Warum die Evolutionstheorie falsch ist – aber die beste Erklär

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DIKUW Discussion Paper 01/2014
Das Dilemma von Darwins Erben:
Warum die Evolutionstheorie falsch ist
– aber die beste Erklärung liefert!
von Dr. Michael W. Driesch
Düsseldorfer Institut für Kunst und Wissenschaft
dikuw.org
Michael W. Driesch:
Das Dilemma von Darwins Erben: Warum die Evolutionstheorie falsch ist – aber die beste Erklärung liefert!
Eine vernünftige, falsche Erklärung
Die von Charles Darwin begründete Evolutionstheorie ist aktuell die einzige vernünftige –
weil: einzige naturwissenschaftliche – Erklärung für die Entwicklung der Lebewesen auf
der Erde. Aber sie kann noch nicht alle Ansätze, die sie beschreibt und erklärt, auch belegen. Zu den zahlreichen Indizien, über die Darwin seine Theorie entwickelt hat, gesellten
sich Erkenntnisse der Genetik, der Paläontologie, der Cytologie und anderer Forschungsbereiche. Aber es gibt ob der Komplexität des Themas durchaus aktuell noch offene Fragen.
Die Evolutionstheorie ist also noch keine „Große Theorie von allem Leben“, sondern zunächst einmal ein fundamentaler Schritt auf dem Weg dorthin. Die offenen Fragen innerhalb des theoretischen Konzepts sind kein Argument, um die Theorie verwerfen zu können; es gibt noch viel zu erforschen. Dabei hat vor allem ein „Lückenbüßergott“, der an den
Stellen ins Spiel kommt, an denen die Theorie noch keine Erklärung bietet, in den Überlegungen nichts zu suchen: Denn religiös motivierter Kreationismus, auch wenn er als „Intelligent Design“ wissenschaftlich verpackt daher kommt, bietet keine naturwissenschaftliche
Diskussionsgrundlage, und ist daher in diesem Zusammenhang epistemologisch wertlos.
Dieses Diskussionspapier möchte die Evolutionstheorie grundsätzlich und hinsichtlich
ihrer Aussagekraft einordnen – eine Theorie, die vom Großteil der wissenschaftlichen
Gemeinde als ausreichend gute Grundlage für Erklärungen und weitere Forschung gesehen
wird.
Die Evolutionstheorie also liefert im Rahmen ihres Wissenschaftsbereichs die einzige vernünftige Erklärung. Aber: sie ist falsch! Der Grund für diese Behauptung liegt nicht in
Argumenten, die Evolutionsskeptiker, wie z. B. die Kreationisten, gerne ins Feld führen,1
sondern in einem grundsätzlichen Denkansatz, der auf Albert Einstein zurückgeht und
von Karl Popper beschrieben wurde.2 Einstein erklärte zu seiner allgemeinen Relativitäts-
1
Die Argumente beider Seiten finden sich auf zahlreichen Seiten im Internet und in einer Reihe (populär)wissenschaftlicher Bücher. Google hilft gerne bei der Suche.
2
Siehe dazu Popper (1997), S. 106
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theorie, dass selbst für den Fall, dass seine Vorhersagen einträfen, seine Theorie falsch sei.
Er begründete das damit, dass sie zwar eine bessere Annäherung an die Realität sei, als die
bis dahin angewandte Theorie von Newton, aber es zahlreiche Bedingungen gebe, die seine
Theorie nicht erfülle, aber nach seiner Auffassung erfüllen müsste (hin zu einer einheitlichen Feldtheorie). Auf die gleiche, wohltuend selbstreflektierende Weise ist auch die Evolutionstheorie zu betrachten: Sie ist die aktuell beste Theorie über die Entstehung des entwickelten Lebens auf der Erde, kann jedoch zwangsläufig nur eine mehr oder weniger gute
(wir wissen es noch nicht) Annäherung an die Wirklichkeit sein, da sie einige (wichtige)
Punkte noch nicht zur Zufriedenheit erklären kann.
