austauschstromdichte iA bezeichnet, die
stark vom Elektrodenmaterial abhängt (s. Tabelle).
Außerhalb des Gleichgewichts (bei Stromfluss) ist ψ ≠ ψ0 und die Teilstromdichten haben unterschiedliche Beträge. Es fließt daher ein Nettostrom i = i+ + i–.
Die Differenz
η(i) = ψ(i) – ψ0
(6-33)
heißt Überspannung (gelegentlich auch Polarisation genannt; der Begriff wird jedoch unten anders gebraucht). ψ(i) < ψ0, wenn die elektrochemische Zelle Strom liefert, sonst ist ψ(i) > ψ0.
Elektrode
Reaktion
iA / A cm–2
Hg
Hg2+ + 2 e ⇌ Hg
1010
Pt
H+ + e ⇌ 1/2 H2
7,9 · 10–4
Ni
H+ + e ⇌ 1/2 H2
6,3 · 10–6
Pb
H+ + e ⇌ 1/2 H2
5,01 · 10–12
Hg
H+ + e ⇌ 1/2 H2
0,79 · 10–12
Pt
Fe3+ + e ⇌ Fe2+
2,5 · 10–3
Pt
Ce4+ + e ⇌ Ce3+
4 · 10–5
Pt
3/2 N2 + e ⇌ N3–
10–76
Wenn gleichzeitig mehrere Elektrodenreaktionen ablaufen, existiert für jede Reaktion eine eigene Überspannung ηx. Dieser Fall spielt eine große Rolle bei der Korrosion. Beispielsweise laufen an einer Zn-Elektrode in angesäuerter ZnSO4-Lösung die folgenden Reaktionen ab:
Zn ⇌ Zn2+ + 2 e,
H3O+ + e ⇌ H2O + 1/2 H2.
Es bildet sich dann ein Mischpotenzial ψm aus, das zwischen den Gleichgewichtspotenzialen ψ01
und ψ02 der beiden Reaktionen liegt und daher auch bei Stromlosigkeit keinem thermodynamischen Gleichgewichtszustand entspricht, d.h. Zn löst sich auf. Auch das Mischpotenzial hängt
von der Stromdichte ab. Die Differenz
η´(i) = ψm(i) – ψm(0)
(6-34)
wird als Polarisation bezeichnet.
Überspannungen hängen (außer von Ohmschen Widerständen) insbesondere von der Kinetik der
an den Elektrodenreaktionen beteiligten Teilprozesse ab. Hierzu gehören
– die Diffusion von Reaktanden zur Elektrode hin und weg von ihr,
– der Durchtritt von Ladungsträgern durch die Grenzfläche Elektrode/Elektrolyt,
– der Ein- und Ausbau von Metallatomen am Kristallgitter des Elektrodenmaterials und
– homogene chemische Reaktionen in der Lösung, die zur Bildung von Reaktanden nötig sind.
64
Entsprechend werden zugeordnete Überspannungen als Diffusions-, Durchtritts-, Kristallisations- und Reaktionsüberspannung bezeichnet. In den meisten Fällen setzt sich die Überspannung
aus mehreren obiger Beiträge zusammen. Oft lassen sich jedoch durch die Reaktionsbedingungen einige davon unterdrücken. Unten wird die Diffusionsüberspannung exemplarisch behandelt.
Generell wird zur Aufklärung von Elektrodenprozessen die Stromdichte in Abhängigkeit von der
Überpannung gemessen ("Strom-Spannungs-Kurven"). Dies kann unter zwei verschiedenen stationären Bedingungen geschehen, nämlich galvanostatisch – d.h. Messung von U bzw. η bei
vorgegebenem i – oder potentiostatisch – d.h. Messung von i bei vorgegebener Überspannung.
Wiederholte cyclische Messungen geben Aufschluss über Veränderungen der Grenzschicht während der Reaktion (Cyclovoltametrie). Detailliertere kinetische Informationen erhält man aus
Messungen unter nichtstationären Bedingungen, z.B. mit Wechselstrommethoden und mit zeitaufgelöster Beobachtung von Ein- und Ausschaltvorgängen.
Diffusions- bzw. Konzentrationsüberspannung
Elektrolytischer Stoffumsatz kann zu einem Unterschied der Konzentration der beteiligten Ionen
in der Lösung und in unmittelbarer Nähe der Elektrode führen. Wenn sich dann die Elektrode im
elektrochemischen Gleichgewicht mit den Ionen an der Elektrodenoberfläche befindet, wird die
Geschwindigkeit der Elektrodenreaktion von der Geschwindigkeit bestimmt, mit der die Reaktanden zur Elektrode hin oder von ihr weg transportiert werden (diffundieren). Dies ist die Ursache der bei hohen Stromdichten häufigen Diffusions- oder Konzentrationsüberspannung.
