NeuroTransmitter 01/2016 - Berufsverband Deutscher Neurologen

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1
Januar 2016 _ 27. Jahrgang_www.BVDN.de
Offizielles Organ des Berufsverbandes Deutscher Nervenärzte (BVDN),
des Berufsverbandes Deutscher Neurologen (BDN)
und des Berufsverbandes Deutscher Psychiater (BVDP)
Medizinische Versorgung von Flüchtlingen
Leistungsanspruch und Finanzierung
oft unklar
Aktuelle ZIPP-Daten
Tendenz positiv
Psychiatrische Kriminaltherapie
Intervention als Risikomanagement
CME: Psychische Störungen
Internet- und mobilebasierte Intervention
NeuroTransmitter-Telegramm 1/2016
Exklusiv für alle Mitglieder der Berufsverbände
„Update EBM IV: Fachübergreifende Leistungen
Kapitel 30“
BVDN
BDN
BVDP
» In diesem Jahr finden Neuwahlen in den Kassenärztlichen
­Vereinigungen statt. Stärken Sie unseren Fachgruppen den Rücken
und wählen Sie Nervenärzte, Neurologen und Psychiater in unsere
Parlamente! «
Dr. med. Frank Bergmann, Aachen
Vorsitzender des BVDN
Mehr gestalten als verwalten!
G
ibt es so etwas wie Hellsehen? Ja, – antwortet das Internet –
das ist tatsächlich möglich. Seit es Menschen gibt, gibt es
auch Voraussagen über Ereignisse sowie Hellseher oder Personen, die teilweise sehr genau sagen können, was früher oder später in einem konkreten Zusammenhang geschehen wird oder
könnte. Um die zukünftigen Entwicklungen und damit einhergehende Probleme im Gesundheitswesen prognostizieren zu
können, braucht es allerdings keine übersinnlichen Fähigkeiten,
sondern exakte Daten und Fakten.
Professor Fritz Beske, Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen und Staatssekretär a. D., hat im September 2015 das Buch
„Perspektiven des Gesundheitswesens – Geregelte Gesundheitsversorgung im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft“ veröffentlicht. Basierend auf aktuellen epidemiologischen Daten und aktuellen Zahlen des statistischen Bundesamtes skizziert er die Bevölkerungsentwicklung sowie Krankheitshäufigkeiten und Versorgungsbedarfe in den nächsten Jahrzehnten und beschreibt
den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen sowie die zukünftigen Versorgungsnotwendigkeiten Pflegebedürftiger: „Das Gesundheitswesen steht vor einschneidenden Veränderungen. Dabei geht es weniger um die einzelne Zahl oder eine bestimmte
Prognose, es geht um Größenordnungen und Entwicklungstendenzen. Alles spricht dafür, dass der Versorgungsbedarf steigt
und das die Möglichkeiten zur Deckung dieses Bedarfes sinken,
finanziell und personell. Die Schere zwischen Bedarf und Möglichkeiten der Bedarfsdeckung geht so weit auseinander, dass der
heutige Leistungsumfang nicht mehr finanziert werden kann
und das Fachpersonal fehlt. (…)“
Kritisch beschreibt Beske die Situation der Krankenhausversorgung und weist darauf hin, dass es in Deutschland im internationalen Vergleich eine überproportional hohe Zahl an Krankenhausbetten gibt, was auf ein Potenzial für mehr ambulante
und weniger stationäre Versorgung hinweise. Kein Euro dürfe
in ein Krankenhaus fließen, das keine Zukunft habe. Kurz und
bündig auch sein Vorschlag zur Versorgung ländlicher Räume:
„Die Zielvorgabe kann daher nicht lauten: Sicherstellung einer
wohnortnahen Versorgung; die Zielvorgabe muss lauten: Die
Versorgung sicherstellen.“
Unmissverständlich regt Beske auch eine Diskussion über
Leistungseinschränkungen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) an. Kein gutes Haar lässt er an der aktuellen Vergütung ärztlicher Leistungen von Vertragsärzten in der ambulanten ärztlichen Versorgung. Der Arzt benötige mehr Zeit, nicht
NeuroTransmitter 2016; 27 (1) nur für chronisch kranke und multimorbide ältere Patienten,
sondern auch für aufgeklärte und digital informierte Patienten
mit einem großen Informationsbedürfnis. Oft müsse ein Patient
nicht davon überzeugt werden, welche Krankheit er habe, sondern davon, welche Krankheit er nicht habe. Der Beratungsaufwand steige. Beskes Vorschlag: „In der gesetzlichen Krankenversicherung wird die pauschalierte Vergütung ärztlicher Leistungen durch eine Einzelleistungsvergütung abgelöst. Nur auf diesem Weg ist eine leistungsbezogene und transparente Vergütung
möglich. (…)“
Seit Jahren und in mehr als 100 Veröffentlichungen präsentiert
Beske Zahlen und Fakten, über die Politiker nur ungern öffentlich sprechen. Seit 1975 arbeitete er wissenschaftlich in dem von
ihm gegründeten Institut für Gesundheitssystemforschung in
Kiel, das zwischen 1983 und 2004 Kooperationszentrum der
WHO war. Zentrales Thema seiner anerkannten Forschung ist
immer auch die Zukunft der GKV gewesen, insbesondere Fragen der Finanzierbarkeit und der Neubestimmung des Leistungskataloges. Und so schätzt nicht jeder die Analysen des
mehrfach ausgezeichneten Kieler Professors, der feststellt: „(…)
dass die Anforderungen an Leistungen der GKV erheblich steigen, was drei Konsequenzen haben kann: höhere Beitragssätze,
Leistungseinschränkungen und/oder Steuermittel. Anders sieht
das Bundesgesundheitsmister Gröhe, der trotz eines Defizits bei
den Krankenkassen und beim Gesundheitsfond die Finanzlage
des GKV-Systems als ‚unverändert stabil‘ bewertet.“
Beskes Credo für die Kassenärztlichen Vereinigungen: Mehr
gestalten statt verwalten! In diesem Jahr finden Neuwahlen in
den Kassenärztlichen Vereinigungen statt. Stärken Sie unseren
Fachgruppen den Rücken und wählen Sie Nervenärzte, Neurologen und Psychiater in unsere Parlamente!
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein gutes und erfolgreiches neues Jahr 2016!
Ihr
3
Inhalt 1 Januar 2016
3 Editorial
Mehr gestalten als verwalten!
©© mekcar / Fotolia.com
Frank Bergmann, Aachen
12 Willkommen im Anthropozän
Der Einfluss des Menschen auf die Entwicklung der Erde
ist so tiefgreifend, dass Klimaforscher vorschlagen, das
gegenwärtige Zeitalter als „Anthropozäns“ zu bezeichnen. Der gesellschaftliche wie auch der individuelle
Umgang mit tiefgreifenden krisenbedingten Ängsten
und dem Gefühl der Ausweglosigkeit und deren mentaler
Bewältigung wurde auf einer Tagung der Evangelischen
Akademie Tutzing diskutiert.
Die Verbände informieren
6Honorar-, Kosten- und Überschuss­entwicklung –
Tendenz positiv
Aktuelle ZIPP-Daten unter der Lupe
Frank Bergmann, Aachen, Gunther Carl, Kitzingen,
Christa Roth-Sackenheim, Andernach, Uwe Meier, Grevenbroich
10 Gesundheitspolitische Nachrichten
GOÄ-Reform: Sonderärztetag Ende Januar in Berlin
Sachverständigenrat übergibt Sondergutachten:
Steuerungsmöglichkeiten für steigendes Krankengeld
Ersatzvornahme des BMG unterwirft KBV: KBV-VV
muss Parität zwischen Haus- und Fachärzten
festlegen
Gunther Carl, Kitzingen
Rund um den Beruf
21 Ambulante Versorgung von Flüchtlingen
In unserer Serie „Praxisprobleme: Sie fragen – wir ant­
worten!“ fasst Dr. Gunther Carl zusammen, wie sich die
bürokratische Abwicklung und Leistungshonorierung der
ambulanten Versorgung je nach Flüchtlings- oder Asyl­
status gestaltet und gibt Empfehlungen für die
Vertragsarztpraxis.
12 Der tragische „Sieg“ der Großhirnrinde
Ökologie und Humanität im Anthropozän
Andreas Meißner, München
19 Woher kommt die Gewalt?
Roland Urban, Berlin
20 Risikoanalyse: Drohungen richtig bewerten
Thomas Müller, Neu-Isenburg
21 Ambulante Versorgung von Flüchtlingen
Leistungsanspruch und Finanzierung oft unklar
Aus der Serie „Praxisprobleme“: Sie fragen – wir
antworten
Gunther Carl, Kitzingen
Titelbild (Ausschnitt): „The Alphabet of New Plants“:
Poa pratensis/Wiesen-Rispengras von Robert Voit
4
= Dieser Beitrag ist ein Titelthema.
NeuroTransmitter 2016; 27 (1)
Fortbildung
24 Psychiatrische Kriminaltherapie im Maßregelvollzug
Intervention als Risikomanagement
Rüdiger Müller-Isberner, Sabine Eucker, Haina, Thomas Wolf, Marburg
30 Sozialpsychiatrische Versorgung
Versorgungskosten nicht primär durch
Krankheitsschwere bedingt
Andreas Kinadeter, Regensburg
37 Chloroquinassoziierte psychotische Störung
Psychiatrische Kasuistik
Carolin Laqua, Michael Kaczmarczyk, Eike Ahlers, Francesca Regen,
Eric Hahn, Berlin
40 Eingliederungshilfe
Ergebnisqualität im Fokus der Sozialpsychiatrie
Ingmar Steinhart, Anja Höptner, Greifswald
48 CME Online-Behandlung
Internet- und mobilebasierte Intervention bei
psychischen Störungen
Sarah Paganini, Jiaxi Lin, Freiburg, David Daniel Ebert, Erlangen-Nürnberg,
Lüneburg, Harald Baumeister, Ulm
48 Online-Behandlung psychischer Störungen
Internet- und mobilebasierte Interventionen (IMI) für psychische Störungen sind meist Selbsthilfeprogramme, deren
Einsatzmöglichkeiten von Prävention, über die Behandlung
bis zur Nachsorge reichen. Ihre Wirksamkeit ist in zahlreichen
Studien belegt, auch im Vergleich zur Psychotherapie im klassischen Setting. Hinderlich für die Implementierung in
Deutschland sind hauptsächlich berufs- und datenschutzrechtliche Einschränkungen sowie ethische Bedenken.
54 CME Fragebogen
Journal
62 PSYCHOPATHOLOGIE IN KUNST & LITERATUR
Die Obsessionen des Georges Simenon
Der Roman „Die Ferien des Monsieur Mahé“
Gerhard Köpf, München
68 NEUROTRANSMITTER-GALERIE
Die Ästhetik künstlicher Welten
Fotografien von Robert Voit
Angelika Otto, München
23
56
65
68
70
75
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Offizielles Organ des
Berufsverbandes Deutscher Nervenärzte (BVDN),
des Berufsverbandes Deutscher Neurologen (BDN) und
des Berufsverbandes Deutscher Psychiater (BVDP
BVDN
NeuroTransmitter 2016; 27 (1) BDN
BVDP
5
Die Verbände informieren
Aktuelle ZIPP-Daten
Honorar-, Kosten- und Überschuss­
entwicklung – Tendenz positiv
Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (ZI) erhebt jährlich im Rahmen
des ZI-Praxis-Panels (ZIPP) bei Kassenärzten Daten zur wirtschaftlichen Situation. Dabei werden Kosten,
­Einnahmen und Jahresüberschuss differenziert ermittelt.
Z
ielsetzung und Auftrag des ZIPP ist
es unter anderem, die Entwicklung
der Investitions- und Betriebskosten sowie der wirtschaftlichen Situation der
Vertragsärzte/-psychotherapeuten verlässlich zu beschreiben, Transparenz zur
Wirtschaftslage und zu wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen herzustellen und
Allgemeinmedizin
Kinder- u. Jugendmedizin
Psychotherapie
HNO/Phoniatrie/Pädaudiologie
Chirurgie
Dermatologie
Orthopädie
Augenheilkunde
Gynäkologie/Endokrinologie/
Reproduktionsmedizin
Psychosomatik
Urologie
Kinder- u. Jugendpsychiatrie
u. -psychotherapie
Nervenheilkunde
Psychiatrie
Neurologie
Anästhesiologie
Innere Medizin (fachärztlich)
Rehabilitative Medizin
Radiologie
Nuklearmedizin
Strahlentherapie
https://www.zi-pp.de/
Neurochirurgie
Humangenetik
Pathologie
0
20
40
60
80
100
Prozent
Abb. 1: Rücklaufstatistik des ZIPP 2015 (Stand: 17.11.2015). Werte über 100 % sind
möglich, da ausgehend von der Zahl der angeschriebenen Praxen ein prozentualer
Teilnehmerzielwert definiert wurde, der auch überschritten werden konnte.
6
120
auch regionale sowie Unterschiede zwischen und innerhalb der Fachgruppen
zu identifizieren und zu erklären. Nicht
zuletzt geht es darum, Analysen für die
Honorarverhandlungen der KVen und
kassenärztlichen Bundesvereinigung
(KBV) mit den Krankenkassen und deren Verbänden bereitzustellen. Die Befragungstechnik der Längsschnittbeobachtung erfordert die regelmäßige wiederholte Teilnahme mit Aktualisierung
der Angaben über einen längeren Zeitraum. Angeschrieben werden jährlich
die Panel-Praxen sowie weitere zufällig
ausgewählte Praxen aus dem Bundesarztregister. Die Stichprobenschichtung
erfolgt derzeit nach Fachgruppen entsprechend der Zulassung (Bundesarztregister) und nach Regionen (städtische,
ländliche, verstädterte Räume).
Zu den Angaben des Arztes gehören:
—Organisationsmerkmale
—Fachgebiet und Arbeitsumfang
—Versorgungstätigkeit und Leistungserbringung
—Personelle, räumliche und technische
Ausstattung
—Persönliche Bewertung
Angaben des Steuerberaters umfassen:
—Aufwendungen
—Einnahmen
—Wert des Anlagevermögens der Praxis
—Anteil der Eigenfinanzierung.
Die Daten der Ärzte und die, die Steuerberater über DATEV generiert haben,
werden streng anonymisiert ausgewertet, sofern eine statistisch hinreichende
Datenbasis erreicht wurde.
Die Rücklaufzahlen der verschiedenen Kassenärzte zeigten eine enorme
Spannbreite (Abb. 1). Allen, die sich an
NeuroTransmitter 2016; 27 (1)
Einkommensentwicklung
der Befragung beteiligt haben, ganz herzlichen Dank!
Ergebnisse aller Vertragsärzte und
-psychotherapeuten
Aus reiner GKV-Tätigkeit erzielten die
Ärzte je Praxisinhaber 2011 durchschnittlich einen Jahresgewinn von
110.000 € über alle Fachgruppen gerechnet. Dabei wird der Referenzwert von
106.000 €, der einem Oberarztgehalt
2007 entspricht, geringfügig überschritten. Dieser Referenzwert muss allerdings
um Inflation und mehrere Gehaltsanpassungen berichtigt werden, so dass er
inzwischen laut ZI bei 145.000 € liegen
müsste. Soll die niedergelassene GKVTätigkeit finanziell gleich attraktiv sein
wie die eines Oberarztes, so hätte der
Praxisüberschuss 2011 bei 145.000 € liegen müssen.
73 % der Einnahmen einer niedergelassenen Praxis stammen aus der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), bei
Hausärzten waren es 82 %. 20,9 % ihrer
Einnahmen erzielten niedergelassene
Ärzte aus der privaten Krankenversicherung (PKV), Hausärzte 14 %.
Bei der Berechnung des Gewinns aus
der GKV werden die ökonomischen Praxiskennzahlen auf reine GKV-Leistungen standardisiert. Zwischen 2009 und
2011 nahmen die Gesamtumsätze der
Praxisinhaber zwar um 2,1 % auf
276.000 € beziehungsweise nochmals um
1,9 % auf 281.000 € zu. Gleichzeitig stiegen jedoch die Praxiskosten jährlich um
2,5 %. Dadurch ergab sich 2010 bilanziert eine Steigerung von 0,8 %, 2011 jedoch eine Minderung des Gewinns um
0,7 %. Zwischen 2009 und 2011 erhöhten
sich die Personalkosten um 8,4 %, Material und Labor um 8 %, Versicherungen
und Gebühren um 7 %. Betrachtet man
die einzelnen Fachgruppen, so zeigt sich
im neurologisch-psychiatrischen Bereich ein um 6 % gewachsener Jahresüberschuss. Dies entspricht nach Angaben des ZI auch einem erheblichen jahrelangen Nachholbedarf.
Bemerkenswert ist die Kostenstruktur
bei einem Vergleich zwischen Einzelund Gemeinschaftspraxen. Bei Hausärzten ergeben sich in Gemeinschaftspraxen erhebliche Synergieeffekte und damit ökonomische Vorteile. Fachärztliche
Gemeinschaftspraxen setzten offenbar
NeuroTransmitter 2016; 27 (1) eher auf Spezialisierung, dies führt zu
­einem höheren Kostenanteil (+ 26 %) als
in einer fachärztlichen Einzelpraxis.
Dennoch sind die Jahresüberschüsse je
Praxisinhaber in einer fachärztlichen
Gemeinschaftspraxis im Durchschnitt
aller Fachgruppen höher (+ 23 %) als bei
einer fachärztlichen Einzelpraxis, weil
insgesamt deutlich höhere Umsätze je
Praxisinhaber erzielt werden.
Zwischenzeitlich liegen auch Zahlen
für die Jahre 2010 bis 2013 vor. Zwar
nahmen die Umsätze durchschnittlich
über alle Fachgruppen nochmals um
5,8 % zu. Dabei stiegen allerdings die
Praxiskosten im gleichen Zeitraum um
7,6 %. Dies führt zu durchschnittlichen
Jahresüberschüssen je Praxisinhaber
von zirka 110.000 €. Nach Abzug von
Steuern, Altersvorsorge und Krankenkassenbeiträgen wurde ein fiktives monatliches Nettoeinkommen von 5.946 €
ermittelt. Wird nun der durchschnittliche Jahresgewinn auf die Arbeitszeit
von angestellten Ärzten heruntergerechnet (also 40 Stunden pro Woche), so
ergibt sich für diese Wochenarbeitszeit
ein Jahresgehalt von durchschnittlich
nur 85.000 €. Selbstständig niedergelassene Ärzte arbeiten jedoch bekanntermaßen durchschnittlich 55 Stunden pro
Woche.
Laut ZI gingen die Investitionen in
den Praxen deutlich zurück, was man
aus den Zahlen für Abschreibungen und
Aufwendungen für Leasing und Gerätemiete entnehmen kann. Um 13,5 % sank
die Abschreibungsrate zwischen 2010
und 2013, das heißt, es wurde weniger in
die Praxisausstattung investiert und es
wurden wesentlich weniger neue Geräte
angeschafft. Der Investitionsstau macht
auch der KBV große Sorgen. Von 2010
bis 2013 stiegen außerdem die Personalkosten erneut um 16,5 %, was ebenfalls
zu sinkenden Gewinnen führt.
Zahlen der Nervenärzte
Für die Gruppe der Nervenärzte zeigt
sich ein weiter stabiles und positives Bild
aus den Daten der aktuellen Umfrage
2014. Der Jahresüberschuss der beteiligten Nervenärzte stieg in den drei Jahren
von 2010 zu 2013 um rund 14 %, im Jahr
2013 sank der Jahresüberschuss – vor
dem Hintergrund gestiegener Aufwendungen gegenüber 2012 von 181.000 €
Die Verbände informieren
auf 178.000 €. Der Einnahmenanteil aus
der GKV betrug dabei 78 %.
Erhebliche Unterschiede zeigen sich in
den Aufwendungen der nervenärztlichen, psychiatrischen und neurologischen Praxen: In der psychiatrischen
Praxis errechnen sich die durchschnittlichen Aufwendungen mit 63.500 €,
Neurologen haben Aufwendungen in
Höhe von 122.570 € und Nervenärzte
von durchschnittlich 117.800 €. Die Unterschiede belegen die sehr differenten
Praxisbetriebsmodelle.
Zahlen der Psychiater und
Psychotherapeuten
Grundlage sind die beiden ZIPP-Fachgruppenberichte einmal auf Basis der
ersten Erhebung von 2009 bis 2011 und
zum anderen der Bericht 2014 mit differenzierten Wirtschafts- und Strukturkennzahlen bis 2013. Die vorliegenden
Erhebungen beziehen sich somit auf
­Daten aus den Jahren 2009 bis 2013 und
zeigen ein statistisch robustes Ergebnis.
Die ZIPP-Fachgruppenberichte beschreiben die Wirtschaftslage und wirtschaftlich relevante Rahmenbedingungen innerhalb der jeweiligen Fachgruppe. Hierzu wird zum einen hinsichtlich
der Schwerpunkte und Spezialisierungen und zum anderen nach regionalen
Aspekten und Umsatzgrößen unterschieden. Berichtet wird zu Einnahmen,
Ausgaben und Jahresüberschüssen, Patientenzahlen, Praxisfläche und Mietaufwendungen sowie zur Leistungsstruktur
und zur Arbeitszeit von Ärzten und des
nicht ärztlichen Personals.
Für die Fachgruppe der Fachärzte für
Psychiatrie und Psychotherapie können
aus den Zahlen der Jahre 2009 bis 2013
Rückschlüsse auf die Auswirkungen der
EBM-Änderungen auf die ambulante
psychiatrische Versorgung und die
Strukturbedingungen für die Psychiater
gezogen werden. Diese Jahre waren für
die Entwicklung des Honorars der Fachgruppe sozusagen schicksalhaft.
Zur Erinnerung: In 2005 wurde der
EBM 2000 plus mit den addierbaren
10-Minuten-Ziffern und den Betreuungsleistungen für Psychiater eingeführt. Ab dem dritten Quartal 2009
wurde die 10-Minuten-Gesprächsziffer
mit einigen anderen Leistungen, wie
etwa Schmerztherapie, Akupunktur, Po-
7
Die Verbände informieren
Einkommensentwicklung
lysomnografie und antragspflichtige
Psychotherapie zusätzlich als „freie Leistung“ gekennzeichnet. Damit war zunächst ein lange verfolgtes berufspolitisches Ziel unserer Verbände umgesetzt
worden. Es war immer unsere Forderung gewesen, dass die 10-Minuten-Gesprächsziffer nicht budgetiert und nicht
in ein Regelleistungsvolumen (RLV)
„versenkt“ gehört.
Da alle anderen Fachgruppen außer
den Psychiatern, Nervenärzten und Neurologen ihre freien Leistungen massiv
ausgeweitet hatten, wurden sämtliche
freien Leistungen im dritten Quartal 2010
wieder zurückgenommen. Gleichzeitig
war weiterhin gesetzlich im SGB V festgelegt, dass RLV zu bilden seien, weshalb
auch eine bundesweite Regelung der Honorarverteilung galt und in den regionalen Landes-KVen nur ein marginaler
Spielraum für die Honorarverteilung bestand. Die drei Berufsverbände konnten
damals nach reiflicher Überlegung
durchsetzen, dass in die RLV normativ
Gesprächsleistungen pro Fall „eingepreist“ wurden.
Der Zeitraum 2009 bis 2013 beschreibt
demzufolge einerseits eine berufspolitisch sehr wechselhafte und kritische Zeit
für die Ärzteschaft, in der es honorar­
politisch auch zu Umverteilungen kam.
Man erinnere sich an die Ärzte­demos
und Streiks. Andererseits bot sich für unsere Fachgruppe die bisher ein­
malige
Chance, bundesweit nachhaltige Honorarverbesserungen zu erreichen.
Was zeigen die Ergebnisse im Einzelnen? Die durchschnittlichen Praxiseinnahmen über alle psychiatrischen Praxen stiegen je Inhaber von 270.000 € in
2009 auf 288.000 € in 2013. Dabei sind
die Einnahmen derjenigen Praxen innerhalb dieser Gruppe besonders stark
gestiegen, die überwiegend psychiatrisch gearbeitet haben: von 180.000 € in
2009 auf 215.000 € in 2013. Ein gleichläufiger Trend zeigt sich bei den gemischt psychiatrisch und psychotherapeutisch tätigen Psychiatern (von
146.000 € auf 178.000 €). Die Einnahmen der überwiegend psychotherapeutisch tätigen Psychiater blieben nahezu
gleich oder sind tendenziell leicht gesunken (von 109.000 € auf 101.000 €),
wobei hier auch eine geringere wöchentliche Arbeitszeit zu berücksichtigen ist
(Tab. 1).
Doch sind Einnahmen nicht gleich
Überschuss: Bei den Psychiatern wächst
der Überschuss in den Jahren 2009 bis
2011 im Durchschnitt um etwa 11 %, im
Durchschnitt der anderen Fachgruppen
blieb er gleich. Im Einzelnen betrachtet
zeigt sich: Es stiegen insbesondere die
Überschüsse der überwiegend psychiatrisch tätigen Kollegen (von 107.000 € auf
131.000 €), gefolgt von den Fachärzten
für Psychiatrie und Psychotherapie, die
gemischt psychiatrisch und psychothe-
Tab. 1: Strukturmerkmale Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie 2011
je Arzt
Patientenzahlen
GKV-Fallwert 2011
Wochenarbeitszeit
in Stunden
Abwesenheitstage (Urlaub,
Krankheit,
Fortbildung)
Jahresarbeitszeit
nicht ärztliches
Personal/je Arzt
Tätigkeit
– gemischt
356
94
48
48
1.598 *
– überwiegend
psychiatrisch
697
61
56
41
1.889
– überwiegend
psychotherapeutisch
82
324
47
44
324 *
Durchschnitt
psychiatrische
Praxen
441
79
51
44
1.474
Alle Praxen aller
Fachgruppen
912
60
51
41
3.785
*geringe Anzahl an Praxen, Daten nicht voll belastbar
8
rapeutisch arbeiten (von 88.000 € auf
114.000 €). Die Überschüsse überwiegend psychotherapeutisch tätiger Psychiater blieben bis 2011 gleich (82.000 €)
und sanken von 2011 bis 2013 leicht ab
auf 75.000 €. Der Bericht gibt aber auch
Auskunft über Strukturmerkmale der
Tätigkeit der Fachärzte für Psychiatrie
und Psychotherapie (Tab. 1).
Zahlen der Neurologen
Zunächst einige Angaben zu den Versorgungskennzahlen in der ambulanten
Neurologie. Die durchschnittliche Fallzahl aller Praxen (also über alle Fachgruppen hinweg) betrug 2011 pro Arzt
und Quartal 912 und 894 im Jahr 2013.
Neurologen versorgten in diesen Jahren
mit 1.035 und 1.019 Patienten pro Quartal im Vergleich eine höhere Anzahl an
Patienten. Diese Zahl ist insofern bemerkenswert, da die Versorgung neurologischer Patienten ausgesprochen zeitaufwändig ist. Der Vergleich mit früheren
Statistiken von 1995 bis 2005 zeigt, dass
die Patientenzahlen kontinuierlich gestiegen sind. Weiterhin zeigen die ZIDaten, dass die durchschnittliche Wochenarbeitszeit mit 51 Stunden bei den
Neurologen gegenüber 48 Stunden bei
­a llen Fachgruppen ebenfalls überdurchschnittlich ist. Die Fehlzeiten sind hingegen mit 37 Abwesenheitstagen gegenüber 41 im Durchschnitt aller Praxen
unterdurchschnittlich.
Diese Zahlen bestätigen einerseits,
dass Neurologen ihren Versorgungsauftrag ernst nehmen, zum anderen, dass
diese Zahlen praktisch nicht mehr gesteigert werden können. Das lässt auch Rückschlüsse auf die Bedarfsplanung zu: Dem
erhöhten Versorgungsbedarf aufgrund
des demografischen Faktors, des medizinischen Fortschritts und des Zuweisungstourismus mussten die Neurologen
mit Fallzahlsteigerung begegnen. Um einen weiter steigenden Versorgungsbedarf
aufzufangen, muss die Bedarfsplanung
angepasst werden. Mit der Zwangsvergabe von Terminen über Servicestellen wird
dieses Problem nicht zu lösen sein. Die
Tatsache, dass der GKV-Anteil mit 90 %
ebenfalls überdurchschnittlich ist, beziehungsweise der Anteil an Privatpatienten
mit 6 % unterdurchschnittlich (10 % über
alle Praxen gerechnet), bestätigt diesen
Zusammenhang.
NeuroTransmitter 2016; 27 (1)
Die Verbände informieren
Anzeige
Einkommensentwicklung
Die durchschnittliche Patientenzahl
betrug 2013 auf dem Land 1.069 Patienten, im Umland 1.058 und in der Stadt
953. Diese Differenzen sind über die Jahre stabil und zeigen einen erhöhten Versorgungsdruck in ländlichen Regionen
an. Ein anderer Grund und damit verbunden sind möglicherweise höhere Spezialisierungsmöglichkeiten in der Stadt.
Erwartungsgemäß steigt das Honorar
mit den Fallzahlen. Neurologen in der
Einkommensklasse I haben eine durchschnittliche Patientenzahl von 1.248 und
eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 56 Stunden gegenüber 826 Patienten und 44 Stunden in der Einkommensklasse III.
Der hohen Versorgungsleistung von
GKV-Versicherten, die sich in überdurchschnittlichen Patientenzahlen und
Wochenarbeitszeiten sowie unterdurchschnittlichen Abwesenheitszeiten und
Privatpatientenanteil ausdrückt, steht
ein unterdurchschnittlicher Fallwert von
48 € gegenüber 60 € im Durchschnitt aller Praxen entgegen. Das ist zweifelsohne ungerecht, denn eine Annäherung an
die durchschnittlichen Jahresüberschüsse ist nur über hohe Patientenzahlen und
überdurchschnittliche Arbeitszeiten
möglich.
Die Vergütungskennzahlen der Neurologie zeigen folgendes: Neurologen
konnten von 2009 bis 2011 ihre Einnahmen wie in den vergangenen Jahren davor deutlich von 223.000 € auf 251.000 €
steigern. 2011 beinhaltet dies eine Steigerung von 11,6 % im Vergleich zum
Vorjahr. Vergleicht man die Steigerung
der Einnahmen aller Praxen, so ist hier
ein Anstieg von 270.000 € auf 281.000 €
zu verzeichnen, was einem Plus von
1,9 % im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Dies zeigt, dass Neurologen
2009 noch deutlich unterdurchschnittliche Honorare im Vergleich zu anderen
Fachgruppen hatten, aber diese Differenz aufgrund der überdurchschnittlichen Wachstumsraten deutlich geschrumpft ist, was einem stabilen Trend
der vergangenen Jahre entspricht. Im
Jahr 2012 konnten die Einnahmen nochmals um 7,3 % auf 269.000 € gesteigert
werden und sind 2013 mit 270.000 €
praktisch gleich geblieben.
Entscheidend in der Betrachtung sind
natürlich nicht die Einnahmen, sondern
NeuroTransmitter 2016; 27 (1) die Jahresüberschüsse. Auch bestätigt
sich ein stabiler Trend mit überdurchschnittlichen Wachstumsraten. Haben
Neurologen noch 2009 einen deutlich
unterdurchschnittlichen Jahresüberschuss von 113.000 € erwirtschaftet, sind
es bereits zwei Jahre später 141.000 €, was
einer Wachstumsrate nominal von
18,1 % gegenüber dem Vorjahr entspricht. Der Durchschnitt aller Praxen
hat hier ausgehend von einem deutlich
höheren absoluten Überschussniveau
nur eine Steigerung von 140.000 € auf
145.000 € zu verzeichnen. Die Differenz
schwindet demnach auch hier. Dieser
Trend hält bis 2013 an. 2012 erfolgte eine
Steigerung um 10,1 % auf 145.000 € und
2013 auf 147.200 €.
Die ZI-Daten sind aus methodischen
Gründen naturgemäß veraltet. Das ZI
publiziert in den Jahresberichten daher
auch immer eine Modellrechnung für die
Folgejahre. Hier wird eine nominale
Wachstumsrate von 2 % über alle Fachgruppen hinweg zugrunde gelegt. Demnach würden die Neurologen bis 2015
­einen Jahresüberschuss von 153.000 € gegenüber 151.000 € in allen Fachgruppen
erwirtschaften. Die Neurologen sind faktisch damit aus dem historischen Einkommenstief herausgekommen und bilden nicht mehr das Schlusslicht in der
Honorarskala. Gleichwohl sind diese Daten in Anbetracht der Versorgungsleistung und oben genannter Versorgungskennzahlen von einer leistungsgerechten
Vergütung weit entfernt. Wir hoffen daher, dass die Neurologen weiterhin überdurchschnittliche reale Wachstumsraten
verzeichnen können und sich die Daten
nach oben hin korrigieren. Eine entscheidende Neubewertung wird erforderlich
sein mit Einführung des neuen EBM,
mutmaßlich 2017. Die neurologischen
Berufsverbände haben hier mit der Neukalkulation des EBM und den Vorschlägen zur Einführung neuer EBM-Positionen entscheidende Vorarbeiten geleistet,
mit dem Ziel einer leistungsgerechteren
Vergütung.
AUTOREN
Dr. med. Frank Bergmann, Aachen
Dr. med. Gunther Carl, Kitzingen
Dr. med. Christa Roth-Sackenheim,
Andernach
Dr. med. Uwe Meier, Grevenbroich
9
Die Verbände informieren
Gesundheitspolitische Nachrichten
GOÄ-REFORM OHNE ENDE
Sonderärztetag Ende Januar in Berlin
In der ärztlichen Standes- aber auch in
der Laienpresse war in den letzten Wochen
häufiger von der Reform der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) die Rede. Viele Kollegen und Funktionsträger kritisierten die
nun schon beinahe zehn Jahre dauernde
Entwicklung und Meinungsbildung in verschiedensten Gremien und Entscheidungsinstanzen. Bekanntermaßen repräsentiert
die GOÄ den medizinischen und ökonomischen Leis­tungsstandard von 1996, in weiten Teilen sogar noch wesentlich ältere
Verhältnisse. Ein derartiger Zustand wäre
bei der Gebührenordnung beispielsweise
der Architekten (HOAI) oder der Rechtsanwälte (BRAGO) undenkbar.
Andererseits wurde die Intransparenz und
ungenügende Kommunikation der GOÄProblematik seitens der Bundesärztekammer zu Recht kritisiert. Die Bundesländer als
Kostenträger der Beihilfe wünschen sich
eine kostenneutrale GOÄ-Reform. Die privaten Krankenversicherungen mit dem
PKV-Verband gehen in eine ähnliche Richtung, möchten aber auch bei der fachlichen
und preislichen Ausgestaltung der einzelnen Leistungen mitsprechen. Sie gingen
sogar soweit, eine eigene private Gebührenordnung zu erstellen. Außerdem streben sie eine sogenannte Öffnungsklausel
an, also die Möglichkeit mit einzelnen oder
Gruppen von Leistungserbringern günstigere Preise abweichend von der GOÄ vereinbaren zu dürfen.
Die Bundesärztekammer entwickelte in
den letzten zehn Jahren mit sehr großem
Aufwand unter Einbeziehung der Fachgesellschaften und Berufsverbände auf Basis
einer standardisierten Kostenrechnung
und unter Berücksichtigung des durchschnittlichen Zeitaufwandes für alle ärztlichen Tätigkeiten eine Neukalkulation der
bisherigen und etlicher neuer Leistungen.
Das rechnerische und strukturelle Vorgehen hat starke Ähnlichkeiten mit der Entwicklung des seit etlichen Jahren gültigen
einheitlichen Bewertungsmaßstabes EBM
2000 plus für GKV-Versicherte. Geplant ist
ein robuster Einfachsatz der laut Bundesärztekammer preislich etwa dem jetzigen
2,3-fachen Satz entspricht. Dieser Preis soll
nur in besonderen Ausnahmefällen überschreitbar sein, der sich nach vorher festge-
10
legten Kriterien „aufgrund der objektiven
Schwere des Einzelfalls“ und nur noch um
den Faktor 2 erhöhen darf. Die möglichen
Begründungen hierfür werden mit Ein- und
Ausschlusskriterien vordefiniert sein. Es
wird ein zugrunde liegender Punktwert für
alle Leistungen definiert, der dann in regel­
mäßigen Tarifverhandlungen kontinuierlich angepasst werden kann.
Eine gemeinsame Kommission zwischen
Ärzteschaft (vier Vertreter der Bundesärztekammer), privaten Krankenversicherungen
(zwei Stimmen des PKV-Verbandes) und
Beihilfebehörden (zwei Delegierte) soll in
der Folge etwaige Leistungs- oder Preismodifikationen aushandeln. Die Kommission
soll Empfehlungen abgeben, um „Über- und
Unterbewertungen“ ärztlicher Leistungen
zu beseitigen, zulässige Begleitumstände
für die Anwendung des Steigerungssatzes
und Begründungsinhalte für die Steigerung
definieren, Behandlungsumstände identifizieren, „bei denen die Anwendung des
Steigerungssatzes nicht gerechtfertigt ist“,
und Hinweise zur analogen Anwendung der
GOÄ hinsichtlich neuer Behandlungs- und
Diagnoseverfahren geben. Antragsberechtigt sind je nach den Umständen die beteiligten Organisationen oder bei der Erweiterung der Positivliste auch einzelne Ärzte. Als
Basis hierfür ist ein Monitoring der Mengenund Preisentwicklung vorgesehen. Ärzte
dürfen nur Vergütungen für Leistungen
berechnen, „für deren Erbringung der Arzt
nach Maßgabe des Weiterbildungsrechts
grundsätzlich die fachliche Qualifikation
besitzt“. Außerdem sind „Lösungen zur
modellhaften Erprobung von Elementen
zur Verbesserung der Versorgungsstruktur“
vorgesehen.
Ein wichtiges Anliegen der GOÄ-Reform
war erklärtermaßen unter anderem auch
die Förderung der sprechenden Medizin.
Beim jüngsten Ärztetag 2015 wurde im
Übrigen beschlossen, dass psychologische
Psychotherapeuten und psychologische
Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten nicht mehr aus dem Kapitel G der
GOÄ abrechnen können. Letztendlich ist
aber klar, dass das Bundesministerium für
Gesundheit die endgültige Entscheidungsbefugnis zum in Kraft setzen einer neuen
GOÄ hat. Zwischenzeitlich hatte der PKV-
Dr. med. Gunther Carl, Kitzingen
Stellvertretender Vorsitzender des BVDN
»Der Vorstand der Bundesärztekammer bezeichnete die
anstehende Novellierung der
GOÄ richtigerweise als
‚Jahrhundertchance‘ für
die Ärzte.«
Verband die bisherigen Ergebnisse der
Verhandlungen an das Bundesministerium
für Gesundheit übergeben und damit offiziell das Verfahren zu einer GOÄ-Rechtsverordnung eröffnet.
Bei den Zahnärzten hatte die Reform der
Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) zu
einem zirka 9 %igen Ausgabenanstieg geführt, nachdem ursprünglich eine gesamte
GOZ-Erhöhung von etwa 6 % kalkuliert war.
Auf Basis dieses Informationsstandes kam
es in den letzten Monaten zu widersprüchlichen Äußerungen der beteiligten Institutionen was den Fortgang der Verhandlungen,
strukturelle GOÄ-Änderungen und die
Höhe der Leistungs- sowie der Gesamtkosten angeht. Die Unsicherheiten und Konflikte in diesem Rahmen gipfelten nun in einem
Antrag mehrerer Landesärztekammern
(Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg)
auf einen Sonderärztetag ausschließlich mit
dem Thema GOÄ, der voraussichtlich am­
23. Januar 2016 in Berlin stattfinden wird.
Eigentlich soll die neue GOÄ im Oktober
dieses Jahres in Kraft treten.
Kommentar: Der Vorstand der Bundesärztekammer bezeichnete die anstehende Novellierung der GOÄ richtigerweise als „Jahrhun-
NeuroTransmitter 2016; 27 (1)
Gesundheitspolitische Nachrichten
dertchance“ für die Ärzte. Den Fortgang der
Verhandlungen sollte man nun nicht mehr
aufhalten. Der ganz überwiegende Teil der
Sacharbeit und der Verhandlungssitzungen
ist geleistet. Dass einzelne Protagonisten die
zugegebenermaßen nun schon unerträglich
lange dauernden und intransparenten Reformbemühungen und Verhandlungen durch
plebiszitäre Eingriffe im Endeffekt möglicherweise noch weiter verzögern, ist mindestens
Die Verbände informieren
verwunderlich. Private Krankenkassen, Beihilfebehörden, Bundesgesundheitsministerium für Gesundheit, SPD, Grüne und Linke
freuen sich. Denn damit wird die Bürgerversicherung wahrscheinlicher.
gc
SACHVERSTÄNDIGENRAT ÜBERGIBT SONDERGUTACHTEN
Steuerungsmöglichkeiten für steigendes Krankengeld
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR) übergab Anfang Dezember 2015
sein neuestes Gutachten an Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe. Seit 2006
steigen die Ausgaben der Krankenkassen
für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
(Krankengeld) überproportional. Das Gutachten soll zu Entwicklung, Ursachen und
Steuerungsmöglichkeiten der Krankengeldsteigerung Stellung nehmen. Laut SVR ist
ein großer Anteil der Ausgabensteigerungen letztendlich auf die gute Wirtschaftsentwicklung mit höheren durchschnittlichen Erwerbseinkommen und auf mehr vor
allem ältere sozialversicherungspflichtig
Beschäftigte zurückzuführen. Auf Empfehlung des SVR soll eine „Teilarbeitsunfähigkeit“ eingeführt werden, wie sie bereits in
skandinavischen Ländern, ähnlich auch im
Vereinigten Königreich seit längerem üblich
ist. So können erkrankte Versicherte je nach
Gesundheitszustand und Beeinträchtigung
ihrer Arbeit teil- oder zeitweise nachgehen.
Je nach Dynamik des Gesundungsverlaufes
kann sich der Prozentsatz der Arbeitsunfähigkeit ändern. Krankengeld muss dann nur
noch für die Teil-Fehlzeiten bezahlt werden.
Der SVR beschäftigt sich auch mit besonders stark krankengeldrelevanten Arbeitsunfähigkeitsdiagnosen wie zum Beispiel
Rückenleiden und psychischen Erkrankungen. So könne beispielsweise durch frühe
Erstkontakte die psychiatrische Versorgung
verbessert werden. Empfehlung 10 des
Sachverständigenrates beschäftigt sich mit
der „Koordinierung der Behandlungswege
und Therapieangebote in der psychiatrisch-
psychotherapeutischen Versorgung (Ausbau gestufter Versorgungsmodelle, ambulantes Case-Management und Etablierung
früher Erstkontakte)“. Selektivvertragsmodelle mit Zugangsgarantien und insbesondere Akutsprechstunden oder auch
schwerefallabhängige Honoraranreize für
ambulante Therapeuten seien geeignete
Maßnahmen.
Kommentar: Genau ein solches Vertragsmodell haben wir als neuropsychiatrische Berufsverbände, mit Psychosomatikern und Psychologen in Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) seit längerem
als Bundesempfehlung erarbeitet. Wir können
nur hoffen, dass auch Krankenkassen das
neueste SVR-Gutachten lesen und mit uns ins
Gespräch kommen.gc
ERSATZVORNAHME DES BMG UNTERWIRFT KBV
KBV-VV muss Parität zwischen Haus- und Fachärzten festlegen
Das gab es noch nie. Erstmals in der
Geschichte der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen zwingt das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) zur
Umsetzung des Gesetzes. In § 79 (3a) SGB V
ist seit neuestem festgeschrieben, dass
zwischen Haus- und Fachärzten bei gemeinsamen Entscheidungen in der Vertreterversammlung der KBV (KBV-VV) insgesamt eine Parität zwischen den Stimmen
der Haus- und der Fachärzte bestehen
muss. Bei Abstimmungen mit hausärztlicher Thematik sollen nur Hausärzte abstimmen dürfen, bei fachärztlichen Angelegenheiten nur Fachärzte. Dies ist weitgehend
unstrittig. „Für gemeinsame Abstimmungen wird für jedes Mitglied der Vertreterversammlung eine gewichtete Stimme
NeuroTransmitter 2016; 27 (1) festgestellt, welche rechnerisch in Entsprechung zur Zahl der Mitglieder der Vertreterversammlung insgesamt und der Mitglieder seiner Versorgungsebene zugeordnet
werden. Die Zuordnung des Stimmgewichts erfolgt durch einen Quotienten für
jedes Mitglied der Versorgungsebene, gemessen an der Gesamtzahl der Mitglieder
seiner Versorgungsebene im Verhältnis zur
Gesamtzahl der Mitglieder in der Vertreterversammlung. Die Stimmengewichtung
und die Anzahl der Stimmen, die jedem
Mitglied zugeordnet werden, werden zu
Beginn einer Sitzung bekannt gegeben.“
Soweit der Gesetzestext im SGB V. Dreimal
hatten die von den Länder-KVen gewählten
Vertreter der Bundes-VV gegen eine solche
Satzungsänderung der KBV gestimmt, mit
Zweidrittelmehrheit.