Drei noch zu offene Fragen
Während Befürworter und Gegner der Evolutionstheorie Themen von A (wie Affen) bis Z
(wie Zwischenformen) in zumeist hochpolemischer Form diskutieren, seitenlange Abhandlungen über (Un-)Wahrscheinlichkeiten verfassen, übernatürliche Faktoren ins Spiel
bringen, das Leben auf dem „Rücken von Kristallen“ entstehen oder von Meteoriten auf
die Erde bringen lassen, wissenschaftliche Daten und Erkenntnisse aus allerlei Disziplinen
nach eigenem Gusto interpretieren oder schlichtweg ignorieren, möchte ich mich hier auf
drei noch nicht abschließend geklärte Fragen der Evolutionstheorie fokussieren, um die
kritische Sichtweise Einsteins, die er auf seine eigene Theorie hatte, auf die Evolutionstheorie zu übertragen: Dazu zählen die Abiogenese (auch chemische Evolution genannt), positive Mutationen und grundlegende makroevolutionäre Entwicklungen.
Die Abiogenese oder chemische Evolution, die Entstehung von Leben aus unbelebter
Materie, ist der wohl wundeste Punkt in der Theorie der Evolution. Die Entwicklung des
Lebens kann nur beginnen, wenn Leben auch erstmalig entsteht. Wie aber ist das möglich?
Louis Pasteur hat gezeigt, dass Spontanerzeugung aus Unbelebtem unmöglich ist. Leben,
so das Ergebnis seiner Forschung, entsteht nur aus Leben. Bisher ist Pasteurs Theorie noch
nicht falsifiziert worden, die Naturwissenschaftler haben also noch keinen Weg aufzeigen
können, wie aus anorganischem Material schließlich Lebendiges entstanden ist. Aber Evolutionstheoretiker machen auch keinen Hehl aus dieser Tatsache: „Gewiss sind die meisten
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Fragen hinsichtlich der chemischen Evolution noch offen und viele Modelle noch mehr
oder weniger umstritten.“3
Die chemische Evolution ist also lediglich eine Hypothese, die aus der Darwin’schen Theorie zwangsabgeleitet wurde, die aber Generationen von Forschern bisher nicht bestätigen
konnten. Insofern hätte man diese Hypothese vermutlich schon längst verworfen, wäre sie
nicht von so unverzichtbarer Bedeutung für die Evolutionstheorie: Sie muss zumindest in
eine Theorie der chemischen Evolution münden, sonst gerät die gesamte Evolutionstheorie
eines Tages ins Wanken.4 Die chemische Evolution ist zudem der einzige wesentliche Faktor der Evolutionstheorie, der heute prinzipiell im Labor rekonstruiert werden könnte.
Insofern ist es aus meiner Sicht der wichtigste und entscheidendste Forschungsbereich der
Evolutionsbiologie. Hier gilt es entsprechend noch viel zu denken, zu forschen und mit
Demut den aktuellen, unbefriedigenden Stand des Wissens zu akzeptieren: Die chemische
Evolution, die Abiogenese, ist zurzeit noch nicht reproduzier- und auch nicht erklärbar.
Positive Mutationen sind ein weiterer wichtiger Baustein der Theorie, die Darwin begründet hat. Solche genetischen Veränderungen, die Vorteile für die Individuen mit sich
bringen, sind – in unvorstellbar großer Anzahl erfolgt – die Basis der verschiedenen Arten
auf der Erde. Es gibt nur ein Problem bei der Erforschung solcher positiver Mutationen: Es
lassen sich kaum welche ausmachen. Da sie jedoch in der Theorie Grundlage für die ungeheure Artenvielfalt auf unserem Planeten sind, müssten sie in vielfältiger Weise immer
wieder beobachtbar sein. Schaut man allerdings durch die Literatur, sind beschriebene
positive Mutationen kaum zu finden. Ein erster Blick in die Online-Enzyklopädie Wikipedia lässt gleich Schlechtes erahnen: Dort finden sich unter dem Schlagwort „Mutation“ sieben konkrete Beispiele für schlechte Mutationen, die zu Krankheiten oder Behinderungen führen, aber kein einziges für eine positive Mutation. Stattdessen nur eine diese
These: „Mutationen sind einer der Evolutionsfaktoren und damit für die Entwicklung des
3
Kaiser (2009), S. 171-211 – Bei Kaiser findet sich auch eine gute Darstellung über den Stand der Forschung.
Die manchmal (auch schon von Richard Dawkins) geäußerte Idee, Zellen wären aus dem Weltall auf die
Erde gekommen, verlagert nur den Ort des Problems auf einen anderen Planeten. Und der Gedanke, dass
dort völlig andere Verhältnisse vorliegen, die es quasi zu einem Kinderspiel machen, Zellen entstehen zu
lassen, verlagert das Problem in die Metaphysik. Und da kennen sich die Kreationisten besser aus, dieses Feld
sollte ihnen überlassen bleiben.
