Musik ein Ausdruck des Lebens und ein Hilfsmittel in der Beratung

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Musik
ein Ausdruck des Lebens und ein Hilfsmittel in der Beratung
BTS - Abschlussarbeit
Andrea Lintermann
Südfeld 20
29227 Celle
Celle, den 17.03.2014
Seite
Inhaltsangabe
Praeludium
Warum ich dieses Thema wähle
2
1. Musik auf der Erde
1.1. Tiere
1.2. Pflanzen
1.3. Sterne, Meer, Vulkane
3
4
5
2. Musik in der Bibel
2.1. Sänger und Musiker der Bibel
2.2. David
2.3. Die Psalmen
6
7
8
3. Musik und Mensch
3.1. Musik hören und erleben
3.2. Musik machen
3.2.1. Entwicklung der Stimme
3.2.2. Musizieren lernen
3.2.3. Gemeinsam musizieren
3.3. Musik und Emotion
3.4. Musik und Gesundheit
10
12
13
14
15
18
4. Musik angewandt im ABPS Modell
4.1. Fallbeispiel
20
24
5. Ausklang
26
6. Anhang
6.1. Musikinstrumente der Bibel
6.2. Textstellen säkularer Musik im alten Israel
6.3. Fragebogen
6.4. Auswertung der Fragebögen
6.5. Erfahrungen von Menschen mit Musik
6.6. Musikzitate
28
30
31
34
49
52
7. Quellenverzeichnis
54
1
Präludium
Warum ich dieses Thema wähle
Soweit ich zurückdenken kann, gehört Musik zu meinem Leben. In meiner Herkunftsfamilie
wurde viel gesungen. Schon früh habe ich mit Mutter und Oma mehrstimmig gesungen.
Als Kind lernte ich Blockflöte spielen, danach klassische Gitarre.
Das Gitarrespielen verlor seinen quälenden Übungscharakter, als ich lernte mit Akkorden
meinen Gesang oder den einer Gruppe zu begleiten. Hier fand ich mein Ventil, konnte meine
Gefühle zum Ausdruck bringen, die ich gerade als Jugendliche schwer zeigen konnte.
Wut und Aggression genauso wie Trauer, Freude und Dank habe ich entweder nur mit dem
Instrument, oder auch verknüpft mit Gesang ausdrücken können.
Die Musik variierte je nach Stimmung und, heute muss ich sagen, auch nach Lebensalter.
Musik hat mir geholfen, einen für mich guten Weg des Lebens zu finden.
Auch andere Menschen lassen sich über diesen Weg ansprechen, sei es in Altersheimen, auf
Festen und auch Beerdigungen.
Zu aktiven Krankenschwesterzeiten sang ich manches Mal abends auf der Station. Viele
Zimmertüren öffneten sich, wenn ich mit der Gitarre Lieder von Gottes Liebe und seinen
Zusagen zu uns sang. Manches Gespräch entwickelte sich, das sich wohl ohne die Musik so
nicht ergeben hätte.
Musik kann also kommunikationsfördernd sein. Wenn dann noch Texte transportiert werden,
die die Situation eines Menschen treffen, kann daraus Hilfe werden, bei behutsamem
Vorgehen.
Da ich mit Musik viele positive Erlebnisse verbinde, stellen sich mir aber auch viele Fragen.
Sind wir Menschen die einzigen Geschöpfe, die Musik machen?
Was sagt die Bibel zu Musik und ihrer Wirkung?
Ist Musik für jeden Menschen so erlebbar wie für mich und wie sehen Wissenschaftler und
Mediziner die Wirkung der Musik auf den Menschen?
Um diese Fragen zu beantworten, habe ich einige Bücher gelesen und im Internet geforscht.
Längst nicht alles kann in dieser Arbeit angeführt werden, da es den Rahmen sprengen würde.
So habe ich mich für die Aussagen entschieden, die mir am interessantesten erschienen.
Gerade auch im Hinblick auf die Beratungssituation und um Thesen zu entwickeln, wie
Musik anhand des ABPS – Modells wirksam genutzt werden kann.
Während der Vorbereitungszeit zu dieser Arbeit bin ich mit vielen Menschen ins Gespräch
gekommen über das Thema „Musik“.
Ich danke allen, die mir den kurzen Fragebogen zu diesem Thema ausgefüllt haben. Ihr habt
meinen Blick geweitet. Das Spektrum der Erfahrungen ist nicht auf mein Erleben begrenzt.
Ich freue mich jeden Tag neu über das Geschenk der Musik, das Gott uns Menschen gemacht
hat. Ihm zur Ehre will ich leben und singen, so wie es schon Paul-Gerhard sagte:
„Du meine Seele singe, wohlauf und singe schön
dem welchem alle Dinge zu Dienst und Willen stehn!
Ich will den Herren droben hier preisen auf der Erd.
Ich will ihn herzlich loben, solang ich leben werd.“
300 Jahre später beschreibt Manfred Siebald es folgendermaßen:
„Hört – hört ihr nicht die Lieder um euch her?
Hört – ihre Worte rauschen wie das Meer.
Lieder kommen, Lieder gehen.
Von dem Liedertreiben wird nur eines bleiben:
Singt das Lied der Lieder von dem Herrn der Herren.
Gebt ihm die schönsten Melodien.
2
Singt es immer wieder, spielt es ihm zu Ehren.
Gebt das Beste, was ihr habt, für ihn.“
1. Musik auf der Erde
Der Gesang der Vögel, das Summen der Käfer, munteres Wellengemurmel, das leise Getön
der Frühlingslüfte, all das geheimnisvolle Regen und Weben der neugeschmückten Erde –
welch himmlische Musik! Das aufmerksame Ohr hört da die wundervollsten Symphonien,
Hymnen, Lieder und Chöre, wie sie kein Mensch noch nachgedichtet.
Hugo Wolf (1860-1903; österr.-slow. Komponist u. Musikkritiker)
1. Tiere und Musik
Singvögeln ist das absolute Gehör angeboren. Der Vogelforscher Karl Eduard Linsenmaier
hat festgestellt, dass Vögel Melodien in den verschiedenen Tonarten wieder erkennen.
Auch Otto Abraham (1872-1926, Psychologe) untersuchte das absolute Gehör und stellte bei
seinem Papagei fest: „ Ich hatte einen Papagei, dem ich Lieder stets in derselben Tonart vorpfiff; er war so gelehrig, die Melodien bald nachpfeifen zu können, und zwar ebenfalls
immer in derselben Tonart […]. Nur einmal fing er diese Töne zu hoch zu pfeifen an, brachte
aber nur drei Töne hervor und fing dann wieder von vorn an in der richtigen Tonhöhe […].“1
Die Fähigkeit, komplexe Melodien zu produzieren, ist den Singvögeln angeboren. Sie
beherrschen mehrere „Lieder“, die sich aus einzelnen Phrasen zusammensetzen. Diese musikalischen Bausteine setzt der Vogel immer wieder anders zusammen.
Ornithologen fanden heraus, dass das Repertoire eines älteren Vogels größer ist, als das eines
Jüngeren. Auch stellten sie fest, dass vorwiegend männliche Vögel singen, um ihr Revier zu
verteidigen und um zu balzen.
Hier hat das Singen einen klaren kommunikativen Charakter.2
Konrad Lorenz (1903-1989, österr. Zoologe u. Verhaltensforscher bei Tieren) vertrat die
Auffassung, dass Vögel ihr Allerbestes geben, wenn sie im seelischen Gleichgewicht
spielerisch vor sich hinsingen.
3
1
Spitzer, Manfred: Musik im Kopf, Schattauer Verl. 2002, S.230f.
Lehmann, Christian: Der genetische Notenschlüssel, F.A.Herbig, 2010, S.29
3
Lehmann, Christian: Der gen. Notenschlüssel, S.32
2
3
Komponisten zu verschiedensten Zeiten haben sich von Vogelstimmen inspirieren lassen, z.B.
Antonio Vivaldi(1678-1741): in den vier Jahreszeiten lässt er zu Beginn des Frühlings drei
Violinen sehr naturgetreu ein zwitscherndes Vogeltrio darstellen.
Jacob van Eyck (1590-1657) komponierte für Sopranblockflöte eine Variation mit dem
Namen: „die englische Nachtigall“.
Unzählige Beispiele ließen sich hier noch anführen.
Aber nicht nur die Vögel singen.
Auch Wale und Delphine haben auch die Fähigkeit des Gesangs.4
Roger und Katherine Payne untersuchten jahrzehntelang Buckelwale und haben
nachgewiesen, dass diese komplexe, musikalisch gegliederte Gesänge von sich geben.
Während der Paarungszeit singen vorwiegend die Männchen.
Buckelwale bewohnen alle Weltmeere und die Gesänge unterscheiden sich geografisch. Es
gibt also unterschiedliche Dialekte.
Auch unter den Affen gibt es Arten, wie die Familie der Gibbons, die oft lang anhaltende
Gesänge ertönen lassen. Allerdings fehlt ihnen die Fähigkeit der stimmlichen Nachahmung.
Sie singen genetisch programmierte Muster.
Das ist der wesentliche Unterschied zum Gesang der Vögel, Buckelwale und des Menschen.
Die Wirkung der Musik auf Tiere ist in vielen Bereichen nachgewiesen.
Klassische Musik beruhigt den Dackel, während Heavy Metal Hunde nervös macht.
In der Fernsehsendung „Wetten dass“ zeigte der Hornist Werner Kohlbecker, dass auch Kühe Musik mögen. Musik wird von manchen Milchbauern eingesetzt, um die Leistung ihrer Kühe
zu steigern. Dies ist aber nicht wissenschaftlich belegt.
Deborah Wells (Psychologin an der Queens University Belfast)5 spielte Zoo-Elefanten Musik
vor (Mozart, Beethoven, Händel) und bewirkte damit, dass die Tiere weniger
Bewegungsstereotypen zeigten.
Ähnliche Versuche unternahm sie mit Hunden. Hier zeigte klassische Musik eine
entspannende Wirkung, während Popmusik keine Verhaltensänderung hervorrief.
6
1.1. Pflanzen
Singende Pflanzen kennen wir nicht, aber Musik hat Wirkung auf Pflanzen. Forschungen
haben gezeigt, dass Pflanzen auf Laute reagieren. Ihr Allgemeinzustand wird beeinflusst, wie
auch Wachstumsgeschwindigkeit und Größe.
Der französische Physiker und Musiker Joel Sternheimer entdeckte, welche Mechanismen bei
Pflanzen durch Schallwellenstimulation in Gang gesetzt werden.
Sternheimer komponierte wachstumsfördernde Klangfolgen und hat dafür ein internationales
Patent beantragt.
Jeder einzelne Ton ist so ausgewählt, dass er einer Aminosäure in einem Protein entspricht, so
dass die gesamte Melodie dem ganzen Protein entspricht.
Die Töne bilden also eine Melodie, die mit der inneren Struktur einer bestimmten Pflanze
harmonisiert. Sternheimer behauptet, dass so Pflanzen mehr von diesem Protein produzieren.