Zu den Transportprozessen gehören die Konvektion der Lösung, die Ionenwanderung im elektrischen Feld und die durch Konzentrationsgradienten verursachte Diffusion (Diffusionsstrom J = –
D dc/dx). Eliminiert man durch Rühren den Einfluss der Konvektion, so erhält man stationäre
Stromdichten, die sich für Ionen des Vorzeichens ± in idealen Systemen meist gut mit der
Nernst-Planck-Gleichung 6-35 beschreiben lassen:
z F
dΨ 
 dc
i ± = − z ± FF D ±  ± + ± F ·c ± ·
 (6-35)
RT
dx 
 dx
die Konzentrations- und Potenzialgradienten (in der Klammer) zusammenfasst. In Gegenwart von hinreichend "Leitsalz" (z.B. KNO3) wird das Potenzialgefälle im Inneren des
Elektrolyten so weit herabgesetzt, dass die Stromdichte praktisch nur von der Diffusion der Reaktanden durch eine ruhende (nicht mitgerührte) an der Elektrode haftende Diffusionsschicht der rührfrequenzabhängigen Dicke δ (typisch
0.01 bis 0,1 mm) bestimmt wird.
Ist ∆c die Differenz der Ionenkonzentrationen in Inneren der Lösung und an der Elektrode, und
geht man von einem Konzentrationsgradienten ∆c/δ in der Diffusionsschicht aus, so gilt
∆c
i ± = − z ± FF D ±
(6-36).
δ
Wird z.B. eine AgNO3-Lösung der Konzentration c∞ zwischen Ag-Elektroden elektrolysiert, so
löst sich Ag an der Anode auf und scheidet sich an de Anode ab. Dort ist daher die Konzentration c0 kleiner als c∞ im stromlosen Zustand, während für den Anodenraum das Umgekehrte gilt
(s. Skizze).
65
Die EMK (= ψ) für die Kathode beträgt im elektrochemischen Gleichgewicht bei Stromlosigkeit
RT
ψ∞ = ψ⊝ −
(6-37)
ln c∞ / c⊝
FF
und während der Elektrolyse
RT
ψ0 = ψ⊝ −
ln c0 / c⊝
(6-38).
FF
Die Überspannung ist daher
RT
ηd = Ψ 0 − Ψ ∞ =
ln c0 / c∞
(6-39)
FF
Demnach ist
η F 
(6-40)
c0 = c∞ exp d F 
 RT 
und für die kathodische Stromdichte gilt
c − c 0 FF D+ c ∞ 
 η d FF 
i − = FF D+ ∞
=
(6-41)

1 − exp
δ
δ
 RT 

Da der Konzentrationsgradient nicht größer als c∞/δ werden kann, erhält man für hohe kathodische Überspannung eine Grenzstromdichte
|igr| = FF D+ c∞ /δ
(6-42)
und die Diffusionsüberspannung lässt sich durch
RT 
i 
ηd =
ln 1 −
FF 
i gr 
ausdrücken (s. Skizze).
(6-43)
Bei Kenntnis von D+ kann man dann die Dicke der Diffusionsschicht abschätzen.
Diffusionsüberspannung in Abwesenheit von Leitsalz (in gerührten Systemen)
In Abwesenheit von Fremdelektrolyt müssen die an der Elektrodenreaktion beteiligten Ionen, z.B. Ag+ und NO3–, den gesamten
Strom transportieren. Die vom vorgegebenen elektrischen Feld
verursachte Wanderung dieser Ionen durch die Diffusionsschicht
kann dann nicht mehr – wie bei einem Überschuss an inerten
Ionen – gegenüber dem Diffusionsstrom vernachlässigt werden.
66
Polarographie
Eine Analysenmethode, die reine Diffusions-Überspannung voraussetzt, ist die Polarographie.
Die Funktion eines Polarographen ist nebenstehend skizziert. Vorteil der Tropf-Elektrode ist,
dass sie sich ständig erneuert und damit säubert. Zur Überspannung beitragende Deckschichten
können sich nicht ausbilden.