4
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Lebens und der Artenvielfalt auf der Erde mitverantwortlich.“5 Auch die Fachliteratur hält
nur wenige Beispiele bereit: Laktose-Toleranz beim Menschen (sodass wir Milch trinken
können), Industriemelanismus (die Veränderung der Flügelfarbe von Schmetterlingen die
sich tarnen), Resistenzen von Bakterien gegen Medikamente, Mutationen für Gene des
Natriumkanals bei Muscheln oder Strumpfbandnattern – alles in allem nur kleine Anpassungen, die sich im überschaubaren Rahmen halten. Die gezielte Zucht von Tieren oder
Pflanzen, die von Menschen durchgeführt wird, ist im übrigen kein Beispiel für die Evolutionstheorie, da diese ja gerade nicht zufällig geschehen.
Es bleibt festzuhalten, dass positive Mutationen leider nicht sehr häufig vorkommen und
dann auch nur marginale positive Änderungen entstehen lassen. Die Anzahl und der Impact von negativen Mutationen sind aber um ein Vielfaches höher (wie sich zum Beispiel
im menschlichen und tierischen Umfeld von radioaktiven oder chemischen Unfällen zeigen lässt). Den Grund dafür formulieren Prause und Randow so: Fehler – und das sind
Mutationen – „haben nur eine geringe Chance, etwas Funktionierendes hervorzubringen ...
In der Regel führen Fehler zum Zusammenbruch eines (biologischen) Systems ...“6 Kutschera führt dazu aus: „Viele gut untersuchte Mutationen führen zum Funktionsausfall
bestimmter Gene, wodurch Krankheiten oder gar der Tod verursacht werden.“ 7 Meinke
u. a. haben bei einer großen Studie über Mutationen der Acker-Schmalwand, einer Pflanze,
festgestellt, dass über einen Zeitraum von 20 Jahren einige tausend Mutationen ausnahmslos schädlich für die Pflanze waren.8 Fazit: Positive Mutationen sind leider seltener, als sie
nach der Evolutionstheorie sein sollten, für die sie aber ein ganz wichtiger Faktor sind.
Der dritte Aspekt: Die sogenannte Makroevolution. Damit ist das „Erscheinen neuer
Baupläne“ von Lebewesen gemeint, also Leben mit neuen Eigenschaften und Ausprägungen. Wenn z. B. aus einem reinen Wasserlebewesen eine Amphibie wird, die zu Wasser
und zu Land leben kann, dann wird diese Entwicklung als Makroevolution bezeichnet. Die
Evolutionstheorie beschreibt das Auftauchen grundlegend neuer Lebewesen mit Hilfe der
5
http://de.wikipedia.org/wiki/Mutation (abgerufen am 25. März 2014)
Prause/Randow (1985), S. 178
7
Kutschera (2008), S. 70
8
Meinke et al (1998)
6
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Mikroevolution, also einer Vielzahl positiver Mutationen über einen sehr, sehr langen
Zeitraum. Makroevolution ist also nur das Ergebnis einer langen Mikroevolution.
Wie aber kann man sich das praktisch vorstellen? Eine plötzliche Veränderung der Lebensbedingungen führt erfahrungsgemäß nie dazu, dass sich Tiere spontan anpassen (das
wäre ein „Wunder“), sondern sie sterben bei drastischen Veränderungen der Umwelt in
der Regel einfach. Sicher kommt es, wie z. B. bei den Schnäbeln der Darwinfinken, zu kleineren Variationen, die für bestimmte Dinge nützlich sind – aber wenn ein See austrocknet,
sterben alle Wasserbewohner ohne Ausnahme. Es ist noch nicht beobachtet worden, dass
ein Fisch überlebte, weil er zufällig eine Lunge in sich trug und ihm schon Beine gewachsen
waren. Da aufgrund der notwendig langen Zeiträume eine Beobachtung makroevolutionärer Veränderungen in der Natur für uns Menschen unmöglich ist, lässt sich folgende Frage
zur Antwortfindung formulieren: Wie kann man sich makroevolutionäre Veränderungen,
also Neukonstruktionen des Bauplans eines Tieres, theoretisch in den mikroevolutionären
Details vorstellen – also Schritt für Schritt? Die unbefriedigende Antwort: Offensichtlich
noch gar nicht. Denn abgesehen von der fehlenden Möglichkeit der Naturbeobachtung ist
eine exemplarisch-theoretische Darstellung eines makroevolutionären Prozesses bislang
nicht zu finden.9
Leider kann die Evolutionstheorie diese drei ganz wesentlichen Aspekte noch nicht oder
nicht ausreichend gut erklären. Das kann auf noch fehlende Erkenntnisse zurück zu führen
sein oder auf potenziell falsche Annahmen. Das soll hier aber nicht diskutiert werden, sondern im Sinne meiner oben aufgestellten Behauptung ist zu konstatieren, dass die Evolutionstheorie im Einstein’schen Sinne tatsächlich falsch ist weil ihr noch wichtige Beschreibungspositionen fehlen, die sie zur finalen Erklärung der Entwicklung des Lebens und der
Arten machen könnten. Das tangiert aber nicht ihren aktuellen Status als die beste Theorie
zur Entwicklung der Lebewesen.