Er schreibt auch Melodien, die die Synthese von Proteinen unterbinden. Man könnte also bei
erwünschten Pflanzen das Wachstum anregen und es bei unerwünschten Pflanzen, wie
Unkraut, hemmen.
4
Lehmann, Christian: Der genetische Notenschlüssel, F.A.Herbig 2010, S.33ff.
www.welt.de/wissenschaft/tierwelt/article2744827
6
Blog.zentrum-der-gesundheit.de/2006-09-26-die erstaunlichste…..
5
4
Anhand eines Experimentes mit Tomaten zeigte Sternheimer, dass die Pflanzen, denen seine
Melodie vorgespielt wurden, 2 1/2 mal so groß waren wie die Unbehandelten.
Welche Möglichkeiten werden sich ergeben, wenn dieses Gebiet weiter erforscht wird?
1.2.Sterne, Meer, Vulkane…7 8
Forscher haben im Atlantik bizarre Geräusche aufgefangen, die sich über tausende von
Kilometern ausbreiten.
Der geisterhafte Gesang stammt von Eisbergen und ist den Geräuschen von Vulkanen
verblüffend ähnlich. Sie klingen wie dumpfe Schläge, trauriges Wimmern. Forscher gehen
davon aus, dass die Signale Resultat elastischer Vibrationen sind: Wasser wird mit hohem
Druck durch die Tunnel und Risse im Innern des Eisbergs gepresst und versetzt die Wände in
Schwingungen.
Auch im Weltall finden sich Töne. Die Raumsonde „Cassini“ hat Klänge vom Saturn aufgezeichnet, die an den Gesang von Delfinen oder an ein schlagendes Herz erinnern.
Der Astrophysiker Donald Wayne Kurtz (University of Central Lancashire) untersucht die
Klänge von Sternen. Sterne vibrieren immer ein wenig und senden so Schallwellen aus –
genau wie Musikinstrumente.
Die Frequenzen sind für das menschliche Gehör zu klein. Deshalb hat man die Frequenzen
erhöht, um die Klänge der Sterne hörbar zu machen.
Viele andere Beispiele lassen sich finden.
Ich entdecke ganz viel Musik in der Schöpfung, sei es das Singen der Vögel, das Prasseln des
Regens, das Rauschen des Windes oder auch die Klänge des Wassers vom kleinen Bach, über
den Fluss, dem Wasserfall und das Meer mit seinen Wellen, die an den Strand rollen oder
gegen Felsen schlagen und dabei einzigartige Töne erzeugen.
Wir leben in einer großartigen Schöpfung voller Musik.
7
8
www.spiegel.de/wissenschaft/natur/das-singen-der-eisberge
www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/kosmisches-konzert-raumsonde-hoert-gesang-des-saturn-a-333707
5
2. Musik in der Bibel
Das ist ein köstlich Ding, dem Herrn danken und lobsingen deinem Namen, du Höchster,
des Morgens deine Gnade und des Nachts deine Wahrheit verkündigen,
auf dem Psalter mit zehn Saiten, mit Spielen auf der Harfe. Ps.92,2-4
2.1. Sänger und Musiker der Bibel
Schon im AT wird das Musizieren immer wieder beschrieben.
Wenn wir die Liste der in der Bibel genannten Musikinstrumente betrachten, muss Musik
auch zu biblischen Zeiten eine große Rolle gespielt haben.
Hier nur einige Beispiele, die ganze Liste aus dem Bibellexikon ist im Anhang zu finden.9
Alamoth (Ps.46,1), vermutlich ein Instrument, das hohe Soprantöne hervorbrachte.
Halil = Flöte (1.Kön.1,40; Jes.5,12), Blasinstrument, das aus einem Rohr, hohlen Holzstock
oder Knochen gefertigt wurde.
Kinnor = Harfe (1.Mo.4,21; 1.Chron.15,16; Jes.5,12 u.a.), ein Saiteninstrument, wobei die
Anzahl der Saiten unbekannt ist.
Neben den Psalmen finden sich einige Textstellen, die als Lieder gekennzeichnet sind.
Im Alten Testament:10
Lobgesang des Mose – 2.Mose 15,1-19
Lobgesang des Mose – 5.Mose 32,1-43
Siegeslied Deboras und Baraks – Richt.5,2-31
Lobpreis der Hanna – 1.Sam.2,1-10
Lobgesänge des Jesaja – Jes.12,1-6; 26,2-21
Lobgesang des Hiskia – Jes.38,10-20
Lobpsalm des Jona – Jona2,3-10
Psalmgebet des Habakuk – Hab.3,2-19
Gesang der drei Männer im Feuerofen – apokryphischer Einschub zu Daniel
Im Neuen Testament:
Lobgesang der Maria – Lk.1,46-55
Lobgesang des Zaccharias – Lk.1,68-79
Lobgesang des Simeon – Lk.2,29-32
Singen war in Israel fester Bestandteil der Gesellschaft.
Es gab Wiegenlieder der Mütter, wie Gesänge der Handwerker und Musik auf Festen.
Eine Übersicht der Bibelstellen zu säkularer Musik im alten Israel befindet sich im Anhang.
Das Hohelied im AT ist eine Sammlung von Liebes- und Hochzeitsliedern, die König Salomo
gedichtet hat.
9
Hennig, Kurt: Jerusalemer Bibellexikon, Haenssler Verl.1990, S.615f.
Heizmann, Klaus: Reden ist Silber Singen ist Gold, Brockhaus 1990, S.181f.
10
6
Musik gehörte zum damaligen Leben selbstverständlich dazu, sodass Jesus in einem Gleichnis
davon spricht: „[…] Und als der ältere Sohn kam und sich dem Haus näherte, hörte er Musik
und Reigen […]“ (Lk.15,25).
Bei der Feier des Abendmahls heißt es in Mt.26,30:“Und als sie ein Loblied gesungen hatten
[…]“.
Jesus und seine Jünger haben gesungen, an dieser Stelle liturgisch, aber auch im Tempel und
auf Festen.
Paulus schreibt in Kol.3,16 (und ähnlich in Eph.5,19+20): „Das Wort des Christus wohne
reichlich in euch; in aller Weisheit lehrt und ermahnt euch gegenseitig! Mit Psalmen,
Lobliedern und geistlichen Liedern singt Gott in euren Herzen in Gnade.“
Jakobus empfiehlt im 5.Kap. seines Briefes in Vers 13:“Leidet jemand unter euch? Er bete. Ist jemand guten Mutes? Er singe Psalmen.“
So finden wir in der Bibel zahlreiche Angaben über Menschen die sangen und/oder ein
Instrument spielten.
Ein Mensch findet besondere Erwähnung:
2.2 David – Sänger und König11
David wird nach seiner Salbung an den Königshof gerufen, weil er die Zither spielen kann.
1.Sam.16,23: „Und es geschah, wenn der Geist von Gott über Saul kam, nahm David die
Zither und spielte mit seiner Hand. Und Saul fand Erleichterung und es ging ihm besser.“
Viele Psalmen der Bibel hat David verfasst und er spricht sehr ehrlich über seine
Schwachheit, seine Hilfsbedürftigkeit und über die Größe seines Gottes.
David ließ Instrumente anfertigen, um Gott zu loben: „[…] die den Herrn loben mit den
Instrumenten, die ich zum Loben gemacht habe.“ (1.Chron.23,5)
David beauftragt Asaf und seine Brüder ein Dankeslied zu singen in 1.Chron.16,7-36.
Als David die Lade Gottes in die Stadt holte, heißt es in 2.Sam.6,14+15: „Und David tanzte
mit aller Kraft vor dem Herrn […] So brachten David und das ganze Haus Israel die Lade des
Herrn hinauf mit Jauchzen und mit Hörnerschall.“
David organisierte auch die Tempelmusik.12
In 1. Chron.25,1-7 beruft er Menschen zum Dienst mit Zithern, Harfen und Zimbeln, um den
Herrn zu preisen und zu loben.
Folgendes Bild stellt die Tempelmusik vor:
11
12
Heizmann, Klaus: Reden ist Silber Singen ist Gold, Brockhaus 1990, S.160ff
Heizmann, Klaus: Reden ist Silber, Singen…. S.169
7
Von Davids Liebe zur Musik und seinem Musikverständnis haben die Menschen nach ihm,
bis heute, profitiert.
Seine Psalmen haben Komponisten und Dichter zu eigenen Werken angeregt.
2.3 Die Psalmen
Die Sammlung der Psalmen trägt im Hebräischen den Namen „Tellihim“ = Loblieder, Lobpreisungen.
Die griechische Übersetzung nennt sie „Psalmoi“, abgeleitet vom Verb „psallein“ = zur Laute singen. Das weist auf instrumentelle Begleitung hin.13
Die Psalmen sind Lieder und Gebete von verschiedenen Autoren zu unterschiedlichen
Anlässen verfasst.
Der Psalter ist vergleichbar mit unserem heutigen Gesangbuch. Er wurde im
Synagogengottesdienst angewandt, aber auch vom einzelnen Beter.
Von den 150 Psalmen hat David 73 verfasst.
Der Psalter ist in fünf Bücher gegliedert. Jedes Buch schließt mit einem Lobpreis.
1. Buch: Psalm1-41
2. Buch: Psalm42-72
3. Buch: Psalm 73-89
4. Buch: Psalm 90-106
5. Buch: Psalm107-150
Die Themen der Psalmen sind vielfältig und ihre Sprache ist sehr anschaulich.
In vielen Psalmen erkennen wir einen Refrain, z.B. in Ps.46,8+12 und Ps.42,6+12
13
Elberfelder Studienbibel, Brockhaus 2. Auflage 2010, S.646
8
Der Psalmsänger drückt meist seinen geistlich-seelischen Zustand aus:
Im Lob (Ps.103), mit der Klage (Ps.74), im Bitten (Ps.71), in Buße (Ps.51/130), im Rühmen
der Taten Gottes (Ps.106) und durch Anbetung (Ps.100).
Das alles sind vereinzelte Beispiele der Vielfalt von Gesängen und Gebeten zur Zeit des AT
und NT.
Noch heute haben die Psalmen Wirkung und sprechen Menschen Kraft und Trost zu, auch
wenn uns die ursprüngliche Art mit dem Gesang zu den Worten fehlt.
Ein paar Verse aus Ps.16 spiegeln etwas von der tiefen Beziehung des Sängers zu Gott
wieder, die ich auch für mich in diesen Versen erlebe:
„Beschütze mich, Gott, denn dir vertraue ich! Du bist mein Gott, mein ganzes Glück!
Du, Herr, bist alles, was ich habe; du gibst mir alles, was ich brauche. In deiner Hand liegt
meine Zukunft. Was du mir gibst, ist gut. Was du mir zuteilst, gefällt mir. Ich preise den
Herrn, denn er hilft mir, gute Entscheidungen zu treffen. Tag und Nacht sind meine Gedanken
bei ihm.
Ich sehe immer auf den Herrn. Er steht mir zur Seite, damit ich nicht falle. Darüber freue ich
mich so sehr, dass ich es nicht für mich behalten kann. Bei dir, Herr, bin ich in Sicherheit.