Kommentar: Dass diese Bestimmung einer
künstlichen Hausarzt-Facharzt-Parität im
Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD fixiert und schließlich im Gesetz festgeschrieben
wurde, ist ein Erfolg des Hausärzteverbandes.
Mit welcher Legitimation eigentlich? Gröhe
setzt ihn jedenfalls um. Die Satzungsänderung
für diese Vorschrift wurde von der KBV-VV
mehrfach mit satter Mehrheit abgelehnt. Dies
kann bei insgesamt 60 Stimmen nur mit mindestens zehn Hausarztstimmen geschehen
sein. Offenbar stehen nicht alle Hausärzte
hinter ihrem Verband. Dennoch wird in Zukunft der Hausarzt einen Stimmenwert von 1,1
oder 1,2 in der KBV-VV haben, der Facharzt
jedoch nur 0,9 oder 0,8. Das erinnert an vordemokratische Zeiten und wirft die Frage nach
der Verfassungskonformität auf.
gc
11
Rund um den Beruf
Ökologie und Humanität im Anthropozän
Der tragische „Sieg“ der Großhirnrinde
Mit seinen spezifischen geistigen und kognitiven Fähigkeiten hat sich der neuzeitliche Mensch weit über
seine natürliche Umwelt gestellt und greift vernichtend in sie ein. Er bleibt aber weiter grundlegenden
Regulationsmechanismen von Ökosystemen unterworfen. Das führt zu unangenehmen Konsequenzen,
und zur Frage deren mentaler Bewältigung. – Ein kritischer Tagungsbericht.
I
m Jahr 2002 hatte der Chemie-Nobelpreisträger und Klimaforscher Paul
Crutzen in „Nature“ vorgeschlagen, dem
bisherigen Zeitalter Holozän das Zeitalter „Anthropozän“ folgen zu lassen [1].
Der Einfluss des Menschen auf die Entwicklung der Erde, so seine Argumentation, sei seit dem 19. Jahrhundert so tiefgreifend, dass dies geobiologisch Auswirkungen für Jahrtausende haben werde. Im Blick hatte er dabei insbesondere
den Klimawandel, zu denken wäre aber
auch an die sich beschleunigende Landübernutzung, die langfristige Lagerung
des Atommülls oder auch das aktuelle
sechste Artensterben [2]. Letzteres folgt
8
Weltbevölkerung
6
5
4
3
2
0
1750
1800
1850
1900
Jahr
1950
2010
Atmosphärische Konzentration (PPM)
Tausend km3
400
300
200
0
1750
Wasserverbrauch
3
OECD-Länder
BRICS-Staaten*
Andere
2
1
0
1750
12
Primärenergieverbrauch
100
1
4
Erde. Das verlange uns eine neue Qualität von Verantwortung ab.
Die Tagung „Ökologie und Humanität
im Anthropozän“ der evangelischen
Akademie Tutzing nahm sich vom 18.
bis 20. September 2015 solcher ethischer
Aspekte an. Der Historiker Franz Mauelshagen zitierte das vom Zoologen und
Philosophen Ernst Haeckel (dem späteren Wegbereiter der Eugenik und Rassenhygiene) schon 1868 so benannte
„anthropolitische oder anthropozoische
Zeitalter“: „Es könnte auch das Zeitalter
der Culturwälder oder der Gärten heißen, weil selbst auf den niedrigeren Stufen der menschlichen Cultur ihr umge-
500
Exajoule [EJ]
Milliarden
600
OECD-Länder
BRICS-Staaten*
Andere
7
©© Nach [3]; http://de.slideshare.net/IGBPSecretariat/great-acceleration-2015
den früheren großen fünf Artensterben,
die zumeist durch klimatische Veränderungen oder tektonische Verschiebungen ausgelöst wurden. Will Steffen stellt
in seinem „Anthropozän-Review“ fest,
dass seit 1950 die sozioökonomischen
und ökologischen Indikatoren für den
globalen Wandel wie beispielsweise die
Zunahme der Weltbevölkerung, Anstieg
des Energieverbrauchs, Überfischung
der Meere, Ozonanstieg in der Stratosphäre eine ganz extreme Beschleunigung erfahren (Abb. 1) [3]. Der Begriff
des Anthropozäns, so Crutzen kürzlich
[4], beschreibe die Schuld des Menschen
an den ökologischen Gefahren für die
1800
1850
1900
Jahr
1950
2010
390
1800
1850
1900
Jahr
1950
2010
CO2
Abb. 1: Vier Beispielgrafiken aus
dem Anthropozän-Review von
Will Steffen, die den globalen
Wandel seit 1750 und dessen
enorme Beschleunigung seit den
1950er-Jahren zeigen.
*BRICS-Staaten: Brasilien, Russland,
Indien, China, Südafrika
360
330
300
270
1750
1800
1850
1900
Jahr
1950
2010
NeuroTransmitter 2016; 27 (1)
Ökologie und Humanität im Anthropozän
staltender Einfluss sich bereits in der
­Benutzung der Wälder und ihrer Erzeugnisse, und somit auch in der Physiognomie der Landschaft bemerkbar
macht.“ [5] Der Mensch wirkt demnach
als geologische Kraft, vergleichbar mit
nichtmenschlicher Aktivität wie etwa
Vulkanismus oder Erdplattenverschiebung. Speziell gemeint ist nach Mauelshagen der Homo sapiens, der bis zum
Übergang vom Jäger und Sammler zur
Landwirtschaft vor über 10.000 Jahren
schon andere Unterarten wie den Neandertaler, Homo erectus oder den Rotwildhöhlenmenschen hinter sich gelassen oder an den Rand gedrängt hat.
Nutzung der Natur durch
Lebewesen
Auswirkungen eines sich aktuell ähnlich
vollziehenden Übergangs schilderte Volker Sommer, Professor für Evolutionäre
Anthropologie am University College
London, am Beispiel der Nomaden Nigerias, die nun sesshaft werden und Rinderherden züchten, dafür aber Urwald
abholzen und abbrennen. Dies wiederum verursacht Erosionsfelder und beeinträchtigt die Wasserversorgung, da die
wasserhaltende Funktion des Waldes
nicht mehr gegeben ist. Hinzu kommt
die dort noch stattfindende Bevölkerungsexplosion mit durchschnittlich
acht Kindern pro Frau. Die Population
der im letzten größeren Urwaldgebiet
Nigerias lebenden Schimpansen und
Gorillas hat bereits rapide abgenommen.
Die stetig wachsende Weltbevölkerung insgesamt, so Winfried Blum von
der Wiener Universität für Bodenkultur,
benötige zunehmend Raum, Nahrungsmittel und Energie, verliere aber immer
mehr fruchtbare Böden durch Versie­
gelung. Gleichzeitig ändere sich der
­Lebensstil, es steige die Nachfrage nach
individuellem Lebensraum, aber auch
nach Bioenergie. Nahrungsaufnahme
und Konsum seien übermäßig, während
jedoch 25 % der Lebensmittel in den
westlichen Ländern im Müll landen
würden. Weiter erfolge eine stärkere Bodenbeanspruchung durch mehr Getreideanbau, benötigt für den zunehmenden
Fleisch- und Milchhunger in der Welt.
Deutlich wird hierbei, wie der Mensch
die Ressourcen seiner Umgebung wie
Nahrung, Wasser und Raum zur BefrieNeuroTransmitter 2016; 27 (1) digung seiner Bedürfnisse nutzt: Dies
führt zur Entnahme von Rohstoffen, zu
Eingriffen und auch Schädigung der jeweiligen Umwelt. Der 90-jährige Professor Wolfgang Haber, emeritierter Lehrstuhlinhaber für Landschaftsökologie in
Weihenstephan bei München, auf den
die folgenden Überlegungen zurückgehen und der auch mit spezieller Würdigung seines Werkes im Zentrum der Tagung stand, sieht dies als grundsätzlichen Trieb im Umgang mit der Natur,
der allen Lebewesen, nicht nur dem
Menschen, eigen ist. Als weiteres Grundstreben nennt er den Schutz der eigenen
Existenz wiederum vor der Natur, etwa
bei der Gefahr, als Nahrung zu dienen
oder klimatisch bedroht zu sein, aber
auch beim Versuch, Konkurrenz zu
überwinden. Dementsprechend konkurriert auch der Mensch zur Erfüllung seiner Primärbedürfnisse (Abb. 2, links)
mit allen nichtmenschlichen Lebewesen
um die Naturressourcen für seine spezielle Umwelt, von deren „Leistungen“ er
lebt. Andere Lebewesen haben wiederum ihre eigenen „Umwelten“, derer es
somit unzählige in der „Natur“ gibt.
Spezielle Triebkräfte und
Bedürfnisse des Menschen
Während die Befriedigung der genannten, vielfältig miteinander verflochtenen
ökologischen Grundbedürfnisse evolutionär bedingt beim Menschen eher vom
Stammhirn gesteuert wird, hat dieser zusätzlich, so Haber, einzigartige geistige
Fähigkeiten, die in der Großhirnrinde zu
orten sind und miteinander sowie mit
den Primärbedürfnissen in lebhafter
Wechselbeziehung stehen (Abb. 2,
rechts). Damit aber schafft er sich eine
zusätzliche „mentale oder humanitäre
Umwelt“, die mit der allgemeinen Umwelt nicht vereinbar ist. Er ist daher ein
Doppelwesen, und genau das kennzeichnet seiner Ansicht nach das Anthropozän. Als dieses Sonderwesen, so Haber,
hat der Mensch Triebkräfte, die anderen
Lebewesen fehlen, etwa die stete Suche
nach immer vollkommeneren technischen Problemlösungen, so dass der
Computer der Moderne fast schon als
Nachfahre des steinzeitlichen Faustkeils
angesehen werden kann. Andere Lebewesen dagegen sind „technisch“ immer
auf dem gleichen Stand geblieben. Als
Rund um den Beruf
weitere urmenschliche Triebkraft ist –
völlig wertfrei – der stete Drang zum
„Mehr“ zu nennen, also besser, höher
oder schneller zu sein, beziehungsweise
gesünder und zufriedener zu werden
und damit auch länger zu leben – etwas,
was auch die Medizin stets zu erreichen
versucht. Dazu kommt die rationale,
nach ökonomischen Gesichtspunkten
ausgerichtete Nutzung der Natur.
Unangenehme Folgen
grundlegender Prinzipien
Das so oft gepriesene „Leben im Einklang mit der Natur“ ist damit aber
kaum mehr möglich. Gerade für die Entwicklung und den Ausbau der Landwirtschaft, so Haber, wurden zwangsläufig
natürliche Lebensgrundlagen vernichtet
– etwa durch Waldrodung für Weiden
und Äcker –, was sich nicht rückgängig
machen lässt. Auch weist er nüchtern darauf hin, dass wir nicht – wie so oft gewünscht – die menschliche Gesellschaft
nach den Grundsätzen der Organisation
des Lebens in der Natur, also „ökologisch“ gestalten können. Vielmehr widerstreben wir mit unserem Bedürfnis,
die Dinge selbst zu regeln, diesem sich
selbst organisierenden System (der Psychiater weist an dieser Stelle gerne auf
den offenbar ebenso urmenschlichen
Autonomie-Abhängigkeits-Konflikt
hin) und versuchen unsere humanitären
Grundsätze wie etwa die Gerechtigkeit,
Gleichrangigkeit und Würde betreffend,
wiederum auf die Natur zu übertragen.
Der Kampf gegen das Artensterben ist
Ausdruck davon. Interessanterweise ist
das Anliegen des Naturschutzes stärker
im städtischen Bereich verankert, deren
Bewohner sich immer mehr von der
„Natur“ entfernt und Flächen versiegelt
haben, die jedoch von den Erzeugnissen
des sie umgebenden Landes abhängig
sind (Primärbedürfnis Nahrung!), wofür weiter rationelle Landwirtschaft not-
Ausstellungstipp
Die Sonderausstellung „Willkommen
im Anthropozän. Unsere Verantwortung
für die Zukunft der Erde“ im Deutschen
Museum in München läuft noch bis zum
30. September 2016.
13
Rund um den Beruf
wendig ist, die wiederum erheblich in
die Umwelt eingreift.
All das führt zu unbequemen Einsichten, so Haber: „Humanität (Ethik, Gerechtigkeit, individuelle Rechte, Gleichrangigkeit, Würde, Werte) und Ökologie
(Organisation des nichtmenschlichen
Lebens) sind unvereinbar. Die Übertragung humanitärer Prinzipien auf die Organisation allen Lebens auf der Erde
(z. B. Erhaltung biologischer Vielfalt)
wird scheitern – sie gelingt ja nicht einmal innerhalb der Menschheit selbst.
Stattdessen werden die ökologischen
Selbstregelungen auf die menschliche
Population übergreifen, ohne dass diese
es verhindern kann.“
Hilflose Ethik
Spätestens ab diesem Zeitpunkt der Tagung kehrte Nüchternheit ein, die folgenden Referate schafften es nicht, Habers ernsthaften Wunsch zu erfüllen,
­w iderlegt zu werden. Die Ethikerin Uta
Eser wies zu Recht darauf hin, dass der
Gegensatz Mensch versus Natur überholt sei und die Sicht des Menschen
beziehungsweise der Menschheit als
­
Schädling, invasive Art oder gar Zeitbombe einem zu negativen Menschenbild entsprechen würde. Letztlich zeigte
aber auch sie drei Grundprobleme heu-
tigen menschlichen Daseins auf, nämlich die Überbevölkerung, den Über­
konsum und die ungerechte Verteilung
der Güter. Sie forderte eine Reduktion
des ökologischen Fußabdruckes der
Weltbevölkerung wie auch der globalen
Ungleichheiten. Schließlich würden
20 % der Weltbevölkerung 80 % aller Güter und Dienstleistungen produzieren
und konsumieren, und dabei aber auch
mehrheitlich die entsprechenden CO2Emissionen verursachen. Das gegenwärtige Modell verfolge das Ziel, den zur
Verfügung stehenden Kuchen einfach zu
vergrößern unter dem Motto, „alle bekommen mehr“, dies aber in Missachtung planetarischer Grenzen. Also bleibe nur eine dramatische Reduktion des
Ressourcenverbrauchs bei den erwähnten überkonsumierenden 20 %. Die Antwort, wie das zu erreichen wäre, blieb sie
schuldig.
Auch Markus Vogt vom Lehrstuhl der
christlichen Sozialethik München und
Senior Fellow des Rachel Carson Center,
konnte nicht viel weiterhelfen. Er wies
nochmals darauf hin, dass heute Humanität nicht mehr ohne ökologische Dimension definierbar sei. Er schlug die
spezielle Beachtung der Lebensräume
vor, in denen sich die Beziehung von
Mensch und Natur vollziehe. Der
Human-ökologische Umwelt
(Großhirnrinde)
Wärme
Macht
Sicherheit
Luft
Lebewesen
Wasser
Mensch würde grundsätzlich in Beziehungen denken, diese seien sozial, aber
eben auch ökologisch. Heinrich Spanier
vom Bundesministerium für Umwelt,
Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit,
wies hierzu ergänzend auf den V
­ orschlag
des Entschleunigungsspezialisten Hartmut Rosa hin, der die Natur als Resonanzraum sieht, als Raum, in dem Menschen zu sich selbst finden könnten.
Auch sei der Zugang der Kinder zur
­Natur in vielfältiger Weise für ihre Entwicklung erforderlich. Jetzt aber sei die
Zerstörung dieser Resonanzsphäre zu
befürchten. Nur als Homo o
­ ecologicus
habe Homo sapiens eine Zukunft, so
Vogt, – der Weg dahin aber blieb offen.
Stattdessen zeigte Claudio Caviezel
vom Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag ein
weiteres Dilemma der aktuellen Situation auf, indem er – wiederum völlig
nüchtern und nahezu wertfrei – gezielte
technische Interventionen in das Klimasystem, um die globale Erwärmung zu
bremsen, erläuterte. Maßnahmen des
„Climate Engineering“ wie die Ozeandüngung, das Einbringen von Schwefel
in die Atmosphäre, um einen Teil der
Sonnenstrahlung zu reflektieren oder
das Anbringen von Spiegeln im Weltall
zum selben Zweck seien längst in das
Bio/Ökologische Umwelt
(Stammhirn)
Licht
(mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. W. Haber)
Ökologie und Humanität im Anthropozän
Nahrung
Raum
Information
Arbeit
Mensch
Werte
Würde
Bildung
Spiritualität
Partner
Gerechtigkeit
Ökologische Grundbedürfnisse aller Lebewesen einschließlich der Menschen
Spezielle menschliche Bedürfnisse oder Wünsche der mentalen Umwelt
... nebeneinander gestellt, in Wirklichkeit vielfach verflochten!
Abb. 2: Grundbedürfnisse aller Lebewesen sowie spezielle menschliche Bedürfnisse [6, 7]
14
NeuroTransmitter 2016; 27 (1)
Rund um den Beruf
Stadium ernsthafter Forschung und erster Erprobungsversuche eingetreten. Besonders vom Klimawandel betroffene
Länder, gerade auch Schwellenländer
wie Russland und Indien, könnten eigenmächtig solche Techniken anwenden. Die Forschungen würden also auch
das Risiko von Konflikten bergen. Auch
könnten sie eine Eigendynamik auslösen: Techniken, an denen jahrzehntelang
geforscht worden sei, kämen dann auch
umso eher zum Einsatz, weshalb sie bereits jetzt gesellschaftlich diskutiert und
bewertet werden müssten.
Unbewusst – bewusst, ein weiterer
speziell menschlicher Dualismus
Zurück zu psychischen Bedürfnissen
wie Zufriedenheit. Die nehme bei steigendem Wirtschaftswachstum nämlich
nicht gleichermaßen zu, sondern bleibe
gleich, führte Christina von Haaren vom
Institut für Umweltplanung der Universität Hannover aus. Weshalb sich eigentlich die Frage stelle: „Wozu das Ganze?“
Sie erläuterte, wie der Mensch angesichts
solcher komplexen Probleme, wie sie sich
jetzt darstellen, im Grunde „tickt“.
Grundsätzlich würden wir zu intuitiven
Entscheidungen neigen, diese seien einfacher, schneller und kreativer. Auch
würden wir lieber eine schwierige Frage
durch eine einfache ersetzen, uns mehr
auf persönliche Erfahrungen beziehen
denn auf Statistiken, eher Dinge glauben, die oft wiederholt würden und Unsicherheiten ignorieren. Wir setzen auch
unser Wissen gerne dafür ein, schon vorhandene eigene Überzeugungen zu stärken. Vorausschau und Planung aber seien rationale Techniken, und an dieser
Stelle brach sie eine Lanze für die sonst
oft kritisierte behördliche Bürokratie,
denn formalisierte Planungskulturen
und Verwaltungsverfahren würden Entscheidungsprozesse verstärkt immun
machen gegen „Denkfallen“ oder das
Prinzip des geringsten Denkaufwandes.
Ist also alles Irrationale schädlich bei
der Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse, wie es ein anwesender Forscher in der Diskussion kühn formulierte? Der erhebliche Einfluss von Emo­
tionen sowie zahlreicher unbewusster
Regungen würde damit komplett ignoriert, ist aber unvermeidbar. Aus dem
Schema von Haber (Abb. 2) geht daher
16
Ökologie und Humanität im Anthropozän
insbesondere die Bedeutung irrationaler
(außerhalb der Großhirnrinde gelegener) Antreiber hervor. Grob vereinfachend könnte man somit dem Schema
noch den Gegensatz „unbewusst-bewusst“ hinzufügen. Alle Vorgänge außerhalb der Großhirnrinde sind grundsätzlich dem Bewusstsein nicht zugänglich (etliche Vorgänge innerhalb der
Großhirnrinde allerdings ebenso nicht,
wie etwa die Zusammensetzung sinnlich
wahrgenommener Eindrücke). So steuert der Hirnstamm, ohne dass dies vom
Menschen bewusst wahrgenommen
werden könnte, grundlegende vegetative
Funktionen wie Atmung, Kreislauf,
Schlaf, Nahrungsaufnahme und einfache Reflexe, ist aber vielfach mit der
Großhirnrinde vernetzt [8]. Vorgänge in
den tiefer liegenden limbischen Zentren
wiederum werden erst emotional bewusst spürbar, wenn sie die Großhirnrinde erregen, weshalb wir es über bewusste G
­ efühle, Gedanken und Einstellungen hinaus therapeutisch mit der
Aufdeckung zunächst noch unbewusster
Regungen zu tun haben, die jedoch oft
den Zustand unserer Patienten wesentlich bestimmen.
Möglich erscheinende
Ausweglosigkeit
Während die geistigen Großhirnrindenprozesse zu den abstrus anmutenden
Plänen des Climate Engineering oder
auch futuristischen Szenarien einer
Mars-Besiedelung [9] führen, werden irrationale, damit also oft unbewusste intuitive und emotionale Faktoren gegenwärtig bei der Krisendiskussion kaum
berücksichtigt. Ein Vortrag zu psychischen Aspekten des Anthropozäns war
daher bei der Tagung auch nicht vorgesehen, womit die Frage nach dem Umgang mit krisenbedingten Ängsten oder
möglicher Ausweglosigkeit gut verdrängt war. Allein eher vom Rationalen
ausgehend an Gutherzigkeit und Einsicht zu appellieren, wird nicht ausreichen, wie auch Volker Sommer in der
Diskussion meinte. Er sah aber auch keine Rettung in den Wissenschaften, die
infolge der Aufklärung und der danach
einsetzenden technischen Entwicklung
eher zur aktuellen Situation beigetragen
hätten. Aus evolutionärer Sicht finde
Veränderung einfach statt, der Status
quo sei nicht zu halten. Dennoch engagiere auch er sich im Naturschutz, aus
der Perspektive von Albert Camus heraus, der im Buch „Die Pest“ den Arzt beschreibe, der Pestkranken helfe, die
dann doch sterben würden. Hier gehe es
nicht zuletzt um menschliche Werte wie
Würde. Haber spitzte das Ganze aus der
ökologischen Perspektive nochmals zu:
Das Leben zerstöre sich selbst, das Erscheinen des Menschen sei ein Fehler der
Evolution. Das sprichwörtliche Pflanzen
des Apfelbäumchens sei letztlich empathische Selbstbefriedigung. Aber auch er
engagiere sich für Nachhaltigkeit, und
wisse, dass es nichts bringe. Er stehe immer unter dem Zwiespalt, wie viel Empathie er sich leisten könne, und wie viel
wissenschaftliche Exaktheit sich damit
vertrage.
Allmachtsfantasien versus
Todesängste
Diese Gedanken mögen zynisch klingen
(was einen befreundeten Kollegen zu
überstürzter Abfahrt veranlasste), zeigen
aber die narzisstische Kränkung auf, die
es bedeutet, weiter ökologischen Regulationsmechanismen unterworfen zu sein.
Erkenntnisse der Evolutionslehre und
Ökologie werden daher weiter i­ gnoriert,
häufig gar abgelehnt [6]. Angesprochen
ist mit den Überlegungen auch die Endlichkeit nicht nur des einzelnen Menschen, sondern der gesamten Art, deren
Aussterben grundsätzlich schon möglich erscheint, angesichts der Tatsache,
dass 98 % aller bisherigen Tierarten auf
diesem Planeten bereits ausgestorben
sind [6]. Beides wird tunlichst verdrängt.
Die am Horizont aufscheinende Bedrohung des Lebewesens Mensch durch die
von ihm verursachte Zerstörung seiner
Lebensgrundlagen wirkt auf ihn ein, zumeist unbewusst, und kann bei aufge­
gebener Verdrängung zu Widersprüchen führen, wie sie in den Äußerungen
der Vortragenden deutlich wurden. Das
Sonderwesen Mensch, evolutionär speziell ausgestattet mit geistigen Fähigkeiten, Sprache und Bewusstsein, scheint
genau daran zu scheitern.
Dies wirkt durchaus in die tägliche
Arbeit in unserem Fachgebiet hinein.
Der 75-jährigen Patientin in meiner
Praxis, die wiederholt über die Menschheit klagt, sich zurückzieht und sich im
NeuroTransmitter 2016; 27 (1)
Rund um den Beruf
Vorzimmer des Todes sieht und kein
„immer länger“ wünscht, insgesamt
aber in Stimmung, Antrieb und Verhalten nicht depressiv erscheint, kann
kaum widersprochen werden. Bisher haben sich Psychiater und Psychotherapeuten mit der aktuellen Situation noch
wenig auseinander­gesetzt [10], zumindest gibt es kaum Literatur zu der Frage,
wie eigentlich Sinn, Motivation und zufriedenstellendes Leben zu fördern sind,
wenn sich gleichzeitig diese enormen
globalen Veränderungen vollziehen, Behandler wie Patienten diese zwangsläufig mitverursachen und ihre dazugehörigen Emotionen verdrängen.
In einem kürzlich erschienenen Werk
über den Narzissmus weisen die Autoren
[11] im Kapitel „Im Schatten von Fukushima: zwischen Allmachtfantasie und
der Fähigkeit zur Besorgnis“ genau auf
dieses Dilemma hin und arbeiten heraus, dass sich in dem parareligiösen
Glauben an die technischen und naturwissenschaftlichen Möglichkeiten im
Grunde eine Abwehr von Ohnmachtsgefühlen und Todesängsten manifestiere.
Existenzielle Psychotherapie und
Achtsamkeit
Das aktuelle Zeitalter des Anthropozäns
weist also nicht nur auf unsere Sonderstellung in der Natur hin und auch nicht
nur auf daraus entstandene Schuld und
Verantwortung, sondern ebenso auf das
dem Menschen speziell eigene Bewusstsein vom Tod, den er daher tunlichst mit
allen Mitteln zu vermeiden oder wenigstens weit hinauszuschieben versucht.
Dies treibt ihn an bei allem Streben nach
Lebensverlängerung, auch im Streben,
die ihn bedrohenden Folgen der eigenen
Eingriffe in seine Lebensumwelt wieder
in den Griff zu bekommen. Die Arbeit
mit diesen Todesängsten ist für Therapeuten noch ungewohnt. Eine Auseinandersetzung mit existenziellen „letzten
Dingen“ (wie Isolation, Freiheit, Sinn
und Tod), wie sie etwa ­Yalom mit der
existenziellen Psychotherapie zur Verfügung stellt [12] (ohne selbst jemals dabei
die ökologische Problematik angesprochen zu haben), könnte Behandlern wie
Patienten hilfreich sein [13] – vielleicht
auch, um den Schmerz beim Anblick der
Welt besser aushalten zu können, und
um sich bewusst zu werden, dass diese
18
Ökologie und Humanität im Anthropozän
Tatsachen einen Einfluss auf das eigene
Befinden haben.
So mag die ausweglos erscheinende
globale Situation bedrückend sein, doch
„kann sie auch befruchtend wirken,
wenn wir uns nicht zu lange Zeit lassen“
[14]. Um zunächst sich zu ändern und
damit indirekt auch das Umfeld, und zugespitzt auch die ganze Welt, empfiehlt
der französische Psychiater Christoph
André Achtsamkeitsansätze [15]. Denn
Untersuchungen haben gezeigt, dass der
Grundtenor des Umweltengagements
und der Achtsamkeitsmeditation im
Grunde identisch ist [16]. Beide verbindet, so André, eine Beziehung zur Natur,
ein Gefühl der Demut ihr gegenüber und
das Wissen um unsere Abhängigkeit von
ihr, somit letztlich wieder von ihren
„Dienstleistungen“. Mit Blick darauf,
dass die heute immer zahlreicher gewordenen Möglichkeiten des Konsums und
der Freizeitgestaltung außer zu Umweltschäden auch zu Stress und Burnout beitragen [17], könnte auf die von ihm empfohlenen ersten Schritte – nämlich Bewusstwerdung, digitaler Entzug, weniger Konsum, achtsames Essen, die
Entwicklung von Dankbarkeit für vermeintliche Selbstverständlichkeiten und
Rückbesinnung auf die Natur – auch ein
therapeutischer Fokus gelegt werden.
Die solchermaßen trainierte innere
Stimme kann eher bremsen, wenn die
Zeit am Bildschirm zu lang geworden ist,
ein Werbespot läuft oder der Teller übervoll ist. So empfiehlt André die Lebensqualität nicht von materialistischen Werten abhängig zu machen, sondern andere
Werte zu pflegen wie Offenheit für den
Augenblick, für Mitmenschen und für
die eigenen Gefühle. Somit könnten, um
auf die Abbildung rechts im Haber’schen
Schema (Abb. 2) zurückzukommen,
auch durch therapeutische Bemühungen
mentale menschliche Bedürfnisse wie
Werte, Gerechtigkeit und Spiritualität einen höheren Stellenwert erhalten, als die
ebenso dort genannten Ziele der Macht
und Sicherheit, womit die speziell
menschlichen Fähigkeiten der Großhirnrinde doch noch sinnvoll genutzt wären.
Emotionale und intuitive Aspekte
dürfen daher bei der rational-wissenschaftlichen Diskussion über das Anthropozän nicht übersehen werden. Humanität und Ökologie aber, die im Ta-
gungsthema einander gegenübergestellt
waren, können durchaus konvergieren,
wenn sich mehr Respekt entwickelt für
die grundlegenden Prinzipien von Ökosystemen, die auch beim Menschen im
unbewussten Stammhirnbereich dominanter und somit wirksamer sind, als
wir das mit unserer Großhirnrinde denkend oft wahrhaben wollen. AUTOR
Dr. med. Andreas Meißner
Facharzt für Psychiatrie und
Psychotherapie, München
E-Mail: [email protected]
Literatur:
1. Crutzen P. Geology of mankind. Nature
2002; 415 (6867): 23
2. Kolbert E. Das sechste Sterben: Wie der
Mensch Naturgeschichte schreibt, Suhrkamp, Berlin 2015
3. Steffen W et al. The trajectory of the anthropocene: the great acceleration. The Anthropocene Review 2015; 2: 81 – 98
4. Crutzen P. Trägheit und Ignoranz. in: movum – Briefe zur Transformation, 4, 2015
5. Häckel E. Natürliche Schöpfungsgeschichte.
Verlag Georg Reimer, Berlin 1868
6. Haber W. Die Erfindung der Nachhaltigkeit.
oekom, München 2013, Seite 92
7. Haber W. Anthropozän – Folgen für das
Verhältnis von Humanität und Ökologie,
Tutzing 2015 (Vortrag)
8. Dijksterhujs A, Roth G. Das kluge Unbewusste: Denken mit Gefühl und Intuition,
Klett-Cotta, Stuttgart 2014
9. Gast R. Der blaue Mars. in: Süddeutsche
Zeitung – Wissen, 3.10.2015
10. Gunkel R, Meißner A, Ullner R. Psycho­
therapeuten als Weltgärtner? Ökologische
Aspekte in der Psychotherapie, in: Fromm
Forum 2015; 19: 116 – 9
11. Dammann G, Sammet I, Grimmer B (Hrsg).
Narzissmus – Theorie, Diagnostik, Therapie,
Kohlhammer, Stuttgart 2012
12. Yalom I. Existenzielle Psychotherapie, Edi-­
tion Humanistische Psychologie, Bergisch
Gladbach 2010
13. Meißner A. Sinn und Verantwortung im
Zeichen der ökologischen Krise. Neurotransmitter 2008; 6: 13 – 21
14. Kotsou I et al. Antworten auf die Krank­
heiten unserer Zeit. In: André C, Kabat-Zinn
J, Rabhi P, Ricard M: Wer sich verändert,
verändert die Welt, Kösel München 2014
15. André C. Frei werden von einer Gesellschaft,
die uns entfremdet. In: André C, Kabat-Zinn
J, Rabhi P, Ricard M: Wer sich verändert,
verändert die Welt, Kösel München 2014
16. Brown K, Kasser T. Are psychological and
ecological well-being compatible? The role
of values, mindfulness and lifestyle. Social
Indicators Research 2005; 74: 349 – 68
17. Paech N. Befreiung vom Überfluss. oekom,
München, 2012
NeuroTransmitter 2016; 27 (1)
Rund um den Beruf
Radikalisierung
Woher kommt die Gewalt?
T
eilnehmer des DGPPN-Kongresses
2015, darunter die Präsidentin Dr.
Iris Hauth, Alexianer St.-Joseph-Krankenhaus Berlin Weißensee, warnten davor, extremistische Attentäter zu psychiatrisieren. Die Expertenrunde war sich
einig, dass Radikalität keine psychische
Erkrankung sei, und dass Radikalisierung bei jedem einzelnen Menschen eine
andere Ursache habe. Privatdozent Dr.
Mazda Adli, Klinik für Psychiatrie und
Psychotherapie, Charité Berlin, betonte,
dass es kein psychopathologisches Musterprofil eines Extremisten gebe, sondern
es gehe vielmehr um „vielschichtige soziale und individuelle Prozesse“. Man müsse sich davor hüten, jeden Anschlag oder
jede schwere Gewalttat psychiatrisch zu
begründen, da eine solche Sichtweise der
Stigmatisierung psychisch erkrankter
Menschen Vorschub leisten könne.
Der forensische Psychiater Professor
Henning Saß, Universitätsklinik RWTH
Aachen, stimmte zu, dass es in den allermeisten Fällen keine klinische Erklärung für radikale Taten gebe, jedoch
gebe es Fehlentwicklungen und Störungen im Persönlichkeitsbereich, bei denen
fließende Übergänge von normalpsychologisch einfühlbaren Einstellungen bis
hin zu hoch abnormen Fixierungen des
Denkens, Urteilens und Verhaltens
möglich seien. „Die Täter stellen ihr eigenes Wertegefühl über das anderer. Das
hat mit Krankheit nichts zu tun, das ist
eine bewusste Entscheidung“, sagte Saß.
Die Hintergründe von Gewalttaten seien sehr unterschiedlich, von ungeplant
bis geplant, durch Einzeltäter oder aus
Gruppen heraus, mit oder ohne religiösen und/oder politischen Hintergrund.
Er wies auch darauf hin, dass es eine
merkwürdige, suchtähnliche Suche nach
Kampf und körperlicher AuseinanderNeuroTransmitter 2016; 27 (1) setzung in Gruppenszenarien gebe, wie
es auch bei den verschiedenen Formen
von Hooliganismus zu beobachten sei.
Religionsphilosophisch betrachtet
Professor Wolfgang Huber, Bischof a. D.,
Berlin, spannte den breiten Bogen zur Religionsphilosophie und stellte zehn Thesen einer „theologischen Reflexion der
Radikalisierung“ vor. Unter anderem
wies er auf eine „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ hin, die mit Stereotypen arbeite und multiple Identitäten einer Gruppe von Menschen auf ein einziges oder wenige Identitätsmerkmale reduziere, was weder dem Einzelnen und
schon gar nicht einer Gruppe gerecht
werden könne. So sei in den westlichen
Gesellschaften inzwischen der Begriff
„Muslim“ zu einem pauschalen „Identitätsmarker“ geworden. Es habe sich auch
in Deutschland eingebürgert, Zuwanderer aus der Türkei, aus arabischen oder
afrikanischen Ländern pauschal als
„Muslime“ zu bezeichnen, ohne dabei die
unterschiedliche Herkunft, noch die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Richtungen des Islam oder die Dauer des Aufenthalts in Deutschland zu berücksichti-
gen. Die Religionen stehen vor der Aufgabe, sich gemeinsam zu einem egalitären
Universalismus der Menschenwürde zu
bekennen, meinte Huber. Die Strategie,
innerhalb des Islam die religiösen Ansprüche des IS auf die Errichtung eines
islamischen Kalifats dadurch zu ignorieren, dass man erklärt, das habe mit dem
Islam nichts zu tun, reiche nicht aus.
Auch die christlichen Kirchen mussten
und müssen sich damit auseinandersetzen, dass Kriege „in Gottes Namen“ geführt und noch vor 100 Jahren Kanonen
gesegnet wurden. Aus Hubers Sicht muss
sich die Gesellschaft fragen, welchen Widerstand sie einem „Sündenbockmechanismus“, bei dem das Fremde (und die
Fremden) ausgegrenzt und eine Gewalt
gegen das Fremde gerechtfertigt werde,
entgegensetzen kann.
Die „Entstehung von Radikalität und
Extremismus weiter disziplinenübergreifend zu erforschen“ war eine der von
Hauth geäußerten Forderungen, in der
Hoffnung, dass sich durch ein besseres
Verständnis der Entstehungsprozesse
vielleicht neue Möglichkeiten der Prävention ergeben könnten.
AUTOR
Dr. Roland Urban, Berlin
Pressekonferenz „Radikalisierung – wenn Menschen extrem werden“, DGPPN-Kongress, Berlin,
26.11.2015
©© Wassilios Aswestopoulos / NurPhoto / picture alliance
Täter, die aus ideologischen Motiven töten, sind nur selten psychisch
krank. In den meisten Fällen zeigen sie ein abweichendes Wertegefühl,
das unter Umständen zu einer Radikalisierung führen kann.
Gedenken an
die Opfer des
Terroranschlags
in Paris im
November 2015.
19
Rund um den Beruf
DGPPN-Kongress 2015 in Berlin
Risikoanalyse: Drohungen richtig
bewerten
Psychiater und Psychologen zählen zu den Berufsgruppen, die
die meisten Drohungen erhalten. Zwar werden diese in der Regel
nicht umgesetzt, doch wenn einige ungünstige Faktoren zusammen­
kommen, kann die Gefahr sehr real werden.
D
rohungen sind recht häufige Delikte
– in Kriminalstatistiken machen sie
einen einstelligen Prozentsatz der Einzelstraftaten aus, doch die Dunkelziffer
dürfte entsprechend hoch sein. Todesdrohungen richten sich zumeist an Familienangehörige, Freunde und Arbeitskollegen (40 %) oder an aktuelle oder ehemalige Intimpartner (30 %). Auf Platz drei
folgen Psychiater und Psychologen (10 %),
noch vor Justizangestellten (8 %). Besonders gefährdet sind dabei junge und unerfahrene Ärzte und Therapeuten. Glücklicherweise laufen die meisten Drohungen ins Leere, auf der anderen Seite werden viele Gewalttaten durch Drohungen
angekündigt. Wann also muss man befürchten, dass es die Täter ernst meinen?
Je detaillierter, umso gefährlicher
Der forensische Psychologe Professor
Jérôme Endrass, Universität Konstanz,
nannte Warnzeichen, um „Hochrisikodrohungen“ zu erkennen. Eine Drohung
drücke zunächst den Wunsch oder die
Absicht aus, einer Person Schaden zuzufügen und deren körperliche Unversehrtheit zu verletzen. Dabei seien diverse Formen von Drohungen zu unterscheiden, sagte Endrass mit Verweis auf
das Konzept von O’Tool: Eine direkte
Drohung kennzeichnet die unmissverständliche Ankündigung einer Gewalttat gegen ein bestimmtes Ziel („Wenn
Du das tust, bringe ich Dich um.“). Bei
der indirekten Drohung wird die Gewaltanwendung wenig konkretisiert,
Details über das Ziel werden ausgelassen. Hinzu kommen maskierte Drohungen, die eine Gewalthandlung andeuten,
20
aber nicht zwangsläufig als Drohungen
interpretiert werden müssen, und konditionale Drohungen, die eine Gewalthandlung an Bedingungen koppeln.
Die Gefahr, dass eine Drohung ausgeführt wird, ist umso wahrscheinlicher, je
direkter und detailreicher sie vorgetragen wird, das heißt, je mehr sich jemand
das Geschehen in seiner Fantasie ausgemalt hat, und je konkreter die Vorbereitungen für eine Gewalttat sind. Lässt der
Täter Details in seine Drohung einfließen, die darauf deuten, dass er sich Informationen über das Tatumfeld besorgt
oder das Opfer ausgespäht oder beschattet hat, ist von einem sehr hohen Risiko
auszugehen. Für Endrass ist diese Klassifikation nur einer von mehreren Bausteinen zur Risikoevaluation – für sich
genommen kann sie nur ungenügend
das Risiko für eine Gewalttat vorhersagen. Entscheidend sind für ihn auch
—die persönlichen Risikomerkmale des
Täters,
—das Warnverhalten und
—die aktuelle Situation, in der sich der
Drohende befindet.
Zu den persönlichen Risikofaktoren
zählt der Psychologe eine dissoziale Persönlichkeit mit mangelhaft verankerten
gesellschaftlichen Normen, Wahnvorstellungen, Gewalttaten in der Historie,
Waffenaffinität sowie Substanzmissbrauch oder latente Suizidalität. Auffälligkeiten beim Warnverhalten sind Verhaltensweisen, die eine intensive Beschäftigung mit dem potenziellen Opfer
nahelegen, eine starke Wahrnehmungseinengung auf eine Person oder einen
Konflikt, eine Zunahme von zunächst
vielleicht harmlosen Aktivitäten (z. B.
Briefe), die sich an das Opfer richten.
Auch wenn die drohende Person Dritten
mitteilt, dass sie einem Menschen Schaden zufügen will, oder dies nach seiner
Logik als nächster notwendiger Schritt
erscheint, ist von einem hohen Umsetzungsrisiko auszugehen.
Zugzwang erhöht das Risiko
Schließlich, so Endrass, können akute Belastungen in der momentanen Situation
des Drohenden die Umsetzung begünstigen, die etwa durch Zugzwang entstehen (die angekündigte Drohung muss erfüllt werden, um das Gesicht zu wahren).
Das ist oft bei konditionalen Drohungen
der Fall. Auch wenn der Drohende keine
legalen Möglichkeiten mehr sieht, seine
Interessen und Forderungen durchzusetzen, wenn Beziehungen brechen, finanzielle Sorgen hinzukommen oder psychisch Kranke ihre Medikamente absetzen, können dies Warnzeichen sein.
Nach dem O’Tool-Konzept ist dann
von einer Hochrisikodrohung auszugehen, wenn sich in mindestens zwei der
vier genannten Dimensionen Auffälligkeiten zeigen. Hier, so Endrass, seien
dann eine eingehendere Untersuchung
und gegebenenfalls eine Inhaftierung
oder Hospitalisierung nötig – dafür sollten die Hürden allerdings sehr hoch liegen. Dieses Modell der Risikobeurteilung habe sich in der Praxis als hilfreich
erwiesen. Eine Posthoc-Evaluation fand
eine gute Sensitivität bei akzeptabler Spezifität, eine prospektive Evaluation steht
aber noch aus, sagte der Psychologe.
AUTOR
Thomas Müller, Neu-Isenburg
Symposium „Aggression und Stalking gegenüber
Psychiatern und anderen Berufsgruppen
in der Psychiatrie“, DGPPN-Kongress, Berlin,
25. – 28.11.2015
NeuroTransmitter 2016; 27 (1)
Rund um den Beruf
Ambulante Versorgung von Flüchtlingen
Leistungsanspruch und
Finanzierung oft unklar
Zu dieser Thematik halten viele KVen auf ihren Internetseiten regional
unterschiedliche Informationen bereit. Im Folgenden wollen wir die
bürokratische Handhabung und die Honorierung unserer Leistungen
nach dem Flüchtlings- oder Asylstatus der Patienten unterscheiden.
1. Registrierte Asylbewerber bis zu einer Aufenthaltsdauer von 15 Monaten
Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz
(AsylbLG) haben registrierte Asylbewerber bis zu einem Aufenthalt von 15
Monaten zunächst nur einen eingeschränkten Anspruch auf medizinische
Versorgung im Vergleich zu den gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland.
—Die ärztliche Behandlung umfasst
akute Krankheiten und Schmerzzustände inklusive Versorgung mit Arznei- und Verbandsmitteln, Gewährung sonstiger zur Genesung, Besserung oder Linderung von akuten
Krankheiten oder Krankheitsfällen
erforderliche Leistungen.
—Außerdem werden ärztliche und pflegerische Hilfe für Schwangere und
Wöchnerinnen mittels Pflege, Betreuung, Hebammenhilfe und Arznei- sowie Verbandsmittel gewährt.