Enthält die Lösung Metallionen, so führt die allmähliche Steigerung von η zu Stromfluss, sobald
die Überspannung ausreicht, um das am leichtesten zu reduzierende Metall abzuscheiden. Der
Stromfluss bleibt konstant, bis die Überspannung groß genug ist, um das Metall mit dem nächst
höheren Potenzial abzuscheiden. Es entstehen so stufenförmige Strom-Spannungsdiagramme,
wobei die Anfangsspannungen der Stufen für die Art des Metalls und die Höhen der Stufen für
die Konzentration des Metalls charakteristisch sind, siehe Diagramm.23
23
Quelle: http://electrochem.cwru.edu/ed/encycl/art-p03-polarography.htm
67
Anhang
Verschiedene Formulierungen des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
„Jedes System wird, sich selbst überlassen, im Mittel in einen Zustand größter Wahrscheinlichkeit übergehen“ (G.N. Lewis)
„Der Zustand größter Entropie ist für ein isoliertes System der stabilste Zustand“ (Enrico Fermi)
„Jedes System, das sich selbst überlassen ist, ändert sich schnell oder langsam dergestalt, dass es einem
genau bestimmten Endzustand der Ruhe zustrebt. Kein System wird sich vom Gleichgewichtszustand wegbewegen, es sei denn, es würde durch eine äußere Einwirkung veranlasst.“ G.N. Lewis)
„In der Natur besteht die Tendenz, dass die Energie von einer besser nutzbaren in eine weniger nutzbare
übergeht“ (J.A.V. Butler)
„Bei einem irreversiblen Vorgang erhöht sich die gesamte Entropie aller beteiligten Körper.“ (G.N. Lewis)
„Die Entropiefunktion eines Systems von Körpern hat das Bestreben, sich bei allen in der Natur ablaufenden physikalischen und chemischen Prozessen zu erhöhen, wenn wir in das System alle Körper einbeziehen, die durch die Veränderung berührt werden.“ (Saha)
„Es ist auf keinerlei Weise möglich, die Entropie eines Systems von Körpern zu verkleinern, ohne dass in
anderen Körpern Änderungen zurückbleiben.“ (Max Planck)
Es ist unmöglich, für einen freiwillig ablaufenden Prozess eine Vorrichtung zu erfinden, die jedes beteiligte
System in den Ausgangszustand zurückversetzt.“ (G.N. Lewis)
„Jeder in der Natur stattfindende physikalische und chemische Prozess verläuft in der Art, dass die Entropien sämtlicher am Prozess irgendwie beteiligten Körper vergrößert wird. Im Grenzfall, für reversible Prozesse, bleibt jene Summe ungeändert.“ (Max Planck)
„Für die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts in einem isolierten System ist es notwendig und hinreichend, dass bei allen möglichen Zustandsänderungen des Systems, bei denen sich seine Energie nicht ändert, die Entropieänderung entweder verschwindet oder negativ ist.“ (J.W. Gibbs)
„Bei einem adiabatischen Vorgang nimmt die Entropie entweder zu oder sie bleibt unverändert: ∆s ≥ 0,
wobei sich das >-Zeichen auf den irreversiblen, das =-Zeichen auf den reversiblen Fall bezieht.“ (P.S. Epstein)
„Wärme kann nicht spontan aus einem kälteren in einen wärmeren Körper übergehen.“ (R.J.E. Clausius)
Es ist unmöglich, Wärme von einem kälteren System auf ein wärmeres System zu übertragen, ohne dass
gleichzeitig in den beiden Systemen oder in ihrer Umgebung Veränderungen eintreten.“ (P.S. Epstein)
Es ist unmöglich, einen Kreisprozess vorzunehmen, dessen Effekt nur darin besteht, dass der Umgebung
Wärme bei tieferer Temperatur entzogen und bei höherer wieder zurückgegeben wird.“ (J.R.E. Clausius)
Es ist unmöglich, einem System Wärme zu entziehen und in Arbeit zu verwandeln, ohne dass gleichzeitig
Änderungen in dem System oder in seiner Umgebung vor sich gehen.“ (P.S. Epstein)
Es ist unmöglich, einen Kreisprozess zu verwirklichen, bei dem Arbeit geleistet wird, indem der Umgebung
bei nur einer Temperatur Wärme entzogen wird.“ (Lord Kelvin)
„Spontane Vorgänge (d.h, Vorgänge, die aus eigenem Antrieb ablaufen) können, wenn sie unter geeigneten
Bedingungen durchgeführt werden, so gelenkt werden, dass sie Arbeit leisten. Unter reversiblen Bedingungen liefern sie die größtmögliche Arbeit; unter den natürlichen irreversiblen Bedingungen erhält man nie
die maximale Arbeit.“ (J.A.V. Butler)
„Es gibt eine charakteristische thermodynamische Funktion, die sog. Entropie. Der Unterschied zwischen
2
den Zuständen (1) und (2) eines Systems ist durch folgende Ausdrücke gegeben:
q
s2 − s1 = ∫ dT über
T
1
2
jeden reversiblen Weg zwischen (1) und (2),
19.
q
s2 − s1 > ∫ dT über jeden irreversiblen Weg zwischen den
T
1
beiden Zuständen. Die Entropie ist nur eine Eigenschaft des Zustands; in einem isolierten System kann ihr
Wert niemals abnehmen.“ (R.E. Gibson)
„Ein Informationsgewinn bedeutet stets einen Entropieverlust.“ (G.N. Lewis)
Für eine vertiefende Beschäftigung mit der Entropie wird empfohlen:
Manfred Eigen, Ber. Bunsenges.Phys. Chem. 98 (1994) 1351-1364
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