Du zeigst mir den Weg, der zum Leben führt. Du beschenkst mich mit Freude, denn du bist
bei mir. Ich kann mein Glück nicht fassen, nie hört es auf.“ (Ps.16,1+2+5-9+11)
9
3. Musik und Mensch
Musik beginnt da, wo das Wort unfähig ist, auszudrücken.
Musik wird für das Unaussprechliche geschrieben; ich möchte sie wirken lassen, als ob sie
aus dem Schatten herausträte und von Zeit zu Zeit wieder dahin zurückkehrte; ich möchte sie
immer diskret auftreten lassen.
Claude Debussy
3.1. Musik hören und erleben
Musik hören und erleben hat mit meinem Körper, vor allem aber mit meinem Gehirn zu tun.
Die Schallwellen, die durch Gegenstände, z.B. Instrumente, erzeugt werden, gelangen auf
dem Weg über die Ohrmuschel – Gehörgang – Innenohr – und einer Umwandlung in Impulse
zum Gehirn. Dort werden sie gespeichert und wir können etwas wiedererkennen, eine
Melodie zum Beispiel.
Das Buch „Musik im Kopf“, vom Neurologen Manfred Spitzer geschrieben, beschreibt sehr
anschaulich, wie diese Vorgänge funktionieren, und ist auch für Nichtmediziner lesbar.
Eine Abbildung der menschlichen Hirnhälften in seinem Buch zu diesem Thema, fand ich
sehr interessant.14
Wie ein Mensch Musik hört und erlebt, ist abhängig von vielen Dingen, u.a. von einem
gesunden Sinnesorgan (Ohr), von Vorerfahrung im Bereich Musik, kultureller Prägung, usw.
Spitzer schreibt dazu: „Musiker verarbeiten Musik tiefer als Nicht-Musiker. Je besser man
sich in einem bestimmten Sachgebiet auskennt, umso genauer verarbeitet man eine dieses
Sachgebiet betreffende Information. Der Laie spaziert durch den Wald und sieht grüne
Bäume; der Maler läuft durch den gleichen Wald und sieht Schattierungen von Grün und
Braun, in den unterschiedlichsten Tönen und Lichteinfällen, Brechungen und Reflexen; der
Botaniker sieht Baumarten, Farne, Kräuter und Moose. Fachleute zeichnen sich somit dadurch
14
Spitzer, Manfred: Musik im Kopf, Schattauer 2002, S.310
10
aus, dass sie eingehende Informationen mit sehr vielen bereits vorhandenen Informationen
verknüpfen.“15
Musik beinhaltet viele Aspekte, nicht nur das reine Wahrnehmen, also Hören von Musik,
sondern auch Rhythmus und Tanz, Bewegung der Hände, Muskeln, die die Stimme stützen
u.a.
Weiterhin gehören unsere Reaktionen auf Musik dazu, unsere Emotionen und Erinnerungen
an Menschen und Erlebnisse. An Musik sind die unterschiedlichsten Gedächtnissysteme
beteiligt. Daher kann man sagen, dass Musik vom ganzen Gehirn gemacht und verarbeitet
wird, wie es in der folgenden Übersicht deutlich wird (von Tramo MJ 2001 Music of the
hemispheres). Dr. Mark Tramo ist Neurologe und Direktor des Institutes für Musik- und
Gehirnforschung in den USA.16
Es gibt also nach neuesten Forschungen nicht das Musikzentrum in unserem Gehirn.
Fast jeder Mensch kann beim Hören von Musik ohne Anstrengung Melodien, Harmonien und
Rhythmen erkennen.
Dabei helfen ihm gespeicherte Informationen früherer Musikerlebnisse, die manchmal auch
eine bestimmte Stimmung auslösen können.
Der ganze Körper ist beteiligt. So trägt auch das ganze Gehirn zur Musikwahrnehmung bei.
15
16
Spitzer, Manfred: Musik im Kopf, Schattauer 2002, S. 187
Spitzer, Manfred: Musik im Kopf, S. 209
11
3.2. Musik machen
Menschen singen und musizieren allein, aber auch gemeinsam zu den unterschiedlichsten
Anlässen.
Musik war in frühester Zeit ein fester Bestandteil von Festen, Arbeit, Ritualen, Gottesdiensten
u.a. Sprache und Gesang hingen früher viel enger zusammen, es gab die sog. Sprechgesänge.
Wir reden beim Sprechen vom „Klang der Stimme“. Mancher Klang ist uns sympathisch und berührt uns, während andere uns unangenehm sind.
Die Stimme trägt zum Musikmachen bei, deshalb gehe ich kurz auf die Entwicklung der
Stimme ein.
3.2.1. Entwicklung der Stimme17
Die menschliche Stimme besteht aus einem Energiespeicher, den Lungen; einem Erzeuger
von Schwingungen, den Stimmbändern; und einem Resonanzhohlkörper, der sich aus
Kehlkopf, Rachen und Nasennebenhöhlen zusammensetzt.
Töne werden erzeugt durch das Anspannen der Stimmbänder. Die ausströmende Atemluft
versetzt die Stimmbänder in Schwingungen. Soll ein Ton hoch sein, dann muss die Spannung
der Stimmbänder stärker werden.
Der „schöne Klang“ eines Tones entsteht durch das harmonische Zusammenspiel der Muskulatur (Bauch-, Beckenboden, Zwerchfell, Zwischenrippen, Zunge, Kiefer), das
Ausnutzen aller Resonanzräume (Kehlkopf, Rachen, Nasenhöhle) und der Ausatmung.
Beim neugeborenen Säugling sind die Stimmbänder 3mm lang, bei der erwachsenen Frau
9-13mm und beim Mann 15-20mm. Je länger die Stimmbänder sind, desto tiefer kann die
Stimme klingen.
Mit dem ersten Schrei des Säuglings beginnt die Stimmentwicklung, die bis ins Alter
veränderbar ist. Säuglinge lallen und schreien und erreichen dabei mühelos das
dreigestrichene C. Aus nicht definierbaren Lauten und Silben geben sie Melodien von sich,
die weltweit bei Säuglingen ab dem 7. Lebensmonat beobachtet werden. Meist ist der
Melodieverlauf hier von oben nach unten.
Ab dem 2. Lebensjahr ist beim Kleinkind deutlicher etwas Singmäßiges zu hören. Oft mit
Bewegung verbunden, meist ohne Text, singen sie vor sich hin. Hier ändert sich der
Melodieverlauf, es kommen aufsteigende Tonfolgen dazu.
Wenn die Milchzähne verloren gehen und die zweiten Zähne durchbrechen, verändert sich die
Kleinkindstimme und wird fester.
Miteinander reden, singen und vorlesen sind im Kindesalter wichtige Stimmbegleiter als
Vorbilder zur Orientierung und eigenen Stimmentwicklung.
Bei Jungen und Mädchen tritt mit der Geschlechtsreife der sog. „Stimmbruch“ ein.
Danach gewinnt die Mädchenstimme an Volumen, während die Jungenstimme eine Oktave
tiefer klingt.
Auch danach entwickelt sich die Stimme weiter und es liegt an uns, wie wir sie pflegen und
unterstützen.
In vielen Berufen muss der Mensch lange und evtl. laut reden. Wenn er auch im Alter noch
Freude an seiner Stimme haben will, ist es gut zu lernen, mit welchen unterstützenden
Maßnahmen er sie erhalten kann.
Dazu gehören Atemtechniken, Muskeleinsatz von Bauch- und Beckenboden und
Stimmbandlockerungsübungen.
Als Erwachsener ist es nie zu spät, etwas für seine Stimme zu tun.
17
Heizmann, Klaus: Reden ist Silber Singen ist Gold, Brockhaus 1990, S.81ff
12
3.2.2. Musizieren lernen
Geht es darum, selber zu singen oder ein Instrument zu spielen, ist hier das Vorbild der Eltern
der wichtigste Faktor, Kinder anzuregen, Musik zu machen. Nach den Eltern haben auch
Erzieherinnen und Lehrer Vorbildfunktion.
Frau Helga de la Motte, Musikwissenschaftlerin, hat folgende Forschungsergebnisse in ihrem
Buch: „Handbuch der Musikpsychologie“ (Laaber 1985), veröffentlicht.18
Eltern
musikalisch
Kinder
etwas musikalisch
beide musikalisch
85,6%
6,5%
7,9%
einer musikalisch
58,6%
15,0%
26,4%
unmusikalisch
25,4%
15,9%
58,7%
unmusikalisch
Das Vorsingen oder –spielen trägt mehr Früchte als das Warten auf die Entfaltung
musikalischer Gaben.
Unter diesen Aspekten wäre es wünschenswert, in der Ausbildung von Erziehern und Lehrern
auch einen musikalischen Schwerpunkt zu setzen.
In vielen Bereichen werden Lieder viel zu tief angestimmt, was gerade für Kinderstimmen
sehr ungünstig ist.
Im Musikunterricht wird mehr Theorie und Musikgeschichte vermittelt, als praktische
Anwendung von Instrumenten und Stimme.
Bei den Griechen des Altertums war Musik ein wichtiger Bestandteil der Welt und des
gesellschaftlichen Lebens. Im Bildungssystem stand Musik neben der Gymnastik.
Der griech. Philosoph Platon schrieb dazu, dass das Eine gut für den Körper sei, das Andere
für den Geist; für die richtige Erziehung brauche es beides wohldosiert.19
Bis weit ins Mittelalter hielt sich die Einteilung der Bildung in die hohen Künste: Musik,
Arithmetik, Geometrie und Astronomie, und den niederen Künsten: Grammatik, Rhetorik und
Logik (nieder, weil sie nur mit Worten zu tun hatten).
Wenn Eltern mit ihren Kindern singen und musizieren, ist das mehr als nur Üben. Die Kinder
erleben, dass gemeinsames Musizieren Freude bereitet, und das ist eine größere Motivation,
mit ihrem Instrument zu üben, als das Ziel, spielen zu können wie ein Profimusiker.
Beginnen Menschen zu musizieren, sollten sie die Töne echt, körperlich, erleben: Die Luft
aus den Lungen, das Vibrieren der Saiten an den Fingern, das Hören der eigenen Stimme.
Alles handgemacht, nicht elektronisch erzeugt.
Hat jemand handgemachtes Musizieren erlernt, kann er auch auf Elektronisches umsteigen.
Musizieren lernen ist eine Übungssache. Es muss der Wunsch bestehen, eine Sache wirklich
zu können. Ebenso wirkt sich die musikalische Vorerfahrung in Familie, Kindergarten und
Schule positiv auf diesen Wunsch aus. Daraus folgt der Wille zum Üben.
Begleitet und korrigiert wird der Übende am besten von jemandem, der sein Handwerk
versteht und den Schüler weder über-, noch unterfordert.
18
19
Heizmann, Klaus: Reden ist Silber Singen ist Gold, Brockhaus 1990, S.91
Spitzer, Manfred: Musik im Kopf, Schattauer 2002, S. 8
13
Das Wichtigste bei allem Musizieren lernen sollte nicht die Perfektion sein, sondern die
Musik selbst.
