Compliance-Richtlinien – eine Chance für jedes

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PharmAustria
Compliance-Richtlinien –
eine Chance für jedes Unternehmen
Aufgrund der Vielzahl an „Playern“ im Gesundheitswesen sind Betrug und Korruption weit verbreitet. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion des Gesundheitspolitischen Forums, Wien, kam es nach zwei anregenden Impulsreferaten über die rechtlichen
und ethischen Aspekte von Compliance und Korruption im Gesundheitswesen von Rechtsanwalt Dr. Gerald Ganzger und Doz.
Univ.-Lektor Dr. Andreas Klein zu einer regen Diskussion im Publikum.
Redaktion: Mag. Dr. Sabine Ritter, P.L.L.M.
Juristische Perspektive
Dr. Ganzger, Partner bei Lansky, Ganzger +
partner, betonte, dass Compliance mehr als
„nur“ der Kampf gegen Korruption sei. Vielmehr wird unter dem Terminus „Compliance“ ein regelkonformes Verhalten verstanden. Letzteres beinhaltet neben dem Einhalten
von Gesetzen, Richtlinien und Verordnungen
auch das Einhalten von vertraglichen Verpflichtungen (z.B. Behandlungs- oder Dienstvertrag) und freiwillig eingegangenen Selbstverpflichtungen (z.B. Werbebeschränkungen).
Player ...
Aufgrund der Vielzahl an unterschiedlichen
Playern im Gesundheitswesen findet man ein
Geflecht aus verschiedenen Geschäftsbeziehungen vor. Ziel von Compliance-Maßnah-
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men ist es, dass die wirtschaftlichen und rechtlichen Beziehungen dieser Player, zu denen
u.a. Patienten, Ärzte, Pflegepersonal, Sozialversicherungen, Pharmaunternehmen, Ärztekammer, Apotheken, aber auch Fachverlage
zählen, regelkonform gestaltet sind. Compliance-Maßnahmen dienen in erster Linie dazu,
den Behandlungserfolg, die Patientensicherheit und das Patientenvertrauen sowie auch
den Selbstschutz aller Akteure vor rechtlichen
Konsequenzen (z.B. Straf-, Zivil- oder Disziplinarrecht) zu gewährleisten. Last, but not least
dienen diese aber auch einer effizienten und
transparenten Verwendung von Geldmitteln.
... und Problemfelder im
­Gesundheitswesen
Die Problemfelder im Gesundheitswesen sind
laut Ganzger unterschiedlicher Natur: „Infor-
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Compliance-Systeme
Um eine zufrieden stellende Umsetzung von
Compliance-Maßnahmen gewährleisten zu
können, gilt es, Compliance-Systeme in Unternehmen zu installieren. So genannte
­Compliance-Officer und Chief-Officer, die in
ihrer Position weisungsfrei zu sein haben,
sind dafür verantwortlich, dass die in den
Verhaltenskodizes und Compliance-Richtlinien verankerten Maßnahmen über alle Hierarchieebenen hinweg gelebt und schlussendlich internalisiert werden. Dazu ist es
unumgänglich, dass Compliance-Richtlinien
allgemein verständlich, nachvollziehbar und
in ihrem Umfang überschaubar sind. Diese
Richtlinien haben mittels Schulungen ins Bewusstsein aller Beteiligten zu gelangen. Derartige Systeme umfassen daher auch interne
Datenbanken (z.B. Intranet) und andere
Kommunikationsmittel, wie Flyer und/oder
Broschüren.
In Bezug auf den Inhalt von ComplianceRichtlinien sollten diese laut Ganzger
folgende Punkte abdecken: Antikorrupti­
onsbestimmungen, Bestimmungen zum
­Datenschutz, Umgang mit Patienten/Ethik/
Persönlichkeitsrechten,
Antidiskriminierungsvorschriften und gelegentlich auch
Richtlinien zum Vergabe- und Einkaufsrecht
sowie Werberichtlinien (§ 53 ÄrzteG, RL der
ÖÄK).
Compliance als Chance/Asset
Gerade weil das Thema „Compliance“ häufig
von Unternehmen als nicht relevant erachtet
wird, ist diesen zu kommunizieren, dass
Compliance eine Chance bzw. ein Asset darstellt. Compliance-Maßnahmen stellen Unternehmen vor eine Herausforderung, die –
wenn sie richtig umgesetzt werden – das
Unternehmen stärken können.
