Fact Sheet Wasser – eine globale Herausforderung Seit 100 Jahren wächst der Wasserkonsum doppelt so schnell wie die Weltbevölkerung. Wasser wird damit zu einem der wichtigsten Probleme des 21. Jahrhunderts. Gleichzeitig versuchen privaten Konzerne, aus der Knappheit Kapital zu schlagen. Alliance Sud setzt sich für eine internationale Wasserkonvention ein, die Wasser als öffentliches Gut schützt und das Recht auf Wasser für alle verbindlich festschreibt. Wasserknappheit ist ein zentrales Problem des 21. Jahrhunderts. 1,2 Milliarden Menschen – mehr als ein Fünftel der Weltbevölkerung - haben keinen Zugang zu genügend sauberem Trinkwasser. 2.5 Milliarden Menschen verfügen über keine sanitäre Einrichtungen und Abwasserreinigungssysteme. 80 Prozent aller Krankheiten in Entwicklungsländern sind auf verschmutztes Wasser oder den Mangel an sanitären Anlagen zurückzuführen; täglich sterben deswegen 6’000 Menschen, vor allem Kinder. “No water, no future” In erster Linie sind Verschwendung und Verschmutzung dafür verantwortlich, dass sauberes Wasser immer knapper wird. Die Hälfte aller Flüsse sind stark mit Schadstoffen belastet, Tendenz zunehmend. Das meiste Wasser - weltweit etwa 70 Prozent - verbraucht die Landwirtschaft. Dabei geht mehr als die Hälfte durch ineffiziente Bewässerungssysteme verloren. Auch der industrielle Konsum (rund 20% des globalen Wasserverbrauchs) nimmt wieter zu. Grundwasser muss aus immer grösseren Tiefen gepumpt werden, der Grundwasserspiegel sinkt. Abholzung, die Zerstörung von Feuchtgebieten und die globale Erwärmung setzen den fragilen Wassersystemen des Planeten ebenfalls stark zu, Wüsten breiten sich aus. Das zwingt immer mehr Menschen zur Migration; soziale Unrast, Konflikte und Kriege um die sich verknappende, lebenswichtige Ressource sind die Folge. Uno-Generalsekretär Kofi Annan formulierte es zu Beginn des „Jahres des Süsswassers“ (2003) mit einfachen, aber klaren Worten: „No water, no future“. In den Millennium-Entwicklungszielen (MDG) hat sich die internationale Staatengemeinschaft 2000 im Ziel 7 verpflichtet, die Zahl der Menschen, die über „keinen nachhaltigen Zugang zu gesundem Trinkwasser verfügen“, bis 2015 zu halbieren. Der Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung von Johannesburg (2002) hat auch die Halbierung der Zahl der Menschen ohne Basis-Sanitäranlagen bis 2015 beschlossen. Beide Ziele wurden vom Millennium+5-Gipfel im September 2005 bekräftigt. Doch wenn nicht entschiedene Massnahmen ergriffen werden, werden diese Ziele bei weitem verfehlt werden. Darauf weist auch der Bericht des „Millennium Project“, welches im Auftrag der Uno untersuchte, wie weit die Millenniumsziele umgesetzt sind und was es bräuchte, um sie fristgerecht bis 2015 zu realisieren. Gemäss diesem Bericht ist die Situation insbesondere in ländlichen Gebieten (wo 80 Prozent der Menschen ohne Wasserzugang leben), in Afrika südlich der Sahara, in Ozeanien und in den ehemaligen Sowjetrepubliken dramatisch. Privatisierung ist keine Lösung Viele Entwicklungsagenturen - auch das Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) und die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) – sowie Vertreter der (Wasser-) Monbijoustrasse 31 l Postfach l CH-3001 Bern l Telefon +41 31 390 93 30 l Fax +41 31 390 93 31 l www.alliancesud.ch [email protected] Wirtschaft behaupten, ohne die Beteiligung der Privatwirtschaft könne die globale Wasserkrise nicht gelöst werden. Es brauche privates Kapital und Knowhow, um die ärmste Bevölkerung an die Leitungs- und Abwassersystemen anzuschliessen. Private Betreiber seien gegenüber öffentlichen Versorgungsdiensten effizienter und kostengünstiger. Diese Kreise puschen deshalb sogenannte „öffentlich-private Partnerschaften“ zwischen Firmen und Behörden (Public Private Partnerships PPPs). Die Weltbank und der Internationale Währungsfonds haben in der Vergangenheit von Entwicklungsländern oft die Liberalisierung und Privatisierung der Wassersysteme verlangt, um in den Genuss von Entschuldungsmassnahmen und neuer Kredite zu kommen. Auch die Europäische Union puscht die Wasserprivatisierung, insbesondere bei den WTO-Verhandlungen über die Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen (GATS-Abkommen). Die Erfahrungen in vielen Ländern des Südens – Argentinien, Bolivien, Indonesien, Philippinen, Tansania u.v.m. - zeigen, dass die Übernahme der Wasserversorgung durch private Konzerne kaum Probleme löst, aber viele neue schafft: Die Preise steigen, die grossen Städte werden bevorzugt, ländliche Regionen vernachlässigt, es werden kaum neue Eigeninvestitionen getätigt und die finanziellen Risiken auf den Staat bzw. die Bevölkerung abgewälzt. In den vergangenen Jahren ist die Beteiligung der Privatwirtschaft an der Trinkwasserversorgung im Süden eher rückläufig. Private Investitionen