Musik, die ich mit Stimme oder Instrument machen kann; Töne, die mich und andere
bewegen; Musik, die in allen Sprachen und Völkern vorkommt.
Einfach Musik!
3.2.3
Gemeinsam musizieren
Laut Manfred Spitzer20 ist Musik eine gemeinschaftliche Aktivität.
Sicher kann man allein singen oder ein Instrument spielen, aber ihre eigentliche Funktion
entwickelt die Musik in der Gemeinschaft.
In meinem Fragebogen (s. Anhang, S.31ff) haben die meisten Befragten auf die Frage: “Was löst gemeinsames Singen bei Ihnen aus?“ geantwortet: „Gemeinschaftsgefühl,
Dazugehörigkeit, Einssein und Freude.“
Mache ich alleine Musik, kann auch das Freude und Entspannung auslösen, aber das Gefühl
der Gemeinschaft, ein Teil des Ganzen zu sein, fehlt.
Um das gemeinsame Musizieren als positiv zu erleben, ist die Motivation des Einzelnen
gefragt. Sobald es nicht mehr um die Musik, sondern um persönliche Eitelkeiten und/oder
Macht geht, kann die Harmonie, das Gemeinschaftsgefühl und damit auch der entstandene
Klang darunter leiden.
Jeder einzelne Musiker ist wichtig und braucht diese Wertschätzung: „Mein Tun wird wahrgenommen.“
Das gemeinsame Musizieren fördert das Hören auf die anderen und das Eingliedern meiner
Stimme, oder meines Instrumentes in den Gesamtklang, ohne zu laut oder zu leise zu sein.
Klaus Heizmann, Komponist und Dirigent schreibt dazu: „Wer singt, der hört. Wer hört, der lernt, wird nachdenklicher, besonnener, abwägender und ausgewogener. Der Hörende sieht
und denkt nicht nur an sich selbst. Das aufrichtig hörende Ohr wird immer in der Lage sein,
das richtige Gleichgewicht zwischen sich und dem Gegenüber herzustellen. Das Ohr trennt
nicht, sondern eint […].
Durch das Singen und Musizieren wird unser inneres und äußeres Hören sensibilisiert und
verfeinert. Es kommt dadurch dem eigentlichen Schöpfungssinn Gottes näher […].
Wenn Gott unser Hörorgan zehnmal so sensibel wie das Sehorgan geschaffen hat, gibt das zu
denken. Der horchende, zuhörende und in sich hineinhörende Mensch sieht letztlich sich und
seinen Nächsten mit anderen Augen. So sollte jeder Mensch mit seinem Hörorgan behutsam
umgehen, es bewusst „erleben“ und durch das Singen und Musizieren sinnvoll ertüchtigen.“21
Je öfter wir gemeinsam musizieren, desto besser lernen wir das harmonische Eingliedern in
den Chor, das Orchester, Band oder Hausmusik.
Da Instrumente unterschiedlich laut sind, gibt es für ein Orchester eine sich daraus ergebende
Aufstellung.
20
21
Spitzer, Manfred: Musik im Kopf, Schattauer 2002, S. 339
Heizmann, Klaus: Reden ist Silber Singen ist Gold, Brockhaus 1990, S. 36f.
14
22
Aber auch hier hat noch jeder Musiker Variationsmöglichkeiten und kann den Gesamtklang
beeinflussen.
Gemeinsames Musizieren kann im kleinsten Rahmen und zu den unterschiedlichsten
Anlässen stattfinden. Mütter singen und sprechen mit ihrem Kind, schön, wenn sich daraus
Musik in der Familie entwickelt. Auch hier ist die Motivation eine wichtige Frage: „Wollen wir als Familie etwas gemeinsam machen, was uns auch Freude macht, oder steht die
Leistung, perfekt zu werden im Vordergrund?“ Letzteres kann die Freude am Musizieren erdrücken.
Gemeinsames Musizieren verbindet, schafft Gemeinschaft, fördert Kommunikation und die
Wahrnehmung der Musizierenden untereinander.
Hier kann ich ein freiwilliges und sinnvolles Einordnen lernen, was für jede funktionierende
Gemeinschaft in unserer Gesellschaft notwendig ist.
Gemeinsam sind wir stark.
3.3
Musik und Emotionen
Ich betrachte die Musik nicht nur als eine Kunst, das Ohr zu ergötzen, sondern als eine der
größten Mittel, das Herz zu bewegen und Empfindungen zu erregen.
Christoph Willibald von Gluck
„Musik wirkt auf unsere Emotionen!“ Dieser Aussage würde wohl kaum jemand widersprechen. Aber auch wenn dieser Satz akzeptiert ist, gibt es wenig wissenschaftliche
Untersuchungen zur Wirkung von Musik auf unsere Emotionen.
Jeder von uns hat schon erlebt, dass bestimmte Musik Erinnerungen hervorruft, positive wie
auch negative und damit verbundene Stimmungen wachrüttelt.
Musik kann stimulieren, aber auch lähmen, sie kann erfreuen und entspannen, aber auch
aggressiv machen.
Die Wirkungen der Musik beim Hören, Singen und Musizieren, betreffen den gesamten
Organismus. Musik geht „unter die Haut“. Schon das Baby im Mutterleib nimmt Stimmen, 22
Spitzer, Manfred: Musik im Kopf, Schattauer 2002, S. 340
15
Töne und Melodien wahr und erkennt das Vertraute nach der Geburt wieder. Umstritten ist,
wie lange dieses Gedächtnis hält.
Eine beruhigende Wirkung haben sog. Wiegenlieder, langsame Musikstücke, die einfach
aufgebaut sind. Diese Lieder gibt es in fast allen Kulturen, um Babys in den Schlaf zu
„wiegen“. Häufig ist dieser Gesang mit gleichmäßigen Bewegungen verbunden.
Fast alle Menschen, die meinen Fragebogen ausgefüllt haben, gaben an, dass Musik sie
entspannt, erfreut, Verkrampfungen lockert, motiviert, Impulse gibt u.a.
Generell wurden sehr viel mehr positive als negative Stimmungen genannt. Jeder Mensch
sucht sich natürlich die Musik aus, die ihm gefällt und von der er schon weiß, dass sie ihm gut
tut.
Es gibt aber auch den negativen Aspekt, wo durch eine bestimmte Musik eine Depression
verstärkt wird, oder Aggressionen hervorgerufen werden.
In dieser Arbeit liegt der Schwerpunkt auf den positiven Wirkungen von Musik.
John Sloboda, Psychologe und Direktor des Instituts zur Erforschung von Musikalität an der
Keele Universität, hat dazu Versuche durchgeführt und beschreibt: „[…] Dass Musik
insgesamt zu einer Veränderung in Richtung mehr Positivität, mehr Wachheit und mehr
Präsenz führte.“ 23
Auch stellte er fest, dass die Reaktionen verschiedener Personen auf ein Musikstück nicht
identisch waren. Generell wurden positive Veränderungen mit harmonischer Musik
verbunden.
Die Forscherin Anne Blood und Mitarbeiter gingen der Frage nach, in welchen
Gehirnregionen emotionale Antworten auf musikalische Erlebnisse verarbeitet werden. Der
genaue Versuch findet sich im Buch: „M. Spitzer – Musik im Kopf, S. 394 – 398.“
Die folgende schematische Darstellung finde ich so interessant, dass ich sie in die Arbeit
aufnehme. Es ist eine schematische Darstellung von Blood und ihrem Kollegen, dem
Neurologen Robert Zatorre (2001). Diese Darstellung zeigt durch das Erleben musikbedingter
Gänsehaut aktivierte (hellgrau), bzw. deaktivierte (schwarz) Areale des Gehirns. Mittels PET
(Positronen-Emissions-Tomografie) wurden Messungen der Hirnareale vorgenommen. Die
Auswertung ergab, dass mit zunehmender Gänsehaut die Aktivität in einigen Arealen
zunahm, in anderen aber abnahm.
23
Spitzer, Manfred: Musik im Kopf, Schattauer 2002, S. 393
16
24
Eine Zunahme z.B. fand sich im Bereich der für positive Bewertung zuständig ist. Dieser ist
auch bei Einnahme von Kokain aktiv, beim Verzehr von Schokolade mit Heißhunger oder bei
Blickkontakt mit einer attraktiven Person.
Auch Bereiche, die für Bewertungsvorgänge, Aufmerksamkeit und Bewegungskontrolle
zuständig sind, waren aktiver.
Eine abnehmende Tendenz zeigten Bereiche, die bei Angst oder unangenehmen Erfahrungen
aktiviert werden.
Daraus folgert Blood, dass Musik das Gleiche bewirkt, wie andere biologisch außerordentlich
wichtige Reize, z.B. Nahrung oder soziale Signale. Sie stimuliert das körpereigene
Belohnungssystem, das mit der Ausschüttung von Dopamin und endogenen Opioiden
einhergeht. Da gleichzeitig Angst und Aversion vermindert werden, wirkt Musik doppelt
angenehm. Zusätzlich führt Musik zur Aktivierung von Wachheit und Aufmerksamkeit und
kann so positive Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit der
Menschen haben.
Bei allen positiv geschilderten Reaktionen auf Musik darf nicht außeracht gelassen werden,
dass Musik, auch mit negativem Gedankengut verbunden, Menschen beeinflussen kann.
Macht und Musik hängen eng zusammen. So wurde und wird Musik oft zum Bestandteil der
Staatspropaganda. Musik kann also genutzt werden, um Ideologien und Weltanschauungen
eines Regimes unter das Volk zu bringen.
So versuchen auch heute Nationalsozialisten ihre Überzeugungen und Gedanken in
musikalischer Form weiterzugeben, indem sie CDs mit ihren Liedern an Jugendliche
verschenken.
24
Spitzer, Manfred: Musik im Kopf, Schattauer 2002, S. 397
17
3.4
Musik und Gesundheit
Keine Kunst wirkt auf den Menschen so unmittelbar, so tief wie die Musik.
Arthur Schopenhauer
Das AT berichtet im 1. Buch Samuel, Kap.16 (s.2.1 dieser Arbeit) von König Saul, der von
einem bösen Geist erfasst wurde und immer wenn David die Harfe spielte, „ so erquickte sich Saul, und es ward besser mit ihm.“
Das ist wohl das Urmodell der rezeptiven Musiktherapie, in der ein Mensch nicht aktiv
musiziert, sondern Musik wahrnimmt.
Hier wird Musik „nur“ gehört, was nachweislich die Stimmung des Zuhörers verändern kann,
genauso aber eine körperliche Reaktion hervorrufen kann.
Jeder Mensch nimmt Musik anders wahr. Untersuchungen belegen, dass Atmung und Puls
während des Hörens von Musik bei jeder Versuchsperson unterschiedliche Veränderungen
zeigen.
Die Haltung des Körpers kann von Musik beeinflusst werden, genauso wie eine Veränderung
der Pupillen. Anregende Musik kann zur Pupillenerweiterung führen, entspannende Musik zur
Pupillenverkleinerung. Auch Muskelaktivität lässt sich beeinflussen, z.B. nimmt die
elektrische Spannung der Beinmuskulatur bei Tanz- und Marschmusik zu.