—Medizinisch erforderliche Vorsorgeuntersuchungen und Schutzimpfungen sind ebenfalls enthalten.
—Die Abrechnung erfolgt zwingend
über einen von der jeweiligen Sozialhilfeverwaltung ausgestellten gültigen
Behandlungsschein
(Abrechnung
„Sonstige Kostenträger“). Dieser Abrechnungsschein muss sich auf den
tatsächlichen Behandlungszeitraum
und die Fachgruppe des Vertragsarztes erstrecken. Er muss vollständig mit
Name, Vorname, Geburtsdatum, Anschrift und fünfstelliger Kassennummer der Sozialhilfeverwaltung ausgefüllt sein. Der Mitgliedsstatus ist M
(Mitglied).
Sie fragen – wir antworten!
Haben Sie in Ihrer Praxis ein wenig
zu­frieden­­­stellend gelöstes oder gar
ungelöstes Problem, das auch in anderen Praxen relevant sein könnte? Wir
versuchen, uns kundig zu machen, und
publizieren einen entsprechenden –
nicht rechtsverbind­lichen – Lösungsvorschlag. Eine Haftung ist ausgeschlossen. Auf Wunsch sichern wir
jedem Rat­suchenden auch Anonymität
zu. Schreiben Sie mit dem Betreff
„Praxisprobleme“ an:
[email protected]
—Bei mangelnder Verständigungsmöglichkeit kann ein Dolmetscher zulasten der Sozialhilfeverwaltung helfen.
—Nur nach vorheriger Genehmigung
der Sozialhilfeverwaltung können
sonstige über die genannten Sachverhalte hinausgehende ärztliche Leistungen im Einzelfall gewährt werden,
wenn diese zur Sicherung des Lebensunterhaltes oder der Gesundheit unerlässlich sind.
—Überweisungen und Versorgung mit
Heilmitteln, Brillen, orthopädischen
oder anderen Hilfsmitteln dürfen
ebenfalls nur mit Zustimmung des Sozialhilfeträgers erfolgen.
—Auch Krankenhauseinweisungen erfordern die Genehmigung des Sozialamtes, außer bei Notfällen.
—Bei ambulanten Notfällen wird zur
©© Scanrai_Rosenstiel / Fotolia.com
©© Arno Burgi / dpa
Vertragsärzte
s­ ollten auf jeden
Fall den Flüchtlingsoder Asylstatus
­erheben.
NeuroTransmitter 2016; 27 (1) 21
Rund um den Beruf
Abrechnung das Muster 19 (Notfall-/
Vertreterschein) verwendet. Diesen
Notfall muss die Praxis aber innerhalb
von 14 Tagen per Eilanzeige dem Sozialamt melden.
—Impfstoffe werden auf Kassenrezept
Muster 16 zulasten des Sozialhilfeträgers verordnet, sie dürfen nicht dem
Sprechstundenbedarf entnommen
werden.
—Artikel aus dem Sprechstundenbedarf
sind auf den Namen des Patienten auf
Kassenrezept zulasten des Sozialhilfeträgers zu verordnen.
—Asylbewerber sind grundsätzlich von
der Zuzahlung befreit.
2. Nicht registrierte Asylbewerber unmittelbar nach der Ankunft oder Anfangsuntersuchung in Erstaufnahmeeinrichtungen
Zu dieser Personengruppe zählt jeder
Flüchtling oder Asylbewerber, der keinen Überweisungsschein des Sozialamtes oder keine deutsche Krankenversicherungskarte vorweisen kann. Hier ist
weder die medizinische Versorgung
Aufgabe von Vertragsärzten noch ist die
Honorierung Sache der KV. Beides sind
staatliche Aufgaben (Gesundheitsämter). In der Wirklichkeit wurden und
werden jedoch die Mehrzahl der zunächst unregistriert einreisenden
Flüchtlinge von engagierten freiwillig tätigen Vertragsärzten medizinisch versorgt, zunächst meist kostenlos. In den
Bundesländern gibt es zum Teil hierfür
verschiedene Honorierungsprogramme
beispielsweise mit Stundensätzen oder
geringen Fallpauschalen. Arzneimittelund sonstige Verordnungen erfolgen
hier häufig auf dem „grünen Rezept“.
Dies ist aber ausschließlich Ärzten vorbehalten, die im Auftrag der Regierung
in Erstaufnahmeeinrichtungen tätig
sind. Eigentlich sollte jeder einreisende
Flüchtling eine Eingangsuntersuchung
bekommen, die zumindest ansteckende
Infektionskrankheiten umfasst. Dies ist
aber aus verschiedenen organisatorischen Gründen und wegen des nicht seltenen Ortswechsels der Flüchtlinge bei
weitem nicht überall und jederzeit gewährleistet.
3. Asylbewerber mit einem „geduldeten Aufenthalt“ länger als 15 Monate
22
Praxisproblem
Diese Asylbewerber erhalten eine elektronische Gesundheitskarte (eGK) nach
§ 264 (2) SGB V. Damit ist ein Leistungsanspruch der gesetzlichen Krankenversicherung Deutschlands (GKV) gewährleistet. Die Abrechnung der Praxen erfolgt über diese Versichertenkarte.
4. Unbegleitete minderjährige
Flüchtlinge
Diese gelten nicht als Asylbewerber. Es
besteht ein Behandlungsanspruch nach
§ 40 SGB VIII (Jugendhilfe) i. V. m. § 47
ff. SGB VII (Sozialhilfe). Die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten richten sich im Wesentlichen nach
dem GKV-Leistungskatalog. Minderjährige Flüchtlinge haben entweder einen
Behandlungsausweis durch den Jugendhilfeträger (Abrechnung „Sonstige Kostenträger“), gelegentlich auch eine eGK.
Bringen minderjährige Flüchtlinge keinen medizinischen Berechtigungsausweis mit, gehören sie grundsätzlich zur
Personengruppe der nicht registrierten
Flüchtlinge. Sofern kein Notfall vorliegt,
muss sich der Betroffene zunächst registrieren und einen medizinischen Behandlungsschein vom Sozialhilfe- oder
Jugendhilfeträger ausstellen lassen.
Empfehlung
Bei Diagnostik und Therapie von Flüchtlingen oder Asylbewerbern in der Vertragsarztpraxis ist also streng nach den
oben aufgeführten vier Personengruppen zu unterscheiden. Dies kann bereits
bei telefonischer Anmeldung oder am
Empfang durch die Arzthelferin geschehen. Vertragsärzte sollten sich strikt an
diese Vorgaben halten. Denn bei der
Menge der zu behandelnden Personen ist
davon auszugehen, dass sich die Kostenträger eng an die Honorierungsregeln
halten werden und gegebenenfalls die
Honorierung verweigern beziehungsweise Regressanträge stellen werden.
Akute psychiatrische und neurologische
Erkrankungen können wir also bei registrierten Flüchtlingen inklusive Medikamentenverordnung behandeln. Richtlinienpsychotherapie muss in jedem Fall
vom Sozialhilfeträger genehmigt werden. Mehrere KVen arbeiten im Austausch mit der Politik an Konzepten, um
mittel- und langfristig die medizinische
Versorgung von Flüchtlingen oder Asylbewerbern und deren Finanzierung organisatorisch und strukturell transparent sicherzustellen. Die Ausgabe der
eGK an alle Flüchtlinge wird derzeit
kontrovers diskutiert. Bei alldem müssen wir jedoch hervorheben, dass ein
nicht zu vernachlässigender Teil der freiwilligen und ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer vor allem hausärztliche Kolleginnen und Kollegen waren und sind,
die sich besonders in den südostdeutschen Grenzregionen und Aufnahmeeinrichtungen selbstlos bei der medizinischen Erstversorgung engagieren.
AUTOR
Dr. med. Gunther Carl, Kitzingen
Weitere Tipps auf springermedizin.de
Weitere „Praxisprobleme“ zum Nachlesen 7 www.springermedizin.de
Im letzten Jahr informierten wir unter anderem zu praxisrelevanten Themen wie:
Musik im Wartezimmer – bin ich GEMA-pflichtig? (09/2015) 7 (5931974)
Umgang mit Terminvereinbarungen (05/2015) 7 (5733044)
Wann sind GOÄ-Leistungsbeschreibungen in Kurzform möglich (10/2015)
7 (5967082)
Off-label-Verordnung von Cannabis-Produkten ohne strafrechtliche Probleme
(04/2015) 7 (5671918)
Diese Artikel finden Sie, indem Sie den Titel oder die (in Klammern gesetzte)
ID-Nummer in die Suche eingeben.
7
NeuroTransmitter 2016; 27 (1)
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Fortbildung
Intervention als Risikomanagement
Psychiatrische Kriminaltherapie im
Maßregelvollzug
Der Maßregelvollzug gemäß § 63 StGB ist die Umsetzung der strafrechtlich angeordneten Unterbringung
in einem psychiatrischen Krankenhaus. Diese ist potenziell unbefristet und gehört neben der Sicherungsverwahrung und der lebenslangen Freiheitsstrafe zu den schärfsten Maßnahmen des Strafrechts.
R Ü D I G ER M Ü L L ER- I SB ER N ER , SA B I N E EU CK ER , H A I N A , T H O M A S WO L F, M A R B U R G
©© Fuse / Getty Images / Thinkstock
Zweck der Maßregel ist
­allein, künftig rechtswid-­
rige Taten zu verhindern.
Die umfassende Heilung
und ganzheitliche Besserung sind nicht Ziele der
­Unterbringung.
24
NeuroTransmitter 2016; 27 (1)
Fortbildung
24Psychiatrische Kriminaltherapie
im Maßregelvollzug
30Sozialpsychiatrische
Versorgung
Versorgungskosten nicht
primär durch Krankheits­schwere
bedingt
P
sychiatrische Kriminaltherapie hat
sich als Oberbegriff etabliert für
alle Interventionen, die im Maßregelvollzug zur Risikominimierung eingesetzt werden, unabhängig davon, welcher Profession jener, der die Intervention vornimmt, angehört, und unabhängig davon, welchem Fachgebiet die
Intervention primär zuzuordnen ist. In
der Praxis werden diese Interventionen
von multiprofessionellen Teams durchgeführt. Hiervon getrennt sind jene (zumeist ärztlichen und pflegerischen) Interventionen der Gesundheitsfürsorge
zu betrachten, auf die der Patient, der
sich im Freiheitsentzug in staatlicher
Obhut befindet, einen Anspruch hat.
Rechtliche Grundlagen
Die Unterbringung wird angeordnet,
wenn der Täter eine rechtswidrige Tat im
Zustand der erheblich geminderten oder
aufgehobenen Schuldfähigkeit (§§ 20, 21
StGB) begangen hat, dieser Zustand
überdauernd ist und deswegen weitere
erhebliche Taten zu erwarten sind. Sie
endet, wenn „erwartet werden kann,
dass der Untergebrachte keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird“
(§ 67d Abs. 2 StGB – „Zweck der Maßregel“). Diesem Ziel muss die Behandlung
dienen, sie ist kein Selbstzweck. Gelingt
sie, wird der Täter auf Bewährung entlassen und steht unter Führungsaufsicht
(§ 68 Abs. 2 StGB). Die dafür erteilten
Weisungen (§ 68b StGB) sind rechtliche
Basis der ambulanten Nachsorge.
NeuroTransmitter 2016; 27 (1) 37Chloroquinassoziierte
psychotische Störung
Psychiatrische Kasuistik
48CME Internet- und
mobilebasierte Intervention
bei psychischen Störungen
40Eingliederungshilfe
Ergebnisqualität im Fokus
der Sozialpsychiatrie
54 CME Fragebogen
Der Vollzug der Maßregel ist Teil des
Strafrechts und findet dort, im Grundgesetz, dem Strafprozess- und -vollstreckungsrecht sowie in den Straf- und
Maßregelvollzugsgesetzen der Länder
seine Grundlage. Es ist das Gericht, das
nicht nur über die Anordnung, sondern
auch über die Fortdauer der Unterbringung entscheidet. Einzelne Maßnahmen
im Vollzug, wegen derer der Untergebrachte eine Verletzung seiner Rechte
geltend macht, werden durch die Gerichte geprüft (§ 109 StVollzG).
derungen entsprechende Eingangsuntersuchung.
—Ein regelmäßig fortgeschriebener individuell zugeschnittener Vollzugsplan, der beschreibt, wie Risikofaktoren verringert und protektive Faktoren gestärkt werden sollen, und die Erprobung in Vollzugslockerungen sowie eine Entlassungsvorbereitung
samt Übergangsmanagement durch
Verzahnung der Hilfen in staatlicher
und freier Trägerschaft (z. B. forensische Ambulanzen, betreutes Wohnen,
beschütztes Arbeiten) darlegt.
—Die zügige, konsequente und intensive
Umsetzung dieses Plans durch ein
multidisziplinäres Team qualifizierter
Fachkräfte, wozu auch die Motivierung des Untergebrachten gehört.
—Dabei ist die umfassende „Heilung“
und ganzheitliche „Besserung“ als solche kein Ziel der Unterbringung; der
„Zweck der Maßregel“ ist alleine,
künftig rechtswidrige Taten zu verhindern. Sachfremde Verlängerung der
Unterbringung ist verboten; im Zweifel muss diejenige Behandlung versucht werden, die am schnellsten die
Chance auf Aussetzung bietet.
—Untersuchungen und Behandlungen
sind nur mit Einwilligung des Untergebrachten und unter strikter Beachtung
der Grundsätze der Aufklärung zulässig. Gegebenenfalls ist ein gesetzlicher
Betreuer einzuschalten. Nur unter engen, gesetzlich festgelegten Voraussetzungen darf zwangsbehandelt werden.
Rechtliche Vorgaben für die
Behandlung
Das Bundesverfassungsgericht hat die
Anforderungen an den Vollzug von Maßregeln (teils mit Blick auf die Sicherungsverwahrung) umfangreich dargelegt. Nur
innerhalb dieses, und nicht des Rahmens,
der sonst die Beziehungen zwischen Arzt
und Patient regelt, richtet sich die Behandlung in der Unterbringung nach
ärztlichen Grundsätzen. Gefordert wird:
—Eine klare Ausrichtung auf die Ziele
der Verringerung der Rückfallgefahr,
der Entlassung in die Freiheit als realistische Möglichkeit und der Begrenzung der Freiheitsentziehung auf das
unbedingt Erforderliche (= Kriminaltherapie).
—Die Vermeidung von Belastungen, die
über den unabdingbaren Entzug der
Bewegungsfreiheit hinausgehen.
—Eine unverzügliche, umfassende und
modernen wissenschaftlichen Anfor-
25
Fortbildung
—Behandlungsmaßnahmen, die eine die
Freiheitsentziehung verlängernde Folge haben (Dauer der Stufe einer Lockerung bis zur nächst höheren; Rückstufungen in Lockerungen; besondere
Sicherungsmaßnahmen; Beginn und
Dauer der konkreten Entlassungsplanung), sind umfassend zu begründen
und zu dokumentieren. Sie müssen
unter Angabe der erforderlichen Beweismittel dem Gericht dargelegt werden können.
—Alles ist so zu dokumentieren, dass der
Behandlungsverlauf für die Verfahrensbeteiligten (auch externe Gutachter) nachvollziehbar ist.
—Nicht zu den expliziten rechtlichen
Grundlagen, aber zur Grundlage einer
erfolgreichen Praxis gehören ein ständiger sachlicher und vertrauensbildender Dialog zwischen Vollstreckungsgericht und Klinik sowie im
Idealfall auch Staatsanwaltschaft und
Verteidigung.
Die Klientel des psychiatrischen
Maßregelvollzuges
Die Klientel des psychiatrischen Maßregelvollzuges ist heterogen und in vieler
Weise belastet. In den Herkunftsfamilien findet sich gehäuft Kriminalität, Ge-
Tab. 1: Grundregeln als Basis effektiver
und effizienter Prozessqualität
1. Das Mandat heißt: „Behandlung und
­Sicherung“. Wer ein solches Doppel­
mandat nicht akzeptieren kann, kann
nicht im Maßregelvollzug arbeiten.
2. Der mächtigste Wirkfaktor der Kriminal­
therapie ist das Modelllernen. Institution
und Behandler haben (im Positiven wie
im Negativen) eine Vorbildfunktion:
Institution und Behandlung sind folglich
transparent, ehrlich und fair.
3. Verhaltensgrenzen werden klar benannt
und konsequent durchgesetzt.
4. Belohnung, Anreiz und eingrenzende
­Reaktionen der Institution sind bere­
chenbar.
5. Die Institution hat eine intensiv gelebte
Risikokultur mit mehrstufigen Entschei­
dungs- und Kontrollebenen bei Progno­
sebildung und Lockerungsgewährung.
6. Eine Entlassung in kriminogene Lebens­
räume unterbleibt, es wird nur in krimi­
nalpräventive Settings entlassen.
26
Psychiatrische Kriminaltherapie im Maßregelvollzug
walt und Substanzmissbrauch. Es bestehen erhebliche Defizite im Bereich der
schulischen und beruflichen Bildung.
Das Alter bei dokumentierter und verfolgter Erstkriminalität liegt im Durchschnitt bei 20 Jahren. Ein erheblicher
Teil der Patienten beging das Einweisungsdelikt, obgleich er sich in psychiatrischer Behandlung befand. Betrachtet
man die Lebenszeitdelinquenz, sind die
meisten Patienten polytrope Täter.
Regelhaft besteht eine lange Vorgeschichte psychischer Auffälligkeiten und
antisozialen Verhaltens. Die multiplen
Probleme umfassen schwerwiegende affektive und kognitive Defizite, geringe
lebenspraktische und soziale Fertigkeiten sowie einen Lebensstil, der deviantes
Sozialverhalten fördert. Oft liegt ein vieljähriger schwerer Substanzmissbrauch
vor. Viele Patienten sind schwierig einzuschätzen, haben meist ein nur geringes Interesse an der Behandlung, sind
wenig compliant, und es ist schwierig,
mit ihnen umzugehen. Sowohl ihre psychiatrische als auch ihre antisoziale Problematik ist chronisch, sodass bei der
überwiegenden Mehrzahl der Patienten
„Heilung“ ein unrealistisches Behandlungsziel ist. Bei den meisten lassen sich
mehrere mit Kriminalität assoziierte
Problemfelder identifizieren.
Oft ist es weniger das Risiko erneuter
Delinquenz als vielmehr die oftmals
wiederholt gezeigten sonstigen sozial inakzeptablen Verhaltensweisen, die einen
Wechsel in ein weniger restriktives Lebensumfeld verhindern. Behandlungsziele sind vornehmlich Symptomreduzierung und Stabilisierung sowie Verbesserung der sozialen Anpassung und
der zwischenmenschlichen Fertigkeiten.
Dadurch ist es in den meisten Fällen
möglich, eine Entlassung zu erreichen.
Basisdaten
Basisdaten der Klientel des psychiatrischen Maßregelvollzuges sind aus einzelnen Bundesländern und Kliniken
wiederholt publiziert worden. Mittlerweile liegen (außer für Bayern und Baden-Württemberg) auch bundesweite
Vergleichszahlen vor, die jährlich von
den obersten Gesundheitsbehörden der
Länder erhoben werden (Kerndatensatz). Frappierend und keineswegs eindeutig interpretierbar sind die Unter-
schiede zwischen den Bundesländern
(Mini-/Maximum in Klammern): 2012
betrug die Anzahl der gemäß § 63 StGB
untergebrachten Patienten bundesweit
10,4 pro 100.000 Einwohner (5,9 bis
16,2). Die Gesamtbehandlungsdauer der
entlassenen Patienten betrug 3.110 Tage
(2.082 bis 4.085). Die Stichtagsverweildauer der noch untergebrachten Patienten lag bei 2.807 Tage (2.097 bis 3.481).
Bereits mehr als zehn Jahre untergebracht waren 28,7% (16,4 – 38,0 %). 35,0%
der Untergebrachten hatten Ausgang
ohne Personalbegleitung (19,2 – 51,1 %).
Hauptdiagnosen:
—Schizophrenie: 43,0 % (17,4 – 72,9 %),
—Persönlichkeitsstörungen: 12,8 %
(1,7 – 27,2 %).
—Hirnorganische Störungen 10,6 %
(2,5 – 30,3 %),
—Störungen der sexuellen Orientierung
14,6 % (6,8 – 21,2 %),
—Suchterkrankungen 9,8 %
(4,3 – 23,7 %),
—Sonstige 9,2 % (0,4 – 37,0 %).
Einweisungsdelikte:
—Straftaten gegen das Leben (außer
­Sexualdelinquenz) 18,6 %,
—Brandstiftung 10,8 %,
—Sexualdelikte 25,8 %,
—Körperverletzung 29,2 %,
—Raub und Erpressung 6,9 %,
—Sonstiges 8,8 %.
Auch hier gibt es zwischen den Bundesländern Unterschiede, insgesamt ist das
Bild aber deutlich homogener als bei den
Diagnosen. Die Belastung dieser Population mit weiteren psychiatrischen Störungen ist außerordentlich hoch, wobei
es sich bei den Co-Diagnosen meist um
Substanzmissbrauch, Grenzbegabung
und dissoziale Persönlichkeitsstörung
handelt. Für die Praxis ist wichtig, dass
die psychiatrische Hauptdiagnose in vielen Fällen nicht das aus kriminologischer Sicht vorrangige Behandlungsproblem darstellt.
Grundregeln als Basis der
Behandlung
Entscheidender Unterschied zwischen
psychiatrischem Maßregelvollzug und
Allgemeinpsychiatrie ist der Umstand,
dass Einweisung und Entlassung im
Maßregelvollzug von einem Gericht vorNeuroTransmitter 2016; 27 (1)
Psychiatrische Kriminaltherapie im Maßregelvollzug
Psychiatrische Kriminaltherapie ist
Risikomanagement
Aus dem gesetzlich vorgegebenen Doppelmandat „Besserung und Sicherung“
folgt, dass psychiatrische Kriminaltherapie im gesamten Behandlungsverlauf
die Sicherung der Allgemeinheit im Fokus hat und diese bei keiner therapeutischen Maßnahme gefährdet werden
darf. Es geht ausschließlich darum, das
von dem Patienten ausgehende Delinquenzrisiko durch geeignete Maßnahmen zu reduzieren (Risikomanagement).
Diese beinhalten die sorgfältige Beobachtung und Beurteilung des Risikos
und geeignete Maßnahmen, um das Risiko zu kompensieren, zu reduzieren
oder zu neutralisieren, bevor es sich verwirklicht. Je wahrscheinlicher der Schadenseintritt und je höher der zu erwartende Schaden ist, umso nachdrücklicher, eingreifender und sicherer müssen
die Maßnahmen sein. Je unmittelbarer
das Risikoverhalten bevorsteht, umso
schneller und intensiver muss reagiert
werden. Gutes Risikomanagement zeichnet sich dadurch aus, dass man handelt,
lange bevor etwas passiert.
Das Risikomanagement des psychiatrischen Maßregelvollzuges erfolgt auf
der Basis einer sorgfältigen Risikobeurteilung. Hierbei werden zunächst die im
individuellen Fall vorliegenden statischen (= nicht mehr veränderbaren) und
dynamischen (= prinzipiell veränderbaNeuroTransmitter 2016; 27 (1) ren) Risikofaktoren, aber auch protek-­
tiven Faktoren identifiziert. Für eine
strukturierte Erfassung von beiden liegen eine Reihe reliabler und valider Prognosechecklisten vor. Auf der Grundlage der vorliegenden Risikofaktoren werden diese zunächst auf ihre Relevanz für
den Einzelfall geprüft, zueinander in Beziehung gesetzt, um dann eine individualisierte Kriminalprognose unter der
Fragestellung „Wer wird wie schnell, unter welchem Umständen, mit welchem
Delikt rückfällig?“ zu erstellen, aus der
sich die Maßnahmen des individuellen
Risikomanagements ableiten sollten.
Im idealtypischen Fall erstreckt sich
die Behandlung psychisch kranker
Rechtsbrecher auf einem Kontinuum
von der Aufnahme in die forensische
Klinik über die stationäre Behandlung,
Entlassungsvorbereitung, ambulante
fachforensische Nachbetreuung bis hin
zur Überführung in das allgemeinpsychiatrische Versorgungssystem.
Techniken
Zur Reduzierung des individuellen Risikos stehen im Risikomanagement vier
Typen von möglichen Interventionen
zur Verfügung:
1. Die kontinuierliche Risikoüberwachung (Risikomonitoring),
2. die im klinischen Bereich übliche
Strategie „Behandlung“,
3. die Einschränkung des Handlungsund Bewegungsspielraums des Patienten im Rahmen der juristischen
Möglichkeiten und
4. Maßnahmen der Verbesserung der
Sicherheit von potenziellen Opfern.
Risikomonitoring
Das Monitoring eines Patienten mit dem
Ziel der Beurteilung von Risikoänderungen hat regelhaft den erwünschten Nebeneffekt, dass sich allein dadurch die
Wahrscheinlichkeit des Auftretens von
Problemverhalten oft bereits reduziert.
Überwachungsmethoden sind vor allem
der kontinuierliche Kontakt und das Gespräch mit dem Patienten, aber auch
Selbstbeobachtungsprotokolle, Laufzettel, Kassenbuch, Fahrtenbuch, Verhaltensproben, Telefonkontakte, Kontakte
mit relevanten Bezugspersonen, Drogenoder Alkoholtests, Medikamentenspiegelkontrollen oder Sicherungsmaßnahmen im engeren Sinn wie Kontrolle von
Post, Telekommunikation, schriftlichen
Unterlagen oder Durchsuchungen.
Für ein effektives Risikomanagement
ist wichtig, dass alle Verlaufsbeobachtungen zeitnah an einer Stelle zusammenfließen, wofür es geeigneter Kommunikations- und Organisationsstrukturen bedarf. Im Fokus stehen die dynamischen
Risikofaktoren und protektiven Faktoren.
Risikominderung durch Behandlung
Beruhend auf den Prinzipien von Risiko,
Bedürfnis und Ansprechbarkeit ist „Behandlung“ mittels pharmakologischer,
psychotherapeutischer und soziotherapeutischer Verfahren die nächste große
Gruppe von Verfahren des Risikomanagements.
Risiko-, Bedürfnis-, Ansprechbarkeits­
prinzip: In der Straftäterbehandlung hat
sich das Risiko-Bedürfnis-Ansprechbarkeitsprinzip als der am besten unter-
Die Beschäftigungs- und
Arbeitstherapie
ist eine wichtige
Säule der psychiatrischen Kriminaltherapie.
©© freepeoplea / Fotolia.com
genommen werden, wobei – ohne Berücksichtigung der Behandelbarkeit –
ausschließlicher Maßstab das Delinquenzrisiko des Betroffenen ist.
Aus diesen Besonderheiten des Maßregelvollzugs und dem Wissen über die
Prinzipien effektiver kriminalpräventiver Interventionen lassen sich sechs einfache Grundregeln ableiten, welche die
Basis effektiver und effizienter Prozessqualität im psychiatrischen Maßregelvollzug darstellen (Tab. 1). Grundlagen
einer State-of-the-Art Kriminaltherapie
sind das empirisch gesicherte Wissen
über die Ursachen von Kriminalität, die
spezifischen Charakteristika psychisch
gestörter Straftäter und die kriminalpräventive Wirksamkeit einzelner Methoden. Weiterhin bedarf es adäquater
rechtlicher, materieller und institutioneller Rahmenbedingungen.
Fortbildung
27
Fortbildung
suchte Ansatz zur Reduktion von Rückfälligkeit durchgesetzt.
—Das Risikoprinzip besagt, dass die Behandlung dem Risikolevel des Täters
angepasst sein soll. Da sich im Maßregelvollzug nur Personen mit einem
grundsätzlich hohen Risiko befinden,
ist eine intensive Behandlung sachgerecht.
—Das Bedürfnisprinzip besagt, dass
kriminalpräventive Interventionen
auf solche Merkmale abzielen sollen,
die auch tatsächlich mit dem kriminellen Verhalten in Beziehung stehen.
Daher müssen folgende Merkmale im
Fokus der Behandlung stehen: Antisoziale Ansichten, Einstellungen und
Peer-Kontakte; Identifikation mit kriminellen und antisozialen Rollenmodellen und -werten; Impulsivität;
Mangel an sozialen und zwischenmenschlichen Fähigkeiten; selbstschädigende Coping-Strategien; Unfähigkeit, zu planen und konzeptionell zu denken; Unfähigkeit, Schwierigkeiten vorherzusehen und damit
umzugehen; Egozentrik; Externalisierung von Verantwortung; konkretistisches, starres und zuweilen irrationales Denken; Selbstkontrollstörungen; Problemlösedefizite und substanzgebundene Abhängigkeiten.
Protektive Faktoren wie stabile Arbeitssituation, strukturierte prosoziale Freizeitaktivitäten, festes Einkommen und solides Finanzmanagement,
Behandlungsmotivation, positive Akzeptanz von Autoritäten, positive Lebensziele, prosoziales und unterstützendes soziales Netzwerk, stabile Intimbeziehung sind zu fördern.
—Das Ansprechbarkeitsprinzip besagt,
dass die Art der Intervention an den
Lernstil und die Fähigkeiten des Täters angepasst sein muss. Bei psychisch kranken Straftätern sind vor
­a llem kognitiv-behaviorale, am konkreten Verhalten ausgerichtete Vorgehensweisen wie Rollenspiel, Verhaltensübungen, abgestufte Erprobung,
Verstärkung, kognitive Umstrukturierung, aber auch konkrete Hilfestellungen erfolgversprechend.
Pharmakologische Behandlung: Eine
Psychopharmakotherapie der Dissozialität und Delinquenz gibt es nicht. Bei
28
Psychiatrische Kriminaltherapie im Maßregelvollzug
emotionaler Labilität, unkontrollierbarer Wut, Impulsivität, unkontrolliert
überschießender Gewalt oder mürrischdysphorischer Gereiztheit kann eine
syndromorientierte pharmakologische
Behandlung sinnvoll sein. Bei einer
schizophrenen oder affektiven Störung
ist eine Psychopharmakotherapie unerlässlich. Da das Arzneimittelrecht an
der Klientel des Maßregelvollzugs keine
pharmakologischen Wirksamkeitsstudien erlaubt und die typischen Patientencharakteristika (Multimorbidität,
lange Krankheitsdauern, Hostilität,
Non-Compliance) regelhaft Ausschlusskriterien für solche Studien sind, stößt
man in der Praxis rasch an die Grenzen
der Anwendbarkeit evidenzbasierter
Leitlinien.
Soziotherapeutische Verfahren: Soziotherapeutische Verfahren legen den
Schwerpunkt auf die Interaktion zwischen dem Patienten und seiner Umgebung. Hier kann zwischen stationären
Verfahren (z. B. Milieutherapie, CaseManagement, Ergotherapie, Sozialarbeit, Sport, Bildung und Freizeit) und
ambulanten Verfahren (z. B. Maßnahmen der Arbeitsrehabilitation, Platzierung in Übergangseinrichtungen) und
vor allem einer gezielten forensisch-psychiatrischen Nachsorge unterschieden
werden.
Psychotherapeutische Ansätze: Diese
Ansätze zielen auf eine Veränderung störungsbedingter dysfunktionaler kognitiver, emotionaler und behavioraler
Muster mit psychologischen Mitteln ab.
Sie wurden allerdings an nicht straf-­
fälligen, psychisch gestörten Patienten
zur Besserung psychischer Störungen
entwickelt.
Ansätze aus der Straftäterbehandlung:
In der Behandlung psychisch kranker
Rechtsbrecher sollten störungsspezifische evidenzbasierte klinische Behandlungsansätze um Ansätze aus der Straftäterbehandlung, die gezielt der Reduzierung von Delinquenz dienen und an
psychisch nicht gestörten Straftätern
entwickelt wurden, ergänzt werden.
Hierzu stehen manualisierte deutschsprachige Programmpakete zur Verfügung.
Besonderheiten im Maßregelvollzug:
Patienten des Maßregelvollzugs sind anders als andere Patienten „per definitionem“ gefährlich. Voraussetzung für viele Behandlungsmaßnahmen ist aber,
dass sich Behandler und untergebrachter
Patient gefahrlos begegnen können.
Schon allein deshalb hat es sich bewährt,
im Rahmen einer individuellen Behandlung Behandlungsschwerpunkte nach
folgendem Algorithmus zu hierarchisieren beziehungsweise zu priorisieren:
1.Reduzierung der Fremd- und Eigengefahr,
2.Steigerung von Behandlungscompliance/Behandlungsadhärenz,
3.Verbesserung der psychischen Störung und
4.Verbesserung der Lebensqualität.
Patienten des Maßregelvollzugs kommen anders als andere Patienten nicht
freiwillig in eine Behandlung, weil sie
unter ihrem Zustand leiden, sondern
werden zu einer Behandlung verurteilt,
weil andere unter ihrem Zustand leiden.
Vor diesem Hintergrund kommt der
Förderung von Behandlungsmotivation
in der psychiatrischen Kriminaltherapie
ein sehr hoher Stellenwert zu.
Be­schränkung von
Handlungsspielräumen
Weitere Strategien, die im Rahmen eines
Risikomanagements zur Verfügung stehen, umfassen die Einschränkung des
Handlungs- und Bewegungsspielraums,
wodurch dem Patienten die äußeren
Möglichkeiten zu erneuter Delinquenz
genommen werden. Ihre rechtlichen
Grundlagen haben diese Einschränkungen der Rechte des Patienten in den
Maßregelvollzugsgesetzen der Länder
sowie im Strafgesetzbuch. In der konkreten Ausgestaltung dieser Form des
Risikomanagements haben die Maßregelvollzugskliniken für die intramurale
Behandlung zumeist ein abgestuftes Lockerungs- oder Stufensystem etabliert.
Hierin werden den Patienten – in Abhängigkeit von ihrem aktuellen Risiko –
Freiheiten und Rechte eingeschränkt
(bis hin zur Isolierung und Fixierung),
aber auch Lockerungen (Ausgänge, Urlaube, etc.) gewährt.
In der Führungsaufsicht nach der stationären Unterbringung können gerichtlich angeordnete Weisungen nach § 68b
NeuroTransmitter 2016; 27 (1)
Psychiatrische Kriminaltherapie im Maßregelvollzug
Tab. 2: Wiederaufnahmen nach bedingter Entlassung*
Wiederaufnahmen
Während der
Führungsaufsicht
ohne Delikt
Nach der
Führungsaufsicht
Entlassungen
„at risk“
mit Delikt
2014
8
2
1
48
2013
8
0
1
49
2012
4
1
0
65
2011
7
0
0
56
2010
9
0
1
41
2009
9
0
3
48
2008
2
0
2
52
2007
4
1
1
47
2006
7
2
1
48
2005
4
2
1
47
2004
1
2
2
56
Summe
63
10
13
557
*QM-Bericht der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Haina
StGB Basis eines Risikomanagements
durch Einschränkung von Handlungsräumen sein (z. B. Wohnort nicht zu
wechseln, bestimmte Tätigkeiten nicht
auszuführen, sich einer Behandlung zu
unterziehen).
milienangehörige Opfer von Gewalt
werden. Hier ist ihre fachkundige Beratung durch Mitarbeiter des „Forensiksystems“ im Erkennen und Beurteilen
von Risiken und dem Umgang damit
eine häufig praktizierte Maßnahme.
Verbesserung der Sicherheit
potenzieller Opfer
Diese Maßnahmengruppe des Risikomanagements zielt darauf ab, das Risiko
erheblich rechtswidriger Taten dadurch
zu reduzieren, dass die Sicherheit identifizierbarer potenzieller Opfer verbessert
wird. Hierzu gehören statische (strukturelle/bauliche) Maßnahmen, aber auch
dynamische Maßnahmen, die potenzielle Opfer im Umgang mit Gewalt stärken.
Identifizierbare Opfer im intramuralen
Bereich sind vor allem Mitarbeiter und
Mitpatienten. Dynamische Maßnahmen
zur Verbesserung ihrer Sicherheit sind
zum Beispiel die regelhaft in Maßregelvollzugskliniken durchgeführten Deeskalationstrainings und Trainings in
„Halte- und Fixiertechniken“ für Mitarbeiter, aber auch die Praxis, bei Konflikten zwischen Patienten rechtzeitig einzugreifen. Im extramuralen Bereich
können vor allem Mitarbeiter von nachsorgenden Einrichtungen und/oder Fa-
Behandlungsergebnisse
NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Daten aus der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Haina belegen, dass nur
sehr wenige Patienten nach bedingter
Entlassung scheitern. Während in den
Jahren 2004 bis 2007 bei insgesamt 198
Entlassungen zwölf (= 6,1 %) Patienten
wegen erneuter Delinquenz zurückkamen, wurden 2011 bis 2014 bei 218 entlassenen Patienten nur fünf (= 2,3 %)
Rückkehrer wegen erneuter Delinquenz
registriert. Deutlich häufiger kommen
bedingt entlassene Patienten wegen Verstößen gegen Bewährungsauflagen zurück in die forensische Klinik (Tab. 2).
Der erneute Aufenthalt ist dann regelhaft nur sehr kurz.
Fortbildung
von Kriminalität und die kriminalpräventive
Wirksamkeit einzelner Methoden. Die Behandlung muss in adäquate rechtliche, materielle und institutionelle Rahmenbedingungen eingebettet sein. Für die Reduzierung des individuellen Risikos stehen im Risikomanagement folgende Interventionen
zur Verfügung: die kontinuierliche Überwachung des Risikos, die im klinischen Bereich
übliche Strategie „Behandlung“, die Einschränkung des Handlungs- und Bewegungsspielraums des Patienten im Rahmen
der juristischen Möglichkeiten und Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit potenzieller Opfer. Institutionen, die multimodale,
kognitiv-behaviorale Ansätze unter Nutzung
der Techniken des sozialen Lernens verfolgen, Methoden verwenden, die dem Lernstil
der Klienten entsprechen, auf jene Klientenmerkmale zielen, die nach dem empirischen
Kenntnisstand kriminogene Faktoren sind,
erzielen deutliche kriminalpräventive Effekte. Nach Entlassung aus der stationären Behandlung bedarf es regelhaft einer langjährigen, auch aufsuchenden Nachsorge. Wo
evidenzbasierte Techniken in Risikobeurteilung und Risikomanagement eingeführt,
klare Strukturen und Grundregeln etabliert,
eine ambulante Nachsorge aufgebaut und
angemessene Personalzahlen durchgesetzt
wurden, kam es in der psychiatrischen Kriminaltherapie zu deutlichen und messbaren
Verbesserungen.
Literatur
www.springermedizin.de/neurotransmitter
AUTOREN
Dr. Rüdiger Müller-Isberner
Ärztlicher Direktor, Vitos Klinik für
forensische Psychiatrie Haina
Landgraf-Philipp-Platz 3
35114 Haina (Kloster)
E-Mail: [email protected]
Fazit für die Praxis
Dipl. Psych. Sabine Eucker
Leitende Psychologin, Vitos Klinik
für forensische Psychiatrie Haina
Landgraf-Philipp-Platz 3
35114 Haina (Kloster)
Psychiatrische Kriminaltherapie gemäß § 63
StGB ist Risikomanagement. Dieses fußt auf
State-of-the-Art-Risikobeurteilung und dem
Wissen über die spezifischen Charakteristika
psychisch gestörter Straftäter, die Ursachen
Dr. jur. Thomas Wolf
Vorsitzender Richter,
Strafvollstreckungskammer,
Landgericht Marburg
Universitätsstr. 48, 35037 Marburg
29
Fortbildung
Literatur
1. Andrews DA, Bonta J. (2010) Psychology of
criminal conduct. New Providence, NJ.: Mathew Bender & Co.
2. Craig LA, Dixon L, Gannon ThA. (eds.)(2013)
What Works in Offender Rehabilitation. Chichester: Wiley-Blackwell.
3. Müller-Isberner R, Eucker S. (Hrsg.). Praxishandbuch Maßregelvollzug. Berlin: Medizinische Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2012.
4. Müller-Isberner R, Eucker S, von Hecker B,
Nedopil N. (2015) Therapie im Maßregelvollzug. In: U Voderholzer, F Hohagen (Hrsg.)
Therapie psychischer Erkrankungen: State
of the Art. 10. Auflage. München: Urban &
Fischer. S. 417-430
2
NeuroTransmitter 2016; 27 (1)
Fortbildung
Sozialpsychiatrische Versorgung
Versorgungskosten nicht primär durch
Krankheitsschwere bedingt
Da die Ressourcenverteilung in der sozialpsychiatrischen Versorgung wenig logisch erscheint, wird in der
hier vorgestellten explorativen Studie untersucht, ob diese mit der Schwere einer psychischen Erkrankung
zusammenhängt. Die Ergebnisse lassen Rückschlüsse darauf zu, dass es nur bedingt die objektiv erfassbare
Krankheitsschwere ist, welche die Versorgungskosten bestimmt. Gleichzeitig lässt die vorliegende Studie
Einblicke in die Verteilung der Versorgungskosten zu.
A N D R E A S K I N A D E T ER , R EG EN SB U R G
me, dass die Qualität der Versorgung in
Deutschland ebenfalls sehr hoch ist.
Trotz der Schwierigkeit, diese zu messen,
gibt es aber Anzeichen, dass die Behandlungsqualität in Deutschland verglichen
mit anderen europäischen Ländern eher
nur im oberen Mittelfeld anzusiedeln ist
[3, 4, 5]. Dieser Sachverhalt legt wiederrum nahe, dass die große Menge an zur
Verfügung stehenden Ressourcen nicht
passgenau verteilt wird. Bei der Betrachtung der Ressourcenverteilung für alle
psychischen Erkrankungen fällt auf,
dass die meisten Mittel für die stationä-
Betreute Wohnformen ­gehören
zu den kostensteigernden
­Prädiktoren der
sozialpsychiatrischen Versorgung.
30
re Behandlung und Pflege bereitgestellt
werden (Abb. 1). Dies lässt vermuten,
dass schwerer erkrankte Personen mehr
Leistungen erhalten.
Die Datenlage der sozialpsychiatrischen Forschung in Deutschland ist leider eher uneinheitlich und lückenhaft
[1]. Die vorhandenen Studien untersuchen vor allem Kosten einzelner Krankheitsbilder, wie die der Schizophrenie,
der Depression und teilweise der Demenz. Obwohl die Kostenverteilung zu
den einzelnen Diagnosen seit etwa Mitte
der 1990er-Jahre erforscht wird, gibt es
nur wenige Studien über mögliche Kostenprädiktoren. Die vorliegende Studie
widmet sich daher der Frage, ob die
Schwere einer psychischen Erkrankung
die Ressourcenverteilung bestimmt.
Methoden
Stichprobe
Insgesamt wurden 50 Menschen mit
vornehmlich schweren chronischen psychischen Erkrankungen befragt, die
durch ambulante Dienstleister versorgt
werden. Menschen, die in einer stationären Einrichtung lebten, wurden ebenso
nicht befragt wie Personen mit einem forensischen Hintergrund. Dies liegt darin begründet, dass sich ein Großteil der
vorhandenen Studien mit Menschen in
stationären Einrichtungen oder Krankenhäusern und mit dem Krankheitsbild Schizophrenie befasst [6, 7, 8, 9, 10,
NeuroTransmitter 2016; 27 (1)
©© Koos ‚Groenwold / Springer Media
D
ie Ausgaben für psychiatrische
Gesundheitsversorgung sind –
gemessen am Bruttoinlandsprodukt – im internationalen Vergleich in
Deutschland sehr hoch. Ungefähr 1,1 %
des Bruttoinlandsprodukts und damit
etwa 11 % des gesamten Gesundheitsbudgets werden für die Versorgung von
psychisch erkrankten Menschen bereitgestellt [1]. Diese Daten bilden jedoch
methodenbedingt einen Großteil der
ambulanten, „komplementären“ psychiatrischen Versorgung nicht ab [2]. Diese
hohen Ausgaben verleiten zu der Annah-
Fortbildung
Sozialpsychiatrische Versorgung
11]. Die Befragung fand im Zeitraum
von März bis Juni 2013 statt. Die Datenerhebung erfolgte in enger Zusammenarbeit mit der „Bayerischen Gesellschaft
für psychische Gesundheit e. V.“ (BGfpG)
in Regensburg.