9
In diesem Zusammenhang möchte ich auf meine kritische Distanz zu Computersimulationen im Zusammenhang mit evolutionären biologischen Prozessen hinweisen: Diese benötigen Programme, Algorithmen, in
denen die evolutionären Faktoren bereits einprogrammiert sind. Entsprechend sind sie a) zielgerichtet und
basieren b) auf der Arbeit von Intelligenz. Beides ist in der Evolutionstheorie aber ausgeschlossen. Insofern
haben sie leider m. E. keinerlei Erklärungskraft.
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Zusammen gefasst ergibt sich daraus das „Dilemma der Evolutionstheorie“: Folgt man ihr,
folgt man aktuell einer falschen Theorie, in die aufgrund der grundlegenden offenen Fragen noch viel Arbeit investiert werden muss. Folgt man ihr nicht, hat man naturwissenschaftlich gar nichts in der Hand. Sie ist falsch im Einstein’schen Sinne – aber dennoch die
derzeit beste naturwissenschaftliche Theorie und Erklärung zur Entwicklung des Lebens
auf der Erde. Allerdings fehlt ihr noch etwas, was die Glaubwürdigkeit der „falschen“ Relativitätstheorie von Einstein deutlich erhöht hat: Zum Beispiel ein „Arthur Eddington10 der
Biologie“, der einfachste lebende Zellen aus anorganischem Material erzeugt.11
Konsequenzen aus dem Dilemma
Dieses Dilemma führt dazu, dass die Evolutionstheorie immer wieder Angriffen ausgesetzt
ist. Die daraus folgende Auseinandersetzung zwischen dem „harten Kern“ der Evolutionsbiologen und Kreationisten oder Anhängern von Intelligent Design ist dabei generell als
scheinheilig zu bezeichnen. Denn beide Seiten agieren in der Schlacht mit metaphysischen,
philosophischen Argumenten, die gemäß Popper nicht diskutierbar sind, da man sie nicht
verifizieren und nicht falsifizieren kann. Es geht um Glaubenssätze, Dogmen und unproduktive aber kostspielige Stellungskriege. Dabei sollten sich diejenigen, die im Glauben
sind, ein höheres Wesen habe die Welt erschaffen – ob der Gott der Bibel oder ein unbekannter intelligenter Designer –, und dies so (indirekt) beweisen wollen, sinnvollerweise
aus dem naturwissenschaftlichen Diskurs heraushalten. Denn sonst wird die sichtbare Unruhe der Evolutionstheoretiker verständlich, da eine religiöse Unterminierung der Naturwissenschaften nicht Ziel wissenschaftlichen Handelns sein darf und im Sinne der Aufklärung und der Erfolge naturwissenschaftlichen Denkens verhindert werden muss.
10
Arthur Eddington leitete im Mai 1919 die Sonnenfinsternis-Expedition auf die Vulkaninsel Príncipe im
Golf von Guinea in Westafrika, durch deren Beobachtungen die allgemeine Relativitätstheorie von Albert
Einstein bezüglich der vorhergesagten Raumkrümmung bestätigt wurde.
11
Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass Louis Pasteur zeigte, dass sogenannte Spontanerzeugung von Leben
unter heutigen Bedingungen offensichtlich nicht möglich ist. Er selber hat jedoch die Urzeugung von Leben
nicht kategorisch ausgeschlossen, weil diese – so eine Notiz von Pasteur aus dem Jahre 1878 – ja am Anfang
der Lebensentwicklung gestanden haben MUSS. (Pinet (2004), S. 63 f.) Zugegeben sei jedoch, dass letztere
Überlegung vor dem Hintergrund seiner Forschungsergebnisse eine rein tautologische Überlegung ist.