Der portugiesische Arzt Rodericus de Castro (Hamburg, 17.Jh.) schrieb ein Werk über die
Pflichten des Arztes. Die letzten drei Kapitel widmete er der Musik:
-Musik als Sedativum
-Musik bei Schmerzen
-Musik bei Schlaflosigkeit
Eduardo Arraist, Leibarzt des port. Königs Johann IV. schrieb: „Wir wissen aus täglichen
Erfahrungen, dass die Reichen und Vornehmen, wenn sie krank sind, Musiker bei sich haben,
um durch Musik die Krankheit zu lindern.“ (Gradenwitz, Peter: Musikgesch. Israels,S.29)25
Gegen Ende des 20. Jh. hat man begonnen, Wirkungen der Musik genauer zu untersuchen.
Festgestellt wurde bei frühgeborenen und auch behinderten Kindern eine positive
Beeinflussung der Entwicklung durch musikalische Stimulation in Verbindung mit
menschlicher Zuwendung.
Ebenso nachgewiesen ist die Möglichkeit mit Hilfe von Musik in Arztpraxen oder im OP
Angst abzubauen, die Anaesthesie zu unterstützen und den Patienten während oder nach
Eingriffen zu beruhigen.
Strittig ist die Art der Musik. Sollte es die Lieblingsmusik des Betroffenen sein, oder aber ein
Stück, das aufgrund seiner musikalischen Struktur auf die meisten Menschen eine
beruhigende und pulssenkende Wirkung hat?
Eine Studie des Musikpsychologen Wolfram Goertz spricht eher für den Einsatz von Mozart
und Bach.
Der Arzt und Musikwissenschaftler Claudius Conrad hat die Wirkung von Mozarts
Klaviermusik auf schwerstkranke Menschen untersucht, die nach einer OP mit künstlicher
Beatmung auf Intensivstation lagen. Die Folge war, dass die Patienten sich entspannten, ihre
Körper eine deutlich geringere Menge des Stressbotenstoffs Interleukin 6 freisetzte, und ihre
Herzfrequenz und ihr Blutdruck so weit zurückgingen, dass die Ärzte während der
25
Heizmann, Klaus: Reden ist Silber Singen ist Gold, Brockhaus1990, S.23ff
18
Musikeinspielung und noch eine halbe Stunde danach auf die intravenöse Gabe des
Beruhigungsmittels verzichten konnten.26
Prof. Dr. med. Robert Charles Behrend (AKH Hamburg-Harburg) entwickelte gemeinsam mit
Prof. Dr. Hermann Rauhe (damals Leiter der Hochschule für Musik in Hamburg) 1970 eine
Therapie auf dem Gebiet der motorischen Antriebsförderung Gelähmter durch Musik.
Anwendung fand diese Therapie bei Halbseitenlähmung, Parkinson und anderen motorischen
Krankheitsbildern. Bewährt hat sich hier bei der Wahl der Musik besonders die Popularmusik.
Sie verbreitet ein günstiges therapeutisches Klima und vermittelt Impulse und neue
Bewegungsantriebe. Harmonische Melodien mit einem pointierten Grundrhythmus haben sich
bewährt. Viele Kranke berichteten, auch wenn die Musik längst abgeschaltet war: „Es singt weiter in mir und der Takt schlägt innerlich nach.“27
Auch in der Aphasietherapie (Aphasie = Verlust des Sprachvermögens) hat sich die
Anwendung von Melodie und Rhythmus bewährt.
Im Umgang mit Alzheimerpatienten kann man Erstaunliches beobachten. Wird in einem
Altersheim ein Chorkonzert gegeben, das vorwiegend alte Volks-, und Kirchenlieder enthält,
singen gerade die dementen Bewohner mit, klatschen und bewegen sich zu den Liedern.
Pflegekräfte stellen fest, dass Bewohner, die sich sonst verbal nicht mehr äußern, durch die
Lieder motiviert werden, kurze Sätze zu bilden.
In immer mehr Bereichen der Medizin findet Musik ihren Platz. In der Schmerztherapie wird
Musik eingesetzt, oft aber auf aktive Art. Mit einfachen Schlaginstrumenten wird ein
Rhythmus gefunden, der in der Gruppe dann zu einer Melodie eingesetzt wird. Das lenkt die
Aufmerksamkeit weg vom Schmerz.
Eine Schmerzpatientin berichtet in meinem Fragebogen dazu: „ In der Gruppe wurde auf Handtrommeln getrommelt. Takt und Tempo wurden vom Therapeuten vorgegeben. 20
Minuten haben wir sehr konzentriert getrommelt. Ich war sehr erstaunt, dass durch dieses
Trommeln keine Nebengedanken möglich waren und die Schmerzen vergessen waren. Ich
fühlte mich frisch und munter. Auch die anderen Mitspieler waren überrascht, was „Musik“ für Wirkung hat.“
Musik wirkt auf den ganzen Menschen. Wichtig ist ein bewusstes Hinhören und keine
Dauerbeschallung. Übertreibung schadet! Einseitige und angespannte Körperhaltungen, zu
langes Üben, zu wenig Pausen und ständig zu laute Musik können zu Verspannungen, Stress
und Hörproblemen führen.
So wie jedes Medikament Wirkungen und Nebenwirkungen hat, finden wir auch beim Einsatz
von Musik positive und negative Reaktionen. Die negativen können aber bei bewusstem
Einsatz unter professioneller Leitung meist umgangen werden.
26
27
Lehmann, Christian: Der genetische Notenschlüssel, F.A.Herbig, S. 173f.
Heizmann, Klaus: Reden ist Silber Singen ist Gold, Brockhaus 1990, S. 28f.
19
4. Musik im ABPS-Modell (Allgemeine Beratung,
Psychotherapie und Seelsorge)
Betrachte ich die vorangegangenen Kapitel, leite ich daraus folgende Hypothesen ab:
- Musik ist von Gott in die Schöpfung und damit auch in den Menschen gelegt.
- Musik wirkt auf den ganzen Menschen. Jede körperliche Reaktion auf Musik wird
auch gleichzeitig von einer psychischen Reaktion begleitet.
Dem ABPS-Modell, von Prof. Michael Dietrich konzipiert, liegt ein solches ganzheitliches
Menschenbild zugrunde. Nach 1. Mose 2,7 wird abgeleitet, dass der Mensch eine lebendige
Seele (nefesh) ist. Zu dieser Seele gehören Körper (Soma), Kognitionen, Emotionen,
Motivationen (Psyche) und die Spiritualität (Pneuma). „D.h. wenn immer wir denken, dann fühlen wir auch, spüren unseren Körper und sind von Gott geführt und geleitet. So gesehen
gibt es auch keine Störungen, die ausschließlich körperlicher Art sind. Immer sind auch die
Gefühle, das Denken und der Glaube involviert.“28
Es gibt keine Veränderungen, Krankheiten, die nur einen Anteil des Menschen betreffen.
Die somatischen, psychischen und pneumatischen Anteile des Menschen bilden nur in ihrer
Zusammenschau ein Ganzes.
Die ABPS beschreibt, wie Menschen krank und wie sie gesund werden können.
Da ein einheitliches Konzept nötig ist, um den Menschen (lebendige Seele) in seiner Ganzheit
(Soma, Psyche, Pneuma) zu unterstützen und zu fördern, wird in der ABPS das Prinzip der
Entropie hinzugezogen.29
Dies besagt, einfach ausgedrückt: „Ein System gerät in Unordnung, wenn keine äußere Einwirkung hinzukommt.“ Ein ganz plastisches Beispiel ist eine Tasse Tee, die von alleine
kalt wird, es sei denn, man stellt sie auf eine Wärmequelle.
Mit Hilfe dieses Prinzips kann man Störungen sowohl im somatischen, wie auch psychischen
und pneumatischen Anteil des Menschen erklären:
- Im Bereich Soma kann das Durcheinandergeraten von Körperzellen Ursache für viele
körperliche Störungen sein, z.B. ungehemmtes Zellwachstum führt zu
Krebserkrankungen. Gerät das Zusammenspiel chemischer Substanzen (Adrenalin,
Serotonin, Noradrenalin) im Gehirn durcheinander, ist mit psychischen Störungen zu
rechnen.
- Im Bereich Psyche kann das Durcheinandergeraten von Gedanken und Gefühlen zu
Störungen führen. Ein sogenanntes „falsches Denken“, wie z. B. von anderen Menschen nicht akzeptiert zu sein wegen eines kleinen Mangels, kann zu
Selbstwertstörungen bis hin zur Depression führen. Geraten Gefühle durcheinander
und sind nicht mehr zu kontrollieren, kann dies u.U. zu Persönlichkeitsveränderungen
führen.
- Im Bereich Pneuma kann das Verhältnis zu Gott durcheinander geraten durch Dinge,
Ereignisse, die den Menschen von Gott trennen (biblisch auch Sünde genannt). Solch
eine Beziehungsstörung zu Gott kann körperliche und psychische Veränderungen
hervorrufen.
Um dieses Durcheinandergeraten, die Vergrößerung der Entropie, aufzuhalten, muss der
Mensch aktiv werden. Für alle drei Aspekte der lebendigen Seele gibt es Hilfestellungen, um
den Heilungsprozess zu unterstützen, und so zu einer Verringerung der Entropie beizutragen:
28
29
Dieterich, Michael: Seelsorge kompakt, Brockhaus 2009, S. 38
Dieterich, Michael: Einführung in die Allg. Psychotherapie u. Seelsorge, Brockhaus 2009, S.137ff
20
-
-
-
Im Bereich Soma werden Medikamente eingesetzt, die dank der heutigen
medizinischen Forschung wirksam und hilfreich sind. Ebenso wirken sich gesunde
Ernährung und richtige Bewegung positiv auf den Stoffwechsel und den
Bewegungsapparat des menschlichen Körpers aus.
Im Bereich Psyche wird mit Hilfe von Lernprozessen das Durcheinander der
Gedanken und Gefühle wieder in eine lebensunterstützende Ordnung gebracht. Es
gibt verschiedene Formen des Lernens. Die ABPS integriert die Methoden der
verschiedenen Therapieschulen, die in ihrer Wirksamkeit Lernprozesse unterstützen.
In dem Buch „Handbuch Psychologie & Seelsorge“, von Michael Dieterich finden sich dazu ausführliche Beschreibungen.
Im Bereich Pneuma stellt ein direktes oder indirektes Eingreifen Gottes die Beziehung
wieder her. Dazu gehören das Gebet, Beichte, Vergebung, Sündenerkenntnis, Segnung
und viele andere Möglichkeiten seelsorgerlicher Elemente.30 31
Wenn der Mensch die Dinge nicht mehr sich selbst überlässt, sondern etwas tut, eingreift,
dann verringert sich die Unordnung. Das gilt nicht nur für Dinge um den Menschen herum,
sondern auch für den Menschen selbst, mit Soma, Psyche und Pneuma.
Auf diese Anteile des Menschen wirkt auch die Musik.
