1 Januar 2016 _ 27. Jahrgang_www.BVDN.de Offizielles Organ des Berufsverbandes Deutscher Nervenärzte (BVDN), des Berufsverbandes Deutscher Neurologen (BDN) und des Berufsverbandes Deutscher Psychiater (BVDP) Medizinische Versorgung von Flüchtlingen Leistungsanspruch und Finanzierung oft unklar Aktuelle ZIPP-Daten Tendenz positiv Psychiatrische Kriminaltherapie Intervention als Risikomanagement CME: Psychische Störungen Internet- und mobilebasierte Intervention NeuroTransmitter-Telegramm 1/2016 Exklusiv für alle Mitglieder der Berufsverbände „Update EBM IV: Fachübergreifende Leistungen Kapitel 30“ BVDN BDN BVDP » In diesem Jahr finden Neuwahlen in den Kassenärztlichen ­Vereinigungen statt. Stärken Sie unseren Fachgruppen den Rücken und wählen Sie Nervenärzte, Neurologen und Psychiater in unsere Parlamente! « Dr. med. Frank Bergmann, Aachen Vorsitzender des BVDN Mehr gestalten als verwalten! G ibt es so etwas wie Hellsehen? Ja, – antwortet das Internet – das ist tatsächlich möglich. Seit es Menschen gibt, gibt es auch Voraussagen über Ereignisse sowie Hellseher oder Personen, die teilweise sehr genau sagen können, was früher oder später in einem konkreten Zusammenhang geschehen wird oder könnte. Um die zukünftigen Entwicklungen und damit einhergehende Probleme im Gesundheitswesen prognostizieren zu können, braucht es allerdings keine übersinnlichen Fähigkeiten, sondern exakte Daten und Fakten. Professor Fritz Beske, Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen und Staatssekretär a. D., hat im September 2015 das Buch „Perspektiven des Gesundheitswesens – Geregelte Gesundheitsversorgung im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft“ veröffentlicht. Basierend auf aktuellen epidemiologischen Daten und aktuellen Zahlen des statistischen Bundesamtes skizziert er die Bevölkerungsentwicklung sowie Krankheitshäufigkeiten und Versorgungsbedarfe in den nächsten Jahrzehnten und beschreibt den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen sowie die zukünftigen Versorgungsnotwendigkeiten Pflegebedürftiger: „Das Gesundheitswesen steht vor einschneidenden Veränderungen. Dabei geht es weniger um die einzelne Zahl oder eine bestimmte Prognose, es geht um Größenordnungen und Entwicklungstendenzen. Alles spricht dafür, dass der Versorgungsbedarf steigt und das die Möglichkeiten zur Deckung dieses Bedarfes sinken, finanziell und personell. Die Schere zwischen Bedarf und Möglichkeiten der Bedarfsdeckung geht so weit auseinander, dass der heutige Leistungsumfang nicht mehr finanziert werden kann und das Fachpersonal fehlt. (…)“ Kritisch beschreibt Beske die Situation der Krankenhausversorgung und weist darauf hin, dass es in Deutschland im internationalen Vergleich eine überproportional hohe Zahl an Krankenhausbetten gibt, was auf ein Potenzial für mehr ambulante und weniger stationäre Versorgung hinweise. Kein Euro dürfe in ein Krankenhaus fließen, das keine Zukunft habe. Kurz und bündig auch sein Vorschlag zur Versorgung ländlicher Räume: „Die Zielvorgabe kann daher nicht lauten: Sicherstellung einer wohnortnahen Versorgung; die Zielvorgabe muss lauten: Die Versorgung sicherstellen.“ Unmissverständlich regt Beske auch eine Diskussion über Leistungseinschränkungen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) an. Kein gutes Haar lässt er an der aktuellen Vergütung ärztlicher Leistungen von Vertragsärzten in der ambulanten ärztlichen Versorgung. Der Arzt benötige mehr Zeit, nicht NeuroTransmitter 2016; 27 (1) nur für chronisch kranke und multimorbide ältere Patienten, sondern auch für aufgeklärte und digital informierte Patienten mit einem großen Informationsbedürfnis. Oft müsse ein Patient nicht davon überzeugt werden, welche Krankheit er habe, sondern davon, welche Krankheit er nicht habe. Der Beratungsaufwand steige. Beskes Vorschlag: „In der gesetzlichen Krankenversicherung wird die pauschalierte Vergütung ärztlicher Leistungen durch eine Einzelleistungsvergütung abgelöst. Nur auf diesem Weg ist eine leistungsbezogene und transparente Vergütung möglich. (…)“ Seit Jahren und in mehr als 100 Veröffentlichungen präsentiert Beske Zahlen und Fakten, über die Politiker nur ungern öffentlich sprechen. Seit 1975 arbeitete er wissenschaftlich in dem von ihm gegründeten Institut für Gesundheitssystemforschung in Kiel, das zwischen 1983 und 2004 Kooperationszentrum der WHO war. Zentrales Thema seiner anerkannten Forschung ist immer auch die Zukunft der GKV gewesen, insbesondere Fragen der Finanzierbarkeit und der Neubestimmung des Leistungskataloges. Und so schätzt nicht jeder die Analysen des mehrfach ausgezeichneten Kieler Professors, der feststellt: „(…) dass die Anforderungen an Leistungen der GKV erheblich steigen, was drei Konsequenzen haben kann: höhere Beitragssätze, Leistungseinschränkungen und/oder Steuermittel. Anders sieht das Bundesgesundheitsmister Gröhe, der trotz eines Defizits bei den Krankenkassen und beim Gesundheitsfond die Finanzlage des GKV-Systems als ‚unverändert stabil‘ bewertet.“ Beskes Credo für die Kassenärztlichen Vereinigungen: Mehr gestalten statt verwalten! In diesem Jahr finden Neuwahlen in den Kassenärztlichen Vereinigungen statt. Stärken Sie unseren Fachgruppen den Rücken und wählen Sie Nervenärzte, Neurologen und Psychiater in unsere Parlamente! In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein gutes und erfolgreiches neues Jahr 2016! Ihr 3 Inhalt 1 Januar 2016 3 Editorial Mehr gestalten als verwalten! ©© mekcar / Fotolia.com Frank Bergmann, Aachen 12 Willkommen im Anthropozän Der Einfluss des Menschen auf die Entwicklung der Erde ist so tiefgreifend, dass Klimaforscher vorschlagen, das gegenwärtige Zeitalter als „Anthropozäns“ zu bezeichnen. Der gesellschaftliche wie auch der individuelle Umgang mit tiefgreifenden krisenbedingten Ängsten und dem Gefühl der Ausweglosigkeit und deren mentaler Bewältigung wurde auf einer Tagung der Evangelischen Akademie Tutzing diskutiert. Die Verbände informieren 6Honorar-, Kosten- und Überschuss­entwicklung – Tendenz positiv Aktuelle ZIPP-Daten unter der Lupe Frank Bergmann, Aachen, Gunther Carl, Kitzingen, Christa Roth-Sackenheim, Andernach, Uwe Meier, Grevenbroich 10 Gesundheitspolitische Nachrichten GOÄ-Reform: Sonderärztetag Ende Januar in Berlin Sachverständigenrat übergibt Sondergutachten: Steuerungsmöglichkeiten für steigendes Krankengeld Ersatzvornahme des BMG unterwirft KBV: KBV-VV muss Parität zwischen Haus- und Fachärzten festlegen Gunther Carl, Kitzingen Rund um den Beruf 21 Ambulante Versorgung von Flüchtlingen In unserer Serie „Praxisprobleme: Sie fragen – wir ant­ worten!“ fasst Dr. Gunther Carl zusammen, wie sich die bürokratische Abwicklung und Leistungshonorierung der ambulanten Versorgung je nach Flüchtlings- oder Asyl­ status gestaltet und gibt Empfehlungen für die Vertragsarztpraxis. 12 Der tragische „Sieg“ der Großhirnrinde Ökologie und Humanität im Anthropozän Andreas Meißner, München 19 Woher kommt die Gewalt? Roland Urban, Berlin 20 Risikoanalyse: Drohungen richtig bewerten Thomas Müller, Neu-Isenburg 21 Ambulante Versorgung von Flüchtlingen Leistungsanspruch und Finanzierung oft unklar Aus der Serie „Praxisprobleme“: Sie fragen – wir antworten Gunther Carl, Kitzingen Titelbild (Ausschnitt): „The Alphabet of New Plants“: Poa pratensis/Wiesen-Rispengras von Robert Voit 4 = Dieser Beitrag ist ein Titelthema. NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Fortbildung 24 Psychiatrische Kriminaltherapie im Maßregelvollzug Intervention als Risikomanagement Rüdiger Müller-Isberner, Sabine Eucker, Haina, Thomas Wolf, Marburg 30 Sozialpsychiatrische Versorgung Versorgungskosten nicht primär durch Krankheitsschwere bedingt Andreas Kinadeter, Regensburg 37 Chloroquinassoziierte psychotische Störung Psychiatrische Kasuistik Carolin Laqua, Michael Kaczmarczyk, Eike Ahlers, Francesca Regen, Eric Hahn, Berlin 40 Eingliederungshilfe Ergebnisqualität im Fokus der Sozialpsychiatrie Ingmar Steinhart, Anja Höptner, Greifswald 48 CME Online-Behandlung Internet- und mobilebasierte Intervention bei psychischen Störungen Sarah Paganini, Jiaxi Lin, Freiburg, David Daniel Ebert, Erlangen-Nürnberg, Lüneburg, Harald Baumeister, Ulm 48 Online-Behandlung psychischer Störungen Internet- und mobilebasierte Interventionen (IMI) für psychische Störungen sind meist Selbsthilfeprogramme, deren Einsatzmöglichkeiten von Prävention, über die Behandlung bis zur Nachsorge reichen. Ihre Wirksamkeit ist in zahlreichen Studien belegt, auch im Vergleich zur Psychotherapie im klassischen Setting. Hinderlich für die Implementierung in Deutschland sind hauptsächlich berufs- und datenschutzrechtliche Einschränkungen sowie ethische Bedenken. 54 CME Fragebogen Journal 62 PSYCHOPATHOLOGIE IN KUNST & LITERATUR Die Obsessionen des Georges Simenon Der Roman „Die Ferien des Monsieur Mahé“ Gerhard Köpf, München 68 NEUROTRANSMITTER-GALERIE Die Ästhetik künstlicher Welten Fotografien von Robert Voit Angelika Otto, München 23 56 65 68 70 75 Kleinanzeigen Pharmaforum Buchtipp Termine Verbandsservice Impressum/Vorschau Wie Sie uns erreichen Verlagsredaktion: Dr. rer. nat. Gunter Freese Telefon: 089 203043-1435, Fax: 089 203043-31435 E-Mail: [email protected] Schriftleitung: Dr. med. Gunther Carl Telefon: 09321 5355, Fax: 09321 8930 E-Mail: [email protected] Aboservice: Bei Fragen rund um Abonnement und Postbezug Telefon: 06221 345-4304; Fax: 06221 345-4229 E-Mail: [email protected] Offizielles Organ des Berufsverbandes Deutscher Nervenärzte (BVDN), des Berufsverbandes Deutscher Neurologen (BDN) und des Berufsverbandes Deutscher Psychiater (BVDP BVDN NeuroTransmitter 2016; 27 (1) BDN BVDP 5 Die Verbände informieren Aktuelle ZIPP-Daten Honorar-, Kosten- und Überschuss­ entwicklung – Tendenz positiv Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (ZI) erhebt jährlich im Rahmen des ZI-Praxis-Panels (ZIPP) bei Kassenärzten Daten zur wirtschaftlichen Situation. Dabei werden Kosten, ­Einnahmen und Jahresüberschuss differenziert ermittelt. Z ielsetzung und Auftrag des ZIPP ist es unter anderem, die Entwicklung der Investitions- und Betriebskosten sowie der wirtschaftlichen Situation der Vertragsärzte/-psychotherapeuten verlässlich zu beschreiben, Transparenz zur Wirtschaftslage und zu wirtschaftlichen Rahmenbedingungen herzustellen und Allgemeinmedizin Kinder- u. Jugendmedizin Psychotherapie HNO/Phoniatrie/Pädaudiologie Chirurgie Dermatologie Orthopädie Augenheilkunde Gynäkologie/Endokrinologie/ Reproduktionsmedizin Psychosomatik Urologie Kinder- u. Jugendpsychiatrie u. -psychotherapie Nervenheilkunde Psychiatrie Neurologie Anästhesiologie Innere Medizin (fachärztlich) Rehabilitative Medizin Radiologie Nuklearmedizin Strahlentherapie https://www.zi-pp.de/ Neurochirurgie Humangenetik Pathologie 0 20 40 60 80 100 Prozent Abb. 1: Rücklaufstatistik des ZIPP 2015 (Stand: 17.11.2015). Werte über 100 % sind möglich, da ausgehend von der Zahl der angeschriebenen Praxen ein prozentualer Teilnehmerzielwert definiert wurde, der auch überschritten werden konnte. 6 120 auch regionale sowie Unterschiede zwischen und innerhalb der Fachgruppen zu identifizieren und zu erklären. Nicht zuletzt geht es darum, Analysen für die Honorarverhandlungen der KVen und kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) mit den Krankenkassen und deren Verbänden bereitzustellen. Die Befragungstechnik der Längsschnittbeobachtung erfordert die regelmäßige wiederholte Teilnahme mit Aktualisierung der Angaben über einen längeren Zeitraum. Angeschrieben werden jährlich die Panel-Praxen sowie weitere zufällig ausgewählte Praxen aus dem Bundesarztregister. Die Stichprobenschichtung erfolgt derzeit nach Fachgruppen entsprechend der Zulassung (Bundesarztregister) und nach Regionen (städtische, ländliche, verstädterte Räume). Zu den Angaben des Arztes gehören: —Organisationsmerkmale —Fachgebiet und Arbeitsumfang —Versorgungstätigkeit und Leistungserbringung —Personelle, räumliche und technische Ausstattung —Persönliche Bewertung Angaben des Steuerberaters umfassen: —Aufwendungen —Einnahmen —Wert des Anlagevermögens der Praxis —Anteil der Eigenfinanzierung. Die Daten der Ärzte und die, die Steuerberater über DATEV generiert haben, werden streng anonymisiert ausgewertet, sofern eine statistisch hinreichende Datenbasis erreicht wurde. Die Rücklaufzahlen der verschiedenen Kassenärzte zeigten eine enorme Spannbreite (Abb. 1). Allen, die sich an NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Einkommensentwicklung der Befragung beteiligt haben, ganz herzlichen Dank! Ergebnisse aller Vertragsärzte und -psychotherapeuten Aus reiner GKV-Tätigkeit erzielten die Ärzte je Praxisinhaber 2011 durchschnittlich einen Jahresgewinn von 110.000 € über alle Fachgruppen gerechnet. Dabei wird der Referenzwert von 106.000 €, der einem Oberarztgehalt 2007 entspricht, geringfügig überschritten. Dieser Referenzwert muss allerdings um Inflation und mehrere Gehaltsanpassungen berichtigt werden, so dass er inzwischen laut ZI bei 145.000 € liegen müsste. Soll die niedergelassene GKVTätigkeit finanziell gleich attraktiv sein wie die eines Oberarztes, so hätte der Praxisüberschuss 2011 bei 145.000 € liegen müssen. 73 % der Einnahmen einer niedergelassenen Praxis stammen aus der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), bei Hausärzten waren es 82 %. 20,9 % ihrer Einnahmen erzielten niedergelassene Ärzte aus der privaten Krankenversicherung (PKV), Hausärzte 14 %. Bei der Berechnung des Gewinns aus der GKV werden die ökonomischen Praxiskennzahlen auf reine GKV-Leistungen standardisiert. Zwischen 2009 und 2011 nahmen die Gesamtumsätze der Praxisinhaber zwar um 2,1 % auf 276.000 € beziehungsweise nochmals um 1,9 % auf 281.000 € zu. Gleichzeitig stiegen jedoch die Praxiskosten jährlich um 2,5 %. Dadurch ergab sich 2010 bilanziert eine Steigerung von 0,8 %, 2011 jedoch eine Minderung des Gewinns um 0,7 %. Zwischen 2009 und 2011 erhöhten sich die Personalkosten um 8,4 %, Material und Labor um 8 %, Versicherungen und Gebühren um 7 %. Betrachtet man die einzelnen Fachgruppen, so zeigt sich im neurologisch-psychiatrischen Bereich ein um 6 % gewachsener Jahresüberschuss. Dies entspricht nach Angaben des ZI auch einem erheblichen jahrelangen Nachholbedarf. Bemerkenswert ist die Kostenstruktur bei einem Vergleich zwischen Einzelund Gemeinschaftspraxen. Bei Hausärzten ergeben sich in Gemeinschaftspraxen erhebliche Synergieeffekte und damit ökonomische Vorteile. Fachärztliche Gemeinschaftspraxen setzten offenbar NeuroTransmitter 2016; 27 (1) eher auf Spezialisierung, dies führt zu ­einem höheren Kostenanteil (+ 26 %) als in einer fachärztlichen Einzelpraxis. Dennoch sind die Jahresüberschüsse je Praxisinhaber in einer fachärztlichen Gemeinschaftspraxis im Durchschnitt aller Fachgruppen höher (+ 23 %) als bei einer fachärztlichen Einzelpraxis, weil insgesamt deutlich höhere Umsätze je Praxisinhaber erzielt werden. Zwischenzeitlich liegen auch Zahlen für die Jahre 2010 bis 2013 vor. Zwar nahmen die Umsätze durchschnittlich über alle Fachgruppen nochmals um 5,8 % zu. Dabei stiegen allerdings die Praxiskosten im gleichen Zeitraum um 7,6 %. Dies führt zu durchschnittlichen Jahresüberschüssen je Praxisinhaber von zirka 110.000 €. Nach Abzug von Steuern, Altersvorsorge und Krankenkassenbeiträgen wurde ein fiktives monatliches Nettoeinkommen von 5.946 € ermittelt. Wird nun der durchschnittliche Jahresgewinn auf die Arbeitszeit von angestellten Ärzten heruntergerechnet (also 40 Stunden pro Woche), so ergibt sich für diese Wochenarbeitszeit ein Jahresgehalt von durchschnittlich nur 85.000 €. Selbstständig niedergelassene Ärzte arbeiten jedoch bekanntermaßen durchschnittlich 55 Stunden pro Woche. Laut ZI gingen die Investitionen in den Praxen deutlich zurück, was man aus den Zahlen für Abschreibungen und Aufwendungen für Leasing und Gerätemiete entnehmen kann. Um 13,5 % sank die Abschreibungsrate zwischen 2010 und 2013, das heißt, es wurde weniger in die Praxisausstattung investiert und es wurden wesentlich weniger neue Geräte angeschafft. Der Investitionsstau macht auch der KBV große Sorgen. Von 2010 bis 2013 stiegen außerdem die Personalkosten erneut um 16,5 %, was ebenfalls zu sinkenden Gewinnen führt. Zahlen der Nervenärzte Für die Gruppe der Nervenärzte zeigt sich ein weiter stabiles und positives Bild aus den Daten der aktuellen Umfrage 2014. Der Jahresüberschuss der beteiligten Nervenärzte stieg in den drei Jahren von 2010 zu 2013 um rund 14 %, im Jahr 2013 sank der Jahresüberschuss – vor dem Hintergrund gestiegener Aufwendungen gegenüber 2012 von 181.000 € Die Verbände informieren auf 178.000 €. Der Einnahmenanteil aus der GKV betrug dabei 78 %. Erhebliche Unterschiede zeigen sich in den Aufwendungen der nervenärztlichen, psychiatrischen und neurologischen Praxen: In der psychiatrischen Praxis errechnen sich die durchschnittlichen Aufwendungen mit 63.500 €, Neurologen haben Aufwendungen in Höhe von 122.570 € und Nervenärzte von durchschnittlich 117.800 €. Die Unterschiede belegen die sehr differenten Praxisbetriebsmodelle. Zahlen der Psychiater und Psychotherapeuten Grundlage sind die beiden ZIPP-Fachgruppenberichte einmal auf Basis der ersten Erhebung von 2009 bis 2011 und zum anderen der Bericht 2014 mit differenzierten Wirtschafts- und Strukturkennzahlen bis 2013. Die vorliegenden Erhebungen beziehen sich somit auf ­Daten aus den Jahren 2009 bis 2013 und zeigen ein statistisch robustes Ergebnis. Die ZIPP-Fachgruppenberichte beschreiben die Wirtschaftslage und wirtschaftlich relevante Rahmenbedingungen innerhalb der jeweiligen Fachgruppe. Hierzu wird zum einen hinsichtlich der Schwerpunkte und Spezialisierungen und zum anderen nach regionalen Aspekten und Umsatzgrößen unterschieden. Berichtet wird zu Einnahmen, Ausgaben und Jahresüberschüssen, Patientenzahlen, Praxisfläche und Mietaufwendungen sowie zur Leistungsstruktur und zur Arbeitszeit von Ärzten und des nicht ärztlichen Personals. Für die Fachgruppe der Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie können aus den Zahlen der Jahre 2009 bis 2013 Rückschlüsse auf die Auswirkungen der EBM-Änderungen auf die ambulante psychiatrische Versorgung und die Strukturbedingungen für die Psychiater gezogen werden. Diese Jahre waren für die Entwicklung des Honorars der Fachgruppe sozusagen schicksalhaft. Zur Erinnerung: In 2005 wurde der EBM 2000 plus mit den addierbaren 10-Minuten-Ziffern und den Betreuungsleistungen für Psychiater eingeführt. Ab dem dritten Quartal 2009 wurde die 10-Minuten-Gesprächsziffer mit einigen anderen Leistungen, wie etwa Schmerztherapie, Akupunktur, Po- 7 Die Verbände informieren Einkommensentwicklung lysomnografie und antragspflichtige Psychotherapie zusätzlich als „freie Leistung“ gekennzeichnet. Damit war zunächst ein lange verfolgtes berufspolitisches Ziel unserer Verbände umgesetzt worden. Es war immer unsere Forderung gewesen, dass die 10-Minuten-Gesprächsziffer nicht budgetiert und nicht in ein Regelleistungsvolumen (RLV) „versenkt“ gehört. Da alle anderen Fachgruppen außer den Psychiatern, Nervenärzten und Neurologen ihre freien Leistungen massiv ausgeweitet hatten, wurden sämtliche freien Leistungen im dritten Quartal 2010 wieder zurückgenommen. Gleichzeitig war weiterhin gesetzlich im SGB V festgelegt, dass RLV zu bilden seien, weshalb auch eine bundesweite Regelung der Honorarverteilung galt und in den regionalen Landes-KVen nur ein marginaler Spielraum für die Honorarverteilung bestand. Die drei Berufsverbände konnten damals nach reiflicher Überlegung durchsetzen, dass in die RLV normativ Gesprächsleistungen pro Fall „eingepreist“ wurden. Der Zeitraum 2009 bis 2013 beschreibt demzufolge einerseits eine berufspolitisch sehr wechselhafte und kritische Zeit für die Ärzteschaft, in der es honorar­ politisch auch zu Umverteilungen kam. Man erinnere sich an die Ärzte­demos und Streiks. Andererseits bot sich für unsere Fachgruppe die bisher ein­ malige Chance, bundesweit nachhaltige Honorarverbesserungen zu erreichen. Was zeigen die Ergebnisse im Einzelnen? Die durchschnittlichen Praxiseinnahmen über alle psychiatrischen Praxen stiegen je Inhaber von 270.000 € in 2009 auf 288.000 € in 2013. Dabei sind die Einnahmen derjenigen Praxen innerhalb dieser Gruppe besonders stark gestiegen, die überwiegend psychiatrisch gearbeitet haben: von 180.000 € in 2009 auf 215.000 € in 2013. Ein gleichläufiger Trend zeigt sich bei den gemischt psychiatrisch und psychotherapeutisch tätigen Psychiatern (von 146.000 € auf 178.000 €). Die Einnahmen der überwiegend psychotherapeutisch tätigen Psychiater blieben nahezu gleich oder sind tendenziell leicht gesunken (von 109.000 € auf 101.000 €), wobei hier auch eine geringere wöchentliche Arbeitszeit zu berücksichtigen ist (Tab. 1). Doch sind Einnahmen nicht gleich Überschuss: Bei den Psychiatern wächst der Überschuss in den Jahren 2009 bis 2011 im Durchschnitt um etwa 11 %, im Durchschnitt der anderen Fachgruppen blieb er gleich. Im Einzelnen betrachtet zeigt sich: Es stiegen insbesondere die Überschüsse der überwiegend psychiatrisch tätigen Kollegen (von 107.000 € auf 131.000 €), gefolgt von den Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie, die gemischt psychiatrisch und psychothe- Tab. 1: Strukturmerkmale Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie 2011 je Arzt Patientenzahlen GKV-Fallwert 2011 Wochenarbeitszeit in Stunden Abwesenheitstage (Urlaub, Krankheit, Fortbildung) Jahresarbeitszeit nicht ärztliches Personal/je Arzt Tätigkeit – gemischt 356 94 48 48 1.598 * – überwiegend psychiatrisch 697 61 56 41 1.889 – überwiegend psychotherapeutisch 82 324 47 44 324 * Durchschnitt psychiatrische Praxen 441 79 51 44 1.474 Alle Praxen aller Fachgruppen 912 60 51 41 3.785 *geringe Anzahl an Praxen, Daten nicht voll belastbar 8 rapeutisch arbeiten (von 88.000 € auf 114.000 €). Die Überschüsse überwiegend psychotherapeutisch tätiger Psychiater blieben bis 2011 gleich (82.000 €) und sanken von 2011 bis 2013 leicht ab auf 75.000 €. Der Bericht gibt aber auch Auskunft über Strukturmerkmale der Tätigkeit der Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie (Tab. 1). Zahlen der Neurologen Zunächst einige Angaben zu den Versorgungskennzahlen in der ambulanten Neurologie. Die durchschnittliche Fallzahl aller Praxen (also über alle Fachgruppen hinweg) betrug 2011 pro Arzt und Quartal 912 und 894 im Jahr 2013. Neurologen versorgten in diesen Jahren mit 1.035 und 1.019 Patienten pro Quartal im Vergleich eine höhere Anzahl an Patienten. Diese Zahl ist insofern bemerkenswert, da die Versorgung neurologischer Patienten ausgesprochen zeitaufwändig ist. Der Vergleich mit früheren Statistiken von 1995 bis 2005 zeigt, dass die Patientenzahlen kontinuierlich gestiegen sind. Weiterhin zeigen die ZIDaten, dass die durchschnittliche Wochenarbeitszeit mit 51 Stunden bei den Neurologen gegenüber 48 Stunden bei ­a llen Fachgruppen ebenfalls überdurchschnittlich ist. Die Fehlzeiten sind hingegen mit 37 Abwesenheitstagen gegenüber 41 im Durchschnitt aller Praxen unterdurchschnittlich. Diese Zahlen bestätigen einerseits, dass Neurologen ihren Versorgungsauftrag ernst nehmen, zum anderen, dass diese Zahlen praktisch nicht mehr gesteigert werden können. Das lässt auch Rückschlüsse auf die Bedarfsplanung zu: Dem erhöhten Versorgungsbedarf aufgrund des demografischen Faktors, des medizinischen Fortschritts und des Zuweisungstourismus mussten die Neurologen mit Fallzahlsteigerung begegnen. Um einen weiter steigenden Versorgungsbedarf aufzufangen, muss die Bedarfsplanung angepasst werden. Mit der Zwangsvergabe von Terminen über Servicestellen wird dieses Problem nicht zu lösen sein. Die Tatsache, dass der GKV-Anteil mit 90 % ebenfalls überdurchschnittlich ist, beziehungsweise der Anteil an Privatpatienten mit 6 % unterdurchschnittlich (10 % über alle Praxen gerechnet), bestätigt diesen Zusammenhang. NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Die Verbände informieren Anzeige Einkommensentwicklung Die durchschnittliche Patientenzahl betrug 2013 auf dem Land 1.069 Patienten, im Umland 1.058 und in der Stadt 953. Diese Differenzen sind über die Jahre stabil und zeigen einen erhöhten Versorgungsdruck in ländlichen Regionen an. Ein anderer Grund und damit verbunden sind möglicherweise höhere Spezialisierungsmöglichkeiten in der Stadt. Erwartungsgemäß steigt das Honorar mit den Fallzahlen. Neurologen in der Einkommensklasse I haben eine durchschnittliche Patientenzahl von 1.248 und eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 56 Stunden gegenüber 826 Patienten und 44 Stunden in der Einkommensklasse III. Der hohen Versorgungsleistung von GKV-Versicherten, die sich in überdurchschnittlichen Patientenzahlen und Wochenarbeitszeiten sowie unterdurchschnittlichen Abwesenheitszeiten und Privatpatientenanteil ausdrückt, steht ein unterdurchschnittlicher Fallwert von 48 € gegenüber 60 € im Durchschnitt aller Praxen entgegen. Das ist zweifelsohne ungerecht, denn eine Annäherung an die durchschnittlichen Jahresüberschüsse ist nur über hohe Patientenzahlen und überdurchschnittliche Arbeitszeiten möglich. Die Vergütungskennzahlen der Neurologie zeigen folgendes: Neurologen konnten von 2009 bis 2011 ihre Einnahmen wie in den vergangenen Jahren davor deutlich von 223.000 € auf 251.000 € steigern. 2011 beinhaltet dies eine Steigerung von 11,6 % im Vergleich zum Vorjahr. Vergleicht man die Steigerung der Einnahmen aller Praxen, so ist hier ein Anstieg von 270.000 € auf 281.000 € zu verzeichnen, was einem Plus von 1,9 % im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Dies zeigt, dass Neurologen 2009 noch deutlich unterdurchschnittliche Honorare im Vergleich zu anderen Fachgruppen hatten, aber diese Differenz aufgrund der überdurchschnittlichen Wachstumsraten deutlich geschrumpft ist, was einem stabilen Trend der vergangenen Jahre entspricht. Im Jahr 2012 konnten die Einnahmen nochmals um 7,3 % auf 269.000 € gesteigert werden und sind 2013 mit 270.000 € praktisch gleich geblieben. Entscheidend in der Betrachtung sind natürlich nicht die Einnahmen, sondern NeuroTransmitter 2016; 27 (1) die Jahresüberschüsse. Auch bestätigt sich ein stabiler Trend mit überdurchschnittlichen Wachstumsraten. Haben Neurologen noch 2009 einen deutlich unterdurchschnittlichen Jahresüberschuss von 113.000 € erwirtschaftet, sind es bereits zwei Jahre später 141.000 €, was einer Wachstumsrate nominal von 18,1 % gegenüber dem Vorjahr entspricht. Der Durchschnitt aller Praxen hat hier ausgehend von einem deutlich höheren absoluten Überschussniveau nur eine Steigerung von 140.000 € auf 145.000 € zu verzeichnen. Die Differenz schwindet demnach auch hier. Dieser Trend hält bis 2013 an. 2012 erfolgte eine Steigerung um 10,1 % auf 145.000 € und 2013 auf 147.200 €. Die ZI-Daten sind aus methodischen Gründen naturgemäß veraltet. Das ZI publiziert in den Jahresberichten daher auch immer eine Modellrechnung für die Folgejahre. Hier wird eine nominale Wachstumsrate von 2 % über alle Fachgruppen hinweg zugrunde gelegt. Demnach würden die Neurologen bis 2015 ­einen Jahresüberschuss von 153.000 € gegenüber 151.000 € in allen Fachgruppen erwirtschaften. Die Neurologen sind faktisch damit aus dem historischen Einkommenstief herausgekommen und bilden nicht mehr das Schlusslicht in der Honorarskala. Gleichwohl sind diese Daten in Anbetracht der Versorgungsleistung und oben genannter Versorgungskennzahlen von einer leistungsgerechten Vergütung weit entfernt. Wir hoffen daher, dass die Neurologen weiterhin überdurchschnittliche reale Wachstumsraten verzeichnen können und sich die Daten nach oben hin korrigieren. Eine entscheidende Neubewertung wird erforderlich sein mit Einführung des neuen EBM, mutmaßlich 2017. Die neurologischen Berufsverbände haben hier mit der Neukalkulation des EBM und den Vorschlägen zur Einführung neuer EBM-Positionen entscheidende Vorarbeiten geleistet, mit dem Ziel einer leistungsgerechteren Vergütung. AUTOREN Dr. med. Frank Bergmann, Aachen Dr. med. Gunther Carl, Kitzingen Dr. med. Christa Roth-Sackenheim, Andernach Dr. med. Uwe Meier, Grevenbroich 9 Die Verbände informieren Gesundheitspolitische Nachrichten GOÄ-REFORM OHNE ENDE Sonderärztetag Ende Januar in Berlin In der ärztlichen Standes- aber auch in der Laienpresse war in den letzten Wochen häufiger von der Reform der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) die Rede. Viele Kollegen und Funktionsträger kritisierten die nun schon beinahe zehn Jahre dauernde Entwicklung und Meinungsbildung in verschiedensten Gremien und Entscheidungsinstanzen. Bekanntermaßen repräsentiert die GOÄ den medizinischen und ökonomischen Leis­tungsstandard von 1996, in weiten Teilen sogar noch wesentlich ältere Verhältnisse. Ein derartiger Zustand wäre bei der Gebührenordnung beispielsweise der Architekten (HOAI) oder der Rechtsanwälte (BRAGO) undenkbar. Andererseits wurde die Intransparenz und ungenügende Kommunikation der GOÄProblematik seitens der Bundesärztekammer zu Recht kritisiert. Die Bundesländer als Kostenträger der Beihilfe wünschen sich eine kostenneutrale GOÄ-Reform. Die privaten Krankenversicherungen mit dem PKV-Verband gehen in eine ähnliche Richtung, möchten aber auch bei der fachlichen und preislichen Ausgestaltung der einzelnen Leistungen mitsprechen. Sie gingen sogar soweit, eine eigene private Gebührenordnung zu erstellen. Außerdem streben sie eine sogenannte Öffnungsklausel an, also die Möglichkeit mit einzelnen oder Gruppen von Leistungserbringern günstigere Preise abweichend von der GOÄ vereinbaren zu dürfen. Die Bundesärztekammer entwickelte in den letzten zehn Jahren mit sehr großem Aufwand unter Einbeziehung der Fachgesellschaften und Berufsverbände auf Basis einer standardisierten Kostenrechnung und unter Berücksichtigung des durchschnittlichen Zeitaufwandes für alle ärztlichen Tätigkeiten eine Neukalkulation der bisherigen und etlicher neuer Leistungen. Das rechnerische und strukturelle Vorgehen hat starke Ähnlichkeiten mit der Entwicklung des seit etlichen Jahren gültigen einheitlichen Bewertungsmaßstabes EBM 2000 plus für GKV-Versicherte. Geplant ist ein robuster Einfachsatz der laut Bundesärztekammer preislich etwa dem jetzigen 2,3-fachen Satz entspricht. Dieser Preis soll nur in besonderen Ausnahmefällen überschreitbar sein, der sich nach vorher festge- 10 legten Kriterien „aufgrund der objektiven Schwere des Einzelfalls“ und nur noch um den Faktor 2 erhöhen darf. Die möglichen Begründungen hierfür werden mit Ein- und Ausschlusskriterien vordefiniert sein. Es wird ein zugrunde liegender Punktwert für alle Leistungen definiert, der dann in regel­ mäßigen Tarifverhandlungen kontinuierlich angepasst werden kann. Eine gemeinsame Kommission zwischen Ärzteschaft (vier Vertreter der Bundesärztekammer), privaten Krankenversicherungen (zwei Stimmen des PKV-Verbandes) und Beihilfebehörden (zwei Delegierte) soll in der Folge etwaige Leistungs- oder Preismodifikationen aushandeln. Die Kommission soll Empfehlungen abgeben, um „Über- und Unterbewertungen“ ärztlicher Leistungen zu beseitigen, zulässige Begleitumstände für die Anwendung des Steigerungssatzes und Begründungsinhalte für die Steigerung definieren, Behandlungsumstände identifizieren, „bei denen die Anwendung des Steigerungssatzes nicht gerechtfertigt ist“, und Hinweise zur analogen Anwendung der GOÄ hinsichtlich neuer Behandlungs- und Diagnoseverfahren geben. Antragsberechtigt sind je nach den Umständen die beteiligten Organisationen oder bei der Erweiterung der Positivliste auch einzelne Ärzte. Als Basis hierfür ist ein Monitoring der Mengenund Preisentwicklung vorgesehen. Ärzte dürfen nur Vergütungen für Leistungen berechnen, „für deren Erbringung der Arzt nach Maßgabe des Weiterbildungsrechts grundsätzlich die fachliche Qualifikation besitzt“. Außerdem sind „Lösungen zur modellhaften Erprobung von Elementen zur Verbesserung der Versorgungsstruktur“ vorgesehen. Ein wichtiges Anliegen der GOÄ-Reform war erklärtermaßen unter anderem auch die Förderung der sprechenden Medizin. Beim jüngsten Ärztetag 2015 wurde im Übrigen beschlossen, dass psychologische Psychotherapeuten und psychologische Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten nicht mehr aus dem Kapitel G der GOÄ abrechnen können. Letztendlich ist aber klar, dass das Bundesministerium für Gesundheit die endgültige Entscheidungsbefugnis zum in Kraft setzen einer neuen GOÄ hat. Zwischenzeitlich hatte der PKV- Dr. med. Gunther Carl, Kitzingen Stellvertretender Vorsitzender des BVDN »Der Vorstand der Bundesärztekammer bezeichnete die anstehende Novellierung der GOÄ richtigerweise als ‚Jahrhundertchance‘ für die Ärzte.« Verband die bisherigen Ergebnisse der Verhandlungen an das Bundesministerium für Gesundheit übergeben und damit offiziell das Verfahren zu einer GOÄ-Rechtsverordnung eröffnet. Bei den Zahnärzten hatte die Reform der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) zu einem zirka 9 %igen Ausgabenanstieg geführt, nachdem ursprünglich eine gesamte GOZ-Erhöhung von etwa 6 % kalkuliert war. Auf Basis dieses Informationsstandes kam es in den letzten Monaten zu widersprüchlichen Äußerungen der beteiligten Institutionen was den Fortgang der Verhandlungen, strukturelle GOÄ-Änderungen und die Höhe der Leistungs- sowie der Gesamtkosten angeht. Die Unsicherheiten und Konflikte in diesem Rahmen gipfelten nun in einem Antrag mehrerer Landesärztekammern (Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg) auf einen Sonderärztetag ausschließlich mit dem Thema GOÄ, der voraussichtlich am­ 23. Januar 2016 in Berlin stattfinden wird. Eigentlich soll die neue GOÄ im Oktober dieses Jahres in Kraft treten. Kommentar: Der Vorstand der Bundesärztekammer bezeichnete die anstehende Novellierung der GOÄ richtigerweise als „Jahrhun- NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Gesundheitspolitische Nachrichten dertchance“ für die Ärzte. Den Fortgang der Verhandlungen sollte man nun nicht mehr aufhalten. Der ganz überwiegende Teil der Sacharbeit und der Verhandlungssitzungen ist geleistet. Dass einzelne Protagonisten die zugegebenermaßen nun schon unerträglich lange dauernden und intransparenten Reformbemühungen und Verhandlungen durch plebiszitäre Eingriffe im Endeffekt möglicherweise noch weiter verzögern, ist mindestens Die Verbände informieren verwunderlich. Private Krankenkassen, Beihilfebehörden, Bundesgesundheitsministerium für Gesundheit, SPD, Grüne und Linke freuen sich. Denn damit wird die Bürgerversicherung wahrscheinlicher. gc SACHVERSTÄNDIGENRAT ÜBERGIBT SONDERGUTACHTEN Steuerungsmöglichkeiten für steigendes Krankengeld Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR) übergab Anfang Dezember 2015 sein neuestes Gutachten an Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe. Seit 2006 steigen die Ausgaben der Krankenkassen für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall (Krankengeld) überproportional. Das Gutachten soll zu Entwicklung, Ursachen und Steuerungsmöglichkeiten der Krankengeldsteigerung Stellung nehmen. Laut SVR ist ein großer Anteil der Ausgabensteigerungen letztendlich auf die gute Wirtschaftsentwicklung mit höheren durchschnittlichen Erwerbseinkommen und auf mehr vor allem ältere sozialversicherungspflichtig Beschäftigte zurückzuführen. Auf Empfehlung des SVR soll eine „Teilarbeitsunfähigkeit“ eingeführt werden, wie sie bereits in skandinavischen Ländern, ähnlich auch im Vereinigten Königreich seit längerem üblich ist. So können erkrankte Versicherte je nach Gesundheitszustand und Beeinträchtigung ihrer Arbeit teil- oder zeitweise nachgehen. Je nach Dynamik des Gesundungsverlaufes kann sich der Prozentsatz der Arbeitsunfähigkeit ändern. Krankengeld muss dann nur noch für die Teil-Fehlzeiten bezahlt werden. Der SVR beschäftigt sich auch mit besonders stark krankengeldrelevanten Arbeitsunfähigkeitsdiagnosen wie zum Beispiel Rückenleiden und psychischen Erkrankungen. So könne beispielsweise durch frühe Erstkontakte die psychiatrische Versorgung verbessert werden. Empfehlung 10 des Sachverständigenrates beschäftigt sich mit der „Koordinierung der Behandlungswege und Therapieangebote in der psychiatrisch- psychotherapeutischen Versorgung (Ausbau gestufter Versorgungsmodelle, ambulantes Case-Management und Etablierung früher Erstkontakte)“. Selektivvertragsmodelle mit Zugangsgarantien und insbesondere Akutsprechstunden oder auch schwerefallabhängige Honoraranreize für ambulante Therapeuten seien geeignete Maßnahmen. Kommentar: Genau ein solches Vertragsmodell haben wir als neuropsychiatrische Berufsverbände, mit Psychosomatikern und Psychologen in Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) seit längerem als Bundesempfehlung erarbeitet. Wir können nur hoffen, dass auch Krankenkassen das neueste SVR-Gutachten lesen und mit uns ins Gespräch kommen.gc ERSATZVORNAHME DES BMG UNTERWIRFT KBV KBV-VV muss Parität zwischen Haus- und Fachärzten festlegen Das gab es noch nie. Erstmals in der Geschichte der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen zwingt das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) zur Umsetzung des Gesetzes. In § 79 (3a) SGB V ist seit neuestem festgeschrieben, dass zwischen Haus- und Fachärzten bei gemeinsamen Entscheidungen in der Vertreterversammlung der KBV (KBV-VV) insgesamt eine Parität zwischen den Stimmen der Haus- und der Fachärzte bestehen muss. Bei Abstimmungen mit hausärztlicher Thematik sollen nur Hausärzte abstimmen dürfen, bei fachärztlichen Angelegenheiten nur Fachärzte. Dies ist weitgehend unstrittig. „Für gemeinsame Abstimmungen wird für jedes Mitglied der Vertreterversammlung eine gewichtete Stimme NeuroTransmitter 2016; 27 (1) festgestellt, welche rechnerisch in Entsprechung zur Zahl der Mitglieder der Vertreterversammlung insgesamt und der Mitglieder seiner Versorgungsebene zugeordnet werden. Die Zuordnung des Stimmgewichts erfolgt durch einen Quotienten für jedes Mitglied der Versorgungsebene, gemessen an der Gesamtzahl der Mitglieder seiner Versorgungsebene im Verhältnis zur Gesamtzahl der Mitglieder in der Vertreterversammlung. Die Stimmengewichtung und die Anzahl der Stimmen, die jedem Mitglied zugeordnet werden, werden zu Beginn einer Sitzung bekannt gegeben.