Leistungen für WfbMs 537
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben 604
Sonstige Praxen (inkl. Ergotherapie) 874
Private Haushalte 1.096
Leistungen für betreute Wohnformen 1.714
Ambulante Pflege 1.739
Messung der Krankheitsschwere
Bei dem Versuch, das Konstrukt „Krankheitsschwere“ möglichst umfassend zu
beurteilen, wurden vier gut evaluierte
Messinstrumente eingesetzt. Zum einen
wurden subjektive Aussagen über Lebensqualität und Empowerment der Befragten durch den „WHO Quality of Life
– BREF“ (WHOQOL-BREF) und den
„Fragebogen zur Erfassung von Empowerment im psychiatrischen Behandlungsprozess von Patienten mit affektiven und schizophrenen Erkrankungen“
(EPAS) eingeholt [12, 13]. Zum anderen
wurden die professionell tätigen Bezugspersonen der Befragten gebeten, die
Krankheitsschwere mittels der „Health
of the Nation Outcome Scales“ (HoNOSD) zu bewerten [14]. Zusätzlich wurde
der Unterstützungsbedarf mit der deutschen Version des „Camberwell Assessment of Need – EU“ (CAN-EU) erfasst
[15]. Dabei handelt es sich bei allen Instrumenten – bis auf die HoNOS-D – um
Selbsteinschätzungs- oder Selbstberichtsinstrumente. Dies hat den großen
Vorteil, dass die subjektive Sichtweise
auf Lebensqualität oder auch Empowerment, der in der psychiatrischen Forschung immer mehr Aufmerksamkeit
entgegengebracht wird, bei der Auswertung der Daten berücksichtigt werden
konnte. Durch Summenbildung zu verschiedenen Dimensionen der einzelnen
Erhebungsinstrumente konnten so insgesamt 14 Variablen erhoben werden,
von denen man annehmen kann, dass sie
die Schwere einer psychischen Erkrankung möglichst vielfältig abbilden.
spruchnahme von Versorgungsleistungen“ und „Medikation“. Bei der Befragung zur Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen wurden stationäre,
teilstationäre und ambulante Kontakte
zum Versorgungssystem und deren jeweilige Dauer über drei Monate erfasst
und monetär bewertet. Die einzelnen
Kostenwerte wurden in „direkte“ und
„indirekte“ sowie in „medizinische“ und
„nicht medizinische“ Leistungsarten unterteilt. Während direkte medizinische
Kosten vornehmlich Medikamente, ambulante, teil- und vollstationäre Leistungen beinhalten, bestehen direkte nicht
medizinische Leistungen zum großen
Teil aus betreuten Wohnformen, rechtlichen Betreuungen, Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) oder Beratungsleistungen. Ein Hauptteil der indirekten Kosten entsteht durch Produktivitätsausfall oder Arbeitsunfähigkeit,
aber auch durch Kosten von öffentlich
gefördertem Wohnraum.
Messung der Versorgungskosten
Zur Erhebung der Versorgungskosten
wurde in der vorliegenden Studie eine
regional angepasste Version des „Client
Sociodemographic and Service Reciept
Inventory“ (CSSRI-D) gewählt [16]. Das
CSSRI-D erhebt Daten aus fünf Subkategorien: „Soziodemografische Daten“,
„Lebenssituation des Probanden“, „Beschäftigung und Einkommen“, „Inan-
Auswertung
Neben den 14 Variablen, welche die
Schwere einer psychischen Erkrankung
abbilden sollen, wurden weitere Variablen erfasst, die aufgrund bereits bekannter Studien einen Einfluss auf die Ressourcenverteilung haben können: „Aktuell in Arbeit“, „Alter der Probanden“,
„Vorliegen einer affektiven Erkrankung“, „Geschlecht“, „Lebt in betreuter
NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Verwaltung 1.845
Rehabilitation (medizinisch) 2.025
Artzpraxen 2.200
Medikamente 3.084
Stationäre Behandlung 7.419
Stationäre Pflege 7.549
0
1.000
2.000
3.000
4.000 5.000
Mio. Euro
6.000
7.000
8.000
Abb. 1: Ausgaben für psychische Erkrankungen im Jahr 2008 in Millionen Euro, geordnet
nach Leistungsart (Daten der Gesundheitsberichterstattung des Bundes [18] sowie eigene
Berechnungen).
Wohnform“, „Rechtlicher Betreuer vorhanden“ und „Schulabschluss über
Hauptschulniveau“ [6, 8, 9, 10]. Diese
insgesamt 21 unabhängigen Variablen
sollten – so die Ausgangshypothese – die
Verteilung der Versorgungskosten erklären. Dies wurde mittels multivariater
­linearer Regressionsanalyse überprüft.
Um ein möglichst passgenaues Regressionsmodell zu finden, kamen die „Vorwärts-“ und die „Rückwärtsmethode“
zum Einsatz. Wegen der rechtsschiefen
Verteilung der Kostendaten wurde zur
Schätzung der Standardfehler und der
Konfidenzintervalle der Regressionsparameter ein nonparametrisches Boots­
trapping-Verfahren verwendet. Neben
dieser spezifischen Auswertung wurde
weiter die Ressourcenverteilung nach
Leistungsträgern, Kostenträgern und
Kostenarten mit Hilfe von deskriptiver
Statistik analysiert.
Ergebnisse
Die 50 untersuchten Probanden waren
im Durchschnitt 44 Jahre alt. Über die
Hälfte der Probanden (54 %) hatte mindestens einen Realschulabschluss, nur
wenige Probanden hatten keinen Abschluss (14 %). Lediglich ein kleiner Teil
der Probanden hatte einen Partner (8 %)
oder war verheiratet (2 %). Insgesamt
34 % der Befragten lebten in therapeutischen Wohngemeinschafen (TWG) oder
wurden durch das betreute Einzelwoh-
31
Fortbildung
Sozialpsychiatrische Versorgung
nen (BEW) unterstützt. Trotz einer eher
hohen Beschäftigungsquote von 48 %
(30 % in beschütztem Rahmen und 18 %
auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt) wa-
ren 82 % der Probanden auf Sozialleistungen angewiesen, wobei der Großteil
(50 %) der Sozialleistungen aus Renten
wegen verminderter Erwerbsfähigkeit
Tab. 1: Soziodemografische und krankheitsspezifische Merkmale der
Studienpopulation (n = 50)
Anteil Frauen (in %)
38,8
Alter in Jahren (M/SD)
43,68 / 12,02
Schulbildung (in %)
Kein Abschluss
14
Hauptschulabschluss
32
Mittlere Reife
22
Abitur / Hochschule
28
Ledig / ohne Partner
70
Verheiratet / mit Partner
10
Geschieden / verwitwet
20
Erwerbs- oder Berufsunfähig
28
Altersrente / Pension
10
(Um) Schüler / Student
2
Arbeitssuchend
12
Angestelltenverhältnis
18
Geschützte Tätigkeit
30
Psychiater
70,2
Hausarzt
61,7
Psychiatrische Institutsambulanz
14,9
F 20 – F 29
36
F 30 – F 39
38
HoNOS-D (M/SD)
Summenwert
1,14 / 0,51
CAN-EU (M/SD)
Gesamtbedarf
6,04 / 3,11
Ungedeckter Bedarf
2,16 / 2,19
Gedeckter Bedarf
3,88 / 2,22
Domäne „physisch“
59,57 / 18,20
Domäne „psychisch“
51,50 / 18,47
Domäne „soziale Bedingungen“
54,33 / 19,80
Domäne „Umwelt“
68,00 / 14,10
Domäne „Global“
48,75 / 21,47
Alltagsbewältigung
3,54 / 0,67
Soziale Beziehungen, Sexualität,
­Freizeit
3,09 / 0,65
Behandlungspartizipation
3,68 / 0,57
Hoffnung, Selbstwirksamkeit
3,19 / 0,78
Selbstwert, Akzeptanz
3,38 / 0,77
Familienstand (in %)
Beschäftigung (in %)
Ärztliche Anbindung (in %)
Diagnose (in %)
WHOQoL-BREF (M/SD)
EPAS (M/SD)
32
bestand. Die betreuenden Experten haben im Rahmen der Bearbeitung der
­HoNOS-D festgestellt, dass die Hauptprobleme der Probanden in den Bereichen „Gedrückte Stimmung“ und „Psychische Belastung/Anspannung“ lagen.
Die Auswertung des von den Befragten
bearbeiteten CAN-EU ergab, dass die
Probanden im Durchschnitt sechs Bedarfe aus einem Katalog von 23 Bedarfsbereichen anführten. Etwa zwei Drittel
der Bedarfe waren gedeckt und ein Drittel war ungedeckt. Die Auswertung des
WHOQOL-BREF ergab, dass die Befragten ihre eigene Lebensqualität überdurchschnittlich gut einschätzten. Hervorzuheben ist die Lebensqualität im Bereich „Umwelt“, die von den Probanden
am höchsten bewertet wurde. Das geringste Empowerment fand sich in der
EPAS Dimension „Soziale Beziehungen,
Sexualität und Freizeit“ (Tab. 1).
Ermittelte Kostenprädiktoren
Für die Varianz der „Gesamtkosten“ fanden sich sechs Kostenprädiktoren. Während „Lebt in betreuter Wohnform“,
„WHO Domäne Soziale Bedingungen“
und „Rechtlicher Betreuer vorhanden“
eine kostensteigernde Wirkung haben,
scheinen die Prädiktoren „EPAS Dimension Soziale Beziehungen“, „Alter
der Probanden“ sowie „WHO Domäne
Physisch“ mit sinkenden Versorgungskosten assoziiert zu sein (Tab. 2). Für die
Varianz der „Direkten Gesamtkosten“
fanden sich annähernd dieselben Kostenprädiktoren: „Lebt in betreuter
Wohnform“ (β = 0,532), „WHO Domäne
Soziale ­Bedingungen“ (β = 0,474) und
„Rechtlicher Betreuer vorhanden“
(β = 0,298), „EPAS Dimension Soziale
Beziehungen“ (­ β = -0,681) sowie „Alter
der Probanden“ (β = -0,325). Für die Varianz der „Direkten medizinischen Gesamtkosten“ konnte aufgrund der geringen Fallzahl und der gewählten Methode kein stimmiges Regressionsmodell
mehr errechnet werden.
Leistungsverteilung in der Stichprobe
Die Kosten in den abgefragten drei Monaten wiesen eine sehr große Spannweite auf (Mittelwert = 9.411,29 €, Standardabweichung = 6.096,22 €). Die niedrigsten Kosten verursachte ein Proband mit
107,62 €, die höchsten Kosten ein ProNeuroTransmitter 2016; 27 (1)
Fortbildung
Sozialpsychiatrische Versorgung
Tab. 2: Regressionsmodell zu den Gesamtkosten über drei Monate
Regressionsmodell
Gesamtkosten über drei Monate
N
50
Korrigiertes R-Quadrat
0,676
Standardfehler des Schätzers
3476,8439253
F-Wert und Signifikanz
F (6,40) = 16,992, p < 0,001
Prädiktoren
b
Bootstrap (1.000 Stichproben)
KI 95 %
β
SD
p
WHO Domäne „Soziale
­Bedingungen“ (0 – 100)
145,83
62,90
218,24
38,84
0,002
0,484
Rechtlicher Betreuer vorhanden
(0 = Nein; 1 = Ja)
2.994,60
973,54
5.292,40
1.103,65
0,012
0,243
Lebt in betreuter Wohnform
(0 = Nein; 1 = Ja)
7.299,74
5.072,59
9.399,68
1.134,58
0,001
0,572
EPAS Dimension „Soziale
­Beziehungen“ (1 – 5)
–4.481,50
–7.142,97
–1.812,74
1.324,37
0,002
–0,440
Alter der Probanden (in Jahren)
–160,41
–249,80
–66,37
47,15
0,002
–0,316
WHO Domäne „physisch“
(0 – 100)
–79,83
–158,14
–3,45
36,64
0,041
–0,234
Abkürzungen: KI = Konfidenzintervall; SD = Standardabweichung; p = Signifikanzniveau; b = nicht standardisierter
­Regressionskoeffizient (interpretierbar in Euro); β = standardisierter Regressionskoeffizient
band mit 24.870,91 €. Von den Gesamtkosten entfielen 48 % auf die direkten
Kosten und 52 % auf die indirekten Kosten (Tab. 3). Die durchschnittlichen Jahressummen pro befragter Person betrugen 19.517,60 € für indirekte und
18.128,12 € für direkte Kosten. Die
höchsten Kosten im untersuchten Zeitraum entstanden der Gesellschaft durch
Produktivitätsausfälle. Die Krankenkassen kamen für etwa 27,2 %, die örtlichen
und überörtlichen Sozialhilfeträger für
etwa 19,3 % aller entstandenen Kosten
auf. Auf die Justizkasse entfielen 3 % aller Kosten allein für die rechtliche Betreuung. Die sonstigen Kostenträger, darunter vor allem Deutsche Rentenversicherung und Agentur für Arbeit, trugen
3,82 % der Gesamtkosten. Die Probanden selbst bestritten etwa 0,8 % aller
Ausgaben.
Diskussion der Ergebnisse
Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass
wohl alle gefundenen Prädiktoren indirekte Rückschlüsse auf die Schwere einer
psychischen Erkrankung zulassen. Es
kann angenommen werden, dass Men-
34
schen, denen ein rechtlicher Betreuer an
die Seite gestellt wurde oder die in einer
betreuten Wohnform leben, schwerer erkrankt sind als Menschen, denen diese
Hilfen nicht zuteilwerden. Auch Menschen mit einer schlechten körperlichen
Verfassung sind sicherlich schwerer erkrankt als Menschen mit einer höheren
Zufriedenheit mit ihrem physischen
Wohlbefinden. Ein höheres „soziales
Empowerment“, das in den hier gefundenen Ergebnissen mit geringeren Versorgungskosten verbunden ist, lässt ebenfalls auf eine geringere Krankheitsschwere schließen. Nichtsdestotrotz erscheint
es erstaunlich, dass sowohl die fremdbeurteilte Erkrankungsschwere als auch die
subjektiv abgefragten Bedarfe nicht im
Regressionsmodell auftauchen.
Kein Zusammenhang?
Weder der Summenwert des HoNOS-D
noch die einzelnen Bedarfswerte des
CAN-EU, noch die psychische oder die
globale Lebensqualität aus dem WHOQOL-BREF scheinen in der Kostenverteilung eine Rolle zu spielen. Hierfür gibt
es eine Vielzahl an möglichen Interpre-
tationen. Die fehlende Beziehung zwischen der HoNOS-D und den Versorgungskosten könnte damit zusammenhängen, dass psychische Erkrankungen
in vielen Fällen schubweise auftreten
und das Hilfesystem darauf oftmals nur
zeitverzögert reagiert. So wäre es denkbar, dass Menschen mit einer psychischen Erkrankung, denen es aktuell sehr
schlecht geht, erst in einigen Monaten
die passende Hilfe erhalten werden. Dies
wäre durch die langen Wartezeiten für
Psychotherapieplätze oder die teilweise
erheblichen Bearbeitungszeiten für Eingliederungshilfeanträge begründbar.
Außerdem wäre es vorstellbar, dass sich
die Krankheitsschwere der Probanden
aufgrund massiver Inanspruchnahme
von Hilfeleistungen in den letzten Monaten erheblich gelindert hat. Es ist daher sehr gut möglich, dass die durch den
Experten bestimmte Krankheitsschwere
in der HoNOS-D einen zeitverzögerten
Einfluss auf die Verteilung der Versorgungskosten hat, wobei es unmöglich erscheint vorherzusagen, in welche Richtung dieser zeitverzögerte Einfluss
wirkt. Da zeitverzögerte Einflüsse nur in
Längsschnittstudien nachweisbar sind,
wäre diese mit den Methoden der vorliegenden Studie nicht messbar gewesen.
Dies kann die hier fehlende Bedeutung
der HoNOS-D erklären, was gleichermaßen für die Lebensqualitätswerte aus
dem WHOQOL-BREF gelten würde.
Auch dass die Bedarfswerte aus dem
CAN-EU bei der Suche nach Kostenprädiktoren nicht auftauchen, kann erklärt
werden. Eine Person mag zwar sehr viele gedeckte Bedarfe vorweisen, diese
könnten aber sehr kostengünstig gedeckt sein, beispielsweise durch Nachbarschaftshilfe, Selbsthilfegruppen oder
Teilnahme an Gruppenangeboten von
SPDI und Tageszentren. Die Kosten für
derartige informelle Hilfeleistungen
sind im Vergleich zu Kostenfaktoren wie
„stationäre Behandlung“ oder „Produktivitätsausfall“ in einer Gesamtkostenverteilung kaum mehr erkennbar. Ein
möglicher Zusammenhang zwischen gedeckten Bedarfen und kostengünstigen
Hilfeleistungen ginge bei einer Analyse
aller Kosten wohl verloren.
Zusammenfassend lässt sich festhalten,
dass es nicht vorrangig die medizinische
Krankheitsschwere ist, die einen Einfluss
NeuroTransmitter 2016; 27 (1)
Fortbildung
Sozialpsychiatrische Versorgung
auf die Ressourcenverteilung hat, sondern vielmehr „weiche“ Faktoren des
Konstrukts Krankheitsschwere, wie „Soziales Empowerment“ oder andere Hilfsmaßnahmen, wie „Rechtliche Betreuer“
oder „Betreute Wohnformen“. Gerade die
betreuten Wohnformen scheinen in der
gefundenen Ressourcenverteilung eine
sehr große Rolle zu spielen.
Aussage der Ressourcenverteilung
Das Verhältnis von direkten zu indirekten Kosten entspricht in der hier durchgeführten Studie annähernd dem Verhältnis 1 : 1. Es ist daher nur eingeschränkt vergleichbar mit ähnlichen
Studien, die eher ein Verhältnis von 2 : 3
von direkten zu indirekten Kosten hindeuten [2, 9, 10]. Die Jahressummen der
direkten Kosten – die im vorliegenden
Fall durchschnittlich 18.128,12 € betragen – sind allerdings durchaus mit denen
anderer Studien vergleichbar, wenn man
die Inflationsraten berücksichtigt [2].
Widmet man sich der Ressourcenverteilung nach Leistungen oder Leistungsbereichen, so stellt man schnell fest, dass
ein genauer Vergleich mit anderen Daten
kompliziert ist. Dies liegt an den unterschiedlichen Erhebungsinstrumenten
und dem sich rasch verändernden Leistungsspektrum. Man kann jedoch davon
ausgehen, dass gerade die zentralen Leistungsbereiche aus „Stationärer Behandlung“, „Betreuten Wohnformen“ und
„Ambulanter Medikation“ bestehen.
Dieses Ergebnis findet sich auch im vorliegenden Fall wieder. Zu den Ressourcenverteilungen nach Kostenträgern gibt
es leider kaum Vergleichsdaten. Die Daten aus Abb. 1 zeigen die Zahlen der Gesundheitsberichtserstattung, welche die
örtlichen und die überörtlichen Sozialhilfeträger aus ihren Berechnungen ausklammert und somit keine Hinweise auf
Verteilungen nach Kostenträgern liefern
kann. Die anderen vorhandenen Daten
sind teilweise mehr als zehn Jahre alt
und in der sich rasch verändernden Leistungslandschaft somit nicht zu Vergleichen heranzuziehen [17]. Insgesamt gibt
es deshalb kaum Vergleichsdaten zur
Ressourcenverteilung. Die hier vorliegenden Daten bestärken daher vornehmlich den hohen Anteil an indirekten Kosten, die Wichtigkeit der Sozialhilfeträger in der Versorgung von MenNeuroTransmitter 2016; 27 (1) Tab. 3: Verteilung der Kosten über drei Monate nach Leistungsbereichen
Leistungsbereich
Mittelwert
Median
SD
Anteil an
den Gesamt­
ausgaben
Produktivitätsausfall
(Frühverrentung und AU)
4.359,19 €
5.979,50 €
2.941,76 €
46,32 %
Medizinische Versorgung (ambulant,
­teilstationär, stationär)
1.440,58 €
138,07 €
2.806,21 €
15,31 %
Wohnen (Therapeutische Wohngemeinschaft, betreutes Einzelwohnen, öffentlich
gefördert)
1.021,08 €
0,00 €
1.317,43 €
10, 85 %
Arbeit (Werkstätten für behinderte
­Menschen, Zuverdienst)
979,84 €
0,00 €
1.711,51 €
10,41 %
Medikamente inklusive Zuzahlung
920,98 €
547,54 €
1.223,87 €
9,79 %
Gesetzliche Betreuung
327,29 €
564,29 €
281,34 €
3,48 %
Krankenkassenleistungen (Ergotherapie,
Psychotherapie, Medikamentendienst,
­Krankengymnastik)
218,03 €
0,00 €
326,55 €
2,32 %
Beratung (Sozialpsychiatrische Dienste,
­Integrationsfachdienst etc.)
124,53 €
58,42 €
209,77 €
1,32 %
Sonstiges (Selbsthilfe, Haushaltshilfe,
­Mieterverein)
19,77 €
0,00 €
64,35 €
0,21 %
schen mit psychischen Erkrankungen
und den hohen Stellenwert der Leistungsbereiche „Medizinische Versorgung“, „Wohnen“ und „Arbeit“.
Limitationen
Mit einer Anzahl von 50 Befragungen
und der Anwendung der Vorwärts- und
Rückwärtsmethode zur Errechnung eines passgenauen Regressionsmodelles
kann kein Anspruch auf Verallgemeinerbarkeit erhoben werden. Größer angelegte Studien müssten die hier vorgelegten Ergebnisse bestätigen. Nichtsdestotrotz können durch die explorativ angelegte Studie wichtige Hinweise zu
Kostenprädiktoren und zur Leistungsverteilung generiert werden.
Fazit für die Praxis
Wenn die in der Studie gefundenen Kostenprädiktoren verallgemeinerbar sind, dann
scheinen diese Indizien dafür zu sein, dass
die medizinisch definierte Krankheitsschwere kaum mit dem Ressourcenverbrauch in Zusammenhang zu bringen ist.
Vielmehr sind es „weiche“ Bedingungen,
wie soziale Beziehungen und die Inanspruchnahme von Hilfsangeboten, welche
die Versorgungskosten erklären. Grundsätzlich lassen sich dabei viele der hier gefundenen Kostenprädiktoren nicht verändern. Es
wäre unsinnig und ethisch höchst fragwürdig, würde man rechtliche Betreuer oder
betreute Wohnformen abschaffen, um
Kosten zu sparen oder Ressourcen umzuverteilen. Allerdings wäre es etwa durch
soziales Kompetenztraining, Antistigmakampagnen oder Gemeinwesenarbeit
möglich, soziales Empowerment zu stärken.
Dies würde nicht nur zur Linderung schwerer Beeinträchtigungen von Menschen mit
psychischen Erkrankungen beitragen, sondern könnte auch zur Reduktion von Versorgungskosten führen.
Literatur
www.springermedizin.de/neurotransmitter
AUTOR
Andreas Kinadeter
Dipl. Sozialpäd. (FH)
Bayerische Gesellschaft für psychische
­Gesundheit e. V.
Rote-Hahnen-Gasse 6, 93047 Regensburg
E-Mail: [email protected]
35
Fortbildung
Literatur
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Finanzierung des Gesundheitswesens. Gesundheitsberichtserstattung des Bundes.
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von Patienten mit psychischen Störungen –
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ICD10, Einrichtung. 2013. http://www.gbebund.de/gbe10/i?i=554D .
NeuroTransmitter 2016; 27 (1)
Fortbildung
Psychiatrische Kasuistik
Chloroquin­assoziierte
psychotische Störung
Aktuelle Anamnese
Die stationäre psychiatrische Übernahme einer 39-jährigen Patientin aus der
psychosomatischen Abteilung erfolgte
bei erstmaligem Verdacht auf psychotische Symptomatik zur diagnostischen
Einschätzung und Einleitung einer Therapie. Initial wurde die Patientin aufgrund der Angabe einer Muskelschwäche unklarer Genese psychosomatisch
aufgenommen. Ein bereits 2005 diagnostizierter, jedoch als nicht behandlungsbedürftig eingeschätzter systemischer
Lupus erythematodes (SLE) wurde zuvor
in der rheumatologischen Abteilung als
undifferenzierte Kollagenose eingeordnet. Eine Behandlung dieser Kollagenose
mit Chloroquin (250 mg/Tag) bestand
seit zwei Monaten vor der stationären
psychosomatischen Aufnahme.
Im Aufnahmegespräch berichtete die
Patientin verzweifelt von neu aufgetretenen, teilweise imperativen und auch
kommentierenden Phonemen. Zudem
sei sie zu der Überzeugung gekommen,
verfolgt zu werden. Sie fühle sich konkret durch eine männliche Person beobachtet und bedroht und habe deshalb die
letzten Nächte nicht mehr schlafen können. Auch befürchte sie, durch Nahrung
oder „falsche“ Medikamente vergiftet zu
werden.
Psychiatrische Vorgeschichte
Bereits im Alter von sieben Jahren sei es
zu traumatischen Erfahrungen und in
der Folge zu anorektischem Essverhalten
sowie später zu selbstverletzendem Verhalten mit Handgelenksschnitten gekommen. Seit 2008 habe sie sich aufgrund einer depressiven Symptomatik
mehrfach in psychosomatische und psychiatrische Behandlungen begeben.
NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Während eines viermonatigen, stationär-psychiatrischen Aufenthaltes im
Jahr 2009 wurden die Diagnosen einer
Borderline-Persönlichkeitsstörung, einer
rezidivierenden depressiven Störung
und einer Anorexia nervosa gestellt. Daraufhin hat die Patientin an einer dialektisch-behavioralen Therapie (DBT) nach
Marsha M. Linehan teilgenommen. Seitdem erfolgten keine weiteren selbstverletzenden Verhaltensweisen und es bestand seitdem eine ambulante psychiatrisch-psychotherapeutische Weiterbehandlung.
Suchtmittelanamnese
Die Patientin berichtet von einem Alkoholmissbrauch in der Vergangenheit, seit
2010 ist sie glaubhaft abstinent. Ein aktueller Konsum von Nikotin sowie illegalen
Substanzen wird glaubhaft verneint.
Zeitweise habe sie in der Vergangenheit
regelmäßig Cannabis und bis etwa 2007
gelegentlich Kokain konsumiert.
Familienanamnese
Die Mutter der Patientin leide an Depressionen und Ängsten, bei dem Vater sei ihr
keine psychiatrische Erkrankung bekannt. Eine drei Jahre jüngere Schwester
sei ebenfalls psychiatrisch unauffällig.
Testen Sie Ihr Wissen!
In dieser Rubrik stellen wir Ihnen abwechselnd
einen bemerkenswerten Fall aus dem psychiatrischen oder dem neurologischen Fachgebiet vor.
Hätten Sie die gleiche Diagnose gestellt, dieselbe
Therapie angesetzt und einen ähnlichen Verlauf
erwartet? Oder hätten Sie ganz anders entschieden? Mithilfe der Fragen und Antworten am Ende
jeder Kasuistik vertiefen Sie Ihr Wissen.
Die Kasuistiken der letzten Ausgaben
(N = neurologisch, P = psychiatrisch):
NT 5/2015
N: Chronisches Schmerzsyndrom bei
zunehmender Varikosis
NT 6/2015
P: Albträume durch PTBS oder eine Schlafstörung?
NT 7 – 8/2015
N: Ist die Schilddrüse wirklich schuld?
NT 9/2015
P: Auf hohem Niveau: Risiko Gedächtnissorgen
NT 10/2015
N: Sterbewunsch bei der Parkinson-Krankheit
NT 11/2015
P: Attacken mit Lähmungen, Bauchschmerz und
Panik
NT 12/2015
N: Juckreiz – eine neurologische Krankheit?
Soziobiografische Anamnese
Die Patientin sei in Köln geboren und
aufgewachsen. Der Kontakt zu den Eltern sei im 18. Lebensjahr abgebrochen,
als sie im Anschluss an ihr Abitur zum
Studium in eine andere Stadt gezogen
sei. Das Studium habe sie nach fünf Jahren wegen einer Dauerbelastung durch
zahlreiche Nebenjobs abgebrochen, danach habe sie lange Zeit in der Altenpflege gearbeitet. Zusätzlich habe sie eine
Das Online-Archiv finden Sie auf den
Homepages der Berufsverbände unter
www.bvdn.de
www.neuroscout.de
www.bv-psychiater.de
37
Fortbildung
Cl
N
HN
H
N
CH3
CH3
CH3
CH3
HN
Cl
CH3
N
CH3
H
N
Abb. 1: Chloroquin ist ein 1 : 1-Gemisch des
R- (oben) und des S-Enantiomers (unten)
Umschulung zur Kauffrau abgeschlossen, jedoch nicht in diesem Beruf gearbeitet. Sie beziehe aktuell Arbeitslosengeld II. Während ihres Studiums habe
sie eine mehrjährige Beziehung gehabt,
seitdem sei sie keine längere Beziehung
mehr eingegangen. Aktuell habe sie nur
wenige soziale Kontakte. Sie lebe allein,
wobei die Wohnung laut einer engen
Freundin zuletzt deutlich vernachlässigt
worden sei.
Somatische Erkrankungen
2015 wurde in Zusammenschau der bis
dahin erhobenen Befunde die Diagnose
einer undifferenzierten Kollagenose gestellt und eine Behandlung mit Chloroquin eingeleitet.
Psychiatrische Kasuistik
weise imperativen Phonemen, die klar
als von außen gemacht erlebt wurden.
Psychomotorisch unruhig und angespannt. Ausgeprägte Ein- und Durchschlafstörungen. Gewichtsabnahme von
etwa 2 kg in den letzten zwei Monaten
bei reduzierter Nahrungsaufnahme
durch Vergiftungsängste und bei vorbekannter anorektischer Essstörung. Keine
suizidalen Gedanken, keine Fremdgefährdung. Es besteht eine Krankheitsund Behandlungseinsicht.
Internistisch-neurologischer
Untersuchungsbefund
39-jährige Patientin in reduziertem Allgemein- und untergewichtigem Ernährungszustand (BMI = 17 kg/m²), Hypertrichose im Brustbereich, reizlose parallele Schnittnarben an beiden Unterarmen. Koordination: Bradydiadochokinese beidseits. Reflexe: MER seitengleich
schwach auslösbar. Motorik und Sensibilität intakt. Sonst regelrechter internistischer und neurologischer Befund.
Labor
Leukozytopenie, Lymphozytopenie,
Monozytose, C3-Komplement-Mangel.
cMRT
Einzelne Gliosen im Marklager (DD:
mikroangiopathisch, postentzündlich),
ansonsten unauffälliger Befund.
EEG, EKG, Liquordiagnostik,
EMG/NLG
Unauffällig.
Psychopathologischer Befund
Muskelbiopsie
Wache, bewusstseinsklare und allseits
orientierte Patientin in gepflegtem Erscheinungsbild. Im Kontaktverhalten
misstrauisch, deutlich irritierbar. Stimmung wechselnd, jedoch meist gedrückt,
verzweifelt bei labilem Affekt. Formalgedanklich assoziativ gelockert, jedoch für
den Untersucher kohärent bei Störungen
des Abstraktionsvermögens. Inhaltlich
wurden Bedeutungserleben, Wahnwahrnehmungen sowie ein Vergiftungsund Verfolgungswahn geäußert. Ebenfalls geäußert wurden Fremdbeeinflussungserleben und Ich-Störungen in
Form von Gedankenausbreitung. Es bestanden akustische Halluzinationen in
Form von kommentierenden und teil-
Skelettmuskulatur mit Zeichen eines
chronisch-neurogenen Prozesses und
­einer Typ-2b-Faseratrophie.
38
Therapie und Verlauf
Die aktuelle stationäre Übernahme erfolgte bei zunehmend psychotischer und
gemischter affektiver Symptomatik mit
Verfolgungs- und Vergiftungswahn sowie neu und erstmalig aufgetretenen
akustischen Halluzinationen. Die Patientin wurde aufgrund ihrer Beschwerden im Rahmen einer diagnostizierten
undifferenzierten Mischkollagenose mit
Chloroquin behandelt, woraufhin es
erstmalig zum Auftreten einer anhaltenden und ausgeprägten psychotischen
Symptomatik kam. Aufgrund des engen
zeitlichen Zusammenhanges zwischen
der erstmaligen Einnahme von Chloroquin und der paranoid-halluzinatorischen Symptomatik wurde bei Verdacht
auf eine Chloroquin-induzierte psychotische Störung die Chloroquingabe pausiert. Bei einer anschließenden Re-Evaluation durch die Kollegen der Rheumatologie ergab sich kein Anhalt für eine
aktive Kollagenose oder das Vorliegen
eines SLE. Stattdessen wurde syndromal
die Verdachtsdiagnose einer unspezifischen Arthromyalgie gestellt. Chloroquin wurde endgültig abgesetzt und die
persistierenden muskulären Beschwerden mit Azathioprin behandelt. Die zuvor eingeleitete psychopharmakologische Therapie mit Lorazepam und Risperidon wurde ausgeschlichen. Es zeigte
sich eine deutliche Besserung der psychotischen, insbesondere der wahnhaften und halluzinatorischen Symptomatik, bei noch bestehender depressiver
Symptomatik, sodass aktuell die Verlegung in eine Tagesklinik geplant wird.
Diskussion
Wir vermuten, dass es sich bei dem geschilderten Fall um das Vorliegen einer
chloroquinassoziierten psychotischen
Störung handelt. Differenzialdiagnostisch kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine späte Manifestation einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis (hier am ehesten eine paranoide Schizophrenie) nicht ausgeschlossen
werden. Eine endgültige diagnostische
Zuordnung wird auch aufgrund der
komplexen psychiatrischen Vorgeschichte erst im Verlauf möglich sein. Literatur
www.springermedizin.de/neurotransmitter
AUTOREN
Carolin Laqua
Michael Kaczmarczyk
Dr. med. Eike Ahlers
Dr. med. Francesca Regen
Dr. med. Eric Hahn
Klinik und Hochschulambulanz für
­Psychiatrie und Psychotherapie
Charité Universitätsmedizin Berlin
Campus Benjamin Franklin
Hindenburgdamm 30, 12203 Berlin
E-Mail: [email protected]
NeuroTransmitter 2016; 27 (1)
Fortbildung
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Psychiatrische Kasuistik
Fragen und Lösungen
Frage 1
Welches Medikament verursacht am häufigsten psychotische Symptome?
a. Cisplatin
b. Colestyramin
c. Chloroquin
d. Candesartan
Lösung
Richtig ist Antwort c. Das Rheumabasistherapeutikum (disease-modifying anti-rheumatic drug – DMARD) und Medikament zur
Malariaprophylaxe/-behandlung Chloroquin kann psychotische Symptome hervorrufen. In der Literatur finden sich zwei syndromale Ausprägungen der chloroquinassoziierten Psychose: Eine Form, bei der
Stimmungsveränderungen, Veränderungen
der Psychomotorik, Wahn und Halluzinationen bei klarem Bewusstsein im Vordergrund
stehen sowie eine weitere Form, die sich
eher als delirantes Bild mit Bewusstseinsstörungen, Desorientierung und flüchtigen
Halluzinationen präsentiert [1]. Das Risiko
für die Entwicklung psychotischer Symptome unter Chloroquineinnahme ist höher bei
Patienten mit einer positiven Anamnese
bezüglich psychiatrischer Störungen [2].
Auch haben Frauen ein höheres Risiko für
psychiatrische Komplikationen als Männer
[3]. Nach Beendigung der Chloroquintherapie remittieren in der Regel auch die dadurch induzierten psychotischen Symptome [1]. Das absolute Risiko unter Chloroquineinnahme psychotische Symptome zu
entwickeln erscheint jedoch insgesamt gering [4].
Frage 2
Welche der folgenden Medikamentenklassen
kann/können zu relevanten psychiatrischen
Symptomen führen?
a. Antibiotika
b. Benzodiazepine
c. Anticholinergika
d. Alle
Lösung
Richtig ist Antwort d. Eine Vielzahl an Substanzklassen kann auch bei psychisch Gesunden zu psychiatrischen Auffälligkeiten
führen. Dazu zählen unter anderem Antibiotika, Benzodiazepine, Anticholinergika, An-
NeuroTransmitter 2016; 27 (1) ti-Parkinson-Medikamente, Opioide und
Antikonvulsiva. Viele der häufig verwendeten Antibiotika, darunter Penicilline, Cephalosporine, Sulfonamide, Fluorchinolone und
Tetracycline bergen das Risiko psychischer
Beschwerden [5]. So kann es bei Einnahme
zu akuten Psychosen [6, 7], Depressionen
und Ängsten [7] sowie deliranter Symptomatik [8] kommen. Auch die Einnahme von
Benzodiazepinen kann psychotische Symptome oder ein Delir zur Folge haben, besonders bei älteren [9] sowie postoperativen
Patienten [10]. Die Einnahme von anticholinerg wirksamen Substanzen ist ebenfalls
eine häufige Ursache für Delirien, auch hier
insbesondere bei älteren Patienten [11],
außerdem können Gedächtnisstörungen
auftreten [12].
Frage 3
Welche psychiatrischen Symptome treten bei
Chloroquineinnahme typischerweise nicht
auf?
a. Pseudohalluzinationen
b. Ängste
c. Wahn
d. Affektive Symptomatik
Lösung
Richtig ist Antwort a. Im Rahmen einer
Chloroquineinnahme kann es bei psychisch
Gesunden zu Ängsten, psychotischen
Symptomen mit Wahn [1] und depressiven
Verstimmungen oder gemischten affektiven Episoden kommen [13]. Auch von Exazerbationen einer vorbestehenden bipolaren Störung wurde berichtet [14]. Wird die
Unwirklichkeit einer Sinnestäuschung erkannt, spricht man von Pseudohalluzina­
tionen. Diese treten eher im Rahmen von
Borderline-Persönlichkeitsstörungen als
bei Chloroquineinnahme auf. Um eine
Verharmlosung solcher Halluzinationen­
zu vermeiden und die Ähnlichkeiten von
Sinnestäuschungen bei schizophrenieformen Störungen und Borderline-Persönlichkeitsstörungen zu betonen, wird immer
mehr dazu übergegangen, auch im Zu­
sammenhang mit Borderline-Persönlichkeitsstörungen von Halluzinationen zu
sprechen [15]. Fast ein Drittel aller Borderline-Patienten leidet an (Pseudo-) Halluzinationen [16].
39
Fortbildung
Literatur
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psychosis: a chemical psychosis? J NATL
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101:92-104.
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suicidal ideation in patients with theumatoid arthritis in use of methotrexate, hydrxychloroquine, leflunomide and biological
drugs. Compr Psychiatry. 2013; 54:1185-9.
14. Bogaczewicz J, Sobow T, Bogaczewicz A,
Robak E, Bienkowski O, Sysa-Jedrzejowska
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disorder triggered by chloroquine in sytemic lupus erythematosus – a case report.
Lupus. 2014; 23:188-93.
15. Tschoeke S, Steinert T, Flammer E, Uhlmann
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personality disorder and schizophrenia
with voice hearing. J Nerv Dis. 2014;
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2
NeuroTransmitter 2016; 27 (1)
Fortbildung
Eingliederungshilfe
Ergebnisqualität im Fokus der
Sozialpsychiatrie
Mit 15 Milliarden € jährlichen Ausgaben für Teilhabeleistungen ist die soziale Rehabilitation mit 50 %
der größte Kostenblock im Bereich der Reha-Ausgaben überhaupt. Der Evaluation sozialpsychiatrischer
Leistungen für „Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen“ hat sich der „Gemeindepsychiatrische
Verbund Rostock“ (GPV Rostock) angenommen. Mit Hilfe eines mehrdimensionalen und nutzerorientierten
Konzepts untersuchte er die Ergebnisqualität der Eingliederungshilfe in der Hansestadt.
I N G M A R S T EI N H A R T, A N JA H Ö P T N ER , G R EI FS WA L D
I
n dieser Arbeit berichten wir über die
Ergebnisse einer ersten Evaluations­
studie im gemeindepsychiatrischen
Setting der Eingliederungshilfe für 405
Personen, die im Rahmen des „Gemein­
depsychiatrischen Verbundes der Han­
sestadt Rostock“ (GPV Rostock) im Jahr
2011 Eingliederungshilfe erhalten ha­
ben. Die Ergebnisse zeigen, dass knapp
10 % der Personen innerhalb eines Be­
richtsjahres unabhängig von Eingliede­
rungshilfe werden, eine deutliche Kos­
tenreduktion bei Weiterbewilligungen
erreicht wird und dass zwei Drittel der
Leistungsempfänger die konkret opera­
tionalisierten Teilhabeziele gut errei­
chen. Die Symptombelastung nimmt ab
und die Lebenszufriedenheit verbessert
sich tendenziell. Die eingesetzten Erhe­
bungsinstrumente sind geeignet und
praktikabel. Sie werden ­daher – in einer
leicht überarbeiteten Fassung – in ihrer
Anwendung ab 2015 verstetigt und in
das Regelsystem übernommen.
©© visual concepts / Fotolia.com
Eingliederungshilfen führen bei
zwei Drittel der
Nutzenden zur
guten bis sehr
guten Erreichung der
individuellen
Teilhabeziele.
40
Einleitung
Etwa 173.000 wesentlich seelisch behin­
derte Menschen erhalten bundesweit
Leistungen im Rahmen der Eingliede­
rungshilfe [1]. Die Leistungsträger stel­
len im Rahmen ihrer bundesweiten
­Berichte Zahlen zur Inanspruchnahme
ambulant und stationär erbrachter Leis­
tungen und der damit verbundenen Kos­
ten zur Verfügung. Gleiches gilt auf Lan­
desebene, teilweise auch regional in den
gemeindepsychiatrischen Verbünden.
Manche Verbünde pflegen eine Basis­
dokumentation, die systembezogen be­
stimmte Qualitätsaussagen über das In­
anspruchnahmeverhalten ermöglichen,
jedoch keine Verlaufsdaten der Nutzen­
den enthalten. Insbesondere die Frage,
ob die getätigten Ausgaben in irgend­
einem Zusammenhang mit Effekten und
Nutzen für die Leistungsempfänger
­stehen, oder ob man nicht für die ge­
tätigten Ausgaben wirksamere Hilfen
hätte erbringen können, bleibt bundes­
weit unbeantwortet. Die Arbeits- und
Sozial­ministerkonferenz der Länder hat
hier mehr Transparenz und Nachweise
von Ergebnisqualität gefordert, doch die
Wissenschaft hat dieses Feld weitest­
gehend ausgeblendet. Die Reform der
Eingliederungshilfe verspricht aller­
dings auch keine Linderung, denn im
Dickicht der Debatten um die Um­
schichtung der Finanzierung droht die
Diskussion um die Wirkung verloren zu
gehen.
NeuroTransmitter 2016; 27 (1)
Eingliederungshilfe
GPV Rostock
Der „Gemeindepsychiatrische Leis­
tungserbringerverbund“ (GPLV) im
GPV Rostock hat das Ziel, durch freiwil­
lige Kooperation der an der regionalen
Pflichtversorgung in der Hansestadt
Rostock (203.000 Einwohner) beteiligten
Leistungserbringer eine passgenaue Ver­
sorgung aller Menschen mit psychischen
Erkrankungen, insbesondere derjenigen
Menschen mit längeren Psychiatrie­
erfahrungen, zu erreichen.
Der GPLV orientiert sich bei der Aus­
gestaltung der Hilfen für Menschen mit
wesentlichen seelischen Behinderungen
am Konzept der „personenzentrierten
und lebensfeldorientierten Hilfen“. Die
Leistungen der Eingliederungshilfe wer­
den im Rahmen eines Regionalbudgets
erbracht („Rostocker Modell“), das eine
an Personen orientierte Finanzierung
der Hilfen in den Leistungsbereichen
psychosoziale Grundleistungen, Selbst­
versorgung, Tages- und Kontaktgestal­
tung, Arbeit und Ausbildung sowie
Komplexleistungen ermöglicht [2]. Bis
auf die wenigen geschlossenen Heim­
plätze (im Schnitt vier Plätze für Ros­
tock) sind damit alle Hilfen im Grund­
satz „ambulant“.
