Sehr geehrter Herr Dr. Mück, vielen Dank für Ihre Antwort zu meiner Bitte, Boehringer Ingelheim möge überdenken, das Kombinationspräparat Buscopan® Compositum/Buscopan® Composto weltweit vom Markt zu nehmen bzw. die Inhaltsstoffe dahingehend auszutauschen, dass diese dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprechen. Es wirkt auf mich, seit über 28 Jahren als Apothekerin tätig, irritierend, wenn Sie schreiben „Boehringer Ingelheim bekräftigt das Sicherheits- und Wirksamkeitsprofil der Buscopan®Produktfamilie, die auf einem pflanzlichen Wirkstoff basiert und zu der auch Buscopan® Compositum/Buscopan® Composto zählt“. Meines Wissens sind klinische Prüfungen erforderlich, um Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und Qualität eines Arzneimittels zu belegen und nicht die „Bekräftigung“ eines Pharmaunternehmens, bezüglich eines Sicherheits- und Wirksamkeitsprofil für eine bestimmte Arzneimittelkombination. Es ist richtig, dass ein Bestandteil von Buscopan® Compositum/Buscopan® Composto zur Behandlung kolikartigen Schmerzen geeignet ist, nämlich Butylscopolaminbromid. Dazu führt das arznei-telegramm in einer Bewertung (letzte Überarbeitung 16.10.2010) folgendes aus Mittel der Reserve zur parenteralen Anwendung bei Spasmen der glatten Muskulatur des Magen-Darmtraktes und der Harnwege. Gegen krampfartige Dysmenorrhöe und Gallen- bzw. Harnwegskoliken wirken nichtsteroidale Analgetika wie Diclofenac-Natrium oder Ibuprofen besser. Bei oraler und rektaler Anwendung ist Butylscopolamin ein zweifelhaftes Therapieprinzip wegen geringer Absorption (bei rektaler Anwendung 2% bis 3% der Dosis, bei Einnahme per os 5% bis 8%). Geringe Effekte sind jedoch vorhanden (atropinartige Störwirkungen). Während mit einer Ampulle parenteral 20 mg Butylscopolaminbromid zugeführt werden, gelangen per os aus einem Dragee zu 10 mg weniger als 1 mg (1/20 der Parenteraldosis) oder aus einem Zäpfchen zu 10 mg maximal 0,3 mg (1/60 der Parenteraldosis) in den systemischen Kreislauf. Eine Wirksamkeit hierfür ist nicht durch aussagekräftige klinische Studien belegt. Parenterales Butylscopolaminbromid ist seit 2008 verschreibungspflichtig. Unter Umständen gefährliche Nebenwirkungen wie Tachykardie, Akkommodationsstörungen und Anstieg des Augeninnendrucks werden vor allem nach parenteraler Gabe beschrieben. Von 22 Berichten zu tödlichem Ausgang von Komplikationen unter Butylscopolaminbromid stehen 16 (73%) mit parenteraler Gabe in Verbindung. Alle Todesfälle, die im Zusammenhang mit allergischen oder kardialen Reaktionen standen, traten bei parenteraler Anwendung auf. (Unterstreichungen: Verfasserin) 1 BfArM: Voten des Sachverständigen-Ausschusses für Verschreibungspflicht nach Paragraph 63 AMG , 60. Sitzung vom 15. Jan. 2008 1 Mir ist nicht verständlich, dass eine weltweit agierende Firma wie Boehringer Ingelheim die seit Jahren vorgetragene Kritik bezüglich der Zusammensetzung von Buscopan® Compositum/Buscopan® Composto ignoriert und ein Präparat, dass in Europa aus arzneimittelrechtlichen Gründen aufgrund der Zusammensetzung nicht vertrieben werden darf beziehungsweise dessen Bestandteil Metamizol in wichtigen Ländern wie Großbritannien, Schweden, USA, Kanada oder Australien nicht im Handel ist, in Ländern vertreibt, deren Gesundheitswesen vielfach nicht so strukturiert ist, wie in Europa, Australien oder den USA. Pharmakologisch greift Ihre Argumentation meines Erachtens nicht, wenn Sie angeben, „in Deutschland seien die beiden Wirkstoffe von Buscopan® Compositum, Metamizolnatrium und Butylscopolaminiumbromid, als Monopräparate zur freien Kombination auf dem