“ Soweit der Gesetzestext im SGB V. Dreimal hatten die von den Länder-KVen gewählten Vertreter der Bundes-VV gegen eine solche Satzungsänderung der KBV gestimmt, mit Zweidrittelmehrheit. Kommentar: Dass diese Bestimmung einer künstlichen Hausarzt-Facharzt-Parität im Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD fixiert und schließlich im Gesetz festgeschrieben wurde, ist ein Erfolg des Hausärzteverbandes. Mit welcher Legitimation eigentlich? Gröhe setzt ihn jedenfalls um. Die Satzungsänderung für diese Vorschrift wurde von der KBV-VV mehrfach mit satter Mehrheit abgelehnt. Dies kann bei insgesamt 60 Stimmen nur mit mindestens zehn Hausarztstimmen geschehen sein. Offenbar stehen nicht alle Hausärzte hinter ihrem Verband. Dennoch wird in Zukunft der Hausarzt einen Stimmenwert von 1,1 oder 1,2 in der KBV-VV haben, der Facharzt jedoch nur 0,9 oder 0,8. Das erinnert an vordemokratische Zeiten und wirft die Frage nach der Verfassungskonformität auf. gc 11 Rund um den Beruf Ökologie und Humanität im Anthropozän Der tragische „Sieg“ der Großhirnrinde Mit seinen spezifischen geistigen und kognitiven Fähigkeiten hat sich der neuzeitliche Mensch weit über seine natürliche Umwelt gestellt und greift vernichtend in sie ein. Er bleibt aber weiter grundlegenden Regulationsmechanismen von Ökosystemen unterworfen. Das führt zu unangenehmen Konsequenzen, und zur Frage deren mentaler Bewältigung. – Ein kritischer Tagungsbericht. I m Jahr 2002 hatte der Chemie-Nobelpreisträger und Klimaforscher Paul Crutzen in „Nature“ vorgeschlagen, dem bisherigen Zeitalter Holozän das Zeitalter „Anthropozän“ folgen zu lassen [1]. Der Einfluss des Menschen auf die Entwicklung der Erde, so seine Argumentation, sei seit dem 19. Jahrhundert so tiefgreifend, dass dies geobiologisch Auswirkungen für Jahrtausende haben werde. Im Blick hatte er dabei insbesondere den Klimawandel, zu denken wäre aber auch an die sich beschleunigende Landübernutzung, die langfristige Lagerung des Atommülls oder auch das aktuelle sechste Artensterben [2]. Letzteres folgt 8 Weltbevölkerung 6 5 4 3 2 0 1750 1800 1850 1900 Jahr 1950 2010 Atmosphärische Konzentration (PPM) Tausend km3 400 300 200 0 1750 Wasserverbrauch 3 OECD-Länder BRICS-Staaten* Andere 2 1 0 1750 12 Primärenergieverbrauch 100 1 4 Erde. Das verlange uns eine neue Qualität von Verantwortung ab. Die Tagung „Ökologie und Humanität im Anthropozän“ der evangelischen Akademie Tutzing nahm sich vom 18. bis 20. September 2015 solcher ethischer Aspekte an. Der Historiker Franz Mauelshagen zitierte das vom Zoologen und Philosophen Ernst Haeckel (dem späteren Wegbereiter der Eugenik und Rassenhygiene) schon 1868 so benannte „anthropolitische oder anthropozoische Zeitalter“: „Es könnte auch das Zeitalter der Culturwälder oder der Gärten heißen, weil selbst auf den niedrigeren Stufen der menschlichen Cultur ihr umge- 500 Exajoule [EJ] Milliarden 600 OECD-Länder BRICS-Staaten* Andere 7 ©© Nach [3]; http://de.slideshare.net/IGBPSecretariat/great-acceleration-2015 den früheren großen fünf Artensterben, die zumeist durch klimatische Veränderungen oder tektonische Verschiebungen ausgelöst wurden. Will Steffen stellt in seinem „Anthropozän-Review“ fest, dass seit 1950 die sozioökonomischen und ökologischen Indikatoren für den globalen Wandel wie beispielsweise die Zunahme der Weltbevölkerung, Anstieg des Energieverbrauchs, Überfischung der Meere, Ozonanstieg in der Stratosphäre eine ganz extreme Beschleunigung erfahren (Abb. 1) [3]. Der Begriff des Anthropozäns, so Crutzen kürzlich [4], beschreibe die Schuld des Menschen an den ökologischen Gefahren für die 1800 1850 1900 Jahr 1950 2010 390 1800 1850 1900 Jahr 1950 2010 CO2 Abb. 1: Vier Beispielgrafiken aus dem Anthropozän-Review von Will Steffen, die den globalen Wandel seit 1750 und dessen enorme Beschleunigung seit den 1950er-Jahren zeigen. *BRICS-Staaten: Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika 360 330 300 270 1750 1800 1850 1900 Jahr 1950 2010 NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Ökologie und Humanität im Anthropozän staltender Einfluss sich bereits in der ­Benutzung der Wälder und ihrer Erzeugnisse, und somit auch in der Physiognomie der Landschaft bemerkbar macht.“ [5] Der Mensch wirkt demnach als geologische Kraft, vergleichbar mit nichtmenschlicher Aktivität wie etwa Vulkanismus oder Erdplattenverschiebung. Speziell gemeint ist nach Mauelshagen der Homo sapiens, der bis zum Übergang vom Jäger und Sammler zur Landwirtschaft vor über 10.000 Jahren schon andere Unterarten wie den Neandertaler, Homo erectus oder den Rotwildhöhlenmenschen hinter sich gelassen oder an den Rand gedrängt hat. Nutzung der Natur durch Lebewesen Auswirkungen eines sich aktuell ähnlich vollziehenden Übergangs schilderte Volker Sommer, Professor für Evolutionäre Anthropologie am University College London, am Beispiel der Nomaden Nigerias, die nun sesshaft werden und Rinderherden züchten, dafür aber Urwald abholzen und abbrennen. Dies wiederum verursacht Erosionsfelder und beeinträchtigt die Wasserversorgung, da die wasserhaltende Funktion des Waldes nicht mehr gegeben ist. Hinzu kommt die dort noch stattfindende Bevölkerungsexplosion mit durchschnittlich acht Kindern pro Frau. Die Population der im letzten größeren Urwaldgebiet Nigerias lebenden Schimpansen und Gorillas hat bereits rapide abgenommen. Die stetig wachsende Weltbevölkerung insgesamt, so Winfried Blum von der Wiener Universität für Bodenkultur, benötige zunehmend Raum, Nahrungsmittel und Energie, verliere aber immer mehr fruchtbare Böden durch Versie­ gelung. Gleichzeitig ändere sich der ­Lebensstil, es steige die Nachfrage nach individuellem Lebensraum, aber auch nach Bioenergie. Nahrungsaufnahme und Konsum seien übermäßig, während jedoch 25 % der Lebensmittel in den westlichen Ländern im Müll landen würden. Weiter erfolge eine stärkere Bodenbeanspruchung durch mehr Getreideanbau, benötigt für den zunehmenden Fleisch- und Milchhunger in der Welt. Deutlich wird hierbei, wie der Mensch die Ressourcen seiner Umgebung wie Nahrung, Wasser und Raum zur BefrieNeuroTransmitter 2016; 27 (1) digung seiner Bedürfnisse nutzt: Dies führt zur Entnahme von Rohstoffen, zu Eingriffen und auch Schädigung der jeweiligen Umwelt. Der 90-jährige Professor Wolfgang Haber, emeritierter Lehrstuhlinhaber für Landschaftsökologie in Weihenstephan bei München, auf den die folgenden Überlegungen zurückgehen und der auch mit spezieller Würdigung seines Werkes im Zentrum der Tagung stand, sieht dies als grundsätzlichen Trieb im Umgang mit der Natur, der allen Lebewesen, nicht nur dem Menschen, eigen ist. Als weiteres Grundstreben nennt er den Schutz der eigenen Existenz wiederum vor der Natur, etwa bei der Gefahr, als Nahrung zu dienen oder klimatisch bedroht zu sein, aber auch beim Versuch, Konkurrenz zu überwinden. Dementsprechend konkurriert auch der Mensch zur Erfüllung seiner Primärbedürfnisse (Abb. 2, links) mit allen nichtmenschlichen Lebewesen um die Naturressourcen für seine spezielle Umwelt, von deren „Leistungen“ er lebt. Andere Lebewesen haben wiederum ihre eigenen „Umwelten“, derer es somit unzählige in der „Natur“ gibt. Spezielle Triebkräfte und Bedürfnisse des Menschen Während die Befriedigung der genannten, vielfältig miteinander verflochtenen ökologischen Grundbedürfnisse evolutionär bedingt beim Menschen eher vom Stammhirn gesteuert wird, hat dieser zusätzlich, so Haber, einzigartige geistige Fähigkeiten, die in der Großhirnrinde zu orten sind und miteinander sowie mit den Primärbedürfnissen in lebhafter Wechselbeziehung stehen (Abb. 2, rechts). Damit aber schafft er sich eine zusätzliche „mentale oder humanitäre Umwelt“, die mit der allgemeinen Umwelt nicht vereinbar ist. Er ist daher ein Doppelwesen, und genau das kennzeichnet seiner Ansicht nach das Anthropozän. Als dieses Sonderwesen, so Haber, hat der Mensch Triebkräfte, die anderen Lebewesen fehlen, etwa die stete Suche nach immer vollkommeneren technischen Problemlösungen, so dass der Computer der Moderne fast schon als Nachfahre des steinzeitlichen Faustkeils angesehen werden kann. Andere Lebewesen dagegen sind „technisch“ immer auf dem gleichen Stand geblieben. Als Rund um den Beruf weitere urmenschliche Triebkraft ist – völlig wertfrei – der stete Drang zum „Mehr“ zu nennen, also besser, höher oder schneller zu sein, beziehungsweise gesünder und zufriedener zu werden und damit auch länger zu leben – etwas, was auch die Medizin stets zu erreichen versucht. Dazu kommt die rationale, nach ökonomischen Gesichtspunkten ausgerichtete Nutzung der Natur. Unangenehme Folgen grundlegender Prinzipien Das so oft gepriesene „Leben im Einklang mit der Natur“ ist damit aber kaum mehr möglich. Gerade für die Entwicklung und den Ausbau der Landwirtschaft, so Haber, wurden zwangsläufig natürliche Lebensgrundlagen vernichtet – etwa durch Waldrodung für Weiden und Äcker –, was sich nicht rückgängig machen lässt. Auch weist er nüchtern darauf hin, dass wir nicht – wie so oft gewünscht – die menschliche Gesellschaft nach den Grundsätzen der Organisation des Lebens in der Natur, also „ökologisch“ gestalten können. Vielmehr widerstreben wir mit unserem Bedürfnis, die Dinge selbst zu regeln, diesem sich selbst organisierenden System (der Psychiater weist an dieser Stelle gerne auf den offenbar ebenso urmenschlichen Autonomie-Abhängigkeits-Konflikt hin) und versuchen unsere humanitären Grundsätze wie etwa die Gerechtigkeit, Gleichrangigkeit und Würde betreffend, wiederum auf die Natur zu übertragen. Der Kampf gegen das Artensterben ist Ausdruck davon. Interessanterweise ist das Anliegen des Naturschutzes stärker im städtischen Bereich verankert, deren Bewohner sich immer mehr von der „Natur“ entfernt und Flächen versiegelt haben, die jedoch von den Erzeugnissen des sie umgebenden Landes abhängig sind (Primärbedürfnis Nahrung!), wofür weiter rationelle Landwirtschaft not- Ausstellungstipp Die Sonderausstellung „Willkommen im Anthropozän. Unsere Verantwortung für die Zukunft der Erde“ im Deutschen Museum in München läuft noch bis zum 30. September 2016. 13 Rund um den Beruf wendig ist, die wiederum erheblich in die Umwelt eingreift. All das führt zu unbequemen Einsichten, so Haber: „Humanität (Ethik, Gerechtigkeit, individuelle Rechte, Gleichrangigkeit, Würde, Werte) und Ökologie (Organisation des nichtmenschlichen Lebens) sind unvereinbar. Die Übertragung humanitärer Prinzipien auf die Organisation allen Lebens auf der Erde (z. B. Erhaltung biologischer Vielfalt) wird scheitern – sie gelingt ja nicht einmal innerhalb der Menschheit selbst. Stattdessen werden die ökologischen Selbstregelungen auf die menschliche Population übergreifen, ohne dass diese es verhindern kann.“ Hilflose Ethik Spätestens ab diesem Zeitpunkt der Tagung kehrte Nüchternheit ein, die folgenden Referate schafften es nicht, Habers ernsthaften Wunsch zu erfüllen, ­w iderlegt zu werden. Die Ethikerin Uta Eser wies zu Recht darauf hin, dass der Gegensatz Mensch versus Natur überholt sei und die Sicht des Menschen beziehungsweise der Menschheit als ­ Schädling, invasive Art oder gar Zeitbombe einem zu negativen Menschenbild entsprechen würde. Letztlich zeigte aber auch sie drei Grundprobleme heu- tigen menschlichen Daseins auf, nämlich die Überbevölkerung, den Über­ konsum und die ungerechte Verteilung der Güter. Sie forderte eine Reduktion des ökologischen Fußabdruckes der Weltbevölkerung wie auch der globalen Ungleichheiten. Schließlich würden 20 % der Weltbevölkerung 80 % aller Güter und Dienstleistungen produzieren und konsumieren, und dabei aber auch mehrheitlich die entsprechenden CO2Emissionen verursachen. Das gegenwärtige Modell verfolge das Ziel, den zur Verfügung stehenden Kuchen einfach zu vergrößern unter dem Motto, „alle bekommen mehr“, dies aber in Missachtung planetarischer Grenzen. Also bleibe nur eine dramatische Reduktion des Ressourcenverbrauchs bei den erwähnten überkonsumierenden 20 %. Die Antwort, wie das zu erreichen wäre, blieb sie schuldig. Auch Markus Vogt vom Lehrstuhl der christlichen Sozialethik München und Senior Fellow des Rachel Carson Center, konnte nicht viel weiterhelfen. Er wies nochmals darauf hin, dass heute Humanität nicht mehr ohne ökologische Dimension definierbar sei. Er schlug die spezielle Beachtung der Lebensräume vor, in denen sich die Beziehung von Mensch und Natur vollziehe. Der Human-ökologische Umwelt (Großhirnrinde) Wärme Macht Sicherheit Luft Lebewesen Wasser Mensch würde grundsätzlich in Beziehungen denken, diese seien sozial, aber eben auch ökologisch. Heinrich Spanier vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, wies hierzu ergänzend auf den V ­ orschlag des Entschleunigungsspezialisten Hartmut Rosa hin, der die Natur als Resonanzraum sieht, als Raum, in dem Menschen zu sich selbst finden könnten. Auch sei der Zugang der Kinder zur ­Natur in vielfältiger Weise für ihre Entwicklung erforderlich. Jetzt aber sei die Zerstörung dieser Resonanzsphäre zu befürchten. Nur als Homo o ­ ecologicus habe Homo sapiens eine Zukunft, so Vogt, – der Weg dahin aber blieb offen. Stattdessen zeigte Claudio Caviezel vom Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag ein weiteres Dilemma der aktuellen Situation auf, indem er – wiederum völlig nüchtern und nahezu wertfrei – gezielte technische Interventionen in das Klimasystem, um die globale Erwärmung zu bremsen, erläuterte. Maßnahmen des „Climate Engineering“ wie die Ozeandüngung, das Einbringen von Schwefel in die Atmosphäre, um einen Teil der Sonnenstrahlung zu reflektieren oder das Anbringen von Spiegeln im Weltall zum selben Zweck seien längst in das Bio/Ökologische Umwelt (Stammhirn) Licht (mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. W. Haber) Ökologie und Humanität im Anthropozän Nahrung Raum Information Arbeit Mensch Werte Würde Bildung Spiritualität Partner Gerechtigkeit Ökologische Grundbedürfnisse aller Lebewesen einschließlich der Menschen Spezielle menschliche Bedürfnisse oder Wünsche der mentalen Umwelt ... nebeneinander gestellt, in Wirklichkeit vielfach verflochten! Abb. 2: Grundbedürfnisse aller Lebewesen sowie spezielle menschliche Bedürfnisse [6, 7] 14 NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Rund um den Beruf Stadium ernsthafter Forschung und erster Erprobungsversuche eingetreten. Besonders vom Klimawandel betroffene Länder, gerade auch Schwellenländer wie Russland und Indien, könnten eigenmächtig solche Techniken anwenden. Die Forschungen würden also auch das Risiko von Konflikten bergen. Auch könnten sie eine Eigendynamik auslösen: Techniken, an denen jahrzehntelang geforscht worden sei, kämen dann auch umso eher zum Einsatz, weshalb sie bereits jetzt gesellschaftlich diskutiert und bewertet werden müssten. Unbewusst – bewusst, ein weiterer speziell menschlicher Dualismus Zurück zu psychischen Bedürfnissen wie Zufriedenheit. Die nehme bei steigendem Wirtschaftswachstum nämlich nicht gleichermaßen zu, sondern bleibe gleich, führte Christina von Haaren vom Institut für Umweltplanung der Universität Hannover aus. Weshalb sich eigentlich die Frage stelle: „Wozu das Ganze?“ Sie erläuterte, wie der Mensch angesichts solcher komplexen Probleme, wie sie sich jetzt darstellen, im Grunde „tickt“. Grundsätzlich würden wir zu intuitiven Entscheidungen neigen, diese seien einfacher, schneller und kreativer. Auch würden wir lieber eine schwierige Frage durch eine einfache ersetzen, uns mehr auf persönliche Erfahrungen beziehen denn auf Statistiken, eher Dinge glauben, die oft wiederholt würden und Unsicherheiten ignorieren. Wir setzen auch unser Wissen gerne dafür ein, schon vorhandene eigene Überzeugungen zu stärken. Vorausschau und Planung aber seien rationale Techniken, und an dieser Stelle brach sie eine Lanze für die sonst oft kritisierte behördliche Bürokratie, denn formalisierte Planungskulturen und Verwaltungsverfahren würden Entscheidungsprozesse verstärkt immun machen gegen „Denkfallen“ oder das Prinzip des geringsten Denkaufwandes. Ist also alles Irrationale schädlich bei der Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse, wie es ein anwesender Forscher in der Diskussion kühn formulierte? Der erhebliche Einfluss von Emo­ tionen sowie zahlreicher unbewusster Regungen würde damit komplett ignoriert, ist aber unvermeidbar. Aus dem Schema von Haber (Abb. 2) geht daher 16 Ökologie und Humanität im Anthropozän insbesondere die Bedeutung irrationaler (außerhalb der Großhirnrinde gelegener) Antreiber hervor. Grob vereinfachend könnte man somit dem Schema noch den Gegensatz „unbewusst-bewusst“ hinzufügen. Alle Vorgänge außerhalb der Großhirnrinde sind grundsätzlich dem Bewusstsein nicht zugänglich (etliche Vorgänge innerhalb der Großhirnrinde allerdings ebenso nicht, wie etwa die Zusammensetzung sinnlich wahrgenommener Eindrücke). So steuert der Hirnstamm, ohne dass dies vom Menschen bewusst wahrgenommen werden könnte, grundlegende vegetative Funktionen wie Atmung, Kreislauf, Schlaf, Nahrungsaufnahme und einfache Reflexe, ist aber vielfach mit der Großhirnrinde vernetzt [8]. Vorgänge in den tiefer liegenden limbischen Zentren wiederum werden erst emotional bewusst spürbar, wenn sie die Großhirnrinde erregen, weshalb wir es über bewusste G ­ efühle, Gedanken und Einstellungen hinaus therapeutisch mit der Aufdeckung zunächst noch unbewusster Regungen zu tun haben, die jedoch oft den Zustand unserer Patienten wesentlich bestimmen. Möglich erscheinende Ausweglosigkeit Während die geistigen Großhirnrindenprozesse zu den abstrus anmutenden Plänen des Climate Engineering oder auch futuristischen Szenarien einer Mars-Besiedelung [9] führen, werden irrationale, damit also oft unbewusste intuitive und emotionale Faktoren gegenwärtig bei der Krisendiskussion kaum berücksichtigt. Ein Vortrag zu psychischen Aspekten des Anthropozäns war daher bei der Tagung auch nicht vorgesehen, womit die Frage nach dem Umgang mit krisenbedingten Ängsten oder möglicher Ausweglosigkeit gut verdrängt war. Allein eher vom Rationalen ausgehend an Gutherzigkeit und Einsicht zu appellieren, wird nicht ausreichen, wie auch Volker Sommer in der Diskussion meinte. Er sah aber auch keine Rettung in den Wissenschaften, die infolge der Aufklärung und der danach einsetzenden technischen Entwicklung eher zur aktuellen Situation beigetragen hätten. Aus evolutionärer Sicht finde Veränderung einfach statt, der Status quo sei nicht zu halten. Dennoch engagiere auch er sich im Naturschutz, aus der Perspektive von Albert Camus heraus, der im Buch „Die Pest“ den Arzt beschreibe, der Pestkranken helfe, die dann doch sterben würden. Hier gehe es nicht zuletzt um menschliche Werte wie Würde. Haber spitzte das Ganze aus der ökologischen Perspektive nochmals zu: Das Leben zerstöre sich selbst, das Erscheinen des Menschen sei ein Fehler der Evolution. Das sprichwörtliche Pflanzen des Apfelbäumchens sei letztlich empathische Selbstbefriedigung. Aber auch er engagiere sich für Nachhaltigkeit, und wisse, dass es nichts bringe. Er stehe immer unter dem Zwiespalt, wie viel Empathie er sich leisten könne, und wie viel wissenschaftliche Exaktheit sich damit vertrage. Allmachtsfantasien versus Todesängste Diese Gedanken mögen zynisch klingen (was einen befreundeten Kollegen zu überstürzter Abfahrt veranlasste), zeigen aber die narzisstische Kränkung auf, die es bedeutet, weiter ökologischen Regulationsmechanismen unterworfen zu sein. Erkenntnisse der Evolutionslehre und Ökologie werden daher weiter i­ gnoriert, häufig gar abgelehnt [6]. Angesprochen ist mit den Überlegungen auch die Endlichkeit nicht nur des einzelnen Menschen, sondern der gesamten Art, deren Aussterben grundsätzlich schon möglich erscheint, angesichts der Tatsache, dass 98 % aller bisherigen Tierarten auf diesem Planeten bereits ausgestorben sind [6]. Beides wird tunlichst verdrängt. Die am Horizont aufscheinende Bedrohung des Lebewesens Mensch durch die von ihm verursachte Zerstörung seiner Lebensgrundlagen wirkt auf ihn ein, zumeist unbewusst, und kann bei aufge­ gebener Verdrängung zu Widersprüchen führen, wie sie in den Äußerungen der Vortragenden deutlich wurden. Das Sonderwesen Mensch, evolutionär speziell ausgestattet mit geistigen Fähigkeiten, Sprache und Bewusstsein, scheint genau daran zu scheitern. Dies wirkt durchaus in die tägliche Arbeit in unserem Fachgebiet hinein. Der 75-jährigen Patientin in meiner Praxis, die wiederholt über die Menschheit klagt, sich zurückzieht und sich im NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Rund um den Beruf Vorzimmer des Todes sieht und kein „immer länger“ wünscht, insgesamt aber in Stimmung, Antrieb und Verhalten nicht depressiv erscheint, kann kaum widersprochen werden. Bisher haben sich Psychiater und Psychotherapeuten mit der aktuellen Situation noch wenig auseinander­gesetzt [10], zumindest gibt es kaum Literatur zu der Frage, wie eigentlich Sinn, Motivation und zufriedenstellendes Leben zu fördern sind, wenn sich gleichzeitig diese enormen globalen Veränderungen vollziehen, Behandler wie Patienten diese zwangsläufig mitverursachen und ihre dazugehörigen Emotionen verdrängen. In einem kürzlich erschienenen Werk über den Narzissmus weisen die Autoren [11] im Kapitel „Im Schatten von Fukushima: zwischen Allmachtfantasie und der Fähigkeit zur Besorgnis“ genau auf dieses Dilemma hin und arbeiten heraus, dass sich in dem parareligiösen Glauben an die technischen und naturwissenschaftlichen Möglichkeiten im Grunde eine Abwehr von Ohnmachtsgefühlen und Todesängsten manifestiere. Existenzielle Psychotherapie und Achtsamkeit Das aktuelle Zeitalter des Anthropozäns weist also nicht nur auf unsere Sonderstellung in der Natur hin und auch nicht nur auf daraus entstandene Schuld und Verantwortung, sondern ebenso auf das dem Menschen speziell eigene Bewusstsein vom Tod, den er daher tunlichst mit allen Mitteln zu vermeiden oder wenigstens weit hinauszuschieben versucht. Dies treibt ihn an bei allem Streben nach Lebensverlängerung, auch im Streben, die ihn bedrohenden Folgen der eigenen Eingriffe in seine Lebensumwelt wieder in den Griff zu bekommen. Die Arbeit mit diesen Todesängsten ist für Therapeuten noch ungewohnt. Eine Auseinandersetzung mit existenziellen „letzten Dingen“ (wie Isolation, Freiheit, Sinn und Tod), wie sie etwa ­Yalom mit der existenziellen Psychotherapie zur Verfügung stellt [12] (ohne selbst jemals dabei die ökologische Problematik angesprochen zu haben), könnte Behandlern wie Patienten hilfreich sein [13] – vielleicht auch, um den Schmerz beim Anblick der Welt besser aushalten zu können, und um sich bewusst zu werden, dass diese 18 Ökologie und Humanität im Anthropozän Tatsachen einen Einfluss auf das eigene Befinden haben. So mag die ausweglos erscheinende globale Situation bedrückend sein, doch „kann sie auch befruchtend wirken, wenn wir uns nicht zu lange Zeit lassen“ [14]. Um zunächst sich zu ändern und damit indirekt auch das Umfeld, und zugespitzt auch die ganze Welt, empfiehlt der französische Psychiater Christoph André Achtsamkeitsansätze [15]. Denn Untersuchungen haben gezeigt, dass der Grundtenor des Umweltengagements und der Achtsamkeitsmeditation im Grunde identisch ist [16]. Beide verbindet, so André, eine Beziehung zur Natur, ein Gefühl der Demut ihr gegenüber und das Wissen um unsere Abhängigkeit von ihr, somit letztlich wieder von ihren „Dienstleistungen“. Mit Blick darauf, dass die heute immer zahlreicher gewordenen Möglichkeiten des Konsums und der Freizeitgestaltung außer zu Umweltschäden auch zu Stress und Burnout beitragen [17], könnte auf die von ihm empfohlenen ersten Schritte – nämlich Bewusstwerdung, digitaler Entzug, weniger Konsum, achtsames Essen, die Entwicklung von Dankbarkeit für vermeintliche Selbstverständlichkeiten und Rückbesinnung auf die Natur – auch ein therapeutischer Fokus gelegt werden. Die solchermaßen trainierte innere Stimme kann eher bremsen, wenn die Zeit am Bildschirm zu lang geworden ist, ein Werbespot läuft oder der Teller übervoll ist. So empfiehlt André die Lebensqualität nicht von materialistischen Werten abhängig zu machen, sondern andere Werte zu pflegen wie Offenheit für den Augenblick, für Mitmenschen und für die eigenen Gefühle. Somit könnten, um auf die Abbildung rechts im Haber’schen Schema (Abb. 2) zurückzukommen, auch durch therapeutische Bemühungen mentale menschliche Bedürfnisse wie Werte, Gerechtigkeit und Spiritualität einen höheren Stellenwert erhalten, als die ebenso dort genannten Ziele der Macht und Sicherheit, womit die speziell menschlichen Fähigkeiten der Großhirnrinde doch noch sinnvoll genutzt wären. Emotionale und intuitive Aspekte dürfen daher bei der rational-wissenschaftlichen Diskussion über das Anthropozän nicht übersehen werden. Humanität und Ökologie aber, die im Ta- gungsthema einander gegenübergestellt waren, können durchaus konvergieren, wenn sich mehr Respekt entwickelt für die grundlegenden Prinzipien von Ökosystemen, die auch beim Menschen im unbewussten Stammhirnbereich dominanter und somit wirksamer sind, als wir das mit unserer Großhirnrinde denkend oft wahrhaben wollen. AUTOR Dr. med. Andreas Meißner Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, München E-Mail: [email protected] Literatur: 1. Crutzen P. Geology of mankind. Nature 2002; 415 (6867): 23 2. Kolbert E. Das sechste Sterben: Wie der Mensch Naturgeschichte schreibt, Suhrkamp, Berlin 2015 3. Steffen W et al. The trajectory of the anthropocene: the great acceleration. The Anthropocene Review 2015; 2: 81 – 98 4. Crutzen P. Trägheit und Ignoranz. in: movum – Briefe zur Transformation, 4, 2015 5. Häckel E. Natürliche Schöpfungsgeschichte. Verlag Georg Reimer, Berlin 1868 6. Haber W. Die Erfindung der Nachhaltigkeit. oekom, München 2013, Seite 92 7. Haber W. Anthropozän – Folgen für das Verhältnis von Humanität und Ökologie, Tutzing 2015 (Vortrag) 8. Dijksterhujs A, Roth G. Das kluge Unbewusste: Denken mit Gefühl und Intuition, Klett-Cotta, Stuttgart 2014 9. Gast R. Der blaue Mars. in: Süddeutsche Zeitung – Wissen, 3.10.2015 10. Gunkel R, Meißner A, Ullner R. Psycho­ therapeuten als Weltgärtner? Ökologische Aspekte in der Psychotherapie, in: Fromm Forum 2015; 19: 116 – 9 11. Dammann G, Sammet I, Grimmer B (Hrsg). Narzissmus – Theorie, Diagnostik, Therapie, Kohlhammer, Stuttgart 2012 12. Yalom I. Existenzielle Psychotherapie, Edi-­ tion Humanistische Psychologie, Bergisch Gladbach 2010 13. Meißner A. Sinn und Verantwortung im Zeichen der ökologischen Krise. Neurotransmitter 2008; 6: 13 – 21 14. Kotsou I et al. Antworten auf die Krank­ heiten unserer Zeit. In: André C, Kabat-Zinn J, Rabhi P, Ricard M: Wer sich verändert, verändert die Welt, Kösel München 2014 15. André C. Frei werden von einer Gesellschaft, die uns entfremdet. In: André C, Kabat-Zinn J, Rabhi P, Ricard M: Wer sich verändert, verändert die Welt, Kösel München 2014 16. Brown K, Kasser T. Are psychological and ecological well-being compatible? The role of values, mindfulness and lifestyle. Social Indicators Research 2005; 74: 349 – 68 17. Paech N. Befreiung vom Überfluss. oekom, München, 2012 NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Rund um den Beruf Radikalisierung Woher kommt die Gewalt? T eilnehmer des DGPPN-Kongresses 2015, darunter die Präsidentin Dr. Iris Hauth, Alexianer St.-Joseph-Krankenhaus Berlin Weißensee, warnten davor, extremistische Attentäter zu psychiatrisieren. Die Expertenrunde war sich einig, dass Radikalität keine psychische Erkrankung sei, und dass Radikalisierung bei jedem einzelnen Menschen eine andere Ursache habe. Privatdozent Dr. Mazda Adli, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Charité Berlin, betonte, dass es kein psychopathologisches Musterprofil eines Extremisten gebe, sondern es gehe vielmehr um „vielschichtige soziale und individuelle Prozesse“. Man müsse sich davor hüten, jeden Anschlag oder jede schwere Gewalttat psychiatrisch zu begründen, da eine solche Sichtweise der Stigmatisierung psychisch erkrankter Menschen Vorschub leisten könne. Der forensische Psychiater Professor Henning Saß, Universitätsklinik RWTH Aachen, stimmte zu, dass es in den allermeisten Fällen keine klinische Erklärung für radikale Taten gebe, jedoch gebe es Fehlentwicklungen und Störungen im Persönlichkeitsbereich, bei denen fließende Übergänge von normalpsychologisch einfühlbaren Einstellungen bis hin zu hoch abnormen Fixierungen des Denkens, Urteilens und Verhaltens möglich seien. „Die Täter stellen ihr eigenes Wertegefühl über das anderer. Das hat mit Krankheit nichts zu tun, das ist eine bewusste Entscheidung“, sagte Saß. Die Hintergründe von Gewalttaten seien sehr unterschiedlich, von ungeplant bis geplant, durch Einzeltäter oder aus Gruppen heraus, mit oder ohne religiösen und/oder politischen Hintergrund. Er wies auch darauf hin, dass es eine merkwürdige, suchtähnliche Suche nach Kampf und körperlicher AuseinanderNeuroTransmitter 2016; 27 (1) setzung in Gruppenszenarien gebe, wie es auch bei den verschiedenen Formen von Hooliganismus zu beobachten sei. Religionsphilosophisch betrachtet Professor Wolfgang Huber, Bischof a. D., Berlin, spannte den breiten Bogen zur Religionsphilosophie und stellte zehn Thesen einer „theologischen Reflexion der Radikalisierung“ vor. Unter anderem wies er auf eine „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ hin, die mit Stereotypen arbeite und multiple Identitäten einer Gruppe von Menschen auf ein einziges oder wenige Identitätsmerkmale reduziere, was weder dem Einzelnen und schon gar nicht einer Gruppe gerecht werden könne. So sei in den westlichen Gesellschaften inzwischen der Begriff „Muslim“ zu einem pauschalen „Identitätsmarker“ geworden. Es habe sich auch in Deutschland eingebürgert, Zuwanderer aus der Türkei, aus arabischen oder afrikanischen Ländern pauschal als „Muslime“ zu bezeichnen, ohne dabei die unterschiedliche Herkunft, noch die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Richtungen des Islam oder die Dauer des Aufenthalts in Deutschland zu berücksichti- gen. Die Religionen stehen vor der Aufgabe, sich gemeinsam zu einem egalitären Universalismus der Menschenwürde zu bekennen, meinte Huber. Die Strategie, innerhalb des Islam die religiösen Ansprüche des IS auf die Errichtung eines islamischen Kalifats dadurch zu ignorieren, dass man erklärt, das habe mit dem Islam nichts zu tun, reiche nicht aus. Auch die christlichen Kirchen mussten und müssen sich damit auseinandersetzen, dass Kriege „in Gottes Namen“ geführt und noch vor 100 Jahren Kanonen gesegnet wurden. Aus Hubers Sicht muss sich die Gesellschaft fragen, welchen Widerstand sie einem „Sündenbockmechanismus“, bei dem das Fremde (und die Fremden) ausgegrenzt und eine Gewalt gegen das Fremde gerechtfertigt werde, entgegensetzen kann. Die „Entstehung von Radikalität und Extremismus weiter disziplinenübergreifend zu erforschen“ war eine der von Hauth geäußerten Forderungen, in der Hoffnung, dass sich durch ein besseres Verständnis der Entstehungsprozesse vielleicht neue Möglichkeiten der Prävention ergeben könnten. AUTOR Dr. Roland Urban, Berlin Pressekonferenz „Radikalisierung – wenn Menschen extrem werden“, DGPPN-Kongress, Berlin, 26.11.2015 ©© Wassilios Aswestopoulos / NurPhoto / picture alliance Täter, die aus ideologischen Motiven töten, sind nur selten psychisch krank. In den meisten Fällen zeigen sie ein abweichendes Wertegefühl, das unter Umständen zu einer Radikalisierung führen kann. Gedenken an die Opfer des Terroranschlags in Paris im November 2015. 19 Rund um den Beruf DGPPN-Kongress 2015 in Berlin Risikoanalyse: Drohungen richtig bewerten Psychiater und Psychologen zählen zu den Berufsgruppen, die die meisten Drohungen erhalten. Zwar werden diese in der Regel nicht umgesetzt, doch wenn einige ungünstige Faktoren zusammen­ kommen, kann die Gefahr sehr real werden. D rohungen sind recht häufige Delikte – in Kriminalstatistiken machen sie einen einstelligen Prozentsatz der Einzelstraftaten aus, doch die Dunkelziffer dürfte entsprechend hoch sein. Todesdrohungen richten sich zumeist an Familienangehörige, Freunde und Arbeitskollegen (40 %) oder an aktuelle oder ehemalige Intimpartner (30 %). Auf Platz drei folgen Psychiater und Psychologen (10 %), noch vor Justizangestellten (8 %). Besonders gefährdet sind dabei junge und unerfahrene Ärzte und Therapeuten. Glücklicherweise laufen die meisten Drohungen ins Leere, auf der anderen Seite werden viele Gewalttaten durch Drohungen angekündigt. Wann also muss man befürchten, dass es die Täter ernst meinen? Je detaillierter, umso gefährlicher Der forensische Psychologe Professor Jérôme Endrass, Universität Konstanz, nannte Warnzeichen, um „Hochrisikodrohungen“ zu erkennen. Eine Drohung drücke zunächst den Wunsch oder die Absicht aus, einer Person Schaden zuzufügen und deren körperliche Unversehrtheit zu verletzen. Dabei seien diverse Formen von Drohungen zu unterscheiden, sagte Endrass mit Verweis auf das Konzept von O’Tool: Eine direkte Drohung kennzeichnet die unmissverständliche Ankündigung einer Gewalttat gegen ein bestimmtes Ziel („Wenn Du das tust, bringe ich Dich um.“). Bei der indirekten Drohung wird die Gewaltanwendung wenig konkretisiert, Details über das Ziel werden ausgelassen. Hinzu kommen maskierte Drohungen, die eine Gewalthandlung andeuten, 20 aber nicht zwangsläufig als Drohungen interpretiert werden müssen, und konditionale Drohungen, die eine Gewalthandlung an Bedingungen koppeln. Die Gefahr, dass eine Drohung ausgeführt wird, ist umso wahrscheinlicher, je direkter und detailreicher sie vorgetragen wird, das heißt, je mehr sich jemand das Geschehen in seiner Fantasie ausgemalt hat, und je konkreter die Vorbereitungen für eine Gewalttat sind. Lässt der Täter Details in seine Drohung einfließen, die darauf deuten, dass er sich Informationen über das Tatumfeld besorgt oder das Opfer ausgespäht oder beschattet hat, ist von einem sehr hohen Risiko auszugehen. Für Endrass ist diese Klassifikation nur einer von mehreren Bausteinen zur Risikoevaluation – für sich genommen kann sie nur ungenügend das Risiko für eine Gewalttat vorhersagen. Entscheidend sind für ihn auch —die persönlichen Risikomerkmale des Täters, —das Warnverhalten und —die aktuelle Situation, in der sich der Drohende befindet. Zu den persönlichen Risikofaktoren zählt der Psychologe eine dissoziale Persönlichkeit mit mangelhaft verankerten gesellschaftlichen Normen, Wahnvorstellungen, Gewalttaten in der Historie, Waffenaffinität sowie Substanzmissbrauch oder latente Suizidalität. Auffälligkeiten beim Warnverhalten sind Verhaltensweisen, die eine intensive Beschäftigung mit dem potenziellen Opfer nahelegen, eine starke Wahrnehmungseinengung auf eine Person oder einen Konflikt, eine Zunahme von zunächst vielleicht harmlosen Aktivitäten (z. B. Briefe), die sich an das Opfer richten. Auch wenn die drohende Person Dritten mitteilt, dass sie einem Menschen Schaden zufügen will, oder dies nach seiner Logik als nächster notwendiger Schritt erscheint, ist von einem hohen Umsetzungsrisiko auszugehen. Zugzwang erhöht das Risiko Schließlich, so Endrass, können akute Belastungen in der momentanen Situation des Drohenden die Umsetzung begünstigen, die etwa durch Zugzwang entstehen (die angekündigte Drohung muss erfüllt werden, um das Gesicht zu wahren). Das ist oft bei konditionalen Drohungen der Fall. Auch wenn der Drohende keine legalen Möglichkeiten mehr sieht, seine Interessen und Forderungen durchzusetzen, wenn Beziehungen brechen, finanzielle Sorgen hinzukommen oder psychisch Kranke ihre Medikamente absetzen, können dies Warnzeichen sein. Nach dem O’Tool-Konzept ist dann von einer Hochrisikodrohung auszugehen, wenn sich in mindestens zwei der vier genannten Dimensionen Auffälligkeiten zeigen. Hier, so Endrass, seien dann eine eingehendere Untersuchung und gegebenenfalls eine Inhaftierung oder Hospitalisierung nötig – dafür sollten die Hürden allerdings sehr hoch liegen. Dieses Modell der Risikobeurteilung habe sich in der Praxis als hilfreich erwiesen. Eine Posthoc-Evaluation fand eine gute Sensitivität bei akzeptabler Spezifität, eine prospektive Evaluation steht aber noch aus, sagte der Psychologe. AUTOR Thomas Müller, Neu-Isenburg Symposium „Aggression und Stalking gegenüber Psychiatern und anderen Berufsgruppen in der Psychiatrie“, DGPPN-Kongress, Berlin, 25. – 28.11.2015 NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Rund um den Beruf Ambulante Versorgung von Flüchtlingen Leistungsanspruch und Finanzierung oft unklar Zu dieser Thematik halten viele KVen auf ihren Internetseiten regional unterschiedliche Informationen bereit. Im Folgenden wollen wir die bürokratische Handhabung und die Honorierung unserer Leistungen nach dem Flüchtlings- oder Asylstatus der Patienten unterscheiden. 