Stichprobe, Methodik und
Messinstrumente
Stichprobe
Ziel der Untersuchung war die Messung
der Ergebnisqualität bezogen auf das ge­
samte Spektrum der SGB XII-Leistun­
gen innerhalb des GPV Rostock: alle
Personen, bei denen aufgrund einer be­
stehenden (oder drohenden) seelischen
Behinderung infolge einer psychiatri­
schen Erkrankung eine wesentliche Ein­
schränkung der gesellschaftlichen Teil­
habefähigkeit bestand und infolgedessen
Leistungen der Eingliederungshilfe ge­
mäß 53 §§ des zwölften Sozialgesetzbu­
ches erhielten. Die Rekrutierung der
Stichprobe erfolgte von Januar bis De­
zember 2011. Eingeschlossen wurden
alle Leistungsempfänger, die sich schrift­
lich zu einer Teilnahme an der Studie be­
reit erklärten und die Einschlusskriteri­
en Mindestalter 18 Jahre, bestehende
psychiatrische Diagnose aus den Haupt­
kapiteln F 0 bis F 4, F 6 und F 7 des ICD10 erfüllten.
NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Da ein Kontrollgruppendesign wie im
Rahmen einer RCT-Studie aus ethischen
Gründen nicht realisierbar war, wurden
die Daten in der Form eines prospek­
tiven (unkontrollierten) EingruppenPrä-Post-Designs erhoben (Tab. 1). Die
Untersuchung war mit zwei Messzeit­
punkten, zu Beginn (T 1) und zum Ende
(T 2) des jeweiligen Bewilligungs- und
Leistungszeitraums (sechs bis zwölf Mo­
nate), angelegt. Die dabei eingesetzten
Erhebungsinstrumente sind standardi­
sierte Instrumente der psychiatrischen
Routinediagnostik und Evaluationsfor­
schung, die aufgrund des Einsatzes im
praktischen Alltag möglichst kurz sein
sollten (Tab. 1).
Messinstrumente
Eine Messung der Ergebnisqualität im
komplexen Feld der Teilhabe muss aus
mehreren Perspektiven unter Verwen­
dung unterschiedlicher Erhebungsinstrumente erfolgen [3, 4, 5]. Die sozio­
demografischen und leistungsbezogenen
Merkmale wie Leistungsbereiche, Hilfe­
arten, zeitlicher Leistungsaufwand und
krankheitsbezogene Daten wie Diagno­
sen wurden im Rahmen der Hilfepla­
nung für jeden Nutzenden mit dem „In­
tegrierten Behandlungs- und Rehabilita­
Fortbildung
tionsplan“ (IBRP-MV) erfasst. Zusätz­
lich wurde am Ende des Untersuchungs­
zeitraums erhoben, wie viele Nutzende
aus dem Hilfesystem der Eingliede­
rungshilfe ausgegliedert wurden (Reha­
bilitationsindex).
Die aktuelle subjektive Symptombe­
lastung der Nutzenden wurde mit der
„Symptom-Checkliste-Kurzversion-9“
(SCL-K-9), einer Kurzversion der SCL90-R nach Derogatis (1977), erhoben [6].
Mit der stark reduzierten Version (9
Items) existiert ein ökonomisches Basis­
instrument für eine routinemäßige Psy­
chometrie in der Rehabilitation [7]. Zur
Erfassung der subjektiven Lebensquali­
tät wurde die „Manchester Short Assess­
ment of Quality of Life“ (MANSA) ein­
gesetzt [8, 9]. Zur Erfassung des psycho­
sozialen Funktionsniveaus durch den
behandelnden Facharzt wurde das „Glo­
bal Assesment of Functioning “ (GAFSkala) (DSM-IV) eingesetzt [10]. Sowohl
das psychosoziale Funktionsniveau als
auch die Symptombelastung und Le­
bensqualität wurden zu Beginn und am
Ende des U
­ ntersuchungs- und Bewilli­
gungszeitraums erhoben. Die Zufrie­
denheit der Studienteilnehmer mit den
erhaltenen Eingliederungshilfeleistun­
gen wurde mit dem „Züricher Fragebo­
Tab. 1: Outcome-Variablen und Messinstrumente
Studiendesign und Messinstrumente zur Messung von Qualität
Variablen
Messinstrument
Messzeitpunkt
Soziodemografie, Art der Hilfe
Integrierter Behandlungs- und
Rehabilitationsplan (IBRP)
*
Klinische Diagnosen, Rehabilitations-Index
IBRP
*
Leistungsbereiche, Aufwand
Maßnahmeplanung
Individuelle Ziele der Eingliederungshilfe
Goal Attainment Scale (GAS)
Zielerreichung in der Eingliederungshilfe
Goal Attainment Scale (GAS)
Lebensqualität – Selbstbeurteilung
Manchester Short Assessment
of Quality of Life (MANSA)
*
*
Symptomatik – Selbstbeurteilung
Symptom-Checkliste-Kurz-­
version-9 (SCL-K-9)
*
*
Symptomatik – Fremdbeurteilung
Global Assessment of Functioning (GAF)-Scale (DSM-IV)
*
*
Leistungszufriedenheit – Selbstbeurteilung
Züricher Fragebogen zur Patientenzufriedenheit (ZUF-3)
T1
T2
*
*
*
*
*
41
Fortbildung
gen zur Patientenzufriedenheit“ (ZUF)
in der Kurzversion ZUF-3 erfasst (Tab.
1) [11].
In vielen Landesrahmenverträgen,
­unter anderem auch in MecklenburgVorpommern, ist als Messgröße für die
Eingliederungshilfe
Ergebnisqualität und Wirkung „die
Überprüfung der Erreichung individuell
vereinbarter Ziele“ festgelegt. Auch aus
fachlicher Perspektive muss sich die
Qualität eines Ergebnisses an zuvor de­
finierten Erwartungen und in der indi­
Tab. 2: Beispiel der Zielerreichungsskala
Individuelle Zielerreichungsskala
Verschlechterung
Aktueller Zustand
Zielwert 1
Zielwert 2
Frau H. kann ihren
Wunsch nach Kontakten außerhalb der
Tagesstätte nicht umsetzen und ist darüber
so verzweifelt, dass sie
wieder begonnen hat,
Alkohol zu konsumieren.
Frau H. lebt gegen­
wärtig abstinent und
hat den Wunsch nach
Kontakten außerhalb
der Tagesstätte, kann
diesem aber nicht
nachgehen, weil sie
befürchtet, aufgrund
ihrer psychischen Erkrankung abgelehnt
zu werden.
Die Klientin nimmt
gemeinsam mit einer
Bekannten aus der Tagesstätte mindestens
einmal monatlich an
einer Veranstaltung im
(…) teil.
Die Klientin hat eine
Freundin kennengelernt, mit der sie einmal wöchentlich
Canasta spielt.
Tab. 3: Zielerreichungsskala in adaptierter Form
Individuelle Zielerreichungsskala
Verschlechterung
(Zielerreichungsgrad
–1)
Aktueller Zustand
(Zielerreichungsgrad
0)
Zielwert 1
(Zielerreichungsgrad
1)
Zielwert 2
(Zielerreichungsgrad
2)
= weniger als erwartet
(Punktwert 0)
= erwartetes Ergebnis
(Punktwert 1)
= mehr als erwartet
(Punktwert 2)
= viel mehr als er­
wartet (Punktwert 3)
Tab. 4: Goal Attainment Scale (GAS)-Score Interpretationsskala
GAS-Score
Interpretation
0
1
Stufe 1: Komplette bis überwiegende Verschlechterung
Komplette Verschlechterung
maximal einmal Situationserhalt
2
3
Stufe 2: Überwiegend Verschlechterung bis Situationserhalt
kein bis maximal 1 Ziel (Grad 1) erreicht
kein bis maximal 1 Ziel (Grad 1 bis 2) erreicht
4
5
Stufe 3: Überwiegend Situationserhalt und Zielerreichung
mindestens 1 Ziel (Grad 1 oder 2), maximal 2 Ziele (Grad 1)
mindestens 1 Ziel (Grad 1 oder 2), maximal 2 Ziele (Grad 1 bis 2)
6
7
Stufe 4: Überwiegende Zielerreichung
mindestens 2 Ziele (Grad 1 oder 2), maximal 3 Ziele (Grad 1) erreicht
mindestens 2 Ziele (Grad 1 oder 2), maximal 3 Ziele (Grad 1 bis 2) erreicht
8
9
Stufe 5: Komplette Zielerreichung
3 Ziele (davon 2 mal Grad 2) erreicht
3 Ziele (Grad 2) erreicht
42
viduellen Situation messen lassen. Hier­
zu wurde die „Goal Attainment Scale“
(GAS) als zentrales Instrument der Er­
gebnisevaluation eingesetzt [12, 13, 14].
Grundidee ist die Überprüfung von im
Rahmen der Hilfeplanung individual­
spezifisch vereinbarten Teilhabezielen,
die operationalisiert, das heißt konkret
und für ­unabhängige Beobachter ein­
deutig nachvollziehbar, in unterschied­
liche Zielerreichungsgrade eingeteilt
werden. Die Originalversion umfasst
fünf Stufen. Davon jeweils zwei Zieler­
reichungsgrade für Verbesserung und
Verschlechterung sowie einen Zielerrei­
chungsgrad für die Operationalisierung
des Ausgangsstatus oder den unter nor­
malen Umständen erwarteten Status.
Zur Reduktion der Komplexität wurde
die Skalierung der Verschlechterung auf
einen Zielerreichungsgrad reduziert
(Tab. 2). Um eine Gesamtbewertung der
Zielerreichungsgrade (–1, 0, 1, 2) zu er­
halten, wurden die Zielbewertungen für
jeden Nutzenden in einem GAS-Score
pro Person zusammengefasst. Dazu
wurden den jeweils drei dokumentierten
Zielerreichungsgraden (zu T2) entspre­
chend ihrer Güte Punktwerte von 0 bis 3
zugeordnet und aufsummiert (Tab. 3).
Diese GAS-Score Interpretationsskala
zeigt Tab. 4.
Ergebnisse
Stichprobe
Die Ausgangsstichprobe umfasste ins­
gesamt 405 Nutzende (52 % weiblich;
48 % männlich), alle Leistungsempfän­
ger mit Erst- oder Weiterbewilligung der
Eingliederungshilfe im Jahr 2011. Über
den Verlauf beider Messzeitpunkte
konnte lediglich für 208 (49,6 %) Nutzen­
de eine vollständige Verlaufsdokumen­
tation erhoben werden. Die Drop-Outs
waren zu 53 % weiblichen Geschlechts.
Signifikante Unterschiede zu der in die
Untersuchung einbezogenen Stichprobe
ließen sich lediglich bei den Merkmalen
Alter, Familienstand und Leistungszeit­
raum identifizieren. Die Drop-OutGruppe hatte mit 40 Jahren ein leicht ge­
ringeres Durchschnittsalter und es wa­
ren anteilig weniger geschiedene, ge­
trennt Lebende und verwitwete Nutzen­
de sowie häufiger ein Leistungszeitraum
von unter zwölf Monaten zu konstatie­
NeuroTransmitter 2016; 27 (1)
Fortbildung
1%
5%
17%
20%
10%
8%
39%
F00–F09
F10–F19
F20–F29
F30–F39
F40–F49
F60–F69
F70–F79
Abb. 1: Verteilung der Diagnosen (n = 208).
ren. Andere bedeutsame Unterschiede
bestanden nicht. Wegen dieser eher ge­
ringen Abweichungen zwischen der Ge­
samtstichprobe und der vollständigen
Stichprobe wurde nur letztere in die wei­
teren Analysen einbezogen.
Das Durchschnittsalter lag bei 44 Jah­
ren (Standardabweichung [SD] = 12,5)
(Min. 19 Jahre/ Max. 71 Jahre). Die meis­
ten Nutzenden waren ledig (63 %), wei­
tere 27 % geschieden, 5 % verheiratet und
jeweils 2 % getrennt lebend oder verwit­
wet. Einen Überblick über die Verteilung
der Diagnosegruppen bietet Abb. 1. Die
Eingliederungshilfe
Gruppe „Schizophrenie, schizotype oder
wahnhafte Störung“ (F 20 – 29) war mit
39 % die anteilig größte Gruppe. „Psy­
chische und Verhaltensstörungen durch
psychotrope Substanzen“ (F 10 – 19) wa­
ren mit 20 %, „Persönlichkeits- und Ver­
haltensstörungen“ (F 60 – 69) mit 17 %
vertreten. Knapp ein Viertel der Diagno­
sen entfielen auf die Gruppen „Neurotische-, Belastungs- und somatoforme
Störungen“ (F 40 – 49) (10 %), „Affektive
Störungen“ (F 30 – 39) (8 %), „Organi­
sche, einschließlich symptomatische
psychische Störungen“ (F 00 – 09) (5 %)
und „Intelligenzstörung“ (F 70 – 79)
(1 %).
Knapp die Hälfte der Nutzenden er­
hielt die Hilfeform Wohnen (47 %), 34 %
eine tagesgestaltende Leistung und 19 %
eine Komplexleistung (Wohnen und Ta­
gesgestaltung). Die Zeiträume der Leis­
tungserbringung betrugen überwiegend
zwölf Monate (79 %), in 21 % der Fälle
­lagen diese bei sechs Monaten.
Veränderung der psychischen
Symptomatik und Lebensqualität
Im Vergleich der Messzeitpunkte sank
die subjektive Symptombelastung, die
subjektive Lebensqualität nahm im Mit­
tel zu (Tab. 5). Die Auswertung der
­absoluten
Messwertveränderungen
zeigt in Bezug auf die Symptombelas­
tung in 52 % der Fälle eine Abnahme, in
40 % ­einen Anstieg und in 8 % der Fälle
keine Veränderung. Die Lebensqualität
Tab. 5: Veränderung der Symptombelastung und Lebensqualität im
Bewilligungszeitraum der vollständig erfassten Klienten (n = 208)
Merkmale
Beginn Bewilligungszeitraum (T1)
Ende Bewilligungszeitraum (T2)
Differenz
T1 – T2
Vergleich T1 vs. T2
Signifikanz
MW (SD)
2,4 (0,9)
2,3 (0,9)
–0,1 (0,7)
p = 0,0341
Min.
1,0
1,0
–1,9
T = 2,1 (df = 207)
Max.
5,0
4,7
2,37
MW (SD)
4,3 (1,0)
4,5 (1,1)
0,1 (0,8)
p = 0,0451
Min.
1,5
1,7
–3,0
T = 2,0 (df = 207)
Max.
7,0
4,1
1,9
SCL-K-9*
MANSA*
*alle Werte gerundet; 1Berechnung des Signifikanzniveaus mittels T-Test für verbundene Stichproben. SCL-K-9: Symptomcheckliste; MANSA: Manchester Short Assessment of Aulity of Life; MW : Mittelwert; SD: Standardabweichung
44
stieg bei der Hälfte der Leistungsemp­
fänger (50 %) an, nahm bei 45 % ab und
ergab in 5 % der Fälle keine Verände­
rung. Über das psychosoziale Funkti­
onsniveau kann wegen der geringen
Rücklaufquote nur bedingt eine Aussa­
ge getroffen werden. Von 208 Nutzen­
den lag aufgrund der überwiegenden
Rücklaufverweigerung für den GAFWert aus den Praxen ein vollständiger
Rücklauf nur in 21 Fällen vor, weswegen
auf die weitere Auswertung verzichtet
werden musste.
Individuelle Zielerreichung
Von 208 Nutzenden (mit jeweils drei
operationalisierten Teilhabezielen) ha­
ben 37 % drei Ziele, 32 % zwei Ziele und
23 % jeweils ein Ziel (mit einem Ziel­
erreichungsgrad + 1 oder + 2) im Rah­
men der bewilligten Eingliederungshilfe
erreicht. Mit dem GAS-Score kann die
Veränderung der Gesamtsituation ab­
gebildet werden, das heißt es können
­sowohl die Verschlechterung zur Aus­
gangssituation als auch die konkreten
Zielerreichungsgrade (+ 1, + 2) berück­
sichtigt werden. Die Verteilung des
GAS-Sore zeigt, dass in 9 % der Fälle in
allen drei Zielbereichen (fast) immer der
Zielwert + 2 (GAS-Score 8 + 9) erreicht
wurde. Weitere 38 % der Nutzenden
konnten ihre Ziele überwiegend bis ganz
erreichen, indem sie mindestens zwei
Ziele, maximal drei Ziele (mit Zieler­
reichungsgrad + 1 oder + 2) (GAS-Score
6 + 7), je nach Score-Wert erreichten. In
39 % der Fälle (GAS-Sore 4 + 5) wurde
die Ausgangssituation überwiegend ge­
halten und mindestens eins, maximal
zwei Ziele erreicht. Eine überwiegende
Verschlechterung bis Situationserhal­
tung aber mit teilweiser Erreichung eines
vereinbarten Eingliederungsziels zeigte
sich in 12 % (GAS-Score 2 + 3) der Fälle.
Nur in 2 % der Fälle (GAS-Score 1 + 2)
ergab sich über alle Zielbereiche hinweg
eine komplette bis überwiegende Ver­
schlechterung zur Ausgangssituation
(Abb. 2).
Zufriedenheit der Nutzenden
Mit einem Stichprobenmittelwert von 10
Punkten (SD = 0,8; Min. 3; Max. 12) zeig­
ten sich die Leistungsempfänger mit den
erhaltenen Hilfen überwiegend sehr zu­
frieden.
NeuroTransmitter 2016; 27 (1)
Eingliederungshilfe
Diagnose: Leistungsempfänger mit der
Diagnose Schizophrenie, schizotype
und wahnhafte Störungen (F 20 – F 29)
(Mittelwert [MW] = 2,1) gaben zu T2
eine deutlich geringere Symptombe­
lastung an als Nutzende mit der Diagno­
se Neurotische-, Belastungs- und soma­
toforme Störungen (F 40 – 49) (MW = 2,9;
p = 0,003). Zudem gaben Nutzende mit
einer Diagnose aus dem schizophrenen
Formenkreis die höchsten und Personen
mit der Diagnose Persönlichkeits- und
Verhaltensstörungen die geringsten Le­
benszufriedenheitswerte an (p = 0,001).
In Bezug auf die Symptombelastung und
Lebensqualität zeigten sich signifikante
Mittelwerts­unterschiede zwischen den
Diagnosegruppen der weiblichen Nut­
zenden, nicht aber bei den männlichen
Nutzenden. Damit ist anzunehmen, dass
die b
­ estehenden signifikanten Unter­
schiede und Zusammenhänge zwischen
Diagnose und Lebensqualität sowie
Symptombelastung (zu T2) vornehmlich
auf die MANSA- und SCL-K-9-Werte
der weiblichen Nutzenden zurückzu­
führen sind. Nutzende der Diagnose­
gruppen F 2, F 3 und F 4 zeigten höhere
GAS-Score-Werte als Nutzende aus den
übrigen Diagnosegruppen (p = 0,018).
Hilfeform: Personen mit der Hilfeform
Wohnen zeigten gegenüber den Hilfe­
formen Tagesstrukturierung und Kom­
plexleistung geringere Zielerreichungs­
grade (GAS-Score/Absolute Zahl er­
reichter Ziele). Eine tiefergehende Sub­
gruppenanalyse ergab ein differenzierte­
res Bild bezüglich der Lebensqualität
(Zunahme) und Symptombelastung
NeuroTransmitter 2016; 27 (1) 23,1
20
19,7
19,2
15
14,9
10
8,2
7,7
5
0
Mod. nach Steinhard, Höppner
Geschlecht: Insgesamt gaben Frauen zu
T 2 eine signifikant höhere Symptom­
belastung an als Männer (p = 0,000).
­Bezüglich der Lebensqualität ließ sich
kein geschlechtsspezifischer Unterschied
feststellen.
25
Häufigkeit [%]
Prädiktoren der Wirksamkeit
In einem weiteren Schritt wurden rele­
vante signifikante Ergebnisvariablen auf
ihre Verwertungsrelevanz als Prädiktor
(„vorhersagende Variable“) der Wirk­
samkeit hin untersucht. Signifikante
­Zusammenhänge zeigten sich in Bezug
auf die Merkmale Geschlecht, Diagnose,
Hilfeform und Planungszeitraum:
Fortbildung
4,8
1
0
1
1
0,5
2
3
4
5
6
GAS-Score-Werte
7
8
9
Abb. 2: Verteilung Goal Attainment Scale (GAS)-Score (Zielerreichung) in % (n = 208).
(Abnahme): Bei Nutzenden mit der
­Hilfeform Tagesstrukturierung zeigte
sich dies ausschließlich bei weiblichen
Nutzenden. Eine signifikante Abnahme
der Symptombelastung bei den männ­
lichen Nutzenden zeigte sich hingegen in
der Hilfe­formgruppe Wohnen.
Bewilligungszeitraum: Nutzende mit ei­
nem Bewilligungszeitraum von mindes­
tens zwölf Monaten gaben eine bessere
Lebensqualität an und erreichten b­ essere
Zielerreichungsgrade (GAS-Score/Abso­
lute Zahl erreichter Ziele).
Diskussion
Das in der Alltagspraxis der Rostocker
Eingliederungshilfe durchgeführte Pro­
jekt verfolgte zwei Ziele: Die Erprobung
der Alltagstauglichkeit eines Instru­
mentariums zur multiperspektivischen
Erfassung der Ergebnisqualität mit dem
Kern der individuellen Zielerreichung,
gemessen über die GAS und die erstma­
lige M
­ essung der Ergebnisqualität im
GPLV Rostock. Zusammenfassend kann
festgestellt werden:
1. Die Implementation der GAS inklu­
sive der darüber h
­ inaus verwendeten
Instrumente war für alle Beteiligten
trotz des Versuches die kürzesten im
deutschen Sprachraum verfügbaren
Instrumente einzusetzen „nicht
ganz ohne“. Insgesamt ist ein hoher
zeitlicher Aufwand im Bereich von
Verwaltungsabläufen/Verfahren/
Dokumentation, aber auch Schulung
und Anleitung der Mitarbeitenden
entstanden. Bezogen auf die Pers­
pektive der Fremdbeurteilung durch
den behandelnden Arzt war es be­
dauerlich, dass es überwiegend nicht
gelang, die in den niedergelassenen
Praxen tätigen Ärzte zu den beiden
Messzeitpunkten zu einer Einschät­
zung des psychosozialen Funktions­
niveaus ihrer Patienten mit einem
Kreuz auf der GAS-Skala ohne zu­
sätzliche Honorierung zu bewegen.
2. Die Mitarbeitenden haben sich über
einen längeren Zeitraum „schwer ge­
tan“, die Ziele (GAS) durchgehend
konkret und eindeutig zu formulie­
ren oder auszuhandeln. Hier ist ein
kontinuierliches Training für alle
Berufsgruppen etwa über regelmä­
ßige Fallbesprechungen und nicht
nur für neue Mitarbeitende nötig.
3. Aufgrund der vielen „verlorenen“
Daten liegt der Schluss nahe, dass
das Projekt von vielen Mitarbeiten­
den primär (noch) nicht als Teil ei­
nes Qualitätssicherungsprozesses
für das Rostocker Modell und die
­eigene A
­ rbeit gesehen wurde, son­
dern eher als zusätzliche Arbeit für
eine „wissenschaftliche Studie“. Der
projektbezogene Datenerhebungs­
prozess – insbesondere das Austei­
len und Einsammeln der Nutzen­
denfragebögen – wurde von den
Mitarbeitenden nicht nur als zusätz­
liche Arbeit geschildert und erlebt,
sondern war auch objektiv „on top“
zur normalen Alltagsbelastung.
Auch dies müsste bei einer „Einfüh­
45
Fortbildung
4.
5.
6.
7.
46
rung“ als Standard etwa in Form ei­
ner Entlastung durch eine Doku­
mentationsassistentin berücksich­
tigt werden.
Gespräche mit Beteiligten (Nutzen­
de, Führungskräfte, Mitarbeitende)
zeigen, dass der Einsatz des Zielsys­
tems (GAS) zu einer deutlichen
Schärfung des Aushandlungsprozes­
ses auf Augenhöhe im (therapeuti­
schen) Alltag geführt hat. Es hat eine
im weitesten Sinne therapeutische
Kompetenzerweiterung im System
bei allen Beteiligten stattgefunden.
Mit der Dokumentation der Ziele an­
hand eines standardisierten Verfah­
rens ist die Black Box der Eingliede­
rungshilfe vor allem gegenüber Nut­
zenden und den Leistungsträgern
transparenter und nachvollziehbarer
geworden.
Aus den offiziellen Entwicklungs­
zahlen des Rostocker Modells kann
entnommen werden, dass die Kos­
tendämpfung grundsätzlich funkti­
oniert: Die durchschnittlichen Fall­
kosten konnten im Verlauf zunächst
deutlich gesenkt werden.
Aus den im Rahmen dieser Studie
vorliegenden Daten und Fakten kann
darüber hinaus festgestellt werden:
— Für knapp zwei Drittel der Nut­
zenden werden die Ziele gut bis
sehr gut erreicht.
— Die Lebenszufriedenheit verbes­
sert sich tendenziell.
— Die Symptombelastung nimmt
tendenziell ab.
— Manche Personen profitieren be­
sonders vom Rostocker-System:
(a) Menschen mit der Diagnose
Schizophrenie zeigen höhere Le­
benszufriedenheit und bessere
Zielerreichung. Allerdings geben
sie auch zu Beginn eine höhere
Lebenszufriedenheit an. Mögli­
cherweise handelt es sich um den
Personenkreis, der traditionell
über die Eingliederungshilfe ver­
sorgt wurde und für den die An­
gebote besonders pass-genau und
hilfreich sind; (b) Menschen mit
längeren Planungszeiträumen
(möglicherweise die schon „Be­
kannten“) erreichen die Ziele bes­
ser; (c) Bezogen auf die Hilfefor­
men Wohnen und Tagesgestal­
Eingliederungshilfe
tung zeigen sich geschlechtsspezi­
fische Unterschiede, wer von wel­
cher Hilfeform eher profitiert.
Hier müssen aber weitere Daten­
erhebungen abgewartet werden,
ob diese Ergebnisse tatsächlich
stabil bleiben; (d) Knapp 10 % der
Hilfeempfänger werden nach Ab­
schluss der Hilfen unabhängig
von der Eingliederungshilfe; (e)
Die Kosten für den nächsten Be­
willigungszeitraum sinken deut­
lich.
8. D
ie Ergebnisse fordern dazu auf, das
Eingliederungshilfesystem dahinge­
hend zu optimieren, dass zukünftig
alle Zielgruppen mehr von den Hil­
fen profitieren.
9. N
ach Abschluss der Pilotphase und
Hauptstudie sind die eingesetzten In­
strumente von Anbieter- und Leis­
tungsträgerseite als geeignet und
praktikabel bewertet worden, sie fin­
den mittlerweile Akzeptanz bei den
Mitarbeitenden.
10.Die eingesetzten Instrumente mit
dem Kern der GAS sind seit 2015 als
Standard in das Regelsystem über­
nommen.
Zusammenfassend kann für Instrumen­
te, wie in dieser Studie eingesetzt, fest­
gestellt werden, dass sie unter Erhalt der
verschiedenen Perspektiven als Evalua­
tionsverfahren tauglich sind, um als
Qualitätssicherungsstandard in gemein­
depsychiatrischen Verbünden zu dienen.
Einem möglichen „Fremdeln“ der Mit­
arbeiter mit solchen Instrumenten sollte
besondere Aufmerksamkeit ­geschenkt
werden. Der GPLV Rostock hat die Ins­
trumente in einer leicht überarbeiteten
und ergänzten Fassung in ihrer Anwen­
dung ab 2015 verstetigt und in das Re­
gelsystem übernommen. Die nächste
Auswertung ist für 2017 vorgesehen.
Für die Akzeptanz des Ergebnisquali­
tätsgedankens und eine Ausrichtung des
Alltags an möglichst evidenzbasierten
Methoden oder zumindest e­ ines geziel­
ten Methodeninventars muss weiter bei
allen Beteiligten geworben werden: Die
Perspektive, dass die Ergebnisqualität,
also die Messung der ­Wirkung, und
nicht mehr der Prozess an sich („Wie oft
und wie lange habe ich mit einem Nut­
zenden gesprochen“) die schließlich ent­
scheidende Grundlage für die Finanzie­
rungssystematik sein sollte, muss sich
nicht nur bei Mitarbeitenden, sondern
auch bei den Leistungsträgern (örtlich/
überörtlich) weiter durchsetzen. Letzt­
lich zählt nur das Ergebnis und eine da­
rauf aufbauende Finanzierung der Ein­
gliederungshilfe!
Die Rostocker Entwicklungen legen
unter fachlichen wie ökonomischen
­Aspekten nahe:
—Gemeindepsychiatrische Verbünde
innerhalb und außerhalb von Meck­
lenburg-Vorpommern dafür zu ge­
winnen, vergleichbare Daten zu er­
heben und so in einem BenchmarkProzess zwischen unterschiedlichen
Regionen zu einer Einschätzung der
Wirksamkeit von gemeindepsychiatri­
schen Verbundsystemen zu kommen.
—In einem weiteren Entwicklungs­
schritt zumindest die wesentlichen
ambulanten SGB V–Leistungen (Ner­
venärztliche Versorgung, Psychothe­
rapie, Soziotherapie, Ergotherapie,
psychiatrische Pflege) mit in eine Stu­
die zur Ergebnisqualität eines regio­
nalen gemeindepsychiatrischen Hilfe­
systems einzubinden. Dies würde die
Gesamtleistung deutlicher ab­bilden
und evaluieren, aber zugegebenerma­
ßen die Komplexität eines ­solchen mit
dem Alltag ohnehin schwer verträgli­
chen Ansatzes für alle Beteiligten wei­
ter steigern. Die Rostocker Erfahrun­
gen in der Eingliederungshilfe ma­
chen jedoch Mut, auch dieses „dicke
Brett zu durchbohren“ und gegebe­
nenfalls mit kleinsten Schritten ge­
meinsam mit den Akteuren aus dem
SGB V zu beginnen.
Literatur
www.springermedizin.de/neurotransmitter
AUTOR
Prof. Dr. Ingmar Steinhart
Institut für Sozialpsychiatrie des Landes
Mecklenburg Vorpommern e. V.
An-Institut der Universität Greifswald
Ellernholzstr. 1 – 2, 17487 Greifswald
E-Mail: [email protected]
Anja Höptner
Institut für Sozialpsychiatrie des Landes
Mecklenburg Vorpommern e. V.
An-Institut der Universität Greifswald
Ellernholzstr. 1 – 2, 17487 Greifswald
NeuroTransmitter 2016; 27 (1)
Fortbildung
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2
NeuroTransmitter 2016; 27 (1)
Zertifizierte Fortbildung
Online-Behandlung
Internet- und mobilebasierte
Intervention bei psychischen Störungen
Internet- und mobilebasierte Interventionen (IMI) für psychische Störungen sind meist Selbsthilfeprogramme, deren Einsatzmöglichkeiten von Prävention, über die Behandlung bis zur Nachsorge reichen. Die Wirksamkeit von IMI wurde in zahlreichen Studien belegt, auch im direkten Vergleich zu Psychotherapien im
klassischen Setting. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über den Gegenstandsbereich, die Evidenz­
lage und das Nutzungspotenzial sowie die Implementierungsmöglichkeiten und -hindernisse von IMI.
SA R A H PAG A N I N I , J IA X I L I N , FR EI B U R G , DAV I D DA N I EL EB ER T, ER L A N G EN - N Ü R N B ER G , LÜ N EB U R G ,
H A R A L D BAU M EI S T ER , U L M
©© iStock / pavlemarjanovic / Getty
Internet- und mobile­
basierte Interventionen
können Betroffene erreichen, die traditionelle
­Angebote bisher nicht
wahrnehmen.
48
NeuroTransmitter 2016; 27 (1)
Zertifizierte Fortbildung
D
ie Wirksamkeit psychologischer Interventionen zur Prävention und Behandlung psychischer Störungen ist vielfach gezeigt [1, 2]. Doch selbst in Ländern mit einem
­g uten Gesundheitsversorgungssystem sind die Behandlungsraten trotz des großen Bedarfs gering: In Deutschland bleiben
je nach Störung zirka 28 – 63 % der behandlungsbedürftigen
Personen ohne Therapie [3], in Europa sind es etwa 65 % [4].
Aktuelle Studien zeigen dabei, dass nicht nur strukturelle Versorgungslücken für geringe Behandlungsraten verantwortlich
sind, sondern dass zahlreiche Betroffene Versorgungsangebote
nicht in Anspruch nehmen, obwohl sie verfügbar wären [5]. Vor
diesem Hintergrund können internet- und mobilebasierte Interventionen (IMI), die flächendeckend und zeitnah verfügbar
sind und eventuell Betroffene erreichen, die traditionelle Angeboten bisher nicht wahrnehmen, zunehmend zu einer besseren Versorgung von Menschen mit psychischen Störungen beitragen.
Zentrale Fragen bei IMI zur Behandlung psychischer Störungen sind die nach deren Wirksamkeit und Kosteneffektivität
sowie deren Akzeptanz in verschiedenen Zielpopulationen
(Abb. 1). Bei gegebener Wirksamkeit und Kosteneffektivität
schließt sich die Diskussion der Implementierungsmöglichkeiten von IMI in unser Versorgungssystem an und inwiefern die
rechtlichen Rahmenbedingungen eine Online-Behandlung
psychischer Störungen zulassen. Zum anderen sind eine Vielzahl etablierter, aber auch ergänzender Versorgungsmodelle
denkbar, die das Potenzial von IMI in unterschiedlicher Weise
ausschöpfen können [6]. Der vorliegende Beitrag gibt einen
Überblick über den Forschungsbereich von IMI zu
—Gegenstandsbereich,
—Evidenzbasierung und
—Implementierung.
oder Integration in die klassische Psychotherapie anbieten
(„blended care“). IMI können sich substanziell in ihrer Nutzung technischer Möglichkeiten, im menschlichen Support, in
der Theoriebasierung sowie in Bezug auf deren Anwendungsgebiete und Indikationen unterscheiden.
Technische Umsetzung
Mit dem stetig wachsenden Umfang an technischen Möglichkeiten können IMI auf unterschiedlichste Weise dargeboten
werden. Erinnerungs-, Feedback- und Verstärkungsautomatismen (z. B. via E-Mail und SMS) spielen hierbei eine entscheidende Rolle [6]. Bei der Umsetzung einer Face-to-face-Intervention in den virtuellen Raum können IMI mittlerweile mit
Apps (z. B. für interaktive Übungen im Alltag), Video- und Audiodateien, Chatrooms oder Computerspielen ergänzt und unterstützt werden [9]. Hierbei gibt es die Option, sowohl Erinnerungsautomatismen als auch Informationen und Programmbausteine für alle Patienten gleich zu halten oder diese an individuelle Bedürfnisse und Charakteristika anzupassen [10].
Interaktive Elemente, wie zum Beispiel Aktivitätsmonitoring,
Gedankentagebuch oder Stimmungsratings können den Lernvorgang ebenfalls unterstützen [11]. Relativ neu in diesem Feld
sind „ecological momentary interventions“ (EMI), die mittels
Text-, Sprach- und Videonachrichten auf das Mobiltelefon ermöglichen sollen, Interventionsbausteine in den Alltag der
Nutzer zu integrieren [12, 13]. Diese Technologie ermöglicht
zusätzlich eine Form der Datenerhebung in relevanten Alltags-
Technik
„Prompts”, E-Mail, SMS
Apps, Videound Audiodateien
Chat, Computerspiele,
interaktive Elemente,
„EMIs”
Gegenstandsbeschreibung von IMI
NeuroTransmitter 2016; 27 (1) IMI
mod. nach Lin et al. 2013 [9]
Der Begriff IMI kann ein sehr weites Feld von Interventionen
umfassen, angefangen bei völlig automatisierten Selbsthilfe­
programmen, über internet- und mobilebasierte Interventionen mit minimaler Betreuung bis hin zur klassischen Therapie,
die mittels Videokonferenz statt im persönlichen Kontakt
durchgeführt wird [7]. Der vorliegende Beitrag folgt einem Verständnis von IMI wie von Barak et al. [8] definiert, nach dem
es sich „(…) primär um Selbsthilfeprogramme handelt, die auf
einem Online-Programm basieren, auf einer Webseite bereitgestellt werden und von Personen genutzt werden, die gesundheitsbezogene Hilfe suchen [übersetzt aus dem Englischen]“.
Der Fokus wird im Folgenden stärker auf selbstständige Interventionen gelegt, wobei sich IMI auch für die Kombination
Menschlicher
Support
unguided,
guided (e-Coach: Rückmeldung & Motivation),
synchron/asynchron
Theoriebasierung
Evidenzbasierte Verfahren,
z.B. KVT,
Aufbau in
Modulen/Lektionen
Indikation &
Anwendung
Prävention, Behandlung,
Nachsorge, Stand-Alone,
Stepped-Care,
Blended Care
Abb. 1: Zentrale Aspekte internet- und mobilebasierter
Interventionen (IMI).
49
Zertifizierte Fortbildung
Online-Behandlung psychischer Störungen
situationen, was den Vorteil mit sich bringt, generalisierbare
und ökologisch valide Daten zu erhalten, die im natürlichen
Umfeld der Person erstellt werden [13].
Menschlicher Support
Es gibt sowohl „unguided“ IMI im Sinne von automatisierten
Interventionen ohne menschlichen Support [14] als auch „guided“ IMI, die eine Form von menschlichem Support in unterschiedlichem Ausmaß beinhalten [15]. Bei guided IMI erhalten
die Patienten meist professionellen Support durch einen „eCoach“, der zum einen Verständnisfragen zu bestimmten Aufgaben klärt und motiviert [6] und zum anderen externe Rückmeldung zu den Angaben und zum Fortschritt der Teilnehmer
bietet [8]. Neben einer nicht textbasierten Kommunikation über
Audio oder Webcam wird meist schriftlich kommuniziert, wobei dies synchron (z. B. Chat) oder asynchron (z. B. E-Mail) erfolgen kann [8]. Variabel sind dabei zusätzlich die beanspruchte Zeit und Frequenz der Rückmeldungen [16]. Die Feedbackzeit
kann je nach Intervention für einen Patienten entsprechend von
einigen Minuten bis hin zu einigen Stunden reichen [8].
Theoriebasierung
IMI für psychische Störungen orientieren sich in aller Regel an
etablierten psychotherapeutischen Verfahren, die sich im direkten Kontakt als wirksam erwiesen haben [7]. Elemente der
kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) eignen sich aufgrund ihrer ausgeprägten Strukturiertheit, Standardisierung und
­Direktivität sowie der psychoedukativen Elemente und Hausaufgaben besonders gut für IMI [17]. Aber auch andere psychotherapeutische Verfahren wie zum Beispiel der psychodynamische oder der interpersonelle Ansatz sowie neuere Therapieverfahren wie die Akzeptanz- und Commitment-Therapie bilden
die theoretische Basis von IMI [18, 19, 20].
Die Interventionsinhalte (aufbauend auf evidenzbasierten
Therapiemanualen) sind in der Regel in Module oder Lektionen unterteilt, die häufig sequenziell aufeinander folgen und in
vorgegebenen Zeitabschnitten bearbeitet werden sollen [7].
KVT-Behandlungskonzepte können zum Beispiel Module zu
Psychoedukation, Verhaltensaktivierung und -training, Expositionsverfahren oder Techniken der kognitiven Umstrukturierung beinhalten [21] sowie Hausaufgaben, die innerhalb
­einer Woche bearbeitet werden sollen.
Indikation und Anwendungsgebiete
Die Indikation für IMI reicht von der Prävention psychischer
Störungen über deren Behandlung bis hin zu Nachsorgemaßnahmen und Interventionen zur Rückfallprävention [7]. Auf­
grund des orts- und zeitunabhängigen sowie anonymen und
wenig invasiven Charakters von IMI gelten sie in der Präven­
tion als ein vielversprechender Ansatz [22]. Sie können beispielsweise dann eingesetzt werden, wenn bereits Symptome
einer psychischen Störung vorliegen, die diagnostischen Kriterien jedoch noch nicht erfüllt sind [21].
IMI können bei der Behandlung psychischer Störungen in
Form einer „Stand-Alone“-Intervention erfolgen (alleinige Intervention) oder in ein „Stepped-Care“-Konzept eingebettet
werden, bei dem das Behandlungskonzept an den individuel-
50
len Bedarf angepasst wird [21]. Als „Step-Up“- oder „StepDown“-Intervention überführen IMI entweder in intensivere
therapeutische Unterstützung (Step-Up) oder nach einer intensiven Behandlung in niederschwelligere Interventionen, die beispielsweise auf die Stabilisierung der Behandlungserfolge abzielt
(Step-Down) [21]. Bezüglich einer internetbasierten Nachsorge,
die auf eine stationäre psychotherapeutische Behandlung folgte, konnten Ebert et al. [23] zeigen, dass sich Rückfälle bis zu
­einem Jahr danach um zwei Drittel reduzieren ließen.
Als therapieflankierende Maßnahmen, auch als „blended
care“ bezeichnet, können IMI bei einer Psychotherapie einzelne Behandlungsbausteine (wie Psychoedukation) übernehmen
oder unterstützen, wodurch wertvolle Therapeutenzeit für andere relevante Themen genutzt werden kann [21].
Durch Zeit- und Ortsunabhängigkeit sowie die Möglichkeit
von Anonymität können mit IMI auch Personen erreicht werden, die sonst keine Intervention in Anspruch nehmen würden.
Dazu könnten zum Beispiel zeitlich weniger flexible Berufstätige zählen, Personen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind,
oder solche, für die Stigmatisierungssorgen im Zusammenhang
mit psychischen Problemen ein Hinderungsgrund für die Inanspruchnahme einer klassischen Psychotherapie darstellen [23].
Evidenzbasierung
Wirksamkeit
Als bislang am besten etablierte und häufig untersuchte IMI
gelten Programme für Depression und Angststörungen [24].
Hierbei ergaben sich in zahlreichen Studien im Vergleich zu
Kontrollgruppen (Warteliste oder Standardbehandlung) hohe
Effektstärken [25, 26, 27, 28]. In einer Metaanalyse mit 22 Studien zu IMI bei Depression und Angststörungen zeigte sich
eine gemittelte Effektstärke (Hedges’ g, analog zu Cohen’s d)
von g = 0,88 [25]. Auch für andere psychische Störungen wie die
posttraumatische Belastungsstörung, Schlafstörungen, Essstörungen oder Substanzmissbrauch wurden die Anwendbarkeit
und Wirksamkeit von IMI in mehreren randomisiert kontrollierten Studien (RCT) bestätigt [24, 29, 30, 31, 32, 33]. Die Evidenzlage für weitere psychische Störungen wie Zwangsstörungen, psychotische, bipolare und somatoforme Störungen ist
noch weitgehend unklar, wobei erste Ergebnisse für Zwangsstörungen und psychotische Störungen vielversprechend sind
[34, 35, 36]. Tab. 1 gibt einen Überblick zur Wirksamkeit von
IMI in verschiedenen Störungsbereichen.
Während bei einem Großteil existierender IMI erwachsene
Personen die Zielgruppe sind [37], können diese auch für Kinder und Jugendliche sowie Menschen mit körperlichen Erkrankungen und zusätzlichen psychischen Störungen eingesetzt werden. Die Ergebnisse einer Metaanalyse von Ebert et al. [38] sprechen für die Wirksamkeit von IMI bei Kindern und Jugendlichen. Bei einem Vergleich von 13 IMI für Kinder und
Jugendliche mit Angststörungen und/oder Depression mit einer
Kontrollgruppe zeigte sich eine gemittelte Effektstärke von
g = 0,72 [38]. In Bezug auf psychische Störungen mit somatischer
Komorbidität gibt es erste Studien, wie etwa von Nobis et al. [39].
Aus der Studie geht hervor, dass eine IMI gegen Depression auch
bei der Subpopulation von Menschen mit Diabetes zu einer siNeuroTransmitter 2016; 27 (1)
Zertifizierte Fortbildung
gnifikanten und bedeutsamen Reduktion depressiver Symptome führen kann (d = 0,89). Die insgesamt positiven Ergebnisse
sind vielversprechend, allerdings gilt es zu beachten, dass die
Wirksamkeit stark von den Inhalten abhängt und neue Interventionen somit immer zunächst evaluiert werden müssen [7].
Die Wirksamkeit von IMI zeigt sich nicht nur im Vergleich
zu Kontrollgruppen (Warteliste oder Standartbehandlung),
sondern auch im direkten Vergleich zu Face-to-face-Psychotherapien. Bisherige Ergebnisse sprechen dafür, dass beide Interventionsformen äquivalente Behandlungserfolge erzielen,
wie die Metaanalyse von Andersson et al. [40] mit 13 Studien
bezüglich sozialer Phobien, Panikstörungen und depressiven
Störungen bestätigen konnte. Gleichzeitig betonen Arnberg et
al. [41] in ihrem Review zum Vergleich von IMI versus Faceto-face-Behandlung bei Depression und Angststörungen die
methodischen Einschränkungen fast aller von ihnen eingeschlossenen Studien, sodass sie noch keine ausreichende Evidenzlage für den direkten Wirksamkeitsvergleich der beiden
Therapiesettings sehen.