Markt“. Möglicherweise bewerben Sie diese Vorgehensweise bei Ärzten und Apothekern. Allerdings können Verbraucher bei Verordnung von Metamizol und rezeptfreiem Kauf von Buscopan® immer noch eine getrennte Einnahme vornehmen, auch wenn dieses aus meiner Sicht pharmakologisch ausgesprochen fragwürdig ist. Patienten und Kunden die Buscopan® Compositum/Buscopan® Composto kaufen, haben diese Möglichkeit nicht. Weiter führen Sie aus „Die freie Kombination wird in der aktuellen Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen und der Deutschen Gesellschaft für Viszeralchirurgie explizit für die Behandlung von Patienten mit kolikartigen Schmerzen des Verdauungstrakts empfohlen“. Bei der von Ihnen zitierten Leitlinie (AWMF 021_008) handelt es sich um die S3-Leitlinie Diagnostik und Therapie von Gallensteinen, womit definitiv nicht der gesamte Verdauungstrakt gemeint ist. Gallensteine rufen –insbesondere in Form von Gallenkoliken- starke Schmerzen hervor. In der Leitlinie beziehen sich die Angaben zu den Wirkstoffen Butylscopolamin und Metamizol eindeutig auf die Therapie der akuten (Gallen-)Kolik und nicht auf „Schmerzen im Verdauungstrakt“. Im Kommentar zur medikamentösen Therapie der biliären Kolik (Seite 5 der Leitlinie) wird ausgeführt: Bei der Behandlung der akuten Gallenkolik […]. Zur analgetischen Therapie der biliären Kolik werden Spasmolytika in Kombination mit Analgetika eingesetzt. Schwächer wirksame Analgetika, z.B. Metamizol [287] oder Paracetamol, können ausreichen, oder aber es werden stärker analgetisch wirksame Opiatderivate benötigt. […] Außer mit den angegebenen Medikamenten sind Gallenkoliken aber auch mit Nitroglyzerin, das den Sphincter relaxiert, erfolgreich behandelt worden [291]. Es ist gezeigt worden, dass NSAR wie Diclofenac (z.B. 75 mg i.m.) [292,293] oder Indometacin (z.B. 50 mg i.v. oder 2 75 mg Supp.) [294,295] bei der biliären Kolik eine gute analgetische Wirksamkeit haben. Neuere randomisierte kontrollierte Studien zeigen, dass durch die Gabe von NSAR in der o.a. Dosis auch die 2 Wahrscheinlichkeit, im Verlauf einer biliären Kolik eine akute Cholezystitis zu entwickeln, gesenkt werden kann [293,296]. Ob die "traditionelle" Behandlung der biliären Kolik oder die Therapie mit NSAR zu einer effizienteren Schmerzlinderung führen, kann gegenwärtig aufgrund fehlender vergleichender Studien nicht entschieden werden. Die Wertigkeit verschiedener Medikamentenkombinationen wurde bisher ebenfalls nicht ausreichend untersucht. (1). Insofern weist die aktuell gültige Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Gallensteinen darauf hin, dass vergleichende Studien zur Wirksamkeit der eingesetzten Wirkstoffe fehlen. Sie schreiben, “seit Markteinführung in den 1950er Jahren konnten mehr als 560 Millionen Schmerzepisoden von Patienten weltweit mit Präparaten der Buscopan®-Produktfamilie behandelt werden“. Zur Produktfamilie zählt auch das Monopräparat Buscopan®. Ich bezweifele, dass Ihrer Firma dezidierte Studienergebnisse vorliegen, die eine entsprechende Trennung in Mono- oder Kombinationspräparat vornehmen, so dass Sie diese Aussage belegen können. Sie gehen nicht darauf ein, warum am 27. 04.1987 in Deutschland das Ruhen aller Zulassungen für Fixkombinationen mit Metamizol vom damaligen Bundesgesundheitsamt (BGA) angeordnet wurde. In der Begründung für diese Maßnahme führt das BGA unter anderem aus: „ Bei dem weit überwiegenden Teil der Patienten konnten solche Erkrankungen demnach durch Spasmolytika allein therapiert werden, ohne die Risiken des Metamizols in Kauf nehmen zu müssen. Hierfür spricht auch eine prospektive Vergleichsstudie von Kewitz et al. (Z.Allg.Med., 62, 842-850 (1986), in der 112 Fälle mit NButylscopolaminbromid (hier allerdings parenteral) behandelt worden waren, wobei nur bei 10,3 % dieser Fälle eine unzureichende Wirksamkeit konstatiert worden war.