Universität Greifswald, RSF, Prof. Dr. Ried, 17487 Greifswald Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät Lehrstuhl für Allgemeine Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft Prof. Dr. Walter Ried Telefon: +49 (0)3834 86-2467 Telefax: +49 (0)3834 86-2465 [email protected] 27.06.2011 III. Interdisziplinärer Kongress JUNGE NATURWISSENSCHAFT UND PRAXIS – „Chancen und Grenzen (in) der Medizin“ Thesenpapier zum Thema „Volkswirtschaftliche Analyse der Infektionsprävention bei multiresistenten Erregern“ von Franziska Claus Unter multiresistenten Erregern werden meist krankheitsverursachende Bakterien verstanden, die durch ihre Fähigkeit zur Bildung von Resistenzgenen gegen viele Antibiotika unempfindlich sind. Aufgrund steigender Prävalenzzahlen dieser in der Öffentlichkeit oft als „Krankenhauskeime“ bezeichneten Bakterien hat die Thematik der multiresistenten Erreger (MRE) in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen. Sie sind inzwischen einer der wichtigsten Erreger nosokomialer Infektionen und auch ihre Rolle im ambulanten Bereich als Verursacher von Krankheiten nimmt stetig zu. Eine inadäquate Antibiotikatherapie wird dabei als eine der Hauptursachen für das Entstehen von Antibiotikaresistenzen der Bakterien betrachtet [3]. Aufgrund ihrer Antibiotikaresistenz ist die Therapiemöglichkeit für Patienten, die durch diese Erreger infiziert sind, stark eingeschränkt. Dadurch entstehende Komplikationen in der Behandlung der Patienten resultieren aufgrund der verlängerten Verweildauer in steigenden Kosten für den Leistungserbringer, den dieser in Zeiten der DRG-Abrechnung momentan nicht erlöswirksam abbilden kann. Dem Krankenhaus entstehen somit oftmals Anreize, mit Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät Wirtschaftswissenschaften www.rsf.uni-greifswald.de/ried Friedrich-Loeffler-Straße 70, R 208 Hausanschrift: 17489 Greifswald Postanschrift: 17487 Greifswald Sekretariat Erika Hafemann Tel.: +49 (0)3834 86-2466 [email protected] 2 MRE kolonisierte Patienten gar nicht als solche zu identifizieren, was aufgrund des Risikos zur Bildung einer Infektion oder der Übertragungsmöglichkeit auf andere Patienten oder medizinisches Personal zu weiteren Kosten führt. Patienten, die mit MRE kolonisiert oder infiziert sind, weisen im Vergleich zu Patienten, die nicht infiziert sind, eine signifikant höhere Letalität auf [1; 4]. Daraus resultierende direkte – im Gesundheitswesen anfallende – sowie indirekte Kosten, die aufgrund von Produktionsausfällen entstehen, werden EU-weit jährlich auf mindestens 1,5 Mrd. Euro geschätzt [2]. Auch die intangiblen Kosten multiresistenter Erreger dürften von großer Relevanz sein, da insbesondere die verlängerte Verweildauer im Krankenhaus, die oftmals in Kontaktisolation verbracht wird, verschlechterte Therapiemöglichkeiten, stärkerer Schmerz und nicht zuletzt die höhere Letalität die Lebensqualität des Patienten negativ beeinflussen. Da aufgrund steigender Resistenzraten Therapiemöglichkeiten weiter abnehmen, wird in den nächsten Jahren vermehrt die Prävention in den Fokus rücken. Im Bereich der Methicillinresistenten Staphylococci aurei (MRSA) wirken insbesondere die strikte Händehygiene, das Screening mit (bei positivem Befund) anschließender Dekolonisation als auch die Kontaktisolation besiedelter Patienten präventiv. Für andere Erreger wie Vancomycinresistente Enterokokken (VRE) und ESBL-bildende Bakterien fehlen bisher standardisierte Möglichkeiten zur Dekolonisation von besiedelten Patienten. Hier gilt es besonders, Standardhygienemaßnahmen wie Händedesinfektion und das Tragen von Handschuhen ständig zu gewährleisten, um eine Übertragung der Erreger auf andere Patienten und medizinisches Personal zu unterbinden [3]. Ein adäquates Antibiotikamanagement kann hier als Schlüssel der Präventionsoptionen gegen MRE verstanden werden, da es insbesondere die Bildung weiterer Resistenzen unterbindet und somit nicht nur in einem positiven Effekt auf die Lebensqualität der Patienten mündet sondern auch die Kosten für den Leistungserbringer und indirekte Kosten für die gesamte Volkswirtschaft zukünftig reduzieren kann [1]. Aufgrund dieser Herausforderung für das Gesundheitswesen und durch hohe indirekte Kosten für die gesamte Volkswirtschaft wird es in den nächsten Jahren Aufgabe von Forschungsverbünden und Netzwerken sein, neue Präventions- und Therapiemaßnahmen zu identifizieren, aber auch Erreger zu adressieren, die bislang noch unzureichend erforscht sind. So gibt es bisher nur eine gute Datenlage über direkte Kosten von MRSA, die im Krankenhaus anfallen. Studien über indirekte als auch intangible Kosten fehlen nahezu und werden zu anderen Erregern wie z.B. der Vancomycin-resistenten Enterokokken oder der ESBLbildenden Bakterien noch vergeblich gesucht. In den nächsten Jahren wird aus Sicht der Autorin eine gesamtwirtschaftliche Analyse geeigneter Präventions- und Therapieoptionen für 3 verschiedenste Erregertypen, die auch den Effekt dieser Erreger auf die Lebensqualität der Patienten einschließt, unerlässlich sein, um eine Eindämmung multiresistenter Bakterien kosteneffektiv zu gewährleisten. Weiterhin sollten den betroffenen Akteuren rechtliche, finanzielle und organisatorische Anreize gesetzt werden, damit gesamtwirtschaftlich effiziente Präventions- und Therapiekonzepte einzelwirtschaftlich Beachtung finden und umgesetzt werden. Literatur: [1] Bundesministerium für Gesundheit (2011), DART – Deutsche AntibiotikaResistenzstrategie, Berlin. [2] European Centre for Disease Prevention and Control (2009), Technical Report, The bacterial challenge: time to react, Stockholm. [3] Kruse, E.-B., Dettenkofer, M. (2010), Epidemiologie von und Präventionsmaßnahmen bei multiresistenten Erregern, in: Der Ophthalmologe, Ausgabe 4, S. 313-317. [4] Resch, A., Wilke, M., Fink, C. (2009), The cost of resistance: incremental cost of methicillin-resistant Staphylococcus aureus (MRSA) in German hospitals, in: The European Journal of Health Economics, Vol. 10, No. 3, p. 287-297.