34 STRUK TUR UND FUNK TION VON KOMPLE X I DER ATMUNGSKET TE Empfindliche Maschine im Zell-Kraftwerk Da Mitochondrien die Kraftwerke der Zelle sind, spielen sie eine Schlüsselrolle bei vielen lebenswichtigen Prozessen im Körper und damit auch bei vielen ererbten und erworbenen Krankheiten. Meine Arbeitsgruppe erforscht die molekularen Grundlagen mitochondrialer Funktion und Dysfunktion. ULRICH BRANDT Ulrich Brandt, geboren 1961 in Eschweiler, forscht seit 1994 in Frankfurt. Seit seiner Berufung auf die Professur für Mitochondriale Molekulare Medizin am Nijmegen Center for Mitochondrial Disorders des Radboud University Medical Center im Dezember 2012 forscht Ulrich Brandt in den Niederlanden und in Deutschland. Nach dem Studium der Biochemie in Tübingen und der Promotion an der Ludwig-Maximilians-Universität München im Jahr 1989 forschte er als Postdoktorand am Glynn Research Institute in Großbritannien, an der Goethe-Universität Frankfurt und der Dartmouth Medical School in den USA. Komplex I (protonenpumpende NADH: Ubichinon Oxidoreduktase) der mitochondrialen Atmungskette trägt erheblich zur Synthese des Energieträgers Adenosintriphosphat (ATP) bei, denn er erzeugt beim Menschen 40 Prozent des Protonengradienten über die innere Mitochondrienmembran. Komplex I ist ein äußerst kompliziert aufgebautes Enzym und besteht in Säugetieren aus 45 Untereinheiten, wovon sieben durch mitochondriale Gene codiert werden. Zahlreiche Enzephalomyopathien, Kardiomyopathien und degenerative Erkrankungen des zentralen Nervensystems beruhen auf ererbten oder erworbenen Defekten des Komplex I. Dabei wird auch ein Zusammenhang mit der Bildung von toxischen Sauerstoffradikalen durch Komplex I diskutiert. Unser zentrales Ziel ist es, mit einem breiten Spektrum biochemischer, molekularbiologischer und biophysikalischer Ansätze die dreidimensionale Struktur und den molekularen Mechanismus des Komplex I aufzuklären. 2010 gelang uns die Röntgenstrukturanalyse von Kristallen des Komplex I aus der obligat aeroben Hefe Yarrowia lipolytica. Dadurch konnten wir wichtige Einblicke in die modulare Architektur dieses fast 1000 Kilodalton großen Membranproteins gewinnen, die ein wesentlicher Meilenstein auf dem Weg zur Aufklärung des Reaktionsmechanismus sind. Das Strukturmodell des mitochondrialen Komplex I erlaubt Rückschlüsse auf seine Funktion: Im oberen rechten Teil wird gebundener Wasserstoff von NADH auf Coenzym Q übertragen. Dabei fließen Elektronen über eine Serie sogenannter Eisen-Schwefel-Zentren (orange unterlegt). Die Wasserstoffübetragung treibt zwei Protonen-Pumpen im Membranteil des riesigen Enzymkomplexes an. Die Pumpmodule sind über eine molekulare »Kuppelstange« verbunden. Durch diesen Ladungstransport entsteht ein elektrisches Potential über die Membran, das vom Komplex V der Atmungskette zur ATP-Synthese genutzt wird (nicht gezeigt).