Aus juristischer Perspektive betrachtet, stärkt
die Einhaltung von Compliance-Richtlinien
das Ansehen aller im Gesundheitswesen tätigen Personen sowie die Reputation der Unternehmer und der Sozialversicherungsträger
nach innen und außen. Daher sei es von großer Bedeutung, so Ganzger, dass Compliance-Richtlinien sukzessive zur Selbstverständlichkeit werden, nicht Selbstzweck sind
und von der Leitungsebene im Sinne einer
Vorbildfunktion gelebt werden. Basis dafür ist
mitunter eine enge Zusammenarbeit zwischen Compliance-Abteilungen und Rechtsabteilungen. Ganzger betonte, dass die Rolle
der Compliance-Experten nicht die eines
Kontrolleurs oder Richters sei, sondern diese
als Berater und Unterstützer auftreten.
Compliance ist mehr als „nur“ der Kampf
gegen Korruption. Vielmehr wird unter dem
Terminus „Compliance“ ein regelkonformes
Verhalten verstanden.
Dr. Gerald Ganzger, Managing Partner bei Lansky, Ganzger + partner
© www.sebastianfreiler.com/Karl-Landsteiner-Gesellschaft
mal Payments“ in Form von Kuvertmedizin,
OP-Wartelisten, Datenschutz, Persönlichkeitsrechte der Patienten, die Abrechnung
von Leistungen, aber auch die Verwendung
von Drittmitteln in der Forschung. Zusätzlich
ergeben sich Probleme durch Einladungen/
Sponsoring/Kongresse wie auch Fragen des
Urheber- und Vergaberechts. Was Einladungen durch Pharmafirmen betrifft, so sind diese auch durch strafrechtliche Bestimmungen
sanktioniert. Ein großes Compliance-Thema
für Krankenanstalten- und Sozialversicherungsträger ortet der Experte in Einkaufsrichtlinien.
Ethische Perspektive
Die ethischen Gesichtspunkte der Compliance wurden von Dr. Klein, Institut für Systematische Theologie und Religionswissenschaft, Universität Wien, näher beleuchtet.
Zu Beginn seines Vortrags hob er die Vielfalt
an Übersetzungsmöglichkeiten aus dem
Englischen für den Terminus „Compliance“
hervor: Zustimmung, Einhaltung, Befolgung, Folgsamkeit, Fügsamkeit bis hin zu
Einverständnis. Aufgrund der zum Teil negativen Konnotation des Begriffes „Compliance“, der mit Begriffen wie Schuld, Vergehen und Strafe assoziiert ist, setzt sich im
Gesundheitswesen immer mehr der Terminus
„Adhärenz“ für den Bereich der Therapietreue durch. Denn dieser signalisiert ein
partnerschaftliches Agieren zwischen Arzt
und Patient – und nicht, wie einem Bericht
der WHO (2003) zufolge, Paternalismus
und Kritiklosigkeit.
Recht und Ethik: Was ist ihnen
­gemeinsam?
Im Zentrum des Themenbereichs Compliance und Korruption steht das Übereinstimmen von Regeln. Hinsichtlich der Frage, wa­
rum bestimmte Regeln eingehalten werden
sollen, nannte Klein folgende Gründe: die
Abwehr von Schaden zum Wohle der Gesellschaft und des Einzelnen bzw. die Stärkung
der eigenen Reputation sowie einen Strategievorteil.
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© www.sebastianfreiler.com/Karl-Landsteiner-Gesellschaft
Auch wenn es wünschenswert ist, dass vereinbarte Regeln eingehalten werden, sind
nicht alle Regeln „auch automatisch ethisch
gut oder gerecht“, so der Experte weiter. So
kommt es, dass jemand, der nach dem Recht
handelt, aus ethischer Sicht unethisch handeln kann. Es stellt sich daher die Frage, ob
man nicht bei Bedarf – insbesondere bei Gewissenskonflikten – aus ethischen Gründen
gegen geltendes Recht handeln müsste bzw.
sollte. Da das Recht nicht alle Faktoren miteinbeziehen kann, gilt es, den ethischen Konsens zu berücksichtigen. Daher plädierte
Klein dafür, dass sich das Recht auch an der
Ethik zu orientieren und auszurichten habe.