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Die Evolutionstheorie muss sich auch nicht mit Maßstäben empirischer Wissenschaft messen lassen. Auch andere Wissenschaften arbeiten historisch (und damit zwangsläufig auch
spekulativ, subjektiv und tendenziös) und nicht empirisch. Es geht nun einmal nicht anders, bis endlich die Zeitreisen in die Vergangenheit erfunden sind. Das ist also auch kein
Grund zur Kritik.12 Andererseits darf dann aus diesem Grunde z. B. auch die Theologie als
vermeintlicher Verbündeter der Kreationisten nicht angegriffen werden. Denn zumindest
die Historizität Jesus Christus’ gilt heute allgemein als anerkannt,13 was aber natürlich
nicht bedeutet, dass dadurch die Quadratur des Kreises gelungen und seine unbeweisbare
Eigenschaft eines „Sohn Gottes“ belegt wäre.14
In diesem Zusammenhang gilt es meines Erachtens für diejenigen Evolutionstheoretiker,
die sich zur Skeptikerbewegung15 zählen, den durchaus vernünftigen Skeptizismus in Bezug auf religiös motivierte Themen und Diskussionsbeiträge nicht nur in eine Richtung zu
leben und auf der eigenen Seite dogmatisch-antiskeptisch zu denken. Skeptizismus muss
sich konsequenterweise auch auf die eigene Arbeit erstrecken und jede Form von Dogma
als grundlegendes wissenschaftliches Hindernis ablehnen. Mit Blick auf diese Gedanken
scheinen mir beide Pole, Religion und Atheismus, als grundsätzliche Feinde der Erkenntnis,
jeder auf seine Art.
Anstatt sich auf den Lorbeeren bisheriger Forschungserfolge auszuruhen und mit immer
gleichen und leider teilweise noch schwachen Argumenten die Evolutionstheorie fälschlicherweise zu einer Tatsache, also zu einer unstrittigen Wirklichkeit, erheben zu wollen –
wie es etwa Kutschera oder Dawkins tun 16 –, müssen die Evolutionstheoretiker und
-unterstützer mehr in die Forschung investieren, hin zu einer Extended Evolutionary Syn12
Dazu die Ausführungen von Neukamm (o. J.)
Theißen/Merz (2001), S. 7
14
„Gott“ ist nicht beweisbar, daraus resultierend auch ein möglicher „Sohn Gottes“ nicht.
15
Die „Skeptikerbewegung“ ist eine soziale Bewegung von Vereinigungen und Einzelpersonen, die den Anspruch einer kritischen Auseinandersetzung mit sogenannten pseudo- und parawissenschaftlichen Theorien
hat.
16
Siehe die Aussagen von Kutschera (2008), S. 251: „... Evolution als dokumentierte Tatsache ...“; und
Dawkins (2010), S. 17: „Evolution ist eine Tatsache. Vernünftige Zweifel, ernsthafte Zweifel, geistig gesunde,
begründete, intelligente Zweifel gibt es nicht: Evolution ist eine Tatsache.“ Dass es Evolution gibt, steht in
der Tat außer Frage, es bleiben aber Fragen nach den Mechanismen. Aber aus dem Zusammenhang, dem die
obigen Zitate jeweils entnommen sind, ergibt sich, dass die Autoren deutlich machen wollen, dass grundsätzliche Kritik am aktuellen Stand der derzeitigen Evolutionstheorie von ihnen nicht akzeptiert wird.
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thesis.17 Allerdings muss das ganz offensichtlich auch mit Kühnheit im Popper’schen Sinne
geschehen, sonst bleiben alle dauerhaft vor Verdun liegen, um die Metapher des Stellungskrieges noch einmal aufzugreifen. Insofern sind auch „artfremde“ Überlegungen – zum
Beispiel zu von Naturwissenschaftlern so ungeliebten Themen wie Vitalismus18, zu Grundtypen (vertreten z. B. von Junker und Scherer19) oder zu Sheldrakes morphischen Feldern20
– zu erforschen und nicht prinzipiell abzulehnen. Nur open minded haben Darwins Erben
die Chance, die Grundlagen der Theorie auszubauen – und eines Tages die Kreationisten
und ihre Untergruppen, die letztlich religiös motiviert sind, mit wissenschaftlichen Argumenten dauerhaft in die Schranken zu verweisen. Aber nur der Glaube, dass solche anderen,
kühnen Überlegungen nicht zutreffen können, oder gar eine Ablehnung aus persönlichen
Gründen, ist unwissenschaftlich und daher abzulehnen.