Ein Erklärungsansatz dafür, dass das Internet als Setting
möglicherweise keinen Wirksamkeitsnachteil gegenüber der
Face-to-face-Behandlung aufweist, könnte in der durch IMI
vermittelten Betonung der Selbsthilfe bestehen, wodurch
gleichzeitig das Selbstmanagement gefördert wird [6]. Weitere
mögliche Wirkfaktoren, die zu einer Erklärung dieser Ergebnisse beitragen könnten, werden im Folgenden diskutiert.
potenzial bestmöglich ausgeschöpft werden kann zunehmend
in den Fokus der Forschung. Nachdem die anfängliche Annahme, dass IMI ohne den zentralen Wirkfaktor der therapeutischen Beziehung nicht effektiv sein können, mit der aktuellen
Evidenzlage widerlegt wurde, erweitert sich der Blickwinkel auf
weitere mögliche Wirkfaktoren, die zu einer Erklärung der
Wirksamkeit beitragen können. Im Fokus stehen hierbei insbesondere der Nutzen von Erinnerungs-, Feedback- und Verstärkungsautomatismen sowie die Wirksamkeit menschlichen
Supports.
Erinnerungs-, Feedback- und Verstärkungsautomatismen
(Prompts): Sie sind zwar mit einem erhöhten technischen und
teilweise auch finanziellen (Entwicklungs-) Aufwand verbunden, bieten andererseits jedoch auch wichtige Vorteile bei der
Nutzung von IMI: In einem Review von Ritterband et al. [42]
wird betont, dass Prompts die Wahrscheinlichkeit erhöhen,
therapeutisch gewünschte Verhaltensänderungen zu etablieren. Zudem ist davon auszugehen, dass sie einen direkten Einfluss auf eine vermehrte Nutzung von IMI haben, woraus wiederum eine erhöhte Behandlungsadhärenz folgt [43]. So untersuchten Titov et al. in zwei Studien die Wirksamkeit einer IMI
gegen soziale Phobie, einmal mit [44] und einmal ohne [45] den
Einsatz von automatischen Erinnerungen und Feedback per EMail und SMS (Abb. 2). Das Programm mit den Prompts erreichte mit d = 0,73 einen fast dreimal so hohen Effekt wie das
Programm ohne Prompts (d = 0,28). Prompts können somit bestimmte therapeutische Aufgaben übernehmen oder unterstützen und zusätzlich die Selbstständigkeit von Patienten erhöhen
[6].
Wirkfaktoren
Vor dem Hintergrund der positiven Evidenzlage rückt die Frage nach den Wirkfaktoren von IMI und wie das Wirksamkeits-
Tab. 1: Wirksamkeit internetbasierter Interventionen (ausgewählte Metaanalysen)
Zielpopulation
Autoren
SMD
[95 % KI]
RTC [n]
Depressive Störungen
Richards, Richardson, 2012 [27]
0,56
[0,41 – 0,71]
19
Panikstörungen
Andrews et al., 2010 [25]
0,83
[0,45 – 1,21]
6
Soziale Phobie
Andrews et al., 2010 [25]
0,92
[0,74 – 1,09]
8
Generalisierte Angststörung
Andrews et al., 2010 [25]
1,11
[0,76 – 1,47]
2
PTBS
Hedman et al., 2012 [24]
1,23
[0,83 – 1,63]
6
Schlafstörung
Cheng et al., 2012 [29]
0,86*
[0,53 – 1,18]
2
Essstörung
Hedman et al., 2012 [24]
0,97
[0,63 – 1,30]
5
Alkoholmissbrauch
Riper et al., 2014 [32]
0,2
[0,13 – 0,27]
16
Zwangsstörung
Eigene Berechnung**
1,02
[0,66 – 1,38]
2
Depression
Ebert et al., 2015 [38]
0,76
[0,41 – 1,12]
4
Angst
Ebert et al., 2015 [38]
0,68
[0,45 – 0,92]
7
Erwachsene
Kinder und Jugendliche
* Gemittelte Effektstärke des „Insomnia Severity Index“
** Eigene Berechnung (Hedges´ g mittels Review Manager 5.2) basierend auf Primärstudienergebnisse von Andersson et al., 2012 [35] und Herbst et al., 2014 [36]
KI = Konfidenzintervall; n = Zahl der Metaanalyse zugrunde liegender RCT; PTBS = Posttraumatische Belastungsstörung; SMD = Standardisierte Mittelwertsdifferenz (Cohens’ d / Hedges’ g)
NeuroTransmitter 2016; 27 (1) 51
Zertifizierte Fortbildung
Online-Behandlung psychischer Störungen
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scher Beziehungsqualität und Therapieerfolg [30, 59]. So scheint
also nicht die Qualität der therapeutischen Beziehung bei IMI
geringer zu sein, sondern deren Einfluss auf die Wirksamkeit
der Intervention [6].
Abb. 2: „Prompts“, etwa über SMS, können die Wahrschein-­
lichkeit einer gewünschten Verhaltensänderung erhöhen.
Menschlicher Support als Wirkfaktor: In mehreren Studien
und Reviews zeigte sich, dass IMI mit Support bessere Ergebnisse erzielen, als ohne Support [16, 27, 46]. In einem Review
von Baumeister et al. [46] wird eine stärkere Symptomreduk­
tion (g = – 0,27), mehr durchgeführte Module pro Intervention
(g = 0,52) und eine niedrigere Abbruchrate (Odds Ratio = 2,76)
bei IMI mit Support berichtet. Auch in der Metaanalyse von
Richards et al. [27] stellte menschlicher Support einen wichtigen Einflussfaktor für die Wirksamkeit von IMI bei Depression dar (d = 0,36 ohne und d = 0,78 mit Support). In Bezug auf
die Dosis-Wirksamkeitsrelation deuten zwei Metaanalysen darauf hin, dass mit steigender Supportzeit auch die Wirksamkeit
der IMI steigt [47, 48], wobei Andersson et al. [49] auf der
Grundlage bisheriger Studien schätzen, dass eine gesteigerte
Therapeutenzeit ab 100 Minuten pro Patient innerhalb einer
zehnwöchigen IMI keinen bedeutsamen Wirksamkeitszuwachs
mehr erbringt. Für die Wirksamkeit der IMI scheinen weder
die Kommunikationsart (E-Mail, Face-to-face, Telefon) entscheidend zu sein [50], noch die Qualifikation der e-Coaches
eine bedeutende Rolle zu spielen [46, 51]. Hierbei gilt es allerdings zu beachten, dass die Evidenzlage durch methodische
Schwächen der Primärstudien eingeschränkt ist und zudem infrage steht, inwiefern eine zumeist hoch strukturierte Forschungsumgebung mit ausgeprägter Vorbereitung und Supervision der nicht einschlägig qualifizierten e-Coaches auf die
klinische Praxis übertragbar ist [46].
Trotz der qualitativen wie auch quantitativen Reduktion des
therapeutischen Kontaktes durch etwa das Ausbleiben von sozialen und nonverbalen Signalen weisen bisherige Studien darauf hin, dass bei IMI eine vergleichbare therapeutische Beziehung wie im Face-to-face-Setting aufgebaut werden kann [52,
53, 54, 55]. Als Gründe hierfür werden unter anderem Einflussgrößen aus der Sozial- und Medienpsychologie in Betracht gezogen, wie zum Beispiel, dass durch die visuelle Anonymität
der Patienten ein höheres Maß an Offenheit und Aufrichtigkeit
entsteht [56] oder durch ein geringeres Schamgefühl, eine Art
Enthemmungseffekt die Folge sein kann [57]. Im Gegensatz zur
Face-to-face-Therapie, bei der die therapeutische Beziehung als
zentraler Wirkfaktor gilt [58], zeigt sich bei IMI kein oder nur
ein deutlich geringerer Zusammenhang zwischen therapeuti-
52
Die Kosteneffektivität: Sie stellt einen oft zitierten Vorteil von
IMI gegenüber der Face-to-face-Behandlung (oder auch keiner
Behandlung) dar, durch die sowohl direkte Kosten (z. B. Therapiekosten) als auch indirekte Kosten (z. B. Arbeitsunfähigkeit, Abwesenheit vom Arbeitsplatz) reduziert werden können
[60]. Derzeit gibt es noch wenige empirische Studien mit ausreichender methodischer Qualität, die Schlüsse bezüglich der
generellen Kosteneffektivität von IMI zulassen [41]. Hedman
et al. [60] fanden in ihrer Studie, dass eine IMI für soziale Phobie vergleichbare Effekte in der Symptomreduktion erbrachte
wie eine Face-to-face-Intervention, die IMI jedoch kosteneffektiver war, was die Autoren hauptsächlich auf den geringeren
Zeitaufwand der Therapeuten zurückführten. Dabei wurden
Interventionskosten pro Person bei der IMI auf 464 US-Dollar
und bei der Face-to-face-Bedingung auf 2.687 US-Dollar geschätzt. Zur weiteren Untersuchung der Kosteneffektivität von
IMI wären entsprechend weitere Studien wünschenswert, insbesondere auch zur differenziellen Kosteneffektivität verschiedener Supportmodelle (reine Selbsthilfe, e-Coach begleitete
IMI in unterschiedlicher Intensität [61]). So könnten vor dem
Hintergrund des bestehenden Kostendrucks in unserem Gesundheitssystem die höhere Wirksamkeit von begleiteten IMI
durch entsprechende ökonomische Untersuchungen ergänzt
und derart die Grundlage für evidenzbasierte Implementierungsempfehlungen weiter verbessert werden [62].
Implementierung
Für die Implementierung von IMI ist zunächst relevant, ob die
persönlichen und technischen Anwendungsvoraussetzungen
bei Zielpopulationen gegeben sind. Dies bestätigte sich größtenteils bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen bis zirka
60 und 70 Jahren, aber auch bei älteren Personengruppen wurden IMI in ersten Studien erfolgreich eingesetzt [28, 63]. In einer Metaanalyse mit vier RCT und acht offenen Studien zeigen
Andersson und Hedman [64], dass IMI in die klinische Praxis
übertragen werden können und auch bei Hedman et al. [65, 66]
ergab sich, dass internetbasierte KVT-Interventionen für Panikstörung und Depression erfolgreich in die psychiatrische
Routineversorgung integriert werden können.
Aufgrund der aktuell vielversprechenden Forschungslage
und den spezifischen Eigenschaften von IMI eignet sich diese
Behandlungsform als Präventions-, (therapieflankierende) Behandlungs- und Nachsorgemaßnahme, wobei davon auszugehen ist, dass deren Stellenwert im deutschen Gesundheitssystem stark an Bedeutung gewinnen wird [6, 28].
Bislang herrscht jedoch noch immer eine ambivalente Einstellung gegenüber IMI – sowohl seitens der Nutzer, als auch
seitens der Leistungserbringer [67, 68, 69]. In Bezug auf die
Leistungserbringer besteht mitunter die Befürchtung, dass die
eigene, persönliche Arbeit durch IMI bedroht ist. IMI sollten
allerdings hauptsächlich als Ergänzung, denn als Ersatz angesehen werden [51]. Unter anderem durch dieses BedrohungsNeuroTransmitter 2016; 27 (1)
Zertifizierte Fortbildung
empfinden und aufgrund von zu wenig Information und Aufklärung hält sich die Bereitschaft, IMI zu empfehlen bislang in
Grenzen [51]. Dies unterstreicht, dass eine aktive Dissemination erforderlich ist, was zum Beispiel in Form von Informationen oder Schulungen zu IMI erfolgen kann [6]. Erste Studien
zum Thema Akzeptanz zeigen, dass schon kurze Aufklärungsmaßnahmen etwa in Form von Informationsvideos oder -gesprächen die Absicht erhöhen können, eine IMI in Anspruch
zu nehmen [67, 68, 70]. Weiter spielen bei der Dissemination
berufs- und datenschutzrechtliche sowie ethische Aspekte eine
bedeutende Rolle, welche aktuell diskutiert werden.
Berufs- und Datenschutz, ethische Aspekte
Hier ist vor allem das Fernbehandlungsverbot in Deutschland
zu nennen, das psychologischen und ärztlichen Psychotherapeuten verbietet IMI als Fernbehandlung anzubieten [71, 72]. Zulässig sind IMI momentan nur, wenn sie als unterstützende Maßnahme therapiebegleitend eingesetzt werden (z. B. Online-Darbietung psychoedukativer Elemente) oder wenn sie im Rahmen
von Modellprojekten in der Forschung erfolgen [73, 74]. Im Therapieverlauf wird bei einer ausschließlichen Fernbehandlung
beispielsweise die Gefahr diskutiert, dass die Reaktionsmöglichkeit bei Notfällen, wie Suizidalität stark eingeschränkt ist [21].
Aus diesem Grund gelten akute Suizidalität, aber auch schwere
Depression, komplexe Psychopathologie sowie Alkohol- und
Drogenabusus oft als Ausschlusskriterien für IMI [75]. Aktuell
werden die Regelungen bezüglich des Fernbehandlungsverbotes
jedoch als überarbeitungswürdig diskutiert, woraus in Zukunft
Änderungen entstehen dürften [6, 7]. In Bezug auf datenschutzrechtliche Aspekte sind Kontrollmaßnahmen gesetzlich vorgegeben, die den Umgang mit personenbezogenen Daten umfassen [76]. Datenschutz bei IMI umfasst hauptsächlich einen angemessenen Umgang bezüglich der Sammlung und Verwaltung
von Nutzerdaten, was wiederum Schutzmaßnahmen vor nicht
autorisiertem Zugang und Verschlüsselung der Daten sowie der
Meidung unsicherer Kommunikationskanäle beinhaltet [76, 77].
Bezüglich ethischer Aspekte lassen sich Chancen und Risiken
festhalten, wobei zentrale Bedenken beispielsweise in Bezug auf
die Transparenz der Angebote, dem eigentlichen Anliegen und
der Professionalität der Berater und dem Umgang mit Notsituationen bestehen [78]. Die Chancen von IMI liegen hauptsächlich in den positiven empirischen Befunden zu deren Wirksamkeit, durch die es ebenso ethisch fraglich wäre IMI behandlungsbedürftigen Personen vorzuenthalten [6].
Fazit für die Praxis
IMI besitzen durch ihr hohes Maß an Flexibilität großes Potenzial die
psychologische Versorgung zu verbessern, diese für unterschiedlichste Zielgruppen zugänglicher zu machen und dabei gleichzeitig
Ressourcen zu schonen [6]. Hinderlich für eine Implementierung in
Deutschland sind hauptsächlich berufs- und datenschutzrechtliche
Einschränkungen sowie ethische Bedenken [75, 76]. In Ländern wie
den Niederlanden und Australien gehören IMI hingegen bereits seit
längerem zur Routineversorgung [6, 21]. Parallel zur Implementierung
bereits ausreichend evidenzbasierter IMI sollten weitere Wirksamkeitsstudien zu noch wenig oder methodisch unzureichend untersuchten IMI erfolgen. Richtlinien zur Durchführung und Berichterstat-
NeuroTransmitter 2016; 27 (1) tung von IMI-Studien [79, 80] werden hierbei zu methodisch hochwertigeren Studien beitragen. Neben wenig erforschten Störungsbildern wie der bipolaren oder somatoformen Störung gilt es auch
den Forschungsfokus verstärkt auf vernachlässigte Zielpopulationen
wie Kinder und Jugendliche und ältere Menschen zu richten [38, 81].
Nach erwiesener Wirksamkeit stehen zudem die Fragen nach Moderatoren des Therapieerfolges im Raum und für welche Patientengruppen solche Ansätze besonders oder weniger gut geeignet sind
[23, 82]. Weiterhin bedarf es der Untersuchung, wie das Versorgungspotenzial von IMI bestmöglich genutzt werden kann. Hierbei steht
im Mittelpunkt, über welche Versorgungswege IMI in unser Gesundheitssystem implementiert werden sollen (z. B. „Hausarztmodell“,
Spezialkliniken, Zugang über ergänzende Online-Versorgungswege).
Diese Frage betrifft unter anderem den Aspekt, ob mittels IMI auch
ein Teil der Zielpopulation von Menschen mit psychischen Störungen erreicht werden kann, der über unser etabliertes Gesundheitsversorgungssystem aktuell unzureichend erreicht wird. Danksagung
Dieser Artikel entstand im Rahmen des vom BMBF geförderten
Projekts „Web-based aftercare depression intervention following
rehabilitation for depressed back pain patients (WARD-BP)“.
Literatur
www.springermedizin.de/neurotransmitter
AUTOREN
Dipl.-Psych. Sarah Paganini
Abteilung für Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie
Institut für Psychologie, Universität Freiburg
Engelbergerstr. 41, 79085 Freiburg
M.Sc. Psych. Jiaxi Lin
Abteilung für Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie
Institut für Psychologie, Universität Freiburg
Dr. rer. nat. David Daniel Ebert
Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Psychotherapie
Institut für Psychologie, Universität Erlangen-Nürnberg
Institut für Psychologie, Leuphana Universität Lüneburg
Prof. Dr. phil. Harald Baumeister, Dipl.-Psych., PP
Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie
Institut für Psychologie und Pädagogik,Universität Ulm
Albert-Einstein-Allee 47, 89069 Ulm
E-Mail: [email protected]
Interessenkonflikt
Die Autoren erklären, dass sie sich bei der Erstellung des Beitrages von
keinen wirtschaftlichen Interessen leiten ließen. D. Ebert erklärt Beratungsauftrag der TKK, Forschungsgelder der EU, BMBF, BARMER GEK,
DRV, Dr. Ebel Fachkliniken, Schön Kliniken, Unfallkasse. Teilhaberschaft
am Institut für Gesundheitstrainings Online. Bezahlte Vortragstätigkeiten für DRV, Psychotherapeutenkammer, AEG, Kliniken. Der Verlag erklärt, dass die inhaltliche Qualität des Beitrags von zwei unabhängigen
Gutachtern geprüft wurde. Werbung in dieser Zeitschriftenausgabe
hat keinen Bezug zur CME-Fortbildung. Der Verlag garantiert, dass die
CME-Fortbildung sowie die CME-Fragen frei sind von werblichen Aussagen und keinerlei Produktempfehlungen enthalten. Dies gilt insbesondere für Präparate, die zur Therapie des dargestellten
Krankheitsbildes geeignet sind.
53
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CME-Fragebogen
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Bitte beachten Sie:
• Die Teilnahme ist nur online unter www.springermedizin.de/eAkademie möglich.
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mit zwei Punkten in der Kategorie I zur
zertifizierten Fortbildung anerkannt.
Online-Behandlung psychischer Störungen
Nach Barak et al. (2009), handelt es sich
bei internet- und mobilebasierten Interventionen primär um …
☐☐ … internet- und mobilebasierte Interventionen mit menschlichem Support.
☐☐ … internet- und mobilebasierte Selbsthilfeprogramme.
☐☐ … Therapieverfahren per Videokonferenz.
☐☐ … Homepages mit Informationen zur
entsprechenden Störung.
☐☐ … Foren, in denen sich Betroffene austauschen können.
Für welche Störungsbilder ist die Wirksamkeit von internet- und mobilebasierten Interventionen am besten belegt?
☐☐ Psychotische und bipolare Störungen
☐☐ Somatoforme Störungen
☐☐ Depression und Angststörungen
☐☐ Persönlichkeitsstörungen
☐☐ Alkohol- und Drogenmissbrauch
Was versteht man unter dem Begriff
„blended care“?
☐☐ Die selbstständige Durchführung einer
internet- und mobilebasierten Intervention ohne einen Therapeuten.
☐☐ Die Kombination von internet- und
mobilebasierten Interventionen mit Elementen der klassischen Psychotherapie.
☐☐ Die Bereitstellung eines „e-Coaches“,
der den Patienten bei der Durchführung
einer internet- und mobilebasierten
Intervention begleitet.
☐☐ Die Bereitstellung einer internet- und
mobilebasierten Intervention für Perso-
54
nen, die aufgrund von körperlichen
Einschränkungen nicht in eine Praxis
gelangen können.
☐☐ Das Zusenden von unterstützenden
und motivierenden SMS bei der Durchführung einer internet- und mobilebasierten Intervention.
Elemente aus welchem psychotherapeutischen Verfahren dienen aufgrund der
ausgeprägten Strukturiertheit momentan
am häufigsten als Grundlage für internetund mobilebasierte Interventionen?
☐☐ Elemente der Akzeptanz- und Commitment-Therapie
☐☐ Elemente des psychodynamischen
Ansatzes
☐☐ Elemente des interpersonellen Ansatzes
☐☐ Elemente der Schematherapie
☐☐ Elemente der kognitiven Verhaltenstherapie
Welche Gefahr wird bei internet- und
mobilebasierten Interventionen im
Zusammenhang mit dem „Fernbehandlungsverbot“ diskutiert?
☐☐ Praktizierende Psychotherapeuten
könnten zu viele Patienten aufgrund
der Implementierung von internetund mobilebasierten Interventionen
verlieren.
☐☐ Bei Notfällen ist die Reaktionsmöglichkeit eingeschränkt und kann somit beispielsweise nicht schnell genug auf
Suizidalität reagiert werden.
☐☐ Therapeutische Angebote werden
durch internet- und mobilebasierte
I­nterventionen für zu viele Personen zugänglich und somit steigen wiederum
die Kosten.
☐☐ Patienten können durch die Implementierung von internet- und mobilebasierten Interventionen im Ausland
behandelt werden.
☐☐ Psychotherapeuten haben durch die
Übernahme der Tätigkeit als „e-Coach“
zu wenig Kapazitäten für die klassische
Psychotherapie.
Wann ist der Einsatz von internet- und
mobilebasierten Interventionen für
einen Psychotherapeuten momentan
zulässig?
☐☐ Wenn die Behandlung psychischer
Störungen im stationären Setting
stattfindet.
☐☐ Wenn bei der Entwicklung und Überprüfung der internet- und mobilebasierten Intervention methodische
Standards eingehalten wurden.
☐☐ Wenn eine adäquate Theoriebasierung
der Intervention vorliegt.
☐☐ Wenn die internet- und mobilebasierte
Intervention durch einen „e-Coach“ begleitet wird.
☐☐ Wenn Elemente der internet- und mobilebasierten Intervention als unterstützende, therapiebegleitende Maßnahme
eingesetzt werden.
Aus welchem Grund wurden internetund mobilebasierte Interventionen noch
nicht in das deutsche Gesundheitssystem
implementiert?
NeuroTransmitter 2016; 27 (1)
DOI 10.1007/s15016-016-5393-y
Teilnehmen und Punkte sammeln, können Sie
springermedizin.de/eAkademie
☐☐ Die Wirksamkeitsüberprüfungen
ergaben bislang lediglich geringe
Effektstärken.
☐☐ Die Wirksamkeit wurde bislang nur bei
Erwachsenen nachgewiesen. Bei Kindern und Jugendlichen sowie bei älteren Personen (> 50 Jahren) stehen
Studien noch aus.
☐☐ Die ökonomischen Untersuchungen ergaben bislang keine Kosteneffektivität
internet- und mobilebasierter Interventionen.
☐☐ Die Implementierung von internet- und
mobilebasierten Interventionen in das
Gesundheitssystem wird bislang insbesondere durch berufs- und datenschutzrechtliche Aspekte begrenzt.
☐☐ Wirksamkeitsvergleiche belegen, dass
der Behandlungserfolg bei internetund mobilebasierten Interventionen
geringer ist, als bei der klassischen
Face-to-face-Therapie.
Was steigert nach aktuellem Forschungsstand die Wirksamkeit internet- und
mobilebasierter Interventionen in
bedeutsamer Weise?
☐☐ Die Kommunikationsart (E-Mail/
Face-to-face/Telefon).
☐☐ Die Qualifikation der „e-Coaches“.
☐☐ Die Bereitstellung von mindestens zehn
Lektionen pro Intervention.
☐☐ Der Einsatz von mindestens 200 Minuten „e-Coach“-Zeit oder mehr je Patient
und Intervention.
☐☐ Der Einsatz von Erinnerungs- und Verstärkungsmitteilungen (Prompts).
Wieviel Prozent der behandlungsbedürftigen Personen mit einer psychischen
Störung bleiben in Deutschland (je nach
Störungsbild) unbehandelt?
☐☐ Etwa 6 – 17 %
☐☐ Etwa 18 – 27 %
☐☐ Etwa 28 – 63 %
☐☐ Etwa 60 – 70 %
☐☐ Etwa 70 – 90 %
Welche Maßnahmen fördern laut ersten
Studien die Akzeptanz beziehungsweise
die Absicht eine internet- und mobile-­
basierte Intervention in Anspruch zu
nehmen?
☐☐ Das gemeinsame Durchführen einer
internet- und mobilebasierten Intervention mit dem Partner.
☐☐ Der Einsatz von zwei „e-Coaches“ pro
Patient.
☐☐ Das zusätzliche Angebot einer klassischen Psychotherapie.
☐☐ Eine Verdoppelung der vorgesehenen
Bearbeitungszeit.
☐☐ Aufklärung, zum Beispiel in Form von
Informationsvideos oder -gesprächen.
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Psychiatrie
Psychoedukation und Coaching bei ADHS im Erwachsenenalter
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Expositionstherapie: Virtuelle Welten für die psychiatrische
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Hormone, Stoffwechsel, Nervensystem: Endokrinologische Ursachen
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NeuroTransmitter 2016; 27 (1) 55
Kurz & Knapp
Neue Perspektive für Patienten mit
LHON
Die Lebersche Hereditäre Optikusneuropathie (LHON) ist eine selten auftretende,
erblich bedingte Netzhauterkrankung,
für die bislang keine zugelassene medikamentöse Therapieoption verfügbar
war. Durch Degeneration retinaler Ganglienzellen kommt es bei den Betroffenen
zu einem ausgeprägten, meist schnell
verlaufenden Visusverlust bis hin zur oftmals vollständigen Erblindung. Schätzungen zufolge werden in Deutschland
jährlich 80 bis 100 Patienten neu mit
LHON diagnostiziert. Der Wirkstoff Idebenon (Raxone®) wurde kürzlich von der
Europäischen Kommission als erstes Medikament für die Therapie von Patienten
mit LHON in allen 28 Mitgliedsstaaten
der Europäischen Union, Norwegen, Island und Lichtenstein zugelassen. Raxone® hat zudem den „Orphan Drug“-Status durch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) zuerkannt bekommen.
Nach Informationen von Santhera Pharma­
ceuticals
Veränderter Zugang zu
Epilepsiemedikament
Eisai kündigt eine Änderung des Zugangs zu Perampanel (Fycompa®) in
Deutschland an. Ab dem 1. April 2016 erfolgt die Lieferung von Perampanel über
etablierte Importverfahren. Perampanel
wird ab diesem Datum nicht länger über
das von Clinigen Group PLC verwaltete
Individualimport-Programm erhältlich
sein.
Nach Informationen von Eisai
Kampf dem Krampf
Chininsulfat (Limptar® N) bietet eine
wirksame Therapie und Prophylaxe
nächtlicher Wadenkrämpfe bei Erwachsenen – und zwar unabhängig von der
Ursache. Auf die Wirksamkeit von Chininsulfat bei Wadenkrämpfen wird auch in
der Leitlinie der DGN hingewiesen. In
Deutschland ist als einziges ChininsulfatPräparat Limptar® N zur Prophylaxe und
Therapie nächtlicher Wadenkrämpfe zugelassen. Die Diagnose wird nach ICD-10
kodiert (R25.2 Krämpfe und Spasmen der
Muskulatur) und die Behandlung entsprechend abgerechnet.
Nach Informationen von MCM Klosterfrau
56
Pharmaforum
CD20-positive B-Zellen: Neuer therapeutischer
Ansatz bei MS?
Bei Patienten mit Multipler Sklerose (MS)
kommen aktivierte B-Zellen im ZNS vor
[Bar-Or A, Semin Neurol 2008; 28: 29 – 45;
Frischer JM et al., Brain 2009, 132 (Pt5):
1175 – 89], vermutlich sind die CD20-positiven B-Zellen an der Schädigung des Myelins
und der Axone beteiligt. Die B-Zelle – zusätzlich zur T-Zelle – als Therapieansatz zu
wählen, wäre nach Ansicht von Professor
Orhan Aktaş, Leiter des MS-Zentrums, Klinik
für Neurologie, Heinrich Heine Universität
Düsseldorf, kein Paradigmenwechsel, sondern eine Paradigmenerweiterung.
Der monoklonale Antikörper Ocrelizumab
bindet wie Rituximab an CD20-positive BZellen, allerdings an ein anderes Epitop der
großen extrazellulären Schleife von CD20
[Genovese MC et al. Arthritis Rheum 2008;
58: 2652 – 61; Cang S et al. J Hematol Oncol
2012; 5: 64]. Diese Bindung führt zu einer
Depletion CD20-positiver B-Zellen in der
Peripherie. Da nur etwa 2 % der B-Zellen im
Blut zirkulieren, verbleiben sehr viele BZellen in Milz und Knochenmark; demzufolge bleibt die Immunität der Patienten erhalten, konstatierte PD Dr. Björn Tackenberg,
Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum
Marburg.
Die B-Zell-Lyse durch Ocrelizumab wird über
verschiedene Mechanismen vermittelt [Jaglowski SM et al. Blood 2010; 116: 3705 – 14]:
— Antikörperabhängige zellvermittelte
Zytotoxizität (ADCC)
— Antikörperabhängige zellvermittelte
Phagozytose (ADCP)
— Komplementabhängige Zytolyse (CDC)
— Apoptose über direkte Zytotoxizität
durch Ligandenbindung
Unter der Ocrelizumab-Therapie kommt es
zu einer signifikanten Abnahme der jährlichen Schubrate (unter Ocrelizumab 600 mg:
80 %, p = 0,0005; unter Ocrelizumab
2.000 mg: 73 %, p = 0,0014) und der gadoliniumanreichernden Läsionen (nach 24
Wochen: unter 600 mg Ocrelizumab um
89 %, p < 0,0001, unter 2.000 mg um 96 %
geringer als unter Placebo, p < 0,0001), so
die Ergebnisse einer Phase-II-Studie [Kappos L et al. Lancet 2011; 378: 1779 – 87]. Tackenberg betonte, er sei überrascht, dass
die MRT-Ergebnisse so eindeutig seien.
Dr. Friederike Holthausen
Pressekonferenz „B-focused – Die B-Zelle als
Target bei der Multiplen Sklerose”, Düsseldorf;
Veranstalter: Roche Pharma
Depot-Antipsychotika bei Schizophrenie
Die Schizophrenie ist eine chronische
Erkrankung, die zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der beruflichen und psychosozialen Funktion und somit auch der Lebensqualität führt. Eigentliches Ziel der
Antipsychotikatherapie ist die Erhaltung
oder Wiedererlangung der Funktionalität
und damit der Lebensqualität. Die Voraussetzung für den Therapieerfolg ist aber eine
frühzeitige und kontinuierliche Therapie,
erklärte Dr. Karolina Leopold, Berlin. Deshalb sind injizierbare Depotformulierungen
von Antipsychotika eine sinnvolle Behandlungsalternative zur oralen Medikation.
Der Einsatz atypischer Depot-Antipsychotika bei Schizophrenie bietet die Möglichkeit,
eine kontinuierliche, auf die individuellen
Bedürfnisse der Patienten abgestimmte
Langzeittherapie sicherzustellen. Im Rah-
men der QUALIFY-Studie zeigte AripiprazolDepot im Vergleich zu Paliperidonpalmitat
eine stärkere Wirkung im Hinblick auf die
Verbesserung der Lebensqualität.
Aripiprazol-Depot (Abilify Maintena®) und
Paliperidonpalmitat sind atypische DepotAntipsychotika, deren Wirksamkeit in Studien belegt ist. Beide Substanzen werden
einmal monatlich i. m. deltoidal oder gluteal injiziert. Im Rahmen der QUALIFY
(Quality of Live with Abilify Maintena®)Studie wurden die beiden Depot-Antipsychotika in einem Head-to-Head-Design
miteinander verglichen. Aufgenommen in
diese Studie wurden 295 Patienten mit einer
Schizophrenie in einem Alter zwischen 18
und 60 Jahren, die auf eine orale Therapie
eingestellt waren. Bei ihnen war wegen
unzureichender Wirkung oder Nebenwir-
NeuroTransmitter 2016; 27 (1)
Pharmaforum
kungen oder unzureichender Adhärenz
eine medikamentöse Umstellung erforderlich.
Aripiprazol-Depot zeigte eine signifikant
stärkere Verbesserung des QLS-Gesamtscores als Maß für die Lebensqualität als Paliperidonpalmitat (7,5 Punkte vs. 2,8 Punkte).
Besonders vorteilhaft war Aripiprazol-Depot bei Patienten ≤ 35 Jahre. Bei ihnen war
der QLS-Gesamtscore unter AripiprazolDepot sogar um 10,7 Punkte höher im Ver-
gleich zu Paliperidonpalmitat. „Auch die
klinischen Symptome verbesserten sich
unter Aripiprazol-Depot stärker als unter
Paliperidonpalmitat“, so Professor Christoph Correll, New York. Unter AripiprazolDepot wurden mehr als doppelt so viele
Patienten arbeitsfähig wie unter Paliperidonpalmitat [Naber D et al. Schizophr Res
2015; 168: 498 – 504; Naber D et al. Poster
ASCP annual meeting, Miami/Florida, 2015].
Die häufigsten (< 5 %) Nebenwirkungen
waren Gewichtszunahme, psychotische
Störungen und Insomnie. Die Abbruchrate
wegen unerwünschter Wirkungen betrug
in der Aripiprazol-Depot-Gruppe 11 % im
Vergleich zu 20 % in der Paliperidonpalmitat-Gruppe. Dr. Peter Stiefelhagen
Satelliten-Symposium „Schizophrenie-Behandlung heute – Früh, besser, mehr erreichen“,
­DGPPN-Tagung 2015, Berlin 27. 11. 2015;
Veranstalter: Otsuka Pharma und Lundbeck
Zu wenig Patienten mit Depressionen erhalten Psychotherapie
NeuroTransmitter 2016; 27 (1) ne und kostet etwa 250 Euro. Das OnlineProgramm verknüpft flexibel zehn Themenbereiche und simuliert so einen individuellen, dynamischen Dialog mit dem Patienten
(Abb. 1). In sechs Studien konnte die Wirksamkeit des cKVT-Programms auf die Depressionsreduktion belegt werden. Besonders starke Effekte erzielte das Therapieprogramm in Kombination mit Antidepressiva,
erläuterte Laux. Das Programm ist erhältlich
über Servier und im Internet unter www.
deprexis24.de. Spezielle Computerkenntnisse sind nicht notwendig, deutsche Datenschutzbestimmungen wurden berücksichtigt. Friederike Klein
Satellitensymposium „Leitlinienkonforme Behandlung der Depression“, DGPPN-Kongress
2015; Berlin, 26.11.2015. Veranstalter: Servier
Verhaltensaktivierung
kognitive
Modifikation
Akzeptanz &
Achtsamkeit
Mod. nach G. Laux, Berlin 2013
Der in der Nationalen Versorgungsleit­
linie (NVL) „Unipolare Depression“ [AWMFRegister-Nr.: nvl-005, November 2015] definierte Anspruch und die Realität der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung
klaffen weit auseinander. Durch eine internetbasierte Psychotherapie könnte die Lücke verkleinert werden.
Die NVL empfiehlt Psychotherapie bei mittelgradiger Depression für alle Patienten als
gleichwertige Alternative zur Pharmakotherapie und bei schwerer Depression begleitend zur pharmakologischen Therapie. Die
Realität sieht anders aus, wie Professor
Hans-Jürgen Möller, emeritierter Direktor
der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
der LMU München, berichtete: Nach einer
Expertenbefragung des Instituts für Qualität
und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) 2011 erhalten nur etwa 10 % der
Patienten mit Depression in der Akuttherapie eine begleitende Psychotherapie.
Surrogatlösungen wie die internetbasierte
kognitive Verhaltenstherapie (cKVT) können
zur Verringerung der Versorgungsengpässe
beitragen und lange Wartezeiten auf eine
Psychotherapie überbrücken. Professor
Gerd Laux vom Institut für Psychologische
Medizin in Haag betonte dabei die Bedeutung des in das Programm eingebundenen
Therapeuten, der die Wirksamkeit solcher
Programme deutlich verbessert: Mit dem
Ausmaß der therapeutischen Unterstützung
steigt in Studien die durchschnittliche Effektstärke [Johansson R, Andersson G Expert
Rev Neurother 2012; 12: 861 – 9]. Bei dem
zwölfwöchigen cKVT-Programm Deprexis®
ist eine Therapeutenunterstützung möglich.
Es ist ein CE-zertifiziertes Medizinprodukt,
läuft auf Computer, Tablett oder Smartpho-
Positive
Psychologie
Entspannung,
Körperliche Aktivität
& Lifestyle
Träume
Probleme
analysieren
& lösen
Psychoedukation
Kindheitserinnerungen/
Schemata
Beziehung
& Bindung
Abb. 1: Die individuelle Verknüpfung von zehn Themenbereichen simuliert bei deprexis®
einen individuellen dynamischen Dialog.
57
Pharmaforum
Erstes NOAK-spezifisches Antidot in der EU zugelassen
Zur sofortigen Aufhebung der Dabigatran-induzierten Gerinnungshemmung
wurde jetzt mit Idarucicumab (Praxbind®)
das erste NOAK-spezifische Antidot in der
EU zugelassen.
Fälle, in denen eine sofortige Aufhebung
der Antikoagulation erforderlich ist, sind
mit schätzungsweise weniger als 1 % im
Jahr eher selten, erklärte Professor Charles
Pollack, Thomas Jefferson Universität in
Philadelphia/USA. Dennoch sei es wichtig,
dass künftig eine sichere Option für dramatische Situationen zur Verfügung steht. Das
humanisierte Antikörperfragment Idarucicumab, das spezifisch nur an DabigatranMoleküle bindet und deren antikoagulatorischen Effekt aufhebt, ohne dabei in die
Gerinnungskaskade einzugreifen, eröffne
den Weg in eine neue Stufe der Antikoagulation und bietet einen zusätzlichen Sicherheitsaspekt in der Therapie mit dem NOAK
Dabigatran (Pradaxa®), sagte Pollack.
In Notfallsituationen, wie etwa im Falle eines blutenden Ulkus oder eines Darmverschlusses, kann mit der intravenösen Verabreichung des Dabigatran-spezifischen Antidots die Gerinnungshemmung rasch aufgehoben werden, sagte Professor Harald Darius, Vivantes Klinikum Berlin-Neukölln.
Notoperationen könnten so trotz einer gerinnungshemmenden Therapie schnell
durchgeführt werden.
Interimsergebnisse der Studie RE-VERSE
AD™ und Phase-I-Daten von freiwilligen
Probanden haben gezeigt, dass bei Patienten mit akuten, nicht beherrschbaren Blu-
tungen oder Notoperationen mit 5 g Idarucicumab (i. v.) die Dabigatran-induzierte
Gerinnungshemmung innerhalb von Minuten vollständig und über mindestens zwölf
Stunden aufgehoben werden kann, sagte
Darius [Pollack CV et al. NEJM 2015; 373:
511 – 20; Glund S et al. Lancet 2015; 386:
680 – 90; Glund S et al. Blood 2014; 124: Abstract 344; Glund S et al. Thromb Haemost
2015; 113: 943 – 51]. In den zulassungsrelevanten Daten konnten keine sicherheitsrelevanten Bedenken oder Anzeichen prothrombotischer Ereignisse dokumentiert
werden.
Dagmar Jäger-Becker
Erstes NOAK-spezifisches Antidot: Die nächste
Stufe der Antikoagulation; Frankfurt, 17.11.2015;
Veranstalter: Boehringer Ingelheim
AED bei Epilepsiepatienten: Hier ist das Gleiche nicht Dasselbe!
In der Behandlung der fokalen Epilepsie
ist das Erreichen von Anfallskontrolle beziehungsweise Anfallsfreiheit das primäre
Therapieziel. Bis zu 50 % der erwachsenen
Patienten erreichen mit der ersten medikamentösen Therapie mit einem Antiepileptikum (AED) Anfallsfreiheit, weitere 15 % nach
Wechsel des Medikaments. Wird keine
ausreichende Anfallskontrolle erreicht,
kommt als zweite Stufe ein Add-on-Medikament wie Eslicarbazepinacetat (ESL) (Zebinix®) hinzu. ESL ist zugelassen als Zusatztherapie für erwachsene Patienten mit fokalen Anfällen mit oder ohne sekundäre
Generalisierung.
Professor Martin Holtkamp, Epilepsie-Zentrum Berlin-Brandenburg, stellte aktuelle
Daten aus der deutschen Subgruppenanalyse der EPOS-Studie und einer retrospektiven Real-life-Datensammlung zu ESL vor. In
EPOS berichteten 86,2 % der Patienten nach
sechs Monaten Add-on-Therapie eine Verringerung der Anfallshäufigkeit um mindestens 50 %, eine vollständige Anfallsfreiheit
erlebten 44,7 % [Losch F et al. Poster, 1.
EAN-Kongress, 2015]. Auch in den Real-lifeDaten nahm unter der Zusatztherapie mit
ESL der Anteil der Responder und der anfallsfreien Patienten zu [Holtkamp M et al.
Poster, 9. Dreiländertagung Epilepsie, 2015].
58
Durch das Angebot diverser Generikapräparate wird die individuelle Therapieentscheidung bei Epilepsiepatienten noch komplexer.
Dr. Stefan Ries vom Neuro Centrum Odenwald in Erbach stellte zum Thema Bioäquivalenz von Generika fest: „Das Gleiche ist nicht
Dasselbe. Nicht für alle Generika kann die
gleiche Bioäquivalenz nachgewiesen werden, und selbst wenn, kann im Einzelfall
eventuell nicht die gleiche Wirkung erzielt
werden. Hier spielt auch die unterschiedliche
Pharmakogenetik der Patienten eine Rolle.“
Er berichtete einen Fall, in dem es nach
langjähriger Anfallsfreiheit kurz nach der
Umstellung auf ein Generikum zu einem
Durchbruchsanfall kam. Dieses Risiko sollte
man seiner Meinung nach bei gut eingestellten Patienten nicht eingehen. Abgesehen
von dramatischen Konsequenzen für den
Patienten (Fahruntauglichkeit, eventuell Arbeitsplatzverlust) ist es auch nicht selbstverständlich, dass eine Rückumstellung auf das
Originalpräparat wieder die gleiche Ausgangssituation zum Ergebnis hat.
Ries fragte: „Ein Generikum kann Regressängste mildern, aber wem nutzt es wirklich?“
Bei einer Umfrage unter Neurologen berichtete knapp die Hälfte über Probleme bei der
Umstellung auf ein Generikum. Verunsicherung und vor allem Durchbruchsanfälle bei
über der Hälfte der umgestellten Patienten
führten zu vermehrten Arzt-Patienten-Kontakten, zusätzlicher Medikation, Notaufnahmen und Krankenhausaufenthalten. Nach
einer Analyse aus den USA wird im Fall der
AED die ursprüngliche Einsparung durch
Generika durch diese zusätzlich entstehenden Mehrkosten mehr als aufgefressen. Das
Fazit: Weder aus Sicht des Patienten, noch
des Arztes, noch aus ökonomischer Sicht ist
ein Vorteil für AED-Generika zu sehen. Auch
die DGN und das NICE sprechen sich dafür
aus, stabil eingestellte Epilepsiepatienten
nicht aus Kostengründen zu gefährden.
Bei den Neurologen ist diese Botschaft
nicht unbekannt: Nach einer ILAE-Umfrage
bei Ärzten zum Verschreibungsverhalten
[Krämer G et al. Epilepsia 2007; 48: 609 – 11]
verhalten sich Neurologen bei der Verordnung von Generika versus Originalpräparate zwar allgemein wie der Durchschnitt
aller Ärzte. Jedoch mit einer Ausnahme: Im
Falle von AED sind sie viel weniger bereit,
auf das Aut-Idem-Kreuz zu verzichten und
verordnen ihren Patienten häufiger Originalpräparate.