1. Registrierte Asylbewerber bis zu einer Aufenthaltsdauer von 15 Monaten Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) haben registrierte Asylbewerber bis zu einem Aufenthalt von 15 Monaten zunächst nur einen eingeschränkten Anspruch auf medizinische Versorgung im Vergleich zu den gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland. —Die ärztliche Behandlung umfasst akute Krankheiten und Schmerzzustände inklusive Versorgung mit Arznei- und Verbandsmitteln, Gewährung sonstiger zur Genesung, Besserung oder Linderung von akuten Krankheiten oder Krankheitsfällen erforderliche Leistungen. —Außerdem werden ärztliche und pflegerische Hilfe für Schwangere und Wöchnerinnen mittels Pflege, Betreuung, Hebammenhilfe und Arznei- sowie Verbandsmittel gewährt. —Medizinisch erforderliche Vorsorgeuntersuchungen und Schutzimpfungen sind ebenfalls enthalten. —Die Abrechnung erfolgt zwingend über einen von der jeweiligen Sozialhilfeverwaltung ausgestellten gültigen Behandlungsschein (Abrechnung „Sonstige Kostenträger“). Dieser Abrechnungsschein muss sich auf den tatsächlichen Behandlungszeitraum und die Fachgruppe des Vertragsarztes erstrecken. Er muss vollständig mit Name, Vorname, Geburtsdatum, Anschrift und fünfstelliger Kassennummer der Sozialhilfeverwaltung ausgefüllt sein. Der Mitgliedsstatus ist M (Mitglied). Sie fragen – wir antworten! Haben Sie in Ihrer Praxis ein wenig zu­frieden­­­stellend gelöstes oder gar ungelöstes Problem, das auch in anderen Praxen relevant sein könnte? Wir versuchen, uns kundig zu machen, und publizieren einen entsprechenden – nicht rechtsverbind­lichen – Lösungsvorschlag. Eine Haftung ist ausgeschlossen. Auf Wunsch sichern wir jedem Rat­suchenden auch Anonymität zu. Schreiben Sie mit dem Betreff „Praxisprobleme“ an: [email protected] —Bei mangelnder Verständigungsmöglichkeit kann ein Dolmetscher zulasten der Sozialhilfeverwaltung helfen. —Nur nach vorheriger Genehmigung der Sozialhilfeverwaltung können sonstige über die genannten Sachverhalte hinausgehende ärztliche Leistungen im Einzelfall gewährt werden, wenn diese zur Sicherung des Lebensunterhaltes oder der Gesundheit unerlässlich sind. —Überweisungen und Versorgung mit Heilmitteln, Brillen, orthopädischen oder anderen Hilfsmitteln dürfen ebenfalls nur mit Zustimmung des Sozialhilfeträgers erfolgen. —Auch Krankenhauseinweisungen erfordern die Genehmigung des Sozialamtes, außer bei Notfällen. —Bei ambulanten Notfällen wird zur ©© Scanrai_Rosenstiel / Fotolia.com ©© Arno Burgi / dpa Vertragsärzte s­ ollten auf jeden Fall den Flüchtlingsoder Asylstatus ­erheben. NeuroTransmitter 2016; 27 (1) 21 Rund um den Beruf Abrechnung das Muster 19 (Notfall-/ Vertreterschein) verwendet. Diesen Notfall muss die Praxis aber innerhalb von 14 Tagen per Eilanzeige dem Sozialamt melden. —Impfstoffe werden auf Kassenrezept Muster 16 zulasten des Sozialhilfeträgers verordnet, sie dürfen nicht dem Sprechstundenbedarf entnommen werden. —Artikel aus dem Sprechstundenbedarf sind auf den Namen des Patienten auf Kassenrezept zulasten des Sozialhilfeträgers zu verordnen. —Asylbewerber sind grundsätzlich von der Zuzahlung befreit. 2. Nicht registrierte Asylbewerber unmittelbar nach der Ankunft oder Anfangsuntersuchung in Erstaufnahmeeinrichtungen Zu dieser Personengruppe zählt jeder Flüchtling oder Asylbewerber, der keinen Überweisungsschein des Sozialamtes oder keine deutsche Krankenversicherungskarte vorweisen kann. Hier ist weder die medizinische Versorgung Aufgabe von Vertragsärzten noch ist die Honorierung Sache der KV. Beides sind staatliche Aufgaben (Gesundheitsämter). In der Wirklichkeit wurden und werden jedoch die Mehrzahl der zunächst unregistriert einreisenden Flüchtlinge von engagierten freiwillig tätigen Vertragsärzten medizinisch versorgt, zunächst meist kostenlos. In den Bundesländern gibt es zum Teil hierfür verschiedene Honorierungsprogramme beispielsweise mit Stundensätzen oder geringen Fallpauschalen. Arzneimittelund sonstige Verordnungen erfolgen hier häufig auf dem „grünen Rezept“. Dies ist aber ausschließlich Ärzten vorbehalten, die im Auftrag der Regierung in Erstaufnahmeeinrichtungen tätig sind. Eigentlich sollte jeder einreisende Flüchtling eine Eingangsuntersuchung bekommen, die zumindest ansteckende Infektionskrankheiten umfasst. Dies ist aber aus verschiedenen organisatorischen Gründen und wegen des nicht seltenen Ortswechsels der Flüchtlinge bei weitem nicht überall und jederzeit gewährleistet. 3. Asylbewerber mit einem „geduldeten Aufenthalt“ länger als 15 Monate 22 Praxisproblem Diese Asylbewerber erhalten eine elektronische Gesundheitskarte (eGK) nach § 264 (2) SGB V. Damit ist ein Leistungsanspruch der gesetzlichen Krankenversicherung Deutschlands (GKV) gewährleistet. Die Abrechnung der Praxen erfolgt über diese Versichertenkarte. 4. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge Diese gelten nicht als Asylbewerber. Es besteht ein Behandlungsanspruch nach § 40 SGB VIII (Jugendhilfe) i. V. m. § 47 ff. SGB VII (Sozialhilfe). Die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten richten sich im Wesentlichen nach dem GKV-Leistungskatalog. Minderjährige Flüchtlinge haben entweder einen Behandlungsausweis durch den Jugendhilfeträger (Abrechnung „Sonstige Kostenträger“), gelegentlich auch eine eGK. Bringen minderjährige Flüchtlinge keinen medizinischen Berechtigungsausweis mit, gehören sie grundsätzlich zur Personengruppe der nicht registrierten Flüchtlinge. Sofern kein Notfall vorliegt, muss sich der Betroffene zunächst registrieren und einen medizinischen Behandlungsschein vom Sozialhilfe- oder Jugendhilfeträger ausstellen lassen. Empfehlung Bei Diagnostik und Therapie von Flüchtlingen oder Asylbewerbern in der Vertragsarztpraxis ist also streng nach den oben aufgeführten vier Personengruppen zu unterscheiden. Dies kann bereits bei telefonischer Anmeldung oder am Empfang durch die Arzthelferin geschehen. Vertragsärzte sollten sich strikt an diese Vorgaben halten. Denn bei der Menge der zu behandelnden Personen ist davon auszugehen, dass sich die Kostenträger eng an die Honorierungsregeln halten werden und gegebenenfalls die Honorierung verweigern beziehungsweise Regressanträge stellen werden. Akute psychiatrische und neurologische Erkrankungen können wir also bei registrierten Flüchtlingen inklusive Medikamentenverordnung behandeln. Richtlinienpsychotherapie muss in jedem Fall vom Sozialhilfeträger genehmigt werden. Mehrere KVen arbeiten im Austausch mit der Politik an Konzepten, um mittel- und langfristig die medizinische Versorgung von Flüchtlingen oder Asylbewerbern und deren Finanzierung organisatorisch und strukturell transparent sicherzustellen. Die Ausgabe der eGK an alle Flüchtlinge wird derzeit kontrovers diskutiert. Bei alldem müssen wir jedoch hervorheben, dass ein nicht zu vernachlässigender Teil der freiwilligen und ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer vor allem hausärztliche Kolleginnen und Kollegen waren und sind, die sich besonders in den südostdeutschen Grenzregionen und Aufnahmeeinrichtungen selbstlos bei der medizinischen Erstversorgung engagieren. AUTOR Dr. med. Gunther Carl, Kitzingen Weitere Tipps auf springermedizin.de Weitere „Praxisprobleme“ zum Nachlesen 7 www.springermedizin.de Im letzten Jahr informierten wir unter anderem zu praxisrelevanten Themen wie: Musik im Wartezimmer – bin ich GEMA-pflichtig? (09/2015) 7 (5931974) Umgang mit Terminvereinbarungen (05/2015) 7 (5733044) Wann sind GOÄ-Leistungsbeschreibungen in Kurzform möglich (10/2015) 7 (5967082) Off-label-Verordnung von Cannabis-Produkten ohne strafrechtliche Probleme (04/2015) 7 (5671918) Diese Artikel finden Sie, indem Sie den Titel oder die (in Klammern gesetzte) ID-Nummer in die Suche eingeben. 7 NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Kleinanzeigen aus der Praxis Inserieren Sie kostenlos im NeuroTransmitter! Sie möchten gebraucht etwas günstig kaufen oder verkaufen? Sie haben eine Praxis abzugeben oder suchen eine neue Kollegin oder neuen Kollegen? Inserieren Sie kostenlos als Verbandsmitglied von BVDN, BDN und BVDP Ihre Such-, An- oder Verkaufsanzeige im NeuroTransmitter: Quer durch die Republik erhalten Sie die dafür notwendige Reichweite und Aufmerksamkeit, denn das Magazin wird monatlich an alle niedergelassenen Nervenärzte, Neu- Kaufen, Verkaufen, Verschenken Gebrauchtes USDoppler-Gerät gesucht. 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Vielfältiges Aufgabenspektrum, kooperative Vernetzung. Die Praxis verfügt über neurologische, psychiatrische, psychotherapeutische, neuropsychologische und forensische Expertise. Kontakt über die Geschäftsstelle BVDN, BDN und BVDP: [email protected] oder Telefon 02151 4546920 Große, etablierte Praxis für Neurologie und Psychiatrie im Umfeld von Würzburg (KV Baden-Württemberg) baldmöglichst abzugeben. Günstige Lage, ebenerdiger Zugang, großer Parkplatz, langjährig stabile Personalsituation. Auch für 2 Ärzte (m/w) geeignet. Psychotherapie ausbaufähig. Kontakt: [email protected] Gutgehende schöne nervenärztliche/neurologische Praxis, gut ausgestattet, Nähe Ulm, in 2016 abzugeben. Kontakt: [email protected] der nächsterreichbaren Ausgabe abgedruckt. Chiffreanzeigen sind nicht möglich! Einsendeschluss für den nächsten NeuroTransmitter ist der 2. Februar 2016! Hinweis! Die Geschäftsstelle und Redaktion übernehmen keine Haftung für die Richtigkeit der in den Anzeigen gemachten Angaben. 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R Ü D I G ER M Ü L L ER- I SB ER N ER , SA B I N E EU CK ER , H A I N A , T H O M A S WO L F, M A R B U R G ©© Fuse / Getty Images / Thinkstock Zweck der Maßregel ist ­allein, künftig rechtswid-­ rige Taten zu verhindern. Die umfassende Heilung und ganzheitliche Besserung sind nicht Ziele der ­Unterbringung. 24 NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Fortbildung 24Psychiatrische Kriminaltherapie im Maßregelvollzug 30Sozialpsychiatrische Versorgung Versorgungskosten nicht primär durch Krankheits­schwere bedingt P sychiatrische Kriminaltherapie hat sich als Oberbegriff etabliert für alle Interventionen, die im Maßregelvollzug zur Risikominimierung eingesetzt werden, unabhängig davon, welcher Profession jener, der die Intervention vornimmt, angehört, und unabhängig davon, welchem Fachgebiet die Intervention primär zuzuordnen ist. In der Praxis werden diese Interventionen von multiprofessionellen Teams durchgeführt. Hiervon getrennt sind jene (zumeist ärztlichen und pflegerischen) Interventionen der Gesundheitsfürsorge zu betrachten, auf die der Patient, der sich im Freiheitsentzug in staatlicher Obhut befindet, einen Anspruch hat. Rechtliche Grundlagen Die Unterbringung wird angeordnet, wenn der Täter eine rechtswidrige Tat im Zustand der erheblich geminderten oder aufgehobenen Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 StGB) begangen hat, dieser Zustand überdauernd ist und deswegen weitere erhebliche Taten zu erwarten sind. Sie endet, wenn „erwartet werden kann, dass der Untergebrachte keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird“ (§ 67d Abs. 2 StGB – „Zweck der Maßregel“). Diesem Ziel muss die Behandlung dienen, sie ist kein Selbstzweck. Gelingt sie, wird der Täter auf Bewährung entlassen und steht unter Führungsaufsicht (§ 68 Abs. 2 StGB). Die dafür erteilten Weisungen (§ 68b StGB) sind rechtliche Basis der ambulanten Nachsorge. NeuroTransmitter 2016; 27 (1) 37Chloroquinassoziierte psychotische Störung Psychiatrische Kasuistik 48CME Internet- und mobilebasierte Intervention bei psychischen Störungen 40Eingliederungshilfe Ergebnisqualität im Fokus der Sozialpsychiatrie 54 CME Fragebogen Der Vollzug der Maßregel ist Teil des Strafrechts und findet dort, im Grundgesetz, dem Strafprozess- und -vollstreckungsrecht sowie in den Straf- und Maßregelvollzugsgesetzen der Länder seine Grundlage. Es ist das Gericht, das nicht nur über die Anordnung, sondern auch über die Fortdauer der Unterbringung entscheidet. Einzelne Maßnahmen im Vollzug, wegen derer der Untergebrachte eine Verletzung seiner Rechte geltend macht, werden durch die Gerichte geprüft (§ 109 StVollzG). derungen entsprechende Eingangsuntersuchung. —Ein regelmäßig fortgeschriebener individuell zugeschnittener Vollzugsplan, der beschreibt, wie Risikofaktoren verringert und protektive Faktoren gestärkt werden sollen, und die Erprobung in Vollzugslockerungen sowie eine Entlassungsvorbereitung samt Übergangsmanagement durch Verzahnung der Hilfen in staatlicher und freier Trägerschaft (z. B. forensische Ambulanzen, betreutes Wohnen, beschütztes Arbeiten) darlegt. —Die zügige, konsequente und intensive Umsetzung dieses Plans durch ein multidisziplinäres Team qualifizierter Fachkräfte, wozu auch die Motivierung des Untergebrachten gehört. —Dabei ist die umfassende „Heilung“ und ganzheitliche „Besserung“ als solche kein Ziel der Unterbringung; der „Zweck der Maßregel“ ist alleine, künftig rechtswidrige Taten zu verhindern. Sachfremde Verlängerung der Unterbringung ist verboten; im Zweifel muss diejenige Behandlung versucht werden, die am schnellsten die Chance auf Aussetzung bietet. —Untersuchungen und Behandlungen sind nur mit Einwilligung des Untergebrachten und unter strikter Beachtung der Grundsätze der Aufklärung zulässig. Gegebenenfalls ist ein gesetzlicher Betreuer einzuschalten. Nur unter engen, gesetzlich festgelegten Voraussetzungen darf zwangsbehandelt werden. Rechtliche Vorgaben für die Behandlung Das Bundesverfassungsgericht hat die Anforderungen an den Vollzug von Maßregeln (teils mit Blick auf die Sicherungsverwahrung) umfangreich dargelegt. Nur innerhalb dieses, und nicht des Rahmens, der sonst die Beziehungen zwischen Arzt und Patient regelt, richtet sich die Behandlung in der Unterbringung nach ärztlichen Grundsätzen. Gefordert wird: —Eine klare Ausrichtung auf die Ziele der Verringerung der Rückfallgefahr, der Entlassung in die Freiheit als realistische Möglichkeit und der Begrenzung der Freiheitsentziehung auf das unbedingt Erforderliche (= Kriminaltherapie). —Die Vermeidung von Belastungen, die über den unabdingbaren Entzug der Bewegungsfreiheit hinausgehen. —Eine unverzügliche, umfassende und modernen wissenschaftlichen Anfor- 25 Fortbildung —Behandlungsmaßnahmen, die eine die Freiheitsentziehung verlängernde Folge haben (Dauer der Stufe einer Lockerung bis zur nächst höheren; Rückstufungen in Lockerungen; besondere Sicherungsmaßnahmen; Beginn und Dauer der konkreten Entlassungsplanung), sind umfassend zu begründen und zu dokumentieren. Sie müssen unter Angabe der erforderlichen Beweismittel dem Gericht dargelegt werden können. —Alles ist so zu dokumentieren, dass der Behandlungsverlauf für die Verfahrensbeteiligten (auch externe Gutachter) nachvollziehbar ist. —Nicht zu den expliziten rechtlichen Grundlagen, aber zur Grundlage einer erfolgreichen Praxis gehören ein ständiger sachlicher und vertrauensbildender Dialog zwischen Vollstreckungsgericht und Klinik sowie im Idealfall auch Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Die Klientel des psychiatrischen Maßregelvollzuges Die Klientel des psychiatrischen Maßregelvollzuges ist heterogen und in vieler Weise belastet. In den Herkunftsfamilien findet sich gehäuft Kriminalität, Ge- Tab. 1: Grundregeln als Basis effektiver und effizienter Prozessqualität 1. Das Mandat heißt: „Behandlung und ­Sicherung“. Wer ein solches Doppel­ mandat nicht akzeptieren kann, kann nicht im Maßregelvollzug arbeiten. 2. Der mächtigste Wirkfaktor der Kriminal­ therapie ist das Modelllernen. Institution und Behandler haben (im Positiven wie im Negativen) eine Vorbildfunktion: Institution und Behandlung sind folglich transparent, ehrlich und fair. 3. Verhaltensgrenzen werden klar benannt und konsequent durchgesetzt. 4. Belohnung, Anreiz und eingrenzende ­Reaktionen der Institution sind bere­ chenbar. 5. Die Institution hat eine intensiv gelebte Risikokultur mit mehrstufigen Entschei­ dungs- und Kontrollebenen bei Progno­ sebildung und Lockerungsgewährung. 6. Eine Entlassung in kriminogene Lebens­ räume unterbleibt, es wird nur in krimi­ nalpräventive Settings entlassen. 26 Psychiatrische Kriminaltherapie im Maßregelvollzug walt und Substanzmissbrauch. Es bestehen erhebliche Defizite im Bereich der schulischen und beruflichen Bildung. Das Alter bei dokumentierter und verfolgter Erstkriminalität liegt im Durchschnitt bei 20 Jahren. Ein erheblicher Teil der Patienten beging das Einweisungsdelikt, obgleich er sich in psychiatrischer Behandlung befand. Betrachtet man die Lebenszeitdelinquenz, sind die meisten Patienten polytrope Täter. Regelhaft besteht eine lange Vorgeschichte psychischer Auffälligkeiten und antisozialen Verhaltens. Die multiplen Probleme umfassen schwerwiegende affektive und kognitive Defizite, geringe lebenspraktische und soziale Fertigkeiten sowie einen Lebensstil, der deviantes Sozialverhalten fördert. Oft liegt ein vieljähriger schwerer Substanzmissbrauch vor. Viele Patienten sind schwierig einzuschätzen, haben meist ein nur geringes Interesse an der Behandlung, sind wenig compliant, und es ist schwierig, mit ihnen umzugehen. Sowohl ihre psychiatrische als auch ihre antisoziale Problematik ist chronisch, sodass bei der überwiegenden Mehrzahl der Patienten „Heilung“ ein unrealistisches Behandlungsziel ist. Bei den meisten lassen sich mehrere mit Kriminalität assoziierte Problemfelder identifizieren. Oft ist es weniger das Risiko erneuter Delinquenz als vielmehr die oftmals wiederholt gezeigten sonstigen sozial inakzeptablen Verhaltensweisen, die einen Wechsel in ein weniger restriktives Lebensumfeld verhindern. Behandlungsziele sind vornehmlich Symptomreduzierung und Stabilisierung sowie Verbesserung der sozialen Anpassung und der zwischenmenschlichen Fertigkeiten. Dadurch ist es in den meisten Fällen möglich, eine Entlassung zu erreichen. Basisdaten Basisdaten der Klientel des psychiatrischen Maßregelvollzuges sind aus einzelnen Bundesländern und Kliniken wiederholt publiziert worden. Mittlerweile liegen (außer für Bayern und Baden-Württemberg) auch bundesweite Vergleichszahlen vor, die jährlich von den obersten Gesundheitsbehörden der Länder erhoben werden (Kerndatensatz). Frappierend und keineswegs eindeutig interpretierbar sind die Unter- schiede zwischen den Bundesländern (Mini-/Maximum in Klammern): 2012 betrug die Anzahl der gemäß § 63 StGB untergebrachten Patienten bundesweit 10,4 pro 100.000 Einwohner (5,9 bis 16,2). Die Gesamtbehandlungsdauer der entlassenen Patienten betrug 3.110 Tage (2.082 bis 4.085). Die Stichtagsverweildauer der noch untergebrachten Patienten lag bei 2.807 Tage (2.097 bis 3.481). Bereits mehr als zehn Jahre untergebracht waren 28,7% (16,4 – 38,0 %). 35,0% der Untergebrachten hatten Ausgang ohne Personalbegleitung (19,2 – 51,1 %). Hauptdiagnosen: —Schizophrenie: 43,0 % (17,4 – 72,9 %), —Persönlichkeitsstörungen: 12,8 % (1,7 – 27,2 %). —Hirnorganische Störungen 10,6 % (2,5 – 30,3 %), —Störungen der sexuellen Orientierung 14,6 % (6,8 – 21,2 %), —Suchterkrankungen 9,8 % (4,3 – 23,7 %), —Sonstige 9,2 % (0,4 – 37,0 %). Einweisungsdelikte: —Straftaten gegen das Leben (außer ­Sexualdelinquenz) 18,6 %, —Brandstiftung 10,8 %, —Sexualdelikte 25,8 %, —Körperverletzung 29,2 %, —Raub und Erpressung 6,9 %, —Sonstiges 8,8 %. Auch hier gibt es zwischen den Bundesländern Unterschiede, insgesamt ist das Bild aber deutlich homogener als bei den Diagnosen. Die Belastung dieser Population mit weiteren psychiatrischen Störungen ist außerordentlich hoch, wobei es sich bei den Co-Diagnosen meist um Substanzmissbrauch, Grenzbegabung und dissoziale Persönlichkeitsstörung handelt. Für die Praxis ist wichtig, dass die psychiatrische Hauptdiagnose in vielen Fällen nicht das aus kriminologischer Sicht vorrangige Behandlungsproblem darstellt. Grundregeln als Basis der Behandlung Entscheidender Unterschied zwischen psychiatrischem Maßregelvollzug und Allgemeinpsychiatrie ist der Umstand, dass Einweisung und Entlassung im Maßregelvollzug von einem Gericht vorNeuroTransmitter 2016; 27 (1) Psychiatrische Kriminaltherapie im Maßregelvollzug Psychiatrische Kriminaltherapie ist Risikomanagement Aus dem gesetzlich vorgegebenen Doppelmandat „Besserung und Sicherung“ folgt, dass psychiatrische Kriminaltherapie im gesamten Behandlungsverlauf die Sicherung der Allgemeinheit im Fokus hat und diese bei keiner therapeutischen Maßnahme gefährdet werden darf. Es geht ausschließlich darum, das von dem Patienten ausgehende Delinquenzrisiko durch geeignete Maßnahmen zu reduzieren (Risikomanagement). Diese beinhalten die sorgfältige Beobachtung und Beurteilung des Risikos und geeignete Maßnahmen, um das Risiko zu kompensieren, zu reduzieren oder zu neutralisieren, bevor es sich verwirklicht. Je wahrscheinlicher der Schadenseintritt und je höher der zu erwartende Schaden ist, umso nachdrücklicher, eingreifender und sicherer müssen die Maßnahmen sein. Je unmittelbarer das Risikoverhalten bevorsteht, umso schneller und intensiver muss reagiert werden. Gutes Risikomanagement zeichnet sich dadurch aus, dass man handelt, lange bevor etwas passiert. Das Risikomanagement des psychiatrischen Maßregelvollzuges erfolgt auf der Basis einer sorgfältigen Risikobeurteilung. Hierbei werden zunächst die im individuellen Fall vorliegenden statischen (= nicht mehr veränderbaren) und dynamischen (= prinzipiell veränderbaNeuroTransmitter 2016; 27 (1) ren) Risikofaktoren, aber auch protek-­ tiven Faktoren identifiziert. Für eine strukturierte Erfassung von beiden liegen eine Reihe reliabler und valider Prognosechecklisten vor. Auf der Grundlage der vorliegenden Risikofaktoren werden diese zunächst auf ihre Relevanz für den Einzelfall geprüft, zueinander in Beziehung gesetzt, um dann eine individualisierte Kriminalprognose unter der Fragestellung „Wer wird wie schnell, unter welchem Umständen, mit welchem Delikt rückfällig?“ zu erstellen, aus der sich die Maßnahmen des individuellen Risikomanagements ableiten sollten. Im idealtypischen Fall erstreckt sich die Behandlung psychisch kranker Rechtsbrecher auf einem Kontinuum von der Aufnahme in die forensische Klinik über die stationäre Behandlung, Entlassungsvorbereitung, ambulante fachforensische Nachbetreuung bis hin zur Überführung in das allgemeinpsychiatrische Versorgungssystem. Techniken Zur Reduzierung des individuellen Risikos stehen im Risikomanagement vier Typen von möglichen Interventionen zur Verfügung: 1. Die kontinuierliche Risikoüberwachung (Risikomonitoring), 2. die im klinischen Bereich übliche Strategie „Behandlung“, 3. die Einschränkung des Handlungsund Bewegungsspielraums des Patienten im Rahmen der juristischen Möglichkeiten und 4. Maßnahmen der Verbesserung der Sicherheit von potenziellen Opfern. Risikomonitoring Das Monitoring eines Patienten mit dem Ziel der Beurteilung von Risikoänderungen hat regelhaft den erwünschten Nebeneffekt, dass sich allein dadurch die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Problemverhalten oft bereits reduziert. Überwachungsmethoden sind vor allem der kontinuierliche Kontakt und das Gespräch mit dem Patienten, aber auch Selbstbeobachtungsprotokolle, Laufzettel, Kassenbuch, Fahrtenbuch, Verhaltensproben, Telefonkontakte, Kontakte mit relevanten Bezugspersonen, Drogenoder Alkoholtests, Medikamentenspiegelkontrollen oder Sicherungsmaßnahmen im engeren Sinn wie Kontrolle von Post, Telekommunikation, schriftlichen Unterlagen oder Durchsuchungen. Für ein effektives Risikomanagement ist wichtig, dass alle Verlaufsbeobachtungen zeitnah an einer Stelle zusammenfließen, wofür es geeigneter Kommunikations- und Organisationsstrukturen bedarf. Im Fokus stehen die dynamischen Risikofaktoren und protektiven Faktoren. Risikominderung durch Behandlung Beruhend auf den Prinzipien von Risiko, Bedürfnis und Ansprechbarkeit ist „Behandlung“ mittels pharmakologischer, psychotherapeutischer und soziotherapeutischer Verfahren die nächste große Gruppe von Verfahren des Risikomanagements. Risiko-, Bedürfnis-, Ansprechbarkeits­ prinzip: In der Straftäterbehandlung hat sich das Risiko-Bedürfnis-Ansprechbarkeitsprinzip als der am besten unter- Die Beschäftigungs- und Arbeitstherapie ist eine wichtige Säule der psychiatrischen Kriminaltherapie. ©© freepeoplea / Fotolia.com genommen werden, wobei – ohne Berücksichtigung der Behandelbarkeit – ausschließlicher Maßstab das Delinquenzrisiko des Betroffenen ist. Aus diesen Besonderheiten des Maßregelvollzugs und dem Wissen über die Prinzipien effektiver kriminalpräventiver Interventionen lassen sich sechs einfache Grundregeln ableiten, welche die Basis effektiver und effizienter Prozessqualität im psychiatrischen Maßregelvollzug darstellen (Tab. 1). Grundlagen einer State-of-the-Art Kriminaltherapie sind das empirisch gesicherte Wissen über die Ursachen von Kriminalität, die spezifischen Charakteristika psychisch gestörter Straftäter und die kriminalpräventive Wirksamkeit einzelner Methoden. Weiterhin bedarf es adäquater rechtlicher, materieller und institutioneller Rahmenbedingungen. Fortbildung 27 Fortbildung suchte Ansatz zur Reduktion von Rückfälligkeit durchgesetzt. —Das Risikoprinzip besagt, dass die Behandlung dem Risikolevel des Täters angepasst sein soll. Da sich im Maßregelvollzug nur Personen mit einem grundsätzlich hohen Risiko befinden, ist eine intensive Behandlung sachgerecht. —Das Bedürfnisprinzip besagt, dass kriminalpräventive Interventionen auf solche Merkmale abzielen sollen, die auch tatsächlich mit dem kriminellen Verhalten in Beziehung stehen. Daher müssen folgende Merkmale im Fokus der Behandlung stehen: Antisoziale Ansichten, Einstellungen und Peer-Kontakte; Identifikation mit kriminellen und antisozialen Rollenmodellen und -werten; Impulsivität; Mangel an sozialen und zwischenmenschlichen Fähigkeiten; selbstschädigende Coping-Strategien; Unfähigkeit, zu planen und konzeptionell zu denken; Unfähigkeit, Schwierigkeiten vorherzusehen und damit umzugehen; Egozentrik; Externalisierung von Verantwortung; konkretistisches, starres und zuweilen irrationales Denken; Selbstkontrollstörungen; Problemlösedefizite und substanzgebundene Abhängigkeiten. Protektive Faktoren wie stabile Arbeitssituation, strukturierte prosoziale Freizeitaktivitäten, festes Einkommen und solides Finanzmanagement, Behandlungsmotivation, positive Akzeptanz von Autoritäten, positive Lebensziele, prosoziales und unterstützendes soziales Netzwerk, stabile Intimbeziehung sind zu fördern. —Das Ansprechbarkeitsprinzip besagt, dass die Art der Intervention an den Lernstil und die Fähigkeiten des Täters angepasst sein muss. Bei psychisch kranken Straftätern sind vor ­a llem kognitiv-behaviorale, am konkreten Verhalten ausgerichtete Vorgehensweisen wie Rollenspiel, Verhaltensübungen, abgestufte Erprobung, Verstärkung, kognitive Umstrukturierung, aber auch konkrete Hilfestellungen erfolgversprechend. Pharmakologische Behandlung: Eine Psychopharmakotherapie der Dissozialität und Delinquenz gibt es nicht. Bei 28 Psychiatrische Kriminaltherapie im Maßregelvollzug emotionaler Labilität, unkontrollierbarer Wut, Impulsivität, unkontrolliert überschießender Gewalt oder mürrischdysphorischer Gereiztheit kann eine syndromorientierte pharmakologische Behandlung sinnvoll sein. Bei einer schizophrenen oder affektiven Störung ist eine Psychopharmakotherapie unerlässlich. Da das Arzneimittelrecht an der Klientel des Maßregelvollzugs keine pharmakologischen Wirksamkeitsstudien erlaubt und die typischen Patientencharakteristika (Multimorbidität, lange Krankheitsdauern, Hostilität, Non-Compliance) regelhaft Ausschlusskriterien für solche Studien sind, stößt man in der Praxis rasch an die Grenzen der Anwendbarkeit evidenzbasierter Leitlinien. Soziotherapeutische Verfahren: Soziotherapeutische Verfahren legen den Schwerpunkt auf die Interaktion zwischen dem Patienten und seiner Umgebung. Hier kann zwischen stationären Verfahren (z. B. Milieutherapie, CaseManagement, Ergotherapie, Sozialarbeit, Sport, Bildung und Freizeit) und ambulanten Verfahren (z. B. Maßnahmen der Arbeitsrehabilitation, Platzierung in Übergangseinrichtungen) und vor allem einer gezielten forensisch-psychiatrischen Nachsorge unterschieden werden. Psychotherapeutische Ansätze: Diese Ansätze zielen auf eine Veränderung störungsbedingter dysfunktionaler kognitiver, emotionaler und behavioraler Muster mit psychologischen Mitteln ab. Sie wurden allerdings an nicht straf-­ fälligen, psychisch gestörten Patienten zur Besserung psychischer Störungen entwickelt. Ansätze aus der Straftäterbehandlung: In der Behandlung psychisch kranker Rechtsbrecher sollten störungsspezifische evidenzbasierte klinische Behandlungsansätze um Ansätze aus der Straftäterbehandlung, die gezielt der Reduzierung von Delinquenz dienen und an psychisch nicht gestörten Straftätern entwickelt wurden, ergänzt werden. Hierzu stehen manualisierte deutschsprachige Programmpakete zur Verfügung. Besonderheiten im Maßregelvollzug: Patienten des Maßregelvollzugs sind anders als andere Patienten „per definitionem“ gefährlich. Voraussetzung für viele Behandlungsmaßnahmen ist aber, dass sich Behandler und untergebrachter Patient gefahrlos begegnen können. Schon allein deshalb hat es sich bewährt, im Rahmen einer individuellen Behandlung Behandlungsschwerpunkte nach folgendem Algorithmus zu hierarchisieren beziehungsweise zu priorisieren: 1.Reduzierung der Fremd- und Eigengefahr, 2.Steigerung von Behandlungscompliance/Behandlungsadhärenz, 3.Verbesserung der psychischen Störung und 4.Verbesserung der Lebensqualität. Patienten des Maßregelvollzugs kommen anders als andere Patienten nicht freiwillig in eine Behandlung, weil sie unter ihrem Zustand leiden, sondern werden zu einer Behandlung verurteilt, weil andere unter ihrem Zustand leiden. Vor diesem Hintergrund kommt der Förderung von Behandlungsmotivation in der psychiatrischen Kriminaltherapie ein sehr hoher Stellenwert zu. Be­schränkung von Handlungsspielräumen Weitere Strategien, die im Rahmen eines Risikomanagements zur Verfügung stehen, umfassen die Einschränkung des Handlungs- und Bewegungsspielraums, wodurch dem Patienten die äußeren Möglichkeiten zu erneuter Delinquenz genommen werden. Ihre rechtlichen Grundlagen haben diese Einschränkungen der Rechte des Patienten in den Maßregelvollzugsgesetzen der Länder sowie im Strafgesetzbuch. In der konkreten Ausgestaltung dieser Form des Risikomanagements haben die Maßregelvollzugskliniken für die intramurale Behandlung zumeist ein abgestuftes Lockerungs- oder Stufensystem etabliert. Hierin werden den Patienten – in Abhängigkeit von ihrem aktuellen Risiko – Freiheiten und Rechte eingeschränkt (bis hin zur Isolierung und Fixierung), aber auch Lockerungen (Ausgänge, Urlaube, etc.) gewährt. In der Führungsaufsicht nach der stationären Unterbringung können gerichtlich angeordnete Weisungen nach § 68b NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Psychiatrische Kriminaltherapie im Maßregelvollzug Tab. 2: Wiederaufnahmen nach bedingter Entlassung* Wiederaufnahmen Während der Führungsaufsicht ohne Delikt Nach der Führungsaufsicht Entlassungen „at risk“ mit Delikt 2014 8 2 1 48 2013 8 0 1 49 2012 4 1 0 65 2011 7 0 0 56 2010 9 0 1 41 2009 9 0 3 48 2008 2 0 2 52 2007 4 1 1 47 2006 7 2 1 48 2005 4 2 1 47 2004 1 2 2 56 Summe 63 10 13 557 *QM-Bericht der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Haina StGB Basis eines Risikomanagements durch Einschränkung von Handlungsräumen sein (z. B. Wohnort nicht zu wechseln, bestimmte Tätigkeiten nicht auszuführen, sich einer Behandlung zu unterziehen). milienangehörige Opfer von Gewalt werden. Hier ist ihre fachkundige Beratung durch Mitarbeiter des „Forensiksystems“ im Erkennen und Beurteilen von Risiken und dem Umgang damit eine häufig praktizierte Maßnahme. Verbesserung der Sicherheit potenzieller Opfer Diese Maßnahmengruppe des Risikomanagements zielt darauf ab, das Risiko erheblich rechtswidriger Taten dadurch zu reduzieren, dass die Sicherheit identifizierbarer potenzieller Opfer verbessert wird. Hierzu gehören statische (strukturelle/bauliche) Maßnahmen, aber auch dynamische Maßnahmen, die potenzielle Opfer im Umgang mit Gewalt stärken. Identifizierbare Opfer im intramuralen Bereich sind vor allem Mitarbeiter und Mitpatienten. Dynamische Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Sicherheit sind zum Beispiel die regelhaft in Maßregelvollzugskliniken durchgeführten Deeskalationstrainings und Trainings in „Halte- und Fixiertechniken“ für Mitarbeiter, aber auch die Praxis, bei Konflikten zwischen Patienten rechtzeitig einzugreifen. Im extramuralen Bereich können vor allem Mitarbeiter von nachsorgenden Einrichtungen und/oder Fa- Behandlungsergebnisse NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Daten aus der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Haina belegen, dass nur sehr wenige Patienten nach bedingter Entlassung scheitern. Während in den Jahren 2004 bis 2007 bei insgesamt 198 Entlassungen zwölf (= 6,1 %) Patienten wegen erneuter Delinquenz zurückkamen, wurden 2011 bis 2014 bei 218 entlassenen Patienten nur fünf (= 2,3 %) Rückkehrer wegen erneuter Delinquenz registriert. Deutlich häufiger kommen bedingt entlassene Patienten wegen Verstößen gegen Bewährungsauflagen zurück in die forensische Klinik (Tab. 2). Der erneute Aufenthalt ist dann regelhaft nur sehr kurz. Fortbildung von Kriminalität und die kriminalpräventive Wirksamkeit einzelner Methoden. Die Behandlung muss in adäquate rechtliche, materielle und institutionelle Rahmenbedingungen eingebettet sein. Für die Reduzierung des individuellen Risikos stehen im Risikomanagement folgende Interventionen zur Verfügung: die kontinuierliche Überwachung des Risikos, die im klinischen Bereich übliche Strategie „Behandlung“, die Einschränkung des Handlungs- und Bewegungsspielraums des Patienten im Rahmen der juristischen Möglichkeiten und Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit potenzieller Opfer. Institutionen, die multimodale, kognitiv-behaviorale Ansätze unter Nutzung der Techniken des sozialen Lernens verfolgen, Methoden verwenden, die dem Lernstil der Klienten entsprechen, auf jene Klientenmerkmale zielen, die nach dem empirischen Kenntnisstand kriminogene Faktoren sind, erzielen deutliche kriminalpräventive Effekte. Nach Entlassung aus der stationären Behandlung bedarf es regelhaft einer langjährigen, auch aufsuchenden Nachsorge. Wo evidenzbasierte Techniken in Risikobeurteilung und Risikomanagement eingeführt, klare Strukturen und Grundregeln etabliert, eine ambulante Nachsorge aufgebaut und angemessene Personalzahlen durchgesetzt wurden, kam es in der psychiatrischen Kriminaltherapie zu deutlichen und messbaren Verbesserungen. Literatur www.springermedizin.de/neurotransmitter AUTOREN Dr. Rüdiger Müller-Isberner Ärztlicher Direktor, Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Haina Landgraf-Philipp-Platz 3 35114 Haina (Kloster) E-Mail: [email protected] Fazit für die Praxis Dipl. Psych. Sabine Eucker Leitende Psychologin, Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Haina Landgraf-Philipp-Platz 3 35114 Haina (Kloster) Psychiatrische Kriminaltherapie gemäß § 63 StGB ist Risikomanagement. Dieses fußt auf State-of-the-Art-Risikobeurteilung und dem Wissen über die spezifischen Charakteristika psychisch gestörter Straftäter, die Ursachen Dr. jur. Thomas Wolf Vorsitzender Richter, Strafvollstreckungskammer, Landgericht Marburg Universitätsstr. 48, 35037 Marburg 29 Fortbildung Literatur 1. Andrews DA, Bonta J. (2010) Psychology of criminal conduct. New Providence, NJ.: Mathew Bender & Co. 2. Craig LA, Dixon L, Gannon ThA. (eds.)(2013) What Works in Offender Rehabilitation. Chichester: Wiley-Blackwell. 3. Müller-Isberner R, Eucker S. (Hrsg.). Praxishandbuch Maßregelvollzug. Berlin: Medizinische Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2012. 4. Müller-Isberner R, Eucker S, von Hecker B, Nedopil N. (2015) Therapie im Maßregelvollzug. In: U Voderholzer, F Hohagen (Hrsg.) Therapie psychischer Erkrankungen: State of the Art. 10. Auflage. München: Urban & Fischer. S. 417-430 2 NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Fortbildung Sozialpsychiatrische Versorgung Versorgungskosten nicht primär durch Krankheitsschwere bedingt Da die Ressourcenverteilung in der sozialpsychiatrischen Versorgung wenig logisch erscheint, wird in der hier vorgestellten explorativen Studie untersucht, ob diese mit der Schwere einer psychischen Erkrankung zusammenhängt. Die Ergebnisse lassen Rückschlüsse darauf zu, dass es nur bedingt die objektiv erfassbare Krankheitsschwere ist, welche die Versorgungskosten bestimmt. Gleichzeitig lässt die vorliegende Studie Einblicke in die Verteilung der Versorgungskosten zu. A N D R E A S K I N A D E T ER , R EG EN SB U R G me, dass die Qualität der Versorgung in Deutschland ebenfalls sehr hoch ist. Trotz der Schwierigkeit, diese zu messen, gibt es aber Anzeichen, dass die Behandlungsqualität in Deutschland verglichen mit anderen europäischen Ländern eher nur im oberen Mittelfeld anzusiedeln ist [3, 4, 5]. Dieser Sachverhalt legt wiederrum nahe, dass die große Menge an zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht passgenau verteilt wird. Bei der Betrachtung der Ressourcenverteilung für alle psychischen Erkrankungen fällt auf, dass die meisten Mittel für die stationä- Betreute Wohnformen ­gehören zu den kostensteigernden ­Prädiktoren der sozialpsychiatrischen Versorgung. 