Musik mit christlichen Texten kann die Verbindung zu Gott stärken.
Einige Befragte meines Fragebogens schrieben, dass sie sich durch solche Musik Gott näher
fühlten. Die Gemeinschaft mit Gott wurde enger empfunden.
So wirkt Musik mit und ohne Text, gehört oder selbst gespielt auf den Menschen, die
lebendige Seele, in ihren verschiedenen Anteilen.
Die ABPS ist dadurch gekennzeichnet, dass sie dem ganzheitlichen Menschenbild eine
ganzheitliche Therapie entgegensetzt.32
Anhand des von M. Dieterich entwickelten 9-Faktoren-Modells lassen sich umfassend die
Ursachen einer Störung, eines Problems, aufzeigen.
Mit Hilfe des gleichen Modells wird ein erwünschtes Verhalten festgelegt und an allen 9
Faktoren geprüft, wie dieses Verhalten gefördert werden kann.
33
30
Dieterich, Michael: Seelsorge kompakt, Brockhaus 2009, S. 57ff
Dieterich, Michael: Handbuch Psychologie & Seelsorge, Brockhaus 1989
32
Wentland, Matthias: Zwangsstörungen, Brockhaus 2012, S.94
33
Dieterich, Michael: Wie sich Menschen ändern, Brockhaus 2009, S.129
31
21
Möchte ich Musik als Hilfsmittel in der Beratung nutzen, muss ich mir einige Punkte sehr
bewusst machen:
- Musik ist kein Allheilmittel. Es ist eine von vielen Möglichkeiten und Hilfsmitteln, um
Menschen im Beratungsprozess zu unterstützen.
- Jeder Mensch hat seine eigene musikalische Entwicklung. Es muss schon eine
Vertrauensbasis vorhanden sein und ein gutes Einfühlungsvermögen seitens des
Beraters, um Musik unterstützend einzusetzen.
- Musik, die für mich hilfreich ist, muss nicht auch für mein Gegenüber hilfreich sein!
- Bevor ich als Berater Musik im Beratungsprozess einsetze, sollte ich mich mit dem
Thema Musik und ihrer Wirkung auf den Menschen auseinandersetzen. Genauso wie
bei allen andern Methoden, ist es auch hier unerlässlich, den Umgang mit Musik zu
erlernen.
- Bei aller Vorsicht darf ich aber auch dieses Hilfsmittel nutzen und darauf vertrauen,
dass Gott mir zeigt, was mein Klient braucht.
- Ansonsten heißt es: Fragen, fragen, fragen! Nur so kann ich neben meinen
Beobachtungen und den Hinweisen Gottes entdecken, was dem Klienten gut tut.
Mit den Fragen befinde ich mich schon mitten im ABPS-Modell. Ich erfrage die Situation,
das Erleben meines Gegenübers.
Zunächst betrachte ich allgemein die Wirkung von Musik im ABPS Modell, bevor ich auf
einen konkreten Fall eingehe.
Aufgrund der von mir gelesenen Bücher, der Ergebnisse meiner Fragebogenaktion (siehe
Anhang, S. 34ff), wie auch meines eigenen Erlebens mit Musik, beschreibe ich die Wirkung
von Musik im ABPS-Modell folgendermaßen:
1. Organismus
Hier kann ruhige Musik eingesetzt werden, z.B. Klaviersonaten von W. A. Mozart, um
nervöse Unruhe, Herzrasen, Schweißausbrüche und ähnliches zu mindern.
Auch Entspannungsübungen mit Musik können hilfreich sein.
Beschreibt der Klient sich dagegen als lustlos, träge, apathisch, gefühllos, ist Musik
angebracht, die berührt, Gefühle anstößt. Musik mit einem eingängigen Rhythmus, die fast
automatisch den Fuß zum Wippen bringt.
„Lustige“ Musik ist meistens an dieser Stelle zu extrem und kann einen Zugang erschweren.
Bei chronischen Schmerzen ist eine spezielle Musiktherapie unter fachkundiger Anleitung
möglich.
2. Medikamente
Mit entsprechender Musik kann die Wirkung von Schmerzmitteln, blutdrucksenkenden und –
fördernden Mitteln unterstützt werden.
Am effektivsten ist hier das eigene Musizieren.
3. Gedanken
Positive Gedanken können an ein Musikstück gekoppelt werden. Wenn dieses Stück gehört
wird, stellen sich die gewünschten Bilder und Gedanken ein.
22
4. Stimuli (Reiz/ Auslöser)
Musik kann auch als Reiz dienen, als Auslöser z.B. für ein neues Verhalten.
Genauso muss abgeklärt werden, ob nicht das alte Verhalten durch bestimmte Musik
unterstützt wird.
5. Übung
Das Einüben eines neuen Verhaltens kann durch Musik erleichtert werden, wenn z.B. jemand
lernen möchte, Ordnung zu halten. Hier gibt es Menschen, denen das mit Musik leichter fällt.
Wichtig ist, darauf zu achten, dass Musik nicht zur Dauerberieselung wird und dadurch der
positive Effekt verloren geht.
Auch das Erlernen eines Instrumentes oder des Singens, kann Erfolgserlebnisse erzielen und
somit das Selbstwertgefühl stärken.
6. System
In manchen Systemen, wie Familie, Gemeinde, Chor, kann durch gemeinsames Musizieren
ein Dazugehörigkeitsgefühl entwickelt werden.
Menschen mit schwachem Selbstwertgefühl, sozialer Inkompetenz können hier positive
Erfahrungen machen. Aber auch die Kreativität, sowie die Wahrnehmung anderen gegenüber,
wird gefördert.
7. Verstärker
Erlebt der Klient durch Musik gute Gefühle und Entspannung, sind dies verstärkende
Faktoren, um Musik weiter gezielt einzusetzen.
Eine Belohnung kann bei Lernerfolgen z.B. der Kauf einer neuen CD sein.
8. Spiritualität
Menschen, die eine persönliche Beziehung zu Gott haben, erfahren durch Musik, speziell in
Verbindung mit christlichen Texten, eine besondere Nähe zu Gott.
Sie fühlen sich persönlich angesprochen, getröstet, ermutigt und gestärkt.
Solche Lieder können zu Lebensbegleitern werden.
Gott durch Lieder zu loben, sich mit Musik in seine Nähe zu begeben, kann ebenso als
heilend empfunden werden.
9. Kontingenz
Hier geht es nun um die Nachhaltigkeit. Alle 9 Faktoren des ABPS-Modells sollten
ineinandergreifen und sich unterstützen.
Musik kann in vielen Bereichen hilfreich sein, aber sie allein macht keine Kontingenz.
Der gesamte Therapieplan muss eingehalten, überprüft und geübt werden, mit oder ohne die
Unterstützung von Musik.
23
4.1. Ein Fallbeispiel
Klientin, Frau M., ist die erwachsene Tochter einer demenzkranken Frau.
Nachdem die Beziehung zur Mutter immer eine gute und intensive war und die Mutter auch
eine angenehme und freundliche Art hatte, veränderte sich beides sehr in den letzten Jahren.
Die Mutter lebt nun in einem Pflegeheim und erkennt die Tochter kaum noch.
Kommunikation ist nicht möglich und bei vielen Gelegenheiten wie z.B. Körperpflege oder
Essen wird die Mutter aggressiv, schlägt und schimpft.
Damit kann die Tochter, Frau M., nicht umgehen. Sie fühlt sich als Tochter abgelehnt und hat
Schuldgefühle, da sie sich nicht mehr um die Mutter kümmern kann.
Da sie selbst Krankenschwester ist, hat sie die Anforderung an sich, mit der dementen Mutter
richtig umgehen können zu müssen.
Frau M. kommt mit klaren Anliegen:
- Der Gedanke, eine schlechte Tochter zu sein, bereitet ihr zunehmend auch körperliche
Probleme, wie Schlafstörungen und das ständige Gefühl der Überforderung. Dagegen
möchte sie angehen.
- Sie möchte lernen mit der Mutter auf irgendeine Weise zu kommunizieren und
akzeptieren lernen, dass die Mutter sich weiter verändert.
Hier kann jetzt die gute Beziehung zwischen Mutter und Tochter herausgearbeitet werden.
Die schönen Momente in Erinnerung rufen und behalten.
Frau M. benötigt Impulse, um sich zu entspannen, und Möglichkeiten, für ausreichend Schlaf
zu sorgen.
Gemeinsam werden wir das Krankheitsbild „Demenz“ genauer betrachten. Das soll Frau M. helfen, den Zustand der Mutter unabhängig von ihrem Tun als Tochter sehen und verstehen zu
können.
Im Gespräch erfrage ich, welchen Stellenwert die Musik in der Herkunftsfamilie hatte, welche
Lieder die Mutter gerne gehört hat und wie Frau M. selbst mit Musik umgeht.
Zu empfehlen ist an der Stelle das Buch: „Mit Musik geht vieles besser. Der Königsweg in
der Pflege bei Menschen mit Demenz.“
Ein Buch mit praktischer Anleitung, vielen Fallbeispielen und theoretischem Basiswissen.
Frau M. kann für sich Musik gezielt zur Entspannung einsetzen.
Gleichzeitig kann sie sich mit Liedern auseinandersetzen, die ihrer Mutter etwas bedeutet
haben, sowie in früheren Jahren häufiger gespielt wurden.
Gerade bei Demenzkranken kann Musik zur Kommunikation eingesetzt werden, wenn es die
Musik ist, mit der die Betroffenen etwas verbinden können.
Wichtig ist auch hier keine Dauerberieselung, sondern ein ganz gezielter Einsatz von Musik.
Der Tochter fallen einige Volkslieder, aber auch kirchliche Lieder ein, die die Mutter früher
gesungen und gehört hat.
Als Einstieg wäre ein Lied zu wählen, das eine fröhliche Melodie hat und möglichst nicht mit
negativen Erinnerungen verknüpft ist.
Das kann selbst die Tochter nicht mit letzter Sicherheit wissen. Der Versuch zählt!
Das Erleben, dass die Mutter ruhig wird, als Frau M. das Lied beginnt und sogar erst
summend, dann mit Text einstimmt in dieses Lied und dabei Berührung zulässt, macht Frau
M. Mut, diesen Weg weiter zu gehen.
24
Hier werden durch die Musik viele Dinge bearbeitet:
- Frau M. kann sich selbst entspannen
- Kann andere Gedanken zulassen, an Musik gekoppelt
- Übt Lieder und Melodien aus Mutters Zeit, mit dem Ziel der Kommunikation
Das führt dazu, dass Frau M. sich nicht mehr so hilflos fühlt. Sie kann aktiv werden und der
erste Erfolg verstärkt ihre Bemühungen.
Die Familie kann in diese Art der Kommunikation mit einbezogen werden und im allerbesten
Fall wird sogar das Pflegepersonal aufmerksam auf die Möglichkeit, die bei Dementen mit
Musik zu erreichen sind.