Dr. Carin Szostecki
Fachpresse-Roundtable „Update Epilepsie:
neue Daten und Therapiestrategien“,
88. DGN-Kongress, Düsseldorf, 24.9.2015;
Veranstalter: Eisai
NeuroTransmitter 2016; 27 (1)
Pharmaforum
MS: NEDA ist für viele Patienten möglich
Ehrgeiziges Ziel der Behandlung der
Multiplen Sklerose (MS) ist heute NEDA (no
evidence of disease activity): eine fehlende
Krankheitsaktivität hinsichtlich Schüben,
Behinderungsprogression und krankheitsbedingten Veränderungen in der Magnet­
resonanztomografie (MRT).
Die Therapie mit dem monoklonalen Antikörper Alemtuzumab (Lemtrada®) kann
die Krankheitsaktivität auf jeder dieser
Ebenen reduzieren, erläuterte Professor
Martin Marziniak, Chefarzt der Klinik für
Neurologie am kbo-Isar-Amper-Klinikum
in Haar bei München. In den Verlängerungen der beiden Zulassungsstudien blieben
die jährlichen Schubraten in den Jahren 3
bis 5 konstant niedrig mit 0,19 und 0,15 in
der Studie CARE-MS I [Havradova E et al.
Mult Scler 2015; 23 (Suppl. 11): 45, Oral
Abstract 152] und 0,22 und 0,18 in CAREMS II [Fox EJ et al. Mult Scler 2015; 23
(Suppl. 11): 570, Poster Abstract 1102]. 80 %
der Patienten der CARE-MS I-Studie und
76 % der Patienten der CARE-MS II-Studie
blieben über fünf Jahre frei von einer über
sechs Monate bestätigten Verschlechterung der bestehenden Behinderung. In
den Jahren 2 bis 5 waren zudem 54 % beziehungsweise 49 % der Patienten frei von
Zeichen einer Krankheitsaktivität im MRT.
Dabei hatten in CARE-MS I 68 % und in
CARE-MS II 60 % der Patienten nach der
Kurz & Knapp
Neu auf dem Markt
zweiten Behandlungsphase keine weitere
Therapie mit Alemtuzumab mehr erhalten.
Nach den beiden initialen Behandlungsphasen blieben in den einzelnen Studienjahren 2 bis 5 jeweils mehr als die Hälfte
der Patienten frei von Krankheitsaktivität
(Abb. 1).
Der Anteil der Patienten, der während der
gesamten Verlängerungsstudie (Jahr 3 bis
5) den NEDA-Kriterien entsprach, lag in
CARE-MS I bei 40 % [Arnold DL et al. ECTRIMS 2015, Spain, Barcelona, P1100] und in
CARE-MS II bei 27 % [Traboulsee A et al.
ECTRIMS 2015, Spain, Barcelona, P1103].
Die Infektionsneigung nahm über fünf
Jahre hinweg leicht ab. Dem vorübergehend erhöhten Risiko von Herpesinfektionen konnte in den Kernstudien mit einer
Aciclovir-Prophylaxe begegnet werden.
Prophylaktische Maßnahmen reduzieren
auch das Risiko infusionsassoziierter Reaktionen. Autoimmunerkrankungen können
bei den vorgesehenen Monitoring-Untersuchungen frühzeitig erkannt und behandelt werden. „Wichtig ist deshalb, dass die
Patienten treu und zuverlässig sind“, betonte Marziniak.
Friederike Klein
Pressekonferenz Meet the Clinic „Zeitgemäße
MS-Therapie – Immunologie im Fokus“,
München, 18.11.2015;
Veranstalter: Genzyme
Seit 1. Oktober 2015 ergänzt Duloxetin
Zentiva® 30 mg und 60 mg zur Behandlung von depressiven Erkrankungen das
Portfolio von Zentiva, dem GenerikaUnternehmen von Sanofi, in Deutschland.
Nach Informationen von Zentiva /Sanofi
Empfehlung zur EU-Zulassung
Der Ausschuss für Humanarzneimittel
der EMA, CHMP, empfiehlt die EU-Zulassung von Brivar­acetam. Das Antiepileptikum konnte in Phase-III-Studien zeigen,
dass es zu einer signifikanten Senkung
der Häufigkeit von epileptischen Anfällen bei Patienten ab 16 Jahren mit unkontrollierten fokalen Anfällen führt. Nach Informationen von UCB
IQWiG sieht Zusatznutzen
Das IQWiG hat dem direkten oralen Faktor-Xa-Inhibitor Edoxaban (Lixiana®) einen beträchtlichen Zusatznutzen zugestanden. Schlaganfälle, Blutungen und
schwere Nebenwirkungen träten unter
Edoxaban seltener auf. Edoxaban ist zugelassen zur Prävention von Schlaganfällen und systemischen embolischen
Ereignissen bei Patienten mit nicht valvulärem Vorhofflimmern und mindestens einem Risikofaktor.
Nach Informationen von Daiichi-Sankyo
100
100
CARE-MS I
80
80
70
70
67,5
60
50
61,7
60,2
62,4
50,1
40
30
40
10
3
4
5
52,9
54,2
3
4
58,2
44,0
30
10
2
57,7
50
20
1
Verlängerungsstudie
60
20
0
CARE-MS II
90
Verlängerungsstudie
Patienten NEDA (%)
Patienten NEDA (%)
90
0
1
2
5
Jahr
Abb. 1 : Die 5-Jahres-Daten belegen: Mehr als die Hälfte der Patienten erreichen bei Therapie mit Alemtuzumab jedes Jahr eine Freiheit von Krankheitsaktivität bezogen auf Schübe,
Behinderungsprogression und MRT-Aktivität, viele von ihnen ohne eine weitere Therapie.
NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Erweiterte Zulassung für
MS-Medikament
Die European Medicine Agency (EMA)
hat die Indikation von Fingolimod
(Gilenya®) erweitert. Der Immunmodulator ist ab sofort zugelassen für Patienten
mit hochaktiver, schubförmig-remittierend verlaufender Erkrankung trotz Behandlung mit einem vollständigen und
angemessenen Zyklus mit mindestens
einer krankheitsmodifizierenden Therapie. Das heißt, die bisherigen Voraussetzungen hinsichtlich klinischer Symptome
oder MRT-Aktivität müssen nicht mehr
erfüllt sein. Eine Umstellung auf Fingolimod ist bereits beim ersten Anzeichen
einer entsprechenden Krankheitsaktivität möglich.
Nach Informationen von Novartis
59
Medizin Repor t aktuell
Morbus Parkinson
Therapeutische Chancen
im Frühstadium der Erkrankung nutzen
Ein früher Therapiebeginn kann sich für Patienten im frühen Parkinsonstadium mit leichten Symptomen und geringen Einschränkungen
auszahlen. Dies hat kürzlich eine Post-hoc-Analyse gepoolter Daten aus Phase-III-Studien mit transdermalem Rotigotin gezeigt. Patienten mit frühem Therapiebeginn wurden mit Patienten verglichen, bei denen die Therapie 6 Monate später gestartet wurde. Dabei zeigte
sich langfristig ein klinischer Vorteil bei den frühzeitig behandelten Patienten. Alltagsaktivitäten und motorische Funktion konnten etwa
zwei Jahre länger verbessert werden.
▬▬Der Blick auf die Placebogruppen kon-
trollierter Studien zeigt, wie sich ein Morbus
Parkinson entwickelt, der nicht behandelt
wird. Die Patienten verlieren jährlich bis zu 14
Punkte auf der Unified Parkinson‘s Disease Rating Scale (UPDRS) [1]. Schon ein Laie kann
einen Unterschied von vier bis sechs Punkten
wahrnehmen, versicherte Prof. Dr. Heinz
Reichmann, Dresden.
Entlastung für dopaminerge Neurone
Es erscheint deshalb nicht sinnvoll, dieser Verschlechterung der Motorik tatenlos zuzusehen, betonte Reichmann. Auch der Hinweis
auf eine mögliche therapiebedingte Beeinträchtigung der Lebensqualität zu einem Zeitpunkt, an dem es dem Patienten noch relativ
gut gehe, war für ihn nicht zutreffend. Denn
Rotigotin Rotigotin (n=221)
nergen Neurone. Somit geben die PET-Analysen einen klaren Hinweis auf den langfristigen Nutzen einer frühen Therapie.
Dopaminagonisten für den Therapiebeginn bei Patienten im Frühstadium
Dopaminagonisten, Levodopa und MAO-BHemmer sind die wesentlichen Optionen,
die für eine frühe Therapie zur Verfügung stehen, erklärte Reichmann. Standard für die
Behandlung von jungen Neuerkrankten ist
eine initiale Monotherapie mit einem Non-Ergot-Dopaminagonisten. Bei Patienten mit milder Symptomatik kann auch ein MAO-B-Hemmer eingesetzt werden. Bisherige Studien mit
Dopaminagonisten und MAO-B-Hemmern,
in denen die Überlegenheit einer frühen Therapie im Vergleich zu einer später einsetzen-
Placebo Rotigotin (n=125)
Doppelblindphase
6
mittlere Veränderung im UPDRS-II/IIIGesamt-Wert zum Ausgangswert
der Doppelblindphase (Punkte)
es konnte gezeigt werden, dass sich die Lebensqualität gerade dann in den ersten 18 Monaten progredient verschlechtert, wenn keine
Therapie erfolgt. Mit einer dopaminergen
Monotherapie lässt sie sich beispielsweise in
diesem Zeitraum stabilisieren [2].
Auch das Gehirn profitiert von einer frühen
medikamentösen Unterstützung.„Die verbliebenen noch funktionstüchtigen dopaminergen Neuronen müssen auf Hochtouren arbeiten, um den Organismus am Laufen zu halten
und geraten damit erheblich unter Stress“, so
Reichmann. PET (Positronenemissionstomografie)-Studien weisen darauf hin, dass eine
frühe dopaminerge Therapie die Zellen entlasten kann; denn die endogene Dopaminproduktion geht zurück [3]. Und dies dient
letztlich dem Erhalt der Funktion der dopami-
Open-Label-Phase
4
2
0
–2
–4
–6
–8
–10
–12
Titrationsphase
*0
(AW)
Anzahl Patienten
221
125
6** 1
221
125
6
12
18
24
205
112
193
103
188
99
180
93
30
36
Zeit unter Therapie (Monate)
169
89
159
83
42
48
54
60
66
72
147
81
135
75
114
61
100
53
67
33
12
11
AW=Ausgangswert; *Beginn der Doppelblindphase; **Beginn der Erhaltungsphase (open-label)
Abb. 1: Mittlere Veränderung im UPDRS-II/III-Gesamt-Wert bei Patienten mit früher Parkinsonerkrankung (Hoehn-und-Yahr-Stadien 1 und 2) unter
Rotigotin-Therapie in der Post-hoc-Analyse (modifiziert nach [4])
Medizin Repor t aktuell
Praktische Tipps von Prof. Reichmann für den Therapiebeginn
bei jungen Parkinson-Patienten (<70 Jahre)
FFIst eine rasche Symptomlinderung erforderlich, mit einer niedrigen Dosis L-Dopa starten und
dann nach vier bis sechs Wochen auf einen Non-Ergot-Dopaminagonisten wechseln – unter
langsamer Reduktion der L-Dopa-Dosis.
FFPatienten, bei denen eine langsamere Symptomlinderung ausreichend ist, sollten mit einem
Non-Ergot-Dopaminagonisten beginnen.
FFLang wirksame Dopaminagonisten bevorzugen. Bei Substanzen, die zweimal oder dreimal täglich gegeben werden, gibt es kleine Schwankungen im Dopaminspiegel, die z. B. kurzfristig
Impulskontrollstörungen induzieren können.
FFEher früher als später Dopaminagonisten mit niedrig dosiertem L-Dopa kombinieren, um eine
gute Wirkung bei geringem Nebenwirkungsrisiko zu erhalten.
FFRetardiertes L-Dopa abends einnehmen, um Interaktionen mit Nahrungsmitteln zu vermeiden
den Behandlung überprüft wurde, verliefen
jedoch langfristig negativ. Damit wurde auch
die mit diesen Studien verbundene Hoffnung
vorerst enttäuscht, Hinweise auf einen neuroprotektiven Effekt zu finden. Reichmann erklärte dies so:„Die geprüften Substanzen sind,
auch wenn sie später gegeben werden, so
wirksam, dass man mit der vergleichsweise
groben Methodik, mit der wir Motorik prüfen,
nicht erkennen kann, ob die eine oder andere Nervenzelle geschützt wurde.“
Früherer Therapiebeginn
für längere Symptomkontrolle
In einer Post-hoc-Analyse von zwei sechsmonatigen Phase-III-Studien inklusive offener Verlängerung über bis zu sechs Jahre wurde die
frühzeitige Anwendung des transdermalen
Rotigotin-Systems (z. B. Neupro®) auf den
Krankheitsverlauf von Patienten im frühen Parkinson-Stadium (Hoehn-und-Yahr-Skala 1–2)
untersucht [4]. Analysiert wurden 221 von Anfang an mit dem Wirkstoff behandelte Patienten und 125 Patienten, die in den ersten sechs
Monaten Placebo erhielten. Beide Gruppen
wurden anschließend in der Verlängerungsphase mit dem transdermalen Rotigotin-Pflaster behandelt. Die demographischen Daten
wie Alter, UPDRS-Wert und Verteilung auf die
Krankheitsstadien waren bei Studieneinschluss
in beiden Gruppen vergleichbar.
Patienten, die von Beginn an in der Verumgruppe waren, wiesen am Ende der doppelblinden Studienphase eine signifikant größere Verbesserung des UPDRS-Wert II und III auf
als Patienten aus der Placebogruppe. Der Wert
nahm um 7,28 Punkte verglichen mit 2,75
Punkten ab (p<0,001). In der offenen Erhaltungsphase, in der beide Gruppen den Wirkstoff erhielten, besserten sich die Werte in beiden Gruppen (Abb. 1).
Die Werte in der ursprünglichen Placebogruppe erreichten 84 Wochen (~21 Monate)
nach Therapiebeginn mit Rotigotin wieder
den Ausgangswert bei Studieneinschluss.
Dagegen war zu diesem Zeitpunkt in der
Gruppe mit 6 Monate früherem Therapiebeginn mit Rotigotin immer noch eine Verbesserung gegenüber dem Ursprungswert von
–3,89 Punkten zu beobachten (p=0,013).
Diese Gruppe erreichte erst nach ~45 Monaten offener Verlängerungsphase wieder den
Ausgangswert. Es konnte also durch einen 6
Monate früheren Therapiebeginn mit Rotigotin bei Parkinson-Patienten im frühen
Krankheitsstadium eine 2 Jahre längere
Symptomkontrolle erreicht werden. In der
offenen Verlängerungsphase wurden 254 Patienten zusätzlich mit L-Dopa behandelt. Weder in der Verum-Dosis noch in der Zeit bis
zum Einsatz von L-Dopa oder in der L-DopaDosis gab es einen Unterschied zwischen beiden Gruppen. Daraus kann geschlossen werden, dass der günstige Effekt auf die Symptomatik auf den 6 Monate früheren Beginn
der Rotigotin-Therapie zurückzuführen ist.
Jedoch sollte beachtet werden, dass es sich
um eine Post-hoc-Analyse handelt und die
Ergebnisse somit als explorativ betrachtet
werden sollten.
Erst nach 5 Jahren in der offenen Verlängerungsphase waren beide Gruppen wieder auf
einem gleichen Niveau. Die über Jahre bessere Motorik in der Gruppe mit früherer Rotigotin-Therapie stellt demnach einen klinischen
Vorteil dar, den man für die Patienten nutzen
sollte, schlussfolgerte Reichmann. Als unerwünschte Nebenwirkungen wurden Übelkeit, Kopfschmerzen, Schwindelgefühl und Reaktionen an der Applikationsstelle, beobachtet [4]. Sie entsprechen den Angaben aus zulassungsrelevanten Studien und sind für die
Therapie mit Dopaminagonisten sowie die
spezielle Applikationsform typisch [5].
Kontinuierliche
dopaminerge Stimulation
Laut Reichmann sollte die Wahl in jedem Fall
auf einen lang wirksamen Dopaminagonisten fallen, entweder eine orale Substanz mit
langer Halbwertzeit, die einmal täglich verabreicht wird, oder das transdermale RotigotinSystem. Damit kann die unregelmäßige Stimulation von Dopaminrezeptoren vermieden
werden, die mit Verträglichkeitsproblemen
und einem erhöhten Dyskinesie-Risiko verbunden ist, wie sie vor allem durch L-Dopa
hervorgerufen werden.
Weiterhin führte Reichmann aus, dass
durch eine kontinuierliche dopaminerge Stimulation die Risiken für Dyskinesien, motorische Fluktuationen und ein Dopamin-Dysregulationssyndrom deutlich abnähmen. Dies
sind einige der Hauptgründe für den favorisierten Einsatz von lang wirksamen Dopaminagonisten beim Beginn jüngerer Patienten
mit einer Parkinsontherapie. Allerdings treten
bestimmte Nebenwirkungen, insbesondere
Impulskontrollstörungen oder Halluzinationen, unter Dopaminagonisten häufiger auf
als unter Levodopa. Hier schneidet Rotigotin
besser ab als andere Dopaminagonisten, wie
Reichmann erläuterte. Bei Patienten, die unter
oraler Medikation solche Probleme entwickeln, könnte der Wechsel sinnvoll sein.
Literatur
1.▬ Löhle▬M▬et▬al.,▬Drugs▬2014;▬74:▬645–57
2.▬ Grosset▬D▬et▬al.,▬J▬Neurol▬Neurosurg▬Psychiatry▬2007,▬
78:465–9
3.▬ Storch▬A▬et▬al.,▬Neurology▬2013,▬80:1754–61
4.▬ Timmermann▬L▬et▬al.,▬Expert▬Opin▬Pharmacother▬
2015,▬16:1423–33
5.▬ Fachinformation▬Neupro®,▬Stand▬Februar▬2015
Impressum „Epilepsie und Bewegungsstörungen – Therapie und Patientenbedürfnisse“, Satellitensymposium anlässl. des 88. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für
Neurologie (DGN), Düsseldorf, 24. September 2015 • Medizin Report aktuell Nr. 411184 in: NeuroTransmitter, Ausgabe 1/2016 • Berichterstattung: Dr. Angelika Bischoff,
Planegg • Redaktion: Teresa Windelen • Leitung Corporate Publishing: Ulrike Hafner (verantwortlich) • Springer Medizin, Springer-Verlag GmbH, Tiergartenstraße 17,
69121 Heidelberg • © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
Mit freundlicher Unterstützung der UCB Pharma GmbH, Monheim
Die Herausgeber der Zeitschrift übernehmen keine Verantwortung für diese Rubrik.
Journal
Die Obsessionen des Georges Simenon
Teil 2: Der Roman „Die Ferien des Monsieur Mahé“
Der Roman „Die Ferien des Monsieur Mahé“ ist leicht in ein paar Stunden am Strand gelesen (Wunderlich).
Der Protagonist: ein Landarzt. Die Handlung bewegt sich obsessiv zwischen den Polen Liebe und Tod.
Das klingt nicht aufregend neu, ist aber ganz bestimmt auch nicht der langweilige Stoff einer schnöden
Arztgeschichte, wie die Literaturwissenschaft urteilt.
©© Masson / Fotolia.com
Das Mädchen
oder das rote
Kleid, oder beides prägte sich
Monsieur Mahé
ein, wie ein Kinderlied, während
der ersten Ferien
im französischen
Porquerolles.
Wohin geht die
Reise für beide?
62
NeuroTransmitter 2016; 27 (1)
Journal
62 Psychopathologie in
Kunst & Literatur
D
er Roman „Die Ferien des Monsieur Mahé“ erschien zuerst 1946
unter dem Titel „Le cercle des
Mahé“. Er erzählt die seltsame Geschichte des Landarztes François Mahé in
Saint-Hilaire, der dreijährig seinen Vater
Isidore verloren hat, einen Pferdehändler, der den großmäuligen Beweis dafür
liefern wollte, dass er ein Pferd tragen
könne. Seine Mutter führte den Pferdehandel sowie einen dazu gehörenden
Ausschank weiter, sparte, ließ den Sohn
studieren, kaufte ihm die Praxis eines
Arztes, der in Ruhestand ging, und sie
verheiratete ihn mit Hélène, die ihrer
Schwiegermutter im Haushalt hilft und
zwei Kinder groß zieht: Jeanne und
­Michel.
Der gerade einmal 32 Jahre alte Landarzt lässt sich von einem Bekannten
überreden, die Sommerferien mit seiner
Familie auf Porquerolles zu verbringen,
einer Insel vor Toulon, die Georges Simenon seit 1926 von eigenen Urlaubsaufenthalten sehr gut kannte und die in
einigen Romanen als „Symbol für Erholung und Lebensfreude“ steht, wie der
Biograf Stanley G. Eskin vermerkt. Aber
auf der Mittelmeerinsel gefällt es weder
Monsieur Mahé noch seiner Frau. Auch
die Fische wollen bei dem Freizeitangler
NeuroTransmitter 2016; 27 (1) 66 NeurotransmitterGalerie
„Die Ferien des Monsieur Mahé“
lautet der Titel einer jener Romane
Georges ­Simenons, die durch eine für
den ­Autor ungewöhnlich sorgfältige
Konstruktion in puncto Handlung,
Personenbeschreibung und symbolische Zuordnung Gefallen finden
(nach Stanley G. Eskin).
Die Ästhetik künstlicher Welten
Robert Voit manipuliert seine Bilder
nicht, nur die Objekte und fotografiert nur analog. „Gerade die groteske
Plastikblumenwelt verlangte nach
dem Medium der Fotografie. Es ist
viel glaubwürdiger, etwas Gefälschtes zu fotografieren, als es zu malen.“
nicht beißen, und die Rochers des Mèdes, seltsame Felsen im Meer, wirken auf
Mahé unheilvoll und machen ihm
Angst.
Wenige Tage nach der Ankunft auf
Porquerolles wird der Doktor zu einer
Lungenkranken gerufen, doch er findet
sie nur noch tot an. Diese gewisse Anna
Kayaerts wurde 36 Jahre alt. Mit ihrem
Ehemann Frans Klamm, einem ehemaligen Fremdenlegionär (ein Bruder Simenons war ebenfalls Fremdenlegionär),
der kleinen Tochter Elisabeth und deren
jüngerem Bruder Georges war sie vor
sechs Jahren hergekommen und hatte
ohne ärztlichen Beistand auf Porquerolles noch ein Mädchen namens Madeleine geboren. Der Mann, Frans Klamm,
ist Gelegenheitsarbeiter, hilft den Fischern, betrinkt sich, sobald er etwas
Geld hat, und treibt sich auf dem Festland herum. Die Kinder erwarten ihn
erst in ein paar Tagen zurück. In dem
ärmlichen und verwahrlosten Sterbezimmer fällt der Blick von Doktor Mahé
auf die zwölfjährige magere Elisabeth in
ihrem roten Baumwollkleidchen. Dieser
Anblick gräbt sich in das Gedächtnis des
Arztes so tief ein „wie ein Kinderlied“.
Das Mädchen, das von da an Mahés Gedankenwelt beherrscht, kümmert sich
um seine jüngeren Geschwister, weigert
sich, mit ihnen das Haus zu verlassen
und schlägt das Angebot des Bürgermeisters aus, in einem leer stehenden
Gefängnis unterzukommen.
Nach Hause zurückgekehrt vermeidet
und verschweigt die Familie Mahé die
missglückten Ferien auf Porquerolles.
Zur allgemeinen Überraschung beschließt der Arzt jedoch, im Jahr darauf
doch wieder diesen Ferienort zu wählen.
Obgleich die Ehefrau sichtlich unter dieser Entscheidung leidet, widersetzt sie
sich den Urlaubsplänen ihres Mannes
nicht. Der Sommer verläuft wie hinter
einer Einzäunung nahezu ereignislos.
In den folgenden nunmehr schon dritten Ferien auf Porquerolles wird die Familie von ihrem halbwüchsigen Neffen
Alfred begleitet, der dort malen will, wobei der Arzt ihn deutlich anregt, seine
Motive in der Nähe des vom verwitweten Frans Klamm und dessen Kindern
bewohnten Haus zu suchen. Dort ist
mittlerweile Elisabeth das Zentrum der
Restfamilie: Georges nimmt Geigenunterricht, die Kleinste wird von ihr täglich
in ein Kloster gebracht, sie versorgt den
Haushalt und nimmt dem Trinker Frans
das Geld ab, was dieser mehr oder weniger willig-unwillig über sich ergehen
63
Journal
lässt. Der Arzt macht den Neffen auf Elisabeth aufmerksam, heizt ihn regelrecht
an, bis der Neffe schließlich gesteht, das
Mädchen entjungfert zu haben. Das Kapitel lautet: „Elisabeth ist gefallen“. Und
der Doktor hockt da „und geilte sich insgeheim an einem roten Kleid mit einem
spillerigen Körper darin auf oder versuchte vielmehr, seinen Neffen aufzugeilen. Denn auf das lief es hinaus. Hintenherum. Er erinnerte sich nicht, je in seinem Leben was hintenherum gemacht
zu haben, aber hier tat er es, und mit
Wollust.“
Im Grunde genommen ist es das, was
Mahé immer gewollt hat: „Sie zu beschmutzen, sie zu zerbrechen (…). Damit
er ein für allemal davon loskam, denn so
ging es nicht mehr weiter. Er war nicht
Psychopathologie in Kunst & Literatur
e­ inen Knoten in der Brust, eine fachärztliche Untersuchung sei dringend und
unumgänglich. Mahé reist nach Hause
zurück, gegen seinen Willen begleitet
von Frau, Kindern und Neffe. Die heimtückische Krankheit, von der soeben
noch die Rede war, ist plötzlich ganz real
und hat die Mutter befallen. Es stellt sich
heraus, dass das Karzinom weit fortgeschritten ist, die Operation durch einen
eigens aus Paris angereisten Spezialisten
übersteht die Mutter nicht. „Während
der Fahrt zur Klinik hatte die Todkranke prophezeit, sie werde nicht mehr nach
Hause kommen.
Als Mahé im nächsten Jahr erneut mit
seiner Familie in die Ferien reist, ahnt
auch er, dass er nicht mehr von Por­
querolles zurückkehren wird. Elisabeth
„Meinem Vater fehlte nichts, meiner Mutter fehlte alles.
Das war der Unterschied zwischen ihnen.“
Georges Simenon
einmal verliebt. Wäre er verliebt gewesen, wäre alles gewiss viel einfacher gewesen. Es war eine Heimsuchung, genau
das war es. Und das hatte schon am ersten Tag angefangen, nur sachte, heim-­
tückisch wie eine von diesen unheilbaren Krankheiten, die man erst feststellt,
wenn es zu spät ist, was dagegen zu machen. Das war keine Frau, nichts Üppiges. Nur zwei magere Beinchen, die aus
einem roten Fetzen ragten (…). Das war
sie und noch vieles andere mehr, sie war
die Negation seines Lebens, das Nein zu
allem, was er bisher war, zu dem grauen
Haus mit seinem Dach und der Tür wie
aus dem Baukasten (…) zu einem dicken
Mann von 35 – denn so alt war er jetzt –,
der zum Zeitvertreib mit einem Motorrad die Wege entlang knatterte, angelte,
Rebhühner oder Hasen jagte, das Nein
zu Saint-Hilaire und den beiden Frauen,
die von morgens bis abends für ihn nähten und ihm sagten, wann er die Leibwäsche wechseln musste.“
Das Mädchen, mit dem er nie ein Wort
gesprochen hat, beherrscht seine Gedanken immer intensiver. Die Situation ändert sich schlagartig, als Doktor Mahé
von einem Freund und Kollegen die
Nachricht erhält, seine Mutter habe
64
wohnt inzwischen mit Georges und Madeleine in Hyères. Den Lebensunterhalt
verdient sie als Näherin. Mahé fährt zu
ihr, trifft jedoch nur ihre zehnjährige
Schwester an, denn Elisabeth liefert gerade fertige Näharbeiten aus. Statt auf sie
zu warten, geht Mahé wieder. Noch drei
Mal fährt er nach Hyères; einmal glaubt
er, Elisabeth auf der Straße zu sehen, ist
sich jedoch nicht sicher, und zu ihrer
Wohnung wagt er sich nicht mehr.
Zwei Tage vor dem geplanten Ende der
Ferien auf Porquerolles sucht Mahé den
Arzt Dr. Lepage auf, der ihm vor Jahren
erzählt hatte, er wolle seine schlecht gehende Praxis aufgeben und zu seiner
Schwester in die Voralpen ziehen. Mahé
fragt Dr. Lepage, ob er dessen Praxis auf
Porquerolles übernehmen könne. Dieser
rechnete mit der Anfrage bereits und
verlangt einen unverschämten Preis für
Praxis, Haus und Einrichtung. Obwohl
Mahé merkt, dass er über den Tisch gezogen werden soll, bringt er nicht den
Mut auf, sich dagegen zu wehren und unterschreibt einen Vorvertrag. Am anderen Morgen fährt Monsieur Mahé mit einem Boot aufs Meer hinaus, so als wolle
er zum Angeln. Bei den Rochers des Mèdes ertränkt er sich“ (Wunderlich).
Suizid mit literarischen Anspruch
An dieser Stelle gelingt es Simenon, den
Suizid mit literarischem Anspruch darzustellen: „Alle würden glauben, es sei
ein Unfall gewesen (…). War es etwa keiner? Bloß diese Frage? Es war keine beliebige Frage, es war die Frage, die entscheidende (…). Seine weit aufgerissenen
Augen befragten ernsthaft die Ferne,
und diese gab ihm noch keine Antwort.
Salzwasser drang in ihn ein (…) und seine Arme stießen die Mahés zurück; er
musste unbedingt, jetzt wusste er es endlich, noch tiefer hinunter, das rote Kleid
erreichen, es gab Momente, wo er es fast
berühren konnte (…). Elisabeth, ganz
blass, sah ihn aus erstaunten Augen an;
vielleicht fragte sie sich, warum er sie so
lange hatte warten lassen. Jetzt war er da
(…). Noch eine kurze Anstrengung (…).
Die Mahés begriffen nicht, sie begriffen
nie (…). Er selbst hatte auch nichts begriffen, erst jetzt dämmerte ihm allmählich die Wahrheit (…). Es war eine Liebesgeschichte (…). Ach! Dann gab es
noch eine andere Wahrheit, eine noch
strahlendere, eine Art gleißendes Aufflammen, worin (…). Doch als er diese
Wahrheit erreichte und sie wie eine Luftblase einsog, war sein Erdenleben zu
Ende, und er konnte die Botschaft nicht
mehr vermitteln.“
Georges Simenon hat diesen Roman
am 1. Mai 1945 in Saint-Mesmin-le-Vieux in der Vendée beendet. Es liegt auf
der Hand, dass er mehr ist als nur eine
sachkundige Einweisung in die Technik,
„wie man den péquois fischt“. Laut Stanley G. Eskin ist es einer jener Romane,
„die durch eine bei Simenon ungewöhnlich sorgfältige Konstruktion in puncto
Handlung, Personenbeschreibung und
symbolische Zuordnung gefallen“. Da ist
die Suche nach dem schwer zu fangenden, wertvollen Fisch, dem legendären
„péquois“, zu dem die Seeleute anscheinend mehr wissen als der Hobbyangler
Mahé, andererseits ist das mit Elisabeth
verbundene „sexuelle Motiv, das in einer
für Simenon ungewöhnlichen Manier
eher unterdrückt wird. Am anderen
Ende der symbolischen Skala steht
Mahés geordnetes Leben in Saint-Hilaire, Gustav von Aschenbachs München
vergleichbar: die ‚Zirkel‘ aus dem Titel
des Buches („Le cercle des Mahés“), die
Einschränkungen des Lebens, diktiert
NeuroTransmitter 2016; 27 (1)
Buchtipp
von gesellschaftlicher Stellung, Beruf,
­Sicherheit und einer ‚Familie‘ in Form
einer tyrannischen Mutter und einer
sanften, von ihr ausgesuchten Ehefrau,
die Porquerolles hasst und dem Meere
den Rücken kehrt. Es drängt Mahé, aus
all dem auszubrechen – eine Flucht (…),
die von Begierde, Angst und Schuldgefühlen begleitet wird.“
Das Mutter-Motiv
Neben der verwandten Thematik, wie sie
Thomas Mann 1911 in seiner Novelle
„Der Tod in Venedig“ im Verhältnis des
Schriftstellers Gustav von Aschenbachs
zu dem Knaben Tadzio dargestellt hat,
verdient das Mutter-Motiv bei Simenon
eine gewisse Aufmerksamkeit.
Nach dem Ruin von Simenons Vaters
und dessen frühem Tod war die Kindheit des Autors von Armut und dem
Kampf der Mutter um den Lebensunterhalt geprägt. Simenon schrieb: „Meinem
Vater fehlte nichts, meiner Mutter fehlte
alles. Das war der Unterschied zwischen
ihnen.“ Bei Wikipedia lesen wir: „Während der heranwachsende Georges den
in sich ruhenden und genügsamen Vater
idealisierte und ihm nach eigenen An­
gaben später Charakterzüge Maigrets
entlieh, war die Mutter immer in Sorge
und fand nach Simenons Worten ‚das
Unglück, wo niemand sonst es vermutet
hätte‘. Nach der Geburt seines drei Jahre
jüngeren Bruders Christian fühlte sich
Georges von ihr zurückgesetzt (…). Das
schwierige Verhältnis zur Mutter durchzog Simenons Leben und Werk. In Anlehnung an Balzac definierte er einen
Schriftsteller als einen ‚Mann, der seine
Mutter nicht mag‘. Zu einer letzten Abrechnung wurde der nach ihrem Tod geschriebene ‚Lettre à ma mère‘“.
nicht nur durch einen außergewöhnlichen Plot und eine dichte Atmosphäre,
sondern auch durch sorgfältig herausgearbeitete Charaktere und die psychologisch nachvollziehbare Obsession des
Protagonisten. Georges Simenon erzählt
realistisch und eindrucksvoll, spannend
und schnörkellos. Obwohl bekannt ist,
dass er für einen Roman oft nicht länger
als acht oder zehn Tage benötigte, wirkt
nichts plump oder gar hin geschludert;
im Gegenteil: die Darstellung ist fantasievoll, facettenreich und durchdacht.
Auch wenn man „Die Ferien des Monsieur Mahé“ leicht in ein paar Stunden am
Strand lesen kann, handelt es sich um
anspruchsvolle Literatur.“ Der Biograf
Stanley Eskin meint dagegen, im zweiten
Teil wirke „die Geschichte ein wenig
lahm, aber andererseits handelt es sich
um eine originelle und gelungene Variation der Simenonschen Flucht.“
Aus der Darstellung des Landarztes
Dr. Mahé nun zu schließen, Simenon
habe ein negatives Arzt-Bild, wäre ebenso voreilig wie falsch. Überdies widerspräche es der Widmung, die er seinem
wohl besten Roman „Die Glocken von
Bicêtre“ vorangestellt hat, immerhin
­einem Buch über einen Schlaganfallund Koma-Patienten, für das er sich Material von Medizinern besorgt hatte und
in dem ebenfalls eine Liebesaffäre auf
der Insel Porquerolles eine Rolle spielt:
„All jenen gewidmet – Professoren, Ärzten, Krankenschwestern und Pflegern‒,
die in Krankenhäusern und anderswo
um Verständnis und Hilfe bemüht sind
für das Wesen, dem wir am hilflosesten
gegenüberstehen: dem kranken Menschen.“
Literatur beim Verfasser
Die Simenonsche Flucht
Der Literaturwissenschaftler Dieter
Wunderlich urteilt über den Roman
„Die Ferien des Monsieur Mahé“: „Die
Handlung (…) bewegt sich zwischen den
Polen Liebe und Tod. Es geht um einen
Arzt, der den Anblick eines pubertierenden Mädchens im roten Kleid nicht vergessen kann. Obwohl es keine Liebe ist
und er nie ein Wort mit Elisabeth wechselt, beherrscht die Heranwachsende seine Gedanken, und er geht an der Obsession zugrunde. Das Buch (…) besticht
NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Braus, Dieter F.
EinBlick ins Gehirn
Psychiatrie als
angewandte
klinische
Neurowissenschaft
Georg-Thieme Verlag,
Stuttgart, 2014, 168 Seiten, 64 Abbildungen,
gebunden. ISBN Buch: 978-3-13-133353-7
Buch: 41,20 €/56 CHF
ISBN PDF 978-3-13-155273-0
ISBN ePub 978-3-13-175333-5
E-Book: 39,99 €/56,00 CHF
EinBlick ins Gehirn
Die Psychiatrie wird hier vom Autor Dieter F.
Braus als angewandte klinische Neurowissenschaft abgehandelt. In geradezu groß­
artiger und imponierender Art und Weise
werden die wesentlichen Bausteine aus
der biologischen Richtung unseres Fachgebietes beschrieben, also beispielsweise die
Klassizität, die Grundlagenforschung des
21. Jahrhunderts in der Psychiatrie und die
psychiatrischen Erkrankungen aus der Sicht
des renommierten Forschers.
Sicherlich wird der geneigte Leser nicht jedem einzelnen Akt zustimmen können, jedenfalls nicht immer der Beurteilung, aber
was hier vorliegt, nämlich die Erweiterung
und Komplettierung des Buches aus dem
Jahre 2004 („EinBlick ins Gehirn – moderne
Bildgebung in der Psychiatrie“) ist ein unerwarteter Glücksfall für unser Fachgebiet.
Umfangreich und überzeugend werden die
biologischen Grundlagen dar­gestellt, die in
dieser Ausführlichkeit und Vollständigkeit
nirgendwo zu lesen sind. Insofern ist der
letzte Satz im Vorwort – „Viel Spaß beim
lesen“ – eine glatte Untertreibung. Hier handelt es sich eben nicht um ein beiläufiges
Lesebuch, sondern um eine her­vorragend
gestaltete systematische Beschreibung der
Neurowissenschaften. Es ist im Moment das
einzige wissenschaftliche Werk, das dem
Modetrend (Psychotherapie auf allen Wegen) entgegen gesetzt wird. Es ist sehr zu
hoffen, dass die, die sich mit unserem Fachgebiet befassen, sehen und erkennen können, was Neurowissenschaft und Psychiatrie
bedeuten.
Prof. Dr. med. F. Reimer, Weinsberg
AUTOR
Prof. Dr. Gerhard Köpf
Ariboweg 10, 81673 München
E-Mail: [email protected]
65
Die Ästhetik künstlicher Welten
Anmutig wirken Lampionblume, orientalisches Füllhorn und Wurmfarn in ihrer streng reduziert schwarzweiß abgelichteten Form. Ihre fein herausgearbeitete Struktur scheint fast unwirklich. Bei genauem Hinschauen fällt eine eigenartige Absplitterung am Stängel der Lampionblume auf und man wird stutzig: Das
ist nicht die Schönheit der Natur, das sind Plastikblumen, die hier dargestellt und in eigenwillig-durchdachter
Systematik von Robert Voit in einem Künstlerbuch für Bibliophile zusammengestellt wurden.
S
eit der Zeit erster Höhlenmalereien, lange vor Romanik
und Gotik werden Pflanzenformen als „Urformen der
Kunst“ kopiert und motivisch verwendet. Mit Plastikblumen jedoch will der Mensch die Natur nicht nur nachahmen,
sondern auch noch übertreffen. Der Höhepunkt im Lebenszyklus der Pflanze soll festgehalten werden. Die Plastikblumenindustrie verzeichnet seit Jahren hohe Umsatzzuwächse und
wer genau hinsieht, ist, wie der Fotograf Robert Voit es von sich
beschreibt, schockiert, „wie weit die Plastikblumen inzwischen
in unserem Leben überhand genommen haben.“
Robert Voit ist von seiner Kunst und seinen Konzepten besessen. Er ist ein gutmütiger Perfektionist, ein humorvoller
Weiser, der uns die grotesken Auswüchse unserer Zeit vor Augen hält, indem er sie in seinen Bildern hochauflösend darstellt.
Dabei erhebt er nicht den Zeigefinger und zwingt uns auf brutale Weise hinzuschauen. Eher versteckt er die Wahrheit sanft
Robert Voit aus der Serie „The Alphabet of New Plants“:
Physalis alkekengi/Lampionblume
Robert Voit aus der Serie „The Alphabet of New Plants“:
Cornucopiae cucullatum/Orientalisches Füllhorngras
66
NeuroTransmitter 2016; 27 (1)
lächelnd hinter einem fast hyperrealistischen Ästhetizismus,
der uns das Gift mit Honig einflößt. Er studierte an der Münchner Fachakademie für Fotodesign sowie der Kunstakademie
und war in Düsseldorf Meisterschüler des konzeptuellen Fotografen Thomas Ruff, selbst Schüler von Bernd und Hilla Becher.
Für sein im November 2015 bei Hatje und Cantz in „The Alphabet of New Plants“ zusammengefasstes Projekt orientierte
sich Voit an dem Großmeister der Pflanzenfotografie Karl
Blossfeldt, der den Stil der „Neuen Sachlichkeit“ entscheidend
unter anderem mit seinem Werk „Die Urformen der Kunst“
(1928) mit beeinflusste. Nicht nur in Motivik und Namensgebung, auch in der Typografie und Buchgestaltung, vom Satzbild bis hin zur Papierbeschaffenheit schafft er hommageähnliche Referenzen an Blossfeldt. Alleine für die wissenschaftsähnlichen lateinischen Bezeichnungen der neuen Spezies der
Plastikblumen beschäftigte Voit zwei Botaniker, von denen der
Erste über dem Projekt verzweifelte.
Robert Voit aus der Serie „New Trees“ Mono Lake California/USA
Voits Bilder scheinen ob ihrer Schönheit und Ebenmäßigkeit
oft entweder digital bearbeitet oder das Motiv manipuliert.
Doch das Gegenteil ist der Fall. Voit ist einer der letzten rein
analogen Fotografen. „Prinzipiell geht es in meiner Arbeit und
so auch beim ‚Alphabet of New Plants‘ um ein Täuschungsmoment, um die Frage, was Fotografie heute überhaupt leisten
kann. Die meisten Fotografen manipulieren die Fotografie und
stellen dadurch diese Frage. Ich manipuliere meine Bilder gar
nicht, nur die Objekte und fotografiere nur analog. Gerade die
groteske Plastikblumenwelt verlangte nach dem Medium der
Fotografie. Es ist viel glaubwürdiger, etwas Gefälschtes zu fotografieren, als es zu malen.“ Voits dokumentarischer Stil ist
dabei Vehikel größer angelegter Konzepte. Für sein Projekt
„New Trees“ war er sieben Jahre lang immer wieder auf der ganzen Welt unterwegs, auf der Suche nach Funkmasten, die grotesk als naturechte – nur meist überlebensgroße – Bäume camoufliert sind. „New Trees“ soll die absurden Auswüchse des
industriellen Zeitalters dokumentieren, noch wichtiger ist Voit
aber etwas Anderes: „Mit meinen Bildern möchte ich den Betrachter auffordern, ganz genau hinzuschauen, erhöhte Aufmerksamkeit und einen geschärften Blick zu erzeugen (...).“
Für seine Projekte nimmt Voit einiges auf sich. Gerade ist er
zum fünften und voraussichtlich letzten Mal infolge in Fukushima, dessen Bilder er bewahren möchte. „Ich möchte nicht
(nur) die Geschichten von Fukushima erzählen, das als Thema
abstrus und martialisch ist. Ich fahre dorthin und entdecke die
kleinen Veränderungen. Bilder, die mich nicht mehr loslassen.“
Zu sehen sein werden erste Aufnahmen des Fukushima-Projekts im März 2016 in München in der Lothringer 13 Halle anlässlich seiner Nominierung zum Förderpreis Bildende Kunst
⃞
der Stadt München.
AUTORIN
Dr. Angelika Otto, München
Robert Voit aus der Serie „The Alphabet of New Plants“:
Dryopteris filix mas/Echter Wurmfarn
NeuroTransmitter 2016; 27 (1) www.hatjecantz.de/
Galerie Robert Morat: www.robertmorat.de/
Galerie Walter Storms München: www.storms-galerie.de/
Clampart Gallery New York: www.clampart.com/
http://www.robertvoit.com
67
Termine
Veranstaltungen BVDN/BDN/BVDP-Landesverbände 2016
Datum / Zeit / Ort
Landesverband / Titel / Themen
Anmeldung
16.4.2016
9.30 – 15.30 Uhr
in München, Klinikum
rechts der Isar, Hörsaalgebäude, Eingang Einsteinstr.