30 re Behandlung und Pflege bereitgestellt werden (Abb. 1). Dies lässt vermuten, dass schwerer erkrankte Personen mehr Leistungen erhalten. Die Datenlage der sozialpsychiatrischen Forschung in Deutschland ist leider eher uneinheitlich und lückenhaft [1]. Die vorhandenen Studien untersuchen vor allem Kosten einzelner Krankheitsbilder, wie die der Schizophrenie, der Depression und teilweise der Demenz. Obwohl die Kostenverteilung zu den einzelnen Diagnosen seit etwa Mitte der 1990er-Jahre erforscht wird, gibt es nur wenige Studien über mögliche Kostenprädiktoren. Die vorliegende Studie widmet sich daher der Frage, ob die Schwere einer psychischen Erkrankung die Ressourcenverteilung bestimmt. Methoden Stichprobe Insgesamt wurden 50 Menschen mit vornehmlich schweren chronischen psychischen Erkrankungen befragt, die durch ambulante Dienstleister versorgt werden. Menschen, die in einer stationären Einrichtung lebten, wurden ebenso nicht befragt wie Personen mit einem forensischen Hintergrund. Dies liegt darin begründet, dass sich ein Großteil der vorhandenen Studien mit Menschen in stationären Einrichtungen oder Krankenhäusern und mit dem Krankheitsbild Schizophrenie befasst [6, 7, 8, 9, 10, NeuroTransmitter 2016; 27 (1) ©© Koos ‚Groenwold / Springer Media D ie Ausgaben für psychiatrische Gesundheitsversorgung sind – gemessen am Bruttoinlandsprodukt – im internationalen Vergleich in Deutschland sehr hoch. Ungefähr 1,1 % des Bruttoinlandsprodukts und damit etwa 11 % des gesamten Gesundheitsbudgets werden für die Versorgung von psychisch erkrankten Menschen bereitgestellt [1]. Diese Daten bilden jedoch methodenbedingt einen Großteil der ambulanten, „komplementären“ psychiatrischen Versorgung nicht ab [2]. Diese hohen Ausgaben verleiten zu der Annah- Fortbildung Sozialpsychiatrische Versorgung 11]. Die Befragung fand im Zeitraum von März bis Juni 2013 statt. Die Datenerhebung erfolgte in enger Zusammenarbeit mit der „Bayerischen Gesellschaft für psychische Gesundheit e. V.“ (BGfpG) in Regensburg. Leistungen für WfbMs 537 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben 604 Sonstige Praxen (inkl. Ergotherapie) 874 Private Haushalte 1.096 Leistungen für betreute Wohnformen 1.714 Ambulante Pflege 1.739 Messung der Krankheitsschwere Bei dem Versuch, das Konstrukt „Krankheitsschwere“ möglichst umfassend zu beurteilen, wurden vier gut evaluierte Messinstrumente eingesetzt. Zum einen wurden subjektive Aussagen über Lebensqualität und Empowerment der Befragten durch den „WHO Quality of Life – BREF“ (WHOQOL-BREF) und den „Fragebogen zur Erfassung von Empowerment im psychiatrischen Behandlungsprozess von Patienten mit affektiven und schizophrenen Erkrankungen“ (EPAS) eingeholt [12, 13]. Zum anderen wurden die professionell tätigen Bezugspersonen der Befragten gebeten, die Krankheitsschwere mittels der „Health of the Nation Outcome Scales“ (HoNOSD) zu bewerten [14]. Zusätzlich wurde der Unterstützungsbedarf mit der deutschen Version des „Camberwell Assessment of Need – EU“ (CAN-EU) erfasst [15]. Dabei handelt es sich bei allen Instrumenten – bis auf die HoNOS-D – um Selbsteinschätzungs- oder Selbstberichtsinstrumente. Dies hat den großen Vorteil, dass die subjektive Sichtweise auf Lebensqualität oder auch Empowerment, der in der psychiatrischen Forschung immer mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht wird, bei der Auswertung der Daten berücksichtigt werden konnte. Durch Summenbildung zu verschiedenen Dimensionen der einzelnen Erhebungsinstrumente konnten so insgesamt 14 Variablen erhoben werden, von denen man annehmen kann, dass sie die Schwere einer psychischen Erkrankung möglichst vielfältig abbilden. spruchnahme von Versorgungsleistungen“ und „Medikation“. Bei der Befragung zur Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen wurden stationäre, teilstationäre und ambulante Kontakte zum Versorgungssystem und deren jeweilige Dauer über drei Monate erfasst und monetär bewertet. Die einzelnen Kostenwerte wurden in „direkte“ und „indirekte“ sowie in „medizinische“ und „nicht medizinische“ Leistungsarten unterteilt. Während direkte medizinische Kosten vornehmlich Medikamente, ambulante, teil- und vollstationäre Leistungen beinhalten, bestehen direkte nicht medizinische Leistungen zum großen Teil aus betreuten Wohnformen, rechtlichen Betreuungen, Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) oder Beratungsleistungen. Ein Hauptteil der indirekten Kosten entsteht durch Produktivitätsausfall oder Arbeitsunfähigkeit, aber auch durch Kosten von öffentlich gefördertem Wohnraum. Messung der Versorgungskosten Zur Erhebung der Versorgungskosten wurde in der vorliegenden Studie eine regional angepasste Version des „Client Sociodemographic and Service Reciept Inventory“ (CSSRI-D) gewählt [16]. Das CSSRI-D erhebt Daten aus fünf Subkategorien: „Soziodemografische Daten“, „Lebenssituation des Probanden“, „Beschäftigung und Einkommen“, „Inan- Auswertung Neben den 14 Variablen, welche die Schwere einer psychischen Erkrankung abbilden sollen, wurden weitere Variablen erfasst, die aufgrund bereits bekannter Studien einen Einfluss auf die Ressourcenverteilung haben können: „Aktuell in Arbeit“, „Alter der Probanden“, „Vorliegen einer affektiven Erkrankung“, „Geschlecht“, „Lebt in betreuter NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Verwaltung 1.845 Rehabilitation (medizinisch) 2.025 Artzpraxen 2.200 Medikamente 3.084 Stationäre Behandlung 7.419 Stationäre Pflege 7.549 0 1.000 2.000 3.000 4.000 5.000 Mio. Euro 6.000 7.000 8.000 Abb. 1: Ausgaben für psychische Erkrankungen im Jahr 2008 in Millionen Euro, geordnet nach Leistungsart (Daten der Gesundheitsberichterstattung des Bundes [18] sowie eigene Berechnungen). Wohnform“, „Rechtlicher Betreuer vorhanden“ und „Schulabschluss über Hauptschulniveau“ [6, 8, 9, 10]. Diese insgesamt 21 unabhängigen Variablen sollten – so die Ausgangshypothese – die Verteilung der Versorgungskosten erklären. Dies wurde mittels multivariater ­linearer Regressionsanalyse überprüft. Um ein möglichst passgenaues Regressionsmodell zu finden, kamen die „Vorwärts-“ und die „Rückwärtsmethode“ zum Einsatz. Wegen der rechtsschiefen Verteilung der Kostendaten wurde zur Schätzung der Standardfehler und der Konfidenzintervalle der Regressionsparameter ein nonparametrisches Boots­ trapping-Verfahren verwendet. Neben dieser spezifischen Auswertung wurde weiter die Ressourcenverteilung nach Leistungsträgern, Kostenträgern und Kostenarten mit Hilfe von deskriptiver Statistik analysiert. Ergebnisse Die 50 untersuchten Probanden waren im Durchschnitt 44 Jahre alt. Über die Hälfte der Probanden (54 %) hatte mindestens einen Realschulabschluss, nur wenige Probanden hatten keinen Abschluss (14 %). Lediglich ein kleiner Teil der Probanden hatte einen Partner (8 %) oder war verheiratet (2 %). Insgesamt 34 % der Befragten lebten in therapeutischen Wohngemeinschafen (TWG) oder wurden durch das betreute Einzelwoh- 31 Fortbildung Sozialpsychiatrische Versorgung nen (BEW) unterstützt. Trotz einer eher hohen Beschäftigungsquote von 48 % (30 % in beschütztem Rahmen und 18 % auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt) wa- ren 82 % der Probanden auf Sozialleistungen angewiesen, wobei der Großteil (50 %) der Sozialleistungen aus Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit Tab. 1: Soziodemografische und krankheitsspezifische Merkmale der Studienpopulation (n = 50) Anteil Frauen (in %) 38,8 Alter in Jahren (M/SD) 43,68 / 12,02 Schulbildung (in %) Kein Abschluss 14 Hauptschulabschluss 32 Mittlere Reife 22 Abitur / Hochschule 28 Ledig / ohne Partner 70 Verheiratet / mit Partner 10 Geschieden / verwitwet 20 Erwerbs- oder Berufsunfähig 28 Altersrente / Pension 10 (Um) Schüler / Student 2 Arbeitssuchend 12 Angestelltenverhältnis 18 Geschützte Tätigkeit 30 Psychiater 70,2 Hausarzt 61,7 Psychiatrische Institutsambulanz 14,9 F 20 – F 29 36 F 30 – F 39 38 HoNOS-D (M/SD) Summenwert 1,14 / 0,51 CAN-EU (M/SD) Gesamtbedarf 6,04 / 3,11 Ungedeckter Bedarf 2,16 / 2,19 Gedeckter Bedarf 3,88 / 2,22 Domäne „physisch“ 59,57 / 18,20 Domäne „psychisch“ 51,50 / 18,47 Domäne „soziale Bedingungen“ 54,33 / 19,80 Domäne „Umwelt“ 68,00 / 14,10 Domäne „Global“ 48,75 / 21,47 Alltagsbewältigung 3,54 / 0,67 Soziale Beziehungen, Sexualität, ­Freizeit 3,09 / 0,65 Behandlungspartizipation 3,68 / 0,57 Hoffnung, Selbstwirksamkeit 3,19 / 0,78 Selbstwert, Akzeptanz 3,38 / 0,77 Familienstand (in %) Beschäftigung (in %) Ärztliche Anbindung (in %) Diagnose (in %) WHOQoL-BREF (M/SD) EPAS (M/SD) 32 bestand. Die betreuenden Experten haben im Rahmen der Bearbeitung der ­HoNOS-D festgestellt, dass die Hauptprobleme der Probanden in den Bereichen „Gedrückte Stimmung“ und „Psychische Belastung/Anspannung“ lagen. Die Auswertung des von den Befragten bearbeiteten CAN-EU ergab, dass die Probanden im Durchschnitt sechs Bedarfe aus einem Katalog von 23 Bedarfsbereichen anführten. Etwa zwei Drittel der Bedarfe waren gedeckt und ein Drittel war ungedeckt. Die Auswertung des WHOQOL-BREF ergab, dass die Befragten ihre eigene Lebensqualität überdurchschnittlich gut einschätzten. Hervorzuheben ist die Lebensqualität im Bereich „Umwelt“, die von den Probanden am höchsten bewertet wurde. Das geringste Empowerment fand sich in der EPAS Dimension „Soziale Beziehungen, Sexualität und Freizeit“ (Tab. 1). Ermittelte Kostenprädiktoren Für die Varianz der „Gesamtkosten“ fanden sich sechs Kostenprädiktoren. Während „Lebt in betreuter Wohnform“, „WHO Domäne Soziale Bedingungen“ und „Rechtlicher Betreuer vorhanden“ eine kostensteigernde Wirkung haben, scheinen die Prädiktoren „EPAS Dimension Soziale Beziehungen“, „Alter der Probanden“ sowie „WHO Domäne Physisch“ mit sinkenden Versorgungskosten assoziiert zu sein (Tab. 2). Für die Varianz der „Direkten Gesamtkosten“ fanden sich annähernd dieselben Kostenprädiktoren: „Lebt in betreuter Wohnform“ (β = 0,532), „WHO Domäne Soziale ­Bedingungen“ (β = 0,474) und „Rechtlicher Betreuer vorhanden“ (β = 0,298), „EPAS Dimension Soziale Beziehungen“ (­ β = -0,681) sowie „Alter der Probanden“ (β = -0,325). Für die Varianz der „Direkten medizinischen Gesamtkosten“ konnte aufgrund der geringen Fallzahl und der gewählten Methode kein stimmiges Regressionsmodell mehr errechnet werden. Leistungsverteilung in der Stichprobe Die Kosten in den abgefragten drei Monaten wiesen eine sehr große Spannweite auf (Mittelwert = 9.411,29 €, Standardabweichung = 6.096,22 €). Die niedrigsten Kosten verursachte ein Proband mit 107,62 €, die höchsten Kosten ein ProNeuroTransmitter 2016; 27 (1) Fortbildung Sozialpsychiatrische Versorgung Tab. 2: Regressionsmodell zu den Gesamtkosten über drei Monate Regressionsmodell Gesamtkosten über drei Monate N 50 Korrigiertes R-Quadrat 0,676 Standardfehler des Schätzers 3476,8439253 F-Wert und Signifikanz F (6,40) = 16,992, p < 0,001 Prädiktoren b Bootstrap (1.000 Stichproben) KI 95 % β SD p WHO Domäne „Soziale ­Bedingungen“ (0 – 100) 145,83 62,90 218,24 38,84 0,002 0,484 Rechtlicher Betreuer vorhanden (0 = Nein; 1 = Ja) 2.994,60 973,54 5.292,40 1.103,65 0,012 0,243 Lebt in betreuter Wohnform (0 = Nein; 1 = Ja) 7.299,74 5.072,59 9.399,68 1.134,58 0,001 0,572 EPAS Dimension „Soziale ­Beziehungen“ (1 – 5) –4.481,50 –7.142,97 –1.812,74 1.324,37 0,002 –0,440 Alter der Probanden (in Jahren) –160,41 –249,80 –66,37 47,15 0,002 –0,316 WHO Domäne „physisch“ (0 – 100) –79,83 –158,14 –3,45 36,64 0,041 –0,234 Abkürzungen: KI = Konfidenzintervall; SD = Standardabweichung; p = Signifikanzniveau; b = nicht standardisierter ­Regressionskoeffizient (interpretierbar in Euro); β = standardisierter Regressionskoeffizient band mit 24.870,91 €. Von den Gesamtkosten entfielen 48 % auf die direkten Kosten und 52 % auf die indirekten Kosten (Tab. 3). Die durchschnittlichen Jahressummen pro befragter Person betrugen 19.517,60 € für indirekte und 18.128,12 € für direkte Kosten. Die höchsten Kosten im untersuchten Zeitraum entstanden der Gesellschaft durch Produktivitätsausfälle. Die Krankenkassen kamen für etwa 27,2 %, die örtlichen und überörtlichen Sozialhilfeträger für etwa 19,3 % aller entstandenen Kosten auf. Auf die Justizkasse entfielen 3 % aller Kosten allein für die rechtliche Betreuung. Die sonstigen Kostenträger, darunter vor allem Deutsche Rentenversicherung und Agentur für Arbeit, trugen 3,82 % der Gesamtkosten. Die Probanden selbst bestritten etwa 0,8 % aller Ausgaben. Diskussion der Ergebnisse Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass wohl alle gefundenen Prädiktoren indirekte Rückschlüsse auf die Schwere einer psychischen Erkrankung zulassen. Es kann angenommen werden, dass Men- 34 schen, denen ein rechtlicher Betreuer an die Seite gestellt wurde oder die in einer betreuten Wohnform leben, schwerer erkrankt sind als Menschen, denen diese Hilfen nicht zuteilwerden. Auch Menschen mit einer schlechten körperlichen Verfassung sind sicherlich schwerer erkrankt als Menschen mit einer höheren Zufriedenheit mit ihrem physischen Wohlbefinden. Ein höheres „soziales Empowerment“, das in den hier gefundenen Ergebnissen mit geringeren Versorgungskosten verbunden ist, lässt ebenfalls auf eine geringere Krankheitsschwere schließen. Nichtsdestotrotz erscheint es erstaunlich, dass sowohl die fremdbeurteilte Erkrankungsschwere als auch die subjektiv abgefragten Bedarfe nicht im Regressionsmodell auftauchen. Kein Zusammenhang? Weder der Summenwert des HoNOS-D noch die einzelnen Bedarfswerte des CAN-EU, noch die psychische oder die globale Lebensqualität aus dem WHOQOL-BREF scheinen in der Kostenverteilung eine Rolle zu spielen. Hierfür gibt es eine Vielzahl an möglichen Interpre- tationen. Die fehlende Beziehung zwischen der HoNOS-D und den Versorgungskosten könnte damit zusammenhängen, dass psychische Erkrankungen in vielen Fällen schubweise auftreten und das Hilfesystem darauf oftmals nur zeitverzögert reagiert. So wäre es denkbar, dass Menschen mit einer psychischen Erkrankung, denen es aktuell sehr schlecht geht, erst in einigen Monaten die passende Hilfe erhalten werden. Dies wäre durch die langen Wartezeiten für Psychotherapieplätze oder die teilweise erheblichen Bearbeitungszeiten für Eingliederungshilfeanträge begründbar. Außerdem wäre es vorstellbar, dass sich die Krankheitsschwere der Probanden aufgrund massiver Inanspruchnahme von Hilfeleistungen in den letzten Monaten erheblich gelindert hat. Es ist daher sehr gut möglich, dass die durch den Experten bestimmte Krankheitsschwere in der HoNOS-D einen zeitverzögerten Einfluss auf die Verteilung der Versorgungskosten hat, wobei es unmöglich erscheint vorherzusagen, in welche Richtung dieser zeitverzögerte Einfluss wirkt. Da zeitverzögerte Einflüsse nur in Längsschnittstudien nachweisbar sind, wäre diese mit den Methoden der vorliegenden Studie nicht messbar gewesen. Dies kann die hier fehlende Bedeutung der HoNOS-D erklären, was gleichermaßen für die Lebensqualitätswerte aus dem WHOQOL-BREF gelten würde. Auch dass die Bedarfswerte aus dem CAN-EU bei der Suche nach Kostenprädiktoren nicht auftauchen, kann erklärt werden. Eine Person mag zwar sehr viele gedeckte Bedarfe vorweisen, diese könnten aber sehr kostengünstig gedeckt sein, beispielsweise durch Nachbarschaftshilfe, Selbsthilfegruppen oder Teilnahme an Gruppenangeboten von SPDI und Tageszentren. Die Kosten für derartige informelle Hilfeleistungen sind im Vergleich zu Kostenfaktoren wie „stationäre Behandlung“ oder „Produktivitätsausfall“ in einer Gesamtkostenverteilung kaum mehr erkennbar. Ein möglicher Zusammenhang zwischen gedeckten Bedarfen und kostengünstigen Hilfeleistungen ginge bei einer Analyse aller Kosten wohl verloren. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es nicht vorrangig die medizinische Krankheitsschwere ist, die einen Einfluss NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Fortbildung Sozialpsychiatrische Versorgung auf die Ressourcenverteilung hat, sondern vielmehr „weiche“ Faktoren des Konstrukts Krankheitsschwere, wie „Soziales Empowerment“ oder andere Hilfsmaßnahmen, wie „Rechtliche Betreuer“ oder „Betreute Wohnformen“. Gerade die betreuten Wohnformen scheinen in der gefundenen Ressourcenverteilung eine sehr große Rolle zu spielen. Aussage der Ressourcenverteilung Das Verhältnis von direkten zu indirekten Kosten entspricht in der hier durchgeführten Studie annähernd dem Verhältnis 1 : 1. Es ist daher nur eingeschränkt vergleichbar mit ähnlichen Studien, die eher ein Verhältnis von 2 : 3 von direkten zu indirekten Kosten hindeuten [2, 9, 10]. Die Jahressummen der direkten Kosten – die im vorliegenden Fall durchschnittlich 18.128,12 € betragen – sind allerdings durchaus mit denen anderer Studien vergleichbar, wenn man die Inflationsraten berücksichtigt [2]. Widmet man sich der Ressourcenverteilung nach Leistungen oder Leistungsbereichen, so stellt man schnell fest, dass ein genauer Vergleich mit anderen Daten kompliziert ist. Dies liegt an den unterschiedlichen Erhebungsinstrumenten und dem sich rasch verändernden Leistungsspektrum. Man kann jedoch davon ausgehen, dass gerade die zentralen Leistungsbereiche aus „Stationärer Behandlung“, „Betreuten Wohnformen“ und „Ambulanter Medikation“ bestehen. Dieses Ergebnis findet sich auch im vorliegenden Fall wieder. Zu den Ressourcenverteilungen nach Kostenträgern gibt es leider kaum Vergleichsdaten. Die Daten aus Abb. 1 zeigen die Zahlen der Gesundheitsberichtserstattung, welche die örtlichen und die überörtlichen Sozialhilfeträger aus ihren Berechnungen ausklammert und somit keine Hinweise auf Verteilungen nach Kostenträgern liefern kann. Die anderen vorhandenen Daten sind teilweise mehr als zehn Jahre alt und in der sich rasch verändernden Leistungslandschaft somit nicht zu Vergleichen heranzuziehen [17]. Insgesamt gibt es deshalb kaum Vergleichsdaten zur Ressourcenverteilung. Die hier vorliegenden Daten bestärken daher vornehmlich den hohen Anteil an indirekten Kosten, die Wichtigkeit der Sozialhilfeträger in der Versorgung von MenNeuroTransmitter 2016; 27 (1) Tab. 3: Verteilung der Kosten über drei Monate nach Leistungsbereichen Leistungsbereich Mittelwert Median SD Anteil an den Gesamt­ ausgaben Produktivitätsausfall (Frühverrentung und AU) 4.359,19 € 5.979,50 € 2.941,76 € 46,32 % Medizinische Versorgung (ambulant, ­teilstationär, stationär) 1.440,58 € 138,07 € 2.806,21 € 15,31 % Wohnen (Therapeutische Wohngemeinschaft, betreutes Einzelwohnen, öffentlich gefördert) 1.021,08 € 0,00 € 1.317,43 € 10, 85 % Arbeit (Werkstätten für behinderte ­Menschen, Zuverdienst) 979,84 € 0,00 € 1.711,51 € 10,41 % Medikamente inklusive Zuzahlung 920,98 € 547,54 € 1.223,87 € 9,79 % Gesetzliche Betreuung 327,29 € 564,29 € 281,34 € 3,48 % Krankenkassenleistungen (Ergotherapie, Psychotherapie, Medikamentendienst, ­Krankengymnastik) 218,03 € 0,00 € 326,55 € 2,32 % Beratung (Sozialpsychiatrische Dienste, ­Integrationsfachdienst etc.) 124,53 € 58,42 € 209,77 € 1,32 % Sonstiges (Selbsthilfe, Haushaltshilfe, ­Mieterverein) 19,77 € 0,00 € 64,35 € 0,21 % schen mit psychischen Erkrankungen und den hohen Stellenwert der Leistungsbereiche „Medizinische Versorgung“, „Wohnen“ und „Arbeit“. Limitationen Mit einer Anzahl von 50 Befragungen und der Anwendung der Vorwärts- und Rückwärtsmethode zur Errechnung eines passgenauen Regressionsmodelles kann kein Anspruch auf Verallgemeinerbarkeit erhoben werden. Größer angelegte Studien müssten die hier vorgelegten Ergebnisse bestätigen. Nichtsdestotrotz können durch die explorativ angelegte Studie wichtige Hinweise zu Kostenprädiktoren und zur Leistungsverteilung generiert werden. Fazit für die Praxis Wenn die in der Studie gefundenen Kostenprädiktoren verallgemeinerbar sind, dann scheinen diese Indizien dafür zu sein, dass die medizinisch definierte Krankheitsschwere kaum mit dem Ressourcenverbrauch in Zusammenhang zu bringen ist. Vielmehr sind es „weiche“ Bedingungen, wie soziale Beziehungen und die Inanspruchnahme von Hilfsangeboten, welche die Versorgungskosten erklären. Grundsätzlich lassen sich dabei viele der hier gefundenen Kostenprädiktoren nicht verändern. Es wäre unsinnig und ethisch höchst fragwürdig, würde man rechtliche Betreuer oder betreute Wohnformen abschaffen, um Kosten zu sparen oder Ressourcen umzuverteilen. Allerdings wäre es etwa durch soziales Kompetenztraining, Antistigmakampagnen oder Gemeinwesenarbeit möglich, soziales Empowerment zu stärken. Dies würde nicht nur zur Linderung schwerer Beeinträchtigungen von Menschen mit psychischen Erkrankungen beitragen, sondern könnte auch zur Reduktion von Versorgungskosten führen. Literatur www.springermedizin.de/neurotransmitter AUTOR Andreas Kinadeter Dipl. Sozialpäd. (FH) Bayerische Gesellschaft für psychische ­Gesundheit e. V. Rote-Hahnen-Gasse 6, 93047 Regensburg E-Mail: [email protected] 35 Fortbildung Literatur 1. Robert Koch Institut (Hrsg.). Ausgaben und Finanzierung des Gesundheitswesens. Gesundheitsberichtserstattung des Bundes. Heft 45. 2009. RKI. 2. Salize, HJ, Kilian, R. Gesundheitsökonomie in der Psychiatrie. Konzepte, Methoden, Analysen. 2010. 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Ein Instrument zur Erfassung psychiatrischer Versorgungskosten. Psychiat Prax 2001;25 (Sonderheft 2): 84-90. Melchinger H, Giovelli M. Kosten der psychiatrischen Versorgung. Analysen der Ausgaben von Krankenkassen und Sozialhilfe im Bezirk Oberbayern im Jahr 2000. 2003. Hannover: Skript Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Krankheitskosten in Mio. € für Deutschland. Gliederungsmerkmale: Jahre, Geschlecht, ICD10, Einrichtung. 2013. http://www.gbebund.de/gbe10/i?i=554D . NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Fortbildung Psychiatrische Kasuistik Chloroquin­assoziierte psychotische Störung Aktuelle Anamnese Die stationäre psychiatrische Übernahme einer 39-jährigen Patientin aus der psychosomatischen Abteilung erfolgte bei erstmaligem Verdacht auf psychotische Symptomatik zur diagnostischen Einschätzung und Einleitung einer Therapie. Initial wurde die Patientin aufgrund der Angabe einer Muskelschwäche unklarer Genese psychosomatisch aufgenommen. Ein bereits 2005 diagnostizierter, jedoch als nicht behandlungsbedürftig eingeschätzter systemischer Lupus erythematodes (SLE) wurde zuvor in der rheumatologischen Abteilung als undifferenzierte Kollagenose eingeordnet. Eine Behandlung dieser Kollagenose mit Chloroquin (250 mg/Tag) bestand seit zwei Monaten vor der stationären psychosomatischen Aufnahme. Im Aufnahmegespräch berichtete die Patientin verzweifelt von neu aufgetretenen, teilweise imperativen und auch kommentierenden Phonemen. Zudem sei sie zu der Überzeugung gekommen, verfolgt zu werden. Sie fühle sich konkret durch eine männliche Person beobachtet und bedroht und habe deshalb die letzten Nächte nicht mehr schlafen können. Auch befürchte sie, durch Nahrung oder „falsche“ Medikamente vergiftet zu werden. Psychiatrische Vorgeschichte Bereits im Alter von sieben Jahren sei es zu traumatischen Erfahrungen und in der Folge zu anorektischem Essverhalten sowie später zu selbstverletzendem Verhalten mit Handgelenksschnitten gekommen. Seit 2008 habe sie sich aufgrund einer depressiven Symptomatik mehrfach in psychosomatische und psychiatrische Behandlungen begeben. NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Während eines viermonatigen, stationär-psychiatrischen Aufenthaltes im Jahr 2009 wurden die Diagnosen einer Borderline-Persönlichkeitsstörung, einer rezidivierenden depressiven Störung und einer Anorexia nervosa gestellt. Daraufhin hat die Patientin an einer dialektisch-behavioralen Therapie (DBT) nach Marsha M. Linehan teilgenommen. Seitdem erfolgten keine weiteren selbstverletzenden Verhaltensweisen und es bestand seitdem eine ambulante psychiatrisch-psychotherapeutische Weiterbehandlung. Suchtmittelanamnese Die Patientin berichtet von einem Alkoholmissbrauch in der Vergangenheit, seit 2010 ist sie glaubhaft abstinent. Ein aktueller Konsum von Nikotin sowie illegalen Substanzen wird glaubhaft verneint. Zeitweise habe sie in der Vergangenheit regelmäßig Cannabis und bis etwa 2007 gelegentlich Kokain konsumiert. Familienanamnese Die Mutter der Patientin leide an Depressionen und Ängsten, bei dem Vater sei ihr keine psychiatrische Erkrankung bekannt. Eine drei Jahre jüngere Schwester sei ebenfalls psychiatrisch unauffällig. Testen Sie Ihr Wissen! In dieser Rubrik stellen wir Ihnen abwechselnd einen bemerkenswerten Fall aus dem psychiatrischen oder dem neurologischen Fachgebiet vor. Hätten Sie die gleiche Diagnose gestellt, dieselbe Therapie angesetzt und einen ähnlichen Verlauf erwartet? Oder hätten Sie ganz anders entschieden? Mithilfe der Fragen und Antworten am Ende jeder Kasuistik vertiefen Sie Ihr Wissen. Die Kasuistiken der letzten Ausgaben (N = neurologisch, P = psychiatrisch): NT 5/2015 N: Chronisches Schmerzsyndrom bei zunehmender Varikosis NT 6/2015 P: Albträume durch PTBS oder eine Schlafstörung? NT 7 – 8/2015 N: Ist die Schilddrüse wirklich schuld? NT 9/2015 P: Auf hohem Niveau: Risiko Gedächtnissorgen NT 10/2015 N: Sterbewunsch bei der Parkinson-Krankheit NT 11/2015 P: Attacken mit Lähmungen, Bauchschmerz und Panik NT 12/2015 N: Juckreiz – eine neurologische Krankheit? Soziobiografische Anamnese Die Patientin sei in Köln geboren und aufgewachsen. Der Kontakt zu den Eltern sei im 18. Lebensjahr abgebrochen, als sie im Anschluss an ihr Abitur zum Studium in eine andere Stadt gezogen sei. Das Studium habe sie nach fünf Jahren wegen einer Dauerbelastung durch zahlreiche Nebenjobs abgebrochen, danach habe sie lange Zeit in der Altenpflege gearbeitet. Zusätzlich habe sie eine Das Online-Archiv finden Sie auf den Homepages der Berufsverbände unter www.bvdn.de www.neuroscout.de www.bv-psychiater.de 37 Fortbildung Cl N HN H N CH3 CH3 CH3 CH3 HN Cl CH3 N CH3 H N Abb. 1: Chloroquin ist ein 1 : 1-Gemisch des R- (oben) und des S-Enantiomers (unten) Umschulung zur Kauffrau abgeschlossen, jedoch nicht in diesem Beruf gearbeitet. Sie beziehe aktuell Arbeitslosengeld II. Während ihres Studiums habe sie eine mehrjährige Beziehung gehabt, seitdem sei sie keine längere Beziehung mehr eingegangen. Aktuell habe sie nur wenige soziale Kontakte. Sie lebe allein, wobei die Wohnung laut einer engen Freundin zuletzt deutlich vernachlässigt worden sei. Somatische Erkrankungen 2015 wurde in Zusammenschau der bis dahin erhobenen Befunde die Diagnose einer undifferenzierten Kollagenose gestellt und eine Behandlung mit Chloroquin eingeleitet. Psychiatrische Kasuistik weise imperativen Phonemen, die klar als von außen gemacht erlebt wurden. Psychomotorisch unruhig und angespannt. Ausgeprägte Ein- und Durchschlafstörungen. Gewichtsabnahme von etwa 2 kg in den letzten zwei Monaten bei reduzierter Nahrungsaufnahme durch Vergiftungsängste und bei vorbekannter anorektischer Essstörung. Keine suizidalen Gedanken, keine Fremdgefährdung. Es besteht eine Krankheitsund Behandlungseinsicht. Internistisch-neurologischer Untersuchungsbefund 39-jährige Patientin in reduziertem Allgemein- und untergewichtigem Ernährungszustand (BMI = 17 kg/m²), Hypertrichose im Brustbereich, reizlose parallele Schnittnarben an beiden Unterarmen. Koordination: Bradydiadochokinese beidseits. Reflexe: MER seitengleich schwach auslösbar. Motorik und Sensibilität intakt. Sonst regelrechter internistischer und neurologischer Befund. Labor Leukozytopenie, Lymphozytopenie, Monozytose, C3-Komplement-Mangel. cMRT Einzelne Gliosen im Marklager (DD: mikroangiopathisch, postentzündlich), ansonsten unauffälliger Befund. EEG, EKG, Liquordiagnostik, EMG/NLG Unauffällig. Psychopathologischer Befund Muskelbiopsie Wache, bewusstseinsklare und allseits orientierte Patientin in gepflegtem Erscheinungsbild. Im Kontaktverhalten misstrauisch, deutlich irritierbar. Stimmung wechselnd, jedoch meist gedrückt, verzweifelt bei labilem Affekt. Formalgedanklich assoziativ gelockert, jedoch für den Untersucher kohärent bei Störungen des Abstraktionsvermögens. Inhaltlich wurden Bedeutungserleben, Wahnwahrnehmungen sowie ein Vergiftungsund Verfolgungswahn geäußert. Ebenfalls geäußert wurden Fremdbeeinflussungserleben und Ich-Störungen in Form von Gedankenausbreitung. Es bestanden akustische Halluzinationen in Form von kommentierenden und teil- Skelettmuskulatur mit Zeichen eines chronisch-neurogenen Prozesses und ­einer Typ-2b-Faseratrophie. 38 Therapie und Verlauf Die aktuelle stationäre Übernahme erfolgte bei zunehmend psychotischer und gemischter affektiver Symptomatik mit Verfolgungs- und Vergiftungswahn sowie neu und erstmalig aufgetretenen akustischen Halluzinationen. Die Patientin wurde aufgrund ihrer Beschwerden im Rahmen einer diagnostizierten undifferenzierten Mischkollagenose mit Chloroquin behandelt, woraufhin es erstmalig zum Auftreten einer anhaltenden und ausgeprägten psychotischen Symptomatik kam. Aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhanges zwischen der erstmaligen Einnahme von Chloroquin und der paranoid-halluzinatorischen Symptomatik wurde bei Verdacht auf eine Chloroquin-induzierte psychotische Störung die Chloroquingabe pausiert. Bei einer anschließenden Re-Evaluation durch die Kollegen der Rheumatologie ergab sich kein Anhalt für eine aktive Kollagenose oder das Vorliegen eines SLE. Stattdessen wurde syndromal die Verdachtsdiagnose einer unspezifischen Arthromyalgie gestellt. Chloroquin wurde endgültig abgesetzt und die persistierenden muskulären Beschwerden mit Azathioprin behandelt. Die zuvor eingeleitete psychopharmakologische Therapie mit Lorazepam und Risperidon wurde ausgeschlichen. Es zeigte sich eine deutliche Besserung der psychotischen, insbesondere der wahnhaften und halluzinatorischen Symptomatik, bei noch bestehender depressiver Symptomatik, sodass aktuell die Verlegung in eine Tagesklinik geplant wird. Diskussion Wir vermuten, dass es sich bei dem geschilderten Fall um das Vorliegen einer chloroquinassoziierten psychotischen Störung handelt. Differenzialdiagnostisch kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine späte Manifestation einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis (hier am ehesten eine paranoide Schizophrenie) nicht ausgeschlossen werden. Eine endgültige diagnostische Zuordnung wird auch aufgrund der komplexen psychiatrischen Vorgeschichte erst im Verlauf möglich sein. Literatur www.springermedizin.de/neurotransmitter AUTOREN Carolin Laqua Michael Kaczmarczyk Dr. med. Eike Ahlers Dr. med. Francesca Regen Dr. med. Eric Hahn Klinik und Hochschulambulanz für ­Psychiatrie und Psychotherapie Charité Universitätsmedizin Berlin Campus Benjamin Franklin Hindenburgdamm 30, 12203 Berlin E-Mail: [email protected] NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Fortbildung Anzeige Psychiatrische Kasuistik Fragen und Lösungen Frage 1 Welches Medikament verursacht am häufigsten psychotische Symptome? a. Cisplatin b. Colestyramin c. Chloroquin d. Candesartan Lösung Richtig ist Antwort c. Das Rheumabasistherapeutikum (disease-modifying anti-rheumatic drug – DMARD) und Medikament zur Malariaprophylaxe/-behandlung Chloroquin kann psychotische Symptome hervorrufen. In der Literatur finden sich zwei syndromale Ausprägungen der chloroquinassoziierten Psychose: Eine Form, bei der Stimmungsveränderungen, Veränderungen der Psychomotorik, Wahn und Halluzinationen bei klarem Bewusstsein im Vordergrund stehen sowie eine weitere Form, die sich eher als delirantes Bild mit Bewusstseinsstörungen, Desorientierung und flüchtigen Halluzinationen präsentiert [1]. Das Risiko für die Entwicklung psychotischer Symptome unter Chloroquineinnahme ist höher bei Patienten mit einer positiven Anamnese bezüglich psychiatrischer Störungen [2]. Auch haben Frauen ein höheres Risiko für psychiatrische Komplikationen als Männer [3]. Nach Beendigung der Chloroquintherapie remittieren in der Regel auch die dadurch induzierten psychotischen Symptome [1]. Das absolute Risiko unter Chloroquineinnahme psychotische Symptome zu entwickeln erscheint jedoch insgesamt gering [4]. Frage 2 Welche der folgenden Medikamentenklassen kann/können zu relevanten psychiatrischen Symptomen führen? a. Antibiotika b. Benzodiazepine c. Anticholinergika d. Alle Lösung Richtig ist Antwort d. Eine Vielzahl an Substanzklassen kann auch bei psychisch Gesunden zu psychiatrischen Auffälligkeiten führen. Dazu zählen unter anderem Antibiotika, Benzodiazepine, Anticholinergika, An- NeuroTransmitter 2016; 27 (1) ti-Parkinson-Medikamente, Opioide und Antikonvulsiva. Viele der häufig verwendeten Antibiotika, darunter Penicilline, Cephalosporine, Sulfonamide, Fluorchinolone und Tetracycline bergen das Risiko psychischer Beschwerden [5]. So kann es bei Einnahme zu akuten Psychosen [6, 7], Depressionen und Ängsten [7] sowie deliranter Symptomatik [8] kommen. Auch die Einnahme von Benzodiazepinen kann psychotische Symptome oder ein Delir zur Folge haben, besonders bei älteren [9] sowie postoperativen Patienten [10]. Die Einnahme von anticholinerg wirksamen Substanzen ist ebenfalls eine häufige Ursache für Delirien, auch hier insbesondere bei älteren Patienten [11], außerdem können Gedächtnisstörungen auftreten [12]. Frage 3 Welche psychiatrischen Symptome treten bei Chloroquineinnahme typischerweise nicht auf? a. Pseudohalluzinationen b. Ängste c. Wahn d. Affektive Symptomatik Lösung Richtig ist Antwort a. Im Rahmen einer Chloroquineinnahme kann es bei psychisch Gesunden zu Ängsten, psychotischen Symptomen mit Wahn [1] und depressiven Verstimmungen oder gemischten affektiven Episoden kommen [13]. Auch von Exazerbationen einer vorbestehenden bipolaren Störung wurde berichtet [14]. Wird die Unwirklichkeit einer Sinnestäuschung erkannt, spricht man von Pseudohalluzina­ tionen. Diese treten eher im Rahmen von Borderline-Persönlichkeitsstörungen als bei Chloroquineinnahme auf. Um eine Verharmlosung solcher Halluzinationen­ zu vermeiden und die Ähnlichkeiten von Sinnestäuschungen bei schizophrenieformen Störungen und Borderline-Persönlichkeitsstörungen zu betonen, wird immer mehr dazu übergegangen, auch im Zu­ sammenhang mit Borderline-Persönlichkeitsstörungen von Halluzinationen zu sprechen [15]. Fast ein Drittel aller Borderline-Patienten leidet an (Pseudo-) Halluzinationen [16]. 39 Fortbildung Literatur 1. Mohan D, Mohandas E, Rajat R: Chloroquine psychosis: a chemical psychosis? J NATL MED Assoc. 1981; 73:1073-6. 2. Keshavan MS, Kaneko Y: Secondary psychoses: an update. World Psychiatry 2013; 12:415. 3. Schneider C, Adamcova M, Jick SS, Schlagenhauf P, Miller MK, Rhein HG, Meier CR: Antimalarial chemoprophylaxis and the risk of neuropsychiatric disorders. Travel Med Infect Dis. 2013; 11:71-80. 4. 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Bogaczewicz J, Sobow T, Bogaczewicz A, Robak E, Bienkowski O, Sysa-Jedrzejowska A, Wozniacka A: Exacerbations of bipolar disorder triggered by chloroquine in sytemic lupus erythematosus – a case report. Lupus. 2014; 23:188-93. 15. Tschoeke S, Steinert T, Flammer E, Uhlmann C: Similarities and differences in borderline personality disorder and schizophrenia with voice hearing. J Nerv Dis. 2014; 202:544-9. 16. Gras A, Amad A, Thomas P, Jardri R: Hallucinations and borderline personality disorder: a review. Encephale. 2014;40:431-8. 2 NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Fortbildung Eingliederungshilfe Ergebnisqualität im Fokus der Sozialpsychiatrie Mit 15 Milliarden € jährlichen Ausgaben für Teilhabeleistungen ist die soziale Rehabilitation mit 50 % der größte Kostenblock im Bereich der Reha-Ausgaben überhaupt. Der Evaluation sozialpsychiatrischer Leistungen für „Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen“ hat sich der „Gemeindepsychiatrische Verbund Rostock“ (GPV Rostock) angenommen. Mit Hilfe eines mehrdimensionalen und nutzerorientierten Konzepts untersuchte er die Ergebnisqualität der Eingliederungshilfe in der Hansestadt. I N G M A R S T EI N H A R T, A N JA H Ö P T N ER , G R EI FS WA L D I n dieser Arbeit berichten wir über die Ergebnisse einer ersten Evaluations­ studie im gemeindepsychiatrischen Setting der Eingliederungshilfe für 405 Personen, die im Rahmen des „Gemein­ depsychiatrischen Verbundes der Han­ sestadt Rostock“ (GPV Rostock) im Jahr 2011 Eingliederungshilfe erhalten ha­ ben. Die Ergebnisse zeigen, dass knapp 10 % der Personen innerhalb eines Be­ richtsjahres unabhängig von Eingliede­ rungshilfe werden, eine deutliche Kos­ tenreduktion bei Weiterbewilligungen erreicht wird und dass zwei Drittel der Leistungsempfänger die konkret opera­ tionalisierten Teilhabeziele gut errei­ chen. Die Symptombelastung nimmt ab und die Lebenszufriedenheit verbessert sich tendenziell. Die eingesetzten Erhe­ bungsinstrumente sind geeignet und praktikabel. Sie werden ­daher – in einer leicht überarbeiteten Fassung – in ihrer Anwendung ab 2015 verstetigt und in das Regelsystem übernommen. ©© visual concepts / Fotolia.com Eingliederungshilfen führen bei zwei Drittel der Nutzenden zur guten bis sehr guten Erreichung der individuellen Teilhabeziele. 