Im ABPS-Modell könnte es so aussehen:
Z1: Hilflosigkeit, Angst, Verlust der Beziehung, fehlende Kommunikation
Z2: Akzeptanz der Erkrankung, Beziehungserhalt mit niederschwelliger Kommunikation
Medikamente: keine
Organismus:
Schlafstörungen, Unruhe, Herzjagen, Schweißausbrüche
Guter Schlaf, keine Stresssymptome mehr
Gedanken:
Ich habe versagt; ich bin eine schlechte Tochter; ich muss mich kümmern
Ich bin eine liebevolle Tochter; ich tue was mir möglich ist; ich bin nicht schuld
Stimuli:
Jeder Kontakt mit der Mutter; Situationen, die an die Mutter erinnern
Jeder neue Kontakt mit der Mutter; Musik
Übung:
Besuche rausgezögert, vermieden; Versuche, besonders aufmerksam zu sein
Entspannungsübungen; Gedankenstopp; regelmäßig geplante Besuche; musikalische
Vorbereitung; Krankheitsbild besser kennen lernen
System:
Pflegeheim hat Erwartungen; Familie ebenfalls hilflos
Familie miteinbeziehen; Kommunikation mit Pflegeheim
Verstärker:
Besuche hinausgezögert; keine oder negative Reaktion
Positive Reaktion der Mutter; nach Besuch sich selbst Gutes tun (Essen gehen, Sauna,
Lesen…)
Spiritualität:
Durch geistliche Lieder und Texte kann Gott ins Herz sprechen, auch bei dementen Menschen
Kontingenz:
Ein Zusammenwirken aller Faktoren mit dem Wissen um das Fortschreiten der Krankheit und
ein Offensein für jede noch so kleine Reaktion wird Z2 unterstützen
25
5. Ausklang
Musik ist eng mit uns Menschen verbunden. Jeder Mensch hat von Natur aus ein gewisses
Maß an musikalischem Potential. Durch unser Gehirn, unseren Stimmapparat und unser
Gehör sind wir in der Lage, eine Melodie zu erkennen und sie nachzusingen.
Wir können einen Rhythmus wahrnehmen und mitklopfen und mit unserer Stimme sind wir in
der Lage, uns mit Worten und mit Tönen auszudrücken.
Musik ist Kommunikation, ist Ritual, ist Heimat, ist ein Reiz für unser Gefühlsleben. Diese
Liste kann noch beliebig fortgesetzt werden.
Jeder, der diese Arbeit gelesen hat, kann seine eigene Empfindung an dieser Stelle einsetzen:
Musik ist für mich…
Wie gehe ich mit Musik um? Möchte ich lernen, Musik bewusster einzusetzen, wirklich
hinzuhören, um die positive Wirkung der Musik zu erleben?
Musik ist keine Zeitverschwendung, sondern gut für Körper und Geist. Höre ich Musik, die
ich mag, stimmt sie mich optimistischer.
In der heutigen Zeit findet eine Dauerbeschallung mit Musik statt. Aufgrund moderner
Technik sind wir in der Lage, kleinste Geräte mit Kopfhörern überall mit hin zu nehmen und
unseren Körper einem musikalischen Marathon zu unterziehen.
Hier findet oft kein bewusstes Hinhören mehr statt und Kommunikation ist kaum möglich.
Es gibt keine Stille mehr, in der unser Gehör und Gehirn sich erholen können.
Dieses Verhalten hat fast „Suchtcharakter“, da bei Abschalten der Musik sofort etwas fehlt und manchmal sogar Unbehagen auftritt.
Um Musik mit all ihren positiven Eigenschaften entdecken zu können, muss ich eine
Willensentscheidung treffen: keine Dauerberieselung mehr, sondern ein bewusstes
Ausprobieren, Wahrnehmen und Hinhören. Wie reagiere ich auf welche Musik?
Erst wenn ich selber den positiven Effekt der Musik erlebe, kann ich andere Menschen auf
dem Weg dahin begleiten.
Wagen wir es doch, unser natürliches musikalisches Potential zu benutzen. Wenn es lange
brachlag, braucht es etwas Übung, aber wer sprechen kann, ist auch in der Lage zu singen.
Es muss keine Opernarie sein!
Die einfachsten Lieder reichen, um festzustellen, dass der ganze Körper beteiligt ist.
Gott hat die Schöpfung mit Musik erfüllt und damit auch uns Menschen mit Musik
verbunden. Nehmen wir doch diesen Teil der Schöpfung bewusster wahr und teilen diesen
musikalischen Weg mit anderen Menschen.
So wie es Manfred Siebald in einem Lied schreibt:
Hört, hört ihr nicht die Lieder um euch her?
Hört, ihre Worte rauschen wie ein Meer.
Lieder kommen, Lieder gehen.
Von dem Liedertreiben wird nur eines bleiben:
Refr.: Singt das Lied der Lieder von dem Herrn der Herren.
Gebt ihm eure schönsten Melodien.
Singt es immer wieder, spielt es ihm zu Ehren.
Gebt das Beste, was ihr habt, für ihn.
Seht, seht doch, dass Gott euer Bestes will.
Seht, was er selbst zuerst euch gab ist viel.
26
Christus starb, damit ihr lebt.
Ihn soll euer Singen zu den andern bringen.
Spürt, wie das Lied von vielen Stimmen lebt.
Spürt, wie uns Gott ganz eng zusammen webt.
Nah bei ihm sind wir uns nah,
hörn in Lied und Leben ihn den Ton angeben.
Singt, singt es mit dem Wind, solang es geht.
Singt, singt es auch noch, wenn der Wind sich dreht.
Lasst die Herren dieser Welt
euch doch niemals zwingen, nur für sie zu singen.
So lasst uns singen, spielen und tanzen zur Ehre Gottes und zu unserer Freude und
Gesundheit.
27
6. Anhang
6.1 Musikinstrumente der Bibel
28
34
34
Hennig, Kurt: Jerusalemer Bibellexikon, Haenssler Verl.1990, S.615f.
29
6.4. Erfahrungen von Menschen mit Musik
Interview Stephan Volke für Idea Spezial 1/2005
Wie Gott durch Tiefen trägt – Thea Eichholz-Müller im Gespräch
Es sind nicht immer die Höhen des Lebens, die die schönsten Lieder hervorbringen. Gerade
wenn es durch Tiefen geht, zeigt sich, auf welchem Fundament das Leben steht. Für Thea
Eichholz-Müller (38, 2 Kinder) war es wie ein Hammerschlag, als bei ihrem Ehemann und
Musikerkollegen Bernd-Martin Müller im Alter von 38 Jahren eine unheilbare
Krebserkrankung diagnostiziert wurde.
Eine "harte Zeit" begann, ihr Mann starb vor 1 1/2 Jahren. Jetzt hat die Musikerin, Texterin
und Sängerin eine CD mit sehr tiefgehenden Texten und trotz allem einer sehr
hoffnungsvollen Grundstimmung herausgebracht: "Breite deine Flügel aus" (Gerth Medien).
Sturmzeiten im Leben sind oft Zeiten, die dem Leben Tiefe geben. Haben Sie das auch
so erlebt?
Ja, sehr: Es wurde tiefer im Sinne von "schwerwiegender" und "bedeutungsvoller". Wobei ich
auch vorher ein Mensch war, der das Leben nie leicht nahm. Ich hätte erwartet, dass mich
Erlebnisse wie die der letzten zwei Jahre platt auf den Boden drücken würden. Das habe ich
dann aber – Gott sei Dank – so nicht erlebt.
Musikalisch finden sich auf der CD ruhige Töne. Hat sich die Bewältigung der Trauer
auf die Umsetzung ausgewirkt, oder ist das ursprünglich Ihre Musik?
Ich mag Balladen, habe in meinem Leben aber auch schon eine Menge schnelle Songs
komponiert. Musik bietet mir die Möglichkeit, Stimmungen einzufangen und Gebete
auszudrücken. Und jedes Gefühl hat seinen eigenen "Klang".
Nicht nur, weil die meisten Songs vor dem Tod meines Mannes entstanden sind, würde ich
statt "Bewältigung der Trauer" eher "Lebens- und Glaubensbewältigung" als Grundthema
nennen. Das entlockte mir eher die ruhigeren Töne. Die Musik hilft mir noch immer – denn
die schwere Zeit ist ja nicht vorbei. Es sind "meine Psalmen", mein Ventil, das Gott mir
schenkt.
Viele verzweifeln an Gott, wenn sie seine Wege nicht mehr verstehen. Warum Sie nicht?
Das klingt ein bisschen so, als wäre es eine Leistung, die ich erbringe: "Stark sein!" Aber
nicht an Gott zu verzweifeln ist erst mal nicht mehr als eine Entscheidung, die ich und jeder
fällen muss, sein ganzes Leben lang neu. Es gibt bei mir genauso Phasen der
"Ver-Zweiflung". Besonders in Tagen vor Konzerten gibt es Zeiten, in denen ich kämpfe und
mit Gott ringe. Auch bei den Aufnahmen für die Produktion habe ich bei manchen Liedern
mehrmals Anlauf nehmen müssen. Aber ich kann auch zurückblicken auf Begegnungen mit
der Kraft und der Güte des lebendigen Gottes! Was habe ich davon, wenn ich ihm den Rücken
zukehre? Mir hat mal jemand gesagt: "Höre nicht auf, ihm dein Herz auszuschütten, mit
allem, was darin enthalten ist! – Dann wirst du auch nicht aufhören, Erfahrungen mit ihm zu
machen."
Das sage ich heute und jetzt. Möge Gott mir helfen, dass ich das auch in fünf Jahren noch so
sehe. Wie gesagt, es ist nicht meine Leistung.
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Durch die Lieder zieht sich ein roter Faden, der Gegenwart und Zukunft, Erde und
Himmel miteinander verbindet. Was waren Ihre Gedanken bei dieser "Klammer"?
Bestimmte Ereignisse in unserem Leben lassen uns innehalten und ein Stück dessen erahnen,
woraufhin wir geschaffen sind. Die Geburt eines Kindes z.B.: Ich kann mich nach den
Geburten unserer Kinder daran erinnern, dass ich das Gefühl hatte, die Erde drehe sich
anders! Eine neue Dimension kommt hinzu! Da klingt eine Musik an, die Sehnsucht macht
auf mehr. – Das Sterben eines Menschen berührt einen ähnlichen Bereich meiner Seele und
meines Geistes. Auch da sehe ich eine Schnittstelle zwischen der Ewigkeit und dem Leben
hier. Meine letztendliche Heimat ist nicht hier. Aber oft lebe ich, als ginge es darum, hier aus
diesem Erdensand etwas für die Ewigkeit zu kneten. Wie engstirnig und belastend! Wenn
mein Herz schon jetzt und hier den Klang der Ewigkeit in sich trägt, muss das Auswirkungen
darauf haben, wie ich einen nervigen Tag angehe, meine Kinder erziehe, meinen Beruf ausübe
oder den Schaden an meinem Auto einordne. Das ist ein Weg, auf dem ich immer wieder die
Spur verliere. Doch am Ende meiner Bemühungen steht Jesus Christus, und er öffnet mir den
Weg in die lebendige Ewigkeit.