In diesem Zusammenhang gilt es auch, sich
mit der Frage nach den Motiven unseres Handelns zu befassen: „Handeln wir, weil es legal
(erlaubt oder verboten) ist, oder tun wir das
Richtige aus Einsicht, also aus moralisch-ethischen Gründen?“ Was den zweiten Teil dieser
Frage anbelangt, führte der Experte den Kategorischen Imperativ von Immanuel Kant an:
Richtiges Handeln soll nicht ausschließlich
auf der Vermeidung von Strafe basieren; Neben Utilität spielt auch die Gesinnung eine
wichtige Rolle.
Transparenz ist häufig angstbesetzt.
Aus Angst vor einem „Zuviel“ an Transparenz
wird es daher immer wieder zu undurch­
sichtigen Entscheidungen kommen.
Doz. Univ.-Lektor Dr. Andreas Klein, Institut für Systematische Theologie und
­Religionswissenschaft, Universität Wien
Compliance im Spannungsfeld von
Unternehmen
Übereinstimmend mit Ganzger hob Klein den
Vorteil von Compliance für Unternehmen
hervor. Er betonte in diesem Zusammenhang
die gesellschaftlich-moralische Akzeptanz
von Compliance im Gegensatz zur reinen Gewinnmaximierung. Da Compliance-Maßnahmen einen Strategievorteil beinhalten können
– aber nicht müssen –, können sie mitunter
zu einer Gewinnvermehrung beitragen. Klein
führte, wie auch Ganzger, als Beispiel „FairTrade-Produkte“ an. Konsens zwischen beiden Referenten bestand auch dahingehend,
dass Vorgesetzte eine Vorbildfunktion besitzen müssen.
Das alleinige Aufstellen von Richtlinien und
Kodizes greift jedoch zu kurz, wenn Menschen ihr Verhalten nicht dahingehend an-
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passen. Klein betonte, dass Unternehmen
und Akteure nicht ausschließlich die ökonomischen Vorteile von Compliance-Maßnahmen im Fokus haben sollten. Mindestens
ebenso wichtig sei es, dass aus innerer Überzeugung und Einsicht in das Richtige gehandelt wird. Als problematisch bezeichnete der
Experte die Expansion international agierender Unternehmen in Länder, in denen andere
ethische Standards gelten. Denn wenn diese
Unternehmen auch dort auf ihre Compliance-Richtlinien bestehen, kann dies mit
Wettbewerbsnachteilen verbunden sein. So
erleidet der, der richtig handeln möchte, oft
einen Nachteil.
Als Beispiel dafür, dass Compliance-Maßnahmen nicht immer auf positive Reaktionen
stoßen, führte Klein die Pharmabranche an.
Diese bemühe sich seit Jahren um eine
Imageverbesserung durch das Aufstellen von
Verhaltensregeln, was medial jedoch wiederholt als Verkaufstrick belächelt wurde und
wird.
Als weiteren zentralen und relevanten Gesichtspunkt von Compliance im Gesundheitswesen sprach Klein den Themenbereich
„Transparenz“ an. Transparenz sei, so der
Ethik-Experte, häufig angstbesetzt: Aus Angst
vor einem „Zuviel“ an Transparenz würde es
daher immer wieder zu undurchsichtigen
Entscheidungen kommen.
Selektion von Compliance-Richtlinien
Abschließend hielt Klein fest, dass es aus seiner Perspektive ein wesentliches To-do sei,
sich mit der Frage zu beschäftigen, welche
Compliance-Richtlinien nötig, zweckmäßig,
sinnvoll und überzeugend sind oder auch
nicht. Es sollte eine Selektion nach „sinnvollen“ Compliance-Richtlinie erfolgen, da zurzeit eine Vielzahl an Richtlinien bestehe, was
zum Teil abschreckend wirke. Neben einer
solchen Selektion warnte der Experte vor einer überbordenden Verrechtlichung und
plädierte für positive Anreize statt Drohungen.
Conclusio
Compliance stellt eine Herausforderung,
eine Chance bzw. ein Asset für jedes Unternehmen dar. Durch die Implementierung
und ein aktives Umsetzen und „Leben“ von
Compliance-Maßnahmen kann es Unternehmen gelingen, nachhaltig Vertrauen in
der gesamten Gesellschaft zu entwickeln.
Dazu ist es notwendig, dass die aufgestellten
Richtlinien von der Führungsebene gelebt
werden, sodass sich alle Mitarbeiter damit
identifizieren und diese auch internalisieren
können.
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