40 Einleitung Etwa 173.000 wesentlich seelisch behin­ derte Menschen erhalten bundesweit Leistungen im Rahmen der Eingliede­ rungshilfe [1]. Die Leistungsträger stel­ len im Rahmen ihrer bundesweiten ­Berichte Zahlen zur Inanspruchnahme ambulant und stationär erbrachter Leis­ tungen und der damit verbundenen Kos­ ten zur Verfügung. Gleiches gilt auf Lan­ desebene, teilweise auch regional in den gemeindepsychiatrischen Verbünden. Manche Verbünde pflegen eine Basis­ dokumentation, die systembezogen be­ stimmte Qualitätsaussagen über das In­ anspruchnahmeverhalten ermöglichen, jedoch keine Verlaufsdaten der Nutzen­ den enthalten. Insbesondere die Frage, ob die getätigten Ausgaben in irgend­ einem Zusammenhang mit Effekten und Nutzen für die Leistungsempfänger ­stehen, oder ob man nicht für die ge­ tätigten Ausgaben wirksamere Hilfen hätte erbringen können, bleibt bundes­ weit unbeantwortet. Die Arbeits- und Sozial­ministerkonferenz der Länder hat hier mehr Transparenz und Nachweise von Ergebnisqualität gefordert, doch die Wissenschaft hat dieses Feld weitest­ gehend ausgeblendet. Die Reform der Eingliederungshilfe verspricht aller­ dings auch keine Linderung, denn im Dickicht der Debatten um die Um­ schichtung der Finanzierung droht die Diskussion um die Wirkung verloren zu gehen. NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Eingliederungshilfe GPV Rostock Der „Gemeindepsychiatrische Leis­ tungserbringerverbund“ (GPLV) im GPV Rostock hat das Ziel, durch freiwil­ lige Kooperation der an der regionalen Pflichtversorgung in der Hansestadt Rostock (203.000 Einwohner) beteiligten Leistungserbringer eine passgenaue Ver­ sorgung aller Menschen mit psychischen Erkrankungen, insbesondere derjenigen Menschen mit längeren Psychiatrie­ erfahrungen, zu erreichen. Der GPLV orientiert sich bei der Aus­ gestaltung der Hilfen für Menschen mit wesentlichen seelischen Behinderungen am Konzept der „personenzentrierten und lebensfeldorientierten Hilfen“. Die Leistungen der Eingliederungshilfe wer­ den im Rahmen eines Regionalbudgets erbracht („Rostocker Modell“), das eine an Personen orientierte Finanzierung der Hilfen in den Leistungsbereichen psychosoziale Grundleistungen, Selbst­ versorgung, Tages- und Kontaktgestal­ tung, Arbeit und Ausbildung sowie Komplexleistungen ermöglicht [2]. Bis auf die wenigen geschlossenen Heim­ plätze (im Schnitt vier Plätze für Ros­ tock) sind damit alle Hilfen im Grund­ satz „ambulant“. Stichprobe, Methodik und Messinstrumente Stichprobe Ziel der Untersuchung war die Messung der Ergebnisqualität bezogen auf das ge­ samte Spektrum der SGB XII-Leistun­ gen innerhalb des GPV Rostock: alle Personen, bei denen aufgrund einer be­ stehenden (oder drohenden) seelischen Behinderung infolge einer psychiatri­ schen Erkrankung eine wesentliche Ein­ schränkung der gesellschaftlichen Teil­ habefähigkeit bestand und infolgedessen Leistungen der Eingliederungshilfe ge­ mäß 53 §§ des zwölften Sozialgesetzbu­ ches erhielten. Die Rekrutierung der Stichprobe erfolgte von Januar bis De­ zember 2011. Eingeschlossen wurden alle Leistungsempfänger, die sich schrift­ lich zu einer Teilnahme an der Studie be­ reit erklärten und die Einschlusskriteri­ en Mindestalter 18 Jahre, bestehende psychiatrische Diagnose aus den Haupt­ kapiteln F 0 bis F 4, F 6 und F 7 des ICD10 erfüllten. NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Da ein Kontrollgruppendesign wie im Rahmen einer RCT-Studie aus ethischen Gründen nicht realisierbar war, wurden die Daten in der Form eines prospek­ tiven (unkontrollierten) EingruppenPrä-Post-Designs erhoben (Tab. 1). Die Untersuchung war mit zwei Messzeit­ punkten, zu Beginn (T 1) und zum Ende (T 2) des jeweiligen Bewilligungs- und Leistungszeitraums (sechs bis zwölf Mo­ nate), angelegt. Die dabei eingesetzten Erhebungsinstrumente sind standardi­ sierte Instrumente der psychiatrischen Routinediagnostik und Evaluationsfor­ schung, die aufgrund des Einsatzes im praktischen Alltag möglichst kurz sein sollten (Tab. 1). Messinstrumente Eine Messung der Ergebnisqualität im komplexen Feld der Teilhabe muss aus mehreren Perspektiven unter Verwen­ dung unterschiedlicher Erhebungsinstrumente erfolgen [3, 4, 5]. Die sozio­ demografischen und leistungsbezogenen Merkmale wie Leistungsbereiche, Hilfe­ arten, zeitlicher Leistungsaufwand und krankheitsbezogene Daten wie Diagno­ sen wurden im Rahmen der Hilfepla­ nung für jeden Nutzenden mit dem „In­ tegrierten Behandlungs- und Rehabilita­ Fortbildung tionsplan“ (IBRP-MV) erfasst. Zusätz­ lich wurde am Ende des Untersuchungs­ zeitraums erhoben, wie viele Nutzende aus dem Hilfesystem der Eingliede­ rungshilfe ausgegliedert wurden (Reha­ bilitationsindex). Die aktuelle subjektive Symptombe­ lastung der Nutzenden wurde mit der „Symptom-Checkliste-Kurzversion-9“ (SCL-K-9), einer Kurzversion der SCL90-R nach Derogatis (1977), erhoben [6]. Mit der stark reduzierten Version (9 Items) existiert ein ökonomisches Basis­ instrument für eine routinemäßige Psy­ chometrie in der Rehabilitation [7]. Zur Erfassung der subjektiven Lebensquali­ tät wurde die „Manchester Short Assess­ ment of Quality of Life“ (MANSA) ein­ gesetzt [8, 9]. Zur Erfassung des psycho­ sozialen Funktionsniveaus durch den behandelnden Facharzt wurde das „Glo­ bal Assesment of Functioning “ (GAFSkala) (DSM-IV) eingesetzt [10]. Sowohl das psychosoziale Funktionsniveau als auch die Symptombelastung und Le­ bensqualität wurden zu Beginn und am Ende des U ­ ntersuchungs- und Bewilli­ gungszeitraums erhoben. Die Zufrie­ denheit der Studienteilnehmer mit den erhaltenen Eingliederungshilfeleistun­ gen wurde mit dem „Züricher Fragebo­ Tab. 1: Outcome-Variablen und Messinstrumente Studiendesign und Messinstrumente zur Messung von Qualität Variablen Messinstrument Messzeitpunkt Soziodemografie, Art der Hilfe Integrierter Behandlungs- und Rehabilitationsplan (IBRP) * Klinische Diagnosen, Rehabilitations-Index IBRP * Leistungsbereiche, Aufwand Maßnahmeplanung Individuelle Ziele der Eingliederungshilfe Goal Attainment Scale (GAS) Zielerreichung in der Eingliederungshilfe Goal Attainment Scale (GAS) Lebensqualität – Selbstbeurteilung Manchester Short Assessment of Quality of Life (MANSA) * * Symptomatik – Selbstbeurteilung Symptom-Checkliste-Kurz-­ version-9 (SCL-K-9) * * Symptomatik – Fremdbeurteilung Global Assessment of Functioning (GAF)-Scale (DSM-IV) * * Leistungszufriedenheit – Selbstbeurteilung Züricher Fragebogen zur Patientenzufriedenheit (ZUF-3) T1 T2 * * * * * 41 Fortbildung gen zur Patientenzufriedenheit“ (ZUF) in der Kurzversion ZUF-3 erfasst (Tab. 1) [11]. In vielen Landesrahmenverträgen, ­unter anderem auch in MecklenburgVorpommern, ist als Messgröße für die Eingliederungshilfe Ergebnisqualität und Wirkung „die Überprüfung der Erreichung individuell vereinbarter Ziele“ festgelegt. Auch aus fachlicher Perspektive muss sich die Qualität eines Ergebnisses an zuvor de­ finierten Erwartungen und in der indi­ Tab. 2: Beispiel der Zielerreichungsskala Individuelle Zielerreichungsskala Verschlechterung Aktueller Zustand Zielwert 1 Zielwert 2 Frau H. kann ihren Wunsch nach Kontakten außerhalb der Tagesstätte nicht umsetzen und ist darüber so verzweifelt, dass sie wieder begonnen hat, Alkohol zu konsumieren. Frau H. lebt gegen­ wärtig abstinent und hat den Wunsch nach Kontakten außerhalb der Tagesstätte, kann diesem aber nicht nachgehen, weil sie befürchtet, aufgrund ihrer psychischen Erkrankung abgelehnt zu werden. Die Klientin nimmt gemeinsam mit einer Bekannten aus der Tagesstätte mindestens einmal monatlich an einer Veranstaltung im (…) teil. Die Klientin hat eine Freundin kennengelernt, mit der sie einmal wöchentlich Canasta spielt. Tab. 3: Zielerreichungsskala in adaptierter Form Individuelle Zielerreichungsskala Verschlechterung (Zielerreichungsgrad –1) Aktueller Zustand (Zielerreichungsgrad 0) Zielwert 1 (Zielerreichungsgrad 1) Zielwert 2 (Zielerreichungsgrad 2) = weniger als erwartet (Punktwert 0) = erwartetes Ergebnis (Punktwert 1) = mehr als erwartet (Punktwert 2) = viel mehr als er­ wartet (Punktwert 3) Tab. 4: Goal Attainment Scale (GAS)-Score Interpretationsskala GAS-Score Interpretation 0 1 Stufe 1: Komplette bis überwiegende Verschlechterung Komplette Verschlechterung maximal einmal Situationserhalt 2 3 Stufe 2: Überwiegend Verschlechterung bis Situationserhalt kein bis maximal 1 Ziel (Grad 1) erreicht kein bis maximal 1 Ziel (Grad 1 bis 2) erreicht 4 5 Stufe 3: Überwiegend Situationserhalt und Zielerreichung mindestens 1 Ziel (Grad 1 oder 2), maximal 2 Ziele (Grad 1) mindestens 1 Ziel (Grad 1 oder 2), maximal 2 Ziele (Grad 1 bis 2) 6 7 Stufe 4: Überwiegende Zielerreichung mindestens 2 Ziele (Grad 1 oder 2), maximal 3 Ziele (Grad 1) erreicht mindestens 2 Ziele (Grad 1 oder 2), maximal 3 Ziele (Grad 1 bis 2) erreicht 8 9 Stufe 5: Komplette Zielerreichung 3 Ziele (davon 2 mal Grad 2) erreicht 3 Ziele (Grad 2) erreicht 42 viduellen Situation messen lassen. Hier­ zu wurde die „Goal Attainment Scale“ (GAS) als zentrales Instrument der Er­ gebnisevaluation eingesetzt [12, 13, 14]. Grundidee ist die Überprüfung von im Rahmen der Hilfeplanung individual­ spezifisch vereinbarten Teilhabezielen, die operationalisiert, das heißt konkret und für ­unabhängige Beobachter ein­ deutig nachvollziehbar, in unterschied­ liche Zielerreichungsgrade eingeteilt werden. Die Originalversion umfasst fünf Stufen. Davon jeweils zwei Zieler­ reichungsgrade für Verbesserung und Verschlechterung sowie einen Zielerrei­ chungsgrad für die Operationalisierung des Ausgangsstatus oder den unter nor­ malen Umständen erwarteten Status. Zur Reduktion der Komplexität wurde die Skalierung der Verschlechterung auf einen Zielerreichungsgrad reduziert (Tab. 2). Um eine Gesamtbewertung der Zielerreichungsgrade (–1, 0, 1, 2) zu er­ halten, wurden die Zielbewertungen für jeden Nutzenden in einem GAS-Score pro Person zusammengefasst. Dazu wurden den jeweils drei dokumentierten Zielerreichungsgraden (zu T2) entspre­ chend ihrer Güte Punktwerte von 0 bis 3 zugeordnet und aufsummiert (Tab. 3). Diese GAS-Score Interpretationsskala zeigt Tab. 4. Ergebnisse Stichprobe Die Ausgangsstichprobe umfasste ins­ gesamt 405 Nutzende (52 % weiblich; 48 % männlich), alle Leistungsempfän­ ger mit Erst- oder Weiterbewilligung der Eingliederungshilfe im Jahr 2011. Über den Verlauf beider Messzeitpunkte konnte lediglich für 208 (49,6 %) Nutzen­ de eine vollständige Verlaufsdokumen­ tation erhoben werden. Die Drop-Outs waren zu 53 % weiblichen Geschlechts. Signifikante Unterschiede zu der in die Untersuchung einbezogenen Stichprobe ließen sich lediglich bei den Merkmalen Alter, Familienstand und Leistungszeit­ raum identifizieren. Die Drop-OutGruppe hatte mit 40 Jahren ein leicht ge­ ringeres Durchschnittsalter und es wa­ ren anteilig weniger geschiedene, ge­ trennt Lebende und verwitwete Nutzen­ de sowie häufiger ein Leistungszeitraum von unter zwölf Monaten zu konstatie­ NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Fortbildung 1% 5% 17% 20% 10% 8% 39% F00–F09 F10–F19 F20–F29 F30–F39 F40–F49 F60–F69 F70–F79 Abb. 1: Verteilung der Diagnosen (n = 208). ren. Andere bedeutsame Unterschiede bestanden nicht. Wegen dieser eher ge­ ringen Abweichungen zwischen der Ge­ samtstichprobe und der vollständigen Stichprobe wurde nur letztere in die wei­ teren Analysen einbezogen. Das Durchschnittsalter lag bei 44 Jah­ ren (Standardabweichung [SD] = 12,5) (Min. 19 Jahre/ Max. 71 Jahre). Die meis­ ten Nutzenden waren ledig (63 %), wei­ tere 27 % geschieden, 5 % verheiratet und jeweils 2 % getrennt lebend oder verwit­ wet. Einen Überblick über die Verteilung der Diagnosegruppen bietet Abb. 1. Die Eingliederungshilfe Gruppe „Schizophrenie, schizotype oder wahnhafte Störung“ (F 20 – 29) war mit 39 % die anteilig größte Gruppe. „Psy­ chische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen“ (F 10 – 19) wa­ ren mit 20 %, „Persönlichkeits- und Ver­ haltensstörungen“ (F 60 – 69) mit 17 % vertreten. Knapp ein Viertel der Diagno­ sen entfielen auf die Gruppen „Neurotische-, Belastungs- und somatoforme Störungen“ (F 40 – 49) (10 %), „Affektive Störungen“ (F 30 – 39) (8 %), „Organi­ sche, einschließlich symptomatische psychische Störungen“ (F 00 – 09) (5 %) und „Intelligenzstörung“ (F 70 – 79) (1 %). Knapp die Hälfte der Nutzenden er­ hielt die Hilfeform Wohnen (47 %), 34 % eine tagesgestaltende Leistung und 19 % eine Komplexleistung (Wohnen und Ta­ gesgestaltung). Die Zeiträume der Leis­ tungserbringung betrugen überwiegend zwölf Monate (79 %), in 21 % der Fälle ­lagen diese bei sechs Monaten. Veränderung der psychischen Symptomatik und Lebensqualität Im Vergleich der Messzeitpunkte sank die subjektive Symptombelastung, die subjektive Lebensqualität nahm im Mit­ tel zu (Tab. 5). Die Auswertung der ­absoluten Messwertveränderungen zeigt in Bezug auf die Symptombelas­ tung in 52 % der Fälle eine Abnahme, in 40 % ­einen Anstieg und in 8 % der Fälle keine Veränderung. Die Lebensqualität Tab. 5: Veränderung der Symptombelastung und Lebensqualität im Bewilligungszeitraum der vollständig erfassten Klienten (n = 208) Merkmale Beginn Bewilligungszeitraum (T1) Ende Bewilligungszeitraum (T2) Differenz T1 – T2 Vergleich T1 vs. T2 Signifikanz MW (SD) 2,4 (0,9) 2,3 (0,9) –0,1 (0,7) p = 0,0341 Min. 1,0 1,0 –1,9 T = 2,1 (df = 207) Max. 5,0 4,7 2,37 MW (SD) 4,3 (1,0) 4,5 (1,1) 0,1 (0,8) p = 0,0451 Min. 1,5 1,7 –3,0 T = 2,0 (df = 207) Max. 7,0 4,1 1,9 SCL-K-9* MANSA* *alle Werte gerundet; 1Berechnung des Signifikanzniveaus mittels T-Test für verbundene Stichproben. SCL-K-9: Symptomcheckliste; MANSA: Manchester Short Assessment of Aulity of Life; MW : Mittelwert; SD: Standardabweichung 44 stieg bei der Hälfte der Leistungsemp­ fänger (50 %) an, nahm bei 45 % ab und ergab in 5 % der Fälle keine Verände­ rung. Über das psychosoziale Funkti­ onsniveau kann wegen der geringen Rücklaufquote nur bedingt eine Aussa­ ge getroffen werden. Von 208 Nutzen­ den lag aufgrund der überwiegenden Rücklaufverweigerung für den GAFWert aus den Praxen ein vollständiger Rücklauf nur in 21 Fällen vor, weswegen auf die weitere Auswertung verzichtet werden musste. Individuelle Zielerreichung Von 208 Nutzenden (mit jeweils drei operationalisierten Teilhabezielen) ha­ ben 37 % drei Ziele, 32 % zwei Ziele und 23 % jeweils ein Ziel (mit einem Ziel­ erreichungsgrad + 1 oder + 2) im Rah­ men der bewilligten Eingliederungshilfe erreicht. Mit dem GAS-Score kann die Veränderung der Gesamtsituation ab­ gebildet werden, das heißt es können ­sowohl die Verschlechterung zur Aus­ gangssituation als auch die konkreten Zielerreichungsgrade (+ 1, + 2) berück­ sichtigt werden. Die Verteilung des GAS-Sore zeigt, dass in 9 % der Fälle in allen drei Zielbereichen (fast) immer der Zielwert + 2 (GAS-Score 8 + 9) erreicht wurde. Weitere 38 % der Nutzenden konnten ihre Ziele überwiegend bis ganz erreichen, indem sie mindestens zwei Ziele, maximal drei Ziele (mit Zieler­ reichungsgrad + 1 oder + 2) (GAS-Score 6 + 7), je nach Score-Wert erreichten. In 39 % der Fälle (GAS-Sore 4 + 5) wurde die Ausgangssituation überwiegend ge­ halten und mindestens eins, maximal zwei Ziele erreicht. Eine überwiegende Verschlechterung bis Situationserhal­ tung aber mit teilweiser Erreichung eines vereinbarten Eingliederungsziels zeigte sich in 12 % (GAS-Score 2 + 3) der Fälle. Nur in 2 % der Fälle (GAS-Score 1 + 2) ergab sich über alle Zielbereiche hinweg eine komplette bis überwiegende Ver­ schlechterung zur Ausgangssituation (Abb. 2). Zufriedenheit der Nutzenden Mit einem Stichprobenmittelwert von 10 Punkten (SD = 0,8; Min. 3; Max. 12) zeig­ ten sich die Leistungsempfänger mit den erhaltenen Hilfen überwiegend sehr zu­ frieden. NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Eingliederungshilfe Diagnose: Leistungsempfänger mit der Diagnose Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen (F 20 – F 29) (Mittelwert [MW] = 2,1) gaben zu T2 eine deutlich geringere Symptombe­ lastung an als Nutzende mit der Diagno­ se Neurotische-, Belastungs- und soma­ toforme Störungen (F 40 – 49) (MW = 2,9; p = 0,003). Zudem gaben Nutzende mit einer Diagnose aus dem schizophrenen Formenkreis die höchsten und Personen mit der Diagnose Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen die geringsten Le­ benszufriedenheitswerte an (p = 0,001). In Bezug auf die Symptombelastung und Lebensqualität zeigten sich signifikante Mittelwerts­unterschiede zwischen den Diagnosegruppen der weiblichen Nut­ zenden, nicht aber bei den männlichen Nutzenden. Damit ist anzunehmen, dass die b ­ estehenden signifikanten Unter­ schiede und Zusammenhänge zwischen Diagnose und Lebensqualität sowie Symptombelastung (zu T2) vornehmlich auf die MANSA- und SCL-K-9-Werte der weiblichen Nutzenden zurückzu­ führen sind. Nutzende der Diagnose­ gruppen F 2, F 3 und F 4 zeigten höhere GAS-Score-Werte als Nutzende aus den übrigen Diagnosegruppen (p = 0,018). Hilfeform: Personen mit der Hilfeform Wohnen zeigten gegenüber den Hilfe­ formen Tagesstrukturierung und Kom­ plexleistung geringere Zielerreichungs­ grade (GAS-Score/Absolute Zahl er­ reichter Ziele). Eine tiefergehende Sub­ gruppenanalyse ergab ein differenzierte­ res Bild bezüglich der Lebensqualität (Zunahme) und Symptombelastung NeuroTransmitter 2016; 27 (1) 23,1 20 19,7 19,2 15 14,9 10 8,2 7,7 5 0 Mod. nach Steinhard, Höppner Geschlecht: Insgesamt gaben Frauen zu T 2 eine signifikant höhere Symptom­ belastung an als Männer (p = 0,000). ­Bezüglich der Lebensqualität ließ sich kein geschlechtsspezifischer Unterschied feststellen. 25 Häufigkeit [%] Prädiktoren der Wirksamkeit In einem weiteren Schritt wurden rele­ vante signifikante Ergebnisvariablen auf ihre Verwertungsrelevanz als Prädiktor („vorhersagende Variable“) der Wirk­ samkeit hin untersucht. Signifikante ­Zusammenhänge zeigten sich in Bezug auf die Merkmale Geschlecht, Diagnose, Hilfeform und Planungszeitraum: Fortbildung 4,8 1 0 1 1 0,5 2 3 4 5 6 GAS-Score-Werte 7 8 9 Abb. 2: Verteilung Goal Attainment Scale (GAS)-Score (Zielerreichung) in % (n = 208). (Abnahme): Bei Nutzenden mit der ­Hilfeform Tagesstrukturierung zeigte sich dies ausschließlich bei weiblichen Nutzenden. Eine signifikante Abnahme der Symptombelastung bei den männ­ lichen Nutzenden zeigte sich hingegen in der Hilfe­formgruppe Wohnen. Bewilligungszeitraum: Nutzende mit ei­ nem Bewilligungszeitraum von mindes­ tens zwölf Monaten gaben eine bessere Lebensqualität an und erreichten b­ essere Zielerreichungsgrade (GAS-Score/Abso­ lute Zahl erreichter Ziele). Diskussion Das in der Alltagspraxis der Rostocker Eingliederungshilfe durchgeführte Pro­ jekt verfolgte zwei Ziele: Die Erprobung der Alltagstauglichkeit eines Instru­ mentariums zur multiperspektivischen Erfassung der Ergebnisqualität mit dem Kern der individuellen Zielerreichung, gemessen über die GAS und die erstma­ lige M ­ essung der Ergebnisqualität im GPLV Rostock. Zusammenfassend kann festgestellt werden: 1. Die Implementation der GAS inklu­ sive der darüber h ­ inaus verwendeten Instrumente war für alle Beteiligten trotz des Versuches die kürzesten im deutschen Sprachraum verfügbaren Instrumente einzusetzen „nicht ganz ohne“. Insgesamt ist ein hoher zeitlicher Aufwand im Bereich von Verwaltungsabläufen/Verfahren/ Dokumentation, aber auch Schulung und Anleitung der Mitarbeitenden entstanden. Bezogen auf die Pers­ pektive der Fremdbeurteilung durch den behandelnden Arzt war es be­ dauerlich, dass es überwiegend nicht gelang, die in den niedergelassenen Praxen tätigen Ärzte zu den beiden Messzeitpunkten zu einer Einschät­ zung des psychosozialen Funktions­ niveaus ihrer Patienten mit einem Kreuz auf der GAS-Skala ohne zu­ sätzliche Honorierung zu bewegen. 2. Die Mitarbeitenden haben sich über einen längeren Zeitraum „schwer ge­ tan“, die Ziele (GAS) durchgehend konkret und eindeutig zu formulie­ ren oder auszuhandeln. Hier ist ein kontinuierliches Training für alle Berufsgruppen etwa über regelmä­ ßige Fallbesprechungen und nicht nur für neue Mitarbeitende nötig. 3. Aufgrund der vielen „verlorenen“ Daten liegt der Schluss nahe, dass das Projekt von vielen Mitarbeiten­ den primär (noch) nicht als Teil ei­ nes Qualitätssicherungsprozesses für das Rostocker Modell und die ­eigene A ­ rbeit gesehen wurde, son­ dern eher als zusätzliche Arbeit für eine „wissenschaftliche Studie“. Der projektbezogene Datenerhebungs­ prozess – insbesondere das Austei­ len und Einsammeln der Nutzen­ denfragebögen – wurde von den Mitarbeitenden nicht nur als zusätz­ liche Arbeit geschildert und erlebt, sondern war auch objektiv „on top“ zur normalen Alltagsbelastung. Auch dies müsste bei einer „Einfüh­ 45 Fortbildung 4. 5. 6. 7. 46 rung“ als Standard etwa in Form ei­ ner Entlastung durch eine Doku­ mentationsassistentin berücksich­ tigt werden. Gespräche mit Beteiligten (Nutzen­ de, Führungskräfte, Mitarbeitende) zeigen, dass der Einsatz des Zielsys­ tems (GAS) zu einer deutlichen Schärfung des Aushandlungsprozes­ ses auf Augenhöhe im (therapeuti­ schen) Alltag geführt hat. Es hat eine im weitesten Sinne therapeutische Kompetenzerweiterung im System bei allen Beteiligten stattgefunden. Mit der Dokumentation der Ziele an­ hand eines standardisierten Verfah­ rens ist die Black Box der Eingliede­ rungshilfe vor allem gegenüber Nut­ zenden und den Leistungsträgern transparenter und nachvollziehbarer geworden. Aus den offiziellen Entwicklungs­ zahlen des Rostocker Modells kann entnommen werden, dass die Kos­ tendämpfung grundsätzlich funkti­ oniert: Die durchschnittlichen Fall­ kosten konnten im Verlauf zunächst deutlich gesenkt werden. Aus den im Rahmen dieser Studie vorliegenden Daten und Fakten kann darüber hinaus festgestellt werden: — Für knapp zwei Drittel der Nut­ zenden werden die Ziele gut bis sehr gut erreicht. — Die Lebenszufriedenheit verbes­ sert sich tendenziell. — Die Symptombelastung nimmt tendenziell ab. — Manche Personen profitieren be­ sonders vom Rostocker-System: (a) Menschen mit der Diagnose Schizophrenie zeigen höhere Le­ benszufriedenheit und bessere Zielerreichung. Allerdings geben sie auch zu Beginn eine höhere Lebenszufriedenheit an. Mögli­ cherweise handelt es sich um den Personenkreis, der traditionell über die Eingliederungshilfe ver­ sorgt wurde und für den die An­ gebote besonders pass-genau und hilfreich sind; (b) Menschen mit längeren Planungszeiträumen (möglicherweise die schon „Be­ kannten“) erreichen die Ziele bes­ ser; (c) Bezogen auf die Hilfefor­ men Wohnen und Tagesgestal­ Eingliederungshilfe tung zeigen sich geschlechtsspezi­ fische Unterschiede, wer von wel­ cher Hilfeform eher profitiert. Hier müssen aber weitere Daten­ erhebungen abgewartet werden, ob diese Ergebnisse tatsächlich stabil bleiben; (d) Knapp 10 % der Hilfeempfänger werden nach Ab­ schluss der Hilfen unabhängig von der Eingliederungshilfe; (e) Die Kosten für den nächsten Be­ willigungszeitraum sinken deut­ lich. 8. D ie Ergebnisse fordern dazu auf, das Eingliederungshilfesystem dahinge­ hend zu optimieren, dass zukünftig alle Zielgruppen mehr von den Hil­ fen profitieren. 9. N ach Abschluss der Pilotphase und Hauptstudie sind die eingesetzten In­ strumente von Anbieter- und Leis­ tungsträgerseite als geeignet und praktikabel bewertet worden, sie fin­ den mittlerweile Akzeptanz bei den Mitarbeitenden. 10.Die eingesetzten Instrumente mit dem Kern der GAS sind seit 2015 als Standard in das Regelsystem über­ nommen. Zusammenfassend kann für Instrumen­ te, wie in dieser Studie eingesetzt, fest­ gestellt werden, dass sie unter Erhalt der verschiedenen Perspektiven als Evalua­ tionsverfahren tauglich sind, um als Qualitätssicherungsstandard in gemein­ depsychiatrischen Verbünden zu dienen. Einem möglichen „Fremdeln“ der Mit­ arbeiter mit solchen Instrumenten sollte besondere Aufmerksamkeit ­geschenkt werden. Der GPLV Rostock hat die Ins­ trumente in einer leicht überarbeiteten und ergänzten Fassung in ihrer Anwen­ dung ab 2015 verstetigt und in das Re­ gelsystem übernommen. Die nächste Auswertung ist für 2017 vorgesehen. Für die Akzeptanz des Ergebnisquali­ tätsgedankens und eine Ausrichtung des Alltags an möglichst evidenzbasierten Methoden oder zumindest e­ ines geziel­ ten Methodeninventars muss weiter bei allen Beteiligten geworben werden: Die Perspektive, dass die Ergebnisqualität, also die Messung der ­Wirkung, und nicht mehr der Prozess an sich („Wie oft und wie lange habe ich mit einem Nut­ zenden gesprochen“) die schließlich ent­ scheidende Grundlage für die Finanzie­ rungssystematik sein sollte, muss sich nicht nur bei Mitarbeitenden, sondern auch bei den Leistungsträgern (örtlich/ überörtlich) weiter durchsetzen. Letzt­ lich zählt nur das Ergebnis und eine da­ rauf aufbauende Finanzierung der Ein­ gliederungshilfe! Die Rostocker Entwicklungen legen unter fachlichen wie ökonomischen ­Aspekten nahe: —Gemeindepsychiatrische Verbünde innerhalb und außerhalb von Meck­ lenburg-Vorpommern dafür zu ge­ winnen, vergleichbare Daten zu er­ heben und so in einem BenchmarkProzess zwischen unterschiedlichen Regionen zu einer Einschätzung der Wirksamkeit von gemeindepsychiatri­ schen Verbundsystemen zu kommen. —In einem weiteren Entwicklungs­ schritt zumindest die wesentlichen ambulanten SGB V–Leistungen (Ner­ venärztliche Versorgung, Psychothe­ rapie, Soziotherapie, Ergotherapie, psychiatrische Pflege) mit in eine Stu­ die zur Ergebnisqualität eines regio­ nalen gemeindepsychiatrischen Hilfe­ systems einzubinden. Dies würde die Gesamtleistung deutlicher ab­bilden und evaluieren, aber zugegebenerma­ ßen die Komplexität eines ­solchen mit dem Alltag ohnehin schwer verträgli­ chen Ansatzes für alle Beteiligten wei­ ter steigern. Die Rostocker Erfahrun­ gen in der Eingliederungshilfe ma­ chen jedoch Mut, auch dieses „dicke Brett zu durchbohren“ und gegebe­ nenfalls mit kleinsten Schritten ge­ meinsam mit den Akteuren aus dem SGB V zu beginnen. Literatur www.springermedizin.de/neurotransmitter AUTOR Prof. Dr. Ingmar Steinhart Institut für Sozialpsychiatrie des Landes Mecklenburg Vorpommern e. V. An-Institut der Universität Greifswald Ellernholzstr. 1 – 2, 17487 Greifswald E-Mail: [email protected] Anja Höptner Institut für Sozialpsychiatrie des Landes Mecklenburg Vorpommern e. V. An-Institut der Universität Greifswald Ellernholzstr. 1 – 2, 17487 Greifswald NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Fortbildung Literatur 1. Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Sozialhilfeträger(BAGüS) (2013) Kennzahlenvergleich Eingliederungshilfe der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, Seite 5, www.bagues.de 2. Steinhart I.(2010) Die Finanzierung lebensfeldorientierter und personenzentrierter Hilfen aus einem Regionalbudget, Kerbe 2, 16-18 3. Steinhart I(2010) Wirkungskontrolle in der Eingliederungshilfe. In: Macsenaere M, Hiller St, Fischer K(Hg.): Outcome in der Jugendhilfe messen. Lambertus, 279-286. 4. Bär T, Nerlich, C, Follak T, Steinhart I (2010) Wirkungsorientierung – auf der Suche nach geeigneten Methoden. sozialpsychiatrische informationen 3, 25-31 5. Follak T (2008) »Black Box Eingliederungshilfe« – Messung der Ergebnisqualität in der Sozialpsychiatrie. Masterarbeit, Berlin: AliceSalomon-Hochschule 6. Brähler E, Klaghofer R (2001) Konstruktion und testtheoretische Prüfung einer Kurzform der SCL-90-R. Zeitschrift für klinische Psychologie, Psychiatrie und Psychotherapie 49(2),115-124 7. Prinz U, Nutzinger DO, Schulz H, Petermann F, Braukhaus C, Andreas S (2008) Die Symptom-Checkliste-90-R und ihre Kurzversionen: Psychometrische Analysen bei Patienten mit psychischen Erkrankungen. 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Gütemaß und praktische Erfahrungen bei 397 psychiatrischen Behandlungsverläufen. Zeitschrift für klinische Psychologie, Psychopathologie und Psychotherapie 44, 75 – 88 14. Roecken S, Weis J (1987) Erfahrungen bei der Anwendung von von Goal attainment scaling (GAS) in der Evaluation einer psychiatrischen Übergangseinrichtung. Zeitschrift für Klinische Psychologie 16, 158 – 173 2 NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Zertifizierte Fortbildung Online-Behandlung Internet- und mobilebasierte Intervention bei psychischen Störungen Internet- und mobilebasierte Interventionen (IMI) für psychische Störungen sind meist Selbsthilfeprogramme, deren Einsatzmöglichkeiten von Prävention, über die Behandlung bis zur Nachsorge reichen. Die Wirksamkeit von IMI wurde in zahlreichen Studien belegt, auch im direkten Vergleich zu Psychotherapien im klassischen Setting. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über den Gegenstandsbereich, die Evidenz­ lage und das Nutzungspotenzial sowie die Implementierungsmöglichkeiten und -hindernisse von IMI. SA R A H PAG A N I N I , J IA X I L I N , FR EI B U R G , DAV I D DA N I EL EB ER T, ER L A N G EN - N Ü R N B ER G , LÜ N EB U R G , H A R A L D BAU M EI S T ER , U L M ©© iStock / pavlemarjanovic / Getty Internet- und mobile­ basierte Interventionen können Betroffene erreichen, die traditionelle ­Angebote bisher nicht wahrnehmen. 48 NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Zertifizierte Fortbildung D ie Wirksamkeit psychologischer Interventionen zur Prävention und Behandlung psychischer Störungen ist vielfach gezeigt [1, 2]. Doch selbst in Ländern mit einem ­g uten Gesundheitsversorgungssystem sind die Behandlungsraten trotz des großen Bedarfs gering: In Deutschland bleiben je nach Störung zirka 28 – 63 % der behandlungsbedürftigen Personen ohne Therapie [3], in Europa sind es etwa 65 % [4]. Aktuelle Studien zeigen dabei, dass nicht nur strukturelle Versorgungslücken für geringe Behandlungsraten verantwortlich sind, sondern dass zahlreiche Betroffene Versorgungsangebote nicht in Anspruch nehmen, obwohl sie verfügbar wären [5]. Vor diesem Hintergrund können internet- und mobilebasierte Interventionen (IMI), die flächendeckend und zeitnah verfügbar sind und eventuell Betroffene erreichen, die traditionelle Angeboten bisher nicht wahrnehmen, zunehmend zu einer besseren Versorgung von Menschen mit psychischen Störungen beitragen. Zentrale Fragen bei IMI zur Behandlung psychischer Störungen sind die nach deren Wirksamkeit und Kosteneffektivität sowie deren Akzeptanz in verschiedenen Zielpopulationen (Abb. 1). Bei gegebener Wirksamkeit und Kosteneffektivität schließt sich die Diskussion der Implementierungsmöglichkeiten von IMI in unser Versorgungssystem an und inwiefern die rechtlichen Rahmenbedingungen eine Online-Behandlung psychischer Störungen zulassen. Zum anderen sind eine Vielzahl etablierter, aber auch ergänzender Versorgungsmodelle denkbar, die das Potenzial von IMI in unterschiedlicher Weise ausschöpfen können [6]. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über den Forschungsbereich von IMI zu —Gegenstandsbereich, —Evidenzbasierung und —Implementierung. oder Integration in die klassische Psychotherapie anbieten („blended care“). IMI können sich substanziell in ihrer Nutzung technischer Möglichkeiten, im menschlichen Support, in der Theoriebasierung sowie in Bezug auf deren Anwendungsgebiete und Indikationen unterscheiden. Technische Umsetzung Mit dem stetig wachsenden Umfang an technischen Möglichkeiten können IMI auf unterschiedlichste Weise dargeboten werden. Erinnerungs-, Feedback- und Verstärkungsautomatismen (z. B. via E-Mail und SMS) spielen hierbei eine entscheidende Rolle [6]. Bei der Umsetzung einer Face-to-face-Intervention in den virtuellen Raum können IMI mittlerweile mit Apps (z. B. für interaktive Übungen im Alltag), Video- und Audiodateien, Chatrooms oder Computerspielen ergänzt und unterstützt werden [9]. Hierbei gibt es die Option, sowohl Erinnerungsautomatismen als auch Informationen und Programmbausteine für alle Patienten gleich zu halten oder diese an individuelle Bedürfnisse und Charakteristika anzupassen [10]. Interaktive Elemente, wie zum Beispiel Aktivitätsmonitoring, Gedankentagebuch oder Stimmungsratings können den Lernvorgang ebenfalls unterstützen [11]. Relativ neu in diesem Feld sind „ecological momentary interventions“ (EMI), die mittels Text-, Sprach- und Videonachrichten auf das Mobiltelefon ermöglichen sollen, Interventionsbausteine in den Alltag der Nutzer zu integrieren [12, 13]. Diese Technologie ermöglicht zusätzlich eine Form der Datenerhebung in relevanten Alltags- Technik „Prompts”, E-Mail, SMS Apps, Videound Audiodateien Chat, Computerspiele, interaktive Elemente, „EMIs” Gegenstandsbeschreibung von IMI NeuroTransmitter 2016; 27 (1) IMI mod. nach Lin et al. 2013 [9] Der Begriff IMI kann ein sehr weites Feld von Interventionen umfassen, angefangen bei völlig automatisierten Selbsthilfe­ programmen, über internet- und mobilebasierte Interventionen mit minimaler Betreuung bis hin zur klassischen Therapie, die mittels Videokonferenz statt im persönlichen Kontakt durchgeführt wird [7]. Der vorliegende Beitrag folgt einem Verständnis von IMI wie von Barak et al. [8] definiert, nach dem es sich „(…) primär um Selbsthilfeprogramme handelt, die auf einem Online-Programm basieren, auf einer Webseite bereitgestellt werden und von Personen genutzt werden, die gesundheitsbezogene Hilfe suchen [übersetzt aus dem Englischen]“. Der Fokus wird im Folgenden stärker auf selbstständige Interventionen gelegt, wobei sich IMI auch für die Kombination Menschlicher Support unguided, guided (e-Coach: Rückmeldung & Motivation), synchron/asynchron Theoriebasierung Evidenzbasierte Verfahren, z.B. KVT, Aufbau in Modulen/Lektionen Indikation & Anwendung Prävention, Behandlung, Nachsorge, Stand-Alone, Stepped-Care, Blended Care Abb. 1: Zentrale Aspekte internet- und mobilebasierter Interventionen (IMI). 49 Zertifizierte Fortbildung Online-Behandlung psychischer Störungen situationen, was den Vorteil mit sich bringt, generalisierbare und ökologisch valide Daten zu erhalten, die im natürlichen Umfeld der Person erstellt werden [13]. Menschlicher Support Es gibt sowohl „unguided“ IMI im Sinne von automatisierten Interventionen ohne menschlichen Support [14] als auch „guided“ IMI, die eine Form von menschlichem Support in unterschiedlichem Ausmaß beinhalten [15]. Bei guided IMI erhalten die Patienten meist professionellen Support durch einen „eCoach“, der zum einen Verständnisfragen zu bestimmten Aufgaben klärt und motiviert [6] und zum anderen externe Rückmeldung zu den Angaben und zum Fortschritt der Teilnehmer bietet [8]. Neben einer nicht textbasierten Kommunikation über Audio oder Webcam wird meist schriftlich kommuniziert, wobei dies synchron (z. B. Chat) oder asynchron (z. B. E-Mail) erfolgen kann [8]. Variabel sind dabei zusätzlich die beanspruchte Zeit und Frequenz der Rückmeldungen [16]. Die Feedbackzeit kann je nach Intervention für einen Patienten entsprechend von einigen Minuten bis hin zu einigen Stunden reichen [8]. Theoriebasierung IMI für psychische Störungen orientieren sich in aller Regel an etablierten psychotherapeutischen Verfahren, die sich im direkten Kontakt als wirksam erwiesen haben [7]. Elemente der kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) eignen sich aufgrund ihrer ausgeprägten Strukturiertheit, Standardisierung und ­Direktivität sowie der psychoedukativen Elemente und Hausaufgaben besonders gut für IMI [17]. Aber auch andere psychotherapeutische Verfahren wie zum Beispiel der psychodynamische oder der interpersonelle Ansatz sowie neuere Therapieverfahren wie die Akzeptanz- und Commitment-Therapie bilden die theoretische Basis von IMI [18, 19, 20]. Die Interventionsinhalte (aufbauend auf evidenzbasierten Therapiemanualen) sind in der Regel in Module oder Lektionen unterteilt, die häufig sequenziell aufeinander folgen und in vorgegebenen Zeitabschnitten bearbeitet werden sollen [7]. KVT-Behandlungskonzepte können zum Beispiel Module zu Psychoedukation, Verhaltensaktivierung und -training, Expositionsverfahren oder Techniken der kognitiven Umstrukturierung beinhalten [21] sowie Hausaufgaben, die innerhalb ­einer Woche bearbeitet werden sollen. Indikation und Anwendungsgebiete Die Indikation für IMI reicht von der Prävention psychischer Störungen über deren Behandlung bis hin zu Nachsorgemaßnahmen und Interventionen zur Rückfallprävention [7]. Auf­ grund des orts- und zeitunabhängigen sowie anonymen und wenig invasiven Charakters von IMI gelten sie in der Präven­ tion als ein vielversprechender Ansatz [22]. Sie können beispielsweise dann eingesetzt werden, wenn bereits Symptome einer psychischen Störung vorliegen, die diagnostischen Kriterien jedoch noch nicht erfüllt sind [21]. IMI können bei der Behandlung psychischer Störungen in Form einer „Stand-Alone“-Intervention erfolgen (alleinige Intervention) oder in ein „Stepped-Care“-Konzept eingebettet werden, bei dem das Behandlungskonzept an den individuel- 50 len Bedarf angepasst wird [21]. Als „Step-Up“- oder „StepDown“-Intervention überführen IMI entweder in intensivere therapeutische Unterstützung (Step-Up) oder nach einer intensiven Behandlung in niederschwelligere Interventionen, die beispielsweise auf die Stabilisierung der Behandlungserfolge abzielt (Step-Down) [21]. Bezüglich einer internetbasierten Nachsorge, die auf eine stationäre psychotherapeutische Behandlung folgte, konnten Ebert et al. [23] zeigen, dass sich Rückfälle bis zu ­einem Jahr danach um zwei Drittel reduzieren ließen. Als therapieflankierende Maßnahmen, auch als „blended care“ bezeichnet, können IMI bei einer Psychotherapie einzelne Behandlungsbausteine (wie Psychoedukation) übernehmen oder unterstützen, wodurch wertvolle Therapeutenzeit für andere relevante Themen genutzt werden kann [21]. Durch Zeit- und Ortsunabhängigkeit sowie die Möglichkeit von Anonymität können mit IMI auch Personen erreicht werden, die sonst keine Intervention in Anspruch nehmen würden. Dazu könnten zum Beispiel zeitlich weniger flexible Berufstätige zählen, Personen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, oder solche, für die Stigmatisierungssorgen im Zusammenhang mit psychischen Problemen ein Hinderungsgrund für die Inanspruchnahme einer klassischen Psychotherapie darstellen [23]. Evidenzbasierung Wirksamkeit Als bislang am besten etablierte und häufig untersuchte IMI gelten Programme für Depression und Angststörungen [24]. Hierbei ergaben sich in zahlreichen Studien im Vergleich zu Kontrollgruppen (Warteliste oder Standardbehandlung) hohe Effektstärken [25, 26, 27, 28]. In einer Metaanalyse mit 22 Studien zu IMI bei Depression und Angststörungen zeigte sich eine gemittelte Effektstärke (Hedges’ g, analog zu Cohen’s d) von g = 0,88 [25]. Auch für andere psychische Störungen wie die posttraumatische Belastungsstörung, Schlafstörungen, Essstörungen oder Substanzmissbrauch wurden die Anwendbarkeit und Wirksamkeit von IMI in mehreren randomisiert kontrollierten Studien (RCT) bestätigt [24, 29, 30, 31, 32, 33]. Die Evidenzlage für weitere psychische Störungen wie Zwangsstörungen, psychotische, bipolare und somatoforme Störungen ist noch weitgehend unklar, wobei erste Ergebnisse für Zwangsstörungen und psychotische Störungen vielversprechend sind [34, 35, 36]. Tab. 1 gibt einen Überblick zur Wirksamkeit von IMI in verschiedenen Störungsbereichen. Während bei einem Großteil existierender IMI erwachsene Personen die Zielgruppe sind [37], können diese auch für Kinder und Jugendliche sowie Menschen mit körperlichen