Bayerische BVDN-BDN-BVDP Frühjahrstagung
Neuro- und Psychopharmaka in Schwangerschaft
und Wochenbett
Fortbildung und Mitgliederversammlung
Athene Akademie
Traubengasse 15, 97072 Würzburg
Tel.: 0931 2055526, Fax: 0931 2055525
E-Mail: [email protected]
Neurologen- und Psychiater-Tag 2016
in neuer Struktur mit Angeboten der Fortbildungsakademie
Thema: Das Gehirn – Entwicklung kognitiver Fähigkeiten und
Möglichkeiten zur Adaption und Kompensation
Referenten
Prof. Dr. med. Dieter Braus: „Neuroplastizität und Lernen“
PD Dr. phil. Dipl.-Psych. Iris-Katharina Penner: Zwischen
Reorganisation und Maladaptation: Strategien des Gehirns
im Umgang mit kognitivem Leistungsverlust
Prof. Dr. rer. soc. Thomas Elbert: „Spuren belastender Lebens­
erfahrungen in Genom, Gehirn und Geist“
Dr. Maggie Schauer: „Narrative Expositionstherapie komplexer
und multipler Traumatisierungen“
Mitgliederversammlung BVDN: Aktuelle Entwicklungen,
zum Beispiel zur strukturierten Versorgung
Cortex – Geschäftsstelle der Verbände
Am Zollhof 2a, 47829 Krefeld
Tel.: 02151 45469-21, Fax: 0931 045469-25
E-Mail: [email protected]
CME-Punkte
29.4.2016
in Köln
Hotel Park Inn by
Radisson Hotel Köln
Innere Kanalstr. 15
7
CMEPunkte
Fortbildungsveranstaltungen 2016
17. – 20.2 2016
in Münster
Messe/Kongress Zentrum
Halle Münsterland
Albersloher Weg 32
60th Annual Meeting of the Society of Thrombosis and
Haemostasis Research
60. Jahrestagung der Gesellschaft für Thrombose- und
Hämostaseforschung (GTH)
MCI Deutschland GmbH, Vivien Lietze
Markgrafenstr. 56, 10117 Berlin
Tel.: 030 20 45 90, Fax: 030 20 45 950
E-Mail: [email protected]
19. – 20.2.2016
in Mainz
Kurfürstliches Schloss
Peter-Altmeier-Allee 1
Neuro Update 2016
wikonect GmbH, Wiesbaden
Tel.: 0 611 949154-34, Fax: 0611 949154-99
E-Mail: [email protected]
50. Münchner EEG-Tage
Forum für Fortbildung und Wissenschaft in Klinischer
Neurophysiologie und Funktioneller Bildgebung
Themen: Grundlagen der Neurophysiologie und Funktionellen
Bildgebung und deren klinische Anwendung in Neurologie,
Psychiatrie und Pädiatrie, wissenschaftliche Bedeutung der
Kombination neurophysiologischer und bildgebender
Verfahren, EEG-Kurs, TMS-Workshop
Prof. Dr. Oliver Pogarell und
PD Dr. Dipl.-Psych. Susanne Karch
Klinische Neurophysiologie, Klinik für
Psychiatrie und Psychotherapie
der Ludwig-Maximilians-Universität München
Tel.: 089 4400-55541, Fax: 089 4400-55542
E-Mail: [email protected]
www.eeg-tage.de
10. Nachsorgekongress: „Wege von der medizinischen
Rehabilitation in die Teilhabe – Lösungsansätze!“
ZNS - Hannelore Kohl Stiftung
Nicola Jung
Rochusstr. 24, 53123 Bonn
Tel.: 0228 9784 540
Fax: 0228 9784 555
E-Mail: [email protected]
4. – 5.3.2016
in Berlin
Scharnhorststr. 3
24. – 26.2.2016
in München
Klinik für Psychiatrie
Ludwig-MaximiliansUniversität
Hörsaal EEG-Labor
Nußbaumstr. 7
25 CMEPunkte
25. – 26.2.2016
Eventpassage, Berlin
Kantstr. 8
CME-Punkte
68
NeuroTransmitter 2016; 27 (1)
Termine
Fortbildungsveranstaltungen 2016
2. – 5.3.2016
in Jena
Campus der FriedrichSchiller-Universität Jena
Ernst-Abbe-Platz
53. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft
für Epileptologie e. V.
Conventus Congressmanagement
& Marketing GmbH
Juliane Börner
Carl-Pulfrich-Str. 1, 07745 Jena
Tel.: 0 3641 31 16-347, Fax: 0 3641 31 16-243
E-Mail: [email protected]
wwww.conventus.de
3. – 4.3.2016
in Koblenz
Rhein-Mosel-Halle Koblenz
Julius-Wegeler-Str. 4
Deutscher Interdisziplinärer
Notfallmedizin Kongress 2016 – DINK
MCN
Medizinische Congressorganisation Nürnberg AG
Neuwieder Str. 9, 90411 Nürnberg
Tel.: 0911 39316-40, Fax: 0911 / 39316-66
E-Mail: [email protected]
www.dink-kongress.de
12.3.2016
in Essen, Audimax/
Universitätsklinikum
Hufelandstr. 55
Essener Neurologie-Tag 2016
Aktuelles aus Neurologie, Neuroradiologie und
Neurochirurgie
Universitätsklinikum Essen
Hufelandstr. 55, 45147 Essen
E-Mail: [email protected]
www.neurologietag2016.de
15. – 16.3.2016
in Düsseldorf
Heinrich Heine University
Gebäude 23.01,
Main Entrance
Universitätsstr. 1
II. International Conference on
Deep Brain Stimulation (DBS)
Conventus Congressmanagement
& Marketing GmbH
Nadia Al-Hamadi/Nora Caune
Carl-Pulfrich-Str. 1, 07745 Jena, Germany
Tel.: 3641 31 16-318, Fax: 03641 31 16-243
[email protected]
www.conventus.de
16. – 19.3.2016
in Düsseldorf
Heinrich-Heine-Universität
Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für
Klinische Neurophysiologie und Funktionelle
Bildgebung e. V. (DGKN)
Schwerpunkte: Neuromodulation, Zentrale
Neurophysiologie, Funktionelle und strukturelle
Conventus Congressmanagement
& Marketing GmbH
Anja Kreutzmann/Katharina Szulc
Carl-Pulfrich-Str. 1, 07745 Jena
Tel.: 03641 3116-357/-314, Fax 03641 3116-243
E-Mail: [email protected]
17. – 20.3.2016
in Lissabonn, Portugal
Sana Lisboa Hotel
Av. Fontes Pereira de Melo 8
10th anniversary World Congress on Controversies in
Neurology (CONy)
[email protected]
www.comtecmed.com
9. – 12.4.2016
in Mannheim
Congress Center
Rosengarten
Rosengartenplatz 2
122. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin
„Demografischer Wandel fordert Innovation“
m:con – mannheim:congress GmbH
Rosengartenplatz 2, 68161 Mannheim
Tel.: 0621 4106-0
E-Mail: [email protected]
www.mcon-mannheim.de
16. – 20.5.2016
in Langeoog
Psychodynamische Tage auf Langeoog
„Das Unbewusste im 21. Jahrhundert“
Albertinen-Akademie
Matthias Zeltwanger
Tel.: 040 5581-1776
E-Mail: [email protected]
17. – 18.6.2016
in Berlin
SEMINARIS Campus Hotel
AGNP-Psychopharmakologie-Tage in Berlin
Fort- und Weiterbildung in der
Psychopharmakotherapie in Theorie und Praxis
Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. Borwin Bandelow
AGNP – Arbeitsgemeinschaft für Neuropsychopharmakologie und Pharmakopsychiatrie
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg-Str. 1, 30625 Hannover
www.agnp.de
CME-Punkte
NeuroTransmitter 2016; 27 (1) 69
Verbandsservice
BVDN
Berufsverband Deutscher Nervenärzte
www.bvdn.de
 Organisation/Ansprechpartner/Geschäftsstelle
Neuropsychologie: Paul Reuther
Neuroonkologie: Werner E. Hofmann
Pharmakotherapie Neurologie: Gereon Nelles
Pharmakotherapie Psychiatrie: Roland Urban
Prävention Psychiatrie: Christa Roth-Sackenheim
Prävention Neurologie: Paul Reuther
Schlaf: Ralf Bodenschatz
Schmerztherapie Neurologie: Uwe Meier,
Monika Körwer
Suchttherapie: Ulrich Hutschenreuter
Vorstand/Beirat
1. Vorsitzender: Frank Bergmann, Aachen
Stellv. Vorsitzender: Gunther Carl, Kitzingen
Schriftführer: Roland Urban, Berlin
Schatzmeister: Gereon Nelles, Köln
Beisitzer: Christa Roth-Sackenheim, Andernach;
Uwe Meier, Grevenbroich; Sabine Köhler, Jena;
Gereon Nelles, Köln
1. Vorsitzende der Landesverbände
Baden-Württemberg: Birgit Imdahl
Bayern: Gunther Carl
Berlin: Gerd Benesch
Brandenburg: Holger Marschner
Bremen: Ulrich Dölle
Hamburg: Guntram Hinz
Hessen: Rudolf Biedenkapp
Mecklenburg-Vorpommern:
Ramon Meißner, Frank Unger
Niedersachsen: Norbert Mayer-Amberg
Nordrhein: Frank Bergmann, Angelika Haus
Rheinland-Pfalz: Günther Endrass
Saarland: Helmut Storz
Sachsen: Ulrike Bennemann
Sachsen-Anhalt: Michael Schwalbe
Schleswig-Holstein: Klaus Gehring
Thüringen: Volker Schmiedel
Westfalen: Rüdiger Saßmanshausen
Ansprechpartner für Themenfelder
EBM/GÖÄ: Gunther Carl, Frank Bergmann
Neue Medien: Arne Hillienhof
EDV, Wirtschaftliche Praxisführung:
Thomas Krichenbauer
Forensik und Gutachten Psychiatrie:
P. Christian Vogel
Gutachten Neurologie:
Friedhelm Jungmann
Belegarztwesen Neurologie:
Joachim Elbrächter
Fortbildung Assistenzpersonal:
Roland Urban
U.E.M.S. – Psychiatrie, EFPT: Roland Urban
U.E.M.S. – Neurologie: Friedhelm Jungmann
Ausschüsse
Akademie für Psychiatrische und
Neurologische Fortbildung:
P. Christian Vogel, Gunther Carl
Ambulante Neurologische Rehabilitation:
Paul Reuther
Ambulante Psychiatrische Reha/
Sozialpsychiatrie: Norbert Mönter
Weiterbildungsordnung:
Frank Bergmann, Gunther Carl, Uwe Meier,
Christa Roth-Sackenheim, P. Christian Vogel
Leitlinien: Frank Bergmann, Uwe Meier,
Christa Roth-Sackenheim
Kooperation mit Selbsthilfe- und
Angehörigengruppen: Vorstand
Referate
Demenz: Jens Bohlken
Epileptologie: Ralf Berkenfeld
Neuroangiologie, Schlaganfall: Paul Reuther
Neurootologie, Neuroophtalmologie:
Matthias Freidel
Neuroorthopädie: Bernhard Kügelgen
70
BDN
Berufsverband Deutscher Neurologen
www.neuroscout.de
Vorstand des BDN
1. Vorsitzender: Christian Gerloff, Hamburg
2. Vorsitzender: Uwe Meier, Grevenbroich
Schriftführer: Heinz Wiendl, Münster
Kassenwart: Martin Delf, Hoppegarten
Beisitzer: Frank Bergmann, Aachen; Elmar Busch,
Moers; Peter Berlit, Essen; Wolfgang Freund, Biberach
Beirat: Andreas Engelhardt, Oldenburg;
Peter Franz, München; Matthias Freidel, Kaltenkirchen; Holger Grehl, Erlangen; Heinz Herbst,
Stuttgart; Fritz König, Lübeck; Frank Reinhardt,
Erlangen; Claus-W. Wallesch, Magdeburg
Ansprechpartner für Themenfelder
IV und MVZ: Uwe Meier, Paul Reuther
GOÄ/EBM: Rolf F. Hagenah, Uwe Meier, Holger Grehl
Qualitätsmanagement: Uwe Meier
Risikomanagement: Rolf F. Hagenah
Öffentlichkeitsarbeit: Vorstand BDN
DRG: Reinhard Kiefer
BVDP
Berufsverband Deutscher Psychiater
www.bv-psychiater.de
Vorstand des BVDP
1. Vorsitzende: Christa Roth-Sackenheim,
Andernach
Stellvertretender Vorsitzender:
Christian Vogel, München
Schriftführer: Sabine Köhler, Jena
Schatzmeister: Oliver Biniasch, Ingolstadt
Beisitzer: Uwe Bannert, Bad Segeberg;
Frank Bergmann, Aachen; Greif Sander, Hannover
Referate
Soziotherapie: Sybille Schreckling
Sucht: Greif Sander
Psychotherapie/Psychoanalyse: Hans Martens
Forensik: P. Christian Vogel
Geschäftsstelle des BVDN
D. Differt-Fritz
Gut Neuhof, Am Zollhof 2 a, 47829 Krefeld
Tel.: 02151 4546920, Fax: -4546925
E-Mail: [email protected]
Bankverbindung: Sparkasse Duisburg
IBAN DE 04350500000200229227,
BIC DUISDE 33 XXX
BVDN Homepage: http://www.bvdn.de
Cortex GmbH s. oben Geschäftsstelle BVDN
Delegierte in Kommissionen der DGN
Leitlinien: Uwe Meier
Versorgungsforschung: Uwe Meier
Weiterbildung/Weiterbildungsermächtigung:
Rolf Hagenah
Anhaltszahlen/Qualitätssicherung:
Fritjof Reinhardt, Paul Reuther
Rehabilitation: Harald Masur
CME: Friedhelm Jungmann, Paul Reuther
DRG: Rolf Hagenah, Reinhard Kiefer
Verbindungsglied zu anderen Gesellschaften
oder Verbänden
DGNR: Harald Masur; AG ANR: Paul Reuther
BV-ANR: Paul Reuther; UEMS: Friedhelm Jungmann
BDN-Landessprecher
Baden-Württemberg: Wolfgang Freund
Bayern: Karl-Otto Sigel
Berlin: Walter Raffauf
Brandenburg: Martin Delf
Bremen: Helfried Jacobs
Hamburg: Heinrich Goossens-Merkt
Hessen: Thomas Briebach
Mecklenburg-Vorpommern: Liane Hauk-Westerhoff
Niedersachsen: Elisabeth Rehkopf
Nordrhein: Uwe Meier
Rheinland-Pfalz: Günther Endrass
Saarland: Richard Rohrer
Sachsen: Mario Meinig
Sachsen-Anhalt: Michael Schwalbe
Schleswig-Holstein: Uwe Meyer
Thüringen: Dirk Neubert
Westfalen: Martin Bauersachs
Übende Verfahren – Psychotherapie: Gerd Wermke
Psychiatrie in Europa: Gerd Wermke
Kontakt BVDN, Gutachterwesen:
Frank Bergmann
ADHS bei Erwachsenen: Bernhard Otto
PTSD: Christa Roth-Sackenheim
Migrationssensible psych. Versorgung:
Greif Sander
BVDP-Landessprecher
Bayern: Oliver Biniasch, Christian Vogel
Baden-Württemberg: Birgit Imdahl,
Thomas Hug
Berlin: Michael Krebs
Brandenburg: Delia Peschel
Bremen: N. N.
Hamburg: Ute Bavendamm, Guntram Hinz
Hessen: Peter Kramuschke
Mecklenburg-Vorpommern: Christine Lehmann
Niedersachsen: Norbert Mayer-Amberg
Nordrhein: Egbert Wienforth
Rheinland-Pfalz: Wolfgang Rossbach
Saarland: Gerd Wermke
Sachsen: Ulrike Bennemann
Sachsen-Anhalt: Regina Nause
Schleswig-Holstein: Uwe Bannert
Thüringen: Sabine Köhler
Westfalen: Rüdiger Saßmannshausen
NeuroTransmitter 2016; 27 (1)
Beitritt
Berufsverband
Deutscher Nervenärzte
BVDN
Verbandsservice
Berufsverband
Deutscher Psychiater
BVDP
Berufsverband
Deutscher Neurologen
BDN
Ich will Mitglied werden!
A
n die Geschäftsstelle der Berufsverbände BVDN, BDN, BVDP Krefeld
Am Zollhof 2a, 47829 Krefeld, Fax: 02151 45469-25/-26
☐ H
iermit erkläre ich meinen Beitritt zum Berufsverband Deutscher Nervenärzte e. V. (BVDN)
(Mitgliedsbeitrag 580 €, ab 2. Gemeinschaftspraxismitglied 440 €, Arzt in Weiterbildung 90 €, Senior 60 €).
☐ H
iermit erkläre ich meinen Beitritt zum Berufsverband Deutscher Neurologen e. V. (BDN)
(Mitgliedsbeitrag 580 €, ab 2. Gemeinschaftspraxismitglied 440 €, Arzt in Weiterbildung 90 €, Senior 60 €).
☐ Ich wünsche die DOPPELMITGLIEDSCHAFT – BDN und BVDN – zu gleichen Beitragskonditionen.
☐ H
iermit erkläre ich meinen Beitritt zum Berufsverband Deutscher Psychiater e.V. (BVDP)
(Mitgliedsbeitrag 580 €, ab 2. Gemeinschaftspraxismitglied 440 €, Arzt in Weiterbildung 90 €, Senior 60 €).
☐ Ich wünsche die DOPPELMITGLIEDSCHAFT – BVDP und BVDN – zu gleichen Beitragskonditionen.
☐ Ich wünsche die DREIFACHMITGLIEDSCHAFT – BVDN, BDN und BVDP – zu gleichen Beitragskonditionen.
Das erste Jahr der Mitgliedschaft ist beitragsfrei, sofern die Mitgliedschaft mindestens ein weiteres Jahr besteht.
Zusatztitel oder -qualifikation (z.B. Psychotherapie, Sonografie): ______________________________________________
Tel.-Nr.____________________________
Fax _____________________________________
E-Mail/Internet:
Ich bin
☐ niedergelassen
☐ i n der Klinik tätig
☐ Chefarzt
☐ Facharzt
☐ Weiterbildungsassistent
☐ N
eurologe
☐ Nervenarzt
☐ Psychiater
☐ in Gemeinschaftspraxis tätig mit: ________________
☐ in MVZ tätig mit: ___________________________
Ich wünsche den kostenlosen Bezug einer der folgenden wissenschaftlichen Fachzeitschriften im Wert > 170 €/Jahr:
☐ Fortschritte Neurologie / Psychiatrie
☐ A
ktuelle Neurologie
☐ Klinische Neurophysiologie, EEG-EMG
☐ P
sychiatrische Praxis
☐ Die Rehabilitation
☐ P
sychotherapie im Dialog
☐ PPmP – Psychotherapie, Psychosomatik, Medizinische Psychologie
Es ist nur eine Auswahl pro
Mitglied möglich.
☐ Balint-Journal
Zum Eintritt erhalte ich die BVDN-Abrechnungskommentare (EBM, GOÄ, Gutachten, IGeL, Richtgrößen etc.).
☐ Kostenlose NERFAX-Teilnahme gewünscht
☐ Kostenloser Mailservice „Das muss man wissen ...“ gewünscht
EINZUGSERMÄCHTIGUNG
Hiermit ermächtige ich den BVDN/BDN/BVDP (nicht Zutreffendes ggf. streichen) widerruflich, den von mir zu entrichtenden
jährlichen Mitgliedsbeitrag einzuziehen.
IBAN: ________________________________________________
bei der ___________________________________________________
BIC _____________________________________
Wenn mein Konto die erforderliche Deckung nicht aufweist, besteht seitens des kontoführenden Kreditinstitutes keine
Verpflichtung zur Einlösung. Einen Widerruf werde ich der Geschäftsstelle des Berufsverbandes mitteilen.
Name: ___________________________________________________
Praxisstempel (inkl. KV-Zulassungs-Nr.)
Adresse: __________________________________________________
Ort, Datum: _______________________________________________
Unterschrift: ______________________________________________
NeuroTransmitter 2016; 27 (1) 71
Verbandsservice
ÄK- und KV-Vertreter
Nervenärzte, Neurologen und Psychiater als Vertreter in den KVen und Ärztekammern (ÄK)*
Name
Ort
Telefon
Fax
E-Mail-Adresse
BVDN-Landesverband:
Dr. J. Braun
Prof. Dr. M. Faist
Dr. P. Hezler-Rusch
BADEN-WÜRTTEMBERG
Mannheim
ja
KV/ÄK
Oberkirch
ja
ÄK
Konstanz
ja
ÄK
0621 12027-0
07802 6610
07531 18330
0621 12027-27
07802 4361
07531 18338
[email protected]
[email protected]
[email protected]
BVDN-Landesverband:
Dr. G. Carl
Dr. K. Ebertseder
Dr. M. Eder
Dr. W. Klein
Dr. Kathrin Krome
Dr. H. Martens
Dr. W. Schulte-Mattler
BAYERN
Würzburg
Augsburg
Regensburg
Ebersberg
Bamberg
München
Regensburg
ja
ja
nein
ja
ja
ja
nein
KV/ÄK
KV
ÄK
ÄK
ÄK
ÄK
ÄK
09321 24826
0821 510400
0941 3690
08092 22445
0951 201404
089 2713037
0941 944-0
09321 8930
0821 35700
0941 3691115
[email protected]
[email protected]
0951 922014
08141 63560
0941 944-5802
[email protected]
[email protected]
BVDN-Landesverband:
Dr. Gerd Benesch
Dr. R. A. Drochner
BERLIN
Berlin
Berlin
ja
ja
KV
ÄK
030 3123783
030 40632381
030 32765024
030 40632382
Dr. R. Urban
Berlin
ja
ÄK
030 39220221
030 3923052
[email protected]
[email protected]
[email protected]
BVDN-Landesverband:
Dr. St. Alder
Dr. M. Böckmann
Dr. G.-J. Fischer
Dr. H. Marschner
BRANDENBURG
Potsdam
Großbeeren
Teltow
Blankenfelde
ja
ja
ja
ja
ÄK
ÄK
ÄK
KV
0331 7409500
033701 338880
03328 303100
03379 371878
0331 7409615
[email protected]
BVDN-Landesverband:
Dr. U. Dölle
BREMEN
Bremen
ja
KV/ÄK
0421 667576
0421 664866
[email protected]
BVDN-Landesverband:
Dr. H. Ramm
Dr. A. Rensch
Dr. R. Trettin
HAMBURG
Hamburg
Hamburg
Hamburg
ja
ja
ja
KV
ÄK
ÄK
040 245464
040 6062230
040 434818
040 60679576
[email protected]
[email protected]
[email protected]
BVDN-Landesverband:
Dr. K. Baumgarten
Prof. Dr. A. Henneberg
P. Laß-Tegethoff
Dr. W. Wolf
HESSEN
Gießen
Frankfurt/M.
Hüttenberg
Dillenburg
ja
ja
ja
ja
KV
ÄK
ÄK
KV
0641 791379
069 59795430
06441 9779722
02771 8009900
0641 791309
069 59795431
06441 9779745
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
BVDN-Landesverband:
Dr. L. Hauk-Westerhoff
MECKLENBURG-VORPOMMERN
Rostock
ja
ÄK
0381 37555222
0381 37555223
liane.hauk-westerhoff@
nervenaertze-rostock.de
BVDN-Landesverband:
Dr. R. Luebbe
NIEDERSACHSEN
Osnabrück
ja
KV
0541 434748
BVDN-Landesverband:
Dr. F. Bergmann
Dr. M. Dahm
Dr. A. Haus
NORDRHEIN
Aachen
Bonn
Köln
KV
KV/ÄK
KV/ÄK
0241 36330
0228 217862
0221 402014
0241 404972
0228 217999
0221 405769
[email protected]
[email protected]
[email protected]
BVDN-Landesverband:
Dr. M. Dapprich
Dr. G. Endrass
Dr. V. Figlesthaler
Dr. R. Gerhard
Dr. Ch. Roth-Sackenheim
Dr. K. Sackenheim
Dr. S. Stepahn
RHEINLAND-PFALZ
Bad Neuenahr
ja
Grünstadt
ja
Speyer
ja
Ingelheim
ja
Andernach
ja
Andernach
ja
Mainz
ja
ÄK
KV
ÄK
ÄK
ÄK
KV/ÄK
ÄK
02641 26097
06359 9348-0
06232 72227
06132 41166
0160 97796487
02632 96400
06131 582814
02641 26099
06359 9348-15
06232 26783
06132 41188
02632 964096
02632 964096
06131 582513
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
BVDN-Landesverband:
Dr. Th. Kajdi
Dr. U. Mielke
Dr. H. Storz
SAARLAND
Völklingen
Homburg
Neunkirchen
KV/ÄK
ÄK
KV
06898 23344
06841 2114
06821 13256
06898 23344
06841 15103
06821 13265
[email protected]
[email protected]
[email protected]
BVDN-Landesverband:
Dr. M. Meinig
BVDN-Landesverband:
Dr. Michael Schwalbe
KV
03733 672625
03733 672627
[email protected]
KV
03491 442567
03491 442583
[email protected]
BVDN-Landesverband:
Dr. U. Bannert
SACHSEN
Annaberg-B.
ja
SACHSEN-ANHALT
Lutherstadtja
Wittenberg
SCHLESWIG-HOLSTEIN
Bad Segeberg
ja
KV/ÄK
04551 969661
04551 969669
[email protected]
BVDN-Landesverband:
Dr. Dirk Neubert
Dr. K. Tinschert
THÜRINGEN
Arnstadt
Jena
ja
KV
KV
03628 602597
03641 57444-4
03628 582894
03641 57444-0
[email protected]
[email protected]
BVDN-Landesverband:
Dr. V. Böttger
Dr. C. Kramer
Dr. K. Gorsboth
Dr. A. Haver
WESTFALEN
Dortmund
Bielefeld
Warstein
Gütersloh
ja
ja
ja
ja
KV
ÄK
ÄK
ÄK
0231 515030
0521 124091
02902 97410
05241 16003
0231 411100
0521 130697
02902 97413
[email protected]
72
BVDN
ja
ja
ja
nein
ja
ja
Delegierter
[email protected]
[email protected]
[email protected]
NeuroTransmitter 2016; 27 (1)
Adressen
Dr. Uwe Bannert
Oldesloerstr. 9, 23795 Bad Segeberg
Tel.: 04551 96966-1, Fax: -96966-9
E-Mail: [email protected]
Dr. Martin Bauersachs
Wißtstr. 9, 44137 Dortmund
Tel.: 0231 142818
E-Mail: [email protected]
Dr. Gerd Benesch
Bundesallee 95, 12161 Berlin
Tel.: 030 3123783, Fax: -32765024
E-Mail: [email protected]
Dr. Ulrike Bennemann
Holzhäuser Str. 75, 04299 Leipzig
Tel.: 0341 5299388, Fax: -5299390
E-Mail: [email protected]
Dr. Frank Bergmann
Kapuzinergraben 19, 52062 Aachen
Tel.: 0241 36330, Fax: -404972
E-Mail: [email protected]
Prof. Dr. Peter-Dirk Berlit
Alfried-Krupp-Krankenhaus, 45131 Essen
Tel.: 0201 4342-527, Fax: -4342-377
E-Mail: [email protected]
Dr. Rudolf Biedenkapp
Frankfurter Str. 127, 63067 Offenbach
Tel.: 069 82366061, Fax: -82366063
E-Mail: [email protected]
Dr. Oliver Biniasch
Friedrich-Ebert-Str. 78, 85055 Ingolstadt
Tel.: 0841 83772, Fax: -83762
E-Mail: [email protected]
Dr. Jens Bohlken
Klosterstr. 34 – 35, 13581 Berlin
Tel.: 030 33290000, Fax: -33290017
E-Mail: [email protected]
Dr. Thomas Briebach
Ludwigstr. 15, 61169 Friedberg
Tel.: 06031 3830, Fax: -3877
E-Mail: [email protected]
PD Dr. Elmar W. Busch
Asberger Str. 55, 47441 Moers
Tel.: 02841 107-2460, Fax: 02841 107-2466
E-Mail: [email protected]
Dr. Gunther Carl
Friedenstr. 7, 97318 Kitzingen
Tel.: 09321 5355, Fax: -8930
E-Mail: [email protected]
Dr. Martin Delf
Lindenallee 7, 15366 Hoppegarten/Berlin
Tel.: 03342 422930, Fax: -422931
E-Mail: [email protected]
Dr. Ulrich Dölle
Leher Heerstr. 18, 28359 Bremen
Tel.: 0421 237878, Fax: -2438796
E-Mail: [email protected]
Dr. Reinhard Ehret
Schloßstr. 29. 20, 12163 Berlin
Tel.: 030 790885-0, Fax: -790885-99
E-Mail: [email protected]
Dr. Günther Endrass
Obersülzer Str. 4, 67269 Grünstadt
Tel.: 06359 9348-0, Fax: -9348-15
E-Mail: [email protected]
Dr. Peter Franz
Ingolstädter Str. 166, 80939 München
Tel.: 089 3117111, Fax: -3163364
E-Mail: [email protected]
Dr. Matthias Freidel
Brauerstr. 1– 3, 24568 Kaltenkirchen
Tel.: 04191 8486, Fax: -89027
NeuroTransmitter 2016; 27 (1) Dr. Frank Freitag
Berliner Str. 127, 14467 Potsdam
Tel.: 0331 62081125, Fax: -62081126
Prof. Dr. Wolfgang Freund
Waaghausstr. 9 –11, 88400 Biberach
Tel: 07351 7833, Fax -7834
E-Mail: [email protected]
Dr. Klaus Gehring
Hanseatenplatz 1, 25524 Itzehoe
Tel.:04821 2041, Fax: -2043
E-Mail: [email protected]
Prof. Dr. Christian Gerloff
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Martinistr. 52, 20251 Hamburg
Tel.: 040 42803-0, Fax: -42803-6878
Dr. Heinrich Goossens-Merkt
Hohe Weide 17b, 20259 Hamburg
E-Mail: [email protected]
Dr. Holger Grehl
Fahrner Str. 133, 47053 Duisburg
Tel.: 0203 508126-1, Fax: -508126-3
E-Mail: [email protected]
Prof. Dr. Rolf F. Hagenah
Appelhorn 12, 27356 Rotenburg
Tel.: 04261 8008, Fax: -8400118
E-Mail: rhagenah@web .de
Dr. Liane Hauk-Westerhoff
Deutsche Med Platz 2, 18057 Rostock
Tel.: 0381 37555224, Fax: -37555223
E-Mail: liane.hauk-westerhoff@
nervenaerzte-rostock.de
Dr. Angelika Haus
Dürener Str. 332, 50935 Köln
Tel.: 0221 402014, Fax: -405769
E-Mail: [email protected]
Dr. Annette Haver
Strengerstr. 16 – 18, 33330 Gütersloh
Tel.: 05241 16003, Fax: -24844
Dr. Dipl.-Psych. Heinz Herbst
Marienstr. 7, 70178 Stuttgart,
Tel.: 0711 220774-0, Fax: -220774-1
E-Mail: [email protected]
Dr. Guntram Hinz
Harksheider Str. 3, 22399 Hamburg
Tel.: 040 60679863, Fax: -60679576
E-Mail: [email protected]
Dr. Thomas Hug
Bergheimer Str. 33, 69115 Heidelberg
Tel.: 06221 166622
E-Mail: [email protected]
Dr. Birgit Imdahl
Bergstr. 5, 78628 Rottweil
Tel.: 0741 43747
E-Mail: [email protected]
Dr. Helfried Jacobs
Bremerhavener Heerstr. 11
28717 Bremen
Tel.: 0421 637080, Fax: -637578
E-Mail: [email protected]
Dr. Friedhelm Jungmann
Im Wildfang 13a, 66131 Saarbrücken
Tel.: 06893 9875020, Fax -9875029
E-Mail: [email protected]
Dr. Sabine Köhler
Dornburger Str. 17a, 07743 Jena
Tel.: 03641 443359
E-Mail: [email protected]
Verbandsservice
Dr. Thomas Krichenbauer
Friedenstr. 7, 97318 Kitzingen
Tel.: 09321 5355, Fax: -8930
E-Mail: [email protected]
Dr. Wolfgang W. Rossbach
Holzhofstr. 5, 55116, Mainz
Tel.: 06131 222377, Fax: -227939
E-Mail: [email protected]
Dr. Christine Lehmann
Wismarsche Str. 5, 18057 Rostock
Tel.: 0381 4965981, Fax -4965983
E-Mail: christine-lehmann-rostock@
t-online.de
Dr. Christa Roth-Sackenheim
Breite Str. 63, 56626 Andernach
Tel.: 0160 97796487, Fax: -9640-96
E-Mail: [email protected]
Holger Marschner
Zossener Damm 33, 15827 Blankenfelde
Tel.: 03379 371878, Fax: -371879
E-Mail: [email protected]
Dr. Norbert Mayer-Amberg
Bödekerstr. 73, 30161 Hannover
Tel.: 0511 667034, Fax: -621574
E-Mail: [email protected]#
Dr. Ramon Meißner
Hinter der Kirche 1b, 19406 Sternberg
Tel.: 03847 5356, Fax: -5385
E-Mail: [email protected]
Dr. Uwe Meier
Am Ziegelkamp 1 f, 41515 Grevenbroich
Tel.: 02181 7054811, Fax: -7054822
E-Mail: [email protected]
Christoph Meyer
Darmstädter Str. 44, 64625 Bensheim
Tel.: 06251 4444, Fax: -4141
E-Mail: c.meyer@therapiegemeinschaft.
de
Dr. Greif Sander
Bödekerstr. 73, 30161 Hannover
Tel.: 0511 667034, Fax: -621574
E-Mail: [email protected]
Rüdiger Saßmannshausen
Poststr. 30, 57319 Bad Berleburg
Tel.: 02751 2785, Fax -892566
E-Mail: sassmannshausen@
bvdn-westfalen.de
Babette Schmidt
Straße am Park 2, 04209Leipzig
Tel.: 0341 4220969, Fax -4220972
E-Mail: [email protected]
Dr. Volker Schmiedel
Wiesestr. 5, 07548 Gera
Tel.: 0365 8820386, Fax -8820388
E-Mail: [email protected]
Dr. Michael Schwalbe
Annendorfer Str. 15
06886 Lutherstadt-Wittenberg
Tel.: 03491 442567, Fax: -442583
E-Mail: [email protected]
Dr. Norbert Mönter
Tegeler Weg 4, 10589 Berlin
Tel.: 030 3442071, Fax: -84109520
E-Mail: [email protected]
Dr. Karl-Otto Sigel
Hauptstr. 2, 82008 Unterhaching
Tel.: 089 4522 436 20
Fax: -4522 436 50
E-Mail: [email protected]
Prof. Dr. Gereon Nelles
Werthmannstr. 1, 50935Köln
Tel.: 0221 7902161, Fax: -7902474
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Dr. Helmut Storz
Stieglitzweg 20, 66538 Neunkirchen
Tel.: 06821 13256, Fax: 13265
E-Mail: [email protected]
Dirk Neubert
Bärwinkelstr. 33, 99310 Arnstadt
Tel.: 03628 602597, Fax: 582894
E-Mail: [email protected]
Dr. Roland Urban
Turmstr. 76 a, 10551 Berlin
Tel.: 030 3922021, Fax: -3923052
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Dr. Martin Paul
Bergstr. 26, 15907 Lübben
Tel.: 03546 2256988
E-Mail: [email protected]
Dr. P. Christian Vogel
Agnesstr. 14/III, 80798 München
Tel.: 089 2730700, Fax: -27817306
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Dipl. med. Delia Peschel
Fröbelstr. 1, 03130 Spremberg
Tel.: 03563 52213, Fax: -52198
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Prof. Dr. Claus-Werner Wallesch
Neurol. Klinik, Am Tannenwald 1
79215 Elzach
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Dr. Walter Raffauf
Dircksenstr. 47, 10178 Berlin
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Dr. Christian Raida
Urbacher Weg 31, 51149 Köln
Tel.: 02203 560888, Fax: 503065
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Tel.: 06841 9328-0, Fax: -9328-17
E-Mail: [email protected]
Dr. Elisabeth Rehkopf
Bischofsstr. 30, 49074 Osnabrück
Tel.: 0541 8003990, Fax: -80039920
E-Mail: [email protected]
Dr. Dr. habil. Paul Reuther
ANR Ahrweiler, Schülzchenstr. 10
53474 Bad-Neuenahr-Ahrweiler
Tel.: 02641 98040, Fax: -980444
E-Mail: [email protected]
Dr. Richard Rohrer
Kaiserstr. 3, 66386 St. Ingbert
Tel.: 06894 4051, Fax: 06894 4021
E-Mail: [email protected]
73
Verbandsservice
 Kooperationspartner
1. Vertragliche Kooperationspartner der Berufsverbände
2. Politische Kooperationspartner der Berufsverbände
Arbeitgemeinschaft ambulante NeuroRehabilitation
(AG ANR)
von BVDN und BDN
Sprecher: Dr. Dr. Paul Reuther
Schülzchenstr. 10, 53474 Ahrweiler
E-Mail: [email protected]
Bundesärztekammer (BÄK)
Arbeitsgemeinschaft der
deutschen Ärztekammern
Herbert-Lewin-Platz 1
10623 Berlin
Tel.: 030 4004 560
Fax: -4004 56-388
E-Mail [email protected]
www.bundesaerztekammer.de
Athene Akademie
Qualitätsmanagement im
Gesundheitswesen
Geschäftsführerin:
Gabriele Schuster
Traubengasse 15, 97072 Würzburg
Tel.: 0931 2055526, Fax: -2055525
E-Mail: [email protected]
Cortex GmbH
Gut Neuhof
Am Zollhof 2a, 47829 Krefeld
Tel.: 02151 4546920, Fax: -4546925
E-Mail: [email protected]
Deutsches Institut für Qualität
in der Neurologie (DIQN)
Schanzenstr. 27, Schlosserei 4
51063 Köln, Tel.: 0221 955615-95
Mobil: 0173 2867914
E-Mail: [email protected]
Fortbildungsakademie
Traubengasse 15, 97072 Würzburg
Tel.: 0931 2055516, Fax: -2055511
E-Mail: [email protected]
www.akademie-psych-neuro.de
Vorsitzender: Dr. Gunther Carl,
Würzburg
QUANUP e.V.
Verband für Qualitätsentwicklung in Neurologie und
Psychiatrie e.V., Gut Neuhof
Am Zollhof 2a, 47829 Krefeld
Tel.: 02151 4546920, Fax: -4546925
E-Mail: [email protected]
E-Mail: [email protected]
www.quanup.de
Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)
Herbert-Lewin-Platz 2
10623 Berlin
Postfach 12 02 64, 10592 Berlin
E-Mail: [email protected]
www.kbv.de
Neurologie
Deutsche Gesellschaft für
Neurologie (DGN)
Geschäftsführung:
Dr. Thomas Thiekötter
Reinhardtstr. 14, 10117 Berlin
www.dgn.org
Fortbildungsakademie
der DGN
Geschäftsführung:
Karin Schilling
Neurologische Universitätsklinik
Hamburg-Eppendorf
Martinistr. 52, 20246 Hamburg
E-Mail: [email protected]
Bundesverband Ambulante
NeuroRehabilitation e. V.
(BV ANR)
Am Zollhof 2a, 47829 Krefeld
Tel.: 02151 4546920, Fax: -4546925
E-Mail: [email protected]
www.bv-anr.de
Deutsche Gesellschaft für
Neurologische Rehabilitation
(DGNR)
1. Vorsitzender:
Prof. Dr. Eberhard König
Neurologische Klinik Bad Aibling
Kolbermoorstr. 72
83043 Bad Aibling
Tel.: 08061 903501, Fax: -9039501
E-Mail: [email protected]
www.dgnr.de
Bundesverband NeuroRehabilitation (BNR)
Vorsitzender: Rolf Radzuweit
Godeshöhe, Waldstr. 2– 10
74
53177 Bonn-Bad Godesberg
Tel.: 0228 381-226 (-227)
Fax: -381-640
E-Mail: [email protected]
www.bv-neuroreha.de
Gesellschaft für Neuropsychologie (GNP) e. V.
Geschäftsstelle Fulda
Postfach 1105, 36001 Fulda
Tel.: 0700 46746700
Fax: 0661 9019692
E-Mail: [email protected]
www.gnp.de
Deutsche Gesellschaft für
Neurotraumatologie und
klinische Neurorehabilitation
(DGNKN)
Vorsitzender: Dr. Mario Prosiegel
Fachklinik Heilbrunn
Wörnerweg 30
83670 Bad Heilbrunn
Tel.: 08046 184116
E-Mail: [email protected]
www.dgnkn.de
Deutsche Gesellschaft für
Neurochirurgie (DGNC)
Alte Jakobstr. 77, 10179 Berlin
Tel.: 030 284499 22
Fax: -284499 11
E-Mail: [email protected]
www.dgnc.de
Berufsverband Deutscher
Neurochirurgen (BDNC)
Alte Jakobstr. 77, 10179 Berlin
Tel.: 030 284499 33
Fax: -284499 11
E-Mail: [email protected]
www.bdnc.de
Deutsche Gesellschaft für
Neuroradiologie (DGNR)
Straße des 17. Juni 114
10623 Berlin
Tel.: 030 330997770
Fax: -916070-22
E-Mail: DGNR@Neuro
radiologie.de
www.neuroradiologie.de
Psychiatrie
Deutsche Gesellschaft für
Gerontopsychiatrie und -psy­
chotherapie e. V. (DGGPP) e.V.
Postfach 1366, 51675 Wiehl
Tel.: 02262 797683, Fax: -9999916
E-Mail: [email protected]
www.dggpp.de
Deutsche Gesellschaft für
Kinder- und Jugendpsychiatrie
und -psychotherapie (DGKJP)
Reinhardtstr. 14, 10117 Berlin
Tel.: 030 28096519, Fax: -28096579
E-Mail: geschaeftsstelle@
dgkjp.de, www.dgkjp.de
Berufsverband für Kinder- und
Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in
Deutschland (BKJPP)
Rhabanusstr. 3, 55188 Mainz
Tel.: 06131 6938070
Fax: -6938072
E-Mail: [email protected]
www.bkjpp.de
Ständige Konferenz ärztlicher
psychotherapeutischer
Verbände (STÄKO)
Brücker Mauspfad 601
51109 Köln
Tel.: 0221 842523, Fax: -845442
E-Mail: [email protected]
Deutsche Gesellschaft für
Suchtmedizin e. V.
c/o Zentrum für Interdisziplinäre
Suchtforschung (ZIS) der
Universität Hamburg
Martinistr. 52, 20246 Hamburg
Tel. und Fax: 040 42803 5121
E-Mail: [email protected]
www.dgsuchtmedizin.de/
Deutsche Gesellschaft für
Suizidprävention (DGS)
Vorsitzender: Univ.-Doz. Dr.
Elmar Etzersdorfer
Furtbachkrankenhaus
Klinik für Psychiatrie und
Psychotherapie
Furtbachstr. 6, 70178 Stuttgart
Tel.: 0711 6465126, Fax: -6465155
E-Mail: [email protected]
www.suizidprophylaxe.de
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und
Nervenheilkunde (DGPPN)
Reinhardtstr. 14, 10117 Berlin
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Ausgabe 2/2016
Februar
erscheint am 17. Februar 2016
Nerven- und Muskelultraschall
Mit der technischen Fortentwicklung des
Ultraschalls, hochauflösenden Schallköpfen und verbesserter B-Bildbearbeitung
haben sich die Einsatzmöglichkeiten des
Nerven- und Muskelultraschalls in der Neurologie deutlich erweitert. Eine Vielzahl
von Studien belegen zudem die Wertigkeit
dieser neuen, zur klassischen Neurophysiologie komplementären Methode.
Therapiestrategien mit Ketamin
Ketamin gilt als Option zur Behandlung
therapieresistenter, uni- und bipolarer Depressionen. Es wird daher (off label) als
direktes antidepressives Therapeutikum,
als Augmentativum, aber auch als Anästhetikum bei der EKT eingesetzt.
Ein neues Antipsychotikum?
Neu und innovativ für Loxapin ist die Art seiner Anwendung. Ob sie im klinischen Alltag
Vorteile oder eher Probleme mit sich bringt,
kann heute noch nicht bewertet werden.
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