Ökologische Steuerreform und Emissionshandel: Die wissenschaftliche Perspektive Building Competence. Crossing Borders. Prof. Dr. Reto Schleiniger [email protected], 24. Oktober 2013 Inhalt • Externe Kosten und deren Internalisierung • Die Diskussion um die doppelte Dividende • Integrierte fossile Energie- und Klimapolitik Ökologische Steuerreform und Emissionshandel 2 Externe Kosten und deren Internalisierung Externe Kosten • Negative Auswirkungen von Marktaktivitäten auf Dritte, bzw. • Kosten, die nicht im Marktpreis enthalten sind Bezogen auf externe Umweltkosten: «Umwelt» hat keinen Preis, obwohl sie knapp ist → «Umwelt» wird übernutzt → Es liegt ein Marktversagen vor Ökologische Steuerreform und Emissionshandel 3 Externe Kosten und deren Internalisierung Internalisierung der externen Kosten über • Pigou-Steuer in Höhe der externen Kosten → «Lenkung» • Pigou-Subvention in Höhe der externen Kosten → «Förderung» → Beide Ansätze mit gleicher Anreizwirkung Internalisierung und die Verteilung der «Eigentumsrechte an Umwelt» • Förderung: Eigentumsrechte bei Emittenten • Lenkung: Eigentumsrechte bei Allgemeinheit → Übergang von Förderung zu Lenkung führt zu Umverteilung der Eigentumsrechte und zu politischer Opposition Ökologische Steuerreform und Emissionshandel 4 Externe Kosten und deren Internalisierung Problem Pigou-Ansatz Kenntnis Höhe externe Kosten • Klimawandel: Kosten weit in der Zukunft • Betrieb Kernkraftwerke: Hohe Kosten bei tiefer Eintretens-Wahrscheinlichkeit Alternative zu Pigou-Ansatz: Preis-Standard-Ansatz Lenkungsabgaben und handelbare Verschmutzungsrechte (Zertifikate) Gemeinsamkeit aller Instrumente • Es ergeben sich Staatseinnahmen • Im Vordergrund steht Lenkungsziel – nicht Finanzierungsfunktion Ökologische Steuerreform Rückverteilung der Einnahmen über Reduktion bestehender Steuern Ökologische Steuerreform und Emissionshandel 5 Die Diskussion um die doppelte Dividende • Erste Dividende Beim Vorliegen von externen Kosten führen marktwirtschaftliche Instrumente über eine Preiserhöhung zur Korrektur des Marktversagens → «Schmutzige» werden durch «saubere» Güter substituiert (Substitutionseffekt) → Umweltbelastung wird reduziert • Zweite Dividende Einnahmen aus marktwirtschaftlichen Instrumenten können zur Reduktion von bestehenden verzerrenden Steuern verwendet werden (revenue-recycling effect) Idee der – starken - doppelten Dividende Steuerverlagerung von hohen bestehenden Steuern auf tiefe einzelne Steuern ist auch ohne Berücksichtigung der Umweltwirkung effizienzsteigernd Damit liesse sich etwa eine CO2-Abgabe im nationalen Alleingang rechtfertigen Ökologische Steuerreform und Emissionshandel 6 Die Diskussion um die doppelte Dividende Beachte Eine Steuer auf Energie erhöht das Preisniveau und reduziert damit das Realeinkommen Sie wirkt daher indirekt wie eine Einkommenssteuer (tax-interaction effect) In der Regel gilt Tax interaction effect (-) > Revenue-recycling effect (+) → Die starke Form der doppelten Dividende ergibt sich nur in Ausnahmefällen (z. B. bei stark verzerrenden bestehenden Steuern) Es verbleibt • Schwache Form der doppelten Dividende bei: Verwendung der Staatseinnahmen zur Reduktion bestehender Steuern ist effizienter als eine pauschale Rückverteilung • Konzentration auf erste Dividende!!! Ökologische Steuerreform und Emissionshandel 7 Integrierte Energie- und Klimapolitik Der Verbrauch von fossiler Energie verursacht • Globale externe Kosten der Klimaerwärmung (globale erste Dividende) • Lokale externe Kosten wie Luftverschmutzung u. a. (lokale erste Dividende) Drei mögliche Ansätze, multiple Externalitäten zu berücksichtigen • Reduktion lokaler externer Kosten als «secondary effect» der Klimapolitik • Reduktion der CO2-Emissionen als «secondary effect» der lokalen Umweltpolitik • Integrierte fossile Energie- und Klimapolitik Ökologische Steuerreform und Emissionshandel 8 Integrierte Energie- und Klimapolitik Zwei Instrumente für zwei Ziele • Nationale Umweltabgabe zur Internalisierung lokaler externer Kosten • Internationaler Handel mit CO2-Emissionsrechten zur Eindämmung des Klimawandels Kommentar zu integrierter Energie- und Klimapolitik • Da lokale und globale Kosten additiv sind, sind die beiden Instrumente komplementär und nicht substituierbar → Preis für fossile Energie enthält nationale Abgabe und internationaler Zertifikatspreis • Die Abgabe für die lokalen Externalitäten kann international unterschiedlich hoch sein, der Preis für die CO2-Emissionen nicht • Je mehr Staaten lokale Externalitäten internalisieren, desto weniger CO2 wird emittiert und desto kleiner ist der Zertifikatspreis Ökologische Steuerreform und Emissionshandel 9 Integrierte Energie- und Klimapolitik Lokale Externe Kosten des Heizölverbrauchs und von PW, Schweiz (Ecoplan, Energiestrategie 2050, 2012) Heizöl Luftverschmutzung CHF/kWh CHF/kg CHF/t CO2 0.008 0.09 30 Vgl. CO2-Abgabesatz (ab 2014) PW (ohne Staukosten) 60 CHF/Fzkm CHF/l CHF/t CO2 verbrauchsabhängig 0.016 0.18 82 fahrleistungsabhängig 0.085 1.06 440 Summe 0.100 1.25 523 Ökologische Steuerreform und Emissionshandel 10 Integrierte Energie- und Klimapolitik Die Frage nach der internationalen Koordination • Internalisierung lokaler Externer Kosten: Keine internationale Koordination nötig • Problem bei international nicht koordinierter Reduktion von TreibhausgasenEmissionen: Verlust Wettbewerbsfähigkeit von Energie-intensiven und Export-orientierten Unternehmen →«Leakage» durch Verlagerung der Produktion in Länder ohne Klimapolitik Effiziente Lösung: Freie Vergabe von Emissionsrechten an Energie-intensive und Exportorientierte Unternehmen Ökologische Steuerreform und Emissionshandel 11 Schlussfolgerungen Climate change presents a unique challenge for economics: it is the greatest and widest- ranging market failure ever seen. (N. Stern, The Economics of Climate Change, 2007) Isn’t it better to raise revenues from taxes that correct distortions than from taxes that create distortions? (D. Fullerton et al., Mirrlees Report, 2008) The double dividend is dead, long live the first dividend. (R. De Mooij, Environmental Taxation and the Double Dividend, 2000) Multiple-externality problems are endemic. (IMF, Environmental Tax Reform, 2012) … the preferred methodological approach would be an integrated approach that internalises both climate change and local pollutant externalities, … (OECD, Co-Benefits of Climate Change Mitigation Policies, 2009) Ökologische Steuerreform und Emissionshandel 12