Erkrankungen und zusätzlichen psychischen Störungen eingesetzt werden. Die Ergebnisse einer Metaanalyse von Ebert et al. [38] sprechen für die Wirksamkeit von IMI bei Kindern und Jugendlichen. Bei einem Vergleich von 13 IMI für Kinder und Jugendliche mit Angststörungen und/oder Depression mit einer Kontrollgruppe zeigte sich eine gemittelte Effektstärke von g = 0,72 [38]. In Bezug auf psychische Störungen mit somatischer Komorbidität gibt es erste Studien, wie etwa von Nobis et al. [39]. Aus der Studie geht hervor, dass eine IMI gegen Depression auch bei der Subpopulation von Menschen mit Diabetes zu einer siNeuroTransmitter 2016; 27 (1) Zertifizierte Fortbildung gnifikanten und bedeutsamen Reduktion depressiver Symptome führen kann (d = 0,89). Die insgesamt positiven Ergebnisse sind vielversprechend, allerdings gilt es zu beachten, dass die Wirksamkeit stark von den Inhalten abhängt und neue Interventionen somit immer zunächst evaluiert werden müssen [7]. Die Wirksamkeit von IMI zeigt sich nicht nur im Vergleich zu Kontrollgruppen (Warteliste oder Standartbehandlung), sondern auch im direkten Vergleich zu Face-to-face-Psychotherapien. Bisherige Ergebnisse sprechen dafür, dass beide Interventionsformen äquivalente Behandlungserfolge erzielen, wie die Metaanalyse von Andersson et al. [40] mit 13 Studien bezüglich sozialer Phobien, Panikstörungen und depressiven Störungen bestätigen konnte. Gleichzeitig betonen Arnberg et al. [41] in ihrem Review zum Vergleich von IMI versus Faceto-face-Behandlung bei Depression und Angststörungen die methodischen Einschränkungen fast aller von ihnen eingeschlossenen Studien, sodass sie noch keine ausreichende Evidenzlage für den direkten Wirksamkeitsvergleich der beiden Therapiesettings sehen. Ein Erklärungsansatz dafür, dass das Internet als Setting möglicherweise keinen Wirksamkeitsnachteil gegenüber der Face-to-face-Behandlung aufweist, könnte in der durch IMI vermittelten Betonung der Selbsthilfe bestehen, wodurch gleichzeitig das Selbstmanagement gefördert wird [6]. Weitere mögliche Wirkfaktoren, die zu einer Erklärung dieser Ergebnisse beitragen könnten, werden im Folgenden diskutiert. potenzial bestmöglich ausgeschöpft werden kann zunehmend in den Fokus der Forschung. Nachdem die anfängliche Annahme, dass IMI ohne den zentralen Wirkfaktor der therapeutischen Beziehung nicht effektiv sein können, mit der aktuellen Evidenzlage widerlegt wurde, erweitert sich der Blickwinkel auf weitere mögliche Wirkfaktoren, die zu einer Erklärung der Wirksamkeit beitragen können. Im Fokus stehen hierbei insbesondere der Nutzen von Erinnerungs-, Feedback- und Verstärkungsautomatismen sowie die Wirksamkeit menschlichen Supports. Erinnerungs-, Feedback- und Verstärkungsautomatismen (Prompts): Sie sind zwar mit einem erhöhten technischen und teilweise auch finanziellen (Entwicklungs-) Aufwand verbunden, bieten andererseits jedoch auch wichtige Vorteile bei der Nutzung von IMI: In einem Review von Ritterband et al. [42] wird betont, dass Prompts die Wahrscheinlichkeit erhöhen, therapeutisch gewünschte Verhaltensänderungen zu etablieren. Zudem ist davon auszugehen, dass sie einen direkten Einfluss auf eine vermehrte Nutzung von IMI haben, woraus wiederum eine erhöhte Behandlungsadhärenz folgt [43]. So untersuchten Titov et al. in zwei Studien die Wirksamkeit einer IMI gegen soziale Phobie, einmal mit [44] und einmal ohne [45] den Einsatz von automatischen Erinnerungen und Feedback per EMail und SMS (Abb. 2). Das Programm mit den Prompts erreichte mit d = 0,73 einen fast dreimal so hohen Effekt wie das Programm ohne Prompts (d = 0,28). Prompts können somit bestimmte therapeutische Aufgaben übernehmen oder unterstützen und zusätzlich die Selbstständigkeit von Patienten erhöhen [6]. Wirkfaktoren Vor dem Hintergrund der positiven Evidenzlage rückt die Frage nach den Wirkfaktoren von IMI und wie das Wirksamkeits- Tab. 1: Wirksamkeit internetbasierter Interventionen (ausgewählte Metaanalysen) Zielpopulation Autoren SMD [95 % KI] RTC [n] Depressive Störungen Richards, Richardson, 2012 [27] 0,56 [0,41 – 0,71] 19 Panikstörungen Andrews et al., 2010 [25] 0,83 [0,45 – 1,21] 6 Soziale Phobie Andrews et al., 2010 [25] 0,92 [0,74 – 1,09] 8 Generalisierte Angststörung Andrews et al., 2010 [25] 1,11 [0,76 – 1,47] 2 PTBS Hedman et al., 2012 [24] 1,23 [0,83 – 1,63] 6 Schlafstörung Cheng et al., 2012 [29] 0,86* [0,53 – 1,18] 2 Essstörung Hedman et al., 2012 [24] 0,97 [0,63 – 1,30] 5 Alkoholmissbrauch Riper et al., 2014 [32] 0,2 [0,13 – 0,27] 16 Zwangsstörung Eigene Berechnung** 1,02 [0,66 – 1,38] 2 Depression Ebert et al., 2015 [38] 0,76 [0,41 – 1,12] 4 Angst Ebert et al., 2015 [38] 0,68 [0,45 – 0,92] 7 Erwachsene Kinder und Jugendliche * Gemittelte Effektstärke des „Insomnia Severity Index“ ** Eigene Berechnung (Hedges´ g mittels Review Manager 5.2) basierend auf Primärstudienergebnisse von Andersson et al., 2012 [35] und Herbst et al., 2014 [36] KI = Konfidenzintervall; n = Zahl der Metaanalyse zugrunde liegender RCT; PTBS = Posttraumatische Belastungsstörung; SMD = Standardisierte Mittelwertsdifferenz (Cohens’ d / Hedges’ g) NeuroTransmitter 2016; 27 (1) 51 Zertifizierte Fortbildung Online-Behandlung psychischer Störungen ©© Elena Stepanova / Fotolia.com scher Beziehungsqualität und Therapieerfolg [30, 59]. So scheint also nicht die Qualität der therapeutischen Beziehung bei IMI geringer zu sein, sondern deren Einfluss auf die Wirksamkeit der Intervention [6]. Abb. 2: „Prompts“, etwa über SMS, können die Wahrschein-­ lichkeit einer gewünschten Verhaltensänderung erhöhen. Menschlicher Support als Wirkfaktor: In mehreren Studien und Reviews zeigte sich, dass IMI mit Support bessere Ergebnisse erzielen, als ohne Support [16, 27, 46]. In einem Review von Baumeister et al. [46] wird eine stärkere Symptomreduk­ tion (g = – 0,27), mehr durchgeführte Module pro Intervention (g = 0,52) und eine niedrigere Abbruchrate (Odds Ratio = 2,76) bei IMI mit Support berichtet. Auch in der Metaanalyse von Richards et al. [27] stellte menschlicher Support einen wichtigen Einflussfaktor für die Wirksamkeit von IMI bei Depression dar (d = 0,36 ohne und d = 0,78 mit Support). In Bezug auf die Dosis-Wirksamkeitsrelation deuten zwei Metaanalysen darauf hin, dass mit steigender Supportzeit auch die Wirksamkeit der IMI steigt [47, 48], wobei Andersson et al. [49] auf der Grundlage bisheriger Studien schätzen, dass eine gesteigerte Therapeutenzeit ab 100 Minuten pro Patient innerhalb einer zehnwöchigen IMI keinen bedeutsamen Wirksamkeitszuwachs mehr erbringt. Für die Wirksamkeit der IMI scheinen weder die Kommunikationsart (E-Mail, Face-to-face, Telefon) entscheidend zu sein [50], noch die Qualifikation der e-Coaches eine bedeutende Rolle zu spielen [46, 51]. Hierbei gilt es allerdings zu beachten, dass die Evidenzlage durch methodische Schwächen der Primärstudien eingeschränkt ist und zudem infrage steht, inwiefern eine zumeist hoch strukturierte Forschungsumgebung mit ausgeprägter Vorbereitung und Supervision der nicht einschlägig qualifizierten e-Coaches auf die klinische Praxis übertragbar ist [46]. Trotz der qualitativen wie auch quantitativen Reduktion des therapeutischen Kontaktes durch etwa das Ausbleiben von sozialen und nonverbalen Signalen weisen bisherige Studien darauf hin, dass bei IMI eine vergleichbare therapeutische Beziehung wie im Face-to-face-Setting aufgebaut werden kann [52, 53, 54, 55]. Als Gründe hierfür werden unter anderem Einflussgrößen aus der Sozial- und Medienpsychologie in Betracht gezogen, wie zum Beispiel, dass durch die visuelle Anonymität der Patienten ein höheres Maß an Offenheit und Aufrichtigkeit entsteht [56] oder durch ein geringeres Schamgefühl, eine Art Enthemmungseffekt die Folge sein kann [57]. Im Gegensatz zur Face-to-face-Therapie, bei der die therapeutische Beziehung als zentraler Wirkfaktor gilt [58], zeigt sich bei IMI kein oder nur ein deutlich geringerer Zusammenhang zwischen therapeuti- 52 Die Kosteneffektivität: Sie stellt einen oft zitierten Vorteil von IMI gegenüber der Face-to-face-Behandlung (oder auch keiner Behandlung) dar, durch die sowohl direkte Kosten (z. B. Therapiekosten) als auch indirekte Kosten (z. B. Arbeitsunfähigkeit, Abwesenheit vom Arbeitsplatz) reduziert werden können [60]. Derzeit gibt es noch wenige empirische Studien mit ausreichender methodischer Qualität, die Schlüsse bezüglich der generellen Kosteneffektivität von IMI zulassen [41]. Hedman et al. [60] fanden in ihrer Studie, dass eine IMI für soziale Phobie vergleichbare Effekte in der Symptomreduktion erbrachte wie eine Face-to-face-Intervention, die IMI jedoch kosteneffektiver war, was die Autoren hauptsächlich auf den geringeren Zeitaufwand der Therapeuten zurückführten. Dabei wurden Interventionskosten pro Person bei der IMI auf 464 US-Dollar und bei der Face-to-face-Bedingung auf 2.687 US-Dollar geschätzt. Zur weiteren Untersuchung der Kosteneffektivität von IMI wären entsprechend weitere Studien wünschenswert, insbesondere auch zur differenziellen Kosteneffektivität verschiedener Supportmodelle (reine Selbsthilfe, e-Coach begleitete IMI in unterschiedlicher Intensität [61]). So könnten vor dem Hintergrund des bestehenden Kostendrucks in unserem Gesundheitssystem die höhere Wirksamkeit von begleiteten IMI durch entsprechende ökonomische Untersuchungen ergänzt und derart die Grundlage für evidenzbasierte Implementierungsempfehlungen weiter verbessert werden [62]. Implementierung Für die Implementierung von IMI ist zunächst relevant, ob die persönlichen und technischen Anwendungsvoraussetzungen bei Zielpopulationen gegeben sind. Dies bestätigte sich größtenteils bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen bis zirka 60 und 70 Jahren, aber auch bei älteren Personengruppen wurden IMI in ersten Studien erfolgreich eingesetzt [28, 63]. In einer Metaanalyse mit vier RCT und acht offenen Studien zeigen Andersson und Hedman [64], dass IMI in die klinische Praxis übertragen werden können und auch bei Hedman et al. [65, 66] ergab sich, dass internetbasierte KVT-Interventionen für Panikstörung und Depression erfolgreich in die psychiatrische Routineversorgung integriert werden können. Aufgrund der aktuell vielversprechenden Forschungslage und den spezifischen Eigenschaften von IMI eignet sich diese Behandlungsform als Präventions-, (therapieflankierende) Behandlungs- und Nachsorgemaßnahme, wobei davon auszugehen ist, dass deren Stellenwert im deutschen Gesundheitssystem stark an Bedeutung gewinnen wird [6, 28]. Bislang herrscht jedoch noch immer eine ambivalente Einstellung gegenüber IMI – sowohl seitens der Nutzer, als auch seitens der Leistungserbringer [67, 68, 69]. In Bezug auf die Leistungserbringer besteht mitunter die Befürchtung, dass die eigene, persönliche Arbeit durch IMI bedroht ist. IMI sollten allerdings hauptsächlich als Ergänzung, denn als Ersatz angesehen werden [51]. Unter anderem durch dieses BedrohungsNeuroTransmitter 2016; 27 (1) Zertifizierte Fortbildung empfinden und aufgrund von zu wenig Information und Aufklärung hält sich die Bereitschaft, IMI zu empfehlen bislang in Grenzen [51]. Dies unterstreicht, dass eine aktive Dissemination erforderlich ist, was zum Beispiel in Form von Informationen oder Schulungen zu IMI erfolgen kann [6]. Erste Studien zum Thema Akzeptanz zeigen, dass schon kurze Aufklärungsmaßnahmen etwa in Form von Informationsvideos oder -gesprächen die Absicht erhöhen können, eine IMI in Anspruch zu nehmen [67, 68, 70]. Weiter spielen bei der Dissemination berufs- und datenschutzrechtliche sowie ethische Aspekte eine bedeutende Rolle, welche aktuell diskutiert werden. Berufs- und Datenschutz, ethische Aspekte Hier ist vor allem das Fernbehandlungsverbot in Deutschland zu nennen, das psychologischen und ärztlichen Psychotherapeuten verbietet IMI als Fernbehandlung anzubieten [71, 72]. Zulässig sind IMI momentan nur, wenn sie als unterstützende Maßnahme therapiebegleitend eingesetzt werden (z. B. Online-Darbietung psychoedukativer Elemente) oder wenn sie im Rahmen von Modellprojekten in der Forschung erfolgen [73, 74]. Im Therapieverlauf wird bei einer ausschließlichen Fernbehandlung beispielsweise die Gefahr diskutiert, dass die Reaktionsmöglichkeit bei Notfällen, wie Suizidalität stark eingeschränkt ist [21]. Aus diesem Grund gelten akute Suizidalität, aber auch schwere Depression, komplexe Psychopathologie sowie Alkohol- und Drogenabusus oft als Ausschlusskriterien für IMI [75]. Aktuell werden die Regelungen bezüglich des Fernbehandlungsverbotes jedoch als überarbeitungswürdig diskutiert, woraus in Zukunft Änderungen entstehen dürften [6, 7]. In Bezug auf datenschutzrechtliche Aspekte sind Kontrollmaßnahmen gesetzlich vorgegeben, die den Umgang mit personenbezogenen Daten umfassen [76]. Datenschutz bei IMI umfasst hauptsächlich einen angemessenen Umgang bezüglich der Sammlung und Verwaltung von Nutzerdaten, was wiederum Schutzmaßnahmen vor nicht autorisiertem Zugang und Verschlüsselung der Daten sowie der Meidung unsicherer Kommunikationskanäle beinhaltet [76, 77]. Bezüglich ethischer Aspekte lassen sich Chancen und Risiken festhalten, wobei zentrale Bedenken beispielsweise in Bezug auf die Transparenz der Angebote, dem eigentlichen Anliegen und der Professionalität der Berater und dem Umgang mit Notsituationen bestehen [78]. Die Chancen von IMI liegen hauptsächlich in den positiven empirischen Befunden zu deren Wirksamkeit, durch die es ebenso ethisch fraglich wäre IMI behandlungsbedürftigen Personen vorzuenthalten [6]. Fazit für die Praxis IMI besitzen durch ihr hohes Maß an Flexibilität großes Potenzial die psychologische Versorgung zu verbessern, diese für unterschiedlichste Zielgruppen zugänglicher zu machen und dabei gleichzeitig Ressourcen zu schonen [6]. Hinderlich für eine Implementierung in Deutschland sind hauptsächlich berufs- und datenschutzrechtliche Einschränkungen sowie ethische Bedenken [75, 76]. In Ländern wie den Niederlanden und Australien gehören IMI hingegen bereits seit längerem zur Routineversorgung [6, 21]. Parallel zur Implementierung bereits ausreichend evidenzbasierter IMI sollten weitere Wirksamkeitsstudien zu noch wenig oder methodisch unzureichend untersuchten IMI erfolgen. Richtlinien zur Durchführung und Berichterstat- NeuroTransmitter 2016; 27 (1) tung von IMI-Studien [79, 80] werden hierbei zu methodisch hochwertigeren Studien beitragen. Neben wenig erforschten Störungsbildern wie der bipolaren oder somatoformen Störung gilt es auch den Forschungsfokus verstärkt auf vernachlässigte Zielpopulationen wie Kinder und Jugendliche und ältere Menschen zu richten [38, 81]. Nach erwiesener Wirksamkeit stehen zudem die Fragen nach Moderatoren des Therapieerfolges im Raum und für welche Patientengruppen solche Ansätze besonders oder weniger gut geeignet sind [23, 82]. Weiterhin bedarf es der Untersuchung, wie das Versorgungspotenzial von IMI bestmöglich genutzt werden kann. Hierbei steht im Mittelpunkt, über welche Versorgungswege IMI in unser Gesundheitssystem implementiert werden sollen (z. B. „Hausarztmodell“, Spezialkliniken, Zugang über ergänzende Online-Versorgungswege). Diese Frage betrifft unter anderem den Aspekt, ob mittels IMI auch ein Teil der Zielpopulation von Menschen mit psychischen Störungen erreicht werden kann, der über unser etabliertes Gesundheitsversorgungssystem aktuell unzureichend erreicht wird. Danksagung Dieser Artikel entstand im Rahmen des vom BMBF geförderten Projekts „Web-based aftercare depression intervention following rehabilitation for depressed back pain patients (WARD-BP)“. Literatur www.springermedizin.de/neurotransmitter AUTOREN Dipl.-Psych. Sarah Paganini Abteilung für Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie Institut für Psychologie, Universität Freiburg Engelbergerstr. 41, 79085 Freiburg M.Sc. Psych. Jiaxi Lin Abteilung für Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie Institut für Psychologie, Universität Freiburg Dr. rer. nat. David Daniel Ebert Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Psychotherapie Institut für Psychologie, Universität Erlangen-Nürnberg Institut für Psychologie, Leuphana Universität Lüneburg Prof. Dr. phil. Harald Baumeister, Dipl.-Psych., PP Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie Institut für Psychologie und Pädagogik,Universität Ulm Albert-Einstein-Allee 47, 89069 Ulm E-Mail: [email protected] Interessenkonflikt Die Autoren erklären, dass sie sich bei der Erstellung des Beitrages von keinen wirtschaftlichen Interessen leiten ließen. D. Ebert erklärt Beratungsauftrag der TKK, Forschungsgelder der EU, BMBF, BARMER GEK, DRV, Dr. Ebel Fachkliniken, Schön Kliniken, Unfallkasse. Teilhaberschaft am Institut für Gesundheitstrainings Online. Bezahlte Vortragstätigkeiten für DRV, Psychotherapeutenkammer, AEG, Kliniken. Der Verlag erklärt, dass die inhaltliche Qualität des Beitrags von zwei unabhängigen Gutachtern geprüft wurde. Werbung in dieser Zeitschriftenausgabe hat keinen Bezug zur CME-Fortbildung. Der Verlag garantiert, dass die CME-Fortbildung sowie die CME-Fragen frei sind von werblichen Aussagen und keinerlei Produktempfehlungen enthalten. Dies gilt insbesondere für Präparate, die zur Therapie des dargestellten Krankheitsbildes geeignet sind. 53 springermedizin.de/eAkademie CME-Fragebogen FIN: NT1601Zx gültig bis 09.02.2016 • als e.Med-Abonnent an allen Kursen der e.Akademie, • als Abonnent einer Fachzeitschrift an den Kursen der abonnierten Zeitschrift oder • als Leser dieses Magazins – zeitlich begrenzt – unter Verwendung der FIN. Bitte beachten Sie: • Die Teilnahme ist nur online unter www.springermedizin.de/eAkademie möglich. • Ausführliche Erläuterungen unter www.springermedizin.de/info-eakademie Diese CME-Fortbildungseinheit ist von der Bayerischen Landesärztekammer mit zwei Punkten in der Kategorie I zur zertifizierten Fortbildung anerkannt. Online-Behandlung psychischer Störungen Nach Barak et al. (2009), handelt es sich bei internet- und mobilebasierten Interventionen primär um … ☐☐ … internet- und mobilebasierte Interventionen mit menschlichem Support. ☐☐ … internet- und mobilebasierte Selbsthilfeprogramme. ☐☐ … Therapieverfahren per Videokonferenz. ☐☐ … Homepages mit Informationen zur entsprechenden Störung. ☐☐ … Foren, in denen sich Betroffene austauschen können. Für welche Störungsbilder ist die Wirksamkeit von internet- und mobilebasierten Interventionen am besten belegt? ☐☐ Psychotische und bipolare Störungen ☐☐ Somatoforme Störungen ☐☐ Depression und Angststörungen ☐☐ Persönlichkeitsstörungen ☐☐ Alkohol- und Drogenmissbrauch Was versteht man unter dem Begriff „blended care“? ☐☐ Die selbstständige Durchführung einer internet- und mobilebasierten Intervention ohne einen Therapeuten. ☐☐ Die Kombination von internet- und mobilebasierten Interventionen mit Elementen der klassischen Psychotherapie. ☐☐ Die Bereitstellung eines „e-Coaches“, der den Patienten bei der Durchführung einer internet- und mobilebasierten Intervention begleitet. ☐☐ Die Bereitstellung einer internet- und mobilebasierten Intervention für Perso- 54 nen, die aufgrund von körperlichen Einschränkungen nicht in eine Praxis gelangen können. ☐☐ Das Zusenden von unterstützenden und motivierenden SMS bei der Durchführung einer internet- und mobilebasierten Intervention. Elemente aus welchem psychotherapeutischen Verfahren dienen aufgrund der ausgeprägten Strukturiertheit momentan am häufigsten als Grundlage für internetund mobilebasierte Interventionen? ☐☐ Elemente der Akzeptanz- und Commitment-Therapie ☐☐ Elemente des psychodynamischen Ansatzes ☐☐ Elemente des interpersonellen Ansatzes ☐☐ Elemente der Schematherapie ☐☐ Elemente der kognitiven Verhaltenstherapie Welche Gefahr wird bei internet- und mobilebasierten Interventionen im Zusammenhang mit dem „Fernbehandlungsverbot“ diskutiert? ☐☐ Praktizierende Psychotherapeuten könnten zu viele Patienten aufgrund der Implementierung von internetund mobilebasierten Interventionen verlieren. ☐☐ Bei Notfällen ist die Reaktionsmöglichkeit eingeschränkt und kann somit beispielsweise nicht schnell genug auf Suizidalität reagiert werden. ☐☐ Therapeutische Angebote werden durch internet- und mobilebasierte I­nterventionen für zu viele Personen zugänglich und somit steigen wiederum die Kosten. ☐☐ Patienten können durch die Implementierung von internet- und mobilebasierten Interventionen im Ausland behandelt werden. ☐☐ Psychotherapeuten haben durch die Übernahme der Tätigkeit als „e-Coach“ zu wenig Kapazitäten für die klassische Psychotherapie. Wann ist der Einsatz von internet- und mobilebasierten Interventionen für einen Psychotherapeuten momentan zulässig? ☐☐ Wenn die Behandlung psychischer Störungen im stationären Setting stattfindet. ☐☐ Wenn bei der Entwicklung und Überprüfung der internet- und mobilebasierten Intervention methodische Standards eingehalten wurden. ☐☐ Wenn eine adäquate Theoriebasierung der Intervention vorliegt. ☐☐ Wenn die internet- und mobilebasierte Intervention durch einen „e-Coach“ begleitet wird. ☐☐ Wenn Elemente der internet- und mobilebasierten Intervention als unterstützende, therapiebegleitende Maßnahme eingesetzt werden. Aus welchem Grund wurden internetund mobilebasierte Interventionen noch nicht in das deutsche Gesundheitssystem implementiert? NeuroTransmitter 2016; 27 (1) DOI 10.1007/s15016-016-5393-y Teilnehmen und Punkte sammeln, können Sie springermedizin.de/eAkademie ☐☐ Die Wirksamkeitsüberprüfungen ergaben bislang lediglich geringe Effektstärken. ☐☐ Die Wirksamkeit wurde bislang nur bei Erwachsenen nachgewiesen. Bei Kindern und Jugendlichen sowie bei älteren Personen (> 50 Jahren) stehen Studien noch aus. ☐☐ Die ökonomischen Untersuchungen ergaben bislang keine Kosteneffektivität internet- und mobilebasierter Interventionen. ☐☐ Die Implementierung von internet- und mobilebasierten Interventionen in das Gesundheitssystem wird bislang insbesondere durch berufs- und datenschutzrechtliche Aspekte begrenzt. ☐☐ Wirksamkeitsvergleiche belegen, dass der Behandlungserfolg bei internetund mobilebasierten Interventionen geringer ist, als bei der klassischen Face-to-face-Therapie. Was steigert nach aktuellem Forschungsstand die Wirksamkeit internet- und mobilebasierter Interventionen in bedeutsamer Weise? ☐☐ Die Kommunikationsart (E-Mail/ Face-to-face/Telefon). ☐☐ Die Qualifikation der „e-Coaches“. ☐☐ Die Bereitstellung von mindestens zehn Lektionen pro Intervention. ☐☐ Der Einsatz von mindestens 200 Minuten „e-Coach“-Zeit oder mehr je Patient und Intervention. ☐☐ Der Einsatz von Erinnerungs- und Verstärkungsmitteilungen (Prompts). Wieviel Prozent der behandlungsbedürftigen Personen mit einer psychischen Störung bleiben in Deutschland (je nach Störungsbild) unbehandelt? ☐☐ Etwa 6 – 17 % ☐☐ Etwa 18 – 27 % ☐☐ Etwa 28 – 63 % ☐☐ Etwa 60 – 70 % ☐☐ Etwa 70 – 90 % Welche Maßnahmen fördern laut ersten Studien die Akzeptanz beziehungsweise die Absicht eine internet- und mobile-­ basierte Intervention in Anspruch zu nehmen? ☐☐ Das gemeinsame Durchführen einer internet- und mobilebasierten Intervention mit dem Partner. ☐☐ Der Einsatz von zwei „e-Coaches“ pro Patient. ☐☐ Das zusätzliche Angebot einer klassischen Psychotherapie. ☐☐ Eine Verdoppelung der vorgesehenen Bearbeitungszeit. ☐☐ Aufklärung, zum Beispiel in Form von Informationsvideos oder -gesprächen. Top bewertet in der e.Akademie Psychiatrie Psychoedukation und Coaching bei ADHS im Erwachsenenalter aus: Neurotransmitter 12/2015 von: R. D’Amelio, M. Bender, M. Rössler Zertifiziert bis: 9.12.2016 Medienformat: e.CME, e.Tutorial Expositionstherapie: Virtuelle Welten für die psychiatrische Anwendung aus: Neurotransmitter 10/2015 von: P. A. Schroeder, A. Mühlberger, C. Plewnia Zertifiziert bis: 9.10.2016 Medienformat: e.CME, e.Tutorial Hormone, Stoffwechsel, Nervensystem: Endokrinologische Ursachen akuter ZNS-Störungen aus: Neurotransmitter 7/2015 von: L. Schaaf Zertifiziert bis: 12.8.2016 Medienformat: e.CME, e.Tutorial Diese Fortbildungskurse finden Sie, indem Sie den Titel in die Suche auf www.springermedizin.de/eAkademie eingeben. Teilnahmemöglichkeit: Exklusiv im e.Med-Paket Mit e.Med können Sie diese und alle übrigen Fortbildungskurse der e.Akademie von Springer Medizin nutzen. In der e.Akademie werden neben dem ­Medienformat e.CME (Beitrags-PDF plus CME-­ Fragebogen) zahlreiche Kurse auch als e.Tutorial angeboten. Dieses Medienformat ist speziell für die Online-Fortbildung konzipiert und didaktisch optimiert. e.Tutorials stehen ausschließlich im e.Med-Paket zur Verfügung. Weitere Informationen zum e.Med-Paket und Gratis-Testangebot unter www.springermedizin.de/eMed NeuroTransmitter 2016; 27 (1) 55 Kurz & Knapp Neue Perspektive für Patienten mit LHON Die Lebersche Hereditäre Optikusneuropathie (LHON) ist eine selten auftretende, erblich bedingte Netzhauterkrankung, für die bislang keine zugelassene medikamentöse Therapieoption verfügbar war. Durch Degeneration retinaler Ganglienzellen kommt es bei den Betroffenen zu einem ausgeprägten, meist schnell verlaufenden Visusverlust bis hin zur oftmals vollständigen Erblindung. Schätzungen zufolge werden in Deutschland jährlich 80 bis 100 Patienten neu mit LHON diagnostiziert. Der Wirkstoff Idebenon (Raxone®) wurde kürzlich von der Europäischen Kommission als erstes Medikament für die Therapie von Patienten mit LHON in allen 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, Norwegen, Island und Lichtenstein zugelassen. Raxone® hat zudem den „Orphan Drug“-Status durch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) zuerkannt bekommen. Nach Informationen von Santhera Pharma­ ceuticals Veränderter Zugang zu Epilepsiemedikament Eisai kündigt eine Änderung des Zugangs zu Perampanel (Fycompa®) in Deutschland an. Ab dem 1. April 2016 erfolgt die Lieferung von Perampanel über etablierte Importverfahren. Perampanel wird ab diesem Datum nicht länger über das von Clinigen Group PLC verwaltete Individualimport-Programm erhältlich sein. Nach Informationen von Eisai Kampf dem Krampf Chininsulfat (Limptar® N) bietet eine wirksame Therapie und Prophylaxe nächtlicher Wadenkrämpfe bei Erwachsenen – und zwar unabhängig von der Ursache. Auf die Wirksamkeit von Chininsulfat bei Wadenkrämpfen wird auch in der Leitlinie der DGN hingewiesen. In Deutschland ist als einziges ChininsulfatPräparat Limptar® N zur Prophylaxe und Therapie nächtlicher Wadenkrämpfe zugelassen. Die Diagnose wird nach ICD-10 kodiert (R25.2 Krämpfe und Spasmen der Muskulatur) und die Behandlung entsprechend abgerechnet. Nach Informationen von MCM Klosterfrau 56 Pharmaforum CD20-positive B-Zellen: Neuer therapeutischer Ansatz bei MS? Bei Patienten mit Multipler Sklerose (MS) kommen aktivierte B-Zellen im ZNS vor [Bar-Or A, Semin Neurol 2008; 28: 29 – 45; Frischer JM et al., Brain 2009, 132 (Pt5): 1175 – 89], vermutlich sind die CD20-positiven B-Zellen an der Schädigung des Myelins und der Axone beteiligt. Die B-Zelle – zusätzlich zur T-Zelle – als Therapieansatz zu wählen, wäre nach Ansicht von Professor Orhan Aktaş, Leiter des MS-Zentrums, Klinik für Neurologie, Heinrich Heine Universität Düsseldorf, kein Paradigmenwechsel, sondern eine Paradigmenerweiterung. Der monoklonale Antikörper Ocrelizumab bindet wie Rituximab an CD20-positive BZellen, allerdings an ein anderes Epitop der großen extrazellulären Schleife von CD20 [Genovese MC et al. Arthritis Rheum 2008; 58: 2652 – 61; Cang S et al. J Hematol Oncol 2012; 5: 64]. Diese Bindung führt zu einer Depletion CD20-positiver B-Zellen in der Peripherie. Da nur etwa 2 % der B-Zellen im Blut zirkulieren, verbleiben sehr viele BZellen in Milz und Knochenmark; demzufolge bleibt die Immunität der Patienten erhalten, konstatierte PD Dr. Björn Tackenberg, Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Marburg. Die B-Zell-Lyse durch Ocrelizumab wird über verschiedene Mechanismen vermittelt [Jaglowski SM et al. Blood 2010; 116: 3705 – 14]: — Antikörperabhängige zellvermittelte Zytotoxizität (ADCC) — Antikörperabhängige zellvermittelte Phagozytose (ADCP) — Komplementabhängige Zytolyse (CDC) — Apoptose über direkte Zytotoxizität durch Ligandenbindung Unter der Ocrelizumab-Therapie kommt es zu einer signifikanten Abnahme der jährlichen Schubrate (unter Ocrelizumab 600 mg: 80 %, p = 0,0005; unter Ocrelizumab 2.000 mg: 73 %, p = 0,0014) und der gadoliniumanreichernden Läsionen (nach 24 Wochen: unter 600 mg Ocrelizumab um 89 %, p < 0,0001, unter 2.000 mg um 96 % geringer als unter Placebo, p < 0,0001), so die Ergebnisse einer Phase-II-Studie [Kappos L et al. Lancet 2011; 378: 1779 – 87]. Tackenberg betonte, er sei überrascht, dass die MRT-Ergebnisse so eindeutig seien. Dr. Friederike Holthausen Pressekonferenz „B-focused – Die B-Zelle als Target bei der Multiplen Sklerose”, Düsseldorf; Veranstalter: Roche Pharma Depot-Antipsychotika bei Schizophrenie Die Schizophrenie ist eine chronische Erkrankung, die zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der beruflichen und psychosozialen Funktion und somit auch der Lebensqualität führt. Eigentliches Ziel der Antipsychotikatherapie ist die Erhaltung oder Wiedererlangung der Funktionalität und damit der Lebensqualität. Die Voraussetzung für den Therapieerfolg ist aber eine frühzeitige und kontinuierliche Therapie, erklärte Dr. Karolina Leopold, Berlin. Deshalb sind injizierbare Depotformulierungen von Antipsychotika eine sinnvolle Behandlungsalternative zur oralen Medikation. Der Einsatz atypischer Depot-Antipsychotika bei Schizophrenie bietet die Möglichkeit, eine kontinuierliche, auf die individuellen Bedürfnisse der Patienten abgestimmte Langzeittherapie sicherzustellen. Im Rah- men der QUALIFY-Studie zeigte AripiprazolDepot im Vergleich zu Paliperidonpalmitat eine stärkere Wirkung im Hinblick auf die Verbesserung der Lebensqualität. Aripiprazol-Depot (Abilify Maintena®) und Paliperidonpalmitat sind atypische DepotAntipsychotika, deren Wirksamkeit in Studien belegt ist. Beide Substanzen werden einmal monatlich i. m. deltoidal oder gluteal injiziert. Im Rahmen der QUALIFY (Quality of Live with Abilify Maintena®)Studie wurden die beiden Depot-Antipsychotika in einem Head-to-Head-Design miteinander verglichen. Aufgenommen in diese Studie wurden 295 Patienten mit einer Schizophrenie in einem Alter zwischen 18 und 60 Jahren, die auf eine orale Therapie eingestellt waren. Bei ihnen war wegen unzureichender Wirkung oder Nebenwir- NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Pharmaforum kungen oder unzureichender Adhärenz eine medikamentöse Umstellung erforderlich. Aripiprazol-Depot zeigte eine signifikant stärkere Verbesserung des QLS-Gesamtscores als Maß für die Lebensqualität als Paliperidonpalmitat (7,5 Punkte vs. 2,8 Punkte). Besonders vorteilhaft war Aripiprazol-Depot bei Patienten ≤ 35 Jahre. Bei ihnen war der QLS-Gesamtscore unter AripiprazolDepot sogar um 10,7 Punkte höher im Ver- gleich zu Paliperidonpalmitat. „Auch die klinischen Symptome verbesserten sich unter Aripiprazol-Depot stärker als unter Paliperidonpalmitat“, so Professor Christoph Correll, New York. Unter AripiprazolDepot wurden mehr als doppelt so viele Patienten arbeitsfähig wie unter Paliperidonpalmitat [Naber D et al. Schizophr Res 2015; 168: 498 – 504; Naber D et al. Poster ASCP annual meeting, Miami/Florida, 2015]. Die häufigsten (< 5 %) Nebenwirkungen waren Gewichtszunahme, psychotische Störungen und Insomnie. Die Abbruchrate wegen unerwünschter Wirkungen betrug in der Aripiprazol-Depot-Gruppe 11 % im Vergleich zu 20 % in der Paliperidonpalmitat-Gruppe. Dr. Peter Stiefelhagen Satelliten-Symposium „Schizophrenie-Behandlung heute – Früh, besser, mehr erreichen“, ­DGPPN-Tagung 2015, Berlin 27. 11. 2015; Veranstalter: Otsuka Pharma und Lundbeck Zu wenig Patienten mit Depressionen erhalten Psychotherapie NeuroTransmitter 2016; 27 (1) ne und kostet etwa 250 Euro. Das OnlineProgramm verknüpft flexibel zehn Themenbereiche und simuliert so einen individuellen, dynamischen Dialog mit dem Patienten (Abb. 1). In sechs Studien konnte die Wirksamkeit des cKVT-Programms auf die Depressionsreduktion belegt werden. Besonders starke Effekte erzielte das Therapieprogramm in Kombination mit Antidepressiva, erläuterte Laux. Das Programm ist erhältlich über Servier und im Internet unter www. deprexis24.de. Spezielle Computerkenntnisse sind nicht notwendig, deutsche Datenschutzbestimmungen wurden berücksichtigt. Friederike Klein Satellitensymposium „Leitlinienkonforme Behandlung der Depression“, DGPPN-Kongress 2015; Berlin, 26.11.2015. Veranstalter: Servier Verhaltensaktivierung kognitive Modifikation Akzeptanz & Achtsamkeit Mod. nach G. Laux, Berlin 2013 Der in der Nationalen Versorgungsleit­ linie (NVL) „Unipolare Depression“ [AWMFRegister-Nr.: nvl-005, November 2015] definierte Anspruch und die Realität der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung klaffen weit auseinander. Durch eine internetbasierte Psychotherapie könnte die Lücke verkleinert werden. Die NVL empfiehlt Psychotherapie bei mittelgradiger Depression für alle Patienten als gleichwertige Alternative zur Pharmakotherapie und bei schwerer Depression begleitend zur pharmakologischen Therapie. Die Realität sieht anders aus, wie Professor Hans-Jürgen Möller, emeritierter Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der LMU München, berichtete: Nach einer Expertenbefragung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) 2011 erhalten nur etwa 10 % der Patienten mit Depression in der Akuttherapie eine begleitende Psychotherapie. Surrogatlösungen wie die internetbasierte kognitive Verhaltenstherapie (cKVT) können zur Verringerung der Versorgungsengpässe beitragen und lange Wartezeiten auf eine Psychotherapie überbrücken. Professor Gerd Laux vom Institut für Psychologische Medizin in Haag betonte dabei die Bedeutung des in das Programm eingebundenen Therapeuten, der die Wirksamkeit solcher Programme deutlich verbessert: Mit dem Ausmaß der therapeutischen Unterstützung steigt in Studien die durchschnittliche Effektstärke [Johansson R, Andersson G Expert Rev Neurother 2012; 12: 861 – 9]. Bei dem zwölfwöchigen cKVT-Programm Deprexis® ist eine Therapeutenunterstützung möglich. Es ist ein CE-zertifiziertes Medizinprodukt, läuft auf Computer, Tablett oder Smartpho- Positive Psychologie Entspannung, Körperliche Aktivität & Lifestyle Träume Probleme analysieren & lösen Psychoedukation Kindheitserinnerungen/ Schemata Beziehung & Bindung Abb. 1: Die individuelle Verknüpfung von zehn Themenbereichen simuliert bei deprexis® einen individuellen dynamischen Dialog. 57 Pharmaforum Erstes NOAK-spezifisches Antidot in der EU zugelassen Zur sofortigen Aufhebung der Dabigatran-induzierten Gerinnungshemmung wurde jetzt mit Idarucicumab (Praxbind®) das erste NOAK-spezifische Antidot in der EU zugelassen. Fälle, in denen eine sofortige Aufhebung der Antikoagulation erforderlich ist, sind mit schätzungsweise weniger als 1 % im Jahr eher selten, erklärte Professor Charles Pollack, Thomas Jefferson Universität in Philadelphia/USA. Dennoch sei es wichtig, dass künftig eine sichere Option für dramatische Situationen zur Verfügung steht. Das humanisierte Antikörperfragment Idarucicumab, das spezifisch nur an DabigatranMoleküle bindet und deren antikoagulatorischen Effekt aufhebt, ohne dabei in die Gerinnungskaskade einzugreifen, eröffne den Weg in eine neue Stufe der Antikoagulation und bietet einen zusätzlichen Sicherheitsaspekt in der Therapie mit dem NOAK Dabigatran (Pradaxa®), sagte Pollack. In Notfallsituationen, wie etwa im Falle eines blutenden Ulkus oder eines Darmverschlusses, kann mit der intravenösen Verabreichung des Dabigatran-spezifischen Antidots die Gerinnungshemmung rasch aufgehoben werden, sagte Professor Harald Darius, Vivantes Klinikum Berlin-Neukölln. Notoperationen könnten so trotz einer gerinnungshemmenden Therapie schnell durchgeführt werden. Interimsergebnisse der Studie RE-VERSE AD™ und Phase-I-Daten von freiwilligen Probanden haben gezeigt, dass bei Patienten mit akuten, nicht beherrschbaren Blu- tungen oder Notoperationen mit 5 g Idarucicumab (i. v.) die Dabigatran-induzierte Gerinnungshemmung innerhalb von Minuten vollständig und über mindestens zwölf Stunden aufgehoben werden kann, sagte Darius [Pollack CV et al. NEJM 2015; 373: 511 – 20; Glund S et al. Lancet 2015; 386: 680 – 90; Glund S et al. Blood 2014; 124: Abstract 344; Glund S et al. Thromb Haemost 2015; 113: 943 – 51]. In den zulassungsrelevanten Daten konnten keine sicherheitsrelevanten Bedenken oder Anzeichen prothrombotischer Ereignisse dokumentiert werden. Dagmar Jäger-Becker Erstes NOAK-spezifisches Antidot: Die nächste Stufe der Antikoagulation; Frankfurt, 17.11.2015; Veranstalter: Boehringer Ingelheim AED bei Epilepsiepatienten: Hier ist das Gleiche nicht Dasselbe! In der Behandlung der fokalen Epilepsie ist das Erreichen von Anfallskontrolle beziehungsweise Anfallsfreiheit das primäre Therapieziel. Bis zu 50 % der erwachsenen Patienten erreichen mit der ersten medikamentösen Therapie mit einem Antiepileptikum (AED) Anfallsfreiheit, weitere 15 % nach Wechsel des Medikaments. Wird keine ausreichende Anfallskontrolle erreicht, kommt als zweite Stufe ein Add-on-Medikament wie Eslicarbazepinacetat (ESL) (Zebinix®) hinzu. ESL ist zugelassen als Zusatztherapie für erwachsene Patienten mit fokalen Anfällen mit oder ohne sekundäre Generalisierung. Professor Martin Holtkamp, Epilepsie-Zentrum Berlin-Brandenburg, stellte aktuelle Daten aus der deutschen Subgruppenanalyse der EPOS-Studie und einer retrospektiven Real-life-Datensammlung zu ESL vor. In EPOS berichteten 86,2 % der Patienten nach sechs Monaten Add-on-Therapie eine Verringerung der Anfallshäufigkeit um mindestens 50 %, eine vollständige Anfallsfreiheit erlebten 44,7 % [Losch F et al. Poster, 1. EAN-Kongress, 2015]. Auch in den Real-lifeDaten nahm unter der Zusatztherapie mit ESL der Anteil der Responder und der anfallsfreien Patienten zu [Holtkamp M et al. Poster, 9. Dreiländertagung Epilepsie, 2015]. 