[Interview Stephan Volke für idea spezial 1/2005]
Herr W. (60), Dozent:
Ich mag Musik. Ohne Musik wäre für mich das Leben nur halb so schön. Und ich genieße das
weite und breite Spektrum von Bach bis BAP und darüber hinaus. Ich singe gerne Choräle in
der Kirche und Gospels im Gospelchor, spiele auf dem Saxophon „Jesu meine Freude“ und „With a little help for my friends“.
Was mich jedoch zu den neuen Liedern hinzieht, ist die Offenheit der Gefühle und ein
Eintauchen in das aktuelle Leben. Der Rhythmus nimmt meine Alltägliche
Lebenswirklichkeit auf. Ich kann mitswingen, mitklatschen. Mein Herz fühlt sich verstanden.
Mein ganzer Körper wird wahrgenommen.
Ich bin voll und ganz dabei. Musik will mich auf einer ganz anderen Ebene erreichen. Dabei
helfen mir die neuen, rhythmischen, bewegenden und anregenden Lieder, meinen Glauben
auszudrücken und zu bezeugen, Gott zu beschreiben und zu ehren.
Zugegeben: Manche Texte sind nicht o sehr dicht und inhaltsschwer; dafür sind sie
verständlich und aus unserer Zeit stammend. Aber ich singe ja auch kein Referat oder einen
Vortrag.
Ich als älterer Mensch jedenfalls mag viele dieser Lieder und wer möchte (es ist keine Frage
des Alters sondern des Herzens), soll munter mit-„rocken“, mitklatschen und mitswingen. J.S.
Bach wäre gewiss mit von der Partie gewesen. Soli Deo Gloria.
Frau K. (20), Auszubildende am Johanneum, Wuppertal:
Ich höre, spiele und singe gerne „alte Musik“. Aber was ist eigentlich „alte Musik“? Manchmal gibt es aktuelle Lieder, die schnell wieder verschwunden und vergessen sind.
Andererseits gibt es Musik, die über Jahrhunderte nicht vergessen wird und noch immer
Menschen anspricht. Vielleicht ist der Begriff „alte Musik“ falsch gewählt, daher spreche ich lieber von „Musik ohne Haltbarkeitsdatum“.
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Musik hilft mir, mit meinen Gefühlen umzugehen. So höre ich meistens „Das Gewitter“ von Vivaldi, wenn ich wütend bin, und vielleicht kennen auch Sie ein ganz bestimmtes Lied, das
Sie immer hören, wenn Sie z.B. schlecht gelaunt sind.
Als vor knapp zwei Jahren ein Freund von mir starb, wusste ich nicht genau, was ich machen
sollte. Jemand hatte mir mal gesagt, dass man in allen Situationen Gott loben soll. Ich ging
deshalb Klavier spielen. Ein Jubel- oder Loblied konnte ich aber in der Situation der Trauer
nicht singen. Auf der Suche nach etwas Geeignetem fiel mir Minna Koch ein. Sie schrieb im
19. Jahrhundert, nachdem ihr Verlobter gestorben war, das Lied: „Stern, auf den ich schaue“. Ich habe so viel Trost darin erfahren und gleichzeitig habe ich etwas sehr Wichtiges gelernt:
Gott will, dass wir auch in Trauer zu ihm kommen und mit ihm jede noch so kleine Emotion
teilen. Das ist eine Erkenntnis, die besonders die alten Meister gut verstanden haben.
Vielleicht weil viele von ihnen einige ihrer Kinder beerdigen mussten? Vielleicht weil sie Pest
und Hungersnot erfahren haben? Vielleicht weil Leid und Elend ihr ganzes Leben begleitet
hat? Alle Not, alle Freude, alle Trauer, alle Angst legten sie mit in ihre Musik. Deshalb mag
ich diese „Musik ohne Haltbarkeitsdatum“. Anne de Wolff / Musikerin:
Musik ist für mich wie Sonne, Wasser, Schokolade und Frühlingsluft. Sie lässt mich
eintauchen, treiben in Freude, Schmerz, Glück oder Sehnsucht. Und gibt mir damit Frieden
und Seelenheilung. Ich empfinde es als großes Privileg, selbst jeden Tag Musik mit anderen
Menschen machen und sogar davon leben zu dürfen. Eines meiner Lieblingslieder, welches
ich auch meinem Sohn jeden Abend am Bett sang, bis er mich eindringlich bat, damit endlich
mal aufzuhören, ist »Der Mond ist aufgegangen«: »Der Mond ist aufgegangen, / die goldnen
Sternlein prangen / am Himmel hell und klar; / der Wald steht schwarz und schweiget, / und
aus den Wiesen steiget / der weiße Nebel wunderbar . « Text: Matthias Claudius (1778)
Dieter Falk/ Produzent:
Musik ist für mich Bewegung. Sie reißt mich mit und hält mich jung. Geht mir immer im
Kopf herum - meine Frau sagt, ich sollte das doch wenigstens nachts mal abschalten.
Letzteres passiert natürlich deshalb, weil ich mich den ganzen Tag über fast ausschließlich
mit Musik beschäftige. Mit Grooves, die hoffentlich den Zuhörer mitwippen lassen, mit
Melodien, die hoffentlich Ohrwürmer werden. Mit Harmoniewendungen, die mir immer
schon am besten gelangen, wenn ich Bach mit Jazz gekreuzt habe. Im Übrigen: So weit sind
die beiden Letztgenannten gar nicht voneinander entfernt. Musik ist so vielschichtig, weil sie
sich täglich erneuert. Schon erstaunlich, was man aus zwölf Tönen alles machen kann. Musik
ist Bewegung - natürlich auch deshalb, weil ich selten am Piano still sitzen bleiben kann.
Musik bringt mich aber auch zur Ruhe. Und zwar am besten, wenn ich abends das Licht
lösche und am Flügel musikalisch meditiere. Dann komme ich der Sache auf den Grund: Der
Sache mit der Kreativität. Dem Ding mit dem Kreator. Dem Gespräch mit Gott.
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Martin Luther über die Musik:
„Ich halte gänzlich dafür, dass nach der Theologie keine Kunst ist, die mit der Musica kann verglichen werden. Denn sie allein tut nach der Theologie das, was sonst die Theologie allein
tut: Sie schafft nämlich einen fröhlichen Mut zum klaren Beweis, dass der Teufel – der der
Vater aller Traurigkeit ist – vor der Stimme der Musik fast ebenso flieht wie vor dem Wort
der Theologie. Daher haben die Propheten keine Kunst so gebraucht wie die Musik, da sie
ihre Theologie nicht in Geometrie, Arithmetik, auch nicht in Astronomie, sondern in die
Musik gefasst haben, auf dass sie Theologie und Musik beieinander hätten und die Wahrheit
in Psalmen und Lobgesängen verkündigten”
6.5 Musikzitate
Wollt ihr wissen, ob ein Land wohl regiert und gut gesittet sei, so hört seine Musik.
Konfuzius
Blüte und Untergang, Würde und Unwürde, edle und gemeine Gesinnung, alles drückt sich in
der Musik aus und lässt sich nicht verbergen.
Liä Tse
Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie.
Ludwig van Beethoven
Ich betrachte die Musik als die Wurzel aller übrigen Künste.
Heinrich von Kleist
Musik allein ist die Weltsprache und braucht nicht übersetzt zu werden.
Berthold Auerbach (1812-1882)
Die Musik hat von allen Künsten den tiefsten Einfluss auf das Gemüt. Ein Gesetzgeber sollte
sie deshalb am meisten unterstützen.
Napoleon I.
Die Erziehung zur Musik ist von höchster Wichtigkeit, weil Rhythmus und Harmonie
machtvoll in das Innerste der Seele dringen.
Platon, griechischer Philosoph, 427-437 v.Chr.
Musik ist die größte Malerin von Seelenzuständen und die allerschlechteste für materielle
Gegenstände.
August Wilhelm Ambros (1816-1876)
Kein Bild, kein Wort kann das Eigenste und Innerste des Herzens aussprechen wie die Musik.
Ihre Innigkeit ist unvergleichlich, sie ist unersetzlich!
Friedrich Th. Vischer (1807-1887)
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Die Leidenschaften, heftig oder nicht, müssen niemals bis zum Ekel ausgedrückt sein, und die
Musik auch in der schaudervollsten Lage niemals das Ohr beleidigen, sondern doch dabei
vergnügen, folglich allzeit Musik bleiben.
Wolfgang Amadeus Mozart
Wer nie jagte und nie liebte, nie den Duft der Blumen suchte und nie beim Klang der Musik
erbebte, ist kein Mensch, sondern ein Esel.
Aus Arabien
Das älteste, echteste und schönste Organ der Musik, das Organ, dem unsere Musik allein ihr
Dasein verdankt, ist die menschliche Stimme.
Richard Wagner (1813-83)
Mit Hilfe der göttlichen Tonkunst lässt sich mehr ausdrücken und ausrichten als mit Worten.
Carl Maria von Weber
Die Musik schließt dem Menschen ein unbekanntes Reich auf, eine Welt, die nichts gemein
hat mit der äußeren Sinnenwelt, die ihn umgibt und in der er alle bestimmten Gefühle
zurücklässt, um sich einer unaussprechlichen Sehnsucht hinzugeben.
Ernst Theodor Amadeus Hoffmann (1776-1822)
Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum.
Friedrich Nietzsche
Musik ist Balsam für die Seele und Erholung für den Geist.
Achim Schmidtmann
Die Musik ist die Sprache der Engel.
Thomas Carlyle, schottischer Schriftsteller/Historiker, 1795-1881
Musik ist die gemeinsame Sprache der Menschheit.
Henry Wadsworth Longfellow, Havard Literatur Professor, 1807-1882
Musik ist die Kunst in Tönen zu denken.
Jules Combarieu (1859-1916) franz. Musikwissenschaftler
Die Musik ist die Sprache der Leidenschaft.
Richard Wagner
Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.
Gustav Mahler
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7. Quellenverzeichnis
Literatur
Dieterich, Michael: Wie sich Menschen ändern, Brockhaus 2009
Dieterich, Michael: Einführung in die Allg. Psychotherapie u. Seelsorge, Brockhaus 2009
Dieterich, Michael: Seelsorge kompakt, Brockhaus 2009
Dieterich, Michael: Handbuch Psychologie & Seelsorge, Brockhaus 1989
Elberfelder Studienbibel, Brockhaus 2. Auflage 2010
Heizmann, Klaus: Reden ist Silber Singen ist Gold, Brockhaus 1990
Hennig, Kurt: Jerusalemer Bibellexikon, Haenssler Verl.1990
Lehmann, Christian: Der genetische Notenschlüssel, F.A.Herbig, 2010
Spitzer, Manfred: Musik im Kopf, Schattauer 2002
Wentland, Matthias: Zwangsstörungen, Brockhaus 2012
Internet
www.welt.de/wissenschaft/tierwelt/article2744827
Blog.zentrum-der-gesundheit.de/2006-09-26-die erstaunlichste…..
www.spiegel.de/wissenschaft/natur/das-singen-der-eisberge
www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/kosmisches-konzert-raumsonde-hoert-gesang-dessaturn-a-333707
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