Alles andere Handeln ist leider ein Bärendienst, der Kreationisten in die Karten spielt, und
der sich offenkundig schon im Ergebnis der Umfrage der American Association for the
Advancement of Science aus dem Jahr 2014 manifestiert, in der 90 Prozent der befragten
US-amerikanischen Bevölkerung und auch 80 Prozent der dort befragten Wissenschaftler
die Meinung vertraten, dass eine höhere Macht und nicht das Prinzip der darwinschen
Evolution das Leben auf der Erde erschaffen hat.21 Assheuer wies schon vor Jahren darauf
hin, dass es möglich sei, dass der erwähnte Bärendienst „... ein gut Teil Schuld daran trägt,
dass die neue amerikanische Pest, der Kreationismus, so erfolgreich die geistige Landschaft
verstrahlt.“ 22
Bei allem Zutrauen in die aktuelle und potenzielle Erklärungskraft der Evolutionstheorie
darf man aber auch die worst cases nicht ignorieren: Die Evolutionstheorie könnte sich in
ihrem letzterklärenden Anspruch eines Tages als falsch herausstellen oder – wie die Gravitationstheorie von Newton – durch eine neue und bessere Theorie als gute Näherung oder
pragmatische Erklärung einzelner Vorgänge in die zweite Reihe gedrängt werden oder gar
17
Siehe dazu die Veröffentlichung von Pigliucci/Müller (2010)
Vgl. dazu Driesch (1922)
19
Junker/Scherer (2013), S. 34 ff.
20
Sheldrake (2010)
21
N. N. (2014)
22
Assheuer (2007)
18
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nur noch eine historische Note in der Wissenschaftsgeschichte sein. Das ist unwahrscheinlich, aber in der Tat nicht ausgeschlossen. Und dann könnte es heißen: „Was dem Scholastiker sein Aristoteles, war dem Evolutionisten sein Darwin!“ Also bitte vorsichtig mit
dogmatischen Ausrichtungen und forschen Behauptungen. Was die Kirche im Mittelalter
betrieb sollten die herrschenden Evolutionstheoretiker nicht nachmachen.
Discussion Paper 01/2014 – Düsseldorfer Institut für Kunst und Wissenschaft (DIKUW.ORG) – Seite 10
Michael W. Driesch:
Das Dilemma von Darwins Erben: Warum die Evolutionstheorie falsch ist – aber die beste Erklärung liefert!
Literatur
Assheuer, T. (2007): Was zum Himmel schreit, in: Die Zeit 41/2007,
http://www.zeit.de/2007/41/Was_zum_Himmel_schreit/komplettansicht (abgerufen
am 26. März 2014)
Dawkins, R. (2010): Die Schöpfungslüge, Berlin.
Driesch, H. (1922): Geschichte des Vitalismus, Leipzig.
Junker, R., Scherer, S. (2013): Evolution – ein kritisches Lehrbuch, Gießen.
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des Kreationismus – Darwins religiöse Gegner und ihre Argumentation, Göttingen, S. 171211.
Kutschera, U. (2008): Evolutionsbiologie, Stuttgart.
Meinke, D. W., Cherry, J. M., Dean, C., Rounsley, S. D., Koorneef, M. (1998): Arabidopsis
thaliana: A model plant for genome analysis, in: Science No. 282, S. 679-682.
Neukamm, M. (o. J.): o. T., http://www.martin-neukamm.de/junker1_2.html (abgerufen
am 25. März 2014).
N. N. (2014): Evolution: 90 Prozent der Amerikaner glauben an Schöpfer,
http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/evolutionstheorie-90-prozent-der-usamerikaner-glauben-an-schoepfer-a-953951.html (abgerufen am 25. März 2014).
Pigliucci, M., Müller G. B., (2010): Evolution – The Extended Synthesis, Massachusetts.
Pinet, P. (2004): Pasteur et la philosophie, Paris.
Popper, K. (1997): Lesebuch – Ausgewählte Texte zu Erkenntnistheorie, Philosophie der
Naturwissenschaften, Metaphysik, Sozialphilosophie, München.
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irren: Vom Hexenwahn bis zum Waldsterben, Hamburg.
Sheldrake, R. (2010): Das schöpferische Universum, München.
Theißen, G., Merz, A. (2001): Der historische Jesus. Ein Lehrbuch, Göttingen.
Discussion Paper 01/2014 – Düsseldorfer Institut für Kunst und Wissenschaft (DIKUW.ORG) – Seite 11
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