58 Durch das Angebot diverser Generikapräparate wird die individuelle Therapieentscheidung bei Epilepsiepatienten noch komplexer. Dr. Stefan Ries vom Neuro Centrum Odenwald in Erbach stellte zum Thema Bioäquivalenz von Generika fest: „Das Gleiche ist nicht Dasselbe. Nicht für alle Generika kann die gleiche Bioäquivalenz nachgewiesen werden, und selbst wenn, kann im Einzelfall eventuell nicht die gleiche Wirkung erzielt werden. Hier spielt auch die unterschiedliche Pharmakogenetik der Patienten eine Rolle.“ Er berichtete einen Fall, in dem es nach langjähriger Anfallsfreiheit kurz nach der Umstellung auf ein Generikum zu einem Durchbruchsanfall kam. Dieses Risiko sollte man seiner Meinung nach bei gut eingestellten Patienten nicht eingehen. Abgesehen von dramatischen Konsequenzen für den Patienten (Fahruntauglichkeit, eventuell Arbeitsplatzverlust) ist es auch nicht selbstverständlich, dass eine Rückumstellung auf das Originalpräparat wieder die gleiche Ausgangssituation zum Ergebnis hat. Ries fragte: „Ein Generikum kann Regressängste mildern, aber wem nutzt es wirklich?“ Bei einer Umfrage unter Neurologen berichtete knapp die Hälfte über Probleme bei der Umstellung auf ein Generikum. Verunsicherung und vor allem Durchbruchsanfälle bei über der Hälfte der umgestellten Patienten führten zu vermehrten Arzt-Patienten-Kontakten, zusätzlicher Medikation, Notaufnahmen und Krankenhausaufenthalten. Nach einer Analyse aus den USA wird im Fall der AED die ursprüngliche Einsparung durch Generika durch diese zusätzlich entstehenden Mehrkosten mehr als aufgefressen. Das Fazit: Weder aus Sicht des Patienten, noch des Arztes, noch aus ökonomischer Sicht ist ein Vorteil für AED-Generika zu sehen. Auch die DGN und das NICE sprechen sich dafür aus, stabil eingestellte Epilepsiepatienten nicht aus Kostengründen zu gefährden. Bei den Neurologen ist diese Botschaft nicht unbekannt: Nach einer ILAE-Umfrage bei Ärzten zum Verschreibungsverhalten [Krämer G et al. Epilepsia 2007; 48: 609 – 11] verhalten sich Neurologen bei der Verordnung von Generika versus Originalpräparate zwar allgemein wie der Durchschnitt aller Ärzte. Jedoch mit einer Ausnahme: Im Falle von AED sind sie viel weniger bereit, auf das Aut-Idem-Kreuz zu verzichten und verordnen ihren Patienten häufiger Originalpräparate. Dr. Carin Szostecki Fachpresse-Roundtable „Update Epilepsie: neue Daten und Therapiestrategien“, 88. DGN-Kongress, Düsseldorf, 24.9.2015; Veranstalter: Eisai NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Pharmaforum MS: NEDA ist für viele Patienten möglich Ehrgeiziges Ziel der Behandlung der Multiplen Sklerose (MS) ist heute NEDA (no evidence of disease activity): eine fehlende Krankheitsaktivität hinsichtlich Schüben, Behinderungsprogression und krankheitsbedingten Veränderungen in der Magnet­ resonanztomografie (MRT). Die Therapie mit dem monoklonalen Antikörper Alemtuzumab (Lemtrada®) kann die Krankheitsaktivität auf jeder dieser Ebenen reduzieren, erläuterte Professor Martin Marziniak, Chefarzt der Klinik für Neurologie am kbo-Isar-Amper-Klinikum in Haar bei München. In den Verlängerungen der beiden Zulassungsstudien blieben die jährlichen Schubraten in den Jahren 3 bis 5 konstant niedrig mit 0,19 und 0,15 in der Studie CARE-MS I [Havradova E et al. Mult Scler 2015; 23 (Suppl. 11): 45, Oral Abstract 152] und 0,22 und 0,18 in CAREMS II [Fox EJ et al. Mult Scler 2015; 23 (Suppl. 11): 570, Poster Abstract 1102]. 80 % der Patienten der CARE-MS I-Studie und 76 % der Patienten der CARE-MS II-Studie blieben über fünf Jahre frei von einer über sechs Monate bestätigten Verschlechterung der bestehenden Behinderung. In den Jahren 2 bis 5 waren zudem 54 % beziehungsweise 49 % der Patienten frei von Zeichen einer Krankheitsaktivität im MRT. Dabei hatten in CARE-MS I 68 % und in CARE-MS II 60 % der Patienten nach der Kurz & Knapp Neu auf dem Markt zweiten Behandlungsphase keine weitere Therapie mit Alemtuzumab mehr erhalten. Nach den beiden initialen Behandlungsphasen blieben in den einzelnen Studienjahren 2 bis 5 jeweils mehr als die Hälfte der Patienten frei von Krankheitsaktivität (Abb. 1). Der Anteil der Patienten, der während der gesamten Verlängerungsstudie (Jahr 3 bis 5) den NEDA-Kriterien entsprach, lag in CARE-MS I bei 40 % [Arnold DL et al. ECTRIMS 2015, Spain, Barcelona, P1100] und in CARE-MS II bei 27 % [Traboulsee A et al. ECTRIMS 2015, Spain, Barcelona, P1103]. Die Infektionsneigung nahm über fünf Jahre hinweg leicht ab. Dem vorübergehend erhöhten Risiko von Herpesinfektionen konnte in den Kernstudien mit einer Aciclovir-Prophylaxe begegnet werden. Prophylaktische Maßnahmen reduzieren auch das Risiko infusionsassoziierter Reaktionen. Autoimmunerkrankungen können bei den vorgesehenen Monitoring-Untersuchungen frühzeitig erkannt und behandelt werden. „Wichtig ist deshalb, dass die Patienten treu und zuverlässig sind“, betonte Marziniak. Friederike Klein Pressekonferenz Meet the Clinic „Zeitgemäße MS-Therapie – Immunologie im Fokus“, München, 18.11.2015; Veranstalter: Genzyme Seit 1. Oktober 2015 ergänzt Duloxetin Zentiva® 30 mg und 60 mg zur Behandlung von depressiven Erkrankungen das Portfolio von Zentiva, dem GenerikaUnternehmen von Sanofi, in Deutschland. Nach Informationen von Zentiva /Sanofi Empfehlung zur EU-Zulassung Der Ausschuss für Humanarzneimittel der EMA, CHMP, empfiehlt die EU-Zulassung von Brivar­acetam. Das Antiepileptikum konnte in Phase-III-Studien zeigen, dass es zu einer signifikanten Senkung der Häufigkeit von epileptischen Anfällen bei Patienten ab 16 Jahren mit unkontrollierten fokalen Anfällen führt. Nach Informationen von UCB IQWiG sieht Zusatznutzen Das IQWiG hat dem direkten oralen Faktor-Xa-Inhibitor Edoxaban (Lixiana®) einen beträchtlichen Zusatznutzen zugestanden. Schlaganfälle, Blutungen und schwere Nebenwirkungen träten unter Edoxaban seltener auf. Edoxaban ist zugelassen zur Prävention von Schlaganfällen und systemischen embolischen Ereignissen bei Patienten mit nicht valvulärem Vorhofflimmern und mindestens einem Risikofaktor. Nach Informationen von Daiichi-Sankyo 100 100 CARE-MS I 80 80 70 70 67,5 60 50 61,7 60,2 62,4 50,1 40 30 40 10 3 4 5 52,9 54,2 3 4 58,2 44,0 30 10 2 57,7 50 20 1 Verlängerungsstudie 60 20 0 CARE-MS II 90 Verlängerungsstudie Patienten NEDA (%) Patienten NEDA (%) 90 0 1 2 5 Jahr Abb. 1 : Die 5-Jahres-Daten belegen: Mehr als die Hälfte der Patienten erreichen bei Therapie mit Alemtuzumab jedes Jahr eine Freiheit von Krankheitsaktivität bezogen auf Schübe, Behinderungsprogression und MRT-Aktivität, viele von ihnen ohne eine weitere Therapie. NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Erweiterte Zulassung für MS-Medikament Die European Medicine Agency (EMA) hat die Indikation von Fingolimod (Gilenya®) erweitert. Der Immunmodulator ist ab sofort zugelassen für Patienten mit hochaktiver, schubförmig-remittierend verlaufender Erkrankung trotz Behandlung mit einem vollständigen und angemessenen Zyklus mit mindestens einer krankheitsmodifizierenden Therapie. Das heißt, die bisherigen Voraussetzungen hinsichtlich klinischer Symptome oder MRT-Aktivität müssen nicht mehr erfüllt sein. Eine Umstellung auf Fingolimod ist bereits beim ersten Anzeichen einer entsprechenden Krankheitsaktivität möglich. Nach Informationen von Novartis 59 Medizin Repor t aktuell Morbus Parkinson Therapeutische Chancen im Frühstadium der Erkrankung nutzen Ein früher Therapiebeginn kann sich für Patienten im frühen Parkinsonstadium mit leichten Symptomen und geringen Einschränkungen auszahlen. Dies hat kürzlich eine Post-hoc-Analyse gepoolter Daten aus Phase-III-Studien mit transdermalem Rotigotin gezeigt. Patienten mit frühem Therapiebeginn wurden mit Patienten verglichen, bei denen die Therapie 6 Monate später gestartet wurde. Dabei zeigte sich langfristig ein klinischer Vorteil bei den frühzeitig behandelten Patienten. Alltagsaktivitäten und motorische Funktion konnten etwa zwei Jahre länger verbessert werden. ▬▬Der Blick auf die Placebogruppen kon- trollierter Studien zeigt, wie sich ein Morbus Parkinson entwickelt, der nicht behandelt wird. Die Patienten verlieren jährlich bis zu 14 Punkte auf der Unified Parkinson‘s Disease Rating Scale (UPDRS) [1]. Schon ein Laie kann einen Unterschied von vier bis sechs Punkten wahrnehmen, versicherte Prof. Dr. Heinz Reichmann, Dresden. Entlastung für dopaminerge Neurone Es erscheint deshalb nicht sinnvoll, dieser Verschlechterung der Motorik tatenlos zuzusehen, betonte Reichmann. Auch der Hinweis auf eine mögliche therapiebedingte Beeinträchtigung der Lebensqualität zu einem Zeitpunkt, an dem es dem Patienten noch relativ gut gehe, war für ihn nicht zutreffend. Denn Rotigotin Rotigotin (n=221) nergen Neurone. Somit geben die PET-Analysen einen klaren Hinweis auf den langfristigen Nutzen einer frühen Therapie. Dopaminagonisten für den Therapiebeginn bei Patienten im Frühstadium Dopaminagonisten, Levodopa und MAO-BHemmer sind die wesentlichen Optionen, die für eine frühe Therapie zur Verfügung stehen, erklärte Reichmann. Standard für die Behandlung von jungen Neuerkrankten ist eine initiale Monotherapie mit einem Non-Ergot-Dopaminagonisten. Bei Patienten mit milder Symptomatik kann auch ein MAO-B-Hemmer eingesetzt werden. Bisherige Studien mit Dopaminagonisten und MAO-B-Hemmern, in denen die Überlegenheit einer frühen Therapie im Vergleich zu einer später einsetzen- Placebo Rotigotin (n=125) Doppelblindphase 6 mittlere Veränderung im UPDRS-II/IIIGesamt-Wert zum Ausgangswert der Doppelblindphase (Punkte) es konnte gezeigt werden, dass sich die Lebensqualität gerade dann in den ersten 18 Monaten progredient verschlechtert, wenn keine Therapie erfolgt. Mit einer dopaminergen Monotherapie lässt sie sich beispielsweise in diesem Zeitraum stabilisieren [2]. Auch das Gehirn profitiert von einer frühen medikamentösen Unterstützung.„Die verbliebenen noch funktionstüchtigen dopaminergen Neuronen müssen auf Hochtouren arbeiten, um den Organismus am Laufen zu halten und geraten damit erheblich unter Stress“, so Reichmann. PET (Positronenemissionstomografie)-Studien weisen darauf hin, dass eine frühe dopaminerge Therapie die Zellen entlasten kann; denn die endogene Dopaminproduktion geht zurück [3]. Und dies dient letztlich dem Erhalt der Funktion der dopami- Open-Label-Phase 4 2 0 –2 –4 –6 –8 –10 –12 Titrationsphase *0 (AW) Anzahl Patienten 221 125 6** 1 221 125 6 12 18 24 205 112 193 103 188 99 180 93 30 36 Zeit unter Therapie (Monate) 169 89 159 83 42 48 54 60 66 72 147 81 135 75 114 61 100 53 67 33 12 11 AW=Ausgangswert; *Beginn der Doppelblindphase; **Beginn der Erhaltungsphase (open-label) Abb. 1: Mittlere Veränderung im UPDRS-II/III-Gesamt-Wert bei Patienten mit früher Parkinsonerkrankung (Hoehn-und-Yahr-Stadien 1 und 2) unter Rotigotin-Therapie in der Post-hoc-Analyse (modifiziert nach [4]) Medizin Repor t aktuell Praktische Tipps von Prof. Reichmann für den Therapiebeginn bei jungen Parkinson-Patienten (<70 Jahre) FFIst eine rasche Symptomlinderung erforderlich, mit einer niedrigen Dosis L-Dopa starten und dann nach vier bis sechs Wochen auf einen Non-Ergot-Dopaminagonisten wechseln – unter langsamer Reduktion der L-Dopa-Dosis. FFPatienten, bei denen eine langsamere Symptomlinderung ausreichend ist, sollten mit einem Non-Ergot-Dopaminagonisten beginnen. FFLang wirksame Dopaminagonisten bevorzugen. Bei Substanzen, die zweimal oder dreimal täglich gegeben werden, gibt es kleine Schwankungen im Dopaminspiegel, die z. B. kurzfristig Impulskontrollstörungen induzieren können. FFEher früher als später Dopaminagonisten mit niedrig dosiertem L-Dopa kombinieren, um eine gute Wirkung bei geringem Nebenwirkungsrisiko zu erhalten. FFRetardiertes L-Dopa abends einnehmen, um Interaktionen mit Nahrungsmitteln zu vermeiden den Behandlung überprüft wurde, verliefen jedoch langfristig negativ. Damit wurde auch die mit diesen Studien verbundene Hoffnung vorerst enttäuscht, Hinweise auf einen neuroprotektiven Effekt zu finden. Reichmann erklärte dies so:„Die geprüften Substanzen sind, auch wenn sie später gegeben werden, so wirksam, dass man mit der vergleichsweise groben Methodik, mit der wir Motorik prüfen, nicht erkennen kann, ob die eine oder andere Nervenzelle geschützt wurde.“ Früherer Therapiebeginn für längere Symptomkontrolle In einer Post-hoc-Analyse von zwei sechsmonatigen Phase-III-Studien inklusive offener Verlängerung über bis zu sechs Jahre wurde die frühzeitige Anwendung des transdermalen Rotigotin-Systems (z. B. Neupro®) auf den Krankheitsverlauf von Patienten im frühen Parkinson-Stadium (Hoehn-und-Yahr-Skala 1–2) untersucht [4]. Analysiert wurden 221 von Anfang an mit dem Wirkstoff behandelte Patienten und 125 Patienten, die in den ersten sechs Monaten Placebo erhielten. Beide Gruppen wurden anschließend in der Verlängerungsphase mit dem transdermalen Rotigotin-Pflaster behandelt. Die demographischen Daten wie Alter, UPDRS-Wert und Verteilung auf die Krankheitsstadien waren bei Studieneinschluss in beiden Gruppen vergleichbar. Patienten, die von Beginn an in der Verumgruppe waren, wiesen am Ende der doppelblinden Studienphase eine signifikant größere Verbesserung des UPDRS-Wert II und III auf als Patienten aus der Placebogruppe. Der Wert nahm um 7,28 Punkte verglichen mit 2,75 Punkten ab (p<0,001). In der offenen Erhaltungsphase, in der beide Gruppen den Wirkstoff erhielten, besserten sich die Werte in beiden Gruppen (Abb. 1). Die Werte in der ursprünglichen Placebogruppe erreichten 84 Wochen (~21 Monate) nach Therapiebeginn mit Rotigotin wieder den Ausgangswert bei Studieneinschluss. Dagegen war zu diesem Zeitpunkt in der Gruppe mit 6 Monate früherem Therapiebeginn mit Rotigotin immer noch eine Verbesserung gegenüber dem Ursprungswert von –3,89 Punkten zu beobachten (p=0,013). Diese Gruppe erreichte erst nach ~45 Monaten offener Verlängerungsphase wieder den Ausgangswert. Es konnte also durch einen 6 Monate früheren Therapiebeginn mit Rotigotin bei Parkinson-Patienten im frühen Krankheitsstadium eine 2 Jahre längere Symptomkontrolle erreicht werden. In der offenen Verlängerungsphase wurden 254 Patienten zusätzlich mit L-Dopa behandelt. Weder in der Verum-Dosis noch in der Zeit bis zum Einsatz von L-Dopa oder in der L-DopaDosis gab es einen Unterschied zwischen beiden Gruppen. Daraus kann geschlossen werden, dass der günstige Effekt auf die Symptomatik auf den 6 Monate früheren Beginn der Rotigotin-Therapie zurückzuführen ist. Jedoch sollte beachtet werden, dass es sich um eine Post-hoc-Analyse handelt und die Ergebnisse somit als explorativ betrachtet werden sollten. Erst nach 5 Jahren in der offenen Verlängerungsphase waren beide Gruppen wieder auf einem gleichen Niveau. Die über Jahre bessere Motorik in der Gruppe mit früherer Rotigotin-Therapie stellt demnach einen klinischen Vorteil dar, den man für die Patienten nutzen sollte, schlussfolgerte Reichmann. Als unerwünschte Nebenwirkungen wurden Übelkeit, Kopfschmerzen, Schwindelgefühl und Reaktionen an der Applikationsstelle, beobachtet [4]. Sie entsprechen den Angaben aus zulassungsrelevanten Studien und sind für die Therapie mit Dopaminagonisten sowie die spezielle Applikationsform typisch [5]. Kontinuierliche dopaminerge Stimulation Laut Reichmann sollte die Wahl in jedem Fall auf einen lang wirksamen Dopaminagonisten fallen, entweder eine orale Substanz mit langer Halbwertzeit, die einmal täglich verabreicht wird, oder das transdermale RotigotinSystem. Damit kann die unregelmäßige Stimulation von Dopaminrezeptoren vermieden werden, die mit Verträglichkeitsproblemen und einem erhöhten Dyskinesie-Risiko verbunden ist, wie sie vor allem durch L-Dopa hervorgerufen werden. Weiterhin führte Reichmann aus, dass durch eine kontinuierliche dopaminerge Stimulation die Risiken für Dyskinesien, motorische Fluktuationen und ein Dopamin-Dysregulationssyndrom deutlich abnähmen. Dies sind einige der Hauptgründe für den favorisierten Einsatz von lang wirksamen Dopaminagonisten beim Beginn jüngerer Patienten mit einer Parkinsontherapie. Allerdings treten bestimmte Nebenwirkungen, insbesondere Impulskontrollstörungen oder Halluzinationen, unter Dopaminagonisten häufiger auf als unter Levodopa. Hier schneidet Rotigotin besser ab als andere Dopaminagonisten, wie Reichmann erläuterte. Bei Patienten, die unter oraler Medikation solche Probleme entwickeln, könnte der Wechsel sinnvoll sein. Literatur 1.▬ Löhle▬M▬et▬al.,▬Drugs▬2014;▬74:▬645–57 2.▬ Grosset▬D▬et▬al.,▬J▬Neurol▬Neurosurg▬Psychiatry▬2007,▬ 78:465–9 3.▬ Storch▬A▬et▬al.,▬Neurology▬2013,▬80:1754–61 4.▬ Timmermann▬L▬et▬al.,▬Expert▬Opin▬Pharmacother▬ 2015,▬16:1423–33 5.▬ Fachinformation▬Neupro®,▬Stand▬Februar▬2015 Impressum „Epilepsie und Bewegungsstörungen – Therapie und Patientenbedürfnisse“, Satellitensymposium anlässl. des 88. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), Düsseldorf, 24. September 2015 • Medizin Report aktuell Nr. 411184 in: NeuroTransmitter, Ausgabe 1/2016 • Berichterstattung: Dr. Angelika Bischoff, Planegg • Redaktion: Teresa Windelen • Leitung Corporate Publishing: Ulrike Hafner (verantwortlich) • Springer Medizin, Springer-Verlag GmbH, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg • © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016 Mit freundlicher Unterstützung der UCB Pharma GmbH, Monheim Die Herausgeber der Zeitschrift übernehmen keine Verantwortung für diese Rubrik. Journal Die Obsessionen des Georges Simenon Teil 2: Der Roman „Die Ferien des Monsieur Mahé“ Der Roman „Die Ferien des Monsieur Mahé“ ist leicht in ein paar Stunden am Strand gelesen (Wunderlich). Der Protagonist: ein Landarzt. Die Handlung bewegt sich obsessiv zwischen den Polen Liebe und Tod. Das klingt nicht aufregend neu, ist aber ganz bestimmt auch nicht der langweilige Stoff einer schnöden Arztgeschichte, wie die Literaturwissenschaft urteilt. ©© Masson / Fotolia.com Das Mädchen oder das rote Kleid, oder beides prägte sich Monsieur Mahé ein, wie ein Kinderlied, während der ersten Ferien im französischen Porquerolles. Wohin geht die Reise für beide? 62 NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Journal 62 Psychopathologie in Kunst & Literatur D er Roman „Die Ferien des Monsieur Mahé“ erschien zuerst 1946 unter dem Titel „Le cercle des Mahé“. Er erzählt die seltsame Geschichte des Landarztes François Mahé in Saint-Hilaire, der dreijährig seinen Vater Isidore verloren hat, einen Pferdehändler, der den großmäuligen Beweis dafür liefern wollte, dass er ein Pferd tragen könne. Seine Mutter führte den Pferdehandel sowie einen dazu gehörenden Ausschank weiter, sparte, ließ den Sohn studieren, kaufte ihm die Praxis eines Arztes, der in Ruhestand ging, und sie verheiratete ihn mit Hélène, die ihrer Schwiegermutter im Haushalt hilft und zwei Kinder groß zieht: Jeanne und ­Michel. Der gerade einmal 32 Jahre alte Landarzt lässt sich von einem Bekannten überreden, die Sommerferien mit seiner Familie auf Porquerolles zu verbringen, einer Insel vor Toulon, die Georges Simenon seit 1926 von eigenen Urlaubsaufenthalten sehr gut kannte und die in einigen Romanen als „Symbol für Erholung und Lebensfreude“ steht, wie der Biograf Stanley G. Eskin vermerkt. Aber auf der Mittelmeerinsel gefällt es weder Monsieur Mahé noch seiner Frau. Auch die Fische wollen bei dem Freizeitangler NeuroTransmitter 2016; 27 (1) 66 NeurotransmitterGalerie „Die Ferien des Monsieur Mahé“ lautet der Titel einer jener Romane Georges ­Simenons, die durch eine für den ­Autor ungewöhnlich sorgfältige Konstruktion in puncto Handlung, Personenbeschreibung und symbolische Zuordnung Gefallen finden (nach Stanley G. Eskin). Die Ästhetik künstlicher Welten Robert Voit manipuliert seine Bilder nicht, nur die Objekte und fotografiert nur analog. „Gerade die groteske Plastikblumenwelt verlangte nach dem Medium der Fotografie. Es ist viel glaubwürdiger, etwas Gefälschtes zu fotografieren, als es zu malen.“ nicht beißen, und die Rochers des Mèdes, seltsame Felsen im Meer, wirken auf Mahé unheilvoll und machen ihm Angst. Wenige Tage nach der Ankunft auf Porquerolles wird der Doktor zu einer Lungenkranken gerufen, doch er findet sie nur noch tot an. Diese gewisse Anna Kayaerts wurde 36 Jahre alt. Mit ihrem Ehemann Frans Klamm, einem ehemaligen Fremdenlegionär (ein Bruder Simenons war ebenfalls Fremdenlegionär), der kleinen Tochter Elisabeth und deren jüngerem Bruder Georges war sie vor sechs Jahren hergekommen und hatte ohne ärztlichen Beistand auf Porquerolles noch ein Mädchen namens Madeleine geboren. Der Mann, Frans Klamm, ist Gelegenheitsarbeiter, hilft den Fischern, betrinkt sich, sobald er etwas Geld hat, und treibt sich auf dem Festland herum. Die Kinder erwarten ihn erst in ein paar Tagen zurück. In dem ärmlichen und verwahrlosten Sterbezimmer fällt der Blick von Doktor Mahé auf die zwölfjährige magere Elisabeth in ihrem roten Baumwollkleidchen. Dieser Anblick gräbt sich in das Gedächtnis des Arztes so tief ein „wie ein Kinderlied“. Das Mädchen, das von da an Mahés Gedankenwelt beherrscht, kümmert sich um seine jüngeren Geschwister, weigert sich, mit ihnen das Haus zu verlassen und schlägt das Angebot des Bürgermeisters aus, in einem leer stehenden Gefängnis unterzukommen. Nach Hause zurückgekehrt vermeidet und verschweigt die Familie Mahé die missglückten Ferien auf Porquerolles. Zur allgemeinen Überraschung beschließt der Arzt jedoch, im Jahr darauf doch wieder diesen Ferienort zu wählen. Obgleich die Ehefrau sichtlich unter dieser Entscheidung leidet, widersetzt sie sich den Urlaubsplänen ihres Mannes nicht. Der Sommer verläuft wie hinter einer Einzäunung nahezu ereignislos. In den folgenden nunmehr schon dritten Ferien auf Porquerolles wird die Familie von ihrem halbwüchsigen Neffen Alfred begleitet, der dort malen will, wobei der Arzt ihn deutlich anregt, seine Motive in der Nähe des vom verwitweten Frans Klamm und dessen Kindern bewohnten Haus zu suchen. Dort ist mittlerweile Elisabeth das Zentrum der Restfamilie: Georges nimmt Geigenunterricht, die Kleinste wird von ihr täglich in ein Kloster gebracht, sie versorgt den Haushalt und nimmt dem Trinker Frans das Geld ab, was dieser mehr oder weniger willig-unwillig über sich ergehen 63 Journal lässt. Der Arzt macht den Neffen auf Elisabeth aufmerksam, heizt ihn regelrecht an, bis der Neffe schließlich gesteht, das Mädchen entjungfert zu haben. Das Kapitel lautet: „Elisabeth ist gefallen“. Und der Doktor hockt da „und geilte sich insgeheim an einem roten Kleid mit einem spillerigen Körper darin auf oder versuchte vielmehr, seinen Neffen aufzugeilen. Denn auf das lief es hinaus. Hintenherum. Er erinnerte sich nicht, je in seinem Leben was hintenherum gemacht zu haben, aber hier tat er es, und mit Wollust.“ Im Grunde genommen ist es das, was Mahé immer gewollt hat: „Sie zu beschmutzen, sie zu zerbrechen (…). Damit er ein für allemal davon loskam, denn so ging es nicht mehr weiter. Er war nicht Psychopathologie in Kunst & Literatur e­ inen Knoten in der Brust, eine fachärztliche Untersuchung sei dringend und unumgänglich. Mahé reist nach Hause zurück, gegen seinen Willen begleitet von Frau, Kindern und Neffe. Die heimtückische Krankheit, von der soeben noch die Rede war, ist plötzlich ganz real und hat die Mutter befallen. Es stellt sich heraus, dass das Karzinom weit fortgeschritten ist, die Operation durch einen eigens aus Paris angereisten Spezialisten übersteht die Mutter nicht. „Während der Fahrt zur Klinik hatte die Todkranke prophezeit, sie werde nicht mehr nach Hause kommen. Als Mahé im nächsten Jahr erneut mit seiner Familie in die Ferien reist, ahnt auch er, dass er nicht mehr von Por­ querolles zurückkehren wird. Elisabeth „Meinem Vater fehlte nichts, meiner Mutter fehlte alles. Das war der Unterschied zwischen ihnen.“ Georges Simenon einmal verliebt. Wäre er verliebt gewesen, wäre alles gewiss viel einfacher gewesen. Es war eine Heimsuchung, genau das war es. Und das hatte schon am ersten Tag angefangen, nur sachte, heim-­ tückisch wie eine von diesen unheilbaren Krankheiten, die man erst feststellt, wenn es zu spät ist, was dagegen zu machen. Das war keine Frau, nichts Üppiges. Nur zwei magere Beinchen, die aus einem roten Fetzen ragten (…). Das war sie und noch vieles andere mehr, sie war die Negation seines Lebens, das Nein zu allem, was er bisher war, zu dem grauen Haus mit seinem Dach und der Tür wie aus dem Baukasten (…) zu einem dicken Mann von 35 – denn so alt war er jetzt –, der zum Zeitvertreib mit einem Motorrad die Wege entlang knatterte, angelte, Rebhühner oder Hasen jagte, das Nein zu Saint-Hilaire und den beiden Frauen, die von morgens bis abends für ihn nähten und ihm sagten, wann er die Leibwäsche wechseln musste.“ Das Mädchen, mit dem er nie ein Wort gesprochen hat, beherrscht seine Gedanken immer intensiver. Die Situation ändert sich schlagartig, als Doktor Mahé von einem Freund und Kollegen die Nachricht erhält, seine Mutter habe 64 wohnt inzwischen mit Georges und Madeleine in Hyères. Den Lebensunterhalt verdient sie als Näherin. Mahé fährt zu ihr, trifft jedoch nur ihre zehnjährige Schwester an, denn Elisabeth liefert gerade fertige Näharbeiten aus. Statt auf sie zu warten, geht Mahé wieder. Noch drei Mal fährt er nach Hyères; einmal glaubt er, Elisabeth auf der Straße zu sehen, ist sich jedoch nicht sicher, und zu ihrer Wohnung wagt er sich nicht mehr. Zwei Tage vor dem geplanten Ende der Ferien auf Porquerolles sucht Mahé den Arzt Dr. Lepage auf, der ihm vor Jahren erzählt hatte, er wolle seine schlecht gehende Praxis aufgeben und zu seiner Schwester in die Voralpen ziehen. Mahé fragt Dr. Lepage, ob er dessen Praxis auf Porquerolles übernehmen könne. Dieser rechnete mit der Anfrage bereits und verlangt einen unverschämten Preis für Praxis, Haus und Einrichtung. Obwohl Mahé merkt, dass er über den Tisch gezogen werden soll, bringt er nicht den Mut auf, sich dagegen zu wehren und unterschreibt einen Vorvertrag. Am anderen Morgen fährt Monsieur Mahé mit einem Boot aufs Meer hinaus, so als wolle er zum Angeln. Bei den Rochers des Mèdes ertränkt er sich“ (Wunderlich). Suizid mit literarischen Anspruch An dieser Stelle gelingt es Simenon, den Suizid mit literarischem Anspruch darzustellen: „Alle würden glauben, es sei ein Unfall gewesen (…). War es etwa keiner? Bloß diese Frage? Es war keine beliebige Frage, es war die Frage, die entscheidende (…). Seine weit aufgerissenen Augen befragten ernsthaft die Ferne, und diese gab ihm noch keine Antwort. Salzwasser drang in ihn ein (…) und seine Arme stießen die Mahés zurück; er musste unbedingt, jetzt wusste er es endlich, noch tiefer hinunter, das rote Kleid erreichen, es gab Momente, wo er es fast berühren konnte (…). Elisabeth, ganz blass, sah ihn aus erstaunten Augen an; vielleicht fragte sie sich, warum er sie so lange hatte warten lassen. Jetzt war er da (…). Noch eine kurze Anstrengung (…). Die Mahés begriffen nicht, sie begriffen nie (…). Er selbst hatte auch nichts begriffen, erst jetzt dämmerte ihm allmählich die Wahrheit (…). Es war eine Liebesgeschichte (…). Ach! Dann gab es noch eine andere Wahrheit, eine noch strahlendere, eine Art gleißendes Aufflammen, worin (…). Doch als er diese Wahrheit erreichte und sie wie eine Luftblase einsog, war sein Erdenleben zu Ende, und er konnte die Botschaft nicht mehr vermitteln.“ Georges Simenon hat diesen Roman am 1. Mai 1945 in Saint-Mesmin-le-Vieux in der Vendée beendet. Es liegt auf der Hand, dass er mehr ist als nur eine sachkundige Einweisung in die Technik, „wie man den péquois fischt“. Laut Stanley G. Eskin ist es einer jener Romane, „die durch eine bei Simenon ungewöhnlich sorgfältige Konstruktion in puncto Handlung, Personenbeschreibung und symbolische Zuordnung gefallen“. Da ist die Suche nach dem schwer zu fangenden, wertvollen Fisch, dem legendären „péquois“, zu dem die Seeleute anscheinend mehr wissen als der Hobbyangler Mahé, andererseits ist das mit Elisabeth verbundene „sexuelle Motiv, das in einer für Simenon ungewöhnlichen Manier eher unterdrückt wird. Am anderen Ende der symbolischen Skala steht Mahés geordnetes Leben in Saint-Hilaire, Gustav von Aschenbachs München vergleichbar: die ‚Zirkel‘ aus dem Titel des Buches („Le cercle des Mahés“), die Einschränkungen des Lebens, diktiert NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Buchtipp von gesellschaftlicher Stellung, Beruf, ­Sicherheit und einer ‚Familie‘ in Form einer tyrannischen Mutter und einer sanften, von ihr ausgesuchten Ehefrau, die Porquerolles hasst und dem Meere den Rücken kehrt. Es drängt Mahé, aus all dem auszubrechen – eine Flucht (…), die von Begierde, Angst und Schuldgefühlen begleitet wird.“ Das Mutter-Motiv Neben der verwandten Thematik, wie sie Thomas Mann 1911 in seiner Novelle „Der Tod in Venedig“ im Verhältnis des Schriftstellers Gustav von Aschenbachs zu dem Knaben Tadzio dargestellt hat, verdient das Mutter-Motiv bei Simenon eine gewisse Aufmerksamkeit. Nach dem Ruin von Simenons Vaters und dessen frühem Tod war die Kindheit des Autors von Armut und dem Kampf der Mutter um den Lebensunterhalt geprägt. Simenon schrieb: „Meinem Vater fehlte nichts, meiner Mutter fehlte alles. Das war der Unterschied zwischen ihnen.“ Bei Wikipedia lesen wir: „Während der heranwachsende Georges den in sich ruhenden und genügsamen Vater idealisierte und ihm nach eigenen An­ gaben später Charakterzüge Maigrets entlieh, war die Mutter immer in Sorge und fand nach Simenons Worten ‚das Unglück, wo niemand sonst es vermutet hätte‘. Nach der Geburt seines drei Jahre jüngeren Bruders Christian fühlte sich Georges von ihr zurückgesetzt (…). Das schwierige Verhältnis zur Mutter durchzog Simenons Leben und Werk. In Anlehnung an Balzac definierte er einen Schriftsteller als einen ‚Mann, der seine Mutter nicht mag‘. Zu einer letzten Abrechnung wurde der nach ihrem Tod geschriebene ‚Lettre à ma mère‘“. nicht nur durch einen außergewöhnlichen Plot und eine dichte Atmosphäre, sondern auch durch sorgfältig herausgearbeitete Charaktere und die psychologisch nachvollziehbare Obsession des Protagonisten. Georges Simenon erzählt realistisch und eindrucksvoll, spannend und schnörkellos. Obwohl bekannt ist, dass er für einen Roman oft nicht länger als acht oder zehn Tage benötigte, wirkt nichts plump oder gar hin geschludert; im Gegenteil: die Darstellung ist fantasievoll, facettenreich und durchdacht. Auch wenn man „Die Ferien des Monsieur Mahé“ leicht in ein paar Stunden am Strand lesen kann, handelt es sich um anspruchsvolle Literatur.“ Der Biograf Stanley Eskin meint dagegen, im zweiten Teil wirke „die Geschichte ein wenig lahm, aber andererseits handelt es sich um eine originelle und gelungene Variation der Simenonschen Flucht.“ Aus der Darstellung des Landarztes Dr. Mahé nun zu schließen, Simenon habe ein negatives Arzt-Bild, wäre ebenso voreilig wie falsch. Überdies widerspräche es der Widmung, die er seinem wohl besten Roman „Die Glocken von Bicêtre“ vorangestellt hat, immerhin ­einem Buch über einen Schlaganfallund Koma-Patienten, für das er sich Material von Medizinern besorgt hatte und in dem ebenfalls eine Liebesaffäre auf der Insel Porquerolles eine Rolle spielt: „All jenen gewidmet – Professoren, Ärzten, Krankenschwestern und Pflegern‒, die in Krankenhäusern und anderswo um Verständnis und Hilfe bemüht sind für das Wesen, dem wir am hilflosesten gegenüberstehen: dem kranken Menschen.“ Literatur beim Verfasser Die Simenonsche Flucht Der Literaturwissenschaftler Dieter Wunderlich urteilt über den Roman „Die Ferien des Monsieur Mahé“: „Die Handlung (…) bewegt sich zwischen den Polen Liebe und Tod. Es geht um einen Arzt, der den Anblick eines pubertierenden Mädchens im roten Kleid nicht vergessen kann. Obwohl es keine Liebe ist und er nie ein Wort mit Elisabeth wechselt, beherrscht die Heranwachsende seine Gedanken, und er geht an der Obsession zugrunde. Das Buch (…) besticht NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Braus, Dieter F. EinBlick ins Gehirn Psychiatrie als angewandte klinische Neurowissenschaft Georg-Thieme Verlag, Stuttgart, 2014, 168 Seiten, 64 Abbildungen, gebunden. ISBN Buch: 978-3-13-133353-7 Buch: 41,20 €/56 CHF ISBN PDF 978-3-13-155273-0 ISBN ePub 978-3-13-175333-5 E-Book: 39,99 €/56,00 CHF EinBlick ins Gehirn Die Psychiatrie wird hier vom Autor Dieter F. Braus als angewandte klinische Neurowissenschaft abgehandelt. In geradezu groß­ artiger und imponierender Art und Weise werden die wesentlichen Bausteine aus der biologischen Richtung unseres Fachgebietes beschrieben, also beispielsweise die Klassizität, die Grundlagenforschung des 21. Jahrhunderts in der Psychiatrie und die psychiatrischen Erkrankungen aus der Sicht des renommierten Forschers. Sicherlich wird der geneigte Leser nicht jedem einzelnen Akt zustimmen können, jedenfalls nicht immer der Beurteilung, aber was hier vorliegt, nämlich die Erweiterung und Komplettierung des Buches aus dem Jahre 2004 („EinBlick ins Gehirn – moderne Bildgebung in der Psychiatrie“) ist ein unerwarteter Glücksfall für unser Fachgebiet. Umfangreich und überzeugend werden die biologischen Grundlagen dar­gestellt, die in dieser Ausführlichkeit und Vollständigkeit nirgendwo zu lesen sind. Insofern ist der letzte Satz im Vorwort – „Viel Spaß beim lesen“ – eine glatte Untertreibung. Hier handelt es sich eben nicht um ein beiläufiges Lesebuch, sondern um eine her­vorragend gestaltete systematische Beschreibung der Neurowissenschaften. Es ist im Moment das einzige wissenschaftliche Werk, das dem Modetrend (Psychotherapie auf allen Wegen) entgegen gesetzt wird. Es ist sehr zu hoffen, dass die, die sich mit unserem Fachgebiet befassen, sehen und erkennen können, was Neurowissenschaft und Psychiatrie bedeuten. Prof. Dr. med. F. Reimer, Weinsberg AUTOR Prof. Dr. Gerhard Köpf Ariboweg 10, 81673 München E-Mail: [email protected] 65 Die Ästhetik künstlicher Welten Anmutig wirken Lampionblume, orientalisches Füllhorn und Wurmfarn in ihrer streng reduziert schwarzweiß abgelichteten Form. Ihre fein herausgearbeitete Struktur scheint fast unwirklich. Bei genauem Hinschauen fällt eine eigenartige Absplitterung am Stängel der Lampionblume auf und man wird stutzig: Das ist nicht die Schönheit der Natur, das sind Plastikblumen, die hier dargestellt und in eigenwillig-durchdachter Systematik von Robert Voit in einem Künstlerbuch für Bibliophile zusammengestellt wurden. S eit der Zeit erster Höhlenmalereien, lange vor Romanik und Gotik werden Pflanzenformen als „Urformen der Kunst“ kopiert und motivisch verwendet. Mit Plastikblumen jedoch will der Mensch die Natur nicht nur nachahmen, sondern auch noch übertreffen. Der Höhepunkt im Lebenszyklus der Pflanze soll festgehalten werden. Die Plastikblumenindustrie verzeichnet seit Jahren hohe Umsatzzuwächse und wer genau hinsieht, ist, wie der Fotograf Robert Voit es von sich beschreibt, schockiert, „wie weit die Plastikblumen inzwischen in unserem Leben überhand genommen haben.“ Robert Voit ist von seiner Kunst und seinen Konzepten besessen. Er ist ein gutmütiger Perfektionist, ein humorvoller Weiser, der uns die grotesken Auswüchse unserer Zeit vor Augen hält, indem er sie in seinen Bildern hochauflösend darstellt. Dabei erhebt er nicht den Zeigefinger und zwingt uns auf brutale Weise hinzuschauen. Eher versteckt er die Wahrheit sanft Robert Voit aus der Serie „The Alphabet of New Plants“: Physalis alkekengi/Lampionblume Robert Voit aus der Serie „The Alphabet of New Plants“: Cornucopiae cucullatum/Orientalisches Füllhorngras 66 NeuroTransmitter 2016; 27 (1) lächelnd hinter einem fast hyperrealistischen Ästhetizismus, der uns das Gift mit Honig einflößt. Er studierte an der Münchner Fachakademie für Fotodesign sowie der Kunstakademie und war in Düsseldorf Meisterschüler des konzeptuellen Fotografen Thomas Ruff, selbst Schüler von Bernd und Hilla Becher. Für sein im November 2015 bei Hatje und Cantz in „The Alphabet of New Plants“ zusammengefasstes Projekt orientierte sich Voit an dem Großmeister der Pflanzenfotografie Karl Blossfeldt, der den Stil der „Neuen Sachlichkeit“ entscheidend unter anderem mit seinem Werk „Die Urformen der Kunst“ (1928) mit beeinflusste. Nicht nur in Motivik und Namensgebung, auch in der Typografie und Buchgestaltung, vom Satzbild bis hin zur Papierbeschaffenheit schafft er hommageähnliche Referenzen an Blossfeldt. Alleine für die wissenschaftsähnlichen lateinischen Bezeichnungen der neuen Spezies der Plastikblumen beschäftigte Voit zwei Botaniker, von denen der Erste über dem Projekt verzweifelte. Robert Voit aus der Serie „New Trees“ Mono Lake California/USA Voits Bilder scheinen ob ihrer Schönheit und Ebenmäßigkeit oft entweder digital bearbeitet oder das Motiv manipuliert. Doch das Gegenteil ist der Fall. Voit ist einer der letzten rein analogen Fotografen. „Prinzipiell geht es in meiner Arbeit und so auch beim ‚Alphabet of New Plants‘ um ein Täuschungsmoment, um die Frage, was Fotografie heute überhaupt leisten kann. Die meisten Fotografen manipulieren die Fotografie und stellen dadurch diese Frage. Ich manipuliere meine Bilder gar nicht, nur die Objekte und fotografiere nur analog. Gerade die groteske Plastikblumenwelt verlangte nach dem Medium der Fotografie. Es ist viel glaubwürdiger, etwas Gefälschtes zu fotografieren, als es zu malen.