“ An dieser Erkenntnis hat sich bis heute nichts geändert. Mit anderen Worten vertreiben Sie wissentlich ein Produkt, dessen Zusammensetzung schon vor 25 Jahren von einer anerkannten Zulassungsbehörde kritisiert worden ist. Es ist meines Erachtens unlauter, wenn Sie argumentieren, dass die einzelnen Wirkstoffe Butylscopolamin und Metamizol des in anderen Ländern von Ihnen vertriebenen Kombinationspräparates Buscopan® Compositum/Buscopan® Composto in Deutschland als Monopräparate verfügbar seien und von Ärzten sowohl einzeln als auch in freier Kombination weiterhin eingesetzt werden. Haftungsrechtlich würde ein Arzt möglicherweise Probleme bekommen, wenn sich bei einer Therapie mit der Kombination beider Wirkstoffe Nebenwirkungen zeigen, da die Anwendung als Fixkombination von den Zulassungsbehörden unter Pharmakovigilanzgesichtspunkten zum Ruhen bzw. Widerruf der Zulassung geführt hat. Unter Berücksichtigung der mir gegenwärtig verfügbaren Daten kann ich mir nur schwer vorstellen, dass Boehringer Ingelheim die Sicherheit und Wirksamkeit der Kombination von Butylscopolamin und Metamizol und das Nutzen-Risiko-Verhältnis positiv einschätzt. Sie sprechen von eine „Buscopan®-Familie“, zu der auch das kritisierte Buscopan® Compositum 3 zählt. Hier trennen Sie nicht zwischen Mono- und Kombinationspräparate, was für mich bezüglich einer pharmakologischen Bewertung unzulässig ist. Zum Thema Metamizol füge ich meinem Schreiben Anlagen bei, die Ihren Aussagen bezüglich des Sicherheitsprofils von Metamizol entgegenstehen. Ihr Fazit eines positiven Nutzen-Risiko-Profils beziehen Sie wiederum auf Mono- und Kombinationspräparate. Meines Erachtens können Sie anhand der von Ihnen zitierten Studien nicht von einem wissenschaftlich bestätigten positiven Nutzen-Risiko-Profil sprechen. Besonders kritisch beurteile ich Ihr Werbeverhalten, z. B. in Brasilien: Dort geben Sie an, dass „Buscopan ® Composite ist ein Kombinationspräparat sei, das aus zwei Wirkstoffne mit nachgewiesener therapeutischer Wirkung bestehe, die schnell und anhaltend Krämpfe, Bauchschmerzen und Bauchbeschwerden lindern“ (http://www.buscopan.com.br/produtos/buscopan-composto.html). Insofern bewerben Sie Ihr Arzneimittel für eher banale Beschwerden und nicht in den Anwendungsgebieten, für die die Einzelwirkstoffe in Deutschland leitliniengerecht eingesetzt werden. Auf die Inhalte der Fernsehsendung gehe ich nicht weiter ein. Ich hoffe sehr, dass meine Ausführungen und die anhaltende Kritik von verschiedensten Organisationen und anerkannten Fachleuten Ihre Firma zu einem Umdenken bewegen. Sie können Metamizol ohne weiteres durch ein verträglicheres Analgetikum ersetzen oder gegebenenfalls Kombipackungen auf den Markt bringen, die jeweils Tabletten mit Einzelwirkstoffen enthalten, die dann entsprechend der Symptomatik angewendet werden. Allerdings bleibt die fragliche Wirksamkeit von Butylscopolamin bei oraler Anwendung weiterhin bestehen. Zusammengefasst komme ich zu dem Ergebnis, dass Ihr Schreiben nicht zur Klärung bestehender Differenzen bezüglich der Beurteilung von Buscopan® Compositum/Buscopan® Composto geführt hat. Meines Erachtens sollte Ihre Firma zügig an diesem Thema arbeiten, um den Glaubwürdigkeitsverlust eines internationalen Pharmaunternehmens nicht noch größer werden zu lassen. Mit freundlichen Grüßen Frauke Repschläger, Beratungsapothekerin, Bonn 12.11.2012 4