konzentrieren sich auf Länder wie Chile, Mexiko und China. Zahlreiche Konzerne, zB. die französische Suez oder die deutsche RWE, haben sich aus Entwicklungsländern zurückgezogen, weil sie nicht die erhofften Gewinne einfahren konnten bzw. auf massive soziale Proteste stiessen. Oft wurden sie hinausgeworfen, weil sie die Verträge nicht einhielten und nicht wie vereinbart investierten. Die deutsche RWE – bisher die Nummer 3 im globalen Trinkwassergeschäft – beschloss im November 2005, sich vollständig aus dem Wassergeschäft im Süden zurückzuziehen. Sprudelnde Profite „Wasser“ ist in den letzten Jahren auch für viele Anleger attraktiv geworden. Im Jahre 2000 lancierte die Genfer Privatbank Pictet den ersten Wasserfonds und lockte mit hohen Renditen: „Sie suchen nach neuen unüblichen Anlagemöglichkeiten, die längerfristig eine interessante Performance versprechen – mit dem Pictet Water Fund nutzen Sie einen dynamischen Markt mit hoher Wachstumsrate. Er ist geprägt von Privatisierung und Liberalisierung und verspricht eine attraktive Rendite“. Weitere Finanzinstitute haben seither solche Fonds lanciert, bis hin zur Zürcher Kantonalbank. Diem eisten dieser Fonds enthalten die Aktien der multinationalen Wasserkonzerne wie Suez, RWE und Veolia, und auch der Mineralwasserkonzerne. Dieser Markt wird von drei grossen Firmen dominiert: Nestlé (Nummer 1), Coca Cola und Danone. Die Position von Alliance Sud ! Wasser darf nicht zur Handelsware und den Regeln der Rentabilität und des Profits unterworfen werden. Alliance Sud setzt sich dafür ein, dass Wasser als öffentliches Gut erhalten und geschützt wird. Alliance Sud fordert die Schweiz und insbesondere das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) und die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) auf, von der einseitigen Fixierung auf Partnerschaften mit dem Privatkapital (Public Private Partnership PPP) wegzukommen und stattdessen die öffentlichen Versorger in den Entwicklungsländern zu stärken (Public Public Partnership). 2 ! Um Wasser als natürliche Lebensgrundlage zu schützen und allen Menschen den Zugang zu sauberem Trinkwasser als Menschenrecht zu garantieren, braucht es eine internationale Wasserkonvention. Das Recht auf Wasser ist in der Allgemeinen Menschenrechtserklärung der Uno nicht explizit erwähnt. Im November 2002 hat der Ausschuss für Wirtschaft, Soziales und Kultur des Uno-Wirtschafts- und Sozialrats aber einen wichtigen Schritt getan, das Recht auf Wasser als Menschenrecht zu anerkennen und abzusichern. In seinem „Allgemeinen Kommentar zum Recht auf Wasser“ (Nr. 15) hält er fest, das Recht auf Wasser sei die notwendige Voraussetzung für die Verwirklichung aller anderen Menschenrechte und für ein Leben in Würde und betrachtet es als „eigenständiges Menschenrecht“. Dieser Kommentar ist aber nicht zwingendes Recht. Um das Recht auf Wasser völkerrechtlich verbindlich festzulegen und die Regierungen zu einer entsprechenden Politik zu zwingen, braucht es ein stärkeres Instrument: eine internationale Wasserkonvention. Alliance Sud setzt sich seit einigen Jahren für eine solche Konvention ein, welches Wasser als gemeinsames Gut der Menschheit anerkennt, die Lebensgrundlagen der kommenden Generationen schützt und Verteilungsgerechtigkeit herstellt. Um diese Forderung international vorwärts zu bringen, hat Alliance das internationale NGO-Netzwerk „Friends of the Right to Water“ initiiert, dem u.a. der Council of Canadians von Maude Barlow, Brot für die Welt, die Boell-Stiftung und das Food International Action Network (FIAN) angehören. Bern, Mai 2006 Kontaktperson bei Alliance Sud: Rosmarie Bär: [email protected] Zum Weiterlesen: ! ! ! ! ! ! ! Website von Alliance Sud: www.alliancesud.ch/wasser Bär, Rosmarie: Wasser braucht des Schutz des Völkerrechts. GLOBAL+dokument Nr. 4/2004. www.alliancesud.chdeutsch/files/D_PnDt4.pdf Website von Brot für die Welt zum Thema Menschenrecht Wasser: www.menschenrecht-wasser.de Blue Planet Project: http://www.blueplanetproject.net/ Das Blue Planet Project ist ein internationales Projekt des Coucil of Canadians, um weltweit das Trinkwasser vor Privatisierungen zu schützen. Heinrich Boell Stiftung: http://www.globalternative.org/en/web/42.htm Auf der Website GLOBAL ALTERNATIVE der Heinrich Boell-Stifung funden sich viele interessante Dokumente zur Frage der Wasserversorgung, der Wasserprivatisierung und des Rechts auf Wasser. Privatisierungsflopps: http://www.wdm.org.uk/dadwmap/dadw.htm Die britische NGO World Development Movement hat eine Weltkarte gezeichnet mit knappen Erklärungen zu den wichtigsten Flopps bei der Privatisierung von Trinkwasser. Wasserversorgung Schweiz: http://www.svgw.ch/ Die Website des Schweizerischen Vereins des Gas- und Wasserfaches (SVGW)enthält zahlreiche interessante Fakten zum Wasserkonsum in der Schweiz. 3