“ Voits dokumentarischer Stil ist dabei Vehikel größer angelegter Konzepte. Für sein Projekt „New Trees“ war er sieben Jahre lang immer wieder auf der ganzen Welt unterwegs, auf der Suche nach Funkmasten, die grotesk als naturechte – nur meist überlebensgroße – Bäume camoufliert sind. „New Trees“ soll die absurden Auswüchse des industriellen Zeitalters dokumentieren, noch wichtiger ist Voit aber etwas Anderes: „Mit meinen Bildern möchte ich den Betrachter auffordern, ganz genau hinzuschauen, erhöhte Aufmerksamkeit und einen geschärften Blick zu erzeugen (...).“ Für seine Projekte nimmt Voit einiges auf sich. Gerade ist er zum fünften und voraussichtlich letzten Mal infolge in Fukushima, dessen Bilder er bewahren möchte. „Ich möchte nicht (nur) die Geschichten von Fukushima erzählen, das als Thema abstrus und martialisch ist. Ich fahre dorthin und entdecke die kleinen Veränderungen. Bilder, die mich nicht mehr loslassen.“ Zu sehen sein werden erste Aufnahmen des Fukushima-Projekts im März 2016 in München in der Lothringer 13 Halle anlässlich seiner Nominierung zum Förderpreis Bildende Kunst ⃞ der Stadt München. AUTORIN Dr. Angelika Otto, München Robert Voit aus der Serie „The Alphabet of New Plants“: Dryopteris filix mas/Echter Wurmfarn NeuroTransmitter 2016; 27 (1) www.hatjecantz.de/ Galerie Robert Morat: www.robertmorat.de/ Galerie Walter Storms München: www.storms-galerie.de/ Clampart Gallery New York: www.clampart.com/ http://www.robertvoit.com 67 Termine Veranstaltungen BVDN/BDN/BVDP-Landesverbände 2016 Datum / Zeit / Ort Landesverband / Titel / Themen Anmeldung 16.4.2016 9.30 – 15.30 Uhr in München, Klinikum rechts der Isar, Hörsaalgebäude, Eingang Einsteinstr. Bayerische BVDN-BDN-BVDP Frühjahrstagung Neuro- und Psychopharmaka in Schwangerschaft und Wochenbett Fortbildung und Mitgliederversammlung Athene Akademie Traubengasse 15, 97072 Würzburg Tel.: 0931 2055526, Fax: 0931 2055525 E-Mail: [email protected] Neurologen- und Psychiater-Tag 2016 in neuer Struktur mit Angeboten der Fortbildungsakademie Thema: Das Gehirn – Entwicklung kognitiver Fähigkeiten und Möglichkeiten zur Adaption und Kompensation Referenten Prof. Dr. med. Dieter Braus: „Neuroplastizität und Lernen“ PD Dr. phil. Dipl.-Psych. Iris-Katharina Penner: Zwischen Reorganisation und Maladaptation: Strategien des Gehirns im Umgang mit kognitivem Leistungsverlust Prof. Dr. rer. soc. Thomas Elbert: „Spuren belastender Lebens­ erfahrungen in Genom, Gehirn und Geist“ Dr. Maggie Schauer: „Narrative Expositionstherapie komplexer und multipler Traumatisierungen“ Mitgliederversammlung BVDN: Aktuelle Entwicklungen, zum Beispiel zur strukturierten Versorgung Cortex – Geschäftsstelle der Verbände Am Zollhof 2a, 47829 Krefeld Tel.: 02151 45469-21, Fax: 0931 045469-25 E-Mail: [email protected] CME-Punkte 29.4.2016 in Köln Hotel Park Inn by Radisson Hotel Köln Innere Kanalstr. 15 7 CMEPunkte Fortbildungsveranstaltungen 2016 17. – 20.2 2016 in Münster Messe/Kongress Zentrum Halle Münsterland Albersloher Weg 32 60th Annual Meeting of the Society of Thrombosis and Haemostasis Research 60. Jahrestagung der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH) MCI Deutschland GmbH, Vivien Lietze Markgrafenstr. 56, 10117 Berlin Tel.: 030 20 45 90, Fax: 030 20 45 950 E-Mail: [email protected] 19. – 20.2.2016 in Mainz Kurfürstliches Schloss Peter-Altmeier-Allee 1 Neuro Update 2016 wikonect GmbH, Wiesbaden Tel.: 0 611 949154-34, Fax: 0611 949154-99 E-Mail: [email protected] 50. Münchner EEG-Tage Forum für Fortbildung und Wissenschaft in Klinischer Neurophysiologie und Funktioneller Bildgebung Themen: Grundlagen der Neurophysiologie und Funktionellen Bildgebung und deren klinische Anwendung in Neurologie, Psychiatrie und Pädiatrie, wissenschaftliche Bedeutung der Kombination neurophysiologischer und bildgebender Verfahren, EEG-Kurs, TMS-Workshop Prof. Dr. Oliver Pogarell und PD Dr. Dipl.-Psych. Susanne Karch Klinische Neurophysiologie, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Ludwig-Maximilians-Universität München Tel.: 089 4400-55541, Fax: 089 4400-55542 E-Mail: [email protected] www.eeg-tage.de 10. Nachsorgekongress: „Wege von der medizinischen Rehabilitation in die Teilhabe – Lösungsansätze!“ ZNS - Hannelore Kohl Stiftung Nicola Jung Rochusstr. 24, 53123 Bonn Tel.: 0228 9784 540 Fax: 0228 9784 555 E-Mail: [email protected] 4. – 5.3.2016 in Berlin Scharnhorststr. 3 24. – 26.2.2016 in München Klinik für Psychiatrie Ludwig-MaximiliansUniversität Hörsaal EEG-Labor Nußbaumstr. 7 25 CMEPunkte 25. – 26.2.2016 Eventpassage, Berlin Kantstr. 8 CME-Punkte 68 NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Termine Fortbildungsveranstaltungen 2016 2. – 5.3.2016 in Jena Campus der FriedrichSchiller-Universität Jena Ernst-Abbe-Platz 53. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie e. V. Conventus Congressmanagement & Marketing GmbH Juliane Börner Carl-Pulfrich-Str. 1, 07745 Jena Tel.: 0 3641 31 16-347, Fax: 0 3641 31 16-243 E-Mail: [email protected] wwww.conventus.de 3. – 4.3.2016 in Koblenz Rhein-Mosel-Halle Koblenz Julius-Wegeler-Str. 4 Deutscher Interdisziplinärer Notfallmedizin Kongress 2016 – DINK MCN Medizinische Congressorganisation Nürnberg AG Neuwieder Str. 9, 90411 Nürnberg Tel.: 0911 39316-40, Fax: 0911 / 39316-66 E-Mail: [email protected] www.dink-kongress.de 12.3.2016 in Essen, Audimax/ Universitätsklinikum Hufelandstr. 55 Essener Neurologie-Tag 2016 Aktuelles aus Neurologie, Neuroradiologie und Neurochirurgie Universitätsklinikum Essen Hufelandstr. 55, 45147 Essen E-Mail: [email protected] www.neurologietag2016.de 15. – 16.3.2016 in Düsseldorf Heinrich Heine University Gebäude 23.01, Main Entrance Universitätsstr. 1 II. International Conference on Deep Brain Stimulation (DBS) Conventus Congressmanagement & Marketing GmbH Nadia Al-Hamadi/Nora Caune Carl-Pulfrich-Str. 1, 07745 Jena, Germany Tel.: 3641 31 16-318, Fax: 03641 31 16-243 [email protected] www.conventus.de 16. – 19.3.2016 in Düsseldorf Heinrich-Heine-Universität Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung e. V. (DGKN) Schwerpunkte: Neuromodulation, Zentrale Neurophysiologie, Funktionelle und strukturelle Conventus Congressmanagement & Marketing GmbH Anja Kreutzmann/Katharina Szulc Carl-Pulfrich-Str. 1, 07745 Jena Tel.: 03641 3116-357/-314, Fax 03641 3116-243 E-Mail: [email protected] 17. – 20.3.2016 in Lissabonn, Portugal Sana Lisboa Hotel Av. Fontes Pereira de Melo 8 10th anniversary World Congress on Controversies in Neurology (CONy) [email protected] www.comtecmed.com 9. – 12.4.2016 in Mannheim Congress Center Rosengarten Rosengartenplatz 2 122. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin „Demografischer Wandel fordert Innovation“ m:con – mannheim:congress GmbH Rosengartenplatz 2, 68161 Mannheim Tel.: 0621 4106-0 E-Mail: [email protected] www.mcon-mannheim.de 16. – 20.5.2016 in Langeoog Psychodynamische Tage auf Langeoog „Das Unbewusste im 21. Jahrhundert“ Albertinen-Akademie Matthias Zeltwanger Tel.: 040 5581-1776 E-Mail: [email protected] 17. – 18.6.2016 in Berlin SEMINARIS Campus Hotel AGNP-Psychopharmakologie-Tage in Berlin Fort- und Weiterbildung in der Psychopharmakotherapie in Theorie und Praxis Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. Borwin Bandelow AGNP – Arbeitsgemeinschaft für Neuropsychopharmakologie und Pharmakopsychiatrie Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Str. 1, 30625 Hannover www.agnp.de CME-Punkte NeuroTransmitter 2016; 27 (1) 69 Verbandsservice BVDN Berufsverband Deutscher Nervenärzte www.bvdn.de Organisation/Ansprechpartner/Geschäftsstelle Neuropsychologie: Paul Reuther Neuroonkologie: Werner E. Hofmann Pharmakotherapie Neurologie: Gereon Nelles Pharmakotherapie Psychiatrie: Roland Urban Prävention Psychiatrie: Christa Roth-Sackenheim Prävention Neurologie: Paul Reuther Schlaf: Ralf Bodenschatz Schmerztherapie Neurologie: Uwe Meier, Monika Körwer Suchttherapie: Ulrich Hutschenreuter Vorstand/Beirat 1. Vorsitzender: Frank Bergmann, Aachen Stellv. Vorsitzender: Gunther Carl, Kitzingen Schriftführer: Roland Urban, Berlin Schatzmeister: Gereon Nelles, Köln Beisitzer: Christa Roth-Sackenheim, Andernach; Uwe Meier, Grevenbroich; Sabine Köhler, Jena; Gereon Nelles, Köln 1. Vorsitzende der Landesverbände Baden-Württemberg: Birgit Imdahl Bayern: Gunther Carl Berlin: Gerd Benesch Brandenburg: Holger Marschner Bremen: Ulrich Dölle Hamburg: Guntram Hinz Hessen: Rudolf Biedenkapp Mecklenburg-Vorpommern: Ramon Meißner, Frank Unger Niedersachsen: Norbert Mayer-Amberg Nordrhein: Frank Bergmann, Angelika Haus Rheinland-Pfalz: Günther Endrass Saarland: Helmut Storz Sachsen: Ulrike Bennemann Sachsen-Anhalt: Michael Schwalbe Schleswig-Holstein: Klaus Gehring Thüringen: Volker Schmiedel Westfalen: Rüdiger Saßmanshausen Ansprechpartner für Themenfelder EBM/GÖÄ: Gunther Carl, Frank Bergmann Neue Medien: Arne Hillienhof EDV, Wirtschaftliche Praxisführung: Thomas Krichenbauer Forensik und Gutachten Psychiatrie: P. Christian Vogel Gutachten Neurologie: Friedhelm Jungmann Belegarztwesen Neurologie: Joachim Elbrächter Fortbildung Assistenzpersonal: Roland Urban U.E.M.S. – Psychiatrie, EFPT: Roland Urban U.E.M.S. – Neurologie: Friedhelm Jungmann Ausschüsse Akademie für Psychiatrische und Neurologische Fortbildung: P. Christian Vogel, Gunther Carl Ambulante Neurologische Rehabilitation: Paul Reuther Ambulante Psychiatrische Reha/ Sozialpsychiatrie: Norbert Mönter Weiterbildungsordnung: Frank Bergmann, Gunther Carl, Uwe Meier, Christa Roth-Sackenheim, P. Christian Vogel Leitlinien: Frank Bergmann, Uwe Meier, Christa Roth-Sackenheim Kooperation mit Selbsthilfe- und Angehörigengruppen: Vorstand Referate Demenz: Jens Bohlken Epileptologie: Ralf Berkenfeld Neuroangiologie, Schlaganfall: Paul Reuther Neurootologie, Neuroophtalmologie: Matthias Freidel Neuroorthopädie: Bernhard Kügelgen 70 BDN Berufsverband Deutscher Neurologen www.neuroscout.de Vorstand des BDN 1. Vorsitzender: Christian Gerloff, Hamburg 2. Vorsitzender: Uwe Meier, Grevenbroich Schriftführer: Heinz Wiendl, Münster Kassenwart: Martin Delf, Hoppegarten Beisitzer: Frank Bergmann, Aachen; Elmar Busch, Moers; Peter Berlit, Essen; Wolfgang Freund, Biberach Beirat: Andreas Engelhardt, Oldenburg; Peter Franz, München; Matthias Freidel, Kaltenkirchen; Holger Grehl, Erlangen; Heinz Herbst, Stuttgart; Fritz König, Lübeck; Frank Reinhardt, Erlangen; Claus-W. Wallesch, Magdeburg Ansprechpartner für Themenfelder IV und MVZ: Uwe Meier, Paul Reuther GOÄ/EBM: Rolf F. Hagenah, Uwe Meier, Holger Grehl Qualitätsmanagement: Uwe Meier Risikomanagement: Rolf F. Hagenah Öffentlichkeitsarbeit: Vorstand BDN DRG: Reinhard Kiefer BVDP Berufsverband Deutscher Psychiater www.bv-psychiater.de Vorstand des BVDP 1. Vorsitzende: Christa Roth-Sackenheim, Andernach Stellvertretender Vorsitzender: Christian Vogel, München Schriftführer: Sabine Köhler, Jena Schatzmeister: Oliver Biniasch, Ingolstadt Beisitzer: Uwe Bannert, Bad Segeberg; Frank Bergmann, Aachen; Greif Sander, Hannover Referate Soziotherapie: Sybille Schreckling Sucht: Greif Sander Psychotherapie/Psychoanalyse: Hans Martens Forensik: P. Christian Vogel Geschäftsstelle des BVDN D. Differt-Fritz Gut Neuhof, Am Zollhof 2 a, 47829 Krefeld Tel.: 02151 4546920, Fax: -4546925 E-Mail: [email protected] Bankverbindung: Sparkasse Duisburg IBAN DE 04350500000200229227, BIC DUISDE 33 XXX BVDN Homepage: http://www.bvdn.de Cortex GmbH s. oben Geschäftsstelle BVDN Delegierte in Kommissionen der DGN Leitlinien: Uwe Meier Versorgungsforschung: Uwe Meier Weiterbildung/Weiterbildungsermächtigung: Rolf Hagenah Anhaltszahlen/Qualitätssicherung: Fritjof Reinhardt, Paul Reuther Rehabilitation: Harald Masur CME: Friedhelm Jungmann, Paul Reuther DRG: Rolf Hagenah, Reinhard Kiefer Verbindungsglied zu anderen Gesellschaften oder Verbänden DGNR: Harald Masur; AG ANR: Paul Reuther BV-ANR: Paul Reuther; UEMS: Friedhelm Jungmann BDN-Landessprecher Baden-Württemberg: Wolfgang Freund Bayern: Karl-Otto Sigel Berlin: Walter Raffauf Brandenburg: Martin Delf Bremen: Helfried Jacobs Hamburg: Heinrich Goossens-Merkt Hessen: Thomas Briebach Mecklenburg-Vorpommern: Liane Hauk-Westerhoff Niedersachsen: Elisabeth Rehkopf Nordrhein: Uwe Meier Rheinland-Pfalz: Günther Endrass Saarland: Richard Rohrer Sachsen: Mario Meinig Sachsen-Anhalt: Michael Schwalbe Schleswig-Holstein: Uwe Meyer Thüringen: Dirk Neubert Westfalen: Martin Bauersachs Übende Verfahren – Psychotherapie: Gerd Wermke Psychiatrie in Europa: Gerd Wermke Kontakt BVDN, Gutachterwesen: Frank Bergmann ADHS bei Erwachsenen: Bernhard Otto PTSD: Christa Roth-Sackenheim Migrationssensible psych. Versorgung: Greif Sander BVDP-Landessprecher Bayern: Oliver Biniasch, Christian Vogel Baden-Württemberg: Birgit Imdahl, Thomas Hug Berlin: Michael Krebs Brandenburg: Delia Peschel Bremen: N. N. Hamburg: Ute Bavendamm, Guntram Hinz Hessen: Peter Kramuschke Mecklenburg-Vorpommern: Christine Lehmann Niedersachsen: Norbert Mayer-Amberg Nordrhein: Egbert Wienforth Rheinland-Pfalz: Wolfgang Rossbach Saarland: Gerd Wermke Sachsen: Ulrike Bennemann Sachsen-Anhalt: Regina Nause Schleswig-Holstein: Uwe Bannert Thüringen: Sabine Köhler Westfalen: Rüdiger Saßmannshausen NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Beitritt Berufsverband Deutscher Nervenärzte BVDN Verbandsservice Berufsverband Deutscher Psychiater BVDP Berufsverband Deutscher Neurologen BDN Ich will Mitglied werden! A n die Geschäftsstelle der Berufsverbände BVDN, BDN, BVDP Krefeld Am Zollhof 2a, 47829 Krefeld, Fax: 02151 45469-25/-26 ☐ H iermit erkläre ich meinen Beitritt zum Berufsverband Deutscher Nervenärzte e. V. (BVDN) (Mitgliedsbeitrag 580 €, ab 2. Gemeinschaftspraxismitglied 440 €, Arzt in Weiterbildung 90 €, Senior 60 €). ☐ H iermit erkläre ich meinen Beitritt zum Berufsverband Deutscher Neurologen e. V. (BDN) (Mitgliedsbeitrag 580 €, ab 2. Gemeinschaftspraxismitglied 440 €, Arzt in Weiterbildung 90 €, Senior 60 €). ☐ Ich wünsche die DOPPELMITGLIEDSCHAFT – BDN und BVDN – zu gleichen Beitragskonditionen. ☐ H iermit erkläre ich meinen Beitritt zum Berufsverband Deutscher Psychiater e.V. (BVDP) (Mitgliedsbeitrag 580 €, ab 2. Gemeinschaftspraxismitglied 440 €, Arzt in Weiterbildung 90 €, Senior 60 €). ☐ Ich wünsche die DOPPELMITGLIEDSCHAFT – BVDP und BVDN – zu gleichen Beitragskonditionen. ☐ Ich wünsche die DREIFACHMITGLIEDSCHAFT – BVDN, BDN und BVDP – zu gleichen Beitragskonditionen. Das erste Jahr der Mitgliedschaft ist beitragsfrei, sofern die Mitgliedschaft mindestens ein weiteres Jahr besteht. Zusatztitel oder -qualifikation (z.B. Psychotherapie, Sonografie): ______________________________________________ Tel.-Nr.____________________________ Fax _____________________________________ E-Mail/Internet: Ich bin ☐ niedergelassen ☐ i n der Klinik tätig ☐ Chefarzt ☐ Facharzt ☐ Weiterbildungsassistent ☐ N eurologe ☐ Nervenarzt ☐ Psychiater ☐ in Gemeinschaftspraxis tätig mit: ________________ ☐ in MVZ tätig mit: ___________________________ Ich wünsche den kostenlosen Bezug einer der folgenden wissenschaftlichen Fachzeitschriften im Wert > 170 €/Jahr: ☐ Fortschritte Neurologie / Psychiatrie ☐ A ktuelle Neurologie ☐ Klinische Neurophysiologie, EEG-EMG ☐ P sychiatrische Praxis ☐ Die Rehabilitation ☐ P sychotherapie im Dialog ☐ PPmP – Psychotherapie, Psychosomatik, Medizinische Psychologie Es ist nur eine Auswahl pro Mitglied möglich. ☐ Balint-Journal Zum Eintritt erhalte ich die BVDN-Abrechnungskommentare (EBM, GOÄ, Gutachten, IGeL, Richtgrößen etc.). ☐ Kostenlose NERFAX-Teilnahme gewünscht ☐ Kostenloser Mailservice „Das muss man wissen ...“ gewünscht EINZUGSERMÄCHTIGUNG Hiermit ermächtige ich den BVDN/BDN/BVDP (nicht Zutreffendes ggf. streichen) widerruflich, den von mir zu entrichtenden jährlichen Mitgliedsbeitrag einzuziehen. IBAN: ________________________________________________ bei der ___________________________________________________ BIC _____________________________________ Wenn mein Konto die erforderliche Deckung nicht aufweist, besteht seitens des kontoführenden Kreditinstitutes keine Verpflichtung zur Einlösung. Einen Widerruf werde ich der Geschäftsstelle des Berufsverbandes mitteilen. Name: ___________________________________________________ Praxisstempel (inkl. KV-Zulassungs-Nr.) Adresse: __________________________________________________ Ort, Datum: _______________________________________________ Unterschrift: ______________________________________________ NeuroTransmitter 2016; 27 (1) 71 Verbandsservice ÄK- und KV-Vertreter Nervenärzte, Neurologen und Psychiater als Vertreter in den KVen und Ärztekammern (ÄK)* Name Ort Telefon Fax E-Mail-Adresse BVDN-Landesverband: Dr. J. Braun Prof. Dr. M. Faist Dr. P. Hezler-Rusch BADEN-WÜRTTEMBERG Mannheim ja KV/ÄK Oberkirch ja ÄK Konstanz ja ÄK 0621 12027-0 07802 6610 07531 18330 0621 12027-27 07802 4361 07531 18338 [email protected] [email protected] [email protected] BVDN-Landesverband: Dr. G. Carl Dr. K. Ebertseder Dr. M. Eder Dr. W. Klein Dr. Kathrin Krome Dr. H. Martens Dr. W. Schulte-Mattler BAYERN Würzburg Augsburg Regensburg Ebersberg Bamberg München Regensburg ja ja nein ja ja ja nein KV/ÄK KV ÄK ÄK ÄK ÄK ÄK 09321 24826 0821 510400 0941 3690 08092 22445 0951 201404 089 2713037 0941 944-0 09321 8930 0821 35700 0941 3691115 [email protected] [email protected] 0951 922014 08141 63560 0941 944-5802 [email protected] [email protected] BVDN-Landesverband: Dr. Gerd Benesch Dr. R. A. Drochner BERLIN Berlin Berlin ja ja KV ÄK 030 3123783 030 40632381 030 32765024 030 40632382 Dr. R. Urban Berlin ja ÄK 030 39220221 030 3923052 [email protected] [email protected] [email protected] BVDN-Landesverband: Dr. St. Alder Dr. M. Böckmann Dr. G.-J. Fischer Dr. H. Marschner BRANDENBURG Potsdam Großbeeren Teltow Blankenfelde ja ja ja ja ÄK ÄK ÄK KV 0331 7409500 033701 338880 03328 303100 03379 371878 0331 7409615 [email protected] BVDN-Landesverband: Dr. U. Dölle BREMEN Bremen ja KV/ÄK 0421 667576 0421 664866 [email protected] BVDN-Landesverband: Dr. H. Ramm Dr. A. Rensch Dr. R. Trettin HAMBURG Hamburg Hamburg Hamburg ja ja ja KV ÄK ÄK 040 245464 040 6062230 040 434818 040 60679576 [email protected] [email protected] [email protected] BVDN-Landesverband: Dr. K. Baumgarten Prof. Dr. A. Henneberg P. Laß-Tegethoff Dr. W. Wolf HESSEN Gießen Frankfurt/M. Hüttenberg Dillenburg ja ja ja ja KV ÄK ÄK KV 0641 791379 069 59795430 06441 9779722 02771 8009900 0641 791309 069 59795431 06441 9779745 [email protected] [email protected] [email protected] [email protected] BVDN-Landesverband: Dr. L. Hauk-Westerhoff MECKLENBURG-VORPOMMERN Rostock ja ÄK 0381 37555222 0381 37555223 liane.hauk-westerhoff@ nervenaertze-rostock.de BVDN-Landesverband: Dr. R. Luebbe NIEDERSACHSEN Osnabrück ja KV 0541 434748 BVDN-Landesverband: Dr. F. Bergmann Dr. M. Dahm Dr. A. Haus NORDRHEIN Aachen Bonn Köln KV KV/ÄK KV/ÄK 0241 36330 0228 217862 0221 402014 0241 404972 0228 217999 0221 405769 [email protected] [email protected] [email protected] BVDN-Landesverband: Dr. M. Dapprich Dr. G. Endrass Dr. V. Figlesthaler Dr. R. Gerhard Dr. Ch. Roth-Sackenheim Dr. K. Sackenheim Dr. S. Stepahn RHEINLAND-PFALZ Bad Neuenahr ja Grünstadt ja Speyer ja Ingelheim ja Andernach ja Andernach ja Mainz ja ÄK KV ÄK ÄK ÄK KV/ÄK ÄK 02641 26097 06359 9348-0 06232 72227 06132 41166 0160 97796487 02632 96400 06131 582814 02641 26099 06359 9348-15 06232 26783 06132 41188 02632 964096 02632 964096 06131 582513 [email protected] [email protected] [email protected] [email protected] [email protected] [email protected] [email protected] BVDN-Landesverband: Dr. Th. Kajdi Dr. U. Mielke Dr. H. Storz SAARLAND Völklingen Homburg Neunkirchen KV/ÄK ÄK KV 06898 23344 06841 2114 06821 13256 06898 23344 06841 15103 06821 13265 [email protected] [email protected] [email protected] BVDN-Landesverband: Dr. M. Meinig BVDN-Landesverband: Dr. Michael Schwalbe KV 03733 672625 03733 672627 [email protected] KV 03491 442567 03491 442583 [email protected] BVDN-Landesverband: Dr. U. Bannert SACHSEN Annaberg-B. ja SACHSEN-ANHALT Lutherstadtja Wittenberg SCHLESWIG-HOLSTEIN Bad Segeberg ja KV/ÄK 04551 969661 04551 969669 [email protected] BVDN-Landesverband: Dr. Dirk Neubert Dr. K. Tinschert THÜRINGEN Arnstadt Jena ja KV KV 03628 602597 03641 57444-4 03628 582894 03641 57444-0 [email protected] [email protected] BVDN-Landesverband: Dr. V. Böttger Dr. C. Kramer Dr. K. Gorsboth Dr. A. Haver WESTFALEN Dortmund Bielefeld Warstein Gütersloh ja ja ja ja KV ÄK ÄK ÄK 0231 515030 0521 124091 02902 97410 05241 16003 0231 411100 0521 130697 02902 97413 [email protected] 72 BVDN ja ja ja nein ja ja Delegierter [email protected] [email protected] [email protected] NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Adressen Dr. Uwe Bannert Oldesloerstr. 9, 23795 Bad Segeberg Tel.: 04551 96966-1, Fax: -96966-9 E-Mail: [email protected] Dr. Martin Bauersachs Wißtstr. 9, 44137 Dortmund Tel.: 0231 142818 E-Mail: [email protected] Dr. Gerd Benesch Bundesallee 95, 12161 Berlin Tel.: 030 3123783, Fax: -32765024 E-Mail: [email protected] Dr. Ulrike Bennemann Holzhäuser Str. 75, 04299 Leipzig Tel.: 0341 5299388, Fax: -5299390 E-Mail: [email protected] Dr. Frank Bergmann Kapuzinergraben 19, 52062 Aachen Tel.: 0241 36330, Fax: -404972 E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Peter-Dirk Berlit Alfried-Krupp-Krankenhaus, 45131 Essen Tel.: 0201 4342-527, Fax: -4342-377 E-Mail: [email protected] Dr. Rudolf Biedenkapp Frankfurter Str. 127, 63067 Offenbach Tel.: 069 82366061, Fax: -82366063 E-Mail: [email protected] Dr. Oliver Biniasch Friedrich-Ebert-Str. 78, 85055 Ingolstadt Tel.: 0841 83772, Fax: -83762 E-Mail: [email protected] Dr. Jens Bohlken Klosterstr. 34 – 35, 13581 Berlin Tel.: 030 33290000, Fax: -33290017 E-Mail: [email protected] Dr. Thomas Briebach Ludwigstr. 15, 61169 Friedberg Tel.: 06031 3830, Fax: -3877 E-Mail: [email protected] PD Dr. Elmar W. Busch Asberger Str. 55, 47441 Moers Tel.: 02841 107-2460, Fax: 02841 107-2466 E-Mail: [email protected] Dr. Gunther Carl Friedenstr. 7, 97318 Kitzingen Tel.: 09321 5355, Fax: -8930 E-Mail: [email protected] Dr. Martin Delf Lindenallee 7, 15366 Hoppegarten/Berlin Tel.: 03342 422930, Fax: -422931 E-Mail: [email protected] Dr. Ulrich Dölle Leher Heerstr. 18, 28359 Bremen Tel.: 0421 237878, Fax: -2438796 E-Mail: [email protected] Dr. Reinhard Ehret Schloßstr. 29. 20, 12163 Berlin Tel.: 030 790885-0, Fax: -790885-99 E-Mail: [email protected] Dr. Günther Endrass Obersülzer Str. 4, 67269 Grünstadt Tel.: 06359 9348-0, Fax: -9348-15 E-Mail: [email protected] Dr. Peter Franz Ingolstädter Str. 166, 80939 München Tel.: 089 3117111, Fax: -3163364 E-Mail: [email protected] Dr. Matthias Freidel Brauerstr. 1– 3, 24568 Kaltenkirchen Tel.: 04191 8486, Fax: -89027 NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Dr. Frank Freitag Berliner Str. 127, 14467 Potsdam Tel.: 0331 62081125, Fax: -62081126 Prof. Dr. Wolfgang Freund Waaghausstr. 9 –11, 88400 Biberach Tel: 07351 7833, Fax -7834 E-Mail: [email protected] Dr. Klaus Gehring Hanseatenplatz 1, 25524 Itzehoe Tel.:04821 2041, Fax: -2043 E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Christian Gerloff Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Martinistr. 52, 20251 Hamburg Tel.: 040 42803-0, Fax: -42803-6878 Dr. Heinrich Goossens-Merkt Hohe Weide 17b, 20259 Hamburg E-Mail: [email protected] Dr. Holger Grehl Fahrner Str. 133, 47053 Duisburg Tel.: 0203 508126-1, Fax: -508126-3 E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Rolf F. Hagenah Appelhorn 12, 27356 Rotenburg Tel.: 04261 8008, Fax: -8400118 E-Mail: rhagenah@web .de Dr. Liane Hauk-Westerhoff Deutsche Med Platz 2, 18057 Rostock Tel.: 0381 37555224, Fax: -37555223 E-Mail: liane.hauk-westerhoff@ nervenaerzte-rostock.de Dr. Angelika Haus Dürener Str. 332, 50935 Köln Tel.: 0221 402014, Fax: -405769 E-Mail: [email protected] Dr. Annette Haver Strengerstr. 16 – 18, 33330 Gütersloh Tel.: 05241 16003, Fax: -24844 Dr. Dipl.-Psych. Heinz Herbst Marienstr. 7, 70178 Stuttgart, Tel.: 0711 220774-0, Fax: -220774-1 E-Mail: [email protected] Dr. Guntram Hinz Harksheider Str. 3, 22399 Hamburg Tel.: 040 60679863, Fax: -60679576 E-Mail: [email protected] Dr. Thomas Hug Bergheimer Str. 33, 69115 Heidelberg Tel.: 06221 166622 E-Mail: [email protected] Dr. Birgit Imdahl Bergstr. 5, 78628 Rottweil Tel.: 0741 43747 E-Mail: [email protected] Dr. Helfried Jacobs Bremerhavener Heerstr. 11 28717 Bremen Tel.: 0421 637080, Fax: -637578 E-Mail: [email protected] Dr. Friedhelm Jungmann Im Wildfang 13a, 66131 Saarbrücken Tel.: 06893 9875020, Fax -9875029 E-Mail: [email protected] Dr. Sabine Köhler Dornburger Str. 17a, 07743 Jena Tel.: 03641 443359 E-Mail: [email protected] Verbandsservice Dr. Thomas Krichenbauer Friedenstr. 7, 97318 Kitzingen Tel.: 09321 5355, Fax: -8930 E-Mail: [email protected] Dr. Wolfgang W. Rossbach Holzhofstr. 5, 55116, Mainz Tel.: 06131 222377, Fax: -227939 E-Mail: [email protected] Dr. Christine Lehmann Wismarsche Str. 5, 18057 Rostock Tel.: 0381 4965981, Fax -4965983 E-Mail: christine-lehmann-rostock@ t-online.de Dr. Christa Roth-Sackenheim Breite Str. 63, 56626 Andernach Tel.: 0160 97796487, Fax: -9640-96 E-Mail: [email protected] Holger Marschner Zossener Damm 33, 15827 Blankenfelde Tel.: 03379 371878, Fax: -371879 E-Mail: [email protected] Dr. Norbert Mayer-Amberg Bödekerstr. 73, 30161 Hannover Tel.: 0511 667034, Fax: -621574 E-Mail: [email protected]# Dr. Ramon Meißner Hinter der Kirche 1b, 19406 Sternberg Tel.: 03847 5356, Fax: -5385 E-Mail: [email protected] Dr. Uwe Meier Am Ziegelkamp 1 f, 41515 Grevenbroich Tel.: 02181 7054811, Fax: -7054822 E-Mail: [email protected] Christoph Meyer Darmstädter Str. 44, 64625 Bensheim Tel.: 06251 4444, Fax: -4141 E-Mail: c.meyer@therapiegemeinschaft. de Dr. Greif Sander Bödekerstr. 73, 30161 Hannover Tel.: 0511 667034, Fax: -621574 E-Mail: [email protected] Rüdiger Saßmannshausen Poststr. 30, 57319 Bad Berleburg Tel.: 02751 2785, Fax -892566 E-Mail: sassmannshausen@ bvdn-westfalen.de Babette Schmidt Straße am Park 2, 04209Leipzig Tel.: 0341 4220969, Fax -4220972 E-Mail: [email protected] Dr. Volker Schmiedel Wiesestr. 5, 07548 Gera Tel.: 0365 8820386, Fax -8820388 E-Mail: [email protected] Dr. Michael Schwalbe Annendorfer Str. 15 06886 Lutherstadt-Wittenberg Tel.: 03491 442567, Fax: -442583 E-Mail: [email protected] Dr. Norbert Mönter Tegeler Weg 4, 10589 Berlin Tel.: 030 3442071, Fax: -84109520 E-Mail: [email protected] Dr. Karl-Otto Sigel Hauptstr. 2, 82008 Unterhaching Tel.: 089 4522 436 20 Fax: -4522 436 50 E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Gereon Nelles Werthmannstr. 1, 50935Köln Tel.: 0221 7902161, Fax: -7902474 E-Mail: [email protected] Dr. Helmut Storz Stieglitzweg 20, 66538 Neunkirchen Tel.: 06821 13256, Fax: 13265 E-Mail: [email protected] Dirk Neubert Bärwinkelstr. 33, 99310 Arnstadt Tel.: 03628 602597, Fax: 582894 E-Mail: [email protected] Dr. Roland Urban Turmstr. 76 a, 10551 Berlin Tel.: 030 3922021, Fax: -3923052 E-Mail: [email protected] Dr. Martin Paul Bergstr. 26, 15907 Lübben Tel.: 03546 2256988 E-Mail: [email protected] Dr. P. Christian Vogel Agnesstr. 14/III, 80798 München Tel.: 089 2730700, Fax: -27817306 E-Mail: [email protected] Dipl. med. Delia Peschel Fröbelstr. 1, 03130 Spremberg Tel.: 03563 52213, Fax: -52198 E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Claus-Werner Wallesch Neurol. Klinik, Am Tannenwald 1 79215 Elzach Tel.: 07682 801870, Fax: -801866 E-Mail: [email protected] Dr. Walter Raffauf Dircksenstr. 47, 10178 Berlin Tel.: 030 2832794 Fax: -2832795 Dr. Christian Raida Urbacher Weg 31, 51149 Köln Tel.: 02203 560888, Fax: 503065 E-Mail: [email protected] Dr. Gerd Wermke Talstr. 35–37, 66424 Homburg Tel.: 06841 9328-0, Fax: -9328-17 E-Mail: [email protected] Dr. Elisabeth Rehkopf Bischofsstr. 30, 49074 Osnabrück Tel.: 0541 8003990, Fax: -80039920 E-Mail: [email protected] Dr. Dr. habil. Paul Reuther ANR Ahrweiler, Schülzchenstr. 10 53474 Bad-Neuenahr-Ahrweiler Tel.: 02641 98040, Fax: -980444 E-Mail: [email protected] Dr. Richard Rohrer Kaiserstr. 3, 66386 St. Ingbert Tel.: 06894 4051, Fax: 06894 4021 E-Mail: [email protected] 73 Verbandsservice Kooperationspartner 1. Vertragliche Kooperationspartner der Berufsverbände 2. Politische Kooperationspartner der Berufsverbände Arbeitgemeinschaft ambulante NeuroRehabilitation (AG ANR) von BVDN und BDN Sprecher: Dr. Dr. Paul Reuther Schülzchenstr. 10, 53474 Ahrweiler E-Mail: [email protected] Bundesärztekammer (BÄK) Arbeitsgemeinschaft der deutschen Ärztekammern Herbert-Lewin-Platz 1 10623 Berlin Tel.: 030 4004 560 Fax: -4004 56-388 E-Mail [email protected] www.bundesaerztekammer.de Athene Akademie Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen Geschäftsführerin: Gabriele Schuster Traubengasse 15, 97072 Würzburg Tel.: 0931 2055526, Fax: -2055525 E-Mail: [email protected] Cortex GmbH Gut Neuhof Am Zollhof 2a, 47829 Krefeld Tel.: 02151 4546920, Fax: -4546925 E-Mail: [email protected] Deutsches Institut für Qualität in der Neurologie (DIQN) Schanzenstr. 27, Schlosserei 4 51063 Köln, Tel.: 0221 955615-95 Mobil: 0173 2867914 E-Mail: [email protected] Fortbildungsakademie Traubengasse 15, 97072 Würzburg Tel.: 0931 2055516, Fax: -2055511 E-Mail: [email protected] www.akademie-psych-neuro.de Vorsitzender: Dr. Gunther Carl, Würzburg QUANUP e.V. Verband für Qualitätsentwicklung in Neurologie und Psychiatrie e.V., Gut Neuhof Am Zollhof 2a, 47829 Krefeld Tel.: 02151 4546920, Fax: -4546925 E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected] www.quanup.de Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) Herbert-Lewin-Platz 2 10623 Berlin Postfach 12 02 64, 10592 Berlin E-Mail: [email protected] www.kbv.de Neurologie Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) Geschäftsführung: Dr. Thomas Thiekötter Reinhardtstr. 14, 10117 Berlin www.dgn.org Fortbildungsakademie der DGN Geschäftsführung: Karin Schilling Neurologische Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf Martinistr. 52, 20246 Hamburg E-Mail: [email protected] Bundesverband Ambulante NeuroRehabilitation e. V. (BV ANR) Am Zollhof 2a, 47829 Krefeld Tel.: 02151 4546920, Fax: -4546925 E-Mail: [email protected] www.bv-anr.de Deutsche Gesellschaft für Neurologische Rehabilitation (DGNR) 1. Vorsitzender: Prof. Dr. Eberhard König Neurologische Klinik Bad Aibling Kolbermoorstr. 72 83043 Bad Aibling Tel.: 08061 903501, Fax: -9039501 E-Mail: [email protected] www.dgnr.de Bundesverband NeuroRehabilitation (BNR) Vorsitzender: Rolf Radzuweit Godeshöhe, Waldstr. 2– 10 74 53177 Bonn-Bad Godesberg Tel.: 0228 381-226 (-227) Fax: -381-640 E-Mail: [email protected] www.bv-neuroreha.de Gesellschaft für Neuropsychologie (GNP) e. V. Geschäftsstelle Fulda Postfach 1105, 36001 Fulda Tel.: 0700 46746700 Fax: 0661 9019692 E-Mail: [email protected] www.gnp.de Deutsche Gesellschaft für Neurotraumatologie und klinische Neurorehabilitation (DGNKN) Vorsitzender: Dr. Mario Prosiegel Fachklinik Heilbrunn Wörnerweg 30 83670 Bad Heilbrunn Tel.: 08046 184116 E-Mail: [email protected] www.dgnkn.de Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC) Alte Jakobstr. 77, 10179 Berlin Tel.: 030 284499 22 Fax: -284499 11 E-Mail: [email protected] www.dgnc.de Berufsverband Deutscher Neurochirurgen (BDNC) Alte Jakobstr. 77, 10179 Berlin Tel.: 030 284499 33 Fax: -284499 11 E-Mail: [email protected] www.bdnc.de Deutsche Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR) Straße des 17. Juni 114 10623 Berlin Tel.: 030 330997770 Fax: -916070-22 E-Mail: DGNR@Neuro radiologie.de www.neuroradiologie.de Psychiatrie Deutsche Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und -psy­ chotherapie e. V. (DGGPP) e.V. Postfach 1366, 51675 Wiehl Tel.: 02262 797683, Fax: -9999916 E-Mail: [email protected] www.dggpp.de Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie (DGKJP) Reinhardtstr. 14, 10117 Berlin Tel.: 030 28096519, Fax: -28096579 E-Mail: geschaeftsstelle@ dgkjp.de, www.dgkjp.de Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland (BKJPP) Rhabanusstr. 3, 55188 Mainz Tel.: 06131 6938070 Fax: -6938072 E-Mail: [email protected] www.bkjpp.de Ständige Konferenz ärztlicher psychotherapeutischer Verbände (STÄKO) Brücker Mauspfad 601 51109 Köln Tel.: 0221 842523, Fax: -845442 E-Mail: [email protected] Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin e. V. c/o Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) der Universität Hamburg Martinistr. 52, 20246 Hamburg Tel. und Fax: 040 42803 5121 E-Mail: [email protected] www.dgsuchtmedizin.de/ Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention (DGS) Vorsitzender: Univ.-Doz. Dr. Elmar Etzersdorfer Furtbachkrankenhaus Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Furtbachstr. 6, 70178 Stuttgart Tel.: 0711 6465126, Fax: -6465155 E-Mail: [email protected] www.suizidprophylaxe.de Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) Reinhardtstr. 14, 10117 Berlin Tel.: 030 28096601/02 Fax: -8093816 E-Mail: [email protected] www.dgppn.de NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Vorschau / Impressum NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Abonnement: Die Zeitschrift erscheint 11-mal jährlich. Bestellungen nimmt der Verlag unter Tel.: 06221 345-4304, per Fax: 06221 345-4229 sowie auch über das Internet unter www.springerfachmedien-medizin.de und jede Buchhandlung entgegen. Das Abonnement gilt zunächst für ein Jahr. Es verlängert sich automatisch um jeweils ein Jahr, wenn dem Verlag nicht 30 Tage vor Ende des Bezugszeitraums die Kündigung vorliegt. Bezugspreise: Einzelheft 26 €, Jahres­abonne­ ment 216,58 € (für Studenten/AIP: 129,95 €) jeweils zzgl. 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Jede gewerblich hergestellte oder benutzte Fotokopie verpflichtet nach § 54 (2) UrHG zur Gebührenzahlung an die VG Wort, Abteilung Wissenschaft, Goethestr. 49, 80336 München, von der die Modalitäten zu erfragen sind. Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen etc. in dieser Zeitschrift berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu be­trachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen, Anwendungsgebiete und Applikationsformen von Medikamenten, für die Empfehlungen im Expertenrat sowie für Abrechnungshinweise kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Druck: KLIEMO Printing, Hütte 53, 4700 Eupen/Belgien © Springer Medizin Verlag GmbH ISSN 1436-123X geprüft Facharzt-Studie 2014 ©© A. Schramm Offizielles Organ des Berufsverbandes Deutscher Nervenärzte e. V. (BVDN), des Berufsverbandes Deutscher Neurologen e. V. (BDN) und des ­Berufsverbandes Deutscher Psychiater (BVDP) Herausgeber: Berufsverband Deutscher Nervenärzte e. V. (BVDN), 1. Vorsitzender: Dr. med. Frank Bergmann (fb), Kapuzinergraben 19, 52062 Aachen, Tel.: 0241 36330, Fax: -404972, E-Mail: [email protected] Geschäftsstelle BVDN, BDN, BVDP: D. Differt-Fritz, Am Zollhof 2a, 47829 Krefeld, Tel.: 02151 4546920, Fax: -4546925, ­ E-Mail: [email protected] Schriftleiter: Dr. med. Gunther Carl (gc) (v. i. S. d. P.), Friedenstr. 7, 97318 Kitzingen, Tel.: 09321 5355, Fax: 09321 8930, E-Mail: [email protected] Verlag: Springer Medizin Verlag GmbH, Berlin Ladungsfähige Anschrift und Kontaktdaten: Aschauer Str. 30, 81549 München, Tel.: 089 203043-1300, Fax: -203043-1400, www.springerfachmedien-medizin.de Inhaber- und Beteiligungsverhältnisse: Die alleinige Gesellschafterin der Springer MedizinVerlag GmbH ist die Springer-Verlag GmbH mit einer Beteiligung von 100 %. Die Springer-Verlag GmbH ist eine 100 %ige Tochtergesellschaft der Springer Science+Business Media GmbH. Die alleinige Gesellschafterin der ­Springer Science+Business Media GmbH ist die Springer Science+Business Media Deutschland GmbH, die 100 % der Anteile hält. Die Springer Science+Business Media Deutschland GmbH ist eine 100 %ige Tochtergesellschaft der Springer SBM Two GmbH. Die Springer SBM Two GmbH ist eine 100 %ige Tochter der Springer SBM One GmbH. Die Springer SBM One GmbH ist eine 100 %ige Tochter der Springer SBM Zero GmbH. An der Springer SBM Zero GmbH hält die Springer Science+Business Media G.P. Acquisition S. C. A., Luxemburg, 47 % der Anteile und die GvH Vermögensverwaltungsgesellschaft XXXIII mbH 53 % der Anteile. Geschäftsführer: Joachim Krieger, Fabian Kaufmann Leitung Zeitschriften Redaktion: Markus Seidl Ressortleitung: Dr. rer. nat. Gunter Freese Redaktion: Dr. rer. nat. Gunter Freese (Leitung), Tel.: 089 203043-1435, Fax: -203043-31435, E-Mail: [email protected], Dr. rer. nat. Carin Szostecki (-1346), Dr. rer. nat. Thomas Riedel (-1327), Thomas Müller, Monika Hartkopf (Chefin vom Dienst, -1409), Doris Gebhardt (Assistenz, -1450) Herstellung: Ulrike Drechsler (Leitung), Tel.: 06221 4878-662, Edda Führer (Layout) Corporate Publishing: Ulrike Hafner (Leitung), Tel.: 06221 4878-104, E-Mail: [email protected] Anzeigenverkauf: Peter Urban (Leitung), Tel.: 089 203043-1333, E-Mail: [email protected]) Zur Zeit gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 18 vom 1.10.2015. Vertrieb: Marion Horn (Leitung), Tel.: 06102 506-148 E-Mail: [email protected] Ausgabe 2/2016 Februar erscheint am 17. Februar 2016 Nerven- und Muskelultraschall Mit der technischen Fortentwicklung des Ultraschalls, hochauflösenden Schallköpfen und verbesserter B-Bildbearbeitung haben sich die Einsatzmöglichkeiten des Nerven- und Muskelultraschalls in der Neurologie deutlich erweitert. Eine Vielzahl von Studien belegen zudem die Wertigkeit dieser neuen, zur klassischen Neurophysiologie komplementären Methode. Therapiestrategien mit Ketamin Ketamin gilt als Option zur Behandlung therapieresistenter, uni- und bipolarer Depressionen. Es wird daher (off label) als direktes antidepressives Therapeutikum, als Augmentativum, aber auch als Anästhetikum bei der EKT eingesetzt. Ein neues Antipsychotikum? Neu und innovativ für Loxapin ist die Art seiner Anwendung. Ob sie im klinischen Alltag Vorteile oder eher Probleme mit sich bringt, kann heute noch nicht bewertet werden. 75